agg-arbeitshilfe-stand-12-12-2006

Werbung
Schnelleinstieg
Überblick
„Bedienungsanleitung“
Das neue Gleichbehandlungsrecht
Einführung und Material
Stand: 12.12.2006
(„Erstes Reparaturgesetz“ bereits berücksichtigt)
Martin Heinrich
Juristische Fakultät der Universität Tübingen
Wiss. Ass. am
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht
Prof. Dr. Hermann Reichold
Wilhelmstraße 7
72074 Tübingen
Tel.: 07071/2974505
Fax.: 07071/295068
E-Mail: [email protected]
Bedienungsanleitung:
Die vorliegende Zusammenstellung soll die erste Annäherung an das Antidiskriminierungsrecht erleichtern und als Arbeitshilfe bei
der Rechtsfindung dienen.
Als Ausgangspunkt der Rechtsfindung dürften die vom nationalen Gesetzgeber geschaffenen Regelungen dienen, d.h. das am
18.8.2006 in Kraft getretene „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung“, dessen Artikel 1 das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“ bildet (BGBL I, S. 1897). Kleinere
Änderungen („Reparaturen“ bzw. „Verschlimmbesserungen“) hat dieses Gesetz durch das „Gesetz zur Änderung des
Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze“ erfahren, das am 12.12.2006 in Kraft getreten ist (BGBL I, S. 2742).
Zum Einstieg in das neue Recht enthält dieses Material eine Gliederung, die lediglich Paragraphenziffern nebst amtlichen
Überschriften enthält. Durch Anklicken der jeweiligen Paragraphen gelangt man zu deren Wortlaut.
Anhaltspunkte für die Auslegung des Wortlauts des neuen Rechts gibt die „amtliche Begründung“. Sie setzt sich zusammen aus der
Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT.-Drs. 16/1780), der Begründung der vom Rechtsausschuss empfohlenen
Änderungen zu diesem Entwurf (BT.-Drs. 16/2022) und der Begründung zum „ersten Reparaturgesetz“, die sich auf Seite 20 der BTDrs. 16/3007 v. 18.10.2006 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) a) zu dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Betriebsrentengesetzes […]) versteckt.
Vom Wortlaut der einzelnen Paragraphen kann durch Verlinkungen gezielt zur jeweiligen „amtlichen“ Begründung „gesprungen“
werden. Der Wortlaut des Gesetzes ist dabei so dargestellt, dass die vom Rechtsausschuss empfohlenen, vollumfänglich Gesetz
gewordenen Änderungen mit durchgestrichenem und kursivem Text kenntlich gemacht wurden. Änderungen, die durch das „erste
Reparaturgesetz“ vorgenommen wurden sind, sind mit doppelt durchgestrichenem bzw. kursivem und doppelt unterstrichenen Text
hervorgehoben. Die Darstellung der „amtlichen Begründung“ folgt der BT.-Drs. 16/1780 wobei die Seitenumbrüche dieser
Drucksache kenntlich gemacht, bzw. mit übernommen wurden, so dass entsprechend des vorliegenden Materials auch zitiert werden
kann. Die Begründungen zu den vom Rechtsausschuss empfohlenen Änderungen (BT.-Drs. 16/2022) und zum „ersten
Reparaturgesetz“ (BT-Drs. 16/3007) wurden an passender Stelle in den Text der BT.-Drs. 16/1780 eingefügt.
Für die Auslegung des neuen Rechts sind auch die ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinien, sowie die Rechtsprechung des
EuGH von Bedeutung. Wichtige Richtlinien und Urteile sind daher auch in diesem Material enthalten und verlinkt worden.
Schließlich wurden noch häufig erwähnte Normen verlinkt, um die Arbeit mit diesem Material zu vereinfachen.
Inhalt der vorliegenden Word-Datei
Vorab: Wortlaut des neuen Rechts kleinformatiert zum Ausdrucken
Überblick
Verlinkungen
Einstieg: Paragraphenziffern nebst Überschriften
Wortlaut des neuen Rechts
Amtliche Begründung (BT.-Drs. 16/1780 und BT.-Drs. 16/2022).
Richtlinien
Urteile, insbesondere des EuGH
In der Begründung erwähnte Normen
Der Einstieg in das verknüpfte Material findet sich:
hier
Als Beispiel für die Funktionsweise dieses Materials bietet es sich an, zu versuchen, sich mit seiner Hilfe über die
Regelung der Beweislast im AGG zu informieren. Ausgangspunkt bildet dann (anklicken!) § 22 ADG.
Technisches Vorbild für diese Darstellung bildete die Aufbereitung des Gesetzgebungsmaterials zur Schuldrechtsreform durch Prof.
Dr. Stephan Lorenz, vgl.: http://www.lrz-muenchen.de/%7ELorenz/schumod/index.htm. Abweichend von dessen „Modell“ wurde
eine „schneller reagierende“ und den zusätzlichen Ebenen „Richtlinien“ und „Urteile“ besser gerecht werdende Word-Datei gewählt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 2
Inhalt
Seite
Das neue Recht im Wortlaut .............................................................................................................................................. 4
klein formatiert als übersichtliche Arbeitshilfe zum Ausdrucken
Überblick über das neue Recht ........................................................................................................................................ 12
Gesetzentwurf der Bundesregierung, darin integriert Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses .............................. 33
BT.-Drs. 16/1780: Enthält die „amtliche“ Begründung zum die Grundlage des Gesetzes bildenden Entwurf, darin an passender
Stelle eingefügt: BT.-Drs. 16/2022: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, enthält die Begründung zu den vom
Rechtsausschuss vorgeschlagenen und vollumfänglich Gesetz gewordenen Änderungen. Zudem wurden Hinweise auf
handwerkliche Mängel des Gesetztes eingefügt.
Vierte Gleichstellungs-Richtlinie .................................................................................................................................... 89
Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
Revidierte Gleichbehandlungs-Richtlinie ........................................................................................................................ 97
Richtlinie 2002/73/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie
76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des
Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen
Rahmenrichtlinie ............................................................................................................................................................ 104
Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
Antirassismusrichtlinie .................................................................................................................................................. 114
Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der
Rasse oder der ethnischen Herkunft
Gleichbehandlungsrichtlinie .......................................................................................................................................... 122
Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen
Beweislastrichtlinie ........................................................................................................................................................ 125
Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997
über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
Weitere im Material erwähnte Normen ....................................................................................................................... 129
Im Material erwähnte Rechtsprechung .......................................................................................................................... 160
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 3
Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung 1
Vom 14. August 2006
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Abschnitt 1
Allgemeiner Teil
§ 1 Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen
der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder
zu beseitigen.
§ 2 Anwendungsbereich
(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe
dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:
1.
die
Bedingungen,
einschließlich
Auswahlkriterien
und
Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und
selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und
beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt
und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und
kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der
Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie
beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der
Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen
Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen
Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder
Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer
bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme
der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der
Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die
der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.
§ 3 Begriffsbestimmungen
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines
in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine
andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts
liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren
Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach
neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1
genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise
benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien
oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die
Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte
Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang
stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person
verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen,
Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen
wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1
Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch
unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell
bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie
unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen
Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der
betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1
genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in
Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person
zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte
wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
§ 4 Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Erfolgt eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 genannten
Gründe, so kann diese unterschiedliche Behandlung nach den §§ 8 bis 10 und
20 nur gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese
Gründe erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt.
§ 5 Positive Maßnahmen
Ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 sowie in § 20 benannten Gründe ist eine
unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und
angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten
Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.
Abschnitt 2
(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches
Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die
betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.
Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung
(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der
Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für
öffentlich-rechtliche
Vorschriften,
die
dem
Schutz
bestimmter
Personengruppen dienen.
Verbot der Benachteiligung
(4) Für Kündigungen gelten vorrangig die Bestimmungen des
Kündigungsschutzgesetzes. Für Kündigungen gelten ausschließlich die
Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.
Unterabschnitt 1
§ 6 Persönlicher Anwendungsbereich
(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind
1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als
arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch
die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein
Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis
beendet ist.
1
Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinien:
2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen
Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22),
– 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
(ABl. EG Nr. L 303 S. 16),
– 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur
Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die
Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15) und
– 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EU Nr. L 373 S. 37).
–
(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses
Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige
Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden
Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser
als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit
Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers
der Auftraggeber oder Zwischenmeister.
(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den
beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für
Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder
Geschäftsführerinnen und Vorstände entsprechend.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 4
§ 7 Benachteiligungsverbot
7.
die individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarung der Unkündbarkeit
von Beschäftigten eines bestimmten Alters und einer bestimmten
Betriebszugehörigkeit, soweit dadurch nicht der Kündigungsschutz
anderer Beschäftigter im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 des
Kündigungsschutzgesetzes grob fehlerhaft gemindert wird,
8.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des
Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder
Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben,
in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem
Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des
Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von
den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich
abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von
Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes
benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung
begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung
nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot
des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte
ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
§ 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher
Anforderungen
(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes
ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder
der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende
berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die
Anforderung angemessen ist.
(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder
gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch
gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere
Schutzvorschriften gelten.
§ 9 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder
Weltanschauung
(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der
Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch
Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne
Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die
gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe
machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung
unter
Beachtung
des
Selbstverständnisses
der
jeweiligen
Religionsgemeinschaft
oder
Vereinigung
im Hinblick
auf
ihr
Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte
berufliche Anforderung darstellt.
(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der
Weltanschauung berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten
Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne
Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die
gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe
machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im
Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.
§ 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel
gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen
und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können
insbesondere Folgendes einschließen:
1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur
Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer
Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen
für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die
berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und
Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz
sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die
Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung
oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der
spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes
oder
auf
Grund
der
Notwendigkeit
einer
angemessenen
Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der
sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den
Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich
der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser
Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und
die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für
versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die
Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl anlässlich einer
betriebsbedingten
Kündigung
im
Sinne
des
§
1
des
Kündigungsschutzgesetzes, soweit dem Alter kein genereller Vorrang
gegenüber anderen Auswahlkriterien zukommt, sondern die
Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede
zwischen den vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere die Chancen auf
dem Arbeitsmarkt entscheiden,
Unterabschnitt 2
Organisationspflichten des Arbeitgebers
§ 11 Ausschreibung
Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ausgeschrieben
werden.
§ 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz
vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen.
Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.
(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen
der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher
Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben.
Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der
Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner
Pflichten nach Absatz 1.
(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1,
so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und
angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie
Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach §
7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten,
erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten
zu ergreifen.
(5) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen
über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen
sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die
Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle
oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informationsund Kommunikationstechnik erfolgen.
Unterabschnitt 3
Rechte der Beschäftigten
§ 13 Beschwerderecht
(1) Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des
Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich
im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von
Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten
Grundes benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis
der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.
(2) Die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.
§ 14 Leistungsverweigerungsrecht
Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur
Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz,
sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des
Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. § 273
des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 5
§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
Abschnitt 3
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber
verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht,
wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die
Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die
Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht
übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier
Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(1) Eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der
Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der
Begründung,
Durchführung
und
Beendigung
zivilrechtlicher
Schuldverhältnisse, die
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher
Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich
oder grob fahrlässig handelt.
1.
typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen
in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder
bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses
eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen
in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
2.
eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von drei zwei
Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die
Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im
Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der
Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem
Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis
erlangt.
§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
ist unzulässig.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen
Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft ist darüber hinaus auch bei der Begründung, Durchführung und
Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs.
1 Nr. 5 bis 8 unzulässig.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7
Abs.
1
begründet
keinen
Anspruch
auf
Begründung
eines
Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen
beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen
Rechtsgrund.
(3) Bei der Vermietung von Wohnraum kann ist eine unterschiedliche
Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler
Bewohnerstrukturen
und
ausgewogener
Siedlungsstrukturen
sowie
ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig
sein.
§ 16 Maßregelungsverbot
(4) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf familienund erbrechtliche Schuldverhältnisse.
(1) Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von
Rechten nach diesem Abschnitt oder wegen der Weigerung, eine gegen diesen
Abschnitt verstoßende Anweisung auszuführen, benachteiligen. Gleiches gilt
für Personen, die den Beschäftigten hierbei unterstützen oder als Zeuginnen
oder Zeugen aussagen.
(2) Die Zurückweisung oder Duldung benachteiligender Verhaltensweisen
durch betroffene Beschäftigte darf nicht als Grundlage für eine Entscheidung
herangezogen werden, die diese Beschäftigten berührt. Absatz 1 Satz 2 gilt
entsprechend.
(5) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf
zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder
Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei
Mietverhältnissen kann dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien oder
ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen. Die
Vermietung von Wohnraum zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch ist in
der Regel kein Geschäft im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1, wenn der Vermieter
insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet.
§ 20 Zulässige unterschiedliche Behandlung
(3) § 22 gilt entsprechend.
Unterabschnitt 4
Ergänzende Vorschriften
(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für
eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder
des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall
sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
§ 17 Soziale Verantwortung der Beteiligten
1.
(1) Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigte und deren Vertretungen
sind aufgefordert, im Rahmen ihrer Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten an
der Verwirklichung des in § 1 genannten Ziels mitzuwirken.
der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen
Zwecken vergleichbarer Art dient,
2.
dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen
Sicherheit Rechnung trägt,
3.
besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der
Gleichbehandlung fehlt,
4.
an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen anknüpft und im
Hinblick auf die Ausübung der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit
oder auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, der
ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform
sowie der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer
Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, unter Beachtung des
jeweiligen Selbstverständnisses gerechtfertigt ist.
(2) Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften aus diesem
Abschnitt können der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft
unter der Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des
Betriebsverfassungsgesetzes die dort genannten Rechte gerichtlich geltend
machen; § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt
entsprechend. In Betrieben, in denen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1
des Betriebsverfassungsgesetzes vorliegen, können bei einem groben Verstoß
des Arbeitgebers gegen Vorschriften aus diesem Abschnitt der Betriebsrat oder
eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter der Voraussetzung des § 23 Abs.
3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes die dort genannten Rechte gerichtlich
geltend machen; § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt
entsprechend. Mit dem Antrag dürfen nicht Ansprüche des Benachteiligten
geltend gemacht werden.
§ 18 Mitgliedschaft in Vereinigungen
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend für die
Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer
1.
Tarifvertragspartei,
2.
Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören
oder die eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder
sozialen Bereich innehat, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb
der Mitgliedschaft besteht,
(2) Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist im Falle des §
19 Abs. 1 Nr. 2 bei den Prämien oder Leistungen nur zulässig, wenn dessen
Berücksichtigung
bei
einer
auf
relevanten
und
genauen
versicherungsmathematischen
und
statistischen
Daten
beruhenden
Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist. Kosten im Zusammenhang mit
Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen
Prämien oder Leistungen führen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Identität ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn diese
auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere
auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter
Heranziehung statistischer Erhebungen.
sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen.
(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des
§ 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung
in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 6
§ 21 Ansprüche
(1) Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der
Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so
kann er auf Unterlassung klagen.
(2) Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbotes ist der Benachteiligende
verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht,
wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen
eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine
angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
§ 26 Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes
(1) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend ernennt auf Vorschlag der Bundesregierung eine Person zur
Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie steht nach Maßgabe
dieses Gesetzes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund. Sie
ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
(2) Das Amtsverhältnis beginnt mit der Aushändigung der Urkunde über die
Ernennung durch die Bundesministerin oder den Bundesminister für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend.
(3) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt.
(3) Das Amtsverhältnis endet außer durch Tod
(4) Auf eine Vereinbarung, die von dem Benachteiligungsverbot abweicht,
kann sich der Benachteiligende nicht berufen.
1.
mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages,
2.
durch Ablauf der Amtszeit mit Erreichen der Altersgrenze nach § 41 Abs.
1 des Bundesbeamtengesetzes,
3.
mit der Entlassung.
(5) Ein Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 muss innerhalb einer Frist von
drei zwei Monaten geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Frist kann der
Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne
Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.
Abschnitt 4
Rechtsschutz
§ 22 Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft macht Indizien beweist,
die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten
lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass andere als in § 1
genannte, sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder
die unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes nach
Maßgabe dieses Gesetzes zulässig ist kein Verstoß gegen die Bestimmungen
zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
§ 23 Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
(1) Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht
gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die
besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen
nach Maßgabe von § 1 wahrnehmen. Die Befugnisse nach den Absätzen 2 bis 4
stehen ihnen zu, wenn sie mindestens 75 Mitglieder haben oder einen
Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden.
(2) Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rahmen ihres
Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, in denen eine Vertretung durch
Anwälte und Anwältinnen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, als
Bevollmächtigte und Beistände Benachteiligter in der Verhandlung
aufzutreten. Im Übrigen bleiben die Vorschriften der Verfahrensordnungen,
insbesondere diejenigen, nach denen Bevollmächtigten und Beiständen
weiterer Vortrag untersagt werden kann, unberührt.
(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die
Besorgung von Rechtsangelegenheiten Benachteiligter gestattet.
(4) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse von Verbänden zu
Gunsten von behinderten Menschen bleiben unberührt.
Abschnitt 5
Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
§ 24 Sonderregelung für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berücksichtigung ihrer
besonderen Rechtsstellung entsprechend für
1.
Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der
Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder
eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen
des öffentlichen Rechts,
2.
Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder,
3.
Zivildienstleistende sowie anerkannte Kriegsdienstverweigerer, soweit
ihre Heranziehung zum Zivildienst betroffen ist.
Abschnitt 6
Antidiskriminierungsstelle
§ 25 Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(1) Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird
unbeschadet der Zuständigkeit der Beauftragten des Deutschen Bundestages
oder der Bundesregierung die Stelle des Bundes zum Schutz vor
Benachteiligungen wegen eines
in
§ 1
genannten Grundes
(Antidiskriminierungsstelle des Bundes) errichtet.
Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend entlässt die Leiterin oder den Leiter der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes auf deren Verlangen oder wenn Gründe vorliegen, die bei einer
Richterin oder einem Richter auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst
rechtfertigen. Im Falle der Beendigung des Amtsverhältnisses erhält die
Leiterin oder der Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine von der
Bundesministerin oder dem Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend vollzogene Urkunde. Die Entlassung wird mit der Aushändigung der
Urkunde wirksam.
(4) Das Rechtsverhältnis der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes gegenüber dem Bund wird durch Vertrag mit dem Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geregelt. Der Vertrag bedarf der
Zustimmung der Bundesregierung.
(5) Wird eine Bundesbeamtin oder ein Bundesbeamter zur Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestellt, scheidet er oder sie mit Beginn
des Amtsverhältnisses aus dem bisherigen Amt aus. Für die Dauer des
Amtsverhältnisses ruhen die aus dem Beamtenverhältnis begründeten Rechte
und Pflichten mit Ausnahme der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und des
Verbots der Annahme von Belohnungen oder Geschenken. Bei unfallverletzten
Beamtinnen oder Beamten bleiben die gesetzlichen Ansprüche auf das
Heilverfahren und einen Unfallausgleich unberührt.
§ 27 Aufgaben
(1) Wer der Ansicht ist, wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt
worden zu sein, kann sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
wenden.
(2) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt auf unabhängige
Weise Personen, die sich nach Absatz 1 an sie wenden, bei der Durchsetzung
ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen. Hierbei kann sie insbesondere
1.
über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im
Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen
informieren,
2.
Beratung durch andere Stellen vermitteln,
3.
eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben.
Soweit Beauftragte des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung
zuständig sind, leitet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Anliegen
der in Absatz 1 genannten Personen mit deren Einverständnis unverzüglich an
diese weiter.
(3) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt auf unabhängige Weise
folgende Aufgaben wahr, soweit nicht die Zuständigkeit der Beauftragten der
Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages berührt ist:
1.
Öffentlichkeitsarbeit,
2.
Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen aus den in § 1
genannten Gründen,
3.
Durchführung
wissenschaftlicher
Benachteiligungen.
Untersuchungen
zu
diesen
(4) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem
Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des
Deutschen Bundestages legen gemeinsam dem Deutschen Bundestag alle vier
Jahre Berichte über Benachteiligungen aus den in § 1 genannten Gründen vor
und geben Empfehlungen zur Beseitigung und Vermeidung dieser
Benachteiligungen. Sie können gemeinsam wissenschaftliche Untersuchungen
zu Benachteiligungen durchführen.
(5) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem
Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des
Deutschen Bundestages sollen bei Benachteiligungen aus mehreren der in § 1
genannten Gründe zusammenarbeiten.
(2) Der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist die für die Erfüllung ihrer
Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen.
Sie ist im Einzelplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend in einem eigenen Kapitel auszuweisen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 7
§ 28 Befugnisse
(1) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann in Fällen des § 27 Abs. 2
Satz 2 Nr. 3 Beteiligte um Stellungnahmen ersuchen, soweit die Person, die
sich nach § 27 Abs. 1 an sie gewandt hat, hierzu ihr Einverständnis erklärt.
(2) Alle Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen im Bereich des
Bundes sind verpflichtet, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere die erforderlichen
Auskünfte zu erteilen. Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener
Daten bleiben unberührt.
§ 29 Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und anderen
Einrichtungen
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll bei ihrer Tätigkeit
Nichtregierungsorganisationen sowie Einrichtungen, die auf europäischer,
Bundes-, Landes- oder regionaler Ebene zum Schutz vor Benachteiligungen
wegen eines in § 1 genannten Grundes tätig sind, in geeigneter Form
einbeziehen.
§ 30 Beirat
(1) Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen Gruppen und
Organisationen, die sich den Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1
genannten
Grundes
zum
Ziel
gesetzt
haben,
wird
der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Beirat beigeordnet. Der Beirat berät
die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der Vorlage von Berichten und
Empfehlungen an den Deutschen Bundestag nach § 27 Abs. 4 und kann hierzu
sowie zu wissenschaftlichen Untersuchungen nach § 27 Abs. 3 Nr. 3 eigene
Vorschläge unterbreiten.
(2) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beruft im
Einvernehmen mit der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
sowie den entsprechend zuständigen Beauftragten der Bundesregierung oder
des Deutschen Bundestages die Mitglieder dieses Beirats und für jedes
Mitglied eine Stellvertretung. In den Beirat sollen Vertreterinnen und Vertreter
gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen sowie Expertinnen und
Experten in Benachteiligungsfragen berufen werden. Die Gesamtzahl der
Mitglieder des Beirats soll 16 Personen nicht überschreiten. Der Beirat soll zu
gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt sein.
(3) Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bedarf.
(4) Die Mitglieder des Beirats üben die Tätigkeit nach diesem Gesetz
ehrenamtlich aus. Sie haben Anspruch auf Aufwandsentschädigung sowie
Reisekostenvergütung, Tagegelder und Übernachtungsgelder. Näheres regelt
die Geschäftsordnung.
Abschnitt 7
Schlussvorschriften
§ 31 Unabdingbarkeit
Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zu Ungunsten der
geschützten Personen abgewichen werden.
§ 32 Schlussbestimmung
Soweit in diesem Gesetz nicht Abweichendes bestimmt ist, gelten die
allgemeinen Bestimmungen.
§ 33 Übergangsbestimmungen
(1) Bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs oder sexuellen Belästigungen nach dem
Beschäftigtenschutzgesetz [vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412)] ist das
vor dem 18. August 2006 maßgebliche Recht anzuwenden.
(2) Bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die
vor dem 18. August 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere
Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.
(3) Bei Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1.
Dezember 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere
Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.
(4) Auf Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum
Gegenstand haben, ist § 19 Abs. 1 nicht an- zuwenden, wenn diese vor dem 22.
Dezember 2007 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere
Änderungen solcher Schuldverhältnisse.
Artikel 2
Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten
(Soldatinnen- und Soldaten- Gleichbehandlungsgesetz – SoldGG)
Abschnitt 1
Allgemeiner Teil
§ 1 Ziel des Gesetzes
(1) Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der
ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen
Identität für den Dienst als Soldatin oder Soldat zu verhindern oder zu
beseitigen.
(2) Ziel des Gesetzes ist es auch, Soldatinnen und Soldaten vor
Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigung und
sexueller Belästigung im Dienstbetrieb zu schützen. Der Schutz
schwerbehinderter Soldatinnen und Soldaten vor Benachteiligungen wegen
ihrer Behinderung wird nach Maßgabe des § 18 gewährleistet.
