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Integration
in der Praxis
Heft 31
September 2011
Lehrer/innen im Fokus
Gemeinsamer Unterricht
behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher
Impressum
Medieninhaber und Herausgeber:
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Abt. I/5c,
MRin Mag.a Christine Seifner
Arbeits-/Redaktionsgruppe:
Mag. Peter Debenjak, Mag.a Petra Gaggl, HOLin Regina Gössinger,
BSIin Mag.a Ingrid Handle, Maga Dr.in Andrea Holzinger, SOLin Eva Kainz,
HOLin Brigitte Mörwald, SDin Christa Nothdurfter, SOLin Anneliese Pitzer
Koordination:
Mag. Peter Debenjak
Layout:
SOL Wolfgang Sieberer
Erscheinungstermin:
September 2011
Die Hefte dieser Publikationsreihe stehen als Download auf www.cisonline.at zur
Verfügung.
Die von 1993 bis 2008 in dieser Reihe erschienen Hefte können nach Verfügbarkeit und
gegen Bezahlung einer Manipulationsgebühr und der Portokosten als Printversion bestellt
werden:
Broschürenversand Amedia, Sturzgasse 1 a, 1141 Wien,
Tel. 01/982 13 22 - 360
Fax: 01/982 13 22 – 311
E-Mail: [email protected]
2
Inhaltsverzeichnis
Arbeitsfeld und Qualifikation .............................................................................................. 5
„Differenz und Inklusion“ als Thema der hochschulischen Lehrer/innenbildung –
am Beispiel der Ausbildungscurricula der Pädagogischen Hochschulen in Österreich ... 11
Durch welche Inhalte und Lehrveranstaltungen ist es in den Curricula sichergestellt,
dass Volksschullehrer/innen, Hauptschullehrer/innen
und Sonderschullehrer/innen auf das spätere integrative Berufsfeld
im Rahmen ihrer Ausbildung vorbereitet werden? ........................................................... 17
Schulpsychologische Unterstützung von Lehrer/innen
„Im Umgang mit beruflichen Belastungen gesund bleiben“.............................................. 19
zeit.raum
Beratungszentrum für Lehrer/innen, Leiter/innen aller Schultypen
und Studierende der Pädagogischen Hochschule Salzburg ............................................ 24
Reflexion – ein Qualitätskriterium des Lehrberufs ........................................................... 29
Psychohygiene von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
am Sonderpädagogischen Zentrum Oberwart; ein Praxisbeispiel ................................... 33
„Gemeinsam in Balance bleiben“
Wirksam und gesund bleiben im Spannungsfeld Schule .................................................. 36
Lehrer/innenhilfen ............................................................................................................. 43
Klimaschutz für Kinder und Jugendliche
Grundlagen für einen respektvollen Umgang miteinander
und für die Entwicklung einer positiven Verhaltenskultur .................................................. 45
Mehr Gesundheit in die Schule
Ressourcen mobilisieren – Krankmacher bearbeiten ....................................................... 56
3
4
Andrea Holzinger
Arbeitsfeld und Qualifikation
Dieser Beitrag ist bereits erschienen im Buch von Andrea Holzinger & David Wohlhart
(2009): Schulische Integration. Studienverlag.
In allen Ländern stellen die gesellschaftlichen Veränderungen und bildungspolitischen
Reformen neue Anforderungen an Lehrer/innen, auf die Universitäten und Hochschulen
mit entsprechenden Konzepten in der Lehrer/innenbildung reagieren müssen.
Lehrer/innenbildung bezieht sich in diesem Sinne auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung
und umfasst somit alle Bildungsangebote und Bildungsmaßnahmen für ein ganzes
Lehrer/innenleben.
Besonders die zunehmende individuelle, soziale und kulturelle Heterogenität der
Schüler/innen wird zur großen Herausforderung für Lehrer/innen aller Schularten. Sie
verlangt den Erwerb und die Weiterentwicklung von Kompetenzen für vielfältige Bereiche
und die komplexen Anforderungen, die der Lehrberuf an die Lehrperson stellt. Die
schulische Integration erfordert darüber hinaus von allen Pädagoginnen und Pädagogen
die intensive Auseinandersetzung mit den besonderen Bedürfnissen und Lebensentwürfen
von Menschen mit Behinderung und mit integrativer Schul- und Unterrichtsentwicklung. Es
muss ein neues Verständnis von Behinderung und Lernen entwickelt werden sowie die
Lehr/Lernorganisation verändert werden. Somit wird der integrative Unterricht zum
Anliegen für die gesamte Profession und führt zur Erweiterung aller Berufsfelder.
Seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat sich in der
Lehrer/innenbildung der kompetenzorientierte Ansatz etabliert, der beim einzelnen
Individuum ansetzt und danach fragt, welche Kompetenzen eine Lehrperson braucht, um
den Anforderungen des sich stetig wandelnden gesellschaftlichen und schulischen
Umfelds gerecht werden zu. Im Zuge dieser Entwicklung entstehen unterschiedliche
Kompetenzmodelle für die Lehrer/innenbildung und es wird der Versuch unternommen, die
Kompetenzen in Kategorien zusammenzufassen und daraus Standards (z. B. Oser 2002)
abzuleiten. Das sich daraus ergebende Handlungsfeld ist sehr facettenreich und lässt
inhaltlich noch keinen einheitlichen Trend erkennen.
Die Errichtung der Pädagogischen Hochschulen mit dem Studienjahr 2007/08 und die
Entwicklung von Curricula in der Ausbildung, die dem Qualifikationsrahmen der BolognaArchitektur entsprechen, u. a. Lehramtsstudien als Bachelor-Studiengänge, haben in den
letzten Jahren auch in Österreich zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit
Kompetenzen und Standards geführt. Eine vom Bildungsministerium eingerichtete
Arbeitsgruppe erarbeitete einen Vorschlag für die Entwicklung von Professionalität im
internationalen Kontext (EPIK), in deren Mittelpunkt fünf Domänen von Professionalität
5
stehen, die das Handeln aller Lehrer/innen bestimmen und nach Strukturen verlangen, in
denen diese Kompetenzfelder entstehen und sich entwickeln können. (Schratz et al, 2007)
Dieser mehrperspektivische Ansatz impliziert, dass keine Domäne für sich allein steht und
dass jede Domäne sowohl auf persönliche Weiterentwicklung als auch auf
Strukturveränderung ausgerichtet ist. So bilden z. B. die Domänen Reflexions-,
Diskursfähigkeit und Professionsbewusstsein die notwendige Basis für die Bereitschaft
und die Fähigkeit, sich auf Kooperation einzulassen und Kollegialität produktiv zu
gestalten. Umgekehrt ist aber Kollegialität wiederum Voraussetzung für Reflexion, für
Fachdiskurse und für das Entstehen von Professionsbewusstsein. (Schratz et al, 2007)
Die fünf Domänen der Lehrer/innenprofessionalität können als sehr guter Ansatz für die
Entwicklung von Aus-, Fort- und Weiterbildungskonzepten für Lehrer/innen, die in
integrativen Settings arbeiten, gesehen werden.
Im Mittelpunkt aller Kompetenzfelder steht das Wissen um die Heterogenität von
Lernvoraussetzungen, sozioökonomischer Herkunft, Kultur und Sprache und die
Beachtung dieser Disparitäten bei der Planung und Gestaltung von Lehr- und
Lernprozessen. Dazu gehören die vielfältigen Formen der Individualisierung von Unterricht
ebenso wie die Entwicklung einer Haltung, Heterogenität als Chance und als wertvolle
Ressource wahrzunehmen. Die permanente Reflexion des eigenen Handelns und der
eigenen Haltung spielen für die Weiterentwicklung dieser Kompetenz eine wesentliche
Rolle. Die Persönlichkeit der Lehrperson ist gefragt.
Werner Specht et al (2007, S. 79) hat im Rahmen des Projektes „Qualität in der
Sonderpädagogik“ mit einer Projektgruppe eine „Kompetenz zur Integration“ erarbeitet, die
sich an alle Lehrer/innen richtet und insbesondere folgende Punkte umfasst:
6








Eine generelle Bereitschaft zur integrativen Arbeit und zur Auseinandersetzung mit
Heterogenität;
die Bereitschaft zur (schulartenübergreifenden) Teamarbeit im Sinne einer
gemeinsamen Planung, Durchführung, Evaluierung und Reflexion des Unterrichts;
die Fähigkeit, Unterricht abwechslungsreich sowie situations- und adressatengerecht
zu gestalten und Maßnahmen der Differenzierung und Individualisierung zu setzen;
Kompetenzen
in
den
Bereichen
Beobachtung,
Lernstandsdiagnostik,
Förderpädagogik;
Mitarbeit und Mitverantwortung bei der Erstellung von individuellen Förderplänen;
Bereitschaft zur Kooperation mit schulischen und außerschulischen Beratungs- und
Unterstützereinrichtungen sowie zur Vernetzung aller Personen, die mit den
Schüler/innen zu tun haben;
die Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung für den
gemeinsamen Unterricht aller Schüler/innen sowie
die Bereitschaft zur Supervision der gemeinsamen Tätigkeit und zur Fort- und
Weiterbildung.“
In diesem Zusammenhang werden die Auseinandersetzung mit dem Paradigmenwechsel
im Umgang mit Menschen mit Behinderung und die Reflexion der eigenen Denkmodelle
und Haltungen zum Thema Behinderung als besonders wichtig bzw. als entscheidend
betrachtet, um ein inklusives Welt- und Menschenbild überhaupt entwickeln zu können.
Darüber hinaus bedarf es auch eines umfassenden und aktualitätsbezogenen
Hintergrundwissens und einiger praxisorientierter Grundkenntnisse zu den verschiedenen
Formen von Behinderungen und besonderen Bedürfnissen. Dies gilt insbesondere
deswegen für alle Lehrpersonen, da z. B. in Klassen mit dem Stützlehrer/innenprinzip
Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen mitunter nur in einigen wenigen Stunden
eingesetzt sind und am gemeinsamen Lehren und Lernen mitwirken können. Die
verbleibenden Stunden obliegen der Kompetenz und der Verantwortung der anderen
Lehrpersonen. Weiters sieht z.B. in der Sekundarstufe das österreichische
Schulpflichtgesetzt nach §8 Abs.3a vor, dass Kinder und Jugendliche mit Sinnes- und
Körperbehinderungen keinen Sonderpädagogischen Förderbedarf erhalten, wenn sie nach
dem Lehrplan der Regelschule, in diesem Falle nach dem Lehrplan der Sekundarstufe
ohne Lehrplanabweichung, unterrichtet werden. Die Förderung liegt auch in diesem
Beispielfall in der Hand der Klassenlehrer/innen bzw. der Hand der Fachlehrer/innen, die
auf behinderungsspezifische Grundkenntnisse zurückgreifen können müssen, denn nur so
können sie den Unterricht qualitätsvoll mit entsprechenden fachdidaktischen
Überlegungen gestalten und eine optimale Lernumgebung herstellen.
Die mit der Gründung der Pädagogischen Hochschulen in Österreich an den
verschiedenen Hochschulstandorten entwickelten Curricula für Bachelorstudien an
Volksschulen und Hauptschulen berücksichtigen o.a. Inhalte in unterschiedlichem Ausmaß
und in unterschiedlichen Organisationsformen. Während einige Standorte diese Inhalte
nur als Bestandteil der Orientierungsphase ansehen, haben andere Standorte diese
Inhalte ausführlich und über das gesamte Studium hinweg in mehreren Modulen
verankert. So hat z.B. die Pädagogische Hochschule Steiermark für die Pflichtmodule aller
Studiengänge ein T-Modell entwickelt.
7
1.Studienabschnitt
1
2.Studienabschnitt
2
3
Heterogenität
in Schule
und
Gesellschaft
Modellierung,
Analyse und
Evaluation von
Lehr – und
Lernprozessen
4
5
6
Studieneingangsphase
Fachdidaktik 1
Grundlagen der
Humanwissenschaft
Spezielle
Pädagogische
Erziehungs- und
Diagnostik,
Individueller
Bildungsbedürfnisse
Intervention Schwerpunkt
Kooperation und
und Beratung
Teamarbeit
Fachdidaktik 2
Schulpraxis
Die schulische Integration hat auch zu einem starken Wandel des Berufsfeldes der
Sonderpädagogin bzw. des Sonderpädagogen geführt. Abhängig vom bildungspolitischen
Trend des jeweiligen Landes unterrichten Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen als
Klassen- oder Spartenlehrer/innen in Sonderschulen oder als Integrations- oder
Stützlehrer/innen in Volksschulen bzw. in Schulformen der Sekundarstufe I. Im Falle von
Körper- und Sinnesbehinderung unterrichten Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen im
Bedarfsfall auch an anderen Schultypen über die Pflichtschule hinaus.
Das führt dazu, dass die Berufsbezeichnung „Sonderschullehrer/in“ hinterfragt wird und
Vorschläge für neue Bezeichnungen entstehen. In der Schweiz wird mittlerweile von
„Lehrpersonen für integrative Förderung“ oder von „Schulischen Heilpädagoginnen/
Heilpädagogen“ gesprochen, in Deutschland setzt sich zusehends der Begriff
„Förderlehrer/in“ durch. In Österreich spricht das Hochschulgesetz aber nach wie vor von
einem „Studiengang für Sonderschulen“, was zu einer Beibehaltung der Bezeichnung
Sonderschullehrer/in führt. Zudem ist diese Bezeichnung nach wie vor im
Schulorganisationsgesetz (SCHOG) verankert.
Im Rahmen des Projektes „Qualität in der Sonderpädagogik“ wurden folgende spezifische
Aufgabenbereiche für Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen erarbeitet (Specht et al,
2007):

Durchführung von Förderdiagnosen, Erstellen individueller Förderpläne, Umsetzung
der förderpädagogischen Maßnahmen im Sinne individueller Lernprozessbegleitung

Umsetzung einer fachspezifischen Didaktik und Methodik für den Bereich
Lernbehinderung und andere behinderungsspezifische Bereiche

Organisation und Einsatz therapeutischer Hilfsmittel

Differenzierte und den Bedürfnissen gerecht werdende Berufsorientierung und
-vorbereitung
8

Vernetzung, Beratung, Koordination und Integration von Fördermaßnahmen und
Interventionen im jeweiligen Team
Feyerer et al (2006, S.19) nennt darüber hinaus im Positionspapier zum Berufsfeld
Sonder- und Integrationspädagogik u.a. Inhalte wie

wissenschaftstheoretische Grundlagen über Lern- und Verhaltensauffälligkeiten

fachwissenschaftliche und fachdidaktische Inhalte für alle Unterrichtsgegenstände
der Sekundarstufe I

Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen der
Förderung und zum Abbau bestehender Barrieren
Diese Aufzählung lässt unschwer erkennen, wie vielseitig und komplex das Berufsfeld der
Sonderpädagogin/des Sonderpädagogen geworden ist und es stellt sich die Frage, ob die
Vorbereitung darauf in einem grundständigen Bachelorstudium im Ausmaß von sechs
Semestern überhaupt zu leisten ist. Um den vielfältigen Anforderungen der möglichen
Berufsfelder gerecht werden zu können, bedarf es
einer Vielzahl an Kompetenzen,
eines hohen Maßes an Flexibilität
und der Bereitschaft zur kontinuierlichen persönlichen und inhaltlichen
Weiterentwicklung.
Abhängig von den Behinderungen der Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf
muss sich die Sonderpädagogin/der Sonderpädagoge innerhalb kürzester Zeit zusätzliche
Kompetenzen aneignen können und wollen, wenn es die Situation in der Klasse erfordert.
Auch wenn spartenspezifische Lehrer/innen (z. B. Sprachheilpädagoginnen/-pädagogen,
Hörgeschädigtenpädagoginnen/-pädagogen, Sehbehinderten- und Blindenpädagoginnen/pädagogen u.a.) als Lehrer/innen im mobilen Einsatz stundenweise am jeweiligen
Schulstandort und für die jeweilige Klasse zur Verfügung stehen, ändert dies nichts an der
Tatsache, dass der bzw. die Sonderschullehrer/in spezifische Kompetenzen entwickeln
muss.
Viele europäische Länder reagieren auf die Vielseitigkeit und Komplexität des
sonderpädagogischen Berufsfeldes, indem sie kein grundständiges Studium dafür
vorsehen, sondern die Spezialisierung in Form von Aufbaustudien nach dem absolvierten
Grundstudium anbieten. Während z.B. in Finnland, Belgien, Frankreich oder Italien ein
Aufbaustudium direkt nach der Ausbildung begonnen werden kann, müssen in anderen
Ländern, wie z.B. England, Irland oder Griechenland, die Lehrer/innen ein bis vier Jahre
allgemeine Berufserfahrung als Zulassungsvoraussetzung vorweisen. Die Dauer der
Aufbaustudien variiert sehr und hängt davon ab, ob es sich um Zusatzausbildung für eine
bestimmte Behinderungsart oder um ein breit angelegtes Fachstudium mit einem eigenen
Studienabschluss handelt. In einigen Ländern wie z.B. Frankreich, Deutschland,
Griechenland oder den Niederlanden bekommen Lehrer/innen, die sich durch das
Zusatzstudium spezialisiert haben, auch ein höheres Gehalt.
9
Abschließend ist festzustellen, dass die meisten Länder sonderpädagogische Inhalte als
integralen Bestandteil der Grundausbildung vorsehen. Umfang und Organisation der
obligatorischen sonderpädagogischen Ausbildungen sind aber sehr unterschiedlich und
spiegeln die Unterschiede in der Integrationspolitik des jeweiligen Landes wider.
(EURYDICE 2003)
Literatur:
EURYDICE (2003). Sonderpädagogische Förderung in Europa. Brüssel: Europäische
Agentur
Feyerer E., Niedermair C., Tuschel S. (2006). Berufsfeld Sonder- und Integrationspädagogik. Positionspapier zur Aus- und Weiterbildung an den zukünftigen
Pädagogischen Hochschulen. Wien: bmukk
Kostal M. (2006). Hochschulgesetz 2005. Kurzkommentar.
Graz: Neuer Wissenschaftlicher Verlag
Oser, F. (2002) Standards in der Lehrerbildung. Entwurf einer Theorie kompetenzbezogener Professionaliserung. In: Journal für Lehrer/innenbildung, 2, S. 8-19,
Innsbruck: Studienverlag
Schratz M., Schrittesser I., Forthuber P., Pahr G., Paseka A., Seel A. (2008). Domänen
von Lehrer/innen/professionalität. Rahmen einer kompetenzorientierten Lehrer/innen/
bildung. In: Kraler Chr., Schratz M. (Hrsg). Wissen erwerben, Kompetenzen entwickeln.
Modelle zur kompetenzorientierten Lehrerbildung. Münster: Waxmann-Verlag
Specht W., Seel A., Stanzel-Tischler E., Wohlhart D. (2007). Individuelle Förderung im
System Schule. Strategien für die Weiterentwicklung von Qualität in der Sonderpädagogik. Graz: Bildungsinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung
des Bildungswesens
Autorin
Andrea Holzinger, Mag.a Dr.in
Leiterin des Institutes 3 der Pädagogischen Hochschule Steiermark, Lehrbuchautorin, Pädagogische
Schwerpunkte: Integrationspädagogik, Begabungsförderung und Elementarpädagogik
Hinweis:
Dieser Beitrag ist bereits im Buch Schulische Integration von Andrea Holzinger & David
Wohlhart, Erfolgreich im Lehrberuf, Band 4, Studienverlag, ISBN 978-3-7065-4304-0
erschienen.
Auch wenn in Österreich die gesetzlichen Grundlagen zur schulischen Integration von Kindern und
Jugendlichen schon vor mehr als einem Jahrzehnt geschaffen wurden, können noch nicht alle Kinder - ohne
Ausschluss - alles für sie Bedeutsame lernen. Vielfältige Barrieren verhindern es teilweise, dass wirklich
jedes einzelne Kind bzw. jeder einzelne Jugendliche mit Behinderung die Schule besuchen kann, die es
bzw. er besuchen würde, wenn er keine Behinderung hätte. Das zeigt dieser wegweisende Band erstmals in
derart geschlossener Form auf!
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Ulrike Greiner
„Differenz und Inklusion“ als Thema der hochschulischen
Lehrer/innenbildung – am Beispiel der Ausbildungscurricula
der Pädagogischen Hochschulen in Österreich
Dieser Beitrag ist bereits im Integrationsjournal, Dezember 2010 auf S. 48 erschienen.
Lehrer/innenbildungsinstitutionen müssen sich heute wie Schulen mit der Herausforderung
auseinandersetzen, wie Gleichheit und Differenz, Heterogenität und Inklusion gelehrt,
gelernt und gelebt werden können, sodass Studierende, spätere Lehrer/innenpersönlichkeiten, entsprechend Wissen, Können und Haltungen des Diversity
Managements für das eigene Handeln erwerben. Die Erststudienzeit gilt dabei trotz des
lebenslangen Lernens als intensiv erlebte Initiation in ein Thema und eine Haltung.
Die Fragen von Differenz, Heterogenität und Inklusion betreffen die hochschulischen
Qualitätsstandards von Lehrer/innenbildung auf vielen Ebenen: Inhaltlich-curricular,
personell, hochschuldidaktisch, institutionell-organisatorisch – so wie Qualität in der
Lehrer/innenbildung immer mehrdimensional ist – es geht um Inhalte, Prozesse,
personbezogene Kompetenzen; Ergebnisse und Kulturen gleichermaßen.
Die Differenzlinien sind unterschiedlich und nicht bloß an Gender-, Kultur-, Religions-,
Behinderungs- und Begabungsdifferenzen aufzuzeigen. Lernstrukturen und Lerntempi,
Sozialisationen und Milieus, Motive, Interessenslagen und andere Lebenswelten,
Biographien und Erwartungen – die Heterogenität im Schulsystem könnte nicht größer
sein. Dennoch werden derzeit bestimmte Differenzlinien bevorzugt behandelt – Gender,
Kultur, Begabung und/trotz/oder Behinderung. Natural vorgegeben und statisch dualistisch
wird das nicht mehr gedacht, weit eher verschieben sich in neuen, konstruktivistisch
gedachten Dynamiken die Konstellationen immer neu und finden sich Differenzpärchen,
die wiederum andere Fragen erzeugen. Ein modernes Normalitätsmodell maximaler
Gleichheit und ein postmodernes Vielfaltsmodell unbewerteter Differenzen greifen dabei
beide zu kurz. Gleichheit und Differenz müssen vermutlich auf der normativen Ebene und
auf der empirischen Ebene unterschiedlich und neu gedacht werden.
Nötig ist dabei auch ein tieferes Verstehen, in welche Grundprobleme der zweiten
reflexiven Moderne das Schulsystem mit dem Thema Differenz und Inklusion
hineingekommen ist. Wollen, Können und Müssen (sowie die Negationen Nicht-Wollen
etc.) stehen dabei bei Lehrenden und Lernenden in mitunter vertrackten
Wechselverhältnissen.
Von den Inhalten der Curricula über personalentwicklerische Fragen der Berücksichtigung
von unterschiedlichen Begabungen der Lehrenden und ihrer Kooperation im
Hochschulganzen bis hin zu den Fragen der individualisierenden Begleitung von
Studierenden: Die Leistungsfähigkeit und Kultur von Lehrer/innenbildung hängt davon ab,
was man unter Differenz überhaupt versteht, welche man als solche wahrnimmt (Frage
des Diversity Managements), welche Heterogenität erwünscht und welche unerwünscht ist
11
und wie man mit welcher Form von Differenz im System wie umgeht. Professionalität ist
dabei mehr als nur eine „gut gemeinte Inklusionshaltung“, rechnet mit den Dynamiken von
Systemen, durchaus auch in ihren Widersprüchen – und fördert konsequent die
Individualität des einzelnen unter Maßgabe eines gemeinsamen Kultur- und
Leistungsverständnisses, ohne das weder Schule noch Hochschule gelingen.
Je mehr schulische Inklusion, im Sinne von Berücksichtigung und Beteiligung der
Verschiedenen, umso stärkere und leistungsfähigere sowie sozialkompetente
Leitungspersönlichkeiten brauchen Schule und Hochschule, denn Handeln in mitunter
paradoxalen Ansprüchen und Paradoxien braucht Mut und Konsequenz und vor allem die
klare Übernahme von Verantwortung. Neben dem so wesentlichen Handeln der
verantwortlichen Einzelakteure hat das System allerdings auch einen erheblichen
Entwicklungsbedarf: Lehrer/innenbildung muss sich neue Formen überlegen, um Theorie
„state of the art“
und Praxis „der heutigen Gegenwart“ in ein dynamisches
Wechselverhältnis zu bringen. Kasuistik als Lernen am Fall nimmt den und das einzelne
ernst, und buchstabiert das Allgemeingültige der Theorie am Singulären des konkreten
Falls neu. Aber das sind hochschuldidaktische Fragen, die die Prozesse berühren – jetzt
zu den Inhalten.
Grundlage für die Curricula der Studiengänge zum „Bachelor of Education“ an den
Pädagogischen Hochschulen ist die Hochschul-Curricula-Verordnung (HCV 2006). Sie
regelt die Grundsätze der näheren Gestaltung, gibt einen verpflichtenden Rahmen für die
Studienfachbereiche (Humanwissenschaft 39 ECTS, Fachwissenschaft und Fachdidaktik
84; Schulpraktische Studien 36, ergänzende Studien 12 und Bachelorarbeit 9 ECTS) vor.
Innerhalb dieser Vorgaben entscheiden die jeweiligen Studienkommissionen autonom
über die inhaltliche Ausgestaltung der Curricula. Je nach Kultur und Tradition der
jeweiligen Hochschule fand das integrative Berufsfeld dabei mehr oder weniger
Beachtung, es gibt aber keine PH, an der die Integration nicht im Curriculum verankert ist,
denn im allgemeinen Bildungsziel der Hochschulcurricula-Verordnung (§ 3/2) werden
neben einer Reihe inhaltlicher Schwerpunktsetzungen auch die Bereiche der integrativen
Bildung angeführt:
§ 3 (1): Die Studien sind unter Beachtung der gesellschaftlichen, pädagogischen,
wirtschaftlichen, technologischen und bildungspolitischen Entwicklungen als
wissenschaftlich fundierte und berufsfeldbezogene Hochschulbildung zu gestalten,
wobei auf Anforderungen wie insbesondere lebensbegleitendes Lernen, Integrative
Pädagogik,
lebende
Fremdsprachen,
Deutsch
als
Zweitsprache,
Individualisierung und Differenzierung des Unterrichtes, Förderdidaktik,
Medienpädagogik, Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, Kompetenzerwerb im Bereich des e-learning, Herstellung
internationaler, europäischer und interkultureller Bezüge, Gender Mainstreaming,
Stärkung sozialer Kompetenzen, Integration von Menschen mit Behinderungen
sowie Begabtenförderung einschließlich Hochbegabtenförderung Bedacht zu
nehmen ist.
Damit die Aspekte des integrativen Berufsfeldes ausreichend in den Curricula der PHs
verankert werden, hat das BMUKK 2006 ein Positionspapier zum Thema „Berufsfeld
Sonder- und Integrationspädagogik“ zur Aus- und Weiterbildung an Pädagogischen
Hochschulen erarbeitet, das eine Neudefinition des Rollenbildes aller Lehrerinnen und
12
Lehrer und den Erwerb entsprechender Kompetenzen für einen inklusiven Unterricht
verlangt:
„Der gemeinsame Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder muss ein
schüler/innenzentrierter Unterricht sein. Der/die Lehrer/in ist dabei nicht
hauptsächlich Wissensvermittler/in, sondern vor allem Begleiter/in ihrer
Schüler/innen bei deren persönlicher und individueller Entwicklung innerhalb der
sozialen Gemeinschaft. Unterschiedliche Aufmerksamkeit, unterschiedliches
Arbeitstempo, Bewegungs- und Kommunikationsbedürfnis können nicht als
störende Faktoren eliminiert werden, sondern müssen als individuelle
Lernbedingungen betrachtet und so in die Unterrichtsarbeit miteinbezogen werden,
damit jeder/jede Schüler/in sich erfolgreich weiterentwickeln kann. Der integrative
Unterricht stellt an alle Lehrer/innen damit die folgenden neuen sozialen,
emotionalen und fachlichen Anforderungen.
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Innere Differenzierung einer äußerst heterogenen Schüler/innengruppe durch
Individualisierung
Offene, projektorientierte und schüler/innenzentrierte Unterrichtsformen,
Verwendung und Herstellung neuer Lernmaterialien, Gestalten von Lernumgebungen
Prozessorientierte Förderdiagnostik (mit Verwendung angemessener
Instrumentarien) und das Erstellen von individuellen Förderplänen
Neue Formen der Leistungsfeststellung, -rückmeldung und -beurteilung,
welche den individuellen Lernfortschritt und die individuellen Lernbedingungen
festhalten
Enge Zusammenarbeit mit einem/einer oder mehreren Lehrer/innen – Arbeiten
im Team
Anpassen und Reagieren auf die Handlungen des/der jeweils anderen
Partner/in
Gemeinsame Vor- und Nachbesprechungen des Unterrichtsgeschehens
Reflexion und Anpassung der eigenen Werte, Einstellungen und
Handlungsmuster
Verstärkte Einbeziehung der Eltern in den schulischen Prozess
Interkulturelles Lernen
Begabungsförderung
Genderpädagogik
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit weiteren Lehrer/innen, Therapeutinnen/
Therapeuten sowie anderen schulischen und außer-schulischen Einrichtungen
Eigenständige und laufende Fortbildung mittels Erfahrungsaustausch, Literatur,
etc.
Qualitätssicherung und Schulentwicklung (z.B. unter Einsatz des Index für
Inklusion)
Öffentlichkeitsarbeit zur Gestaltung des Meinungsbildungsprozesses mit allen
Schulpartner/innen“ (Feyerer/Niedermair/Tuschel 2006, 16)
Dieses Positionspapier wurde allen Rektor/innen zur Kenntnis gebracht. Da die
Studienkommissionen jedoch autonom über die Inhalte der Curricula entscheiden, hat
13
dieses Papier ausschließlich empfehlenden bzw. beratenden Charakter. Um zu wissen,
inwieweit das Positionspapier umgesetzt wird, führte das BMUKK an den Pädagogischen
Hochschulen im Studienjahr 2008/09 eine Befragung durch. In dieser Erhebung wurden
Fragen zur Umsetzung des Positionspapiers zur Aus- und Weiterbildung im Berufsfeld
Sonder- und Integrationspädagogik gestellt.
Die Vertreter/innen von zwölf der insgesamt 14 pädagogischen Hochschulen haben die
Frage: „Inwieweit können sich die Studierenden aller Studiengänge bereits jetzt die im
Positionspapier aufgezählten Kompetenzen aneignen – (Kap. 4.1., S. 17f). Sind diese
Inhalte in den Curricula aller Studiengänge verankert?“, beantwortet. Unterschiedlichste
Rückmeldearten der Hochschulvertreter/innen lassen aber nur Tendenzen sichtbar
werden, die im Country Report an die European Agency for Developement of Special
Needs Education folgendermaßen zusammengefasst werden:
„Die meisten Pädagogischen Hochschulen thematisieren in den Schulpraktischen Studien
die Themenbereiche „Heterogenität, Differenzierung und Individualisierung, kooperative
Pädagogik, Teamentwicklung und Teamarbeit und Konzepte der Reformpädagogik“.
Die Themenfelder Heterogenität/ Inklusion/ Individualisierung/ Begabtenförderung und
Offene, projektorientierte und schüler/innenzentrierte Arbeitsformen werden von den
meisten Hochschulen in den humanwissenschaftlichen und didaktischen Modulen der
allgemeinen Lehrer/innenausbildung behandelt. Allerdings fällt auf, dass der Begriff
„Inklusion“ nur von vier Hochschulen im Curriculum verwendet wird.
Die Pädagogische Diagnostik und das breite Feld der Leistungsbewertung scheint einen
hohen Stellenwert zu haben, da sie an allen Pädagogischen Hochschulen thematisiert
wird. Interkulturelles. Lernen und Genderpädagogik wird zwar auch an allen Hochschulen
genannt, oft aber nur im Zusammenhang mit Wahlpflichtmodulen. Die Schulung der
Kompetenzen im Bereich der Reflexion der eigenen Werte und Haltungen dürfte an mehr
als der Hälfte der Standorte in der Ausbildung einfließen.
An einer Pädagogischen Hochschule werden die Anforderungen der integrativen
Pädagogik in den allgemeinen Grundsätzen der Hochschulpädagogik hervorgehoben. (Die
detaillierte Auswertung kann bei der nationalen Koordinatorin Irene Moser angefordert
werden.)
In fast allen Pädagogischen Hochschulen werden studienfachübergreifend Module
angeboten, welche die Kooperation der Studierenden strukturell fördern. Diese
beschränken sich allerdings auf wenige Bereiche (z. B. die Studieneingangsphase,
Module zum Thema Lehren und Lernen, Umgang mit Heterogenität, Schulentwicklung und
Evaluation, Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens), bzw. werden im Wahlpflichtfach
angeboten. In einer Pädagogischen Hochschule soll „… eine große Zahl an
themenorientierten studienfachbereichs- und fachübergreifenden Modulen eine
Zusammenschau und ein Zusammenwirken der Fächer im Hinblick auf die angestrebten
Kompetenzbereiche ermöglichen und die Fähigkeit der Studierenden zu vernetzendem
Denken und kooperativem Handeln fördern.“ (PH X, S.1) (…)
Im studienfachübergreifenden Modul „Inklusion“ einer Hochschule haben die vermittelten
Inhalte und die verwendeten Unterrichtsmethoden positive Auswirkungen auf die
Einstellung der Studierenden zum gemeinsamen Unterricht. Im Selbsterfahrungsprojekt
14
einer anderen Hochschule berichten die Studierenden über nachhaltige Auswirkungen auf
ihre Haltungen zu Menschen mit Behinderungen. Randgruppen der Gesellschaft werden
eher als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen, als vor dem Seminar.
In den „Schulpraktischen Studien“ erhalten die Studierenden an vielen Ausbildungsstätten
die Möglichkeit, in Integrationsklassen mit Kolleginnen/Kollegen (anderer Studienbereiche)
im Team zu arbeiten. Die Erfahrungen mit sehr heterogenen Schüler/innengruppen, die
Zusammenarbeit im Team, die Auseinandersetzung mit prozessorientierten Förderdiagnosen und alternativen Leistungsbeurteilungen stellen für die Studierenden eine große
Herausforderung dar. Sie haben die Möglichkeit schüler/innenzentrierte Lernformen wie
Projektunterricht und Werkstattunterricht kennen zu lernen und anzuwenden. An einer
Hochschule etwa führen beispielsweise die Studierenden im 6. Semester ein Projekt in
Teamarbeit durch, welches von Lehrenden im Seminar vorbereitet wird und in der Praxis
sorgfältig vor- und nachbesprochen wird.
An manchen Standorten erleben die Auszubildenden den Unterricht in schulstufenübergreifenden Klassen mit Schüler/innen mit SPF und/oder Migrationshintergrund,
trainieren individuelle Fördermöglichkeiten, setzen kooperative Lernmethoden ein und
setzen sich mit sozialen Prozessen in der Gruppe auseinander.
Die Lehrenden an den Hochschulen sind nicht verpflichtet, inklusionsfördernde Methoden
wie unterschiedliche Sozialformen, eigenverantwortliches Lernen, problemlösungsorientierte Methoden u. dgl. in den Studiengruppen anzuwenden. Die Freiheit der Lehre
ermöglicht nach wie vor auch rein dozierende Methoden. Obwohl Teamteaching in der
Lehre die Teamkompetenzen der Studierenden erweitern würde, bieten die Hochschulen
nur teilweise Teams als Modell an. Die Gründe liegen vor allem in der schwierigen
Finanzierbarkeit der Doppelbesetzung. (…)
Alle Pädagogischen Hochschulen bieten in unterschiedlichem Ausmaß Module an, welche
eine Pädagogik der Vielfalt unterstützen. Durch die Autonomie der Pädagogischen
Hochschulen obliegt es den Studienkommissionen, welche Schwerpunkte gesetzt werden.
Aus der Umfrage des BMUKK geht hervor, dass die Pädagogischen Hochschulen vor
allem im Bereich der Schulpraktischen Studien bemüht sind, inklusionspädagogische
Kompetenzen zu vermitteln. Ein unabhängiges Qualitätsmonitoring existiert nicht. (…)
Tendenziell kann gesagt werden, dass es nur sehr, sehr wenige Lehrer/innen mit
Beeinträchtigungen gibt und Lehrer/innen mit unterschiedlichem ethischem, kulturellem,
sprachlichem und/oder religiösem Hintergrund vor allem als muttersprachliche
Zusatzlehrer/innen (mit einem geringeren Status als Assistenzlehrer/innen) eingesetzt
werden. Dementsprechend gibt es auch nur sehr wenige Lehrerausbildner/innen und
Lehramtsstudierende aus diesen Gruppen. Dem Nationalen Bildungsbericht kann
entnommen werden, dass 2006/07 genau 237 Lehramtsstudierende (= 2,6%) eine anderer
Erstsprache als Deutsch aufwiesen. 1993/94 waren das noch weniger: 58 Studierende (=
0,8%). Vergleicht man den Relativen-Risiko-Index nach Erstsprachen und Schularten zeigt
sich, dass 2006/07 zwar 0,9% aller Schüler/innen mit Erstsprache Deutsch eine Lehreroder Erziehungsanstalt besuchten, aber nur 0,09% mit bosnischserbokroatischer, 0,04%
mit türkischer, 0,42% mit polnischer, tschechischer, slowakischer oder ungarischer und
0,27% mit anderer Erstsprache. Es liegt hier also eine deutliche Unterrepräsentation vor
(vgl. Herzog-Punzenberger/Unterwurzacher 2009, 168f ).“
15
Abschließend sei hier festgestellt, dass gemessen an den Inhalten der Curricula der
Pädagogischen Hochschulen die Themen von Differenz und Inklusion offiziell in die
österreichische Pflichtschullehrer/innenbildung aufgenommen wurden, aber Qualitätsstandards für ihre Bearbeitung in der Ausbildung noch ausstehen. Die Mehrdimensionalität
der Inklusionsthematik erfordert theoretisch wie praktisch professionelle Zugänge, die sich
die österreichische Lehrer/innenbildung im Rahmen einer Gesamtarchitektur für die AusFort- und Weiterbildung der pädagogischen Professionen erarbeiten wird müssen.
Die im Jahr 2009 von der Bildungsministerin und dem damaligen Wissenschaftsminister
beauftragte Arbeitsgruppe hat eine solche Gesamtstruktur entwickelt, weist in ihren
Empfehlungen für die Lehrer/innenbildung NEU auch auf Bereiche wie inklusive
Pädagogik, Diversity Management, Deutsch als Zweitsprache hin und fordert eine
ausgewogene Balance zwischen Generalist/innen und Spezialist/innen. (vgl. Härtel et al.:
Lehrer/innenbildung NEU. Die Zukunft der pädagogischen Berufe. Wien, 18. Dezember
2009. Gesamtbericht März 2010. http://www.bmukk.gv.at). Das Lehrer/innenbildungsmodell selbst, das zwischen Grundbildung, Induktionsphase (samt weiterer
Ausbildung) sowie Fort- und Weiterbildung unterscheidet und einheitliche Standards der
gesamten Profession der pädagogischen Berufe
(Grundkompetenzen) UND
Spezialisierungen
erfordert,
weil
es
auch
im
Schulsystem
zunehmende
Binnendifferenzierungen erwartet, ist als Modell selbst der Inklusion geschuldet, und das
auf der Basis von notwendigen Differenzen der Aufgaben, Kompetenzen und
Verantwortungen.
Das Thema wird uns – als Thema des 21. Jahrhunderts – noch lange begleiten.
Literatur:
Feyerer, E./Niedermair, C./Tuschel, S.: Berufsfeld Sonder- und Integrationspädagogik.
Positionspapier zur Aus- und Weiterbildung an den zukünftigen Pädagogischen
Hochschulen. Wien: Bm:bwk, Abteilung I/8, 10.6.2006 Link: www.cisonline.at/
fileadmin/kategorien/Positionspapier_Lehrerinnenbildung_8.4.08.pdf (01.03.10)
Brunner, Ivo; Feyerer, Ewald & Moser, Irene: Country Report: Austria, März 2010,
www.european-agency.org/agency-projects/teacher-education-for-inclusion (29.09.10)
Herzog-Punzenberger, B./Unterwurzacher, A.: Migration – Interkulturalität –
Mehrsprachigkeit. Erste Befunde für das österreichische Bildungswesen. In: Specht, W.
(Hrsg.): Nationaler Bildungsbericht Österreich 2009. Band 2: Fokussierte Analysen
bildungspolitischer Schwerpunktthemen. Graz, Leykam 2009, 161 - 182
Härtel et al.: Lehrer/innenbildung NEU. Die Zukunft der pädagogischen Berufe. Wien, 18.
Dezember 2009. Gesamtbericht März 2010. http://www.bmukk.gv.at.
Autorin
Ulrike Greiner, DDr.in habil.,
war Gründungsrektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems und ist seit April 2010
Rektorin der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich.
16
Eva Maria Burger
Durch welche Inhalte und Lehrveranstaltungen ist es
in den Curricula sichergestellt, dass Volksschullehrer/innen,
Hauptschullehrer/innen und Sonderschullehrer/innen auf das
spätere integrative Berufsfeld im Rahmen ihrer Ausbildung
vorbereitet werden?
PH Burgenland
Die „Studiengänge Lehramt an Volksschulen bzw. an Sonderschulen“ orientieren
sich an einem holistischen Menschenbild, basierend auf den Grundlagen einer
allgemeinen (inklusiven) Pädagogik.
„Unterricht und Erziehung bzw. der gelebte Umgang miteinander im Studiengang
wird verstanden als die Interaktion von Individuen unter der Prämisse gegenseitiger
Anerkennung und Achtung bzw. des Respekts mit dem Ziel der eigenständigen
Handlungsfähigkeit und der Entfaltung der individuellen Potenziale der Beteiligten.“
(Beschluss 19/2009 der Studienkommission der PH Burgenland vom 19.01.2009)
Auf das künftige inklusive Berufsfeld werden die Studierenden des Studiengangs
Lehramt an Volksschulen v.a. in den Modulen „Schule der Vielfalt“, „Individualisierung,
Differenzierung und Mehrstufendidaktik“ sowie „Implementierung der neuen Lernkultur“
vorbereitet.
Inhaltlich setzen sich die Studierenden mit den klassischen Paradigmen der
Sonderpädagogik (Segregation – Integration – Inklusion), Lernbehinderung und Integration
sowie den Grundlagen und Bedingungen zur Realisierung einer inklusiven Pädagogik
auseinander, um basierend auf lerntheoretischen, organisatorischen, didaktischen und
methodischen Voraussetzungen inklusiven Unterricht zu gestalten. Auch die
Religionspädagogik versteht Religion als mögliche Grundlage der Gemeinschaftsbildung
zwischen Behinderten und Nichtbehinderten.
Durch den Erwerb von grundlegenden Einsichten und Erfahrungen im Umgang mit
Kindern mit speziellen Bedürfnissen sollen Studierende entwicklungsfördernden Unterricht
von der Lernerin/vom Lerner aus im Teamteaching in Integrationsklassen planen,
durchführen und reflektieren.
Die Beschäftigung mit den Diagnosemöglichkeiten des Leistungsstandes der Schülerinnen
und Schüler dient der Konzeption und Umsetzung eines darauf basierenden
differenzierten Unterrichts und soll die optimale Förderung des individuellen
Lernvermögens der einzelnen Schülerin/des einzelnen Schülers durch die Nutzung
individueller Stärken und Potenziale gewährleisten sowie Kinder mit vorübergehenden
Lernschwierigkeiten unterstützen.
17
Die Lernbegleitung durch Lernberatung, Lerndiagnostik und der Leistungsbeurteilung der
individuellen Lernfortschritte schlägt sich in der Entwicklung von Förderkonzepten nieder.
Studierende sollen die Fähigkeit erwerben, auf Kinder individuell eingehen zu können, ihre
Stärken und Schwächen zu diagnostizieren und dementsprechende Lernziele zu
formulieren und sich jene sozialen Kompetenzen aneignen, welche Voraussetzung für das
Gelingen von Teamteaching in Integrationsklassen sind.
Pädagogische Interventionen fokussieren auf die Förderung individueller Stärken,
verbinden die Subjektivierung von Lernangeboten und Lernhilfen mit Aspekten des
gemeinsamen Lernens und führen so zur Schaffung einer anregenden Lernumgebung,
aus der individuelle Impulse für die einzelne Lernerin/den einzelnen Lerner ausgehen und
diese/n befähigen, eigene Lernprozesse selbst zu steuern.
Studierende des Studiengangs Lehramt an Sonderschulen werden – abgesehen von den
bereits genannten Modulen – umfangreicher und tiefgreifender auf das künftige inklusive
Berufsfeld vorbereitet. Dieses wird in allen Modulen mit didaktischem Schwerpunkt
(„Didaktische Aspekte bei besonderen Bildungs- und Erziehungsbedürfnissen“,
„Methodenspiel und Kooperation“, „Didaktik der Sekundarstufe I“) berücksichtigt, indem
beispielsweise lehrbuchunabhängige Programme an unterschiedlichen, fächerübergreifenden Übungen für integrative Sequenzen unter der Berücksichtigung der
kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung der Kinder mit sonderpädagogischem
Förderbedarf erstellt werden.
Das Modul „Qualität in der Sonderpädagogik“ vermittelt den Studierenden Qualitäts- und
Prozessstandards für den Unterricht in Integrationsklassen und versucht ein kritisches
Bewusstsein hinsichtlich der Standards für inklusiven Unterricht anzubahnen.
Eine Übersicht über theoretische und didaktische Grundlagen einer inklusiven Pädagogik
einschließlich der kooperativen Arbeit in heterogenen Lerngruppen gibt das Modul
„Inklusionsorientierte und interkulturelle Ansätze“. Die Studierenden lernen das Arbeitsfeld
und die darin benötigten Kompetenzen vor dem Hintergrund theoretischer Ansätze kennen
und beschäftigen sich mit den Ansätzen einer neuen Lernkultur bezogen auf das Fördern
und Fordern in inklusiven Settings. Modelle des gemeinsamen bzw. kooperativen
Unterrichtens sowie Teamteaching unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lehrpläne
werden in Projektteams beschrieben, erprobt und reflektiert.
Die Module „Grundlagen von Diagnose“ und „Beratung, Kommunikation, Networking“
runden die Vorbereitung auf ein inklusives Berufsfeld ab.
Beschluss der Studienkommission der Pädagogischen Hochschule Burgenland vom
19.01.2009 (Beschluss 19/2009)
Autorin
Eva Maria Burger, Mag.a Dr.in
Lehramt für Sonderschulen und Hauptschulen (PA/PI Baden, NÖ), Diplom- und Doktorratsstudium
Pädagogik (Uni Wien)
1989-2007 Pflichtschullehrerin in NÖ (ASO, SPZ, HS-Integration, VS, PTS)
seit 2005 PA/PH Burgenland (Aus- und Fortbildung)
18
Hannelore Lensing
Schulpsychologische Unterstützung von Lehrer/innen
„Im Umgang mit beruflichen Belastungen gesund bleiben“
Gerade im Bereich der Sonderpädagogik, wo die individuelle Förderung von Schülerinnen
und Schülern mit besonderen Bedürfnissen Hauptaufgabe und Anliegen ist, sollte auch auf
die persönliche Befindlichkeit und Belastbarkeit von Lehrer/innen geachtet werden. Die
Verantwortung für das Gelingen von Lernprozessen, die pädagogische Kompetenz ist mit
der Person des Lehrenden eng verbunden. Auch wenn eigenständiges Handeln der
Schüler/innen angestrebt wird, muss zuerst eine Basis für Lernbereitschaft geschaffen
werden. Dies erfordert persönlichen Einsatz und Beziehungsgestaltung im Kontakt der
Lehrer/innen mit den Kindern um Regellernen und Lernbereitschaft bei Schülerinnen und
Schülern zu ermöglichen.
Schwieriges Schüler/innenverhalten, die Balance halten zwischen persönlicher Nähe und
sachlicher Distanz, zwischen Fördern und Fordern lässt Lehrer/innen an ihre Grenzen
stoßen, wenn der Ausgleich zwischen Anforderung und Entlastung fehlt.
In der Potsdamer Studie von Schaarschmidt (Schaarschmidt, U. (2004) Psychische
Gesundheit im Lehrberuf – Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes, BeltzVerlag) werden vier Bewältigungsmuster für berufliche Anforderungen bei Lehrerinnen und
Lehrern beschrieben:
1)
Gesundheit (Engagement, Belastbarkeit, Zufriedenheit)
2)
Schonung (reduziertes Engagement bei guter Belastungs- und Widerstandsfähigkeit,
relative Arbeitszufriedenheit)
3)
Anstrengung (Selbstüberforderung, verminderte Erholungsfähigkeit und Belastbarkeit,
eingeschränkte Zufriedenheit)
4)
Burnout (starke Resignation, Motivationsverlust, herabgesetzte Widerstandskraft
gegenüber Belastungen, Unzufriedenheit, Erschöpfung)
Gesundheitsfördernd sind Muster 1 und 2, gesundheitsgefährdende „Risikomuster" sind
Bewältigungsmuster 3 und 4.
Um als Lehrerin und Lehrer arbeitsfähig und gesund zu bleiben, sollte der Fokus vom
Bedarf der Schüler/innen zwischendurch auch auf den Bedarf der Lehrerin/des Lehrers
gerichtet sein. Dies erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung der
eigenen emotionalen Befindlichkeit und Situation, von Möglichkeiten und Grenzen eigener
Handlungsfähigkeit und Erwartungen. Diese Selbstreflexion gelingt dort wo bereits
psychische Belastungen als körperliche Symptome spürbar werden, meist nur mit externer
Unterstützung. Umso wichtiger erscheint es, frühzeitig negative Gefühle des Unbehagens
zu thematisieren und durch rechtzeitige Entlastung schädigenden Risikomustern
vorzubeugen.
19
In Ergänzung zum allgemeinen Arbeitsbereich der Schulpsychologie (lösungsorientierte
Beratung und Intervention meist in Form von „Fallarbeit“ mit Schüler/innen, Eltern und
Lehrerinnen/Lehrern) wurde in den vergangenen Jahren der Arbeitsschwerpunkt vermehrt
auf „unterstützende Lehrer/innenberatung“ gelegt.
Dies geschah auch auf Grund der Überlegung, dass sich positive Stimmung auf die
Schülerinnen und Schüler genauso auswirkt, wie sich Schwierigkeiten und Probleme
negativ bemerkbar machen. Lehrer/innen in ihrer beruflichen Verantwortung zu ermutigen
für sich selbst Hilfe suchen zu dürfen, ohne das Gefühl haben zu müssen, versagt zu
haben, war ein weiterer Aspekt. Speziell die Lehrer/innenrolle der/des „Allwissenden und
Allkönnenden“ zu hinterfragen und mit der Realität abzugleichen, erschien als
Herausforderung den Anspruch mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen.
Im Lebens- und Arbeitsraum Schule sind Initiativen zur Förderung und Erhaltung
psychischer Gesundheit und Arbeitszufriedenheit aus Sicht der Schulpsychologie ein
zunehmend wichtigerer Aspekt. Wenn man bedenkt, wie viel Tageszeit Lehrer/innen und
Schüler/innen an ihrem Arbeitsplatz Schule verbringen, so kann man sich gut vorstellen,
dass die soziale Qualität und zeitliche Quantität von Schul- und Klassenklima auf alle
einwirken. So wurde das Thema „Schulhauskultur“ als Ansatz zur psycho-sozialen
Gesundheitsförderung bei Fortbildungen und Beratungen Schulleiterinnen/Schulleitern und
Lehrerinnen/Lehrern inhaltlich vorgestellt. Es umfasst ein weites Spektrum und reicht vom
grundlegenden präventiven Schwerpunkt im Schulprogramm über förderliche
pädagogische Leitsätze und Haltungen bis hin zu Teamentwicklung und Psychohygiene.
Das
Angebot
psychologisch-präventiver
Einzelberatung,
das
aus
der
Gesundheitspsychologie abgeleitet ist, ist auf den individuellen und aktuellen Bedarf von
Lehrerinnen und Lehrern abgestimmt und durch telefonische Selbstanmeldung
niederschwellig verfügbar. Für die Beratung ist die Bereitschaft der Klientinnen und
Klienten sich auf den Beratungsprozess einzulassen, sowie Motivation, Interesse an
Selbsterkundung und Veränderung ein Gewinn.
Im Gegensatz zur klinisch-therapeutischen Behandlung, die defizitorientiert und kurativ ist
und Fehler, Mängel und Störungen beseitigen soll, bedeutet der ressourcenorientierte
Blick auf Stärken und Fähigkeiten die Möglichkeit positiver selbsterzeugter Entwicklung
durch Begleitung.
Für eine Einzelberatung ist es unerlässlich, einige Rahmenbedingungen im Setting zu
gestalten, damit ein offenes Gesprächsklima entstehen kann. Dazu ist es nötig,
Vertraulichkeit zu sichern, Raum und Zeit abzustimmen und methodische Fachkompetenz
für Einzelsupervision und Coaching bereitzustellen. Wichtig ist auch die Klärung, dass
psychologische Berufsbegleitung nicht den Anspruch einer „Reparatur“ oder
Psychotherapie beinhaltet, sondern Hilfe zur Selbsthilfe mit einer hohen Selbstbeteiligung
der Klientin/des Klienten favorisiert.
Die oder der Ratsuchende ist selbst Expertin oder Experte für die eigene Situation und
Lösungsfindung. Aufgabe der Schulpsychologie ist es, Lehrer/innen dabei zu unterstützen,
die eigene Situation und Befindlichkeit zu klären und ihre aktuelle Lebenssituation zu
thematisieren.
20
Dies geschieht durch Fragen zu folgenden Bereichen:
Zur Person selbst – individuelles Erleben und Verhalten
Zu eigenen Zielen – persönliche Wertorientierung, Sinngebung, Zielfindung
Zu Ressourcen – persönliche Möglichkeiten, Fähigkeiten, Kenntnisse
Zu Lösungen – Problembewusstsein, Lösungskompetenz
Zur Entwicklung – Lernen, Wachstum, Dynamik, Lebenszyklen
Zur Gesundheit – psycho-somatische und sozial-situative Einflüsse
Das Thema bei Beratungsgesprächen und im Lehrer/innencoaching ist das Erkennen und
Nützen eigener Energieressourcen, um von einer „Überlebenshaltung“ neue Wege zur
Motivation und „Selbstgestaltung“ zu finden. In der aktuellen Arbeitssituation steht
persönlicher Einsatz und Aktivität im Vordergrund und es bleibt oft wenig Zeit zum
Nachdenken, wenn der Handlungsdruck groß erscheint. Zeit und Ruhe sind aber
Voraussetzungen für Selbstreflexion, genauso wie wertschätzende, nicht bewertende
Begleitung. Dabei können durchaus kritische Fragen gestellt werden, die zum Erkennen
eigener Denk- und Verhaltensmuster führen. Inhaltlich geht es um Unterschiede zwischen
Selbstund
Fremdbild,
um
Erlebnisverarbeitung
und
eine
persönliche
Standortbestimmung im Ist-Soll-Vergleich.