(3) Alle Soldatinnen und Soldaten, insbesondere solche mit Vorgesetzten- und
Führungsaufgaben, sind in ihrem Aufgabenbereich aufgefordert, an der
Verwirklichung dieser Ziele mitzuwirken. Dies gilt auch für den Dienstherrn,
für Personen und Gremien, die Beteiligungsrechte nach dem
Soldatenbeteiligungsgesetz wahrnehmen, und für Gleichstellungsbeauftragte
und deren Stellvertreterinnen.
§ 2 Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz findet Anwendung auf
1.
Maßnahmen bei der Begründung, Ausgestaltung und Beendigung eines
Dienstverhältnisses und beim beruflichen Aufstieg sowie auf den
Dienstbetrieb; hierzu zählen insbesondere Auswahlkriterien und
Einstellungsbedingungen sowie die Ausgestaltung des Dienstes,
2.
den Zugang zu allen Formen und Ebenen der soldatischen Ausbildung,
Fort- und Weiterbildung und beruflicher Förderungsmaßnahmen
einschließlich der praktischen Berufserfahrung,
3.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einem Berufsverband oder in einer
sonstigen Interessenvertretung von Soldatinnen und Soldaten,
einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher
Organisationen.
(2) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der
Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für
öffentlich-rechtliche
Vorschriften,
die
dem
Schutz
bestimmter
Personengruppen dienen.
§ 3 Begriffsbestimmungen
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines
in § 1 Abs. 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als
eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach
neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1
Abs. 1 genannten Grundes in besonderer Weise gegenüber anderen Personen
benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien
oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die
Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung als Form der Benachteiligung liegt vor, wenn
unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten
Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde
der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung als Form der Benachteiligung liegt vor, wenn ein
unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte
sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte
körperliche
Berührungen,
Bemerkungen sexuellen Inhalts
sowie
unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen
Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der
betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 Abs. 1
genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in
Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 insbesondere vor, wenn jemand eine Person
zu einem Verhalten bestimmt, das eine der in § 6 genannten Personen wegen
eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 8
§ 4 Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Unterabschnitt 3
Erfolgt eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 Abs. 1
genannten Gründe, so kann diese unter- schiedliche Behandlung gemäß § 8 nur
gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe
erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt.
Rechte der in § 6 genannten Personen
§ 5 Positive Maßnahmen
Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn
durch geeignete und angemessene Maßnahmen tatsächliche Nachteile wegen
eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden
sollen.
Abschnitt 2
§ 11 Beschwerderecht
(1) Soldatinnen und Soldaten, die sich von Dienststellen der Bundeswehr, von
Vorgesetzten oder von Kameradinnen oder Kameraden wegen eines in § 1 Abs.
1 oder 2 genannten Grundes benachteiligt fühlen, können sich beschweren. Das
Nähere regelt die Wehrbeschwerdeordnung.
(2) Die in § 6 Nr. 2 genannten Personen können sich wegen einer in § 1 Abs. 1
oder 2 genannten Benachteiligung bei der für ihre Einberufung oder
Bewerbung zuständigen Stelle der Bundeswehr beschweren. Diese hat die
Beschwerde zu prüfen und das Ergebnis der beschwerdeführenden Person
mitzuteilen.
Schutz vor Benachteiligung
§ 12 Entschädigung und Schadensersatz
Unterabschnitt 1
Verbot der Benachteiligung
§ 6 Persönlicher Anwendungsbereich
Dieses Gesetz dient dem Schutz von
1.
Soldatinnen und Soldaten,
2.
Personen, die zu einer Einberufung zum Wehrdienst nach Maßgabe des
Wehrpflichtgesetzes heranstehen oder die sich um die Begründung eines
Wehrdienstverhältnisses auf Grund freiwilliger Verpflichtung bewerben.
§ 7 Benachteiligungsverbot
(1) Die in § 6 genannten Personen dürfen nicht wegen eines in § 1 Abs. 1
genannten Grundes benachteiligt werden. Dies gilt auch, wenn die Soldatin
oder der Soldat, die oder der die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines
in § 1 Abs. 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Jede Belästigung, sexuelle Belästigung und Anweisung zu einer solchen
Handlungsweise ist eine Verletzung dienstlicher Pflichten und Soldatinnen und
Soldaten untersagt.
§ 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher
Anforderungen
Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten
Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der dienstlichen
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und
entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig
und die Anforderung angemessen ist.
Unterabschnitt 2
Organisationspflichten des Dienstherrn
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Dienstherr
verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht,
wenn der Dienstherr die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann eine in § 6
genannte, geschädigte Person eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen. Die Entschädigung darf bei Begründung eines Dienstverhältnisses
drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn für die geschädigte Person auch
bei benachteiligungsfreier Auswahl kein Dienstverhältnis begründet worden
wäre.
(3) Ein Anspruch nach den Absätzen 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von
drei zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt im
Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der
Ablehnung, in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt,
zu dem die in § 6 genannte Person von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(4) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Dienstherrn, die sich aus anderen
Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(5) Ein Verstoß des Dienstherrn gegen das Benachteiligungsverbot des § 7
begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Dienstverhältnisses, auf eine
Maßnahme der Ausbildung oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein
solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
§ 13 Maßregelungsverbot
(1) Der Dienstherr darf eine in § 6 genannte Person nicht wegen der
Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Abschnitt oder wegen der
Weigerung, eine gegen diesen Abschnitt verstoßende Weisung auszuführen,
benachteiligen. Gleiches gilt für Personen, die eine in § 6 genannte Person
hierbei unterstützen oder als Zeuginnen oder Zeugen aussagen.
(2) Die Zurückweisung oder Duldung benachteiligender Verhaltensweisen
durch betroffene, in § 6 genannte Personen darf nicht als Grundlage für eine
Entscheidung herangezogen werden, die diese Personen berührt. Absatz 1 Satz
2 gilt entsprechend.
(3) § 15 gilt entsprechend.
§ 9 Personalwerbung; Dienstpostenbekanntgabe
Anzeigen der Personalwerbung sowie Dienstposten für Soldatinnen und
Soldaten dürfen nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 bekannt gegeben werden.
§ 14 Mitgliedschaft in Vereinigungen
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend für die
Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in
§ 10 Maßnahmen und Pflichten des Dienstherrn
1.
einem Berufsverband der Soldatinnen und Soldaten,
(1) Der Dienstherr ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz
vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes und zum
Schutz vor den in § 1 Abs. 2 genannten Handlungen zu treffen. Dieser Schutz
umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.
2.
einer sonstigen Interessenvertretung von Soldatinnen und Soldaten,
insbesondere
wenn
deren
Mitglieder
einer
bestimmten
Verwendungsgruppe angehören, wenn ein grundlegendes Interesse am
Erwerb der Mitgliedschaft besteht, sowie deren jeweiligen
Zusammenschlüssen.
(2) Der Dienstherr soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen
der Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen und
Handlungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der
Dienstherr sein Personal in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung
von Benachteiligungen geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach
Absatz 1.
(3) Bei Verstößen gegen die Verbote des § 7 hat der Dienstherr die im
Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen dienstrechtlichen
Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen.
(4) Werden in § 6 genannte Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch
Dritte nach § 7 benachteiligt, so hat der Dienstherr die im Einzelfall
geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ihrem Schutz zu
ergreifen.
(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie die Vorschriften des Abschnitts 6
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind in den Dienststellen und
Truppenteilen der Streitkräfte bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann
durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder durch den Einsatz der
in den Dienststellen und Truppenteilen üblichen Informations- und
Kommunikationstechnik erfolgen.
(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des
§ 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung
in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.
Abschnitt 3
Rechtsschutz
§ 15 Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft macht Indizien beweist,
die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 Abs. 1 Abs. 1 und 2 Satz 1
genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast
dafür, dass andere als in § 1 Abs. 1 genannte sachliche Gründe die
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder die unterschiedliche
Behandlung wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes nach Maßgabe
dieses Gesetzes zulässig ist kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz
vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 9
§ 16 Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
2. § 61b wird wie folgt geändert:
(1) Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht
gewerbsmäßig und nicht nur vorüber- gehend entsprechend ihrer Satzung die
besonderen Interessen der in § 6 genannten Personen im Rahmen einer
Benachteiligung nach § 1 Abs. 1 oder 2 wahrnehmen. Die Befugnisse nach den
Absätzen 2 bis 4 stehen ihnen zu, wenn sie mindestens 75 Mitglieder haben
oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden.
(2) Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rahmen ihres
Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, in denen eine Vertretung durch
Anwälte und Anwältinnen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, als
Bevollmächtigte und Beistände der in § 6 genannten Personen in der
Verhandlung aufzutreten. Im Übrigen bleiben die Vorschriften der
Verfahrensordnungen, insbesondere diejenigen, nach denen Bevollmächtigten
und Beiständen weiterer Vortrag untersagt werden kann, unberührt.
(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die
Besorgung von Rechtsangelegenheiten der in § 6 genannten Personen gestattet.
(4) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse von Verbänden zu
Gunsten von behinderten Menschen bleiben unberührt.
Abschnitt 4
Ergänzende Vorschriften
§ 17 Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Abschnitt 6 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes findet im Rahmen dieses Gesetzes
Anwendung.
§ 18 Schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten
(1) Schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten dürfen bei einer Maßnahme,
insbesondere beim beruflichen Aufstieg oder bei einem Befehl, nicht wegen
ihrer Behinderung benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung
wegen der Behinderung ist jedoch zulässig, soweit eine Maßnahme die Art der
von der schwerbehinderten Soldatin oder dem schwerbehinderten Soldaten
auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und
entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist. Macht Wenn im
Streitfall die schwerbehinderte Soldatin oder der schwerbehinderte Soldat
Tatsachen glaubhaft Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen der
Behinderung vermuten lassen, trägt der Dienstherr die Beweislast dafür, dass
nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche
Behandlung rechtfertigen oder eine bestimmte körperliche Funktion, geistige
Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung für diese Tätigkeit ist.
(2) Wird gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot beim
beruflichen Aufstieg verstoßen, können hierdurch benachteiligte
schwerbehinderte Soldatinnen oder Soldaten eine angemessene Entschädigung
in Geld verlangen; ein Anspruch auf den beruflichen Aufstieg besteht nicht.
Ein Anspruch auf Entschädigung muss innerhalb von zwei Monaten, nachdem
die schwerbehinderte Soldatin oder der schwerbehinderte Soldat von dem
Nichtzustandekommen des beruflichen Aufstiegs Kenntnis erhalten hat,
geltend gemacht werden.
§ 19 Unabdingbarkeit
Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zu Ungunsten der
Soldatinnen und Soldaten abgewichen werden.
§ 20 Übergangsvorschrift
Erfolgen Benachteiligungen in Form sexueller Belästigungen nach dem
Beschäftigtenschutzgesetz vor dem 18. August 2006, ist das zu diesem
Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.
Artikel 3
Änderungen in anderen Gesetzen
(1) Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli
1979 (BGBl. I S. 853, 1036), zuletzt geändert durch Artikel 105 des Gesetzes
vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866), wird wie folgt geändert:
1.
§ 11 wird wie folgt geändert:
a)
Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Zulässig ist auch eine Vertretung durch Vertreter der in § 23 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bezeichneten Verbände bei
der Geltendmachung eines Rechts wegen eines Verstoßes gegen das
Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes, wenn diese Personen kraft Satzung oder
Vollmacht zur Vertretung befugt sind.“
b)
In Absatz 3 Satz 2 wird die Angabe „Satz 2 bis 5“ durch die Angabe
„Satz 2 bis 6“ ersetzt.
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„Klage wegen Benachteiligung“.
b) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten,
nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist,
erhoben werden.“
c) In Absatz 2 Satz 1 wird die Angabe „nach § 611a Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs“ durch die Angabe „nach § 15 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ ersetzt.
(2) Artikel 2 des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13. August
1980 (BGBl. I S. 1308), das durch Artikel 9 des Gesetzes vom 24. Juni 1994
(BGBl. I S. 1406) geändert worden ist, wird aufgehoben.
(3) § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt
durch Artikel 5 Nr. 2 des Gesetzes vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974)
geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle
im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und
Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung
von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen
Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer
Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung,
ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung
oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen
Identität unterbleibt.“
(4) § 67 Abs. 1 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März
1974 (BGBl. I S. 693), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 14.
September 2005 (BGBl. I S. 2746) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu wachen, dass
alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit
behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von
Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen
Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer
Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung,
ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung
oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen
Identität unterbleibt.“
(5) § 8 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I S. 675), das zuletzt durch
Artikel 19a des Gesetzes vom 19. Februar 2006 (BGBl. I S. 334) geändert
worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Die Bewerber sind durch Stellenausschreibung zu ermitteln. Ihre
Auslese ist nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne
Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische
Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische
Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität
vorzunehmen. Dem stehen gesetzliche Maßnahmen zur Förderung
von Beamtinnen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung
im
Erwerbsleben,
insbesondere
Quotenregelungen
mit
Einzelfallprüfungen, sowie gesetzliche Maßnahmen zur Förderung
schwerbehinderter Menschen nicht entgegen.“
(6) § 27 Abs. 1 des Sprecherausschussgesetzes vom 20. Dezember 1988
(BGBl. I S. 2312, 2316), das zuletzt durch Artikel 174 der Verordnung vom 25.
November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Arbeitgeber und Sprecherausschuss haben darüber zu wachen,
dass alle leitenden Angestellten des Betriebs nach den Grundsätzen
von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede
Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen
ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen
Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung,
ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder
gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres
Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“
(7) Das Erste Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (Artikel I des
Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch
Artikel 2 des Gesetzes vom 24. April 2006 (BGBl. I S. 926), wird wie folgt
geändert:
1.
In der Inhaltsübersicht werden nach der Angabe „§ 33a Altersabhängige
Rechte und Pflichten“ folgende Angaben eingefügt:
„§ 33bLebenspartnerschaften
„§ 33c Benachteiligungsverbot“.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 10
2.
Nach § 33b wird folgender § 33c eingefügt:
„§ 33c
Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf niemand aus Gründen
der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung
benachteiligt werden. Ansprüche können nur insoweit geltend
gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und
Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses
Gesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind.“
(8) § 36 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung –
(Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt
durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:
1.
In Satz 1 werden die Wörter „oder ähnlicher Merkmale“ gestrichen.
2.
Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Die Agentur für Arbeit darf Einschränkungen, die der Arbeitgeber
für eine Vermittlung aus Gründen der Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer
Behinderung oder der sexuellen Identität des Ausbildungssuchenden
und Arbeitssuchenden vornimmt, nur berücksichtigen, soweit sie
nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zulässig sind.“
3.
In Satz 3 wird das Wort „ , Religionsgemeinschaft“ gestrichen.
(9) Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die
Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar
2006 (BGBl. I S. 86, 466), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom
20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706), wird wie folgt geändert:
1.
In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe „§ 19 Leistungen auf Antrag
oder von Amts wegen“ folgende Angabe eingefügt:
2.
In § 1 Abs. 2 wird die Angabe „§§ 18f und 18g“ durch die Angabe „§§
18f, 18g und 19a“ ersetzt.
(12) § 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom
30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), das zuletzt durch … vom … (BGBl. I S. …)
geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Der Soldat ist nach Eignung, Befähigung und Leistung ohne
Rücksicht auf Geschlecht, sexuelle Identität, Abstammung, Rasse,
Glauben, Weltanschauung, religiöse oder politische Anschauungen,
Heimat, ethnische oder sonstige Herkunft zu ernennen und zu
verwenden.“
(13) Dem § 73 Abs. 6 des Sozialgerichtsgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), das zuletzt
durch Artikel 9 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) geändert
worden ist, werden folgende Sätze angefügt:
„§ 157 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gilt auch nicht für Mitglieder
und Angestellte der in § 23 Abs. 1 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes genannten Vereinigungen, die im
Rahmen des Satzungszwecks der Vereinigung als Bevollmächtigte
von Beteiligten tätig werden. Den in Satz 5 genannten Vereinigungen
ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die Besorgung von
Rechtsangelegenheiten Beteiligter gestattet.“
(14) Die §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der
Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I
S. 738), das zuletzt durch Artikel 123 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl.
I S. 866) geändert worden ist, werden aufgehoben.
(15) Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz vom 27. Dezember
2004 (BGBl. I S. 3822) wird wie folgt geändert:
1.
a) Absatz 6 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Eine unmittelbare Diskriminierung von Soldatinnen ist gegeben,
wenn diese auf Grund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren
Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren als Soldaten
erfahren, erfahren haben oder erfahren würden.“
„§ 19a Benachteiligungsverbot“.
3.
Nach § 19 wird folgender § 19a eingefügt:
„§ 19a
Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme von Leistungen, die den Zugang zu allen
Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung, der
beruflichen Weiterbildung, der Umschulung einschließlich der
praktischen Berufserfahrung betreffen, darf niemand aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder
der sexuellen Identität benachteiligt werden. Ansprüche können nur
insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren
Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen
Teile dieses Gesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind.“
b) Absatz 7 wird aufgehoben.
2.
§ 5 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
„(2)
Bei
Verstößen
der
Dienststellen
gegen
die
Benachteiligungsverbote bei Begründung eines Dienstverhältnisses
und beim beruflichen Aufstieg findet § 12 des Soldatinnen- und
Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes Anwendung.“
3. § 16 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 5 Satz 1 wird die Angabe „3“ durch die Angabe „4“ ersetzt.
b) Absatz 8 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Sie dürfen nicht zugleich Vertrauensperson
Soldatenbeteiligungsgesetz
sein
oder
Schwerbehindertenvertretung angehören.“
In § 36 Satz 3 werden nach den Wörtern „den Arbeitsschutz,“ die Wörter
„den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf,“
eingefügt.
2.
§ 81 Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes.“
§ 4 Abs. 7 wird aufgehoben.
2.
§ 5 wird wie folgt geändert:
3.
a)
Absatz 2 wird aufgehoben.
b)
Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.
In § 19 Abs. 1 Satz 1 werden die Wörter „des
Beschäftigtenschutzgesetzes“ durch die Wörter „des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes im Hinblick auf den Schutz vor
Benachteiligungen wegen des Geschlechts und sexueller Belästigung“
ersetzt.
dem
einer
d) Absatz 11 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Absatz 10 gilt entsprechend.“
(11) Das Bundesgleichstellungsgesetz vom 30. November 2001 (BGBl. I S.
3234), wird wie folgt geändert:
1.
nach
c) Absatz 10 wird wie folgt geändert:
aa) In Satz 3 werden nach dem Wort „sein“ die Wörter „,wobei eine
ehrenamtliche Richterin oder ein ehrenamtlicher Richter
Unteroffizier, die andere ehrenamtliche Richterin oder der andere
ehrenamtliche Richter Stabsoffizier sein muss“ eingefügt.
bb) Satz 4 wird wie folgt gefasst:
„Die Reihenfolge der Heranziehung richtet sich nach der
einheitlichen Liste der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter für
Verfahren nach diesem Gesetz, in der die verschiedenen
Teilstreitkräfte angemessen zu berücksichtigen sind; § 74 Abs. 8 der
Wehrdisziplinarordnung gilt entsprechend.“
(10) Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen – (Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S.
1046, 1047), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Juli 2006
(BGBl. I S. 1706), wird wie folgt geändert:
1.
§ 4 wird wie folgt geändert:
e) In Absatz 12 wird die Angabe „2“ durch die Angabe „1“ ersetzt.
4.
§ 19 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die Gleichstellungsbeauftragte hat den Vollzug dieses Gesetzes in
der Dienststelle zu fördern und zu unterstützen; dies gilt auch für das
Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz in Bezug auf
das Verbot von Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in
Form von Belästigungen und sexuellen Belästigungen.“
(16) In § 15a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Einführung der
Zivilprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer
310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 49 des
Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866) geändert worden ist, werden der
Schlusspunkt durch ein Komma ersetzt und folgende Nummer 4 angefügt:
„4. in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.“
Artikel 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am … in Kraft. Gleichzeitig tritt das
Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412) außer
Kraft. Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig
tritt das Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412)
außer Kraft.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 11
Das neue Gleichbehandlungsrecht
Überblick
Das „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“
umfasst 4 Artikel:
Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
Artikel 1:
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Abschnitt 1: §§ 1-5
– Allgemeiner Teil
Der Allgemeine Teil des AGG enthält Regelungen zum Ziel des Gesetzes (Schutz vor Benachteiligung aus unzulässigen Gründen) und zum
Anwendungsbereich (insb. Erwerbstätigkeit sowie Versorgung mit der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Gütern und
Dienstleistungen). Die Begriffe „unmittelbare“ und „mittelbare Benachteiligung“ sowie „(sexuelle) Belästigung“ werden näher bestimmt und
die Zuläsigkeit „positiver Maßnahmen“ wird geregelt.
-
Abschnitt 2: §§ 6-18
– Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung
Abschnitt 2 enthält den „arbeitsrechtlichen“ Teil des AGG. Es finden sich Regelungen zu verbotenen Benachteiligungen, wobei dabei alle in
§ 1 genannten Diskriminierungsmerkmale erfasst sind. Geregelt werden auch Fälle zulässiger unterschiedlicher Behandlung (wegen
beruflicher Anforderungen, der Religion oder Weltanschauung sowie des Alters. Es werden „Organisationspflichten des Arbeitgebers“
(Ausschreibung, Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung – insbesondere durch deren Schulung) geregelt und die
Rechte der Beschäftigten im Falle der Benachteiligung beschrieben: Beschwerderecht, Leistungsverweigerungsrecht, Entschädigung und
Schadensersatz. Abschließende ergänzende Vorschriften regeln Pflichten der „Sozialpartner“.
-
Abschnitt 3: §§ 19-21
– Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr
Der Abschnitt regelt Benachteiligungsverbote im „nichtarbeitsrechtlichen“ Zivilrecht. Bei Massengschäften und privatrechtlichen
Versicherungen sind mit Ausnahme der Weltanschauung alle in § 1 genannten Gründe erfasst. „Rassen“-Diskriminierung ist darüber hinaus
auch bei sonstigen Rechtsgeschäften unzulässig. Ausnahmen gelten für familien- und erbrechtliche sowie Nähe-/Vertrauensverhältnisse
begründende Schuldverhältnisse. Weiter finden sich Regelungen über Fälle zulässiger unterschiedlicher Behandlung sowie der Ansprüche
des Benachteiligten.
-
Abschnitt 4: §§ 22-23
– Rechtsschutz
Der Abschnitt regelt die Beweislast sowie die Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände.
-
Abschnitt 5: § 24
– Sonderregelungen für öffentlich rechtliche Dienstverhältnisse
Der Abschnitt regelt die entsprechende Anwendbarkeit des Gesetzes auf Beamte, Richter und Zivildienstleistende.
-
Abschnitt 6: § 25-30
– Antidiskriminierungsstelle
Der Abschnitt enthält Regelungen zur Rechtsstellung sowie zu Aufgaben und Befugnissen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
-
Abschnitt 7: §§ 31-33
– Schlussvorschriften
Der Abschnitt enthält Regelungen zur Unabdingbarkeit, zur Geltung allgemeiner Bestimmungen und enthält die Übergangsbestimmung.
Artikel 2:
Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (SoldGG)
Die im Abschnitt 2 des AGG (Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung) getroffenen Regelungen sollen im
Prinzip auch für Soldaten gelten. Gegenüber dem AGG besteht jedoch die Besonderheit, dass Benachteiligungen
aus Gründen der Merkmale „Behinderung“ und „Alter“ für den Bereich des Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetzes wegen des „überragenden Erfordernisses“ der „Einsatzbereitschaft und Schlagkraft
der Streitkräfte“ keine Regelung gefunden haben.
Artikel 3:
Änderungen in anderen Gesetzen
Das Gesetz löst einige „verstreute“ Antidiskriminierungsregeln ab, die somit aufgehoben werden (u.a.
Beschäftigtenschutzgesetz, §§ 611a, 611b, 612 Abs. 3 BGB. Weitere verstreute Antidiskriminierungsregeln
werden modifiziert, Regelungen des Prozessrechts werden an die besonderen Rechtsschutzmöglichkeiten
angepasst, usw.
Artikel 4:
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Das Gesetz ist am Tag nach der Verkündung und damit am 18.8.2006 in Kraft getreten. Zeitgleich trat das
A. Gerechtigkeit
Beschäftigtenschutzgesetz außer Kraft. Vgl. auch die Übergangsbestimmungen in § 33 AGG und § 20 SoldGG.
Dreier, Ralf: Was ist Gerechtigkeit?, JUS 1996, S. 580 ff.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 12
Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien
zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
Artikel 1
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Abschnitt 1:
Allgemeiner Teil
§1
§2
§3
§4
§5
Abschnitt 2:
Ziel des Gesetzes 
Anwendungsbereich
Begriffsbestimmungen
Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Positive Maßnahmen
Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung
Unterabschnitt 1:
Verbot der Benachteiligung
§ 6 Persönlicher Anwendungsbereich
§ 7 Benachteiligungsverbot
§ 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen
§ 9 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung
§ 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
Unterabschnitt 2:
Organisationspflichten des Arbeitgebers
§ 11 Ausschreibung
§ 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers
Unterabschnitt 3:
Rechte der Beschäftigten
§ 13 Beschwerderecht
§ 14 Leistungsverweigerungsrecht
§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
§ 16 Maßregelungsverbot
Unterabschnitt 4:
Ergänzende Vorschriften
§ 17 Soziale Verantwortung der Beteiligten
§ 18 Mitgliedschaft in Vereinigungen
Abschnitt 3:
Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr
§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
§ 20 Zulässige unterschiedliche Behandlung
§ 21 Ansprüche
Abschnitt 4:
Rechtsschutz
§ 22 Beweislast
§ 23 Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
Abschnitt 5:
Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
§ 24 Sonderregelung für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
Abschnitt 6:
Antidiskriminierungsstelle
§ 25 Antidiskriminierungsstelle des Bundes
§ 26 Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
§ 27 Aufgaben
§ 28 Befugnisse
§ 29 Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Einrichtungen
§ 30 Beirat
Abschnitt 7:
Schlussvorschriften
§ 31 Unabdingbarkeit
§ 32 Schlussbestimmung
§ 33 Übergangsbestimmungen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 13
Artikel 2
Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten
(Soldatinnen- und Soldaten- Gleichbehandlungsgesetz – SoldGG)
Abschnitt 1:
Allgemeiner Teil
§1
§2
§3
§4
§5
Abschnitt 2:
Abschnitt 3:
Ziel des Gesetzes
Anwendungsbereich
Begriffsbestimmungen
Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Positive Maßnahmen
Schutz vor Benachteiligung
Unterabschnitt 1:
Verbot der Benachteiligung
§ 6 Persönlicher Anwendungsbereich
§ 7 Benachteiligungsverbot
§ 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen
Unterabschnitt 2:
Organisationspflichten des Dienstherrn
§ 9 Personalwerbung; Dienstpostenbekanntgabe
§ 10 Maßnahmen und Pflichten des Dienstherrn
Unterabschnitt 3:
Rechte der in § 6 genannten Personen
§ 11 Beschwerderecht
§ 12 Entschädigung und Schadensersatz
§ 13 Maßregelungsverbot
§ 14 Mitgliedschaft in Vereinigungen
Rechtsschutz
§ 15 Beweislast
§ 16 Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
Abschnitt 4:
Ergänzende Vorschriften
§ 17 Antidiskriminierungsstelle des Bundes
§ 18 Schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten
§ 19 Unabdingbarkeit
§ 20 Übergangsvorschrift
Artikel 3
Änderungen in anderen Gesetzen
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
(11)
(12)
(13)
(14)
(15)
(16)
Arbeitsgerichtsgesetz
Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetzes (Aufhebung des Artikel 2)
Betriebsverfassungsgesetz (§ 75 Abs. 1)
Bundespersonalvertretungsgesetz (§ 67 Abs. 1 Satz 1)
Bundesbeamtengesetz (§ 8 Abs. 1)
Sprecherausschussgesetzes (§ 27 Abs. 1)
Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil –
Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung –
Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung –
Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen –
Bundesgleichstellungsgesetz
Soldatengesetz
Sozialgerichtsgesetz
Bürgerliches Gesetzbuch (Aufhebung der §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3)
Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz
EG ZPO
Artikel 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
zu Art. 4
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 14
Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien
zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung1
Vom 14. August 2006
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Abschnitt 1
Allgemeiner Teil
Vgl. auch den Überblick über den ersten Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 25)
§1
Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts,
der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu
beseitigen.
Vgl. zum Ziel des Gesetzes auch die Vorbemerkung zum Gesetzesentwurf (BT-Drs. 16/1780, S. 1 ff.) sowie den Allgemeinen Teil der
Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 16/1780, S. 20 ff.).
§2
Anwendungsbereich
(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:
1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu
unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position,
sowie für den beruflichen Aufstieg,
2. die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen,
insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und
Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3. den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der
Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung,
deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen
solcher Vereinigungen,
5. den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6. die sozialen Vergünstigungen,
7. die Bildung,
8. den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen,
einschließlich von Wohnraum.
1
Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinien
– 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen
Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22),
– 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16),
– 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung
und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15) und
– 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim
Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EU Nr. L 373 S. 37).
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 15
(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten
Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.
(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht
berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.
(4) Für Kündigungen gelten vorrangig die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes. Für Kündigungen gelten
ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.
§3
Begriffsbestimmungen
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger
günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren
würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im
Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren
Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen
können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich
gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten
Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein
von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes
Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes,
sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell
bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares
Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden
Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen
oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine
solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem
Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes
benachteiligt oder benachteiligen kann.
§4
Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Erfolgt eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 genannten Gründe, so kann diese unterschiedliche
Behandlung nach den §§ 8 bis 10 und 20 nur gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe
erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt.
§5
Positive Maßnahmen
Ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 sowie in § 20 benannten Gründe ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig,
wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes
verhindert oder ausgeglichen werden sollen.
Abschnitt 2
Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung
Vgl. auch den Überblick über den zweiten Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 25 f.)
Unterabschnitt 1
Verbot der Benachteiligung
§6
Persönlicher Anwendungsbereich
(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 16
2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind;
zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen,
deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.
(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen
sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem
Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in
Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder
Zwischenmeister.
(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die
Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder
Geschäftsführerinnen und Vorstände entsprechend.
§7
Benachteiligungsverbot
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die
Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur
annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind
unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
§8
Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen
(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der
Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten
Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften
gelten.
§9
Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung
(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der
Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre
Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur
Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des
Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr
Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.
(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berührt nicht das Recht der
in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre
Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur
Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen
Selbstverständnisses verlangen zu können.
§ 10
Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und
angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen
und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
1. die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie
besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren
Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2. die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur
Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 17
3. die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines
bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem
Eintritt in den Ruhestand,
4. die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die
Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung
unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von
Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische
Berechnungen,
5. eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt
vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6. eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl anlässlich einer betriebsbedingten Kündigung im Sinne des
§ 1 des Kündigungsschutzgesetzes, soweit dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen Auswahlkriterien
zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede zwischen den
vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden,
7. die individual- oder kollektivrechtliche Vereinbarung der Unkündbarkeit von Beschäftigten eines bestimmten Alters
und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit, soweit dadurch nicht der Kündigungsschutz anderer Beschäftigter im
Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes grob fehlerhaft gemindert wird,
8. Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien
eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich
vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des
Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans
ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von
Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.
Unterabschnitt 2
Organisationspflichten des Arbeitgebers
§ 11
Ausschreibung
Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ausgeschrieben werden.
§ 12
Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in
§ 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.
(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung,
auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der
Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt
dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.
(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall
geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung,
Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der
Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten
zu ergreifen.
(5) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von
Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die
Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der
Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.
Unterabschnitt 3
Rechte der Beschäftigten
§ 13
Beschwerderecht
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 18
(1) Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der
Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber,
von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen. Die
Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.
(2) Die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.
§ 14
Leistungsverweigerungsrecht
Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder
sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des
Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. § 273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt
unberührt.
§ 15
Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen
Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene
Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht
übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung
verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von drei zwei Monaten schriftlich geltend gemacht
werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer
Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer
Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf
Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei
denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
§ 16
Maßregelungsverbot
(1) Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Abschnitt oder
wegen der Weigerung, eine gegen diesen Abschnitt verstoßende Anweisung auszuführen, benachteiligen. Gleiches gilt
für Personen, die den Beschäftigten hierbei unterstützen oder als Zeuginnen oder Zeugen aussagen.
(2) Die Zurückweisung oder Duldung benachteiligender Verhaltensweisen durch betroffene Beschäftigte darf nicht als
Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden, die diese Beschäftigten berührt. Absatz 1 Satz 2 gilt
entsprechend.
(3) § 22 gilt entsprechend.
Unterabschnitt 4
Ergänzende Vorschriften
§ 17
Soziale Verantwortung der Beteiligten
(1) Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigte und deren Vertretungen sind aufgefordert, im Rahmen ihrer
Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten an der Verwirklichung des in § 1 genannten Ziels mitzuwirken.
(2) Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften aus diesem Abschnitt können der Betriebsrat oder eine im
Betrieb vertretene Gewerkschaft unter der Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes die
dort genannten Rechte gerichtlich geltend machen; § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt
entsprechend. In Betrieben, in denen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes
vorliegen, können bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften aus diesem Abschnitt der Betriebsrat
oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter der Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des
Betriebsverfassungsgesetzes die dort genannten Rechte gerichtlich geltend machen; § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 des
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 19
Betriebsverfassungsgesetzes gilt entsprechend. Mit dem Antrag dürfen nicht Ansprüche des Benachteiligten geltend
gemacht werden.
§ 18
Mitgliedschaft in Vereinigungen
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer
1. Tarifvertragspartei,
2. Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören oder die eine überragende Machtstellung
im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich innehat, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft
besteht,
sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen.
(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch
auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.
Abschnitt 3
Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr
Vgl. auch den Überblick über den dritten Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 25 f.)
§ 19
Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
(1) Eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der
Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande
kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine
nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen
oder
2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
ist unzulässig.
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei der
Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5
bis 8 unzulässig.
(3) Bei der Vermietung von Wohnraum kann ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und
Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig sein.
(4) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse.
(5) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen ein
besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnissen
kann dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück
nutzen. Die Vermietung von Wohnraum zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch ist in der Regel kein Geschäft im
Sinne des Absatzes 1 Nr. 1, wenn der Vermieter insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet.
§ 20
Zulässige unterschiedliche Behandlung
(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen
der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein
sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
1. der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient,
2. dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt,
3. besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt,
4. an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen anknüpft und im Hinblick auf die Ausübung der Religionsoder Weltanschauungsfreiheit oder auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, der ihnen
zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform sowie der Vereinigungen, die sich die
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 20
gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, unter Beachtung des jeweiligen
Selbstverständnisses gerechtfertigt ist.
(2) Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 bei den Prämien oder
Leistungen nur zulässig, wenn dessen Berücksichtigung bei einer auf relevanten und genauen
versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist.
Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien
oder Leistungen führen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung, einer
Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn diese auf
anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch
ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.
§ 21
Ansprüche
(1) Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die
Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung
klagen.
(2) Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbotes ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen
Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen
eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen.
(3) Ansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt.
(4) Auf eine Vereinbarung, die von dem Benachteiligungsverbot abweicht, kann sich der Benachteiligende nicht
berufen.
(5) Ein Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 muss innerhalb einer Frist von drei zwei Monaten geltend gemacht
werden. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne
Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.
Abschnitt 4
Rechtsschutz
Vgl. auch den Überblick über den vierten Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 26)
§ 22
Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft macht Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in
§ 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass andere als in § 1 genannte,
sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder die unterschiedliche Behandlung wegen eines in §
1 genannten Grundes nach Maßgabe dieses Gesetzes zulässig ist kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor
Benachteiligung vorgelegen hat.
§ 23
Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
(1) Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur
vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder
Personengruppen nach Maßgabe von § 1 wahrnehmen. Die Befugnisse nach den Absätzen 2 bis 4 stehen ihnen zu,
wenn sie mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden.
(2) Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rahmen ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, in denen
eine Vertretung durch Anwälte und Anwältinnen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, als Bevollmächtigte und Beistände
Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten. Im Übrigen bleiben die Vorschriften der Verfahrensordnungen,
insbesondere diejenigen, nach denen Bevollmächtigten und Beiständen weiterer Vortrag untersagt werden kann, unberührt.
(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten
Benachteiligter gestattet.
(4) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse von Verbänden zu Gunsten von behinderten Menschen bleiben
unberührt.
Abschnitt 5
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 21
Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
Vgl. auch den Überblick über den fünften Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 26)
§ 24
Sonderregelung für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für
1. Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der
Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen
Rechts,
2. Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder,
3. Zivildienstleistende sowie anerkannte Kriegsdienstverweigerer, soweit ihre Heranziehung zum Zivildienst betroffen
ist.
Abschnitt 6
Antidiskriminierungsstelle
Vgl. auch den Überblick über den sechsten Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 26 f.)
§ 25
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(1) Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird unbeschadet der Zuständigkeit der
Beauftragten des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung die Stelle des Bundes zum Schutz vor
Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes (Antidiskriminierungsstelle des Bundes) errichtet.
(2) Der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal- und
Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Sie ist im Einzelplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend in einem eigenen Kapitel auszuweisen.
§ 26
Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
(1) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ernennt auf Vorschlag der
Bundesregierung eine Person zur Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie steht nach Maßgabe dieses
Gesetzes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund. Sie ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig und
nur dem Gesetz unterworfen.
(2) Das Amtsverhältnis beginnt mit der Aushändigung der Urkunde über die Ernennung durch die Bundesministerin
oder den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(3) Das Amtsverhältnis endet außer durch Tod
1. mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages,
2. durch Ablauf der Amtszeit mit Erreichen der Altersgrenze nach § 41 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes,
3. mit der Entlassung.
Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entlässt die Leiterin oder den
Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf deren Verlangen oder wenn Gründe vorliegen, die bei einer
Richterin oder einem Richter auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen. Im Falle der Beendigung des
Amtsverhältnisses erhält die Leiterin oder der Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine von der
Bundesministerin oder dem Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vollzogene Urkunde. Die
Entlassung wird mit der Aushändigung der Urkunde wirksam.
(4) Das Rechtsverhältnis der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegenüber dem Bund wird durch
Vertrag mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geregelt. Der Vertrag bedarf der
Zustimmung der Bundesregierung.
(5) Wird eine Bundesbeamtin oder ein Bundesbeamter zur Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestellt,
scheidet er oder sie mit Beginn des Amtsverhältnisses aus dem bisherigen Amt aus. Für die Dauer des
Amtsverhältnisses ruhen die aus dem Beamtenverhältnis begründeten Rechte und Pflichten mit Ausnahme der Pflicht
zur Amtsverschwiegenheit und des Verbots der Annahme von Belohnungen oder Geschenken. Bei unfallverletzten
Beamtinnen oder Beamten bleiben die gesetzlichen Ansprüche auf das Heilverfahren und einen Unfallausgleich
unberührt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 22
§ 27
Aufgaben
(1) Wer der Ansicht ist, wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt worden zu sein, kann sich an die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.
(2) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt auf unabhängige Weise Personen, die sich nach Absatz 1 an
sie wenden, bei der Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen. Hierbei kann sie insbesondere
1. über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz
vor Benachteiligungen informieren,
2. Beratung durch andere Stellen vermitteln,
3. eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben.
Soweit Beauftragte des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung zuständig sind, leitet die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Anliegen der in Absatz 1 genannten Personen mit deren Einverständnis
unverzüglich an diese weiter.
(3) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt auf unabhängige Weise folgende Aufgaben wahr, soweit nicht die
Zuständigkeit der Beauftragten der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages berührt ist:
1. Öffentlichkeitsarbeit,
2. Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen aus den in § 1 genannten Gründen,
3. Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen zu diesen Benachteiligungen.
(4) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der
Bundesregierung und des Deutschen Bundestages legen gemeinsam dem Deutschen Bundestag alle vier Jahre Berichte
über Benachteiligungen aus den in § 1 genannten Gründen vor und geben Empfehlungen zur Beseitigung und
Vermeidung dieser Benachteiligungen. Sie können gemeinsam wissenschaftliche Untersuchungen zu
Benachteiligungen durchführen.
(5) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der
Bundesregierung und des Deutschen Bundestages sollen bei Benachteiligungen aus mehreren der in § 1 genannten
Gründe zusammenarbeiten.
§ 28
Befugnisse
(1) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann in Fällen des § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Beteiligte um
Stellungnahmen ersuchen, soweit die Person, die sich nach § 27 Abs. 1 an sie gewandt hat, hierzu ihr Einverständnis
erklärt.
(2) Alle Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen im Bereich des Bundes sind verpflichtet, die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere die
erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt.
§ 29
Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Einrichtungen
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll bei ihrer Tätigkeit Nichtregierungsorganisationen sowie Einrichtungen,
die auf europäischer, Bundes-, Landes- oder regionaler Ebene zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1
genannten Grundes tätig sind, in geeigneter Form einbeziehen.
§ 30
Beirat
(1) Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die sich den Schutz vor
Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zum Ziel gesetzt haben, wird der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes ein Beirat beigeordnet. Der Beirat berät die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der Vorlage von
Berichten und Empfehlungen an den Deutschen Bundestag nach § 27 Abs. 4 und kann hierzu sowie zu
wissenschaftlichen Untersuchungen nach § 27 Abs. 3 Nr. 3 eigene Vorschläge unterbreiten.
(2) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beruft im Einvernehmen mit der Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie den entsprechend zuständigen Beauftragten der Bundesregierung oder des
Deutschen Bundestages die Mitglieder dieses Beirats und für jedes Mitglied eine Stellvertretung. In den Beirat sollen
Vertreterinnen und Vertreter gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen sowie Expertinnen und Experten in
Benachteiligungsfragen berufen werden. Die Gesamtzahl der Mitglieder des Beirats soll 16 Personen nicht
überschreiten. Der Beirat soll zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt sein.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 23
(3) Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend bedarf.
(4) Die Mitglieder des Beirats üben die Tätigkeit nach diesem Gesetz ehrenamtlich aus. Sie haben Anspruch auf
Aufwandsentschädigung sowie Reisekostenvergütung, Tagegelder und Übernachtungsgelder. Näheres regelt die
Geschäftsordnung.
Abschnitt 7
Schlussvorschriften
Vgl. auch den Überblick über den siebten Abschnitt des Artikel 1 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 27)
§ 31
Unabdingbarkeit
Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zu Ungunsten der geschützten Personen abgewichen werden.
§ 32
Schlussbestimmung
Soweit in diesem Gesetz nicht Abweichendes bestimmt ist, gelten die allgemeinen Bestimmungen.
§ 33
Übergangsbestimmungen
(1) Bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder sexuellen
Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz [vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412)] ist das vor dem 18.
August 2006 maßgebliche Recht anzuwenden.
(2) Bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft sind die §§ 19 bis 21 nicht auf
Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 18. August 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere
Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.
(3) Bei Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Identität sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1. Dezember
2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.
(4) Auf Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist § 19 Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn diese vor dem 22. Dezember 2007 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen
solcher Schuldverhältnisse.
Artikel 2
Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten
(Soldatinnen- und Soldaten- Gleichbehandlungsgesetz – SoldGG)
Vgl. auch den Überblick über den Artikel 2 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 27)
Abschnitt 1
Allgemeiner Teil
§1
Ziel des Gesetzes
(1) Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der
Weltanschauung oder der sexuellen Identität für den Dienst als Soldatin oder Soldat zu verhindern oder zu beseitigen.
(2) Ziel des Gesetzes ist es auch, Soldatinnen und Soldaten vor Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form
von Belästigung und sexueller Belästigung im Dienstbetrieb zu schützen. Der Schutz schwerbehinderter Soldatinnen
und Soldaten vor Benachteiligungen wegen ihrer Behinderung wird nach Maßgabe des § 18 gewährleistet.
(3) Alle Soldatinnen und Soldaten, insbesondere solche mit Vorgesetzten- und Führungsaufgaben, sind in ihrem
Aufgabenbereich aufgefordert, an der Verwirklichung dieser Ziele mitzuwirken. Dies gilt auch für den Dienstherrn, für
Personen und Gremien, die Beteiligungsrechte nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz wahrnehmen, und für
Gleichstellungsbeauftragte und deren Stellvertreterinnen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 24
§2
Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz findet Anwendung auf
1. Maßnahmen bei der Begründung, Ausgestaltung und Beendigung eines Dienstverhältnisses und beim beruflichen
Aufstieg sowie auf den Dienstbetrieb; hierzu zählen insbesondere Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen
sowie die Ausgestaltung des Dienstes,
2. den Zugang zu allen Formen und Ebenen der soldatischen Ausbildung, Fort- und Weiterbildung und beruflicher
Förderungsmaßnahmen einschließlich der praktischen Berufserfahrung,
3. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einem Berufsverband oder in einer sonstigen Interessenvertretung von
Soldatinnen und Soldaten, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen.
(2) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht
berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.
§3
Begriffsbestimmungen
(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes eine
weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder
Verfahren Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes in besonderer Weise gegenüber anderen Personen
benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges
Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Eine Belästigung als Form der Benachteiligung liegt vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in
§ 1 Abs. 1 oder 2 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der
betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(4) Eine sexuelle Belästigung als Form der Benachteiligung liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes
Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte
körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von
pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird,
insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 Abs. 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung.
Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem
Verhalten bestimmt, das eine der in § 6 genannten Personen wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt
oder benachteiligen kann.
§4
Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe
Erfolgt eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 Abs. 1 genannten Gründe, so kann diese unterschiedliche Behandlung gemäß § 8 nur gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe
erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt.
§5
Positive Maßnahmen
Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene
Maßnahmen tatsächliche Nachteile wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden
sollen.
Abschnitt 2
Schutz vor Benachteiligung
Unterabschnitt 1
Verbot der Benachteiligung
§6
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 25
Persönlicher Anwendungsbereich
Dieses Gesetz dient dem Schutz von
1. Soldatinnen und Soldaten,
2. Personen, die zu einer Einberufung zum Wehrdienst nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes heranstehen oder die
sich um die Begründung eines Wehrdienstverhältnisses auf Grund freiwilliger Verpflichtung bewerben.
§7
Benachteiligungsverbot
(1) Die in § 6 genannten Personen dürfen nicht wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes benachteiligt werden.
Dies gilt auch, wenn die Soldatin oder der Soldat, die oder der die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1
Abs. 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Jede Belästigung, sexuelle Belästigung und Anweisung zu einer solchen Handlungsweise ist eine Verletzung
dienstlicher Pflichten und Soldatinnen und Soldaten untersagt.
§8
Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen
Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen
der Art der dienstlichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.
Unterabschnitt 2
Organisationspflichten des Dienstherrn
§9
Personalwerbung; Dienstpostenbekanntgabe
Anzeigen der Personalwerbung sowie Dienstposten für Soldatinnen und Soldaten dürfen nicht unter Verstoß gegen § 7
Abs. 1 bekannt gegeben werden.
§ 10
Maßnahmen und Pflichten des Dienstherrn
(1) Der Dienstherr ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in §
1 Abs. 1 genannten Grundes und zum Schutz vor den in § 1 Abs. 2 genannten Handlungen zu treffen. Dieser Schutz
umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.
(2) Der Dienstherr soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der Fortbildung, auf die Unzulässigkeit
solcher Benachteiligungen und Handlungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der
Dienstherr sein Personal in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen geschult, gilt dies
als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.
(3) Bei Verstößen gegen die Verbote des § 7 hat der Dienstherr die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und
angemessenen dienstrechtlichen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen.
(4) Werden in § 6 genannte Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 benachteiligt, so hat der
Dienstherr die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen.
(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie die Vorschriften des Abschnitts 6 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes sind in den Dienststellen und Truppenteilen der Streitkräfte bekannt zu machen. Die
Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder durch den Einsatz der in den
Dienststellen und Truppenteilen üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.
Unterabschnitt 3
Rechte der in § 6 genannten Personen
§ 11
Beschwerderecht
(1) Soldatinnen und Soldaten, die sich von Dienststellen der Bundeswehr, von Vorgesetzten oder von Kameradinnen
oder Kameraden wegen eines in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten Grundes benachteiligt fühlen, können sich beschweren.
Das Nähere regelt die Wehrbeschwerdeordnung.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 26
(2) Die in § 6 Nr. 2 genannten Personen können sich wegen einer in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten Benachteiligung bei
der für ihre Einberufung oder Bewerbung zuständigen Stelle der Bundeswehr beschweren. Diese hat die Beschwerde zu
prüfen und das Ergebnis der beschwerdeführenden Person mitzuteilen.