Welche negativen Denkmuster schränken mich ein, blockieren mich, treiben mich
an?

Wo besteht freie Handlungsmöglichkeit, wo sind die Grenzen meiner
Selbstbestimmung in der Arbeit?

Was belastet und was stärkt mich?

Erfordert meine aktuelle Situation eine Veränderung und was brauche ich, damit ich
gut arbeiten kann?

Wie klappt die Zusammenarbeit mit anderen?

Womit bin ich zufrieden?
Die „Selbstbewusstheit“ zu wissen „wer und wie ich bin“, macht den Kopf frei für die
„Erlaubnis zur Selbstbestimmung und Eigenverantwortung“. Bewusstes Handeln erhöht
die Kompetenz und Sicherheit im Umgang mit anderen. Es verhindert Leidensdruck, der
langfristig zu psychosomatischer Belastungsreaktion, Krankheit und Burnout führen kann.
Der angeleitete Außenblick auf die Situation, so wie ich sie jetzt erlebe, führt auch in
Richtung Zukunft und Entwicklung:

Wie soll mein Leben, meine Arbeit in drei, fünf, zehn Jahren aussehen?

Was kann ich konkret dazu tun?

Welcher Leitsatz ist mir dabei hilfreich?
Anliegen und Ziele werden im Gespräch gemeinsam formuliert und Vereinbarungen in
Form von erreichbaren Veränderungsschritten festgelegt. Schulpsychologinnen und
Schulpsychologen geben dabei nicht die Lösungen vor, sondern ermutigen die
Klientin/den Klienten selbst ihr/sein Tempo, die Richtung und Eigenaktivität zu bestimmen
und geben Feedback. Der Satz „Hilf mir, es selbst zu tun“ von Montessori betrifft hier die
Lehrer/innen, ähnlich wie sonst im Unterricht die Schüler/innen.
21
Die Qualität des Klassenklimas und eine emotionale Begleitung durch ermutigende oder
verhaltensregulierende Lehrer/innenhaltung sind für die Wirksamkeit sonderpädagogischer
Förderung von besonderer Bedeutung.
Es geht nicht nur darum, „die Schüler/innen dort abzuholen wo sie stehen“, sondern sie zu
motivieren und mitzunehmen Es bedarf erhöhter Aufmerksamkeit, genauer Beobachtung
und Kenntnis dies umzusetzen.
Im psychologischen Kontext des Unterrichts spüren alle Beteiligten unterschwellig den
positiven Zug oder negativen Druck der Gruppendynamik (das Klassenklima).
Schülerinnen und Schülern wird zugestanden, den Umgang mit ihren negativen Gefühlen
erst lernen zu müssen.
Von Pädagoginnen und Pädagogen wird erwartet, eigene Gefühle unter Kontrolle zu
haben, professionell zu agieren und die Bedürfnisse anderer voranzustellen. Das
entspricht einer Helferhaltung in Sozialberufen. Um auftauchende eigene Gefühle von
Überforderung, Hilflosigkeit, Kränkung oder Erschöpfung in den Griff zu bekommen,
brauchen auch „Helfer“ manchmal eine Unterstützung. Leichter gelingt eine
Problemanalyse zur Selbstdistanzierung außerhalb der beruflichen Stresssituation, um ein
angekratztes Selbstbild positiv aufzufüllen und neue Kräfte zu sammeln. Die emotionale
Selbstregulation betrifft ja nicht nur die Lehrer/innenrolle, sondern auch andere
Lebensbereiche in denen jeweils der „ganze Mensch“ gefordert ist. Daher ist auch die
Verflechtung von persönlicher und beruflicher Biografie zu beachten. Als
Berufsanfänger/in und Junglehrer/in werden einen andere Fragen beschäftigen als nach
langjähriger Unterrichtstätigkeit und Routine. Auch die Zusammenarbeit im Team und
wechselnde Situationen in der Klasse verlangen flexible Veränderung. Um diese Arbeit
langfristig leisten zu können ohne auszubrennen, sollte die Energiebilanz zwischen Geben
und Erhalten stimmen. Daher lohnt sich auch im Beratungsgespräch die
Bestandsaufnahme von aktuellen Belastungen („Energieräubern“) und nutzbringenden
Entlastungen („Energiequellen“) in den folgenden vier Bereichen:
1)
Körper und Gesundheit
2)
Arbeit und Beruf
3)
Partnerschaft und Familie
4)
Persönliches soziales Netzwerk
Die psychische Energiebalance sollte in diesen vier Bereichen kompensatorisch zu einem
Ausgleich kommen. Ein Missverhältnis oder Defizit in einem Bereich stört durch seinen
Mangel andere Rollen und Sozialkontakte, die vernachlässigt werden. So wirkt eine
ständige berufliche Überlastung wie ein mit heim genommener Rucksack voll Gedanken
und Sorgen über ungelöste Probleme nicht förderlich auf den Privatbereich. Das selbe
leidige Thema taucht bei Tag und Nacht auf, beeinträchtigt die Beziehung in der Familie
oder die Erholung im Schlaf. Wobei sich natürlich auch umgekehrt private Sorgen beruflich
auswirken, speziell wenn sie über längere Zeit viel Einsatz verlangen.
Die Wahrnehmung und Verarbeitung von Stress, die psychische Resilienz, ist ähnlich der
Schmerzempfindung personbedingt sehr unterschiedlich. Was der Eine noch als durchaus
normalen Stresspegel empfindet und bewertet, kann für den Anderen schon überdurch22
schnittlich viel Negativstress bedeuten. Die eigene Einschätzung, Erwartung und
Bewertung der Situation spielen also auch eine Rolle im Umgang mit alltäglichen
Herausforderungen. Normalerweise wird Ärger oder psychische Verstimmung ein Anlass
für entlastende Gespräche mit Kollegen, Freunden und Partnern sein, wobei eigener Frust
sich relativiert und rechtzeitig ein Ausgleich und die Wiederherstellung der Energiebilanz
möglich wird. Kollegiale Beratung ist hierbei durchaus hilfreich. In manchen Fällen gelingt
diese Problemdistanzierung aber nicht, wenn persönliche Verstrickung in alten
Verhaltensmustern und negative Haltungen unbewusst Wirkung zeigen. Hierbei kann
psychologische Beratung helfen, systemische Zusammenhänge und Selbstbeteiligung zu
klären und so Wege zur Neuorientierung öffnen.
Statistiken belegen mehrfach im Lehrberuf auftretende Belastungen. Wie schon erwähnt,
handelt es sich speziell bei sonderpädagogischer Arbeit nicht um ein mechanischtechnisches Vorgehen von Input und Output, sondern um die pädagogische Fähigkeit
Kindern mit besonderen Bedürfnissen so zu begegnen, dass im Kontakt Entwicklung zum
Sein und Können unterstützt wird.
Neben berufsbegleitender psychologischer Beratung, Einzelcoaching und Supervision für
Lehrer/innen und Leiter/innen, gibt es auch schulpsychologische Teamberatung an
Schulen in den Bezirken, als Kooperation an den regionalen SPZ oder in Form von
Fortbildungsangeboten. Die Themenbereiche befinden sich als Checklist unter „Gesunde
Schule-Psychosozialer Bereich“ auf der Homepage des LSR.
Für Kontakte zur Schulpsychologie genügt eine vorherige telefonische Anmeldung zur
Terminvereinbarung.
Autorin
Hannelore Lensing, HRin Dr.in ,
ist Beratungsstellenleiterin der Schulpsychologischen Beratungsstelle Linz-Land und zuständig für Schulen
in den Bezirken Linz-Land und Eferding.
23
Dorothea Rucker
Beratungszentrum
für Lehrer/innen, Leiter/innen aller Schultypen
und Studierende der Pädagogischen Hochschule Salzburg
Um den komplexen Anforderungen im Berufsfeld „Schule“ professionell begegnen zu
können, bedarf es neben regelmäßiger Besuche von Fortbildungsveranstaltungen auch
der Möglichkeit zur individuellen und situationsspezifischen Bearbeitung von
Fragestellungen, die der berufliche Alltag mit sich bringt. Das Beratungszentrum zeit.raum
– eine Einrichtung der PH Salzburg – hat sich zur Aufgabe gemacht, Lehrer/innen und
Leiter/innen aller Schultypen im Land Salzburg in dieser Hinsicht mit einem
bedürfnisorientierten Angebot zu unterstützen. Das Angebot gilt auch für Studierende der
Pädagogischen Hochschule als Ergänzung zur allgemeinen beruflichen Ausbildung.
Bezugsrahmen
Erziehen und Unterrichten sind vielschichtige Tätigkeiten und stellen an Lehrer/innen hohe
Anforderungen. Joachim Bauer (2007), Mediziner und Psychosomatiker, weist darauf hin,
dass es kaum Berufe gäbe, die derart komplexe Arbeitsanforderungen aufweisen, wie der
Lehrberuf. „… fachliches Können, starke persönliche Präsenz und Ausstrahlung, flexibles
Reagieren auf sich ständig verändernde Situationen genau so wie intuitives Gespür,
Verständnis für völlig unterschiedliche Schüler/innenpersönlichkeiten, Widerstandskraft,
Geschick bei atmosphärischem Gegenwind und vor allem – Führung“ (51). Diesen
Anforderungen gerecht zu werden und das eigene Gleichgewicht nicht zu verlieren,
bedeutet ein hohes Maß an Professionalität.
Im Auftrag des bm:ukk untersucht ein Expert/innenteam die „Entwicklung von
Professionalität im Internationalen Kontext“ (EPIK) mit der Fragestellung, welche
Kompetenzen von Lehrpersonen nachhaltig die Qualität von Unterricht und Schule
bestimmen und eine erfolgreiche Unterrichtspraxis ermöglichen. In der Analyse werden
fünf Kompetenzfelder (Domänen) definiert, die voneinander abhängig sind und einander
bedingen. Als erstes und vorrangiges Kompetenzfeld wird die „Reflexions- und
Diskursfähigkeit“ als Grundvoraussetzung für mögliche Veränderungsprozesse genannt.
(vgl. Schratz et al. 2008: 125).
Wie notwendig in diesem Zusammenhang auch kollegiale Kooperationen sind – als
„Kollegialität“ unter den Domänen beschrieben - bestätigt auch der Mediziner und
Salutogenetiker Peter Vogt. Er befasst sich in einer Untersuchung mit der Frage, welche
Fähigkeiten Lehrer/innen mitbringen, die bis zu ihrem 60. Lebensjahr unterrichten ohne
24
auszubrennen. Hochwirksam im Sinne der Burn-out-Prophylaxe sind seiner Erkenntnis
nach neben fachlicher, pädagogischer und emotionaler Kompetenz, die soziale
Unterstützung sowohl privat, kollegial als auch „von oben“. In seinen Vorschlägen zur
Erhaltung der Gesundheit finden sich die Empfehlung zur regelmäßigen Supervision sowie
der Austausch und die Kooperation unter Lehrkräften. (vgl. Vogt, 2007)
Die eigene Rolle in der vorgegebenen beruflichen Situation und die eigenen
Handlungsmuster zu analysieren und zu reflektieren, können neues Wissen über sich und
das Arbeitsfeld generieren, den Blickwinkel vergrößern, ungenützte Ressourcen sichtbar
machen und das eigene Handlungsspektrum erweitern. (Kogelbauer 2007: 302)
Dies
dient
neben
anderen
Maßnahmen
zur
Stärkung
des
eigenen
Professionsbewusstseins und verringert darüber hinaus Burn-out-Reaktionen, die sehr oft
durch Handlungsblockaden ausgelöst werden.
In Wahrnehmung dieser Erfordernisse finden sich im Fortbildungsangebot
der
Pädagogischen Hochschule neben fachdidaktischen Seminaren, Trainings zur
Unterrichtsentwicklung, spezielle Seminare zur Persönlichkeitsbildung sowie Seminare zur
Lehrer/innengesundheit.
Um den komplexen Anforderungen im Berufsfeld „Schule“ professionell zu begegnen,
bedarf es neben diesen genannten Seminaren und Trainings auch spezieller Maßnahmen
zur individuellen und situationsspezifischen Bearbeitung von Fragestellungen aus dem
beruflichen Alltag. Die Pädagogische Hochschule Salzburg bietet dazu im
Beratungszentrum zeit.raum Supervision, Beratung und Coaching an.
Das Beratungszentrum und seine Entwicklungsgeschichte
Das Konzept des Beratungszentrums zeit.raum basiert auf Erfahrungen, die in einem 5jährigen Pilotprojekt im Schulbezirk Flachgau unter dem Namen „Fokus“ gewonnen
wurden. Dieses Pilotprojekt wurde 2001 von Bezirksschulinspektor Franz Schinwald
initiiert und zielte darauf ab, Lehrer/innen bei schwierigen unterrichtlichen Situationen zu
unterstützen und zu begleiten. Die Erfahrungen des ersten Jahres von „Fokus“ zeigten,
dass die Fragestellungen der Lehrer/innen sich nicht nur auf
schwierige
Unterrichtssituationen beschränkten, sondern weit über den Klassenraum hinausgingen.
Daher wurde das Angebot schrittweise erweitert. Für Problemlösungen wurden nun nicht
nur Lehrer/innen, sondern auch andere Personengruppen wie Leiter/innen und/oder Eltern
eingebunden. Der Unterstützungsmodus erweiterte sich von „Kollegialer Hospitation“ über
Einzelberatungen bis hin zur Gruppensupervision und Mediation.
Nach fünf erfolgreichen Jahren im Flachgau wurde das Beratungsservice „Fokus“ auf das
Land Salzburg ausgeweitet und am Pädagogischen Institut beheimatet. Die Unterstützer
dafür waren der damalige Landesschulinspektor Dr. Alexander Bürger und die Leiterin des
damaligen Pädagogischen Instituts für APS Dr.in Angela Faber. „Fokus“ wurde in
„zeit.raum“ umgetauft, das Einfrau-Unternehmen wurde auf ein Dreierteam erweitert und
bekam auch einen kleinen eigenen Beratungsraum. Mit dem Zusammenschluss von Aus-,
Fort- und Weiterbildung wurde durch den Einsatz von Rektor Dr. Josef Sampl das
Beratungszentrum zeit.raum samt seinem Personal von der Pädagogischen Hochschule
Salzburg übernommen und mit verbesserten räumlichen und strukturellen Bedingungen
ausgestattet.
25
Das aktuelle Konzept
Das Beratungszentrum ist eine Einrichtung der Pädagogischen Hochschule Salzburg und
ist somit Teil der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die dazu nötigen Ressourcen (Personal-,
Raum- und alle anderen nötigen Aufwandskosten) werden somit von der Pädagogischen
Hochschule getragen und sind für Lehrer/innen, Leiter/innen und auch Studentinnen und
Studenten kostenneutral.
Das Beratungszentrum leistet einen Beitrag im Professionalisierungsprozess von
Lehrer/innen, Leiter/innen und Studentinnen/Studenten:
Analyse und Bearbeitung von Störfeldern im beruflichen Umfeld,
Stärkung der Persönlichkeit, berufliche und persönliche Standortbestimmung,
Rollenklärung, Verbesserung der kommunikativen Kompetenzen (mit
Kolleginnen/Kollegen, Eltern ...),
wirksamer Umgang mit beruflichen Belastungen,
Konfliktmanagement,
Burn-out-Prävention.
Speziell für Studierende: Optimierung des Studienerfolges und Klärungshilfe bei
persönlichen Fragestellungen in Bezug auf Lernstrategien.
Um den Anfragen begegnen zu können, ist das Beratungszentrum mit seinen
Beraterinnen bemüht, das Angebot so breit als möglich zu halten und immer wieder den
Bedürfnissen anzupassen, die während des Jahres herangetragen werden.
Unter Gewährleistung der nötigen Diskretion und unter Wahrung des kollegialen Respekts
– alle Beraterinnen kommen ebenfalls aus dem Arbeitsfeld Schule – stellt das Beratungszentrum folgendes Angebot:
Supervision und Beratung (einzeln oder in Gruppen) bei pädagogischen und
persönlichen Fragestellungen, die sich aus dem Arbeitsfeld Schule ergeben.
Coaching als Begleitung und Unterstützung zur effektiven Nutzung persönlicher
Ressourcen in Verbindung mit der Berufsrolle, mit der Möglichkeit einer direkten
Begleitung
ins
Arbeitsfeld
im
Sinne
einer
„Kollegialen
Hospitation“
(Unterrichtsbegleitung mit vorheriger Schwerpunktsetzung und anschließendem
Reflexionsgespräch).
Moderation von komplexen Gesprächs- und Entwicklungsprozessen.
Mediation als allparteiliche Gesprächsbegleitung, wenn ein Konflikt ohne eine
neutrale Person zu eskalieren droht.
Vermittlung
zu
schulischen
und
außerschulischen
Einrichtungen
und
Expertinnen/Experten.
Angebot und Nachfrage in Beispielen
In den letzten drei Jahren haben pro Jahr zwischen 350 und 400 unterschiedliche
Personen (Lehrer/innen, Leiter/innen und Studentinnen/Studenten) ein- oder mehrmals die
Angebote des Beratungszentrums wahrgenommen. Die Beratungen fanden entweder
einzeln oder in Gruppen, im persönlichen Gespräch oder per Telefon und/oder per E-Mail
statt. Waren es in den ersten Jahren hauptsächlich Volks- und Hauptschullehrerinnen, die
zur Beratung kamen, hat sich der Anteil der männlichen Lehrer fast verdoppelt. Auch ist
die Berufsgruppe der Leiter/innen wesentlich stärker vertreten als in den ersten Jahren.
26
Die meisten Kontakte werden per Telefon geknüpft, wobei auch immer häufiger Anfragen
per E-Mail kommen.
Mit welchen Anliegen und Fragestellungen Lehrer/innen oder Leiter/innen
Beratungszentrum aufsuchen, soll durch die folgende Auswahl dargestellt werden:
das
Pädagogische Fragestellungen:
Unterrichtsorganisation verbessern
Umgang mit schwierigen Schüler/innen allgemein
Spezielle Fallbesprechung
Differenzieren – eine Gratwanderung zwischen fördern und fordern
Integration – Unterschieden gerecht werden, aber wie?
Schüler/innen aktivieren - Frontalunterricht auflockern durch Methodenwechsel
Freies Arbeiten organisieren
spezielle Themen: z. B: Förderkonzepte, Regeln, Rituale, Verhaltensvereinbarungen
u. ä.
Fragestellungen zur Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit
Aufbau einer positiven Kommunikation mit Eltern/Kolleginnen/Kollegen/Leitung
Störungen in der Kommunikation nachgehen und Lösungen finden
Elternabende planen und begleiten
Konflikte beleuchten und konkret miteinander bearbeiten
Teamentwicklung – unterschiedliche Rollen erkennen und leben (besonders für
Integrationsteams)
u. ä.
Persönliche Fragestellungen
Die richtige Balance zwischen Forderung und Überforderungen finden
…. ich fühle mich gemobbt – was kann ich tun?
Erschöpfung und Ausstieg
Umstiege/Aufstiege überlegen – anderes Arbeitsfeld entwickeln
u. ä.
Das Beratungsteam – bestehend aus Mag.a Inge Absolon-Plank, Mag.a Claudia Winklhofer
und Mag.a Dorothea Rucker, die auch die organisatorische Leitung des Beratungszentrums über hat, sind erfahrene Pädagoginnen mit einschlägigen psychologischen und
therapeutischen Zusatzqualifikationen (Therapie, Supervision, Mediation).
Inge Absolon-Plank
Claudia Winklhofer
27
Dorothea Rucker
Literatur
Bauer, Joachim (2007): Lob der Schule: Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und
Eltern. Hamburg: Hoffmann und Campe
Kogelbauer, Alfred (2007) Supervision und Schule. In: Luif, I (Hrsg.): Supervision
Tradition, Ansätze, Perspektiven in Österreich. Wien. 301-310
Schratz, Michael/ Schrittesser, Ilse/ Forthuber, Peter/ Pahr, Gerhard/ Paseka, Angelika/
Seel, Andrea (2008): Domänen der Lehrer/innen/professionalität : Rahmen einer
kompetenzorientierten Lehrer/innen/bildung. In: Kraler, Christian/Schratz, Michael
(Hg.): Wissen erwerben, Kompetenzen entwickeln. Münster u. a..123-138.
Vogt, Peter (2007) Lehrerbelastung aus medizinisch-psychologischer Sicht. www.dr-petervogt.de/download.html (03.11.2009)
Autorin
Dorothea Rucker, Mag.a
Leiterin des Beratungszentrums zeit.raum – PH Salzburg
Volksschullehrerin, Erziehungswissenschafterin (Schwerpunkt Beratung, Supervision, Intervention)
Schul- und Unterrichtsberaterin, Supervisorin und Mediatorin, Lebens- und Sozialberaterin
28
Ulrike Gober
Reflexion – ein Qualitätskriterium des Lehrberufs
Bildung ist ein kostbares Gut jeder Gesellschaft, denn Bildung ist die Grundlage für
individuelle Zufriedenheit und den Wohlstand und das Wachstum eines Staates. Gut
durchdachte und geplante Investitionen in das österreichische Bildungswesen sind gut
angelegte Investitionen in die Zukunft unserer Kinder und in die Entwicklung unserer
Gesellschaft.
Notwendig ist es, zukünftige Lehrer/innen optimal auf die Anforderungen ihres Berufes
vorzubereiten und den bereits tätigen Lehrer/innen all jene Unterstützungen und jene
Rahmenbedingungen anzubieten, die sie für die Ausübung dieser interessanten und sehr
anspruchsvollen Tätigkeit benötigen.
Voraussetzung für eine professionelle Ausübung dieses Berufes ist eine bewusste
Auseinandersetzung durch professionelle Reflexion