§ 12
Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Dienstherr verpflichtet, den hierdurch entstandenen
Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Dienstherr die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann eine in § 6 genannte, geschädigte Person eine
angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei Begründung eines Dienstverhältnisses drei
Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn für die geschädigte Person auch bei benachteiligungsfreier Auswahl kein
Dienstverhältnis begründet worden wäre.
(3) Ein Anspruch nach den Absätzen 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von drei zwei Monaten schriftlich geltend
gemacht werden. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der
Ablehnung, in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, zu dem die in § 6 genannte Person von der
Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(4) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Dienstherrn, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(5) Ein Verstoß des Dienstherrn gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 begründet keinen Anspruch auf Begründung
eines Dienstverhältnisses, auf eine Maßnahme der Ausbildung oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher
ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
§ 13
Maßregelungsverbot
(1) Der Dienstherr darf eine in § 6 genannte Person nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem
Abschnitt oder wegen der Weigerung, eine gegen diesen Abschnitt verstoßende Weisung auszuführen, benachteiligen.
Gleiches gilt für Personen, die eine in § 6 genannte Person hierbei unterstützen oder als Zeuginnen oder Zeugen
aussagen.
(2) Die Zurückweisung oder Duldung benachteiligender Verhaltensweisen durch betroffene, in § 6 genannte Personen
darf nicht als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden, die diese Personen berührt. Absatz 1 Satz 2 gilt
entsprechend.
(3) § 15 gilt entsprechend.
§ 14
Mitgliedschaft in Vereinigungen
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in
1. einem Berufsverband der Soldatinnen und Soldaten,
2. einer sonstigen Interessenvertretung von Soldatinnen und Soldaten, insbesondere wenn deren Mitglieder einer
bestimmten Verwendungsgruppe angehören, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft
besteht, sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen.
(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch
auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.
Abschnitt 3
Rechtsschutz
§ 15
Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Tatsachen glaubhaft macht Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in
§ 1 Abs. 1 Abs. 1 und 2 Satz 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass
andere als in § 1 Abs. 1 genannte sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder die
unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 Abs. 1 genannten Grundes nach Maßgabe dieses Gesetzes zulässig ist
kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
§ 16
Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 27
(1) Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen der in § 6 genannten Personen im Rahmen einer
Benachteiligung nach § 1 Abs. 1 oder 2 wahrnehmen. Die Befugnisse nach den Absätzen 2 bis 4 stehen ihnen zu, wenn
sie mindestens 75 Mitglieder haben oder einen Zusammenschluss aus mindestens sieben Verbänden bilden.
(2) Antidiskriminierungsverbände sind befugt, im Rahmen ihres Satzungszwecks in gerichtlichen Verfahren, in denen
eine Vertretung durch Anwälte und Anwältinnen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, als Bevollmächtigte und Beistände
der in § 6 genannten Personen in der Verhandlung aufzutreten. Im Übrigen bleiben die Vorschriften der
Verfahrensordnungen, insbesondere diejenigen, nach denen Bevollmächtigten und Beiständen weiterer Vortrag
untersagt werden kann, unberührt.
(3) Antidiskriminierungsverbänden ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten der
in § 6 genannten Personen gestattet.
(4) Besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse von Verbänden zu Gunsten von behinderten Menschen bleiben
unberührt.
Abschnitt 4
Ergänzende Vorschriften
§ 17
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Abschnitt 6 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über die Antidiskriminierungsstelle des Bundes findet im
Rahmen dieses Gesetzes Anwendung.
§ 18
Schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten
(1) Schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten dürfen bei einer Maßnahme, insbesondere beim beruflichen Aufstieg
oder bei einem Befehl, nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung wegen
der Behinderung ist jedoch zulässig, soweit eine Maßnahme die Art der von der schwerbehinderten Soldatin oder dem
schwerbehinderten Soldaten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche Funktion,
geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit
ist. Macht Wenn im Streitfall die schwerbehinderte Soldatin oder der schwerbehinderte Soldat Tatsachen glaubhaft
Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Dienstherr die Beweislast
dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder
eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende
berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist.
(2) Wird gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot beim beruflichen Aufstieg verstoßen, können
hierdurch benachteiligte schwerbehinderte Soldatinnen oder Soldaten eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen; ein Anspruch auf den beruflichen Aufstieg besteht nicht. Ein Anspruch auf Entschädigung muss innerhalb
von zwei Monaten, nachdem die schwerbehinderte Soldatin oder der schwerbehinderte Soldat von dem
Nichtzustandekommen des beruflichen Aufstiegs Kenntnis erhalten hat, geltend gemacht werden.
§ 19
Unabdingbarkeit
Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zu Ungunsten der Soldatinnen und Soldaten abgewichen werden.
§ 20
Übergangsvorschrift
Erfolgen Benachteiligungen in Form sexueller Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz vor dem 18. August
2006, ist das zu diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.
Artikel 3
Änderungen in anderen Gesetzen
Vgl. auch den Überblick über den Artikel 3 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 27 f.)
(1) Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036), zuletzt
geändert durch Artikel 105 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866), wird wie folgt geändert:
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 28
1. § 11 wird wie folgt geändert:
a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Zulässig ist auch eine Vertretung durch Vertreter der in § 23 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
bezeichneten Verbände bei der Geltendmachung eines Rechts wegen eines Verstoßes gegen das
Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, wenn diese Personen kraft
Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.“
b) In Absatz 3 Satz 2 wird die Angabe „Satz 2 bis 5“ durch die Angabe „Satz 2 bis 6“ ersetzt.
2. § 61b wird wie folgt geändert:
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„Klage wegen Benachteiligung“.
b) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von
drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.“
c) In Absatz 2 Satz 1 wird die Angabe „nach § 611a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ durch die Angabe „nach
§ 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ ersetzt.
(2) Artikel 2 des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1308), das durch Artikel
9 des Gesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406) geändert worden ist, wird aufgehoben.
(3) § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I
S. 2518), das zuletzt durch Artikel 5 Nr. 2 des Gesetzes vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974) geändert worden ist, wird
wie folgt gefasst:
„(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den
Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen
aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft,
ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder
gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität
unterbleibt.“
(4) § 67 Abs. 1 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693), das zuletzt durch
Artikel 8 des Gesetzes vom 14. September 2005 (BGBl. I S. 2746) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu wachen, dass alle Angehörigen der Dienststelle nach
Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer
Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität,
ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen
Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“
(5) § 8 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I S. 675),
das zuletzt durch Artikel 19a des Gesetzes vom 19. Februar 2006 (BGBl. I S. 334) geändert worden ist, wird wie folgt
gefasst:
„(1) Die Bewerber sind durch Stellenausschreibung zu ermitteln. Ihre Auslese ist nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung,
Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität
vorzunehmen. Dem stehen gesetzliche Maßnahmen zur Förderung von Beamtinnen zur Durchsetzung der
tatsächlichen Gleichstellung im Erwerbsleben, insbesondere Quotenregelungen mit Einzelfallprüfungen, sowie
gesetzliche Maßnahmen zur Förderung schwerbehinderter Menschen nicht entgegen.“
(6) § 27 Abs. 1 des Sprecherausschussgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2312, 2316), das zuletzt durch
Artikel 174 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Arbeitgeber und Sprecherausschuss haben darüber zu wachen, dass alle leitenden Angestellten des Betriebs
nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von
Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen
Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer
politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer
sexuellen Identität unterbleibt.“
(7) Das Erste Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S.
3015), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. April 2006 (BGBl. I S. 926), wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht werden nach der Angabe „§ 33a Altersabhängige Rechte und Pflichten“ folgende Angaben
eingefügt:
„§ 33bLebenspartnerschaften
„§ 33c Benachteiligungsverbot“.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 29
2. Nach § 33b wird folgender § 33c eingefügt:
„§ 33c
Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft
oder einer Behinderung benachteiligt werden. Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet
werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs
im Einzelnen bestimmt sind.“
(8) § 36 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997,
BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) geändert worden ist,
wird wie folgt geändert:
1. In Satz 1 werden die Wörter „oder ähnlicher Merkmale“ gestrichen.
2. Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Die Agentur für Arbeit darf Einschränkungen, die der Arbeitgeber für eine Vermittlung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen
Identität des Ausbildungssuchenden und Arbeitssuchenden vornimmt, nur berücksichtigen, soweit sie nach dem
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zulässig sind.“
3. In Satz 3 wird das Wort „ , Religionsgemeinschaft“ gestrichen.
(9) Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der
Bekanntmachung vom 23. Januar 2006 (BGBl. I S. 86, 466), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Juli
2006 (BGBl. I S. 1706), wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe „§ 19 Leistungen auf Antrag oder von Amts wegen“ folgende Angabe
eingefügt:
„§ 19a Benachteiligungsverbot“.
2. In § 1 Abs. 2 wird die Angabe „§§ 18f und 18g“ durch die Angabe „§§ 18f, 18g und 19a“ ersetzt.
3. Nach § 19 wird folgender § 19a eingefügt:
„§ 19a
Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme von Leistungen, die den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der
Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung, der Umschulung einschließlich der
praktischen Berufserfahrung betreffen, darf niemand aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität benachteiligt werden. Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als
deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im Einzelnen
bestimmt sind.“
(10) Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (Artikel 1 des Gesetzes
vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046, 1047), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S.
1706), wird wie folgt geändert:
1. In § 36 Satz 3 werden nach den Wörtern „den Arbeitsschutz,“ die Wörter „den Schutz vor Diskriminierungen in
Beschäftigung und Beruf,“ eingefügt.
2. § 81 Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.“
(11) Das Bundesgleichstellungsgesetz vom 30. November 2001 (BGBl. I S. 3234), wird wie folgt geändert:
1. § 4 Abs. 7 wird aufgehoben.
2. § 5 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 2 wird aufgehoben.
b) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.
3. In § 19 Abs. 1 Satz 1 werden die Wörter „des Beschäftigtenschutzgesetzes“ durch die Wörter „des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes im Hinblick auf den Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts und sexueller
Belästigung“ ersetzt.
(12) § 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), das
zuletzt durch … vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) Der Soldat ist nach Eignung, Befähigung und Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, sexuelle Identität,
Abstammung, Rasse, Glauben, Weltanschauung, religiöse oder politische Anschauungen, Heimat, ethnische oder
sonstige Herkunft zu ernennen und zu verwenden.“
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 30
(13) Dem § 73 Abs. 6 des Sozialgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl.
I S. 2535), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) geändert worden ist, werden
folgende Sätze angefügt:
„§ 157 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gilt auch nicht für Mitglieder und Angestellte der in § 23 Abs. 1 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Vereinigungen, die im Rahmen des Satzungszwecks der
Vereinigung als Bevollmächtigte von Beteiligten tätig werden. Den in Satz 5 genannten Vereinigungen ist im
Rahmen ihres Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Beteiligter gestattet.“
(14) Die §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.
Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 123 des Gesetzes vom 19. April 2006
(BGBl. I S. 866) geändert worden ist, werden aufgehoben.
(15) Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3822) wird wie folgt
geändert:
1. § 4 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 6 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Eine unmittelbare Diskriminierung von Soldatinnen ist gegeben, wenn diese auf Grund ihres Geschlechts in
einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren als Soldaten erfahren, erfahren haben
oder erfahren würden.“
b) Absatz 7 wird aufgehoben.
2. § 5 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Bei Verstößen der Dienststellen gegen die Benachteiligungsverbote bei Begründung eines
Dienstverhältnisses und beim beruflichen Aufstieg findet § 12 des Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetzes Anwendung.“
3. § 16 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 5 Satz 1 wird die Angabe „3“ durch die Angabe „4“ ersetzt.
b) Absatz 8 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Sie dürfen nicht zugleich Vertrauensperson nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz sein oder einer
Schwerbehindertenvertretung angehören.“
c) Absatz 10 wird wie folgt geändert:
aa) In Satz 3 werden nach dem Wort „sein“ die Wörter „,wobei eine ehrenamtliche Richterin oder ein
ehrenamtlicher Richter Unteroffizier, die andere ehrenamtliche Richterin oder der andere ehrenamtliche Richter
Stabsoffizier sein muss“ eingefügt.
bb) Satz 4 wird wie folgt gefasst:
„Die Reihenfolge der Heranziehung richtet sich nach der einheitlichen Liste der ehrenamtlichen Richterinnen
und Richter für Verfahren nach diesem Gesetz, in der die verschiedenen Teilstreitkräfte angemessen zu
berücksichtigen sind; § 74 Abs. 8 der Wehrdisziplinarordnung gilt entsprechend.“
d) Absatz 11 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Absatz 10 gilt entsprechend.“
e) In Absatz 12 wird die Angabe „2“ durch die Angabe „1“ ersetzt.
4. § 19 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die Gleichstellungsbeauftragte hat den Vollzug dieses Gesetzes in der Dienststelle zu fördern und zu
unterstützen; dies gilt auch für das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz in Bezug auf das Verbot
von Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigungen und sexuellen Belästigungen.“
(16) In § 15a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung in der im
Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel
49 des Gesetzes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866) geändert worden ist, werden der Schlusspunkt durch ein Komma
ersetzt und folgende Nummer 4 angefügt:
„4. in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.“
Artikel 4
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Vgl. auch den Überblick über den Artikel 4 in der „amtlichen“ Begründung (BT-Drs. 16/1780, S. 28)
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 31
Dieses Gesetz tritt am … in Kraft. Gleichzeitig tritt das Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406,
1412) außer Kraft. Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das
Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412) außer Kraft.
zur „amtlichen“ Begründung zu Art. 4
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 32
Deutscher Bundestag
Drucksache 16/1780
16. Wahlperiode
08. 06. 2006
Gesetzentwurf
der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung
A. Problem und Ziel
Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierungen ist ein Menschenrecht, das in
Deutschland insbesondere in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Im Verhältnis der Bürgerinnen und
Bürger zum Staat binden die verfassungsrechtlichen Gleichheitssätze bereits alle Bereiche staatlichen Handelns.
Die EU-Richtlinien
– 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der
Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22),
– 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung
der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) und
– 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie
76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die
Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15)
– 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EG Nr. L 373
S. 37)
verpflichten dazu, diesen Schutz im Bereich Beschäftigung und Beruf hinsichtlich der Merkmale Rasse, ethnische
Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht auch einfachgesetzlich
insbesondere für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten umzusetzen. Hinsichtlich der Merkmale
Rasse und ethnische Herkunft sowie Geschlecht ist zudem eine Umsetzung im zivilrechtlichen Bereich erforderlich,
wobei sich die Vorgaben des EU-Rechts hinsichtlich der Merkmale Rasse und ethnische Herkunft auch auf das
Sozialrecht erstrecken.
Die Richtlinien geben in ihrem jeweiligen Geltungsbereich Definitionen für die unterschiedlichen Arten von
Diskriminierung vor und verpflichten u. a. zu wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen bei
Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgebot sowie zu Beweiserleichterungen für die BetroffeDrucksache 16/1780 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
nen. Der Schutz vor Diskriminierung soll sich dabei nicht allein auf Regelungen des Rechtsschutzes der Betroffenen
beziehen. Um den Schutz bei der Anwendung effektiv zu gewährleisten, schreiben alle Richtlinien ergänzend vor, dass
Verbände das Recht erhalten sollen, sich zur Unterstützung der Betroffenen an den Verfahren zu beteiligen. Ferner
muss nach den Richtlinien 2000/43/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG eine Stelle bezeichnet werden, deren Aufgabe
darin besteht, die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung zu
fördern.
B. Lösung
Die vier EU-Antidiskriminierungsrichtlinien werden durch ein einheitliches Gesetz für alle Diskriminierungsmerkmale
umgesetzt. Dadurch wird ein in sich stimmiger Schutz vor Diskriminierungen verwirklicht.
Hauptbestandteil des Umsetzungsgesetzes ist das in Artikel 1 enthaltene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Abschnitt 1 enthält das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu
verhindern oder zu beseitigen, ferner werden der Anwendungsbereich (Arbeitsleben, Sozialschutz, soziale
Vergünstigungen, Bildung, zivilrechtlicher Teil) sowie die Begriffsbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren
Diskriminierung, der Belästigung und sexuellen Belästigung entsprechend den Vorgaben der Richtlinien festgelegt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 33
Abschnitt 2 enthält die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten mit einem ausdrücklichen
Benachteiligungsverbot sowie seinen Ausnahmeregelungen, ferner werden dort die Maßnahmen und Pflichten des
Arbeitgebers sowie die Rechte der Beschäftigten beschrieben, die u. a. aus dem Beschäftigtenschutzgesetz herrühren.
Kernstück sind die Regelungen zu Entschädigung und Schadensersatz, die die Vorgaben der EU-Richtlinien mit dem
deutschen Schadensersatzrecht verknüpfen.
Abschnitt 3 enthält die Regelungen zum Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr. Entsprechend den
Vorgaben der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG und der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts
außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG werden spezifische zivilrechtliche Benachteiligungsverbote verankert. Über das
Gemeinschaftsrecht hinausgehend werden auch die Merkmale Religion oder Weltanschauung,
Hinweis: Die Weltanschauung ist nachträglich noch „entfallen“, vgl. hier.
Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz einbezogen, weil
ansonsten wesentliche Bereiche des rechtlichen Lebens aus dem Benachteiligungsschutz ausgeklammert blieben.
Der Rechtsschutz der Betroffenen wird nachhaltig verbessert (Abschnitt 4). Sie erhalten neben der aus § 611a Abs. 1
Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
IX) bereits bekannten Beweiserleichterung zukünftig die Möglichkeit, sich durch Antidiskriminierungsverbände
unterstützen zu lassen. Im Arbeitsrecht können der Betriebsrat und die im Betrieb vertretene Gewerkschaft in
besonderen Fallkonstellationen das Arbeitsgericht anrufen.
Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wird der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
zukommen, die nach den Bestimmungen des Abschnitts 6 beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend eingerichtet wird. Sie wird neben den Beauftragten des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung, die
ebenfalls gegen Diskriminierungen bestimmter Personengruppen vorgehen, unabhängig die Betroffenen informieren
und beraten, ggf. Beratung durch andere Stellen vermitteln und eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten
anstreben. Zusätzlich hat sie die Aufgabe, wissenDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 3 – Drucksache 16/1780
schaftliche Untersuchungen durchzuführen, dem Deutschen Bundestag regelmäßig Berichte über Diskriminierungen
vorzulegen und Empfehlungen zu ihrer Beseitigung und Vermeidung abzugeben. Sie wird ferner präventiv arbeiten.
Der Stelle wird ein beratender Beirat beigeordnet.
Artikel 2 enthält ein eigenständiges Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Diskriminierungen.
Artikel 3 enthält Folgeänderungen bestehender Gesetze, darunter des Arbeitsgerichtsgesetzes, des
Betriebsverfassungsgesetzes, von SGB I, SGB III, SGB IV, SGB IX und des Soldatengesetzes.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
2. Vollzugsaufwand
Die Errichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes verursacht Mehrausgaben zu Lasten des Bundeshaushalts.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes leistet umfassende Beratungsarbeit, führt Öffentlichkeitsarbeit und
wissenschaftliche Untersuchungen durch und erarbeitet Berichte und Empfehlungen. Die durch ihre Errichtung und
Aufgabenwahrnehmung entstehenden Kosten werden auf jährlich ca. 5,6 Mio. Euro geschätzt.
Über die bereits zu Artikel 1 angesetzten Kosten für die Errichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (die auch
im Rahmen des Artikels 2 eine Zuständigkeit erhalten wird) hinaus sind keine weiteren, durch Artikel 2 verursachten
Mehrausgaben zu Lasten des Bundeshaushalts zu erwarten.
E. Sonstige Kosten
Für Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, können aus der Anwendung der Vorschriften
zusätzliche Kosten nur entstehen, wenn sie im Geschäftsverkehr unzulässige Unterscheidungen wegen der vom Gesetz
genannten Merkmale vornehmen.
Sowohl Unternehmen als auch öffentliche Dienststellen können schadensersatzpflichtig werden, wenn sie Beschäftigte
oder Bewerberinnen und Bewerber diskriminieren. Welche Kosten in solchen Fällen entstehen können, lässt sich nicht
quantifizieren.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 34
Anbietern von Gütern und Dienstleistungen können zusätzliche Dokumentationskosten in unwesentlicher Höhe
entstehen. Gleiches gilt für die Kosten, die privatrechtlichen Versicherungsunternehmen wegen der gesteigerten
Anforderungen an die Erstellung und Unterhaltung von Statistiken entstehen können. Auch auf Grund der §§ 12 und 13
des Artikels 2 kann der Dienstherr entschädigungs- oder schadensersatzpflichtig werden, wenn ihm Benachteiligungen
zu Lasten der in § 6 genannten Personen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zuzurechnen sind. Welche Kosten in
solchen Fällen entstehen können, lässt sich jedoch derzeit nicht quantifizieren.
Drucksache 16/1780 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
F. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Die arbeits-, sozial- und zivilrechtlichen Regelungen werden geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wirkungen zeigen,
da sich bereits die Ausgangssituation der von Diskriminierung Betroffenen geschlechtsspezifisch unterschiedlich
darstellt. Es muss davon ausgegangen werden, dass Frauen bei allen Diskriminierungsmerkmalen in besonderem Maße
von unmittelbaren, insbesondere aber von mittelbaren Benachteiligungen betroffen sind. Daher ist es wichtig
sicherzustellen, dass Frauen auch von den neuen gesetzlichen Schutzmöglichkeiten Gebrauch machen.
(… folgt der Gesetzesentwurf …)
Drucksache 16/1780 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Reformbedürfnis
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der Schutz vor Diskriminierungen im Sinne des Artikels 3 des Grundgesetzes
verbessert werden. Er setzt die Vorgaben folgender EU-Richtlinien um:
– Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne
Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft,
– Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und der
– Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der
Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug
auf die Arbeitsbedingungen.
– Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen (ABl. EG Nr. L 373 S. 37)
Internationale Bemühungen
Der Gesetzentwurf steht im Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen
vor Diskriminierung:
Die Grundüberzeugung, dass alle Menschen in ihrer Würde, ihrem Wert und ihrem Rang gleich sind, hat seit der
Aufklärung und den bürgerlichen Revolutionen in England, den USA und Frankreich zunehmend Eingang in das Recht
gefunden.
Rassismus und Diskriminierungen wegen der Rasse waren die ersten Formen der Diskriminierung, mit denen sich die
internationale Gemeinschaft befasste. Es ging zunächst um das Verbot der Sklaverei und die Umsetzung dieses Verbots,
später um den Umgang mit der Bevölkerung in den Kolonien durch die Kolonialverwaltungen. Die Erfahrungen mit
dem Ende des Kolonialismus sowie mit dem Holocaust führten 1948 zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung der
Vereinten Nationen (VN), in der auch Diskriminierungen wegen der Rasse ausdrücklich geächtet wurden.
In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts beeinflusste vor allem die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die die
Rassendiskriminierung im Alltag der Amerikaner afrikanischer Abstammung in das politische Bewusstsein brachte, das
VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 35
Das zweite große Antidiskriminierungsthema ist das Geschlecht, insbesondere die Benachteiligung von Frauen. Die
Ausgrenzung von Frauen aus dem Arbeitsmarkt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Problem, als sie für die
zurückkehrenden Männer die Arbeitsplätze frei machen mussten, die sie während des Krieges ausgefüllt hatten.
Thematisiert seit dem Internationalen Jahr der Frau 1975 und der ersten Frauenweltkonferenz in Mexiko führte dieser
Diskriminierungsbereich 1979 zum VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.
In den letzten Jahrzehnten befasst sich die internationale Gemeinschaft insbesondere mit der globalen Migration und
den Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern, ferner mit der demographischen Entwicklung, die in den
Industrieländern zu einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führt, und mit der
Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen sowie von HIV-Infizierten.
Seit der Menschenrechtsweltkonferenz 1993 in Wien setzt sich der Menschenrechtsansatz in der internationalen
Diskussion zur Bekämpfung von Diskriminierungen zunehmend durch: Es wird von den Werten, Prinzipien und
Instrumenten der Menschenrechtserklärung her argumentiert und gehandelt, im Mittelpunkt steht die Anerkennung der
gleichen Würde und des gleichen Wertes der Menschen, die auf der Basis der Menschenrechtserklärung durchzusetzen
ist.
Andere europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die Niederlande haben seit einigen Jahren zivil- und
strafrechtliche Antidiskriminierungsgesetze, die jeweils auf die besonderen nationalen Rechtstraditionen Rücksicht
nehmen. In diesem Sinne ergänzt Deutschland sein Zivilrecht.
Die Vorgaben der EU
Auch innerhalb der Europäischen Union spielen die Menschenrechte in den EU-Institutionen und im
Gemeinschaftsrecht eine zunehmend wichtigere Rolle. Dazu gehörte die Etablierung eines gemeinschaftsrechtlichen
Grundrechtsverständnisses durch den Europäischen Gerichtshof, das im Menschenrechtskatalog der europäischen
Verfassung seinen Niederschlag gefunden hat. Die heute anstehende Integration Europas macht verstärkt
Menschenrechte und damit auch den Gleichheitssatz zum normativ wichtigen Teil einer europäischen Sozialordnung.
Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der
Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit. Sie hat
die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
gewährleistet sind, zu achten. Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein
solches allgemeines Menschenrecht. Der Europäische Gerichtshof hat dem Gleichbehandlungsgrundsatz höchste
normative Dignität verliehen, indem er ihn zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts erklärt hat.
Diskriminierungen können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die
Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des
Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 21 – Drucksache 16/1780
lichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.
In Artikel 13 des Amsterdamer Vertrags wird daher der Rat der Europäischen Union ermächtigt, im Rahmen der auf die
Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des
Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.
Auf der Grundlage von Artikel 13 bzw. Artikel 141 EGV hat der Rat drei Richtlinien beschlossen:
– die Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied
der Rasse oder der ethnischen Herkunft (im Folgenden: Antirassismusrichtlinie),
– die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: Rahmenrichtlinie Beschäftigung).
– die Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen (im Folgenden: Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt).
Auf Grundlage des Artikels 141 EGV ist die die Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 zur Änderung der
Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die
Arbeitsbedingungen (im Folgenden: Genderrichtlinie) beschlossen worden.
Die Antirassismusrichtlinie, die Rahmenrichtlinie Beschäftigung und die Genderrichtlinie beziehen sich im Rahmen der
auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf das Arbeitsleben, die Antirassismusrichtlinie im genannten
Rahmen außerdem auf die Bereiche Soziales, Bildung und den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum. Die
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 36
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt regelt ebenfalls Fragen des Zugangs zu
Gütern und Dienstleistungen sowie die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Privatversicherungsrecht.
Die Gleichbehandlungsrichtlinien entstanden vor dem Hintergrund der Erfahrung von Ausgrenzung von Menschen auf
Grund bestimmter Merkmale oder Zuschreibungen innerhalb der Europäischen Union. Sie beschränken sich nicht auf
einen Rechtsschutz gegenüber Diskriminierungen durch den Staat, sondern sie verpflichten die Mitgliedstaaten im
Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auch zu einem Rechtsschutz vor Diskriminierungen
durch Private, insbesondere durch Arbeitgeber.
Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung zielt nicht auf den Schutz besonderer Gruppen, sondern auf den Schutz jedes
und jeder Einzelnen vor Benachteiligungen, die an Eigenschaften oder Lebensformen anknüpfen. Die in den Richtlinien
genannten Merkmale werden von jedem Menschen in der einen oder anderen Form verwirklicht, denn alle Menschen
sind beispielsweise Träger eines Geschlechts, einer Ethnie, eines bestimmten Lebensalters, einer bestimmten sexuellen
Identität. Dabei sind nicht alle in gleichem Maße von Diskriminierungen betroffen.
Die Richtlinien sollen die gesellschaftliche Wirklichkeit in den Mitgliedstaaten verändern, d. h. sie sollen
Diskriminierungen nicht nur verbieten, sondern wirksam beseitigen. Auch deshalb enthalten die Richtlinien neben
materiell-rechtlichen und prozessualen Vorgaben zusätzlich Vorschriften zum sozialen Dialog, zur Unterstützung durch
Verbände und zur Benennung von Unterstützungseinrichtungen.
Reformbedürfnis in Deutschland
Die rechtliche Situation
Die deutsche Politik der Gleichbehandlung ordnet sich in diesen supranationalen Kontext ein. Es gibt eine Reihe von
Diskriminierungsverboten in völkerrechtlichen Übereinkommen, die von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert
wurden:
– das Internationale Übereinkommen (der VN) zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März
1966,
– der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966,
– der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966,
– das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979,
– das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989,
– die europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten vom 3. September 1953,
– das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995.
Aus dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, das die
Bundesrepublik Deutschland 1969 ratifiziert hat, ergibt sich die Verpflichtung zu einer umfassenden Gesetzgebung mit
einem Verbot der Rassendiskriminierung in der Privatwirtschaft. Der nach diesem Übereinkommen eingerichtete
Ausschuss hat Deutschland zuletzt in seiner Stellungnahme vom 20. März 1997 empfohlen, den Erlass eines
umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes zu prüfen. Er hat dabei seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass eine
umfassende Gesetzgebung mit einem Verbot der Rassendiskriminierung in der Privatwirtschaft entsprechend den
Vorgaben des Übereinkommens in Deutschland fehle.
Durch die 1985 erfolgte Ratifizierung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
(CEDAW) vom 18. Dezember 1979 hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, durch geeignete
gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen jede Diskriminierung der Frau zu verbieten. Deutschland ist als
Vertragsstaat des Abkommens darüber hinaus verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass Frauen
die Menschenrechte und Grundfreiheiten gleichberechtigt mit Männern ausüben können. Die staatliche Verpflichtung
zur BeseitiDrucksache 16/1780 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
gung jeder Form von Diskriminierung besteht u. a. für den Bereich des bürgerlichen Rechts sowie für das Arbeits- und
Wirtschaftsleben.
Im Rahmen des Europarats hat der Wiener Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Oktober 1993 einen Aktionsplan
zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz verabschiedet.
Die Bundesrepublik Deutschland hat zudem als Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine Vielzahl
von ILO-Übereinkommen ratifiziert, die insbesondere Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf verbieten und
gleiches Entgelt gebieten.
Nach Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ist eine Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts, der
Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religiösen oder politischen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 37
Anschauungen sowie einer Behinderung verboten. Das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot wegen einer
Behinderung wurde 1994 im Rahmen der Verfassungsreform eingefügt.
Die Verfassungsnorm des Artikels 3 Abs. 3 GG stellt primär ein Abwehrrecht der Grundrechtsträger gegenüber dem
Staat dar, entfaltet aber auch – vor allem über die Generalklauseln und andere auslegungsbedürftige Begriffe der
einzelnen Rechtsgebiete – eine mittelbare Drittwirkung für den Privatrechtsverkehr.
Das Privatrecht regelt vor allem die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern selbst, insbesondere im
Vertragsrecht. Zivilgesellschaften sind auf das vor allem durch Verträge in freier Selbstbestimmung gesetzte private
Recht angewiesen. Bei den hiermit verbundenen Unterscheidungen, die auf unterschiedlichsten Gründen beruhen, kann
es sich allerdings teilweise auch um sozial verwerfliche Diskriminierungen handeln. Zu dem durch Artikel 3 des
Grundgesetzes dokumentierten Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland gehört es, dass bestimmte
Unterscheidungen auch im Bereich des Privatrechts, für den Artikel 3 GG nicht unmittelbar gilt, als unerwünscht gelten
können.
Schon das geltende deutsche Recht verpflichtet vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge auch Private zum
Vertragsschluss oder legt ihnen (zum Beispiel im Arbeitsrecht, im Mietrecht oder im Verbraucherrecht)
Beschränkungen zum Schutz der strukturell schwächeren Partei auf. Zur Bekämpfung von anderen Diskriminierungen,
also von sozial unerwünschten Ungleichbehandlungen, stellte das Zivilrecht bislang allerdings vor allem die
Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Verfügung.
In anderen Bereichen sind auf einfachgesetzlicher Ebene Antidiskriminierungsvorschriften in Deutschland
kontinuierlich ausgebaut worden:
– Diskriminierungen wegen des Geschlechts werden seit 1980 (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz)
arbeitsrechtlich untersagt und sanktioniert.
– Im Bereich des öffentlichen Dienstes haben die Grundsätze des Artikels 3 Abs. 3 GG sowohl im
Beamtenrechtsrahmengesetz als auch im Bundesbeamtengesetz ihren Niederschlag gefunden.
– Das Beschäftigtenschutzgesetz verbietet sexuelle Belästigungen in der Privatwirtschaft wie auch im öffentlichen
Dienst.
– Im Bundespersonalvertretungsgesetz
wie
auch im Betriebsverfassungsgesetz
sind
entsprechende
Überwachungspflichten für Dienstherren/Arbeitgeber sowie für den Personal-/Betriebsrat verankert.
– Das neue Bundesgleichstellungsgesetz, das am 5. Dezember 2001 in Kraft getreten ist, enthält vielfältige
Fördermaßnahmen, um gegen Diskriminierungen wegen des Geschlechts innerhalb der Bundesverwaltung
vorzugehen.
– Am 23. Dezember 2000 trat die Änderung von Artikel 12a Abs. 4 Satz 2 GG in Kraft, die Frauen den Zugang in alle
Bereiche der Streitkräfte ermöglicht.
– § 554a BGB sieht seit dem Jahr 2001 die Barrierefreiheit im Mietrecht vor.
– Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – wurden 2001 neben einem
allgemeinen Diskriminierungsverbot auch weitreichende positive Maßnahmen festgeschrieben, mit denen die
Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen verbessert werden soll.
– Mit dem am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen wurden Gleichstellung
und Barrierefreiheit im öffentlichen Recht verankert. Neben anderen Bereichen wurden Regelungen zur
Barrierefreiheit für den öffentlichen Personenverkehr und für Gaststätten getroffen. Der Durchsetzung des
Benachteiligungsverbotes für Träger öffentlicher Gewalt sowie der Regelungen zur Barrierefreiheit dient ein für
anerkannte Verbände vorgesehenes Verbandsklagerecht.
– In diesem Zusammenhang wurde auch das Gaststättengesetz um eine Verpflichtung zur Herstellung von
Barrierefreiheit unter anderem bei Neuanlagen ergänzt.
– Der Beseitigung einer rechtlichen Diskriminierung im Bereich der Arbeit dient das Gesetz zur Verbesserung der
rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten, das 2002 in Kraft trat.
Zur Unterstützung der von Diskriminierung Betroffenen hat die Bundesregierung Beauftragte eingesetzt, darunter
– den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen,
– die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration,
– den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten in Deutschland.
Einen umfassenden arbeitsrechtlichen Schutz vor Diskriminierungen, wie er von den Richtlinien mit wirksamen,
verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorgeschrieben wird, gibt es in Deutschland noch nicht hinsichtlich
sämtlicher in den Richtlinien geregelter Diskriminierungsmerkmale. Am weitesten fortgeschritten ist dieser
arbeitsrechtliche Rechtsschutz bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der 1980 durch das Arbeitsrechtliche EGAnpassungsgesetz eingeführt und seitdem kontinuierlich verbessert wurde, und bei Benachteiligungen wegen einer
Behinderung (§ 81 SGB IX). Das Bundesgleichstellungsgesetz verbietet Diskriminierungen wegen des Geschlechts für
den Bereich der Bundesbehörden, in den Bundesländern gibt es ähnliche Gesetze für den öffentlichen Dienst.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 23 – Drucksache 16/1780
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 38
In Deutschland fällt auf, dass der vorhandene Rechtsschutz in der Praxis von den Betroffenen bisher wenig genutzt
wird. Nahe liegend wäre hier zunächst die Vermutung, dass es tatsächlich nur zu wenigen Diskriminierungen kommt.
Gerade bei der Belästigung und der sexuellen Belästigung trifft dies aber nicht zu. Diese Einschätzung bestätigt den
Ansatz der EU-Richtlinien, nicht nur das Recht zu verbessern, sondern auch die faktische Rechtsdurchsetzung in den
Blick zu nehmen. Für die mangelnde Rechtsnutzung durch die Betroffenen in Deutschland gibt es verschiedene
Erklärungen:
– In Deutschland gibt es bisher keine Kultur der Antidiskriminierung, wie sie z. B. für Menschen in angelsächsischen
Ländern zum Alltag gehört. Für die Betroffenen in diesen Ländern ist es daher selbstverständlicher,
Diskriminierungen offen zu legen und sich dagegen zur Wehr zu setzen.
– In Deutschland sind hingegen die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Diskriminierungen vorzugehen, wie auch die
hierzu ergangene Rechtsprechung wenig bekannt.2 Soweit Arbeitsrecht auf Richterrecht beruht, hat es einen
geringeren öffentlichen Bekanntheitsgrad.
– Artikel 3 GG entfaltet im Bereich der privaten Erwerbswirtschaft, etwa im Zivilrecht bei der Versorgung mit Gütern
und Dienstleistungen (z. B. im Mietvertragsrecht), nur mittelbare Drittwirkung.
– Manche Bestimmungen sind hinsichtlich ihres Ausmaßes und ihrer Rechtsfolgen umstritten, so dass Betroffene das
Risiko eines Verfahrens scheuen bzw. ihnen abgeraten wird.
– Es werden Beweisschwierigkeiten antizipiert, weil die wahren Beweggründe für ungleiche Behandlungen selten offen
gelegt werden.3
– Stereotype, Vorurteile und Stigmatisierungen sind zumeist tradiert und daher vielen Menschen nicht bewusst.
Diskriminierendes Verhalten wird in solchen Fällen nicht als solches erkannt, erfolgt also unbeabsichtigt.
– Die Abhängigkeit zwischen Beschäftigten und Arbeitgebenden führt zu Angst vor Arbeitsplatzverlust bzw. vor
anderen Nachteilen am Arbeitsplatz.2
– Es gibt bei vielen Diskriminierungsopfern Bildungsbarrieren, sie kennen sich nicht mit den rechtlichen und
prozessualen Möglichkeiten aus.
– Hinzu kommen ökonomische Barrieren, weil gerade Menschen, die auf Grund von Rasse, einer Behinderung oder
wegen des Alters diskriminiert werden, und auch Frauen oft über weniger Geld verfügen. Vielen ist nicht bekannt,
dass sie gegebenenfalls einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben.
– Weitere Barrieren sind Scham (z. B. bei sexueller Belästigung), Angst vor erneuter Stigmatisierung und mangelndes
Vertrauen in institutionelles Handeln (oft bei Flüchtlingen auf Grund ihrer Erfahrungen im Herkunftsland).
Nur unzureichenden Schutz bietet das geltende Recht z. B. vor Belästigungen am Arbeitsplatz. Die deutsche
Rechtsordnung enthält kein ausdrückliches Verbot der Belästigung wegen eines der relevanten Merkmale in der
Arbeitswelt, lediglich für die Sonderform der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz besteht mit dem
Beschäftigtenschutzgesetz eine gesetzliche Regelung. Gegen andere belästigende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz
bestehen zwar Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Täter sowie gegen die Arbeitgeber, das Verhalten kann auch
strafrechtlich relevant sein, doch es gibt Probleme bei der praktischen Durchsetzung von Unterlassungs- und
Schadensersatzansprüchen, so dass der vorhandene Rechtsschutz häufig in der Praxis nicht greift.
Die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hat gezeigt, dass der bisherige Rechtsschutz vor Diskriminierungen
zwischen Privaten nicht ausreicht. Der Ansatz der EU-Richtlinien, Diskriminierungen auch durch Private in den Blick
zu nehmen, greift diese Probleme auf und verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihre Rechtsordnungen entsprechend
auszugestalten.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dieser Rechtsschutz entsprechend den Vorgaben der Richtlinien für alle
Rechtsbereiche geregelt werden.
Die soziale Lage bestimmter Gruppen in Deutschland
Durch die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien werden bestimmte Personengruppen als besonders schutzbedürftig
definiert und in den Katalog der geschützten Merkmale aufgenommen. Auch in Deutschland gibt es Hinweise dafür,
dass diese Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen haben als andere. So zeigen bestimmte Bevölkerungsgruppen
eine deutlich geringere Bildungs- und Ausbildungsbeteiligung, was in der Folge zu einem insgesamt schlechteren
sozialen und wirtschaftlichen Status führt. Die vorhandenen Daten zeigen deutliche merkmalsbezogene Unterschiede in
Bezug auf die Integration in den Arbeitsmarkt, Erwerbslosigkeit und Beschäftigungsfelder. Insbesondere Frauen,
Menschen mit Migrationshintergrund, behinderte und ältere Menschen sind schlechter in die Arbeitswelt eingebunden.
Viele Menschen vereinen mehrere dieser Merkmale auf sich und erleben dadurch häufiger Ausgrenzung, wirtschaftliche
Einbußen und andere materielle und immaterielle Nachteile.
Deutlich wird dies u. a.
2
3
Vergleiche z. B. Eurobarometer 57.0 von 2002: 29 Prozent der Deutschen aus den neuen Bundesländern kennen ihre Rechte nicht.
Vergleiche Pflüger, Almut/Baer, Susanne: Das Beschäftigtenschutzgesetz in der Praxis, www.bmfsfj.de.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 39
– im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2001), aber auch
– im Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2003 bis 2005 und
– im Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland 2003.
Die Randständigkeit von Deutschen mit Migrationshintergrund wie auch von Ausländern und Ausländerinnen ist u. a.
– im Sechsten Familienbericht der Bundesregierung (2000),
– in der Untersuchung des früheren Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur Situation der ausländischen
Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland (2002) sowie
Drucksache 16/1780 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– in den Berichten der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der
Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland
dokumentiert, wobei es im Alltag häufig eine Überschneidung hinsichtlich der Merkmale ethnische Herkunft und
Religion gibt. Die veröffentlichten Daten zeigen auch, dass das Geschlecht zusätzlich das Risiko beeinflusst, in eine
sozial ungünstige Position zu gelangen. So ist die soziale Lage von Frauen mit Migrationshintergrund im Schnitt
prekärer als diejenige von Männern mit Migrationshintergrund.
Seit Mitte der 90er-Jahre geht auch die Ausbildungsbeteiligung zugewanderter Jugendlicher kontinuierlich zurück, 2004
lag ihr Anteil in den alten Bundesländern bei 5,6 Prozent – bei einem Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung
von ca. 12 Prozent. 36,5 Prozent aller Jugendlichen ohne deutsche Staatsangehörigkeit haben keine abgeschlossene
Ausbildung, bei den deutschen Jugendlichen sind dies nur 11,3 Prozent.
Untersuchungen belegen, dass Belästigungen bei ausländischen Beschäftigten besonders häufig vorkommen. Bei
entsprechenden innerbetrieblichen Beschwerden wird von rassistischen Übergriffen und Belästigungen berichtet.
Vorurteilsstudien zeigen, dass in Deutschland die Akzeptanz gegenüber Migrantinnen und Migranten gering ist,
insbesondere gegenüber Zuwanderern aus Drittstaaten. Die Bundesregierung hat deshalb zahlreiche Maßnahmen gegen
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt ergriffen. Diese sind in ihrem Bericht vom 8.
Mai 2002 über ihre aktuellen und geplanten Maßnahmen und Aktivitäten dargestellt.
Auch das Diskriminierungsmerkmal Alter, das sich auf jedes Lebensalter bezieht, und nicht nur auf ältere Menschen,
führt besonders häufig zu Benachteiligungen, gerade wenn es zusammen mit anderen diskriminierungsrelevanten
Merkmalen auftritt. So ist z. B. die Armut bei älteren Migrantinnen häufig, aber auch bei älteren Frauen mit
Behinderung.
Die Daten des Statistischen Bundesamtes in „Leben und Arbeiten in Deutschland“ (2003) zeigen, dass Menschen über
55 und unter 20 Jahren überdurchschnittlich häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Berufsanfänger
und Berufsanfängerinnen sind immer häufiger gezwungen, zeitlich begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen.
Der Dritte Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Lage der älteren Generation
(2001) weist aus, dass die Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen drastisch zurückgeht. Frauen sind davon stärker
betroffen, bei ihnen fällt die Erwerbsbeteiligung zwischen 55 und 64 Jahren von 61,1 Prozent auf 11,3 Prozent, bei
Männern gleichen Alters von 82,1 Prozent auf 27 Prozent.
Die Situation für Menschen mit Behinderung wird u. a. im Bericht der Bundesregierung nach § 160 SGB IX über die
Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen dargestellt. Untersuchungen zeigen zudem, dass Menschen mit
Behinderung überdurchschnittlich häufig arbeitslos sind: Die Arbeitslosenquote behinderter Frauen betrug 1999 15
Prozent, die behinderter Männer 16,7 Prozent. Die Erwerbslosenquote der Menschen in der Altersgruppe von 55 bis 60
Jahren liegt für behinderte Menschen sogar bei 23,7 Prozent gegenüber 19 Prozent bei Nichtbehinderten.
Diskriminierungen behinderter Frauen und Männer sind auch aus dem Dienstleistungsbereich bekannt: In Gaststätten
sind Menschen mit Behinderungen häufig nicht gern gesehen und werden abgewiesen, weil sie sich anders verhalten,
artikulieren oder essen.
Empirische Untersuchungen zeigen häufige Belästigungen und ein hohes Ausmaß sexueller Übergriffe bei Menschen
mit Behinderung. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weist in seiner Broschüre
„Einmischen – Mitmischen“ (2003) darauf hin, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung ein besonderes Risiko
tragen, Opfer von sexueller Belästigung sowie Gewalt zu werden, sie sind davon doppelt so häufig betroffen wie nicht
behinderte Frauen.
Hinsichtlich des Diskriminierungsmerkmals sexuelle Identität ist davon auszugehen, dass viele Homosexuelle ihre
sexuelle Identität am Arbeitsplatz verheimlichen, weil sie Diskriminierungen durch Kollegen und Kolleginnen und
Vorgesetzte befürchten. 79 Prozent der Frauen und 69 Prozent der in einer Untersuchung befragten Männer haben es im
Laufe ihrer beruflichen Biographie schon einmal für notwendig befunden, ihre Homosexualität am Arbeitsplatz
gänzlich zu verschweigen. Nur knapp 4 Prozent konnten immer offen mit ihrer Homosexualität umgehen.
Das meiste – auch repräsentative – Datenmaterial liegt zur unterschiedlichen Situation von Frauen und Männern am
Arbeitsplatz vor. Aus der Fülle der Berichte und Veröffentlichungen insbesondere des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zu diesem Thema sollen an dieser Stelle beispielhaft
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 40
– der Bericht der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern (2002),
– die Bilanz 2003 der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft
zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft,
– die Publikation „Frauen in Deutschland“ (2002),
– der Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland (2005)
genannt werden. Ein erster Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ist in Vorbereitung.
Die Berichte und Untersuchungen der Bundesregierung zeigen, dass das Geschlecht bei allen sonstigen Merkmalen verstärkend hinzukommt: Geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die höchsten Risiken, benachteiligt zu werden,
haben Frauen mit Migrationshintergrund, Frauen mit Behinderung und ältere Frauen. Ganz offensichtlich wirken alle
Merkmale geschlechtsspezifisch.
Aus dieser Zusammenstellung folgt: Es ist auch für Deutschland wichtig und richtig, alle Merkmale der EUGleichbehandlungsrichtlinien in ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz aufzunehmen. Auch die Hereinnahme von
Belästigungen und sexuellen Belästigungen in den Schutzbereich des Gesetzes ist sinnvoll, da, wie aufgezeigt,
bestimmte Personengruppen häufiger unter Belästigungen und sexuellen Übergriffen leiden.
Wegen der hohen Erwartungen an das Gesetz muss aber gleichzeitig darauf hingewiesen werden, dass die oben beDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 25 – Drucksache 16/1780
schriebene soziale Lage nicht allein mit gesetzlichen Benachteiligungsverboten verbessert werden kann, denn die
Gründe und Zusammenhänge, die zu ihr führen, sind vielschichtig. Die besorgniserregenden sozialen Daten beruhen
nicht zwangsläufig auf einer Vielzahl individueller Diskriminierungen, wie sie nach diesem Gesetz aufgegriffen werden
können. Sie machen aber deutlich, dass auch in Deutschland diese Personengruppen des besonderen Schutzes bedürfen.
Ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz kann nur ein Baustein einer umfassenden Integrationspolitik sein, die an den
vielfältigen Ursachen der Ausgrenzung bestimmter Gruppen ansetzt.
II. Überblick über die Neuregelungen
Das Gesetz umfasst folgende Neuregelungen:
Artikel 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG),
Artikel 2 Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Diskriminierungen (Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetz – SoldGG),
Artikel 3 Änderungen in anderen Gesetzen,
Artikel 4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten.
Zu Artikel 1 (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG)
Artikel 1 enthält das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dieses ist der Hauptbestandteil des Umsetzungsgesetzes
und in sieben Abschnitte gegliedert.
Zu Abschnitt 1
(Allgemeiner Teil)
In seinem Allgemeinen Teil enthält das Gesetz Bestimmungen, die für alle betroffenen Rechtsgebiete gleichermaßen
gelten: Darunter das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu
verhindern oder zu beseitigen, den sachlichen Anwendungsbereich nach Maßgabe der im AGG enthaltenen
Bestimmungen (Arbeitsleben, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung und der zivilrechtliche Bereich) sowie
die Begriffsbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung, der Belästigung und sexuellen
Belästigung. Vervollständigt wird der Abschnitt durch Regelungen zu unterschiedlichen Behandlung wegen mehrerer
Gründe, den so genannten Mehrfachdiskriminierungen, sowie zu Ungleichbehandlungen zur Verhinderung und
Beseitigung bestehender Nachteile, den so genannten positiven Maßnahmen.
Zu Abschnitt 2
(Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung)
Um Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf wirksamer als bisher begegnen zu können, werden durch Abschnitt
2 Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung geschaffen, die Rechtsunsicherheiten beseitigen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 41
und die Grundlage für ein tolerantes und benachteiligungsfreies Miteinander in der Arbeitswelt schaffen. Dabei erhebt
das Gesetz nicht den Anspruch, eine faktische Gleichstellung aller Personen oder Personengruppen zu erreichen. Hierzu
reichen gesetzliche Regelungen allein nicht aus. Zur wirksamen und dauerhaften Überwindung von Benachteiligungen
bedarf es einer nachhaltigen Änderung der Einstellung und insbesondere des Verhaltens jedes Einzelnen.
Ein benachteiligungsfreies Arbeitsumfeld liegt im Interesse aller Beteiligten. Ein positives Arbeitsklima und eine
benachteiligungsfreie Beziehung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten haben direkte Auswirkungen auf Motivation
und Gesundheit der Beschäftigten. Damit steigen Arbeitsqualität und Produktivität. Das bewusste Eintreten für eine
benachteiligungsfreie Beschäftigungswelt ist damit auch eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, die sich z. B. in
entsprechenden Betriebsvereinbarungen oder speziellen Förderprogrammen ausdrückt.
Da der arbeitsrechtliche Geltungsbereich in allen drei Richtlinien identisch ausgestaltet ist, werden auch alle in den drei
Richtlinien genannten Merkmale in einheitlichen arbeitsrechtlichen Vorschriften zur Verhinderung von
Benachteiligungen zusammengefasst. So wird der arbeitsrechtliche Zusammenhang gewahrt und die Anwendung für die
Praxis erleichtert.
Inhaltlich wird das bewährte Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch im
Wesentlichen übernommen und auf alle Diskriminierungsmerkmale ausgeweitet.
Die §§ 6 bis 10 enthalten die Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs, das zentrale Benachteiligungsverbot
in Beschäftigung und Beruf und zulässige unterschiedliche Behandlungen.
Die §§ 11 und 12 beschreiben die Pflicht zu diskriminierungsfreier Arbeitsplatzausschreibung sowie die
Organisationspflichten der Arbeitgeber, die die erforderlichen Maßnahmen im Einzelfall sowie vorbeugende
Maßnahmen umfassen.
Die §§ 13 bis 16 enthalten die Rechte der Beschäftigten und die Rechtsfolgen bei einem erfolgten Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot. Auf öffentlich-rechtliche Elemente, wie z. B. Bußgelder oder eine behördliche Aufsicht, wird
dabei verzichtet.
§ 17 enthält einen gesetzlichen Appell an alle beteiligten Parteien, an der Verwirklichung einer benachteiligungsfreien
Beschäftigungswelt mitzuwirken, sowie das Recht des Betriebsrates und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, in
besonderen Fallkonstellationen das Arbeitsgericht anzurufen.
§ 18 enthält ergänzende Vorschriften wie die entsprechende Geltung des Gesetzes für die Mitgliedschaft in
Organisationen der Arbeitgeber und Beschäftigten.
Der Gesetzentwurf setzt damit den arbeitsrechtlichen Geltungsbereich der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und
2002/73/EG um und erfüllt das in der Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002 verabredete Ziel, zur
Modernisierung der Arbeitswelt eine sinnvolle und anwenderfreundliche Lösung für die betriebliche Praxis umzusetzen.
Zu Abschnitt 3
(Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr)
Das in § 19 geregelte zivilrechtliche Benachteiligungsverbot bezieht sich auf sämtliche in § 1 genannten Gründe und
geht
Drucksache 16/1780 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
damit über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinaus. Europarechtlich geboten ist ein Diskriminierungsschutz
insoweit wegen der Rasse und der ethnischen Herkunft und wegen des Geschlechts. Zu den Merkmalen Religion und
Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität bestehen keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
Eine Beschränkung im allgemeinen Zivilrecht allein auf Benachteiligungen auf Grund der ethnischen Herkunft oder der
Rasse wäre problematisch, weil damit Benachteiligungen, die Menschen auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Religion
oder Weltanschauung,
Hinweis: Die Weltanschauung ist nachträglich doch noch „entfallen“, vgl. hier.
ihres Alters, ihrer sexuellen Identität oder auf Grund einer Behinderung erfahren, ungeregelt blieben.
Deshalb wird das Benachteiligungsverbot breiter angelegt. Dabei ist erforderlich, dass in den wesentlichen Bereichen
des alltäglichen Rechtslebens Regelungen für alle Diskriminierungsmerkmale geschaffen werden.
Für Menschen mit Behinderung wird damit zudem der bereits in der 14. Wahlperiode begonnene Ausbau des
Benachteiligungsschutzes (siehe insbesondere das Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen – SGB IX und das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen) weiterentwickelt.
Bei der Ausgestaltung eines zivilrechtlichen Benachteiligungsschutzes für alle nach diesem Gesetz erfassten Merkmale war allerdings sicherzustellen, dass das für das Privatrecht prägende Institut der Vertragsfreiheit in angemessener
Weise berücksichtigt wird. Dies ist in zweifacher Weise erfolgt.
Zum einen beschränkt § 19 Abs. 1 das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot auf solche Geschäfte, die typischerweise
ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen
(Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 42
Bedeutung hat, sowie auf privatrechtliche Versicherungen. Lediglich eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus nach § 19 Abs. 2 auch bei der Begründung, Durchführung und
Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig.
Ausgenommen bleiben ferner das Familien- und das Erbrecht sowie Schuldverhältnisse, die einen besonders engen
Bezug zur Privatsphäre haben.
Zum anderen ist für die Merkmale Geschlecht, Lebensalter, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion und
Weltanschauung nach § 20 eine unterschiedliche Behandlung aus sachlichen Gründen zulässig. Das ist erforderlich,
weil es eine Vielzahl wünschenswerter oder zumindest objektiv erforderlicher Differenzierungen nach den genannten
Merkmalen gibt, die vom Benachteiligungsverbot nicht in Frage gestellt werden sollen.
Durch dieses Vorgehen bringt der Entwurf den Schutz vor Benachteiligung mit der Vertragsfreiheit in ein
ausgewogenes Verhältnis.
Benachteiligte erhalten nach § 21 bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot einen Unterlassungsanspruch
sowie – wie im Arbeitsrecht – Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz.
Zu Abschnitt 4
(Rechtsschutz)
Die Betroffenen erhalten neben der aus § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX bereits
bekannten Beweiserleichterung zukünftig die Möglichkeit, sich durch Antidiskriminierungsverbände unterstützen zu
lassen. Die Verbände können unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsangelegenheiten der Benachteiligten
besorgen und in gerichtlichen Verfahren (mit Ausnahme von Strafverfahren) als Bevollmächtigte oder Beistände
auftreten.
Zu Abschnitt 5
(Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse)
Abschnitt 5 enthält Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse.
Zu Abschnitt 6
(Antidiskriminierungsstelle)
Abschnitt 6 regelt die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beim Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend. Sie wird neben den Beauftragten des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung,
die ebenfalls gegen Diskriminierungen bestimmter Personengruppen vorgehen, errichtet.
Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst den Geltungsbereich aller vier EU-Gleichbehandlungsrichtlinien. Dies ist
erforderlich, weil sich die Beratung auf die deutsche Rechtslage beziehen wird, die gemäß Artikel 1 ebenfalls alle
Diskriminierungsmerkmale umfasst.
Mit der Schaffung einer neuen Antidiskriminierungsstelle des Bundes, deren Leitung im Hinblick auf ihre Aufgaben
unabhängig und weisungsfrei ist, soll der Beseitigung und Verhinderung von Diskriminierungen Nachdruck verliehen
und den Betroffenen eine wichtige Hilfestellung in Form einer zentralen Anlaufstelle gegeben werden. Zugleich werden
damit die Vorgaben aus Artikel 13 der Richtlinie 2000/43/EG, aus Artikel 12 der Richtlinie 2004/113/EG und aus
Artikel 8a der Richtlinie 76/207/EWG4 umgesetzt.
Zu den Kernaufgaben dieser Stelle gehört ihre Unterstützungsfunktion für von Diskriminierungen betroffene Personen.
Diese erhalten durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Klärung
ihrer Situation und zu den Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens. Des Weiteren hat die Stelle
Schlichtungsmöglichkeiten, indem sie eine gütliche Beilegung von Diskriminierungsfällen zwischen den Beteiligten
anstreben kann. Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann die Stelle unter bestimmten Voraussetzungen die Beteiligten um
Stellungnahmen ersuchen und hat gegenüber Bundesbehörden ein Auskunftsrecht.
Weitere Kernaufgaben der Stelle sind:
– Maßnahmen zur Prävention von Diskriminierungen,
– die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen,
– vierjährige Berichtspflichten gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 27 – Drucksache 16/1780
– Abgabe von Empfehlungen zur Beseitigung und Verhinderung von Diskriminierungen an den Deutschen Bundestag
und die Bundesregierung,
– Öffentlichkeitsarbeit.
4
Im Folgenden werden sämtliche Vorschriften der Richtlinie 76/207/ EWG in der seit Inkrafttreten der Richtlinie 2002/73/EG
geltenden Fassung zitiert.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 43
Ferner soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit Nichtregierungsorganisationen und regionalen
Beratungsstellen kooperieren, um so eine ortsnahe Unterstützung zu ermöglichen. Damit wird den Vorgaben aus Artikel
12 der Richtlinie 2000/43/EG, aus Artikel 11 der Richtlinie 2004/113/EG und aus Artikel 8c der Richtlinie 2000/78/EG
Hinweis: Gemeint ist offensichtlich die hier auch verlinkte Richtlinie 76/207/EWG in der seit Inkrafttreten der
Richtlinie 2002/73/EG geltenden Fassung. Dorthin führt auch der Link. Vgl. auch Art. 14 der RL 2000/78/EG sowie
wenige Absätze weiter oben.
entsprochen.
Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, insbesondere des sozialen Dialogs der
Tarifpartner, wird der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Beirat beigeordnet. In diesen Beirat sollen
Vertreterinnen und Vertreter entsprechender Gruppen und Organisationen berufen werden. Der Beirat soll die
Antidiskriminierungsstelle bei der Vergabe von wissenschaftlichen Untersuchungen sowie bei den Empfehlungen an
den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung beraten. Die Stelle ihrerseits hat über den Beirat die Möglichkeit,
verstärkt in die Zivilgesellschaft hineinzuwirken.
Zu Abschnitt 7
(Schlussvorschriften)
Der siebte Abschnitt enthält Schlussbestimmungen zur Unabdingbarkeit, zur Geltung der allgemeinen Bestimmungen
sowie die Übergangsbestimmungen.
Zu Artikel 2 (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz – SoldGG)
Artikel 2 setzt für den beruflichen Bereich der Soldatinnen und Soldaten die Vorgaben folgender EU-Richtlinien um:
Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne
Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft,
Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.
Keiner Umsetzung für Soldatinnen und Soldaten mehr bedurfte die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Dieser Richtlinie wird bereits
durch das Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnenund Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz – SDGleiG) Rechnung getragen.
Wegen der Aufhebung des Beschäftigtenschutzgesetzes, das auch für Soldatinnen und Soldaten galt, war es notwendig,
den Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigung
und sexueller Belästigung im Dienstbetrieb in das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz aufzunehmen.
Die Bundesregierung hat von der in Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten eingeräumten
Möglichkeit Gebrauch gemacht, „diese Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen wegen einer Behinderung und des
Alters nicht für die Streitkräfte“ der Bundeswehr umzusetzen. Die Bundesregierung begründet dies mit dem
überragenden Erfordernis der Einsatzbereitschaft und Schlagkraft der Streitkräfte. Der militärische Dienst der
Soldatinnen und Soldaten, der letztlich die äußere Sicherheit und die Existenz des staatlichen Gemeinwesens
gewährleistet, ist nicht ohne weiteres mit sonstigen staatlichen Tätigkeiten im öffentlichen Dienst vergleichbar. Im
Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge kommt der Einsatzbereitschaft und allseitigen Verwendbarkeit der Soldatinnen
und Soldaten ein besonderer Stellenwert zu. Dieser gewichtige militärische Grund, der staatspolitisch fundiert ist,
rechtfertigt es, für die Streitkräfte von der Auflage abzusehen, Personen einstellen oder weiterbeschäftigen zu müssen,
die hinsichtlich ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeiten oder aus Altersgründen nicht in der Lage sind, den
jeweiligen Anforderungen an sämtliche, ihnen zu stellende militärische Aufgaben zu erfüllen. Angesichts der im
Rahmen der Transformation der Bundeswehr vorzunehmenden Reduzierung auch des militärischen Personals nimmt
die Bundesregierung die oben genannten Ausnahmen für die gesamten Streitkräfte in Anspruch.
Gegenstand des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes sind ausschließlich die Rechtsverhältnisse der
den Streitkräften der Bundeswehr angehörenden Soldatinnen und Soldaten und von Personen, die – sei es nach
Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes, sei es auf Grund freiwilliger Verpflichtung – vor der Begründung eines soldatischen
Dienstverhältnisses stehen und in diesem Zusammenhang mit Soldatinnen oder Soldaten sowie mit militärischen
Dienststellen in Berührung kommen. Das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz betrifft daher eine
Angelegenheit der Verteidigung und ist somit nach Artikel 73 Nr. 1 GG Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung
des Bundes.
Das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz berührt nicht die Anwendung solcher Vorschriften des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf Soldatinnen und Soldaten, die diesen wie anderen Staatsbürgerinnen und
Staatsbürgern Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr bieten sollen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 44
Zu Artikel 3
Artikel 3 enthält Änderungen bestehender Gesetze.
Im Arbeitsgerichtsgesetz wird mit dem neuen Satz 6 des § 11 Abs. 1 die Kongruenz der Vorschriften über die
Vertretung vor den Arbeitsgerichten mit der neuen Regelung in Artikel 1 § 23 hergestellt. Soweit den dort näher
bezeichneten Verbänden die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erlaubt ist, sind sie zur Prozessvertretung vor
den Arbeitsgerichten zugelassen.
Hinweis: Vgl dazu die hier gemachten Ausführungen, insbesondere den Hinweis!
Die in § 61b Abs. 1 ArbGG vorgesehene Frist von drei Monaten zur Erhebung einer Klage auf Entschädigung wird
beibehalten. Der Verweis auf § 611a BGB wird ersetzt durch einen Verweis auf Artikel 1 § 15. Die Klagefrist ist damit
in allen Fällen einer Klage auf Entschädigung einzuhalten.
Mit der Aufhebung des Artikels 2 des Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz
und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) wird dem
Drucksache 16/1780 – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Umstand Rechnung getragen, dass die Vorschrift mit der Aufhebung der entsprechenden Vorschriften im BGB
gegenstandslos geworden ist. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die gesetzlichen Vorschriften den Beschäftigten
bekannt zu machen, wird nunmehr für alle Richtlinien einheitlich in Artikels 1 § 12 Abs. 5 umgesetzt.
In § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes werden die aufgestellten Grundsätze für die Behandlung der im Betrieb
tätigen Personen an die Terminologie des Artikels 1 § 1 dadurch angepasst, dass die Insbesondere-Aufzählung der
unzulässigen Differenzierungsmerkmale durch die Einfügung der Benachteiligungsverbote aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, Weltanschauung, Behinderung und des Alters, die bisher in § 75 Abs. 1 BetrVG nicht
ausdrücklich genannt waren, ergänzt wird.
In vergleichbarer Weise werden die in § 67 Abs. 1 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes enthaltenen
Grundsätze für die Behandlung der Beschäftigten dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz angepasst.
§ 8 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes wird in der Weise neu gefasst, dass die Merkmale, welche bei der
Auslese von Bewerberinnen und Bewerbern nach einer Stellenausschreibung nicht berücksichtigt werden dürfen, um
die Merkmale ethnische Herkunft, Behinderung, Weltanschauung und sexuelle Identität erweitert werden. Dabei wird
durch die Änderung des § 8 Abs. 1 Satz 3 klargestellt, dass gesetzliche Maßnahmen zur Förderung schwerbehinderter
Menschen von der Ergänzung des Berücksichtigungsverbots des Satzes 2 um das Merkmal der Behinderung unberührt
bleiben.
Die in § 27 Abs. 1 des Sprecherausschussgesetzes (SprAuG) aufgestellten Grundsätze für die Behandlung der leitenden
Angestellten des Betriebs werden an die Terminologie des Artikels 1 § 1 angepasst.
Im Ersten Buch Sozialgesetzbuch wird in Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG durch Einfügung des neuen § 33c das
Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse und wegen der ethnischen Herkunft im Bereich des Sozialgesetzbuches
nominiert und auch die Benachteiligung wegen einer Behinderung einbezogen. Unter die sozialen Rechte fallen die in
den Büchern des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 SGB I), insbesondere auch
die Aufklärung, Auskunft und Beratung im Sinne des Sozialgesetzbuches (§§ 13 bis 15 SGB I). Daraus entstehen keine
neuen sozialen Rechte; diese sind allein in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches festgelegt.
Durch die Änderung von § 36 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch wird die Umsetzung der Richtlinien durch
Abschnitt 2 des Artikels 1 dieses Gesetzes für die Grundsätze der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit
nachvollzogen, soweit das Dritte Buch Sozialgesetzbuch nicht in Bezug auf einzelne Benachteiligungsgründe bereits
ein höheres Schutzniveau gewährleistet.
Soweit der Bereich der Berufsberatung betroffen ist, wird durch den neuen § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
das Benachteiligungsverbot für die betroffenen Leistungsträger festgeschrieben.
Mit der Änderung in § 36 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wird klargestellt, dass nun auch die Regelungen
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (Artikel 1 Abschnitt 2) im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben und über
§ 138 Abs. 4 SGB IX auch in Werkstätten für behinderte Menschen entsprechende Anwendung finden.
§ 81 Abs. 2 SGB IX regelt das Diskriminierungsverbot für schwerbehinderte Beschäftigte. Durch die umfassende
Neuregelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wird die dort in Satz 2 Nr. 1 bis 5 enthaltene Spezialregelung
entbehrlich und durch einen Verweis auf das AGG ersetzt.
Die Regelung des § 4 Abs. 7 BGleiG wird im Hinblick auf die in Artikel 1 § 3 Abs. 1 und 2 enthaltenen, den neuen
Richtlinienvorgaben entsprechenden Begriffsbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung
entbehrlich.
Das Bundesgleichstellungsgesetz wird zudem an den Wegfall des Beschäftigtenschutzgesetzes angepasst.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 45
In § 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes werden die Merkmale, welche bei Entscheidungen über Ernennungen und
Verwendungen der Soldatinnen und Soldaten nicht berücksichtigt werden dürfen, um die Merkmale sexuelle Identität,
Weltanschauung und ethnische Herkunft erweitert.
Durch die Änderung in § 73 Abs. 6 des Sozialgerichtsgesetzes wird dem neu geschaffenen Vertretungsrecht von
Mitgliedern und Beschäftigten der Antidiskriminierungsverbände im Sinne von Artikel 1 § 23 Abs. 1 Rechnung
getragen.
Durch die umfassende Neuregelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz werden die §§ 611a, 611b und 612 Abs.
3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die bisher den Schutz vor Benachteiligung wegen des Geschlechts regeln, entbehrlich
und deshalb aufgehoben.
Die Änderung des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichstellungsgesetz trägt der Aufhebung des § 611a BGB und des
Beschäftigtenschutzgesetzes Rechnung.
Die Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung trägt den Bedürfnissen nach
außergerichtlichen, konsensualen Möglichkeiten der Streitbeilegung Rechnung.
Zu Artikel 4
Artikel 4 regelt das Inkrafttreten dieses Umsetzungsgesetzes und das Außerkrafttreten des Beschäftigtenschutzgesetzes.
III. Gesetzgebungskompetenz
Die Abschnitte 1 bis 4 des Artikels 1 stützen sich mit Ausnahme des § 2 Abs. 2 des Artikels 1 auf die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 (Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes)
GG und nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsberatung). Die
Befugnis des Bundes zur Regelung von § 2 Abs. 2 des Artikels 1 stützt sich auf Artikel 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche
Fürsorge).
Die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung gemäß Artikel 72 Abs. 2 GG ist insbesondere zur Wahrung der
Rechts- und Wirtschaftseinheit gegeben. Der angestrebte effektive Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und
Beruf sowie im Zivilrecht kann nämlich nur durch eine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 29 – Drucksache 16/1780
bundeseinheitliche Regelung erreicht werden. Eine unterschiedliche rechtliche Behandlung derselben
Lebenssachverhalte würde Umgehungsmöglichkeiten eröffnen und außerdem erhebliche Rechtsunsicherheiten und
damit unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr erzeugen. Dies liegt für den Absatz von
Gütern und Dienstleistungen auf der Hand, gilt in gleicher Weise aber für Beschäftigung und Beruf, insbesondere bei
steigender Mobilität der Bevölkerung. Die durch eine divergierende Rechtslage ausgelösten Unsicherheiten würden die
Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft bedrohen.
Unbeschadet dessen erwartet der Verkehr zumindest im Kernbereich des privaten Zivil- und Wirtschaftsrechts, dass
bundesweit dieselben Regelungen gelten.
Bezüglich der in Abschnitt 5 vorgenommenen Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten des Bundes in den
Anwendungsbereich des Gesetzes macht der Bund von seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz aus Artikel 73
Nr. 8 GG Gebrauch.
Die Einbeziehung der Landesbeamtinnen und -beamten in den Anwendungsbereich des Gesetzes gründet auf der
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG.
Die bundesgesetzlichen Regelungen sind zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse nach Artikel 72
Abs. 2 GG erforderlich, da die Gefahr besteht, dass eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene oder Untätigkeit des
Landesgesetzgebers zu einer Rechtszersplitterung bzw. Nichtumsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien führt.
Die Bestimmungen über den Schutz der im öffentlichen Dienst Beschäftigten vor Diskriminierung wegen der in § 1 des
Artikels 1 genannten Merkmale bilden eine wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes.
Dies gilt vor allem auch wegen der notwendigen Gewährleistung wachsender Mobilitätserfordernisse zwischen Bund
und Ländern sowie zwischen den Ländern.
Soweit das Gesetz für diese Beschäftigtengruppe in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen
enthält, sind diese im Sinne des Artikels 75 Abs. 2 GG ausnahmsweise gerechtfertigt. Sie sind zur Umsetzung der EUGleichbehandlungsrichtlinien unerlässlich und der einzig mögliche Weg.