mit den beruflichen Anforderungen,

mit der Gestaltung der beruflichen Rolle,

und auch mit den Rahmenbedingungen, die die Organisation Schule
charakterisieren.
Aufgrund dieser Aspekte bildet für mich Reflexionsfähigkeit und Reflexionsbereitschaft
eine der tragenden Säulen professioneller Lehrtätigkeit.
Aus diesem Grund möchte ich mich in den folgenden Ausführungen mit dem Begriff
Reflexion näher beschäftigen.
1. Reflexion – eine allgemeine Definition und ihre Bedeutung im Lehrberuf
Zur Definitionsklärung beziehe ich mich dabei in erster Linie auf Georg Zepke, der sich in
seinem Buch „Reflexionsarchitektur – Evaluierung als Beitrag zum Organisationslernen“
(2005) damit auseinander gesetzt hat.
Zepke versteht unter Reflexion den alltäglichen Weg, um sich einen Eindruck über den
Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmung zu machen und um die Erfolgsbedingungen
und Schwierigkeiten einer abgeschlossenen oder vielleicht auch noch aktuell laufenden
Aktivität oder Maßnahme zu identifizieren.
Reflexion ist letztlich das spezifisch Menschliche, das uns gegenüber rein
instinktgesteuerten, den aktuellen Bedürfnissen immer sofort nachzukommen
versuchenden Lebewesen auszeichnet.
So bezeichnet Siegmund Freud (Zepke, 2005, S. 25) das reflexionsfähige Ich als
Vermittlungsinstanz zwischen den individuellen triebhaften Bedürfnissen auf der einen
Seite und den gesellschaftlichen Anforderungen auf der anderen Seite – und dies zeichne
den Menschen aus.
29
Zepke meint weiters, dass im individuellen Alltag Reflexion in aller Regel ausreicht, um
bezüglich eigener Aktivitäten und Handlungen angemessene Schlüsse zu ziehen,
allerdings findet auch in der individuellen Reflexion eine unübersehbare
Professionalisierung und Kommerzialisierung statt.
Wenn individuelle Alltagsreflexion an ihre Grenzen stößt, wird professionelle
Reflexionshilfe, etwa in Form von Supervision und Coaching, in Anspruch genommen.
Diese Inanspruchnahme von Supervision und Coaching halte ich in „nicht-routinehaften
Berufen“, wie Herbert Altrichter den Lehrberuf in seinem Buch „Handbuch zur
Schulentwicklung“ (1998) bezeichnet, für ausgesprochen sinnvoll und notwendig.
Altrichter spricht in diesem Zusammenhang von Selbstvergewisserung (1998, S. 264ff.).
Aus der Erforschung komplexer Tätigkeiten – das sind Tätigkeiten, die nicht hauptsächlich
vorgegebenen Routinen folgen – wisse man, dass man normalerweise in anspruchsvollen
Situationen nicht „mit einem Schlag“ (und sei der Plan auch noch so gut) zum Erfolg
kommt.
Daher ist „Selbstbeobachtung und Selbstevaluation ein Merkmal jeder „komplexen
Tätigkeit“.
Er versteht den Lehrberuf als eine komplexe Tätigkeit in diesem Sinn und verwendet den
Begriff „Reflexion“, um die Situation zu beschreiben, wenn einzelne Lehrer/innen,
Lehrer/innengruppen, Schüler/innen sowie andere Akteurinnen und Akteure über
verschiedene Aspekte von Schule nachdenken, sie besprechen, Alternativen und
Weiterentwicklungen erwägen, ohne dass dies durch ein längerfristiges Konzept
organisiert ist.
Lehrer/innen haben eine relativ große Autonomie in Hinblick auf wichtige Aspekte ihres
Berufes: Sie sind zwar an den Lehrplan und an bestimmte Unterrichtszeiten gebunden,
haben jedoch z.B. in Hinblick auf thematische Akzentuierungen, Methoden und
Unterrichtsmittel große Entscheidungsspielräume. Altrichter sieht darin keine
Nachlässigkeit des Dienstgebers, vielmehr erfordert eine komplexe Aufgabe, wie die
Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, solche Freiräume (vgl. Schön 1983,
Rolff 1993, Altrichter, 1998).
Um dieser Verantwortung nachzukommen, ist nun wiederum Reflexion bzw. Evaluation
notwendig:
Lehrer/innen müssen die eigene Tätigkeit in Hinblick auf ihre Ziele, Bedingungen, Verläufe
und Wirkungen reflektieren, um rechtens behaupten zu können, dass sie die Freiräume in
qualitätsvoller Weise nutzen. Sie müssen bereit sein, sich auf Gespräche mit Kolleginnen
und Kollegen, Lernenden und anderen Interessierten einzulassen und dort die eigenen
Handlungsgründe zu argumentieren.
2. Reflexionsfähigkeit als vorrangiges Kompetenzfeld
für Lehrer/innenprofessionalität
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat 2006 eine Arbeitsgruppe
aus unterschiedlichen Einrichtungen der Lehrer/innenbildung eingerichtet, deren Mitglieder
M. Schratz, I, Schrittesser, P. Forthuber, G. Pahr, A. Paseka, A. Seel – die Autorinnen und
30
Autoren des Artikels „Domänen von Lehrer/innen/professionalität – Entwicklung von
Professionalität im internationalen Kontext (EPIK)“ sind, auf den ich mich in meinen
folgenden Ausführungen beziehen werde. Dieser Arbeitsgruppe ging es darum, ein
gemeinsames Konzept von Professionalität für den Lehrberuf zu finden.
Die von ihnen bestimmten „Domänen“ (Kompetenzfelder) setzen sich aus komplexen
Bündeln von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen zusammen. Folgende fünf Domänen
haben sich in der von ihnen geführten Fachdebatte als zwischen System und Person
angesiedelte Kompetenzfelder dargestellt:
REFLEXIONS- und DISKURSFÄHIGKEIT: Das Teilen von Wissen und Können
PROFESSIONSBEWUSSTSEIN: Sich als Expertin/Experte wahrnehmen
KOLLEGIALITÄT: Die Produktivität von Kooperation
DIFFERENZFÄHIGKEIT: Der Umgang mit großen und kleinen Unterschieden
PERSONAL MASTERY4: Die Kraft individueller Könnerschaft
Hervorheben möchte ich noch folgendes Zitat:
„Bei
aller
Heterogenität
der
Begriffbestimmung
findet
sich
in
der
erziehungswissenschaftlichen Diskussion nahezu durchgehend die Argumentation, dass
Professionalität und Reflexivität bzw. Reflexionsfähigkeit in Zusammenhang zu bringen
seien.“ (Schratz u. a., 2007)
Im Folgenden möchte ich nun näher auf die Domäne der „Reflexions- und Diskursfähigkeit“ eingehen.
Die Autorinnen und Autoren des Artikels gehen davon aus, dass sozial kompetente
Lehrpersonen nicht nur den Unterricht anderer aufmerksam wahrnehmen, sondern auch
den eigenen. Sie zeigen die Fähigkeit, sich von ihrem eigenen Tun zu distanzieren und
werden dadurch überhaupt erst dazu fähig, über ihren eigenen Unterricht ein Urteil zu
fällen. Erst mit dieser Distanzierungsfähigkeit wird es auch möglich, Strategien zur
Selbstbeobachtung im Unterricht zu entwickeln. Diese aus der Distanzierungsfähigkeit
folgende Reflexionsfähigkeit erlaubt es auch erst, sowohl das Spezifische der Situation
(die Ausnahme von der Regel) als auch das hinter dem konkreten Fall liegende
Allgemeine (das potenziell Generalisierbare) zu erkennen.
Ergebnissicherndes Unterrichten erfolgt auf der Basis von Reflexion der Prozesse und
Produkte, um die es jeweils geht. Dadurch werden neue Erkenntnisse gewonnen, die für
künftiges Handeln bestimmend sind. Das Nachdenken über bisherige Erfahrungen und
daraus Schlüsse ziehen führt zum Vordenken für die nächste Situation mit dem Ziel, dazu
ein größeres Repertoire an Alternativen zur Verfügung zu haben.
Die Fähigkeit sich selbst und sein Umfeld kritisch und distanziert betrachten zu können,
Selbstkritik zu entwickeln und sich in den Diskurs einzubringen bzw. ihn zu gestalten, sind
für die Autorinnen und Autoren somit Kennzeichen professionellen Handelns im
Lehrer/innenberuf.
Die Professionalität des Lehrer/innenberufes lässt sich nicht zuletzt daran messen, wie es
Lehrer/innen gelingt, ihre Arbeit vor sich selbst, gegenüber Kolleginnen/Kollegen und
Schüler/innen, deren Eltern und der Öffentlichkeit zu begründen. Eine selbst-kritische
Reflexion, die eigene Erfahrungen ebenso nutzt wie wissenschaftliche Erkenntnisse, und
31
der Austausch im beruflichen Diskurs bilden für die Arbeitsgruppe – gemeinsam mit den
anderen Dimensionen – den Kern pädagogischer Professionalität.
Gemeinsam mit den anderen Kriterien von Professionalität wird deutlich, dass einerseits
eine Weiterentwicklung der Strukturen des Bildungssystems erforderlich sein wird,
andererseits ist eben auch die Person der Lehrperson aufgefordert, in und mit diesen
Strukturen als Expertin bzw. als Experte in diesem Sinne „professionell“ umzugehen.
3. Ausblick
Die verpflichtenden Reflexionen und auch die persönlichkeitsbildenden Seminare während
der Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen stellen die Grundlage dar, um bei
den angehenden Lehrer/innen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit
von Reflexion im Lehrberuf zu schaffen.
Die bildungspolitische Forderung, die sich daran anschließend an den staatlichen
Dienstgeber ergibt, ist, entsprechende Reflexionsmöglichkeiten, etwa in Form von
professionell geleiteter Supervision oder Coachings, in das Berufsbild der Lehrer/innen
vermehrt zu integrieren und zu institutionalisieren.
Reflexion in Form von Supervision und Coaching ermöglicht es den Lehrer/nnen sich mit
den an sie gestellten beruflichen Anforderungen professionell auseinander zu setzen. Dies
bietet die Chance eine erhöhte Berufszufriedenheit zu erzielen.
Reflexion in einem professionellen Rahmen muss meiner Ansicht nach zur
Selbstverständlichkeit im Lehrberuf werden, um den steigenden Professionalisierungsansprüchen gerecht zu werden.
Literaturliste
Altrichter, Herbert / Schley, Wilfried / Schratz, Michael (Hrsg.): Handbuch zur
Schulentwicklung. Studien-Verlag, Innsbruck-Wien, 1998
Forthuber, Peter, u. a.: Domänen von Lehrer/innen/professionalität. Entwicklung von
Professionalität im internationalen Kontext. Gekürzt in: journal für lehrerinnen- und
lehrerbildung. Heft 1/2007
Zepke, Georg: Reflexionsarchitekturen. Evaluierung als Beitrag zum Organisationslernen.
Carl-Auer-Verlag, Heidelberg, 2005
Autorin
Ulrike Gober, Mag.a MSc
Ausbildung an der Pädak Wien, Ettenreichgasse,
Studium für Pädagogik in Kombination mit Sonder- und Heilpädagogik an der Uni Wien,
seit 21 Jahren im Sonderpädagogischen Bereich für Verhaltensproblematik tätig,
davon 10 Jahre als Klassenlehrerin in Kleinklassen,
seit 11 Jahren als ambulante Beratungslehrerin,
2007 Abschluss des Masterlehrganges für Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung,
seit 2008 in Wien als Supervisorin der Pädagogischen Hochschule Wien, Grenzackergasse,
In der Lehrer/innenfortbildung tätig, Schwerpunkte: Konflikt- und Kommunikationsmanagement, Burn-outPrävention, Diversity, Interkulturalität und Teambildung und -entwicklung
32
Knut Becha
Psychohygiene von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am
Sonderpädagogischen Zentrum Oberwart; ein Praxisbeispiel
Wer kennt als aufmerksame Schulleiterin/aufmerksamer Schulleiter nicht die Begegnung
mit Kolleginnen und Kollegen, bei denen ein tiefer Seufzer oder ein betont tiefes Ausatmen
darauf hinweisen wollen, dass es dem Gegenüber im Moment nicht gut geht.
Vorausgesetzt es herrscht ein großes Vertrauensverhältnis unter den agierenden
Personen, erwartet sich das Gegenüber eine Reaktion auf den Hinweis: „Ich brauche
Unterstützung oder gar Hilfe. Jetzt gleich!"
Dass die Arbeit an einer Sonderschule mit all ihren Besonderheiten in der Zusammensetzung und Herausforderung seitens des Kollegiums und der Kinder kräfteraubend und
anstrengend sein kann, ist wohl allen beteiligten Personen bewusst. Die täglichen
Herausforderungen stellen die Grenzen der Belastungen häufig auf die Probe und immer
wieder fühlt man sich als unmittelbar Beteiligte/r von allen alleine gelassen.
Unsere Einrichtung bietet in Form von regelmäßigen Mitarbeiter/innengesprächen und
Konferenzen, auf dem bereits angesprochenen Vertrauensverhältnis basierend,
Möglichkeiten zur Kommunikation und zu Problembesprechungen. Die Wertschätzung der
Arbeit als Pädagogin/Pädagoge bzw. als Eingliederungshelfer/in der Schule erfolgt dann
individuell oder kollektiv. Dennoch ist die tägliche Konfrontation mit hilfesuchenden
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Schulleiter gegeben.
Tatsache ist, wenn sich Lehrer/innen wohl fühlen und es ihnen gut geht, geht es auch den
Kindern gut. Das stellt die Basis funktionierender und effizienter Arbeit an einer Schule für
besondere Bedürfnisse dar. Es ist daher aus Leitersicht danach zu streben, dass es am
Standort ein Primärziel der Schulentwicklung ist, Maßnahmen zur Sicherstellung der
Lebensgrundbedürfnisse nach E. Schomburg wie Sicherheit, Anerkennung, Bestätigung,
schöpferischer Freiraum, Selbstachtung oder Erlebniswert zu initiieren. Dabei sind nicht
immer die großen Maßnahmen wie SCHILF mit externen Expertinnen und Experten das
alleinige Heilmittel, sondern die täglichen kleinen Begegnungen und Wahrnehmungen der
Bedürfnisse der/des Anderen schließen die Lücken der großen Initiativen der
pädagogischen Heimat. Ohne sie kann keine Verbindung hergestellt werden, und ist eine
durchgehende restitutive Psychohygiene nicht möglich.
An unserem Standort haben wir als Beispiel im vergangenen Jahr 20 Stunden externe
Begleitung zum Thema Konfliktmanagement eigenfinanziert zugekauft. Alle
Besonderheiten, Gefahren, Möglichkeiten und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem
Bereich wurden professionell aufbereitet dem Kollektiv der Mitarbeiter/innen in Blöcken
dargeboten. Die Steigerung der Kompetenzen in den Alltagsanforderungen konnte ich als
Leiter durchaus beobachten. Die Qualität des Zusammenlebens zwischen Erwachsenen,
Kindern und Jugendlichen wurde gehoben. Dennoch ist die Zahl derer, die mit lautem
Seufzer und betonter Ausatmung an mir vorübergehen, nicht wesentlich gesunken.
33
Die Schulpsychologin unseres Bezirkes kommt regelmäßig an die Schule um einerseits
mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten, andererseits aber auch, um den
Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit des Gespräches zu bieten. Diese Kooperation
mit dem Schulpsychologischen Beratungsdienst ist eine von allen Personen geschätzte
und für sehr wichtig erachtete Form der Unterstützung. Dort wo ein hohes
Vertrauensverhältnis zwischen diesen Partnerinnen und Partnern besteht, ist auch in
Einzelberatungen und Gesprächen eine Form der Supervision möglich.
Ich meine, dass die institutionalisierte Unterstützung des Kollegiums in der Alltagsarbeit
gut organisiert ist. Die Angebote sind bedarfsorientiert, professionell ausgerichtet und in
der unmittelbaren Beobachtung in ihrer Wirkung effizient. Warum also gibt es noch immer
Kolleginnen und Kollegen, die das Seufzen und tiefe Ausatmen nicht lassen können?
Haben alle Maßnahmen bisher gerade bei ihnen keine Wirkung erzielt? Sind meine
Beobachtungen falsch? Definitiv - Nein!
Es handelt sich bei diesen Äußerungen des Unwohlseins meistens um den Wunsch einer
Bestätigung des eigenen Tuns. Man möchte gehört werden und seine Befindlichkeit
deponieren. Es geht nicht darum, zusätzliche Instrumente zur besseren Bewältigung von
Alltagsproblemen geliefert zu bekommen, sondern einfach nur um das Bedürfnis des
Wahrgenommenwerdens. In diesem Augenblick ist es wichtig, das Gegenüber zu
akzeptieren und sich mit ihrer/seiner Kontaktaufnahme zu befassen, ihr/ihm
Aufmerksamkeit zu schenken und Interesse am Befinden zu zeigen - ehrlich und
authentisch. Es ist häufig nicht einmal die Lieferung einer Lösung wichtig, diese bietet sich
in der Annahme und dem Reden dürfen oft selbst an. Das Gefühl vermittelt zu bekommen:
„Du bist mir jetzt wichtig und dein Problem oder deine Sorge(n) sind auch für mich in
diesem Moment von Bedeutung!" löst zumeist die innere Spannung oder Unzufriedenheit.
Natürlich ist es nicht immer leicht, aufnahmebereit zu sein, aber auch eine ehrliche Bitte
um Verlegung des Gespräches an einen nahen Zeitpunkt wirkt Wunder.
Aus Leitersicht sind jene Kolleginnen und Kollegen, die in angeführter Form auf sich
aufmerksam machen, noch die einfacheren und angenehmeren Bedarfssteller. Die ewig
ruhigen und niemals auffallenden oder seufzenden Mitarbeiter/innen bedürfen ungleich
mehr Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen. Ihnen ist oft nur aus Mimik und
Körperhaltung dieses Bedürfnis abzuleiten, wenn überhaupt. Sie benötigen eine
intensivere Befassung und mehr Zeit, um auf mögliche Nöte einzugehen. Dieser Prozess
des intensiven Kennenlernens dauert sehr lange und bedarf einer guten
Menschenkenntnis. Aufmerksam sein und aufmerksam bleiben ist eine für das
Wohlbefinden eines Kollegiums notwendige Forderung. Trotz aller technischer
Errungenschaften, welche zur Informationsbeschaffung oder administrativen Erleichterung
beitragen können, ist der zwischenmenschliche Kontakt und die sensible Aufmerksamkeit
in dieser Berufsgruppe von immer größer werdender Bedeutung. Parallel zu den sich
ständig steigernden Anforderungen an Pädagoginnen und Pädagogen ist die Sorge der
Schulleiterin/des Schulleiters um „ihre“/„seine“ Mitarbeiter/innen als ernst zu nehmende
Komponente von Leiter/innenkompetenzen zu beachten.
34
Autor
Knut Becha, Dir.
Lehramtsprüfung für HS an der Stiftung PÄDAK Eisenstadt
Lehramtsprüfung für IKT AHS
Lehramtsprüfung für ASO und Sprachheilpädagogik am PI Burgenland
Mitglied des Bundes ARGE CiS von 1999-2009
(Landeskoordinator für Burgenland)
mehrfacher PISA Testleiter
Organisationsleiter des Heilpädagogischen Kongress 2006 in Güssing
Mitarbeiter am PI Burgenland von 2001-2006
(Koordinator für Fort- , Aus- und Weiterbildung APS/Sonderpädagogik)
Absolvent der Leadership-Academy 2007
Geschäftsführender Obmann der HGÖ-Landesgruppe Burgenland seit 2007
Bestellung zum Schul- und Zentrumsleiter per 1. 4. 2007
Maßgebliche Beteiligung bzw. Leitung an Entwicklungsarbeiten im Burgenland
Aspergerpreisträger 2010
Schulgasse 29, A-7400 Oberwart, [email protected]
35
Isabel Amberg
„Gemeinsam in Balance bleiben“
Wirksam und gesund bleiben im Spannungsfeld Schule
Lehrerin und Lehrer sein ist ein …
… beglückender Beruf:
o
„Guter Sinn“ (Bildungsaufgabe, Arbeit mit Lernenden)
o
Gestaltungsfreiheit in der Unterrichtsführung
o
Wenig erzwungene Routine; Möglichkeiten des Neu-Erfindens der Berufsrolle
(Unterricht, Stufenwechsel, Zusatzfunktionen)
o
Freiheiten in der Einteilung der Arbeitszeit
o
Anerkennung und Unterstützung im Kollegium
o
Vergleichsweise gute Sicherheit des Arbeitsplatzes
und ein …
… anstrengender und anspruchsvoller Beruf:
o
Diffuse und widersprüchliche Auftragslage (Lehrplan und „Lehrpläne“,
Fördern und Selektionieren, Zeit geben und „Vorwärtsmachen“)
o
Vielfältige und widersprüchliche Erwartungen und Einmischungen ringsherum
o
Hohe Intensität beim Unterricht im Klassenverband
o
Herausforderung Heterogenität
o
Gefühl, nie fertig zu sein; Ungewissheit über „Was ist wirklich genügend?“
36
„Zeit- und Energieklau“ durch Disziplinprobleme, Sitzungen, Reformen und
Administration
Dieser Beschreibung unseres pädagogischen Daseins von Anton Strittmatter (Vortrag
Anton Strittmatter LGL-Kantonalkonferenz 12. 9. 07), mag die/der eine oder andere sicher
noch einiges hinzuzufügen haben.
Klar zum Ausdruck kommt, dass sich Lehrerinnen und Lehrer in einem Spannungsfeld
zwischen eigenen und fremden Wünschen und Anforderungen befinden.
Lehrkräfte üben ihre Tätigkeit im Spannungsfeld der verschiedenen Dimensionen von
gesellschaftlichen Ansprüchen und Erwartungen (Sollen), persönlichen Idealen und
Werten (Wollen) sowie individuellen Kompetenzen (Können) aus.
o
Wir alle wünschen uns über unseren Berufsalltag sagen zu können, dass wir „gut drauf
sind“, dass das Miteinander des Lehrens und Lernens allen Beteiligten Spaß macht und
Freude und Erfolg bereitet. Das gelingt uns, wenn wir gut „in Balance“ sind.
Vielen Pädagoginnen und Pädagogen gelingt dieses „in Balance bleiben“, bzw. sich immer
wieder neu zu balancieren zunehmend schwerer.
Die unterschiedlichen Anforderungen in diesem Spannungsfeld zwischen Schüler/innen,
Eltern, Gesellschaft, Kollegium und Behörden führen häufig zu Belastungen und
Überforderungen von Lehrerinnen und Lehrern. Im Vordergrund stehen dabei die
psychischen Belastungen.
Ergebnisse verschiedener Untersuchungen, u.a. die Potsdamer Lehrerstudie 2000-2006,
weisen auf eine äußerst problematische Gesundheitssituation von Lehrerinnen und
Lehrern hin (vgl. Schaarschmidt 2005).
Gesundheit und Gesundheitsförderung
Die WHO 1948 definiert Gesundheit als einen „Zustand völligen psychischen, physischen
und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“
(http://www.bmg.gv.at am 20. 8. 2010).
Nach dem Salutogenese-Modell ist Gesundheit nicht als Zustand, sondern als Prozess zu
verstehen.
Salutogenese (Salus, lat.: Unverletztheit, Glück, Heil; Genese, griech.: Entstehung) ( vgl.
Herzog 2007, S. 35. ) bedeutet wörtlich „Erzeugung von Gesundheit“ und bezeichnet
Wege zur Erhaltung und Erzeugung von Gesundheit. Der Begriff wurde in den 1970´er
Jahren durch Antonovsky geprägt.
Die salutogenetische Perspektive fragt im Gegensatz zur Pathogenese nach den
Bedingungen von Gesundheit und nach Faktoren, die die Gesundheit schützen und zur
Unverletzlichkeit beitragen. Die Frage nach den Wirkfaktoren für die Erhaltung von
Gesundheit steht im Mittelpunkt. Dementsprechend besteht Gesundheitsförderung im
salutogenetischen Ansatz darin, die stabilisierenden, gesunden Anteile und Kraftquellen in
den Vordergrund zu stellen, d.h. sie zu benennen, aktiv zu begünstigen und sich
entsprechend zu verhalten. Es geht um ein selbstbestimmtes Gesundheitshandeln von
Individuen (vgl. Bengel/Strittmater 2001, S. 141 ff).
Antonovsky illustriert sein Konzept der Salutogenese mit dem Bild eines gefährlichen
Flusses, in dessen Strömungen, Stromschnellen, Strudeln und Windungen sich die
Menschen in einem ständig bedrohten gesundheitlichen Gleichgewicht befinden. Gleich
einem Rettungsschwimmer würde eine ärztliche Therapeutin oder Therapeut mit der
37
pathogenetisch ausgerichteten Medizin versuchen, einen Ertrinkenden aus dem Strom zu
retten (vgl. Antonovsky 1997, S. 92).
In der Salutogenese hingegen will man den Menschen ermöglichen, zu schwimmen, gut
und besser zu schwimmen. Dieses gute Schwimmen wird für Antonovsky dadurch
möglich, dass die Menschen grundsätzlich Schwimmer sind. Sie verfügen über geistigseelische Fähigkeiten und Sinnorientierungen, um mit Herausforderungen, Problemen und
Bedrohungen umgehen zu können. So können sie gesund bleiben bzw. sich wieder
erholen (vgl. Bengel/Strittmater 2001, S. 141 ff.).
Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsförderung sind nach Antonovkys Metapher
sozusagen Schwimmtraining. Der Lebensfluss bleibt so gefährlich, wie er nun einmal ist,
möglicherweise benötigen manche Schwimmer Schonräume zum Erinnern und Üben
eigener Fähigkeiten sowie Hilfestellung zur Verbesserung ihrer Schwimmtechniken.
Die zentrale Aufgabe ist demzufolge, jene Widerstandskräfte und Ressourcen zu stärken,
die zur Bewältigung von Strudeln und Stromschnellen, von Spannungszuständen
beitragen und uns schließlich gesund erhalten.
In unserem schulischen Dasein muss es darum gehen, Präventions- und
Interventionsarbeit zu leisten mit dem Ziel einen bessern Umgang mit Belastungen zu
erlernen.
Ansatzpunkte und Ressourcenstärkung
Ansatzpunkte zur Gesundheitsförderung von Lehrerinnen und Lehrern sieht Rudow (vgl.
Rudow 1995, S. 18) vorrangig auf folgenden Ebenen unseres Tätigkeitsfeldes:

Ebene des Individuums
Arbeitsengagement, d.h. wohldosierter, zielgerichteter Einsatz von Kräften,
Widerstandskraft gegenüber Belastungen und positive Emotionen, z. B. Lebenszufriedenheit, sind wesentliche Ansatzpunkte, wenn es um die Gesundheitsförderung
der einzelnen Lehrer/innen geht.

Ebene der Arbeitsstruktur
Durch interne Gestaltung von Schule und Unterricht, z.B. in Form von kooperativen
Arbeitsformen, Gestaltungselementen des Unterrichts und außerschulischen Gestaltungselementen, kann viel zur Entlastung von Lehrkräften beigetragen werden.

Ebene der Organisation
Gegenseitige Hilfe und soziale Unterstützung, gemeinsame Überzeugungen, Werte
und Regeln und mitarbeiterorientierte Führung sind jene drei Bereiche, in denen die
gesundheitsfördernden Merkmale des sozialen Systems Schule zu finden sind.
Konkret geht es um Aktivitäten und Handlungen, die die psychischen Kräfte, die Motivation
und die sozialen Kompetenzen auf der persönlichen Ebene, auf der Ebene des
Unterrichts und auf der Organisationsebene stärken und stabilisieren.
Ausgangslage
In den letzten Jahren war unsere Tätigkeit am SPZ 17 Leopold-Ernst-Gasse (Leitung:
OSRin SDin Brigitte Ziegler) im Rahmen des „Netzwerkes gesundheitsfördernder Schulen“
besonders der Gesundheit unser Schülerinnen und Schüler gewidmet.
Dabei wurde in verschiedenen altersstufenübergreifenden Projekten zu Themen der
Gesundheitsförderung und -erhaltung gearbeitet: „Ich bin ich“, „Ich und meine Familie –
38
meine soziokulturellen Wurzeln“, „Persönlichkeitsentwicklung – ich in der Gemeinschaft“,
„Unterwegs zur sozialen Kompetenz“, „Gesunde Ernährung – Prophylaxe“, „Hygiene – ich
achte auf meinen Körper“, „Wege zur gewaltfreien Kommunikation“, und „Ich-Kompetenz“ ,
um nur einige Themenbereiche zu erwähnen.
Der Schwerpunkt unserer Arbeit im kommenden Schuljahr soll der Gesundheitsförderung
der Lehrerinnen und Lehrer gewidmet sein. Der Fokus liegt nach RUDOW (vgl. RUDOW
1995, S. 18) somit auf der Ebene des Individuums, d.h. auf der persönlichen Ebene der
Lehrerinnen und Lehrer.
Ansatzpunkte dazu hat es in den letzten Jahren durch verschiedene Aktivitäten im Bereich
der Naturerfahrung gegeben. Zweimal im Jahr haben wir unter der Leitung von Kollegin
Gerda Tiefenbrunner einen Nachmittag oder Abend im Wald und auf der Wiese verbracht,
um der Natur zu begegnen.
Jede und jeder von uns konnte dabei die Fähigkeit entwickeln, sich von der Natur
begeistern und inspirieren zu lassen.
Unterschiedliche Wahrnehmungsübungen und das Aufmerksamwerden und Erkennen von
ökologischen Zusammenhängen in spielerischer Form wurden durch lustvolle Picknicks
ergänzt.
Wir haben Respekt und Achtsamkeit gegenüber unserer Umwelt erfahren und unsere
Sinne geöffnet, um die Natur wahrnehmen und aufnehmen zu können.
Alle Aktivitäten, Wahrnehmungs- und Sensibilisierungsübungen förderten das Wohlbefinden und das Gemeinschaftsgefühl der Lehrerinnen und Lehrer und bildeten auch die
Grundlage für die Weitergabe an unsere Schülerinnen und Schüler.
Ausgehend von diesen positiven Erfahrungen entstand das Bedürfnis die vorhandenen
Potentiale auszubauen und zu vertiefen.
39
Ziele des Jahresprojektes
Unser Anliegen ist mit den Worten von Mitterbauer ausgedrückt: „Jammer-Energie in
Aktionspotenziale umzuwandeln …“ und „… praxiserprobte Lösungsansätze aufzuzeigen
…“ (Mitterbauer 2007, S. 20).
Wir schließen uns damit dem Motto von Schley: „Von der stöhnenden zur atmenden
Schule“ an (Schley 2007, S. 10 ff.).
Es soll vorrangig darum gehen, die Gesundheit und Ressourcen von Lehrerinnen und
Lehrern zu stärken und die Teamstrukturen auszubauen.
Durch gemeinsame Aktivitäten und Vorhaben wollen wir unser Energiepotential erhalten,
unser Wohlbefinden fördern und das Burnout-Syndrom verhindern.
Im Zentrum stehen dabei nicht, wie oben schon angemerkt, die Probleme, sondern das
Wahrnehmen und Stärken des Könnens, des Vermögens und das Aufspüren von
Kraftquellen für unser Wohlbefinden.
Von der individuellen Ebene ausgehend wird die Weiterentwicklung der höheren Ebenen,
d.h. die Ebene der Organisation und der Arbeitstruktur positiv beeinflusst und unterstützt.
Unser langfristiges Ziel ist, die Gesundheitsförderung und Prävention im Umfeld Schule so
zu verankern, dass die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer gezielt gefördert und
unterstützt werden kann und sich in weiterer Folge positiv auf die Gesundheit der
Schülerinnen und Schülern und auf die gesamte Organisation Schule auswirkt.
Wie kann nun die Selbstvorsorge von Lehrerinnen und Lehrern für die Förderung ihrer
Gesundheit und Leistungsfähigkeit konkret aussehen?
Planung
Für das Projekt gibt es eine genaue Planung, sowie ein Projektteam, eine Projektleiterin
und regelmäßige Teamsitzungen.
Geplant sind Aktivitäten, die in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden. Die Teilnahme wird
zum Teil verpflichtend, zum Teil freiwillig sein. Die Aktivitäten finden regelmäßig (ca. 1x
pro Monat) statt. Dabei handelt es sich zum einen um einmalige Angebote und zum
anderen um kontinuierliche, fortlaufende Aktivitäten.
Entwicklung und aktueller Stand der Planung
In einer ersten Phase wurden die Rahmenbedingungen geklärt und Bedürfnisse und
Ideen des Lehrerinnen- und Lehrerteams erhoben, ausgewertet und auf die
Realisierbarkeit (Zeit- und Kostenfaktor) überprüft. Die Ergebnisse dieser Phase lagen in
den Bereichen Sport und Bewegung, Entspannung und Kommunikation. Dabei kristallisierten sich folgende mögliche Workshops heraus:







Stimm- und Atemtechnik für Lehrer/innen

Salsa-Tanzkurs

Gemeinsames Kochen

Nachtwanderung

Fahrradausflug

Wanderung

Schnupperstunden ASKÖ (z.B. Nordic-Walking)
40
Qi Gong
Kabarettbesuch
Frühstücken
Wellness-Wochenende
Aquagym
Schifffahrt
Anschließend wurden in einer zweiten Phase Expertinnen- und Expertenteams gebildet,
die die Verantwortung einzelner Bereiche übernehmen. Ziel dieser Phase ist es,
herauszufiltern, welche personellen, zeitlichen und räumlichen Ressourcen vorhanden
sind und konkrete Angebote einzuholen. Teilergebnisse liegen bereits vor und es hat sich
herausgestellt, dass einige Angebote von Lehrerinnen und Lehrern für Lehrerinnen und
Lehrer gestaltet werden, während andere von externen Expertinnen und Experten
angeboten werden sollen.
In der dritten Phase sollen Termine koordiniert und fixiert werden. Aufgrund der Fülle von
Ideen und Vorschlägen wird es vermutlich parallel laufende Aktivitäten geben.
Im Moment befinden wir uns in der zweiten und dritten Phase. Einige Angebote liegen
bereits vor und die ersten Aktivitäten sind geplant.
Die derzeitige Grobplanung sieht folgendermaßen aus:

September 2010:
Auftaktveranstaltung des Projektjahres:
Workshop mit Frau Mag.a Dr.in Elisabeth Zechmeister zum Thema „BurnoutProphylaxe“

Oktober 2010:
Teilnahme am „vienna-night-run 2010“
Kabarettabend: „Science busters“ im Rabenhof