Die Bestimmungen über den Schutz der im öffentlichen Dienst Beschäftigten vor Diskriminierung stellen, bezogen auf
die vom Beamtenrechtsrahmengesetz erfasste und durch Rahmenvorschriften geordnete Materie des öffentlichen
Dienstes der Länder sowohl quantitativ wie auch qualitativ, Ausnahmefälle dar.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 46
Abgesehen von den festgeschriebenen einheitlichen Standards verbleiben den Ländern breite Regelungsfelder zur
selbstständigen Ausgestaltung. Die Länder können weitergehende und detailliertere Regelungen schaffen, um berufliche
Benachteiligungen der Beamtinnen und Beamten wegen der genannten Merkmale zu vermeiden. Die Vollregelungen
des Bundes dominieren das Sachgebiet nicht, so dass in qualitativer Hinsicht ein Ausnahmefall vorliegt (vgl.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 – 2 BvF 2/02).
Die für die Beamtinnen und Beamten geltenden in Einzelheiten gehenden und unmittelbar geltenden Regelungen stellen
auch in qualitativer Hinsicht einen Ausnahmefall dar. Die Vorschriften lassen nach ihrer inhaltlichen Bedeutung eine
weitere prägende Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber zu. Ohne sie könnte das Gesetz verständlicherweise nicht
erlassen werden; sie sind schlechthin unerlässlich, da die umzusetzenden EU-Gleichbehandlungsrichtlinien nicht nach
Beschäftigtengruppen differenzieren und Arbeitnehmer und Beamte gleich behandeln.
Die bundeseinheitliche Geltung dieser europarechtlichen Vorgaben für den Landesgesetzgeber ist zur Schaffung eines
allgemeinen Handlungsrahmens für die öffentliche Verwaltung, der im gesamten Bundesgebiet im Wesentlichen der
Gleiche sein muss, unerlässlich. Für den Arbeitnehmerbereich findet das Gesetz unmittelbar Anwendung. Deshalb ist
ein gleichzeitiges Inkrafttreten auch für den Beamtenbereich notwendig. Dadurch ist sichergestellt, dass bei der
Umsetzung der EU-Vorgaben auch ein wirkungs- und zeitgleicher Diskriminierungsschutz für den öffentlichen Dienst
insgesamt eintritt.
Hinsichtlich des Bereichs der sexuellen Belästigung gilt für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Bund,
Ländern und Gemeinden das Beschäftigtenschutzgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406). Diese Schutzregelung
wird durch Artikel 4 aufgehoben. Für den Bereich der sexuellen Belästigung hätte dies bei einem Aufgehen des
bisherigen Beschäftigtenschutzgesetzes in dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zur Folge, dass die Beamtinnen
und Beamten nicht mehr erfasst wären. Insoweit beinhaltet die Neuregelung keine grundlegende Umgestaltung der
bisherigen Rechtslage für diesen Bereich, sondern erweitert den gesetzlichen Diskriminierungsschutz nur um die
anderen in § 1 des Artikels 1 aufgeführten Merkmale.
Die Befugnis des Bundes zur Errichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach Abschnitt 6 des Entwurfs
ergibt sich aus Artikel 87 Abs. 3 Satz 1 GG. Ihre Aufgabe besteht in der Förderung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung aller Personen insbesondere in den durch die Abschnitte 1 bis 4 dieses Entwurfs geregelten zur
konkurrierenden Gesetzgebung gehörigen Bereichen. Zudem erfolgt die Errichtung der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes auf Grund des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 7 GG in Wahrnehmung der öffentlichen Fürsorge, die zur Wahrung der
Rechtseinheit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Artikel 2 SoldGG folgt aus Artikel 73 Nr. 1 GG.
IV. Gesetzesfolgen und Gleichstellungswirkung
Die vorgesehenen Regelungen haben – entsprechend der geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Ausgangssituation –
auch geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wirkungen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Frauen in
besonderem Maße von Benachteiligungen betroffen sind, nicht nur beim Diskriminierungsmerkmal Geschlecht, sondern
auch bei den übrigen Diskriminierungsmerkmalen. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass die angestrebten
Wirkungen des Gesetzes die Lebensbereiche von Frauen mit umfassen und dass Frauen von den neuen gesetzlichen
Schutzmöglichkeiten auch Gebrauch machen können.
Drucksache 16/1780 – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Neben den individuellen Schutzwirkungen zugunsten der von Diskriminierung Betroffenen wird mit dem Gesetz vor
allem eine Signalwirkung im Hinblick auf alle Diskriminierungsmerkmale angestrebt. Das Gesetz ist Ausdruck des
politischen Willens, eine Kultur der Vielfalt und gegen Diskriminierung in Deutschland zu schaffen. Dazu gehört, für
die Problematik der unbeabsichtigten, aber auch der strukturellen Diskriminierung zu sensibilisieren.
Damit diese Signalwirkung eintritt, sind flankierende Maßnahmen erforderlich.
Hierbei spielen die vorgesehene Errichtung einer Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie ihres Beirates eine
besondere Rolle. Sie sollen öffentlichkeitswirksam aufklären und – z. B. Betriebe – beraten.
Die zweite beabsichtigte Wirkung des Gesetzes ist, eventuelle Zugangsbarrieren zu überwinden. Auch hierzu sind
flankierende Maßnahmen erforderlich. Zugangsbarrieren können liegen in:
– der Unkenntnis der neuen Rechte,
– fehlenden oder nicht geeigneten Ansprechstellen im Betrieb,
– fehlender Transparenz im Betrieb zum Umgang mit Beschwerden,
– fehlender Unterstützung im Betrieb,
– Angst vor Nachteilen am Arbeitsplatz,
– Scham, insbesondere bei sexueller Belästigung,
– Sprachschwierigkeiten u. Ä.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 47
In besonderem Maße können sich solche Zugangsbarrieren im Falle einer Mehrfachdiskriminierung auswirken.
Gerade bei Frauen, die doch am ehesten von Diskriminierungen, insbesondere in Form der (sexuellen) Belästigung,
betroffen sind, werden häufig solche Zugangsbarrieren zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen beobachtet.
Ein Grund könnte darin liegen, dass sich Frauen weniger als Männer mit den ihnen zustehenden rechtlichen
Möglichkeiten identifizieren, weil diese oftmals nicht ihren Strategien der Konfliktlösung entsprechen.
Ähnliches gilt für Menschen mit Migrationshintergrund, die einer fremden Rechtsordnung gegenüberstehen, aber auch
für Menschen mit Behinderungen, die häufig noch mit weiteren Zugangsbarrieren konfrontiert sind.
Auch hier sind daher flankierende Maßnahmen notwendig. Das Gesetz sieht solche vor
– in der Unterstützung durch Verbände bei der Rechtsdurchsetzung und
– in der Unterstützung durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Wichtig wird ferner sein, die Auswirkungen des Gesetzes geschlechtsspezifisch zu evaluieren. Hierbei werden
insbesondere die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorzulegenden Berichte hilfreich sein. Sie werden u. a.
bekannt gewordene Diskriminierungsfälle, ihre Behandlung sowie die Erfahrungen mit der Geltendmachung der neuen
Rechte betreffen. Diese Berichte sollen – wie auch die wissenschaftlichen Untersuchungen der
Antidiskriminierungsstelle – wertvolle Hinweise darüber geben, ob der mit dem Gesetz eingeschlagene Weg erfolgreich
ist und sich auch gleichstellungspolitisch positiv auswirkt.
Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
Zu Abschnitt 1
(Allgemeiner Teil)
Zu § 1 (Ziel des Gesetzes)
Das Gesetz hat die Zielsetzung, Benachteiligungen wegen der in § 1 genannten Gründe in seinem in § 2 Abs. 1 näher
bestimmten Anwendungsbereich zu verhindern oder zu beseitigen. Es setzt damit die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/
78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG um, die – in ihrem jeweiligen spezifischen Anwendungsbereich – gegen
Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder
Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität schützen. Einen Schutz gegen
Benachteiligung wegen anderer Gründe regelt dieses Gesetz nicht. Soweit sich aus anderen Vorschriften oder
insbesondere aus arbeitsrechtlichen Grundsätzen weitere Benachteiligungsverbote oder Gleichbehandlungsgebote
ergeben, finden diese nach § 2 Abs. 3 neben den Vorschriften dieses Gesetzes weiterhin Anwendung.
Rechtlicher Schutz vor Benachteiligung zielt nicht auf den Schutz besonderer Gruppen, sondern auf den Schutz vor
Benachteiligungen, die an die in den Richtlinien genannten Merkmale anknüpfen. Diese Merkmale werden von jedem
Menschen in der einen oder anderen Form verwirklicht, denn alle Menschen weisen eine bestimmte ethnische Herkunft
auf, haben ein bestimmtes Lebensalter und eine sexuelle Orientierung. Nicht alle Menschen aber sind in gleicher Weise
von Benachteiligungen betroffen.
Der Gesetzentwurf spricht im Folgenden von „Benachteiligung“ und nicht von „Diskriminierung“, um deutlich zu
machen, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist,
diskriminierenden Charakter hat. Unter „Diskriminierung“ nämlich wird schon im allgemeinen Sprachgebrauch nur die
rechtswidrige, sozial verwerfliche Ungleichbehandlung verstanden. Es gibt indessen auch Fälle der zulässigen
unterschiedlichen Behandlung; dies zeigen die §§ 5, 8 bis 10 und 20.
Die in § 1 erwähnten Merkmale entstammen Artikel 13 des EG-Vertrags, der durch den Amsterdamer Vertrag mit
Wirkung zum 1. Mai 1999 in das primäre Gemeinschaftsrecht eingefügt worden ist. Die Bedeutung der aufgezählten
Merkmale erschließt sich weithin ohne besondere Erläuterung. Ergänzend ist anzumerken:
Das Merkmal „Rasse“ bzw. „ethnische Herkunft“ ist von der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG vorgegeben. Diese
auch in Artikel 13 des EG-Vertrags erwähnten Begriffe sind EG-rechtlich in einem umfassenden Sinne zu verstehen,
denn sie sollen einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierter Benachteiligung gewährleisten.
Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unproblematisch und bereits bei der Erarbeitung der
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (zur Auslegung des Begriffs siehe Göksu,
Rassendiskriminierung beim
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 31 – Drucksache 16/1780
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 48
Vertragsabschluss als Persönlichkeitsverletzung, Freiburg/ CH 2003, S. 8 ff.). Die Mitgliedstaaten und die Kommission
der Europäischen Gemeinschaften haben letztlich hieran festgehalten, weil „Rasse“ den sprachlichen
Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die
konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen – genutzt werden soll.
Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags, dessen Ausfüllung die
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Artikels 3 Abs. 3 Satz 1 GG. In Übereinstimmung
mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit denen
versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in
der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG bedeutet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur Klarstellung
wurde daher – auch in Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags – die Formulierung „aus Gründen
der Rasse“ und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“ gewählt. Sie soll deutlich
machen, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass
derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt.
Auch das Merkmal der „ethnischen Herkunft“ ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Es ist EG-rechtlich auszulegen
und umfasst auch Kriterien, wie sie das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Rassendiskriminierung (CERD) vom 7. März 1966 (BGBl. 1969 II S. 961) nennt: Benachteiligungen auf Grund der
Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums (im Sinne des ethnischen
Ursprungs). Dies gilt auch dann, wenn scheinbar auf die Staatsangehörigkeit oder Religion abgestellt wird, in der Sache
aber die ethnische Zugehörigkeit gemeint ist.
Der Begriff der „Behinderung“ entspricht den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) und in § 3 des Gesetzes zur
Gleichstellung behinderter Menschen (BGG): Nach den insoweit übereinstimmenden Vorschriften sind Menschen
behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. Mit diesem sozialrechtlich entwickelten Begriff werden sich die meisten
Sachverhalte der ungerechtfertigen Benachteiligung Behinderter auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfassen
lassen.
Der Begriff der „sexuellen Identität“ entspricht der bereits zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in § 75 des
Betriebsverfassungsgesetzes erfolgten Wortwahl. Erfasst werden homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie
bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen.
Der Begriff „Alter“ meint Lebensalter, schützt also gegen ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlungen, die an das
konkrete Lebensalter anknüpfen. Es geht also nicht ausschließlich um den Schutz älterer Menschen vor
Benachteiligung, wenngleich dies ein Schwerpunkt des Anwendungsbereichs sein wird.
Zu § 2 (Anwendungsbereich)
Zu Absatz 1
Absatz 1 bestimmt – in Verbindung mit den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 5 – den sachlichen Anwendungsbereich
des Gesetzes. Dem liegt folgende Regelungstechnik zu Grunde: die Nummern 1 bis 4 entsprechen weithin Artikel 3
Abs. 1 Buchstabe a bis d der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG; zur Klarstellung wird in Nummer
2 ein Hinweis auf individual- und kollektivrechtliche Vereinbarungen hinzugefügt. Die Nummern 5 bis 8 entsprechen
wortgleich Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe e bis h der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG. Eine gesonderte Wiedergabe von
Artikel 3 der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG war
entbehrlich, weil dieser von Nummer 8 erfasst wird.
Nummer 1 nennt den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit unabhängig von Tätigkeitsfeld
und beruflicher Position sowie den beruflichen Aufstieg und betont, wegen der besonderen Bedeutung,
Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen.
Nach Nummer 2 unterfallen dem Gesetz alle Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt
und Entlassungsbedingungen, insbesondere Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung
eines Beschäftigungsverhältnisses sowie für den beruflichen Aufstieg. Mit erfasst werden damit auch die
nachwirkenden Folgen eines beendeten Beschäftigungsverhältnisses. Die Aufzählung im zweiten Halbsatz dient der
Konkretisierung, sie ist nicht abschließend und umfasst z. B. auch Weisungen oder sonstige Anordnungen wie
Versetzung oder Umsetzung durch den Arbeitgeber.
Der Begriff der Vereinbarung ist weit zu verstehen. Er erfasst z. B. vertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und
Beschäftigten ebenso wie Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretungen sowie Tarifverträge und vergleichbare
kollektive Regelungen.
Nummer 3 betrifft den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, Berufsbildung einschließlich
Umschulung etc.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 49
Nummer 4 betrifft die Mitgliedschaft und Mitwirkung in berufsbezogenen Vereinigungen auf Beschäftigten und
Arbeitgeberseite. Die Richtlinien wollen umfassend der Benachteiligung in Beschäftigung und Beruf entgegenwirken.
Um dieses Ziel zu erreichen, kommt der Möglichkeit der ungehinderten Mitwirkung in entsprechenden
Berufsverbänden und ähnlichen Vereinigungen erhebliche Bedeutung zu.
Die Nummern 5 bis 7 beruhen auf der Umsetzung der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG, die – anders als die
Rahmenrichtlinie 2000/78/EG und die geänderte Gender-Richtlinie 76/207/EWG – nicht nur für Beschäftigung und
Beruf gilt, sondern auch für den Sozialschutz, die sozialen Vergünstigungen, die Bildung sowie den Zugang zu und die
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von
Wohnraum. Die meisten dieser Sachverhalte werden öffentlich-rechtlichen Regelungen unterliegen, denn beim
Sozialschutz sowie den sozialen Vergünstigungen und auch bei der Bildung wird es sich überwiegend um staatliche
Leistungen handeln. Es ist aber auch denkbar, dass einschlägige Leistungen auf privatrechtDrucksache 16/1780 – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
licher Grundlage erbracht werden, etwa im Rahmen eines privaten Arztvertrages oder Bildungsleistungen privater
Anbieter. Einschlägig ist dann das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft nach § 19 Abs. 2.
Auch im Anwendungsbereich von Nummer 8 sind öffentlich-rechtliche Sachverhalte denkbar. Meist wird es hierbei
aber um privatrechtlich zu beurteilende Schuldverhältnisse gehen, denn der Zugang zu und die Versorgung mit Gütern
und Dienstleistungen erfolgt in marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaften überwiegend auf der Grundlage von
privatrechtlichen Verträgen. Die Formulierung entspricht dem Sprachgebrauch des EG-Vertrags und den dort
garantierten Freiheiten, insbesondere dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr (Artikel 23 ff., 49 ff. des EGVertrags). Mit Dienstleistungen sind also nicht nur Dienst- und Werkverträge (§§ 611, 631 BGB) gemeint. Erfasst sind
damit auch Geschäftsbesorgungsverträge, Mietverträge und Finanzdienstleistungen, also auch Kredit- und
Versicherungsverträge, Leasingverträge etc.
Eingeschränkt wird der Anwendungsbereich der Nummer 8 durch das Erfordernis, dass die Güter und Dienstleistungen
sowie Wohnraum „der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“ müssen. Diese Formulierung ist wörtlich aus den
jeweiligen Regelungen zum Geltungsbereich der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG (Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe h)
und der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außer halb der Arbeitswelt (Artikel 3 Abs. 1) übernommen.
Güter und Dienstleistungen werden praktisch dann der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, wenn ein Angebot zum
Vertragsschluss durch Anzeigen in Tageszeitungen, Schaufensterauslagen, Veröffentlichungen im Internet oder auf
vergleichbare Weise öffentlich gemacht wird. Es kommt nicht darauf an, wie groß die angesprochene Öffentlichkeit ist,
sondern nur darauf, dass die Erklärung über die Privatsphäre des Anbietenden hinaus gelangt.
Zu Absatz 2
Die Regelung trägt den Anforderungen der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG im Bereich des
Sozialschutzes Rechnung; hierfür gelten, soweit es um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch geht, ausschließlich die
Regelungen in § 33c SGB I und § 19a SGB IV.
Es wird klargestellt, dass für die betriebliche Altersversorgung die auf der Grundlage des Betriebsrentengesetzes
geregelten Benachteiligungsverbote gelten. Darüber hinaus bleibt die Richtlinie 86/378/EWG (geändert durch die
Richtlinie 96/97/EG) zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den
betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit maßgeblich.
Hinweis: Die „Ausklammerung“ der betrieblichen Altersversorgung ist möglicherweise richtlinienwidrig. Vgl. auch bei
§ 10 S. 3 Nr. 4 AGG.
Zu Absatz 3
Absatz 3 stellt klar, dass dieses Gesetz lediglich der Umsetzung der vier Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/
73/EG und 2004/113/EG dient und keine vollständige und abschließende Regelung des Schutzes vor Benachteiligung
darstellt. Benachteiligungsverbote oder Gleichbehandlungsgebote, die auf anderen Rechtsvorschriften beruhen, bleiben
unberührt (z. B. § 4 TzBfG). Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Schutzvorschriften bestimmter Personengruppen,
wie z. B. die Mutterschutzvorschriften.
Zu Absatz 4
Absatz 4 dient der Klarstellung, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unberührt bleiben. Sie soll für die
Praxis zugleich verdeutlichen, dass Rechtsstreitigkeiten bei Kündigungen auch in Zukunft vorwiegend nach dem
Kündigungsschutzgesetz zu entscheiden sein werden.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 12:
Die Änderung greift ein Anliegen des Bundesrates auf. Die Formulierung des Regierungsentwurfs bestimmt, für
Kündigungen gälten „vorrangig“ die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes. Das Verhältnis beider Gesetze
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 50
zueinander soll dahin präzisiert werden, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und
besonderen Kündigungsschutz Anwendung finden. Dies erscheint sachgerechter, weil diese Regelungen speziell auf
Kündigungen zugeschnitten sind. Die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes finden sich im
Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Bestimmungen zum besonderen
Kündigungsschutz enthalten zum Beispiel der Zweite Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes, Artikel 48 Abs. 2 Satz
1 des Grundgesetzes, § 9 des Mutterschutzgesetzes, §§ 18, 19 des Bundeserziehungsgeldgesetzes, § 2 des
Arbeitsplatzschutzgesetzes, § 2 des Eignungsübungsgesetzes, §§ 85 ff., § 96 Abs. 3 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch, § 47 des Bundespersonalvertretungsgesetzes, § 36 Abs. 3 Satz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes, §
53 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder § 21f des Wasserhaushaltsgesetzes.
Hinweis: Die „Ausklammerung“ des Kündigungsschutzes ist möglicherweise richtlinienwidrig. Vgl. auch bei § 10 S. 3
Nr. 6 AGG.
Zu § 3 (Begriffsbestimmungen)
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Abs. 2 bis 4 der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG und Artikel 2
Buchstabe a bis d der Richtlinie 2004/113/EG um. Die Begriffsbestimmungen sind weitgehend wörtlich aus den
Richtlinien übernommen. Nur vereinzelt sind zur Klarstellung Ergänzungen erfolgt.
Zu Absatz 1
Absatz 1 Satz 1 definiert die unmittelbare Benachteiligung. Sie liegt vor, wenn eine Person eine weniger günstige
Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Dies bezieht sich gleichermaßen auf alle in § 1 genannten Gründe einer unterschiedlichen Behandlung. Eine
Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen. Der Nachteil besteht in einer Zurücksetzung. Die
Zurücksetzung muss wegen eines der in § 1 erwähnten Merkmale erfolgt sein. Die benachteiligende Maßnahme muss
also durch eines (oder mehrere) dieser Merkmale motiviert sein bzw. der Benachteiligende muss bei seiner Handlung
hieran anknüpfen.
Die unmittelbare Benachteiligung muss entweder noch andauern bzw. bereits abgeschlossen sein; oder aber es muss
eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass eine solche Benachteiligung eintritt („erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde“). Eine nur abstrakte Gefahr löst noch keine Ansprüche aus. Es bedarf einer Wiederholungsgefahr – bei
bereits erfolgter Benachteiligung – oder einer ernsthaften Erstbegehungsgefahr (siehe Palandt-Bassenge, BGBKommentar, 65. Auflage 2006, § 1004 Rn. 32).
Satz 2 berücksichtigt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH Rs. C-177/88 vom 8. November 1990
– Dekker) und stellt für den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 geregelten Anwendungsbereich (Beschäftigung und Beruf) klar,
dass eine unmittelbare Benachteiligung auch vorliegt, wenn die Unterscheidung wegen eines Merkmals erfolgt, das mit
einem in § 1 genannten Grund in untrennbarem Zusammenhang steht. Der Europäische Gerichtshof hat in der
Rechtssache Dekker klargestellt, dass dies für die Situation von Schwangerschaft und Mutterschaft einer Frau gilt.
Damit setzt die Vorschrift Artikel 2 Abs. 7 der Richtlinie 76/207/EWG um.
Zu Absatz 2
Absatz 2 definiert die mittelbare Benachteiligung. Sie liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren Personen oder Personengruppen, bei denen eines der in § 1 genannten Merkmale
vorliegt, in besonderer Weise gegenüber anderen Personen oder Personengruppen benachteiligen, bei denen die in § 1
genannten Merkmale nicht vorliegen (Bildung von VerDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 33 – Drucksache 16/1780
gleichsgruppen). Dieser sehr weite Anwendungsbereich bedarf einer Einschränkung, für die der Anspruchsteller
darlegungs- und beweispflichtig ist: Eine mittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, wenn ein sachlicher Grund die
Ungleichbehandlung rechtfertigt und die eingesetzten Mittel erforderlich und angemessen sind.
Bereits bei der Feststellung, ob tatbestandlich eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, ist das Vorliegen sachlich
rechtfertigender Gründe zu prüfen. Auf die weiteren speziellen Rechtfertigungsgründe, die das Gesetz in den §§ 5, 8 bis
10 sowie § 20 vorsieht, kommt es dann regelmäßig nicht mehr an. Wie bei der unmittelbaren Benachteiligung genügt
eine abstrakte Gefährdungslage nicht: Der Benachteiligte muss von der mittelbaren Benachteiligung konkret betroffen
sein bzw. es muss eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass ihm im Vergleich zu Angehörigen anderer
Personengruppen ein besonderer Nachteil droht.
Zu Absatz 3
Die Vorschrift definiert den Begriff der Belästigung, die eine Benachteiligung darstellt. Wesentlich ist die Verletzung
der Würde der Person durch unerwünschte Verhaltensweisen; insbesondere durch das Schaffen eines von
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 51
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichneten Umfeldes.
Die unerwünschte Verhaltensweise muss geeignet sein, die Würde der betreffenden Person zu verletzen. Damit
scheiden geringfügige Eingriffe aus. Das Verhalten muss aber andererseits auch nicht die Qualität einer Verletzung der
Menschenwürde im Sinne des Artikels 1 GG erreichen. Ist eine Verletzung der Würde vom Handelnden bezweckt,
kommt es nicht darauf an, ob diese Verletzung tatsächlich eintritt. Eine Belästigung ist aber auch dann gegeben, wenn
ein Verhalten die Würde des Betroffenen verletzt, ohne dass dies vorsätzlich geschieht. Auch bei einmalig bleibenden
Handlungen bleibt der Betroffene nicht schutzlos.