November 2010:
gemeinsames Kochen

Dezember 2010:
Beginn ASKÖ-Kurs

Januar 2011:
Beginn Qi Gong

Februar 2011:
„Schnupperstunde“ Salsa-Tanzkurs

März 2011:
Wellness-Wochenende

April 2011:
Nachtwanderung

Mai 2011:
Radtour

Juni 2011:
Wanderung
Ausblick
Die Erfahrungen in den gemeinsamen Planungsphasen haben uns bereits in der
Überzeugung bestärkt, unsere Befindlichkeit im Beruf in eine positivere Richtung
verbessern zu können.
Die „pädagogische Atmosphäre“, eines von vielen pädagogischen Qualitätsmerkmalen, ist
unseres Erachtens beeinflussbar. Wir können hier und da Impulse und Anstöße geben um
die Fließrichtung zu verändern.
Wenn wir, so wie es Lüdtke beschreibt, unseren „inneren pädagogischen Raum“ nähren,
stärken, verwöhnen und achten, wird es uns gelingen die Flussrichtung zu ändern und
41
dadurch sowohl den „inneren Raum“ als auch den „gemeinsamen (pädagogischen)
Raum“ zu entspannen, anzureichern und zu harmonisieren (vgl. LÜDTKE 2001, S. 79 ff.).
Wir begreifen Gesundheitsförderung als Gemeinschaftsaufgabe.
Der uns begleitende Leitgedanke, in diesem und über dieses Schuljahr hinaus, lautet:
„Gemeinsam in Balance kommen und bleiben“.
Literatur
Antonovsky, A. (1997): Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Dt. erweiterte
Herausgabe von Franke A. Tübingen: dgtv
Bengel, J. /Strittmatter, R. (2001): Aaron Antonovskys Modell der Salutogenese. In:
Bengel, J. (Hrsg.): Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der
Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert. BZGA, Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung: Köln, S. 140-151
Herzog, S. (2007). Beanspruchung und Bewältigung im Lehrberuf. Münster: Waxmann
Verlag.
Lüdtke, U. (2001): „Wir sind gut drauf!“ Die Atmosphäre als Basiskriterium
sprachheilpädagogischer Qualität in Schule, Klinik und Praxis. In: Sprach-, Sprech- und
Stimmstörungen. Tagungsbericht zum 3. „Tag der Sprachheilpädagogik“
Karlsruhe/Hamm: von Loeper Fachbuch-Verlag. S. 70-93
Mitterbauer, E. (2007). Gesunde Kinder – kranke Lehrer/innen?
Beiträge der Schulentwicklung zur Lehrer/innengesundheit. In: BMUKK (Hrsg.): Seelische
Gesundheit im schulischen Setting. Impulse zur Lehrer/innengesundheit.
Abschlussbericht zum Expert/innenworkshop Wien, S. 19-22
Rudow, B. (1995): In Sieland, B. / Tacke, M. (2009): Abschlussbericht zum
Forschungsprojekt „Ansätze zur Förderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit
dienstälterer Lehrkräfte in Niedersachsen“. Lüneburg, S. 18.
Schaarschmidt, U. (Hrsg.) (2005). Halbtagsjobber? Psychische Gesundheit im
Lehrerberuf. Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes. Weinheim: Beltz
Schley, Von der stöhnenden zur atmenden Schule. Umgang mit Stress in der
herausfordernden Lehrer/innentätigkeit. In: BMUKK (Hrsg.): Seelische Gesundheit im
schulischen Setting. Impulse zur Lehrer/innengesundheit. Abschlussbericht zum
Expert/innenworkshop Wien, S. 10-14
Autorin
Isabel Amberg, Mag.a
Sonderpädagogin am SPZ 17 und in der Ausbildung von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen an
der PH Wien 10 tätig.
42
Barbara Weidinger, Martin Müller
Lehrer/innenhilfen
Unser Artikel soll der Frage nachgehen, welche (externen und internen) Maßnahmen/Angebote Lehrer/innen in der Bewältigung des Schulalltags unterstützen können,
was sie über den Tellerrand schauen lässt und ihnen den Mut gibt, Neues auszuprobieren
und gewonnene Erkenntnisse in den eigenen Unterricht zu implementieren ...
Beschreibung des Berufsvorbereitungslehrgangs „Jobfit“:
Das Angebot des Berufsvorbereitungslehrgangs „Jobfit“ bietet Jugendlichen mit Handicap,
die ihre Schulpflicht bereits absolviert haben die Möglichkeit, eigenverantwortlich und aktiv
ihren Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten.
Den Schwerpunkt des Lehrgangs bildet das Training von berufsrelevanten Selbst- und
Sozialkompetenzen, die in jeder Form der Arbeit und Beschäftigung von grundlegender
Bedeutung sind.
Ein modulares System von Unterrichtseinheiten ermöglicht den Jugendlichen individuelle
Schwerpunkte zu setzen und ihre eigenen (beruflichen und persönlichen) Ziele zu
verfolgen. Folgende Module werden angeboten:

Seminare und Projekte
Kompetenztraining in wechselnden Gruppen; Inhaltliches und kompetenzorientiertes
Angebot wechselt zyklisch und wird von den Bedürfnissen der Jugendlichen
bestimmt (teilweise von den Jugendlichen selbst einwählbar).

Praktika
... in Betrieben, bei Behörden und Vereinen. Praktika werden individuell gestaltet
und sind der Karriereplanung der einzelnen Jugendlichen angepasst.

Berufs-Einstiegs-Kurs
Flexible Betreuung in der Jobanbahnungsphase: Recherche nach Lehrstellen,
Praktikumsplätzen,
Telefontraining,
Unterstützung
bei
der
persönlichen
Kontaktaufnahme und dergleichen.

„Unterricht“
... im „Fächerkanon“, vergleichbar mit dem herkömmlichen Schulunterricht.

Mentorinnen-/Mentorensystem
Die Mentorin/der Mentor ist Ansprechperson und pflegt als solche den Kontakt
zwischen Schule-Erziehungsberechtigten-Arbeitswelt und behält die gemeinsam
vereinbarten Ziele im Auge.

Schmatz ... Catering
Jobtraining unter realen Bedingungen: Ausrichtung und Betreuung diverser Buffets
im außerschulischen Rahmen, Großküchensimulation und Mensabetreuung am
Standort.

Berufsberatung bei WUK-Domino
Arbeitsassistentinnen/Arbeitsassistenten unterstützen im Clearingprozess, bei der
Vermittlung von Praktika und bei der Jobanbahnung und stehen in engem Kontakt
mit den Mentorinnen/Mentoren bei Jobfit.
43
Unterstützende Maßnahmen und Angebote für Lehrer/Innen für eine positive
Bewältigung des Schulalltags:

SCHILF (Schulinterne Lehrer/innenfortbildung)
• Seit 2001: Kommunikation innerhalb des eigenen Teams und zwischen den
Departments
• Seit 2003: Erarbeitung des neuen Schulschwerpunktes „Kompetenztraining“
(nach MELBA) – Verlauf, Ergebnisse, Umsetzung
Einmal im Jahr „teamen“ alle Lehrer/innen des Schulstandorts ein Wochenende lang
in einem Seminarhotel außerhalb Wiens. Das Programm wird in den Monaten davor
von der Schulleitung gemeinsam mit dem Lehrkörper und gegebenenfalls externen
Expertinnen/Experten festgelegt und dient der kontinuierlichen Schulentwicklung. Die
Ergebnisse werden mit einem Zeitplan in Arbeitsgruppen weiterbearbeitet, in
Konferenzen abgestimmt, am Lehrgang umgesetzt, evaluiert und bilden die
Grundlage für weitere nächste Schritte.

Projekte
• COMENIUS-Schulpartnerschaften (seit 1998 insgesamt 4 Schulpartnerschaften)
Beschreibung der Schulpartnerschaften, Ziele, Austausch, Rückfluss ins eigene
System
• Vernetzung mit außerschulischen Einrichtungen, Institutionen, ... (positiver Input
von externen Fachkräften)
Die COMENIUS-Schulpartnerschaften ermöglichen den Austausch mit anderen
innovativen pädagogischen Ansätzen auf internationaler Ebene in gemeinsamen
Projekten, gegenseitigen Besuchen an den jeweiligen Schulstandorten und
persönlichem Kontakt.

Kultur der gegenseitigen Unterstützung und brauchbare Team-Strukturen
• regelmäßige, ausführliche Teamsitzungen
• bedarfsorientierte Arbeitstreffen in Kleingruppen
• Tutorensystem für Neuzugänge (Lehrer/innen)
• Zuständigkeiten einzelner für Gemeinsames
Um die Arbeit möglichst reibungslos und für die Jugendlichen wirkungsvoll zu
gestalten, hat es sich als hilfreich erwiesen, sich für regelmäßige Teamsitzungen viel
Zeit zu nehmen. Wir brauchen dafür einen Nachmittag pro Woche, und dabei kann
es schon auch mal Abend werden. Neben der Planung von organisatorischen
Belangen werden vor allem Jugendliche besprochen und der laufende Unterricht auf
seine „Nachhaltigkeit“ überprüft. In einem vertrauensvollen Umfeld ist es möglich,
Ideen auszutauschen und auch Kritik zu geben und zu nehmen, ohne das Gesicht zu
verlieren. Außer im Großteam findet die Planung je nach Bedarf auch in kleineren
Arbeitsgruppen statt, die ihre Ergebnisse allen vorstellen.
Autorin/Autor
Barbara Weidinger, Martin Müller
seit 2004 als Coaches im Berufsvorbereitungslehrgang „JOBFIT“
am SPZ 2, Holzhausergasse 5-7 tätig
44
Elisabeth Penz-Feil
Klimaschutz für Kinder und Jugendliche
Grundlagen für einen respektvollen Umgang miteinander
und für die Entwicklung einer positiven Verhaltenskultur
Dieser Beitrag ist bereits erschienen: Erwin Rauscher (Hg.) Schulkultur –
Schuldemokratie, Gewaltprävention, Verhaltenskultur, Pädagogik für Niederösterreich,
Band 3, 2009
Ausgehend von langjährigen Erfahrungen in der schulpsychologischen Einzelfallarbeit
sowie in der schulpsychologischen Projektarbeit an Schulen sollen wesentlich
erscheinende Aspekte von förderlichen Bedingungen für die Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen herausgearbeitet werden. Die Notwendigkeit einer effizienten
Zusammenarbeit und die wechselseitige Ergänzung der beiden Systeme Familie und
Schule zur Förderung einer positiven Verhaltenskultur in Schulklassen wird am Beispiel
Mobbing thematisiert.
1. „Der ganz normale Wahnsinn“ oder „Woran es liegt, dass der Einzelne sich nicht
wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht.“1
Ohne Frage ist eine Kindheit in Österreich nicht mit der Kindheit eines Mädchens oder
Buben aus anderen Regionen dieser Erde zu vergleichen, wo z.B. der Einsatz als
Kindersoldat, Kinderprostitution, Kinderarbeit, Obdachlosigkeit und Hunger alltäglich sind.
Trotz der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes 2 aus dem Jahr 1989 ist ein
weltweiter Schutz dieser Vereinbarungen keinesfalls gesichert und dringend einzufordern.
Wie die tägliche Arbeit mit Kindern, Eltern und Lehrer/innen in der schulpsychologischen
Praxis zeigt, gibt es aber in unseren Breitegraden ebenfalls Handlungsbedarf, wenn auch
auf einer anderen Ebene.
Verallgemeinerungen über die Kindheit und die Jugend in Österreich sind aufgrund der
großen Variabilität nicht möglich. Kindern und Jugendlichen, die an der Armutsgrenze
leben und/oder aufgrund eines wenig förderlichen Milieus frühzeitig ihrer Chancen beraubt
werden, stehen Buben und Mädchen gegenüber, die gar nicht mehr wissen, was sie mit all
ihren materiellen Gütern anfangen sollen. Deren Karriereplanung durch die Eltern beginnt
bereits im Kindergartenalter. Schüler/innen, deren beruflich erfolgreiche Eltern mit ihnen
zwischen Abendessen und zu Bett gehen eine Stunde quality time3 verbringen, während
sämtliche anderen Aufgaben gut organisiert und an entsprechendes Personal delegiert
werden, treffen mit Schüler/innen aufeinander, deren Eltern bzw. Alleinerzieher/innen ganz
andere Arbeitsbedingungen haben. Diese können unter Umständen aufgrund eines
1 Titel einer dt. Fernsehserie (Serienstart 1979)
2 Uno-Konvention über die Rechte des Kindes: http://www.kinderhabenrechte.at
3 Iris Radisch: Die Schule der Frauen - Wie wir die Familie neu erfinden, München 2007, S. 178
45
niedrigen Einkommens weder familiäre Aufgaben delegieren noch entsprechend Zeit und
Kraft für ihre Elternrolle finden.
Quer durch alle Gesellschaftsschichten sind auch in Österreich Kinder und Jugendliche
von Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt betroffen. Dazu kommen die Übergriffe der
Werbeindustrie und noch gravierender die massiven Übergriffe durch Internet, Fernsehen
und Computerspiele.
Trotz der vielen unbestreitbaren Fortschritte gibt es demnach jede Menge Stolpersteine für
die Heranwachsenden. Aufgrund der komplexen Herausforderungen, denen sich heute
alle stellen müssen, gewinnt der Faktor Zeit und sein Mangel eine andere Dimension im
Umgang mit Kindern als früher, als Zeit genauso wenig zur Verfügung stand. Wegen
anderer gesellschaftlicher Rahmenbedingungen spielte das aber nicht die gleiche Rolle
wie heute.
Mit unterschiedlichem Erfolg passen sich die Kinder und Jugendlichen an die
gesellschaftlichen Bedingungen an. Wie die Shell Jugendstudie4 aus dem Jahr 2002 zeigt,
gibt es relativ viele Jugendliche, die trotz Spaß- und Konsumgesellschaft zum
Leistungswettbewerb stehen. Nach einer Studie von Eder geht auch der Großteil der
Schüler/innen gern zur Schule. Die Freude an der Schule sinkt aber genau wie die
Bildungsmotivation mit dem Anstieg der Schulstufe. 5 Daneben gibt es aber auch
diejenigen, die auf die Anforderungen mit Resignation und Apathie oder mit eher
aggressiven Verhaltensweisen reagieren. Zu viele sind überfordert und fühlen sich
alleingelassen.
In der schulpsychologischen Arbeit fällt auf, dass Kinder und Jugendliche, die an die
Beratungsstelle kommen häufig unter einem starken (Leistungs-)Druck stehen. Während
Eltern und Lehrer/innen öfters mutmaßen, dass den Buben und Mädchen die (nicht nur) in
der Schule auftretenden Schwierigkeiten ziemlich egal sind, zeigt sich im persönlichen
Gespräch bzw. bei den angewandten Testverfahren und Fragebögen ein ganz anderes
Bild. Dieses deckt sich weitgehend mit dem Ergebnis einer Studie des Österreichischen
Jugendrotkreuzes6 aus dem Jahr 2007. Dabei gaben die befragten Jugendlichen an, dass
der größte Druck in ihrem Leben durch die Schule entsteht (75 %). Häufig erzeugt die
hohe Erwartungshaltung der Eltern Stress (angesichts des Umstandes, dass ein
geringeres Bildungsniveau die beruflichen Aussichten massiv einschränkt, ist es jedoch
nicht verwunderlich, wenn Eltern die Zukunftschancen ihrer Kinder wahren möchten).
Neben der Leistungsproblematik in all ihren Facetten sind natürlich auch
Verhaltensauffälligkeiten sowie emotionale Probleme (Ängste, depressive Verstimmtheiten
etc.) und persönliche Konflikte häufige schulpsychologische Fragestellungen. Sowohl die
Arbeit mit einzelnen Kindern und Jugendlichen als auch mit Klassen weist darauf hin, dass
in den Lebensumfeldern von verhältnismäßig vielen Kindern und Jugendlichen ein
Änderungsbedarf, auch hinsichtlich der klimatischen Bedingungen, besteht.7
4
5
6
7
Shellstudie 2002, http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Fachbeitrag/a_Jugendforschung/5_748.html)
Ferdinand
Eder:
Das
Befinden
von
Kindern
und
Jugendlichen
in
der
österreichischen
Schule,
Salzburg 2006
Studie des österreichischen Jugendrotkreuzes 2007: http://www.jugendrotkreuz.at
„Weltweit, d. h. auch in den EU-Ländern, leiden derzeit rund 20% aller 8-18-jährigen Kindern und Jugendlichen an einer
psychischen Krankheit … Harmlosere, aber gleichwohl nicht zu verharmlosende psychische Leiden werden hingegen für weit
größere Gruppen von Kindern und Jugendliche berichtet.“ Expert/innenworkshop zum Thema „Seelische Gesundheit im
schulischen Setting“, 2006. http:// www.hbsc.org
46
2. „Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer.“8
Die Familie ist für Kinder das erste und sicher bedeutsamste Lebensumfeld in seiner
ganzen Komplexität.
Bezogen auf die vorliegende Thematik soll in erster Linie darauf eingegangen werden,
welche familiären Bedingungen aus heutiger psychologischer Sicht besonders förderlich
für die Entwicklung und das Verhalten von Kindern und Jugendlichen sind: nämlich
emotionale Wärme, Interesse, eine respektvolle Kommunikation, Wertschätzung, soziale
Anerkennung, Vertrauen und Verständnis, sowie eine konstruktive Konfliktbearbeitung.
Daneben ist es wichtig, dass den Kindern ein Erfahrungs- und Erlebnisraum zur Verfügung
gestellt wird, wodurch zusätzlich wichtige Impulse für die Lern- und Bildungsmotivation
sowie die Selbst- und Sozialkompetenz gegeben werden (gemeinsame Unternehmungen,
Feste, Sport, Spiel, etc.).
Eine zeitgemäße Antwort auf die Verunsicherung, die viele Väter und Mütter in der
Erziehung erleben, gibt z.B. auch Juul9, ein dänischer Familientherapeut. Der Titel seines
Buches „Nein aus Liebe“ mit dem Untertitel „Klare Eltern – starke Kinder“ ist sozusagen
Programm. Er sieht in der Fähigkeit, Kindern und Jugendlichen ein authentisches Nein
entgegenzusetzen, und damit auf die eigenen Bedürfnisse zu achten ohne die Bedürfnisse
des Kindes zu vergessen, einen wesentlichen Aspekt für eine gute Führerschaft. Diese
gibt den Kindern Halt und Sicherheit und gewährleistet eine gleichwürdige Beziehung.
Unter dieser gleichwürdigen Beziehung versteht er, dass beiden Teilen die gleiche Würde
zugestanden wird, nicht aber eine Gleichwertigkeit in dem Sinn, dass Kinder und Eltern die
gleichen Rechte und Pflichten hätten (insoweit stimmt er mit Winterhoff 10 überein, der in
einer falsch verstandenen Partnerschaftlichkeit in der Erziehung eine der wesentlichen
Ursachen für die Schwierigkeiten von heutigen Kindern sieht, da sie dadurch maßlos
überfordert werden).
Im Familienalltag ist es aus den unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht einfach ein
wirklich förderliches Familienklima zu schaffen. Zu den erschwerenden Faktoren gehören
neben den gesellschaftlichen Bedingungen die vielfältigen individuellen Faktoren. Es zeigt
sich immer wieder, dass Eltern sich überfordert fühlen und darauf auf sehr
unterschiedliche Weise reagieren. Während z.B. die einen zur Überbehütung neigen und
auch bei verhältnismäßig geringfügigen Schwierigkeiten Fachleute aufsuchen und
Diagnosen sammeln, wird in anderen Familien mehr geschimpft und sogar geschlagen
(Wenn Kinder und Jugendliche durch einen Mangel an Fürsorge bzw. durch die
Inkompetenz der Eltern ernsthaft gefährdet sind, benötigen sie die Unterstützung durch die
Jugendwohlfahrt).
In den gemeinsamen Gesprächen mit Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen in der
Beratungssituation kann häufig beobachtet werden, wie sehr der Bereich Schule in das
Familienleben hineinreicht. Dadurch kann das Familienklima durchaus vor eine
Zerreißprobe gestellt werden. In manchen Familien ist die Schule das einzige
gemeinsame, meistens negativ besetzte Thema. Da geht es um stundenlanges Üben bzw.
8 Heimito von Doderer: Ein Mord den jeder begeht, München 1984, S. 5
9 Jesper Juul: Nein aus Liebe. Klare Eltern – Starke Kinder, München 2006
10 Michael Winterhoff: Warum unsere Kinder Tyrannen werden. Oder: Die Abschaffung der Kindheit,
München 2009
47
autodidakte Nachhilfestunden, um wiederholtes, meist zweckloses Schimpfen und
Ermahnen wegen des Widerstands der Kinder und Jugendlichen, die schulischen Pflichten
zu Hause zu erfüllen, um Verzweiflung wegen schlechter Noten (mit und ohne Lernen
bzw. Üben), um die übernommene Verpflichtung, die Kinder wegen schlechter
Mitteilungen (im Mitteilungsheft oder per Telefon) zu bestrafen, etc. Dadurch kommen die
für die biologische Funktionstüchtigkeit unserer Motivationssysteme wesentlichen Aspekte
wie (echtes) Interesse, Anerkennung und Wertschätzung eindeutig zu kurz. 11 Mögliche
Folgen wie z.B. eine erhöhte Aggressionsbereitschaft und Leistungsverweigerung zeigen,
wie kontraproduktiv ein solcher Zugang bezüglich des (Leistungs-)Verhaltens der Kinder
und Jugendlichen in der Schule sein kann.
Figdor weist darauf hin, dass die Schule zwar ein wichtiger Teil des kindlichen Lebens ist,
dass sie aber das Leben und die für seine Entwicklung bedeutsamen Erfahrungen nicht
beherrschen darf. Er plädiert für eine ziemlich strikte Trennung von Schule und
Familienleben. Das schließt natürlich auch für ihn Interesse für schulische Belange, die
Anerkennung von Leistung und die emotionale Unterstützung nicht aus. Die oft nötigen
Förderungen und Lernunterstützungen sollten seiner Meinung nach aber etwas
Zusätzliches, jedoch keine Voraussetzung für schulischen Erfolg sein. 12
Auf den Aspekt, dass Kinder und Jugendliche in der Schule benachteiligt sind, wenn deren
Mütter, Väter oder andere Bezugspersonen sie beim Lernen nicht unterstützen können
oder wollen, wird an dieser Stelle hingewiesen.
Eltern, vorwiegend sind es Mütter, die eine schulpsychologische Beratung in Anspruch
nehmen, sorgen sich um ihre Kinder, meist auch die, die nicht aus eigenem Antrieb
kommen sondern von der Schule geschickt werden (manche Eltern, die glaubhaft um das
Wohl ihrer Söhne und Töchter besorgt sind, können allerdings ihr tatsächliches Bemühen
der Schule zu wenig vermitteln). Nicht wenige sind sogar überbesorgt. Es gibt aber
daneben eine andere Realität, die Lehrer/innen häufig erleben. So wie Eltern durch die
Verantwortung für den Schulerfolg und das Verhalten ihrer Söhne und Töchter in der
Schule überlastet sein können, so klagen Lehrer/innen immer wieder, dass viele Eltern
sich um nichts kümmern, alles an die Schule delegieren möchten und zum Teil maßlose
Forderungen stellen. Manchmal ähnelt dies einem Ping-Pong-Spiel, bei dem sich im
schlimmsten Fall beide Seiten Inkompetenz vorhalten.
11 Joachim Bauer: Lob der Schule – Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern, Hamburg 2007,
S. 19 ff
12 Helmuth Figdor: Praxis der psychoanalytischen Pädagogik II, Vorträge und Aufsätze, Gießen 2007,
Kapitel 8: „Schulprobleme oder Problemschule?“ Kritische Anmerkungen zur gegenwärtigen Schule und
Schulpädagogik, S. 222: „Beides, die Delegation der Verantwortung für den Schulerfolg als auch für das
Betragen der Kinder an die Eltern, führt zwangsläufig dazu, dass sich die schulischen Probleme und
Konflikte in das familiäre Leben hinein fortsetzen. Und es führt dazu, dass die Kinder den Eindruck
erhalten, die Eltern stünden nicht mehr zu ihnen, sondern auf der Seite der Schule, was zu einer u. U.
massiven Belastung der familiären Liebesbeziehungen führen kann und damit zu einer wesentlichen
Beeinträchtigung des für die Entwicklung des Kindes so wichtigen Gefühls, geliebt und geborgen zu
sein.“
48
3. „Lehren bedeutet nicht ein Fass zu füllen, sondern ein Licht anzuzünden.“13
Das Schulklima steht wie das Familienklima in einem engen Zusammenhang mit der
physischen und psychischen Gesundheit sowie dem Verhalten von Schüler/innen. Ein
positives Schulklima reduziert generell das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten.14
Die Bedingungen für ein gutes Schulklima unterscheiden sich im Wesentlichen von den
förderlichen Faktoren des Familienklimas durch den professionellen Zugang. Ansonsten
sind persönliche Wertschätzung, soziale Anerkennung, Interesse, ein respektvoller
Umgang, sowie eine positive Gesprächs- und Konfliktkultur hier wie da wichtig.
Unterstützung für die Bedeutung solcher soft skills erhalten Psychologinnen und
Psychologen durch die Neurobiologie. Bauer führt in dem Buch „Lob der Schule“ aus, dass
Faktoren wie Motivation, kooperatives Verhalten und Beziehungsgestaltung
neurobiologisch verankert sind. Er weist darauf hin, dass alles schulische Lernen und
Lehren in ein interaktives und dialogisches Beziehungsgeschehen eingebettet ist. Eine
gelingende Beziehungsgestaltung ist für ihn die zwingende Voraussetzung für den
Bildungsprozess. Die Vorbildwirkung durch die Erwachsenen spielt dabei eine ebenso
bedeutende Rolle wie die Art und Weise, wie Kinder und Jugendliche von ihren Eltern,
Lehrer/innen und sonstigen Bezugspersonen wahrgenommen werden. Dadurch können
Kinder und Jugendliche nicht nur erkennen, wer sie selbst sind, sondern auch worin ihre
Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten liegen (Spiegelung). Allerdings nur dann, wenn
sich dieses Feedback nicht nur auf Mängel oder negative Eigenschaften bezieht.15
Für gelingende Beziehungen zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen ist auch ein
entsprechendes Maß an Führung nötig (vor allem schwierige Klassen benötigen
besonders viel Führung, Klarheit und Struktur). Bauer betont, wie wichtig es ist,
Werthaltungen zu vertreten, Ziele zu formulieren, die Schüler/innen zu fordern, auch Kritik
zu üben aber gleichzeitig Mut zu machen und die Anstrengungen der Schüler/innen zu
unterstützen. 16 Für Kinder und Jugendliche aus einem sozial schwachen bzw. eher
bildungsfernen Milieu stellt die Unterstützung durch Lehrer/innen ein wesentliches
kompensatorisches Element dar.
Um ein gutes Schulklima zu entwickeln, sind die Anstrengungen sowohl der Direktion, der
Lehrer/innen und Schüler/innen sowie die Mitarbeit der Eltern nötig.
Eine positive Verbindung zum Elternhaus herzustellen ist besonders hilfreich bei wichtigen
Anliegen (z.B. Mitarbeit bei Gewaltpräventionsprojekten, zur optimalen Förderung der
Schülerin/des Schülers, etc.) und beim Auftreten von ernsten Schwierigkeiten. Ein
gelingendes Elterngespräch kann entscheidend sein, um Situationen zu verbessern und
13 Zitat von Heraklit (550 v. Chr. - 480 v. Chr.)
14 Siehe http//www.hsbc.org bzw. www.univie.ac.at/lbimgs/projekte/fb4.html
15 Joachim Bauer, 2007, S. 27 ff :“…Ausstrahlung entwickeln und eine Vorbildfunktion erfüllen kann als
Erwachsener aber nur, wer als Person vital auftritt, das Leben liebt, wer weiß, wie man Probleme löst,
sich für Ziele begeistern kann, und für Lebensstile eintritt, die er oder sie für richtig hält. Dabei muss sie
oder er zugleich menschlich bleiben, darf also keine Gewalt ausüben, andere nicht demütigen und
eigene Schwächen nicht verleugnen. Eltern und Pädagogen mit solchen Eigenschaften dürfen eine
Menge menschlicher „Fehler“ haben, denn viel wichtiger als Perfektion ist, dass von ihnen etwas
Einzigartiges Ausgeht: Sie erzeugen – über das System der Spiegelzellen – im Kind bzw. im
Jugendlichen Resonanz, sie können eine Flamme entfachen und Begeisterung entzünden.“
16 A. a. O. S. 54
49
im besten Fall auch eher bildungsferne Eltern zu gewinnen. Wer respektvoll behandelt
wird, lässt sich eher auf eine konstruktive Kooperation ein als jemand der abgekanzelt
wird. Wer erfährt, dass das eigene Kind in seiner Gesamtheit, also auch mit seinen
positiven Seiten gesehen wird, ist eher bereit über dessen Schwierigkeiten zu sprechen
und Veränderungswünsche zu akzeptieren als jemand, dem gleich zu Beginn des
Gesprächs nur Negatives mitgeteilt wird.
Konflikte innerhalb eines Systems, in dem sich so viele Menschen gegenüberstehen sind
erwartungsgemäß Alltagsrealität und sollten nicht unter den Tisch gekehrt werden.
Offenheit, gegenseitiger Respekt und eine positive Konfliktkultur sind für ein Schulklima so
maßgeblich, dass man ohne Übertreibung das Vorhandensein oder den Mangel daran als
Außenstehende/r bereits beim Eintreten in das Schulhaus spürt.
Dort wo Schwierigkeiten auftreten, die das positive Schulklima massiv gefährden und/oder
die pädagogischen Möglichkeiten überschreiten, sollten ausreichend personelle und
zeitliche Ressourcen sowie ergänzende Unterstützungssysteme zur Verfügung stehen. Es
führt zwangsläufig zu einer Überforderung, wenn eine Lehrkraft sozusagen in einer
Person, alle Aufgaben, die die Gesellschaft in ihrer heutigen Form an die Schule stellt und
die den bisherigen Lehrauftrag bei weitem überschreiten können, übernehmen muss.
Schule als Ort der Begegnung und des Lernens sollte die Bedürfnisse der Jetztzeit ernst
nehmen und darauf effizient reagieren, ohne dass immer mehr Lehrer/innen unter einem
Burnout-Syndrom leiden.17
Sowohl Familie als auch Schule benötigen zeitgemäße und nicht nach rückwärts
gewandte Antworten auf die derzeit bestehenden Herausforderungen.
4. „Echt Klasse“
Klassen entwickeln aufgrund ihrer Zusammensetzung eine eigene, durchaus immer
wieder veränderbare Dynamik. Diese kann individuelle Schwierigkeiten von Einzelnen
neutralisieren oder verstärken. Es ist aus schulpsychologischer Sicht daher wichtig, auch
in den Klassen Maßnahmen zu setzen, damit sich eine gute Klassengemeinschaft bzw.
ein gutes Klassenklima entwickelt. Damit werden auch die emotionalen Voraussetzungen
für ein effizientes gemeinsames Lernen gewährleistet. Sämtliche Aspekte des Sozialen
Lernens bieten dafür eine solide Grundlage und sind auch wesentliches Element jeder
Gewaltprävention. In Anlehnung an Ruth Mitschka18 handelt es sich beim Sozialen Lernen
um bewusst in Gang gesetzte Lernprozesse, die die Selbst,- Sozial- und Sachkompetenz
fördern sollen.
Dem Umstand, dass die Klassensituationen zunehmend als schwieriger empfundenen
werden bzw. die Arbeit am Klassenklima immer mehr an Bedeutung gewinnt, versucht die
Niederösterreichische Schulpsychologie gerecht zu werden und bietet das Projekt
klasse:team
(unter Berücksichtigung der begrenzten personellen und zeitlichen
Ressourcen) an. Ziel dieses Projekts ist es, Impulse für die Weiterentwicklung der
Klassengemeinschaft zu geben. Dabei werden Interaktionsübungen, Rollenspiele, Einzel-,
17 HBSC-Studie zur Lehrergesundheit im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur,
Wien 2007.
18 Ruth Mitschka: Die Klasse als Team. Ein Wegweiser zum Sozialen Lernen in der Sekundarstufe. Linz
1997.
50
Partner- und Gruppenarbeiten durchgeführt. Ein besonderes Anliegen ist ein Transfer der
gesetzten Impulse durch die Lehrer/innen in den Schulalltag.
So ein Projekt stellt in gewisser Weise eine Ausnahmesituation dar. Es gibt aber trotzdem
einen guten Einblick über die Dynamik in Klassen. Erwartungsgemäß sind Klassen sehr
unterschiedlich. Manche Klassen fallen verhaltensmäßig kaum auf, in anderen gibt es eine
kleine Gruppe von auffälligen Kindern bzw. Jugendlichen und wieder andere sind in ihrer
Gesamtheit eine echte Herausforderung.
Abgesehen davon, dass in manchen Klassen egal welcher Altersstufe, das Zuhören und
Ausreden lassen nur schwer gelingt, haben die Schüler/innen großes Interesse über ihre
Klassensituation zu diskutieren und machen meistens engagiert mit.
Zur Klassendiagnose bieten sich Methoden, wie z.B. die Raumdiagonale an. Durch die
Aufstellung entlang einer gedachten Linie durch den Klassenraum, mit den Eckpunkten
positiv und negativ, kann man den momentanen emotionalen Zustand von Klassen recht
gut visualisieren. Erwartungsgemäß stellen sich in den meisten Fällen viele Schüler/innen
in den mittleren Bereich. Es gibt aber auch Klassen, in denen es der Mehrheit schlecht
bzw. gut geht. Freundschaft ist ein bedeutsamer Wohlfühlfaktor, unabhängig von der
übrigen Klassengemeinschaft. Dies zeigt sich auch bei einer weiteren Methode zur
Klassendiagnostik (Schauppmethode19), bei der ermittelt wird, was den Schüler/innen in
Klassen gefällt, bzw. nicht gefällt. Dabei gibt es in den verschiedenen Klassen eine recht
große Übereinstimmung.
Als positiv werden hauptsächlich gute Freundinnen und Freunde, Klassengemeinschaft,
Spaß und Hilfsbereitschaft, genannt (obwohl es gar nicht so selten vorkommt, dass den
Schüler/innen einer Klasse kaum etwas Positives einfällt). Sehr häufig ist der Spaßfaktor
für viele Schüler/innen besonders wichtig. Er scheint auch manche Klassen auf eine
gewisse Weise zusammenzuhalten. Er kippt aber sehr leicht, da er oft nur an der
Oberfläche lustig ist. In vielen Fällen geht der Spaß auf Kosten von Mitschüler/innen (auch
Lehrer/innen), ist beleidigend und versucht die in den Klassen schwelenden Konflikte zu
vertuschen.
Kritisiert werden vorwiegend eine zu hohe Lautstärke, Raufen (je älter die Schüler/innen
sind umso weniger spielen physische Attacken eine Rolle), Verarschen, Petzen,
Schleimen, Strebern und Ausgrenzen.
Interessant ist der Zugang zum Thema Regeln. Es entsteht immer wieder der Eindruck,
dass sie nicht wirklich ernst genommen werden. Hin und wieder fällt auf, dass auch bei
gravierenderen Regelverstößen das Unrechtsbewusstsein fehlt. Bedauerlich sind die weit
verbreitete vulgäre Umgangssprache und eine immer wieder zu beobachtende Brutalität
im Umgang.
Die meisten Schüler/innen sind an positiven Veränderungen interessiert (mit Klassen, in
denen dies nicht der Fall ist, ist es kaum möglich an konstruktiven Veränderungsschritten
zu arbeiten). Es ist bemerkenswert, wie genau Kinder und Jugendliche herausarbeiten
können, was zu ändern ist. Ganze Plakate werden gestaltet auf denen u. a. von
19 In einem ersten Durchgang können die Schüler/innen persönlich mitteilen, was ihnen an ihrer
Klasse/Schule gefällt. In der nächsten Runde werden die negativen Aspekte der Klassengemeinschaft
anonym vorgelesen und zuletzt geht es um die Erarbeitung von Veränderungsschritten.
51
gegenseitigem Respekt, Akzeptanz und Rücksicht zu lesen ist, und dass auch bisher
ausgegrenzte Schüler/innen in die Klassengemeinschaft integriert werden sollten. Die
Mädchen und Buben wissen es und wollen es. An der Umsetzung scheitert es jedoch oft.
Die Schwierigkeit, die immer wieder beobachtet wird, die sozialen Lernprozesse auch
nachhaltig zu verankern, verdeutlicht, dass punktuelle Interventionen wirklich nur einen
Mosaikstein, einen Impuls darstellen können, aber unbedingt einer kontinuierlichen
Weiterarbeit bedürfen. In diesem Zusammenhang benötigen Lehrer/innen, besonders
Klassenvorstände entsprechende zeitliche Ressourcen.
4.1. „Ene Mene Muh und raus bist du…“20
Spätestens beim Auftreten von Mobbing in einer Klasse (im schulischen Kontext wird
stattdessen oft der Begriff Bullying aus dem angloamerikanischen Raum verwendet) ist
das Klassenklima zu hinterfragen.
Schulpsychologinnen und Schulpsychologen werden zunehmend damit konfrontiert, dass
Kinder und Jugendliche an die Beratungsstellen kommen, da sie zum Teil gravierende
Schwierigkeiten mit ihren Mitschüler/innen haben. Auch die Einladungen zu einem
Projekttag erfolgen sehr häufig in diesem Zusammenhang.
Untersuchungen zur Häufigkeit von Mobbing bestätigen diese Beobachtung aus der
Praxis. Demnach sind in Österreich etwa 12 % der Kinder und Jugendlichen davon
betroffen.21 Mobbing könnte man als die ganz alltägliche Gewalt an Schulen bezeichnen.
Mobbing bedeutet, dass eine Schülerin oder ein Schüler wiederholt und über einen
längeren Zeitraum den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler/innen
ausgesetzt ist. 22 Dabei handelt es sich nicht um die altersgemäßen Konflikte und
Streitereien, die einfach bei Kindern und Jugendlichen vorkommen. Das Wesentliche
dabei ist, dass Schüler/innen aus unterschiedlichen Gründen (z.B. um sich abzureagieren,
aus Langeweile oder Frust, um Machtbedürfnisse auszuleben) eine/n sich in einer
schwächeren Position befindlichen Mitschüler/in hänseln, abwerten, bloßstellen,
schikanieren, ausgrenzen, ignorieren, etc. Die Steigerung durch die öffentlichen
Demütigungen im Internet oder mittels Handy ist besonders erschreckend. Es besteht ein
Ungleichgewicht und die Betroffenen 23 können es sich selber nicht mehr richten, was
ihnen von den Erwachsenen immer wieder vorgeschlagen wird („Wehr dich doch!“, „Da
mische ich mich nicht ein.“). Kinder und Jugendliche, die gemobbt werden brauchen aber
dringend Unterstützung. Wenn die Problematik nicht wahrgenommen oder nicht ernst
genommen bzw. falsch eingeschätzt wird, kann es zu schwerwiegenden Folgen für die
Betroffenen kommen. So wird oft über psychosomatische Beschwerden wie z.B.
Schlafstörungen, Übelkeit, Bauchschmerzen und Kopfweh geklagt. Da die belastende
Klassensituation sehr viel Energie fordert, bleibt weniger Kraft für die
20 Beginn eines alten Kinderreims
21 HBSC Factsheet Nr. 5: Bullying und Gewalt von Schülerinnen und Schülern, Wien 2002, nähere
Informationen unter http://www.hbsc.org
22 Dan Olweus: Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können, Bern 2002,
S. 22
23 Von der Etikettierung Opfer-Täter/in wird bewusst Abstand genommen. Es geht in erster Linie darum,
dass die Kinder bzw. Jugendlichen zukünftig wieder in einer akzeptablen Weise miteinander umgehen
können. Eine starre Rollenverteilung ist dem Veränderungsprozess nicht unbedingt dienlich.
52
Leistungsanforderungen über und die schulischen Leistungen können abfallen. Ängstliche
und aggressive Tendenzen können sich verstärken. Die betroffenen Kinder und
Jugendlichen verlieren immer mehr an Selbstwert, Selbstvertrauen und Lebensfreude.24
Wesentlich ist, dass Mobbing jeden Menschen treffen kann und die Ursachen dafür nicht
bei den Betroffenen zu suchen sind, was nach wie vor immer wieder geschieht. Wenn man
sich mit der Thematik ernsthaft beschäftigt, tritt die Frage nach den Merkmalen von
Betroffenen (die meistens gar nicht so verschieden von denen der Mobber/innen sind)
sehr zurück. Wie die jahrelangen Erfahrungen mit Mobbing unter Schülerinnen und
Schülern zeigt, gibt es immer wieder Klassen, die dafür weitaus anfälliger sind als andere.
Grund dafür ist, dass die Ursachen von Mobbing in gruppendynamischen Aspekten und
einer gestörten Kommunikation liegen. Auch der participation role approach von Salmivalli
betont das systematische Zusammenspiel der ganzen Klasse. Dabei wies sie nach, dass
bei Mobbingvorfällen, neben den unmittelbar Beteiligten, 87 % der Schüler/innen eine von
vier weiteren typischen Rollen zugeordnet werden kann (Assistent/in und Unterstützer/in,
Verteidiger/in und Außenstehende/r).25 Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Mobbing als
Klassenphänomen und nicht nur als individuelles Problem zu sehen.
Mobbing unter Schülerinnen und Schülern muss deshalb vorrangig dort bearbeitet
werden, wo es entsteht, nämlich in der Schule.
Eine generelle Voraussetzung für entsprechende Maßnahmen auf der Schulebene ist ein
klares Bekenntnis gegen jede Form von Gewalt. Gewalt bzw. Mobbing ist auch in
Österreich Anlass und Motor für Initiativen, die Interventionen bzw. präventive
Maßnahmen für ein positives Schul- und Klassenklima fordern und fördern (z.B.
strukturelle Maßnahmen, das Vereinbaren von Schulregeln und das gemeinsame
Erarbeiten von Konsequenzen bei Regelverstößen durch die Schulpartner/innen, das
Unterstützen von entsprechender Lehrer/innenfortbildung, die Förderung der
Zusammenarbeit Schule-Eltern, Soziales Lernen, Peermediation, etc.).26
Die Entscheidung, welche Maßnahmen auf der Klassenebene und auf der individuellen
Ebene getroffen werden müssen, hängt von der jeweiligen Mobbingsituation ab. In vielen
Fällen erfahren Eltern und Lehrer/innen eher spät davon, wodurch sich die Situation schon
ziemlich verfestigt haben kann. Nach sensibel eingeholten Informationen (z.B. möchten
manche der Betroffenen anfangs gar keine Klassenintervention, da sie dadurch eine
weitere Verschlechterung ihrer Situation befürchten) können z.B. auf der Klassenebene
Klassengespräche und/oder Klassenprojekte und/oder Mediationsgespräche (eventuell
Peermediation) und Elternabende hilfreich sein. Ansätze, die mit sogenannten
Unterstützergruppen
arbeiten, die Schüler/innen einbeziehen, die die Rolle von
Außenstehenden (bzw. Zuschauer/innen) innehaben, sind erfolgversprechend. Auch
Sanktionen (z.B. Klassenwechsel, Suspendierung bzw. Schulausschluss) sind bei
gravierenden Fällen unter Umständen nötig, wenn Mobbing nicht anders beendet werden
kann.
24
Elisabeth Penz-Feil: Wege aus dem Mobbing. Ein Maßnahmenpaket für Eltern, LehrerInnen und
SchülerInnen, unveröffentlichte Seminarunterlage bzw. Handreichung für Betroffene, Wien 2008
25 Christina Salmivalli et al.: Bullying as a group process: Participant roles and their relations to social
status within the group. Aggressive Behavior, 22(1), 1-5
26 Eine Liste von empfehlenswerten Gewaltpräventionsprojekten findet sich unter http://www.lsrnoe.gv.at/file/Praeventionsarbeit_in_NOE_Homepage(1).pdf
53
Die Arbeit auf der individuellen Ebene darf trotz des systemischen Ansatzes nicht zu kurz
kommen. Wenn sich Eltern oder Schüler/innen nicht an die Lehrer/innen oder die
Schulleitung wenden, weil sie sich in der Schule keine Hilfe erwarten, ist es auch die
einzige Möglichkeit hier anzusetzen. Im Hinblick auf den ursächlichen Zusammenhang mit
der Klassensituation ist eine Kooperation mit der Schule aber unbedingt anzustreben.
Wichtig ist, dass die Bezugspersonen Verständnis zeigen, die Problematik ernstnehmen,
für positive Erfahrungen außerhalb der Schule sorgen und vor allem Halt geben und
Beistand leisten. Dazu gehört in manchen Fällen auch die Inanspruchnahme einer
professionellen Beratung und Betreuung. Ein Schwerpunkt bei der Betreuung und
Begleitung von Betroffenen ist die Stärkung ihres Selbstwerts. Wenn die Schwierigkeiten
unüberwindlich scheinen ist ein Klassenwechsel angezeigt. Auch mit denjenigen, die
Mobbing betreiben und deren Eltern sind die Ursachen für das nicht akzeptable Verhalten
und die nötigen Veränderungsschritte zu besprechen.
Manchmal kann Mobbing rasch beendet werden. Je ungünstiger das Schul-, Klassen- und
Familienklima rund um die Beteiligten ist, je länger die Mobbingprozesse schon andauern
und je unzugänglicher diese Schüler/innen sind, umso mühsamer und langwieriger kann
es jedoch sein, dem Mobbing eine Ende zu bereiten.27
Im Hinblick auf die gravierenden Folgen für die Betroffenen aber auch um die richtigen
Signale an die gar nicht so unbeteiligten Mitschüler/innen zu senden, ist es in jedem Fall
eine Verpflichtung gegen Mobbing in der Schule vorzugehen.
27 Elisabeth Penz-Feil, 2008: In der schulpsychologischen Praxis hat sich bestätigt, dass diejenigen, die
Mobbing betreiben, sich dafür Partner/innen aussuchen, von denen sie keine bedrohlichen
Gegenreaktionen erwarten. Die folgende Unterteilung ist hilfreich bei der Wahl der entsprechenden
Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen. Es haben sich im Wesentlichen drei Gruppen als
geeignet herauskristallisiert:
(1) Mobbing kann Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer tatsächlichen Persönlichkeit treffen. Für
die Ablehnung werden u.a. „künstliche“ Argumente herangezogen. Zu diesen Betroffenen können z.B.
„Neue“, Ausländer/innen, besonders begabte (z.B. ein junger Geigenvirtuose unter Fußballfans),
unmodische, etc. gehören. Ihre Eignung ergibt sich daraus, dass sie aus irgendeinem Grund in der
Minderheit und dadurch ungefährlich sind.
(2) Mobbing kann Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer ängstlichen Persönlichkeitsstruktur treffen.
Kinder und Jugendliche, die ängstlich, unsicher und zurückhaltend auftreten oder durch eine
Krisensituation geschwächt sind, zeigen ihre Grenzen zu wenig auf, wehren sich nicht und sind dadurch
keine Gefahr.
(3) Mobbing kann Kinder und Jugendliche mit einer geringen Sozialkompetenz treffen. Schon als kleine
Kinder können diese Buben und Mädchen nicht in angemessener Weise auf andere, besonders
Gleichaltrige, zugehen und reagieren. Sie erleben schon früh Ablehnung und/oder Ausgrenzung und
manövrieren sich z.B. durch aggressives Verhalten immer wieder ins Out. Die häufig erlebten
Zurückweisungen und die bereits eingeengte, selektive Wahrnehmung halten einen Teufelskreis
aufrecht, der sie oft ausrasten lässt. Diese mangelnde Effizienz im Umgang mit anderen und der
Umstand, dass sie meistens auch die Lehrkräfte gegen sich haben, macht sie für Mobbing sehr
geeignet. Manchmal ‚rächen` sie sich, indem sie selbst andere mobben.
Natürlich gibt es auch bei diesem Differenzierungsversuch Überschneidungen. Jemand der z.B.
zurückhaltend und ängstlich ist und dazu keine entsprechenden sozialen Kompetenzen hat erfährt
häufig Ablehnung. Obwohl so jemand für seine Umgebung zwar ruhig und unauffällig erscheint, staut
sich in seinem Inneren immer mehr ohnmächtige Wut auf, die sich dann zur Überraschung aller
irgendwann fatal entladen kann.
Wenn die letztgenannten Kinder und Jugendlichen auf Mobber/innen stoßen, die selbst große
psychische Schwierigkeiten haben, werden die Maßnahmen gegen Mobbing sehr erschwert.
54
5. „Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“28
Das Anliegen der vorliegenden Ausführungen war es, auch aus schulpsychologischer
Sicht auf die elementare Bedeutung von Schul-, Klassen- und Familienklima für die
Verhaltenskultur in Schulen hinzuweisen. Wie das Beispiel Mobbing gut zeigt, ist das
Verhalten von Kindern und Jugendlichen nicht nur persönlichkeitsbezogen sondern auch
situationsspezifisch zu sehen. Daraus ergibt sich, dass für eine positive Verhaltenskultur
die Bemühungen sowohl in der Familie als auch in der Schule ansetzen müssen. Im Falle
der alltäglichen Gewalt an Schulen, wie es das Mobbing darstellt, ist es daher kein
Delegieren von Erziehungsaufgaben an die Schule, sondern die Schule ist der Ort, wo
Mobbing entsteht und daher auch der Ort, wo Mobbing vorrangig bearbeitet werden
muss.
Bezieht man neben den psychologischen auch die neurobiologischen Erkenntnisse ein,
wird das Ineinandergreifen der Erziehungs- und Bildungsarbeit in Schule und Familie
deutlich. Im Wesentlichen geht es demnach um eine Bildungs- und
Erziehungspartnerschaft.
Damit die gesellschaftlichen Herausforderungen für die Familien und die Schulen zu
meistern sind, sind auch die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Teilweise
ist das schon gelungen, teilweise fühlen sich Eltern und Lehrer/innen alleingelassen. Vor
allem wenn größere Schwierigkeiten in der Schule auftreten, ist die Bereitstellung von
zeitlichen und personellen Ressourcen aber auch die Vernetzung mit unterstützenden
Systemen nötig, jedoch nicht immer gewährleistet. Dort, wo sich sowohl die Erwachsenen
als auch die Heranwachsenden angenommen, respektiert und unterstützt fühlen, gelingt
es aber eher, auch Hindernisse zu bewältigen.
Wenn Eltern und Lehrer/innen möglichst authentisch, wertschätzend und respektvoll
miteinander und mit den Kindern und Jugendlichen umgehen, sind das wesentliche
individuelle Schritte, die zu einem positiven Klimaschutz beitragen.29
Autorin
Elisabeth Penz-Feil, Dr.in
Klinische- und Gesundheitspsychologin, Mediatorin;
langjährige Tätigkeit als Schulpsychologin in Niederösterreich.
Arbeitsschwerpunkte: Diagnostik, Beratung, Klassenprojekte.
Spezialgebiet: Mobbing in der Schule
28 Chinesisches Sprichwort, Lao Tse
29 Für diesen individuellen Schritt ist es sowohl für Lehrer/innen als auch für Eltern bzw. andere
Bezugspersonen wichtig, auf die Psychohygiene zu beachten. Unterstützend können dabei z.B.
Beratung, Coaching und Supervision sein. Die Reflexion der eigenen Rolle (z.B. in Richtung von mehr
Teamarbeit und Aufteilung der Verantwortung) kann zu entlastenden Innovationen führen. In diesem
Zusammenhang wird auf einen Artikel von Andreas Müller, Neue Rollen für die Lehrer, Institut
Beatenberg, Schweiz 2003, hingewiesen.
55
Hermann Städtler
Mehr Gesundheit in die Schule
Ressourcen mobilisieren – Krankmacher bearbeiten
Der Beitrag ist bereits einmal erschienen: Die Grundschulzeitschrift, 2009, Nr. 221, S. 7-9
Viele Lehrkräfte fühlen sich belastet oder überfordert. Scheinbar neue Ansprüche in der
Qualitätsentwicklung von Unterricht verunsichern sie, genauso wie die zunehmenden
Disziplinprobleme in den Klassen. Im Strudel dieser diffusen Verunsicherung verlieren
gestresste Lehrkräfte die Bodenhaftung in einem Beruf, in den sie mit hoher Motivation
eingestiegen sind. Sie erleben täglich, dass sie den Anforderungen des Schulalltages
immer weniger gewachsen sind und ihre Selbstwirksamkeit abnimmt. Sie hasten durch
den Schulalltag – quasi atemlos – und brennen aus. Der Misserfolgsmechanismus führt
zur Entmutigung, in den inneren Rückzug und mündet oft in Krankheit. Dieser Situation
muss direkt vor Ort begegnet werden.
Stärken ansprechen – Potentiale freisetzen: Welche individuellen Widerstandsressourcen können zur erfolgreichen Bearbeitung dieser stressbesetzten Situation
beitragen und wie können Lehrkräfte im System Schule die oft „hausgemachten
Krankmacher“ entschärfen?
Salutogenese heißt „Entstehung von Gesundheit“. Das Salutogenese-Konzept, in den
1970er Jahren von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky entwickelt, basiert auf
einem umfassenden Gesundheitsbegriff in Abgrenzung zur Pathogenese (Entstehung von
Krankheit). Dabei geht es vor allem darum, die Fähigkeit jedes Einzelnen zur Erhaltung
und Stärkung seines Wohlbefindens zu fördern und bei Belastungen gesund zu bleiben.
Auf der Grundlage des Modells der Salutogenese wird am Beispiel der Fridtjof-NansenGrundschule (FNS) in Hannover die Umsetzung in die Schulpraxis aufgezeigt: Unsere
Schule beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie die Ressourcen von Kolleginnen
und Kollegen stärker in die Schulentwicklung eingebracht und so ihre Selbstwirksamkeit
erhöht werden kann. Die Stärken der Lehrkräfte anzusprechen, ist die wichtigste
Entwicklungsaktivität und entscheidender Hebel, um Schulprogrammarbeit in Gang zu
setzen und dafür zu sorgen, dass diese wieder Mut und Zuversicht in die eigenen Kräfte
fassen.
Mit Anforderungen umgehen lernen
Die Arbeit in unserer Schule basiert auf dem ressourcenorientierten Ansatz der
Salutogenese. Dabei ist das Kohärenzgefühl (Zuversichtssinn) die Grundlage für seelische
und körperliche Gesundheit und für die Leistungsfähigkeit im Berufsleben (Antonovsky
1997). Der Kohärenzsinn ist die wichtigste Widerstandsressource gegen berufsbedingte
Belastungen und wird von drei Dimensionen gebildet:
1. Verstehbarkeit (Kann ich verstehen und begreifen, was von mir in meinem Beruf
verlangt wird? Ist das spezifische Anforderungsprofil dieser Schule für mich klar und
eindeutig?)
56
2. Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (Kann ich mit meinen Fähigkeiten und
Fertigkeiten die Anforderungen bewältigen? Sind die Herausforderungen für mich
handhabbar?)
3. Sinnhaftigkeit (Kann ich den Sinn meines professionellen Tuns erkennen? Empfinde
ich die Bearbeitung von auftretenden Problemen wichtig und ist es sinnvoll, meine Kraft
dafür einzusetzen?)
Nach Antonovsky ist Gesundheit kein verlässlich statischer Zustand, sondern ein
dynamisches Pendeln zwischen den Polen Gesundheit und Krankheit. Wollen Lehrkräfte
gesund und motiviert bleiben, müssen sie die Anforderungen ihres Schulalltages immer
wieder auf ihre Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit hin überprüfen und ggf.
modifizieren. Diese Kompetenz zur kohärenten Auseinandersetzung führt nach
Antonovsky zur Stärkung von gesund erhaltenden Ressourcen bei den Beteiligten (hier
Lehrkräften). Dies ist Voraussetzung für ihre Bereitschaft, sich als Kollegium zu aktivieren
und Verantwortung bereitwillig und kompetent zu übernehmen, was für
Berufszufriedenheit und -gesundheit sorgt. Im Folgenden werden drei Beispiele zur
Überwindung schulischer Krankmacher vorgestellt:
1. Ein Schulprogramm als Handlungshilfe für den Schulalltag erstellen
Ein wirkungsvolles Schulprogramm ist an vorhandenen Ressourcen orientiert und achtet
darauf, kollegiale Potenziale richtig einzuplanen. Voraussetzung ist, dass alle Lehrkräfte
schon in der Entstehungsphase Verantwortung für ihre Könnensbereiche übernehmen und
bei der Formulierung des Anforderungsprofils die Dimensionen der Verstehbarkeit,
Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit für sich und die Schüler/innen mitdenken. Im
Schulprogramm der FNS sind die Leitideen, Ziele und Wege zur Unterrichtsentwicklung
sowie Schulorganisationsstrategien mit entsprechenden Beteiligungsmodellen und
Möglichkeiten zur Fremd- bzw. Eigenevaluation auf nur acht Seiten definiert. Dieses
Papier begleitet als Handlungshilfe jede Lehrkraft im Schulalltag und wird regelmäßig
aktualisiert. Der direkte, ehrliche Einbezug der Schulrealität mit ihren Möglichkeiten, aber
auch ihren Begrenzungen, ist ein wichtiges Kriterium. Unser Schulprogramm „Bewegte
Schule – Schule als lernendes System im Stadtteil“ bildet den Rahmen für unsere
gemeinsame Arbeit und sorgt für Transparenz, Klarheit und Machbarkeit von Leitideen,
Zielen, Arbeitsschritten und Erfolgen bei allen Beteiligten. Es ist sinnstiftend, hat „dienende
Funktion“ für das Kollegium und die Schulleitung und sorgt dafür, dass wir trotz hoher
Belastung in unserem Beruf gesund bleiben können.
Das Schulprogramm wird über fünf, sich wechselseitig bedingende Inhaltsbereiche
definiert. Dem Gesundheitsaspekt kommt als übergreifende Klammer zentrale Bedeutung
zu. Um den Kern jedes Schwerpunktes herum sind die Themenbereiche angeordnet. Für
jeden Schwerpunkt ist eine gewählte Leitung zuständig, die mit ihrem Team die
Umsetzung in die Unterrichtspraxis oder das Schulleben hinein plant und steuert. Sie ist
Mitglied im Steuerungsausschuss der Schule. Dieses Steuerungs-System sorgt dafür,
dass alle Kolleginnen und Kollegen beteiligt werden und Verantwortung tragen. Die im
Schulprogramm aufgeführten Aktivitäten markieren das kollegiale Belastungsprofil von
max. 100 Prozent.
57
2. Veränderung von Entscheidungshierarchien („Gleiche Augenhöhe – unterschiedliche
Verantwortlichkeiten“)
An der FNS ist ein gewichtiger Teil der Verantwortlichkeiten der Schulleitung auf einen
Steuerungsausschuss übertragen worden. Dieser besteht aus je einem Vertreter der fünf
Programmschwerpunkte, einem Schulleitungsmitglied und einem Vertreter des integrierten
Horts. Der Ausschuss ist von der Gesamtkonferenz und vom Schulvorstand beauftragt,
Entscheidungen in wöchentlichen Kurzsitzungen voranzutreiben und zu beschließen. Die
zu verteilenden „Topf“-Stunden, Öffentlichkeitsarbeit, Projektmanagement, Qualitätssicherung, Sponsoring, Finanzen, interne Organisation von Arbeitsabläufen und Klärung
von aktuellen Problemen liegen in den Händen der sieben Entscheider. Der
Steuerungsausschuss tagt wöchentlich 25 Minuten; seine Mitglieder sind von der
Pausenaufsicht entlastet. Bei Entscheidungen hat jedes Mitglied eine Stimme, bei
Stimmengleichheit nutzt die/der Vorsitzende die Möglichkeit einer weiteren Stimme. Der
Ausschuss hat Berichtspflicht in der Gesamtkonferenz und im Schulvorstand.
Entscheidungen werden zeitlich befristet gefällt und nach einer Probezeit wieder auf den
Prüfstand gestellt. Gesundheitsfördernd für alle Kolleginnen und Kollegen ist, dass
Entscheidungen für die Schule mutiger, schneller und kompetenter getroffen werden, mit
dem geringen Risiko, auch Fehler zu machen. Diese verteilen sich dann wie die Erfolge
auf die Schultern vieler.
3. Lebenszeit wertschätzend und ressourcenorientiert einsetzen
Der sorgfältige Umgang mit Zeit ist ein Qualitätsmerkmal von gesunder Schule, sofern
Kräftepotenziale von den Ressourcen des Kollegiums her gedacht und im Blick auf die zu
erreichenden Ziele in ein bewältigbares Anforderungsprofil gebracht werden. Damit
versuchen wir, unserem auf Dauer krankmachenden Überlastungsgefühl („Wir werden nie
fertig.“) entgegenzuwirken und offen für lohnende Entwicklungsimpulse zu bleiben. Auch
dabei hilft das Schulprogramm, denn es markiert den Umfang des Arbeitspaketes, der
vom Kollegium selbst definiert worden ist (100 Prozent).
Wir trennen zwischen Kerngeschäft und „Luxus“-Aktivitäten, priorisieren nach
vorhandenen Zeitressourcen und entscheiden bei neuen Anforderungen nach ihrer
Bedeutung jeweils neu, mit welcher Intensität wir uns ihnen widmen. Eine neue Aufgabe
nehmen wir nur an, wenn eine andere bereits erledigt ist und Zeitressourcen frei sind oder
bereits bestehende Aufgaben dank der Priorisierung entfallen müssen bzw. zeitlich
befristet ausgesetzt werden. Die Priorisierung und die Identifizierung von heimlichen
Zeitfressern im Schulalltag wird im Steuerungsausschuss vorgenommen. Mit Zeit besser
umzugehen heißt für uns auch, neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen die
Selbstorganisation durch effizientes Zeitmanagement wirksamer zu gestalten. Dies berührt
u.a. Fragen zur Unterrichtsplanung und Methodik, zur realistischen Zeitplanung, zu selbst
gesetzten Ruhepunkten im Schulalltag und im Unterricht, des Mutes, unvorhersehbare
Störungen einzuplanen, der Anfertigung von To-do-Listen und der eingebauten
Belohnung.
Ohne Rhythmus geht es nicht!
58
Den Schulalltag zu rhythmisieren und Zeitfenster für Routineaufgaben einzurichten, wird
im Schulprogramm-Baustein „Kind- und lehrergerechte Rhythmisierung“ vorgenommen.
Das einengende 45-Minuten-Unterrichtskorsett wurde aufgelöst. Die Stundenplanorganisation läuft im 15-Minuten-Takt, was individuelle Lösungen für die
Lehrer/innenarbeitszeit als auch für die differenzierte Gestaltung des Stundenplanes (z.B.
Förderphasen von 15 Min.) möglich werden lässt. So wird die Unterrichtszeit eines
Lehrers/einer Lehrerin mit voller Stelle nicht mit 28 Stunden angegeben, sondern in 84 15Minuten-Einheiten organisiert. Der Schulvormittag wird im rhythmischen Wechsel
zwischen Belastung und Entspannung gegliedert. Das beginnt mit einem gleitenden
Einstieg: Ab 8 Uhr ist das Schulgebäude für die Kinder geöffnet; die Lehrkräfte sind ab
8.15 Uhr in der Klasse und bis 8.35 Uhr müssen alle Kinder im Klassenraum eingetroffen
sein, um den Unterricht im Sitzkreis zu beginnen. Gefrühstückt wird im Anschluss an die
25-minütige große Pause im Klassenverband.
Wir haben im Laufe der Jahre gemerkt, wie gesundheitsfördernd der sorgfältige Umgang
mit Zeit ist. In den Pausen haben dienstliche Angelegenheiten zurückzustehen.
Professionelle und durchdachte Informationsweitergabe trägt zum notwendigen
Erholungsraum zwischen den Unterrichtsstunden bei. Elterngespräche in den Pausen gibt
es nur in Notfällen. Dafür werden Termine nach dem Unterricht verabredet. Dies sorgt für
entspannte Gespräche, die von allen vorbereitet sind und neben einer Zielorientierung
auch höhere Wertschätzung erwarten lassen. Anfangs- und Schlusszeiten der
Konferenzen sind festgelegt; das sorgt für Selbstdisziplinierung und Sachbezogenheit aller
Beteiligten. Genauso ist eine Enthaltung in wichtigen Entscheidungen nicht gestattet, um
Professionalität zu wahren. Dieses neue Verständnis im Umgang mit Arbeits-/Lebenszeit
ist in enger Verknüpfung mit dem Schwerpunkt „Schule steuern und organisieren“
entstanden, in dem durch Zeitmanagement stressbedingten Überlastungssituationen
entgegengesteuert werden soll. Wir praktizieren seit zwei Jahren ein Modell, in dem
wöchentlich 45 Minuten außerunterrichtliche Arbeitszeit in die Schule verlegt wird. Wir
treffen uns jeden Dienstag nach dem Unterricht im Plenum und arbeiten je nach Bedarf in
Kleingruppen oder im Gesamtkollegium. Diese Rhythmisierung spart viel Konferenz- und
Wegezeit und trägt zur Arbeitszufriedenheit im Kollegium bei. Außerdem gelingt es uns
durch diese Organisationsform, den Informationsfluss für alle aktuell zu halten, notwendige
Entscheidungen zeitnah zu treffen und die Qualität unseres Alltags im Blick zu halten.
Fazit
Die Erfahrungen unseres Kollegiums belegen, dass wir die Anforderungen unseres Berufs
gut bewältigen können, wenn wir selbst in der Schule für ein Klima sorgen, in dem sich
eigene Ressourcen und Stärken entwickeln können. Dabei hilft die Orientierung am Modell
der Salutogenese. Widerstandsressourcen im Berufsleben zuversichtlich zu entwickeln
gelingt uns unter Zugriff auf die Dimensionen der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und
Sinnhaftigkeit, mit deren Hilfe wir unseren Berufsalltag immer wieder hinterfragen und an
veränderte Situationen anpassen.
Die Handhabbarkeit und Bewältigungsmöglichkeit unserer Tätigkeit sind durch unser
Schulprogramm und einen sorgfältigen Umgang mit eigener und fremder Lebenszeit
gesichert. Durch ein solches Zeit- und Stressmanagement erfahren wir Wertschätzung
und sorgen für Wertschöpfung.
59
Lebens-Zeit-Sparer:
- Rituale in der Schule und der Klasse institutionalisieren, damit ein haltender Rahmen
entsteht.
- Konferenzkultur pflegen:
- Konferenzzeiten minimieren, damit zielgerichtet gearbeitet wird,
- in Konferenzen auf Enthaltung verzichten, damit Klarheit entsteht,
- wesentliche Entscheidungen von einer die 50-Prozent-Marke überschreitenden
Zustimmung abhängig machen, damit der Reibungsverlust durch Verhinderer bei
der Umsetzung einer knappen Entscheidung minimiert wird,
- Entscheidungen zur Probe (z.B. für ein halbes Jahr) mutig treffen, damit
Nischenprojekte auch eine Chance bekommen.
- Den Informationsfluss klug organisieren, damit Verkündigungs-Konferenzen vermieden
werden (Motivationsabfall).
- Geeignete Kommunikationsmedien einbeziehen, damit Informationen störungsfrei
fließen.
- Kontinuität und Verlässlichkeit durch sparsam, effizient und regelmäßig gesetzte
Zeitfenster organisieren, damit die Wirksamkeit von Gremien- und/oder Gruppenarbeit
gewahrt bleibt (z.B. Dienstagsrunde).
- Bei neuen Arbeitspaketen Altlasten bewusst auf Eis legen oder verabschieden, damit
die Balance gehalten wird.
- Kollegialen Austausch und Beratung ernsthaft pflegen, damit Alltagsprobleme nicht
missverstanden werden.
- Supervision für Kollegium und Schulleitung, damit die professionelle Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle kontinuierlich geschieht.
- Gespräche zwischen Tür und Angel mit Kolleginnen/Kollegen, Schüler/innen, Eltern und
anderen vermeiden, damit professionelle Lösungen entstehen und Fehlentscheidungen
durch Flüchtigkeit vermieden werden.
Literatur
Antonovsky, Aaron: Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: dgvt
1997.
Sieland, B.: Nachhaltige Gesundheitsförderung als Entwicklungsarbeit von Lehrerinnen
und Lehrern. In: Brägger, G./Posse, N./Israel, G. (Hrsg.): Bildung und Gesundheit.
Argumente für eine gute und gesunde Schule. Bern: hep 2008.
Städtler, Hermann: Stress dynamisch balancieren – personale und institutionelle
Erfolgsvariablen für die Schule. In: Weißbuch Prävention – Stress? Heidelberg:
Springer Medizin Verlag 2006.
Homepage der Fridtjof-Nansen-Schule: www.fns-online.de
Autor
Hermann Städtler
ist Schulleiter der Fridtjof-Nansen-Schule in Hannover und Projektleiter des niedersächsischen MK-Projekts
„Bewegte Schule“. Im Oktober 2010 hat er an der Pädagogischen Hochschule Steiermark zum Thema
referiert und vertiefende Workshops abgehalten. Zur Nachlese kommen Sie hier: www.paedagogischerherbst.at
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Die Redaktionsgruppe ist besonders an praxisorientierten Beiträgen zur Themenbereich
„Integration“ interessiert.
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Praxis“ zu berichten.
Die Auswahl der eingelangten Beiträge wird von der Redaktionsgruppe vorgenommen.
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