Die Unerwünschtheit der Verhaltensweise muss nicht bereits vorher ausdrücklich gegenüber den Belästigenden zum
Ausdruck gebracht worden sein. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Handelnden aus der Sicht eines objektiven
Beobachters davon ausgehen können, dass ihr Verhalten unter den gegebenen Umständen von den Betroffenen nicht
erwünscht ist oder auch nicht akzeptiert wird. Belästigendes Verhalten kann sowohl verbaler als auch nonverbaler Art
sein. Hierunter können z. B. Verleumdungen, Beleidigungen und abwertende Äußerungen, Anfeindungen, Drohungen
und körperliche Übergriffe fallen, die im Zusammenhang mit einem der in § 1 genannten Gründe stehen.
Im Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots (§§ 19 ff.) wird es eines Rückgriffs auf Absatz 3
selten bedürfen: Wer im Rahmen eines Vertrags eine Person wegen der in § 1 genannten Merkmale belästigt, lässt die
nach § 241 Abs. 2 BGB gebotene Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei außer
Acht und verletzt damit seine vertraglichen Pflichten. Dies gilt nach § 311 Abs. 2 BGB auch bereits in der
vorvertraglichen Phase, also bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, der Anbahnung eines Vertrags oder bei
ähnlichen geschäftlichen Kontakten.
Daneben können Handlungen, die das Persönlichkeitsrecht, die Gesundheit oder die sexuelle Selbstbestimmung
verletzen, Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche auslösen. In Betracht kommen insbesondere § 823 Abs. 1,
§ 253 Abs. 2 BGB. Auch können entsprechende Handlungen straf rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Zu Absatz 4
Die Definition der eine Benachteiligung darstellenden sexuellen Belästigung baut auf der Struktur der
Belästigungsdefinition in Absatz 3 auf. Gegenüber der Formulierung in § 2 Abs. 2 des Beschäftigtenschutzgesetzes ist
an die Stelle der Beschreibung als eines „vorsätzlichen“ und „erkennbar abgelehnten“ Verhaltens entsprechend der
Änderung in Artikel 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG die Formulierung „unerwünscht“ getreten. Das unerwünschte
Verhalten muss zusätzlich sexuell bestimmt sein. Die beispielhafte Aufzählung möglicher sexuell bestimmter
Verhaltensweisen erfasst typische Fälle und entspricht weitgehend den in § 2 Abs. 2 Satz 2 des
Beschäftigtenschutzgesetzes aufgezählten unerwünschten Verhaltensweisen wie sexuelle Handlungen und
Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmten körperlichen Berührungen. Darüber hinaus zählen wie bisher erst recht
sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind, zu den
erfassten Verhaltensweisen.
Zu Absatz 5
Die Regelung dient der Umsetzung von Artikel 2 Abs. 4 der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG
sowie von Artikel 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/113/EG, wonach auch eine Anweisung zu einer Benachteiligung eine
Benachteiligung darstellt. Die Weisung muss vorsätzlich erfolgen. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass der
Anweisende sich der Verbotswidrigkeit der Handlung bewusst ist, denn das gesetzliche Benachteiligungsverbot erfasst
alle Benachteiligungen, ohne dass ein Verschulden erforderlich ist. Für das Vorliegen einer Anweisung kommt es nicht
darauf an, ob die angewiesene Person die Benachteiligung tatsächlich ausführt. Im Bereich des allgemeinen Zivilrechts
sind die in Absatz 5 geregelten Sachverhalte regelmäßig über die zivilrechtlichen Zurechnungsnormen zu erfassen (§§
31, 278, 831 BGB).
Zu § 4 (Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe)
Die Vorschrift stellt klar, dass jede Ungleichbehandlung für sich auf ihre Rechtfertigung hin zu prüfen ist. Ist eine
unterschiedliche Behandlung möglicherweise im Hinblick auf einen der in § 1 genannten Gründe gerechtfertigt, liegt
darin nicht zugleich die Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen eines anderen in § 1 genannten – ebenfalls
vorliegenden – Grundes. Die Regelung berücksichtigt den Umstand, dass bestimmte Personengruppen typischerweise
der Gefahr der Benachteiligung aus mehreren nach § 1 unzulässigen Gründen ausgesetzt sind.
Zu § 5 (Positive Maßnahmen)
Mit der Regelung werden Artikel 5 der Richtlinie 2000/43/ EG, Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, Artikel 2
Abs. 8 der Richtlinie 76/207/EWG und Artikel 6 der Richtlinie 2004/113/EG über positive Maßnahmen umgesetzt.
Die Vorschrift erklärt eine Ungleichbehandlung über die in den §§ 8 bis 10 sowie § 20 genannten Fällen hinaus für zuDrucksache 16/1780 – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 52
lässig, wenn dadurch bestehende Nachteile tatsächlicher oder struktureller Art wegen eines in § 1 genannten Grundes
verhindert oder ausgeglichen werden sollen. Zulässig sind gezielte Maßnahmen zur Förderung bisher benachteiligter
Gruppen nicht nur durch den Gesetzgeber (wie etwa im Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und im Gesetz
zur Gleichstellung von Frauen und Männern), sondern auch durch Arbeitgeber, Tarifvertrags- und Betriebspartner
sowie seitens der Parteien eines privatrechtlichen Vertrags. Die Vorschrift lässt Maßnahmen zur Behebung bestehender
Nachteile ebenso zu wie präventive Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Nachteile. Die Maßnahmen müssen nach
objektivem Maßstab geeignet und angemessen sein und bedürfen im konkreten Fall der Abwägung mit
Rechtspositionen der von ihnen negativ Betroffenen. Das schließt nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes einen absoluten Vorrang der zu fördernden Gruppe aus (EuGH Rs. C-450/93 vom 17. Oktober 1995 –
Kalanke).
Im Übrigen werden aus sonstigen Gründen erlaubte Bevorzugungen durch die Vorschrift nicht berührt. Die Richtlinie
2002/73/EG nennt als Beispiel etwa die Gewährung eines Vaterschaftsurlaubs.
Zu Abschnitt 2
(Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung)
Zu Unterabschnitt 1
(Verbot der Benachteiligung)
Zu § 6 (Persönlicher Anwendungsbereich)
Zu Absatz 1
Absatz 1 regelt den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes in Bezug auf den Schutz vor Benachteiligungen in
Beschäftigungsverhältnissen. Der erfasste Personenkreis wird in Satz 1 im Einzelnen aufgezählt und mit dem Begriff
des Beschäftigten überschrieben. Erfasst werden alle Beschäftigten in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst.
Für Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter gelten die Sonderregelungen des § 24.
Für freie Dienstverhältnisse sowie sonstige Beschäftigungsverhältnisse gelten gesonderte Regelungen.
Für Menschen, denen auf Grund des SGB IX eine arbeitnehmerähnliche Stellung zukommt, insbesondere die in
Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten und Rehabilitanden, finden die Regelungen dieses Gesetzes
entsprechende Anwendung.
Satz 2 stellt ausdrücklich klar, dass der Geltungsbereich des Gesetzes auch Bewerber und Bewerberinnen um ein
Beschäftigungsverhältnis und solche Personen umfasst, deren Beschäftigungsverhältnis bereits beendet ist, bei denen
aber noch nachwirkende Folgen wie z. B. bei der betrieblichen Altersvorsorge eintreten können.
Zu Absatz 2
Als Arbeitgeber werden in diesem Gesetz die natürlichen oder juristischen Personen bezeichnet, die Personen nach
Absatz 1 beschäftigen. Absatz 2 Satz 2 berücksichtigt die Situation von Beschäftigten, die zur Arbeitsleistung an einen
anderen Arbeitgeber überlassen werden, indem der entleihende Arbeitgeber neben dem die Beschäftigten überlassenden
Arbeitgeber auch als Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes gilt. Satz 3 betrifft die Besonderheiten des
Heimarbeitsverhältnisses.
Zu Absatz 3
Absatz 3 stellt klar, dass sich Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auf den Schutz gegen Benachteiligungen
berufen können, soweit es um Sachverhalte wie etwa den Zugang zur Tätigkeit als Organmitglied oder das Fortkommen
in dieser Tätigkeit geht.
Zu § 7 (Benachteiligungsverbot)
Die Regelung enthält das zentrale Verbot der Benachteiligung in Beschäftigung und Beruf.
Zu Absatz 1
Die Vorschrift spricht ein generelles Verbot der Benachteiligung von Beschäftigten wegen eines in § 1 genannten
Grundes aus. Das Benachteiligungsverbot richtet sich neben dem Arbeitgeber auch gegen Arbeitskollegen und Dritte,
wie z. B. Kunden des Arbeitgebers. Es erfasst die in § 1 genannten Gründe. Dabei ist zu beachten, dass sich die
Zielsetzung benachteiligenden Verhaltens nicht immer eindeutig aus dem Verhalten – insbesondere Äußerungen –
ergibt. Wer z. B. Menschen auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligen möchte, unterscheidet häufig in
Wirklichkeit nach deren ethnischer Herkunft. Das Abstellen auf die Staatsangehörigkeit ist oft nur Vorwand, tatsächlich
will der Täter oder die Täterin auf die ethnische Herkunft abstellen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 53
Absatz 1 zweiter Halbsatz bestimmt, dass das Benachteiligungsverbot auch dann gilt, wenn die benachteiligende Person
das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes nur annimmt; ob der Grund tatsächlich in der Person des oder der
Beschäftigten vorliegt, ist nicht entscheidend. Er berücksichtigt damit den Umstand, dass Menschen oft bestimmte
Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden, z. B. allein auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes.
Zu Absatz 2
Absatz 2 setzt Artikel 14 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 16 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 3 Abs. 2 der
Richtlinie 76/207/EWG um, wonach ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot die Nichtigkeit der entsprechenden
Klausel in Individual- oder Kollektivverträgen zur Folge hat. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage. Die Vorschrift
hat deklaratorischen Charakter und soll die primäre Sanktionierung derartiger Rechtsverstöße deutlich machen. Sonstige
Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsgründe werden durch die Vorschrift nicht berührt.
Hinweis: Da das Gesetz nicht regelt, was an die Stelle der nichtigen Regelung treten soll, ist europarechtlich zwingende
Rechtsfolge eine „Anpassung nach oben“.
Zu Absatz 3
Absatz 3 verdeutlicht, dass eine Benachteiligung bei Begründung, Durchführung und nach Beendigung eines
Beschäftigungsverhältnisses eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt. Dies gilt gleichermaßen für
benachteiligende Handlungen des Arbeitgebers wie auch eines Beschäftigten. Da nach § 32 dieses Gesetzes die
Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts des BGB gelten, sind damit die Regelungen des vertraglichen
Leistungsstörungsrechts anwendbar. Daran knüpft auch § 12 Abs. 3 an, der mögliche Maßnahmen des Arbeitgebers
beschreibt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 35 – Drucksache 16/1780
Zu § 8 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen)
Zu Absatz 1
Die Regelung setzt Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG und Artikel 2 Abs. 6 der Richtlinie
76/207/EWG um. Sie stellt klar, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen berufliche Anforderungen eine
Ungleichbehandlung rechtfertigen können.
Der Hauptanwendungsbereich wird bei Fällen der unmittelbaren Benachteiligung liegen. Bei der mittelbaren
Benachteiligung zählt die Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund bereits zu den tatbestandlichen
Voraussetzungen; bei einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt eine Rechtfertigung regelmäßig nicht in
Betracht.
Absatz 1 schafft einen einheitlichen Rechtfertigungsmaßstab bezüglich aller in § 1 dieses Gesetzes genannten Gründe.
Entsprechend den Vorgaben der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG stellt er für die Zulässigkeit einer
unterschiedlichen Behandlung auf die wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung ab. Eine Absenkung des
Schutzstandards hinsichtlich des Merkmals Geschlecht ist damit nicht verbunden.
Eine Ungleichbehandlung kann also nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit zulässig werden. Vielmehr
muss die an den Beschäftigten gestellte Anforderung erforderlich sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
zwischen beruflichem Zweck und Schutz vor Benachteiligung standhalten. Eine zulässige unterschiedliche Behandlung
kann beispielsweise vorliegen, wenn bei Organisationen der in Deutschland anerkannten nationalen Minderheiten und
der anerkannten Regional- oder Minderheitensprachen Personen bevorzugt eingestellt werden, die der jeweiligen
Gruppe angehören.
Zu Absatz 2
Absatz 2 greift den Grundsatz der Entgeltgleichheit bezüglich des Geschlechts in § 612 Abs. 3 BGB auf. Dieser
Grundsatz wird nunmehr durch § 7 über das Merkmal Geschlecht hinaus auch auf alle in § 1 genannten Merkmale
erstreckt und stellt künftig in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 die neue Grundlage für Ansprüche auf
gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit dar.
Zu § 9 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung)
Die Vorschrift setzt Artikel 4 der Richtlinie 2000/78/EG um.
Zu Absatz 1
Grundsätzlich darf wegen der Religionszugehörigkeit nach den §§ 1 und 7 Abs. 1 keine unterschiedliche Behandlung
der Beschäftigten erfolgen. Die Richtlinie 2000/78/EG ermöglicht es aber den Mitgliedstaaten, bereits geltende
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 54
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten beizubehalten, wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder
Weltanschauung keine Benachteiligung darstellt, wenn die Religion oder Weltanschauung einer Person nach der Art der
Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung angesichts des Ethos der Organisation eine wesentliche und gerechtfertigte
berufliche Anforderung darstellt. Von dieser Möglichkeit wird mit dieser Vorschrift Gebrauch gemacht. Nach
deutschem Verfassungsrecht (Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 136 ff. der Weimarer Reichsverfassung
(WRV)) steht den Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften nicht nur
hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter, sondern auch den der Kirche in bestimmter Weise
zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform das Recht zu, über Ordnung und Verwaltung ihrer
Angelegenheiten selbstständig zu entscheiden. Nach geltender Rechtsprechung steht der Kirche die Regelungs- und
Verwaltungsbefugnis nach Artikel 137 Abs. 3 WRV nicht nur hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation und
ihrer Ämter zu, sondern auch hinsichtlich ihrer „Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle
Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist
aber, dass der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist. Das gilt ohne
weiteres für organisatorisch oder institutionell mit Kirchen verbundene Vereinigungen wie kirchliche Orden, deren
Daseinszweck eine Intensivierung der gesamtkirchlichen Aufgaben enthält. Es gilt aber auch für andere selbstständige
oder unselbstständige Vereinigungen, wenn und soweit ihr Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen
Bekenntnisses oder die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist. Maßstab für das Vorliegen dieser
Voraussetzungen kann das Ausmaß der institutionellen Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft oder die Art der
mit der Vereinigung verfolgten Ziele sein“ (BVerfGE 24, 236 (246 f.) sowie BVerfGE 46,73 (85 ff.) und BVerfGE 70,
138 bis 173). Dieses Recht umfasst grundsätzlich auch die Berechtigung, die Religion oder Weltanschauung als
berufliche Anforderung für die bei ihnen Beschäftigten zu bestimmen. Auch der europäische Gesetzgeber hat insoweit
im Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2000/78/EG ausdrücklich klargestellt, dass die Europäische Union „den Status,
den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften
genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt und dass dies in gleicher Weise für den Status von weltanschaulichen
Gemeinschaften gilt“. Der Erwägungsgrund lässt es deshalb zu, dass die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht spezifische
Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder
vorsehen, die Voraussetzung für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können. Entsprechend
erlaubt § 9 Abs. 1 es Religionsgemeinschaften und den übrigen dort genannten Vereinigungen, bei der Beschäftigung
wegen der Religion oder der Weltanschauung zu differenzieren, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung
im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung
darstellt.
Zu Absatz 2
Die Regelung ergänzt Absatz 1 hinsichtlich der Frage, welche Verhaltensanforderungen eine Religions- oder
Weltanschauungsgemeinschaft an ihre Mitarbeiter stellen darf. Danach können die Organisationen ein loyales und
aufrichtiges Verhalten von den für sie arbeitenden Personen verlangen. Es obliegt den Kirchen und
Weltanschauungsgemeinschaften selbst, dementsprechend verbindliche innere
Drucksache 16/1780 – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Regelungen zu schaffen. Die Frage, welche arbeitsrechtlichen Folgen ein Verstoß gegen derartige Verhaltenspflichten
haben kann, beurteilen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Arbeitsgerichte.
Im Übrigen gelten für berufliche Anforderungen auch bei Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften die
allgemeinen Regeln des § 8. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Regelung über mehrfache
Benachteiligungen in § 4.
Zu § 10 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters)
Hinweis: Bis einschließlich Nr. 4 entspricht § 10 AGG nahezu wörtlich Artikel 6 der RL 2000/78/EG. Fraglich ist, ob
das bloße Abschreiben einer Richtlinie zu ihrer europarechtlich geforderten Umsetzung ausreicht.
Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig ist.
Im Hinblick auf die ungünstige Situation älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt und die sich abzeichnende
demografische Entwicklung kommt dem Schutz Älterer im Beschäftigungsverhältnis besondere Bedeutung zu. So soll
etwa bei gleicher Qualifikation nicht automatisch jüngeren der Vorzug vor älteren Bewerbern gegeben werden.
Das Merkmal Alter zeichnet sich gegenüber allen anderen in § 1 genannten Gründen durch eine besondere Struktur aus.
Alle Beschäftigten können während ihres Berufslebens einmal ein „kritisches“ Alter durchlaufen. Dies kann z. B.
sowohl der Zugang zum Beruf nach der Ausbildung für 20-jährige als auch die Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt für
55-jährige Beschäftigte sein. In einem Berufszweig kann die höhere „Belastbarkeit“ jüngerer Beschäftigter im
Vordergrund stehen, in anderen Berufszweigen die höhere Lebens- und Berufserfahrung. Hier bestehen so komplexe
Zusammenhänge, dass eine allgemein gültige Lösung durch den Gesetzgeber nicht möglich ist. Die Vorschrift
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 55
beschränkt sich daher auf die Umsetzung der in den Richtlinien vorgegebenen allgemeinen Grundsätze und bleibt damit
flexibel handhabbar.
Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters über die allgemeine Regelung in § 8 hinaus auch
zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; das angewandte Mittel muss
angemessen und erforderlich sein. Diese Generalklausel gilt sowohl für einzelvertragliche als auch kollektivvertragliche
Regelungen. Die Legitimität eines Zieles ist unter Berücksichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht
des Arbeitgebers oder der Tarifvertragsparteien zu beurteilen. Dies können auch Ziele sein, die über die Situation eines
einzelnen Unternehmens oder einer Branche hinausgehen und von allgemeinem Interesse sind, wie etwa
Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung.
Zu Nummer 1
Als legitimes Ziel bezeichnet Nummer 1 die Förderung der beruflichen Eingliederung sowie den Schutz von
jugendlichen und älteren Beschäftigten und von Personen mit Fürsorgepflichten. Diese Ziele erlauben die Festlegung
besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen,
einschließlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Zu Nummer 2
Nummer 2 nennt als mögliche zulässige Maßnahme die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter oder die
Berufserfahrung für den Zugang zur Beschäftigung oder bestimmter mit der Beschäftigung verbundener Vorteile.
Letzteres betrifft insbesondere Entgeltregelungen. Hinsichtlich des Entgelts dürfte etwa eine Anknüpfung an die
Berufserfahrung eher zu rechtfertigen sein als an das bloße Lebensalter.
Zu Nummer 3
Nummer 3 lässt die Festlegung eines Höchstalters für die Einstellung zu. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass bei
älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine
betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss.
Zu Nummer 4
Nummer 4 stellt klar, dass die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit –
insbesondere der betrieblichen Altersversorgung – regelmäßig keine Benachteiligung wegen des Alters darstellt.
Zulässig sind auch unterschiedliche Altersgrenzen für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten. Die
Festsetzung von Altersgrenzen darf aber nicht zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines
anderen in § 1 genannten Grundes führen (vgl. die Ausführungen zu § 4).
Hinweis: Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 AGG ist der gesamte Bereich der betrieblichen Altersversorgung „ausgeklammert“.
(Diese Regelung war im Vorgänger-Entwurf zum ADG nocht nicht enthalten.) § 10 S. 3 Nr. 4 AGG, der aus dem
Vorgänger-Entwurf übernommen wurde, hätte folglich auch gestrichen werden müssen. Da die Ausklammerung der
betrieblichen Altersversorgung aber möglicherweise richtlinienwidrig ist, könnte die Regelung doch noch Bedeutung
erlangen.
Zu den Nummern 5 bis 8
Die Nummern 5 bis 8 dienen der Rechtssicherheit, indem die Regelbeispiele der Nummern 1 bis 4 ergänzt werden. Sie
stellen klar, dass auch weiterhin das Alter bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und der damit im
Zusammenhang stehenden Leistungen des Arbeitgebers berücksichtigt werden kann.
Hinweis: Nach § 2 Abs. 4 AGG ist der Bereich des Kündigungsschutzes ausgeklammert worden. (Diese Regelung geht
auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zurück.) § 10 S. 3 Nr. 6 und AGG, die aus dem VorgängerEntwurf übernommen wurden, hätten folglich auch gestrichen werden müssen. Mit dem „ersten Reparaturgesetz“ ist
diese Änderung mit Wirkung zum 12.12.2006 erfolgt. Vgl. dazu unten den nächsten Kasten. Die Änderung ist jedoch
nur eine Verschlimmbesserung, da schon die Herausnahme des Kündigungsschutzes aus dem Anwendungsbereich des
AGG richtlinienwidrig sein dürfte, vgl. dazu den Hinweis zu § 2 Abs. 4 AGG.
Die Knappheit der Begründung zu den Nummern 5 bis 8 beruht darauf, dass sie im ersten Entwurf zum ADG noch nicht
enthalten waren. Problematisch ist, dass nach der Neufassung des § 75 BetrVG dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat
jede unterschiedliche Behandlung – auch wegen des Alters – verboten ist, während § 10 S. 3 Nr. 8 (jetzt Nr. 6) AGG bei
Sozialplänen eine solche unterschiedliche Behandlung erlaubt.
BT-Drs. 16/3007 v. 18.10.2006 S. 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11.
Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes
Zu Nummer 1 (§ 10):
Bei der Änderung des § 10 handelt es sich um eine redaktionelle Anpassung an § 2 Abs. 4. Nach dieser Norm gelten für
Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz. Die Nummern 6
und 7 des § 10 laufen leer und sind deshalb zu streichen.
Zu Unterabschnitt 2 (Organisationspflichten des Arbeitgebers)
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 56
Zu § 11 (Ausschreibung)
Die Vorschrift bezweckt, dass schon bei der Ausschreibung einer Stelle eine mögliche Benachteiligung bestimmter
Gruppen von Bewerbern unterbleibt und verbietet daher jede benachteiligende Form der Stellenausschreibung. Die
Regelung ist gegenüber dem vergleichbaren § 611b BGB und § 7 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG)
sprachlich gestrafft worden durch den Verzicht auf die Formulierung „weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs“.
Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Es wird jede Ausschreibung einer Stelle für den in § 6 Abs. 1
genannten Kreis von Beschäftigten von der Regelung erfasst, insbesondere auch für den Bereich der beruflichen Ausund Weiterbildung. Schon bislang ist nach der ständigen Rechtsprechung ein Verstoß gegen den § 611b BGB ein
Grund, der die Beweiserleichterung nach § 611a BGB auslöst.
Zu § 12 (Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers)
Zu Absatz 1
Um unerwünschten Benachteiligungen im Beruf entgegenzuwirken, ist es Erfolg versprechender, deren Eintritt durch
präventive Maßnahmen zu vermeiden, als erst nach deren Eintritt den Benachteiligten auf Ausgleichsansprüche zu
verweisen. Die Vorschrift begründet daher im Rahmen einer Generalklausel die Verpflichtung des Arbeitgebers,
konkrete geeignete Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen durch Arbeitskollegen oder
Dritte, wie etwa Kunden, zu treffen. Was „erforderlich“ ist, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, nicht
nach der subjektiven Einschätzung auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite. Welche Maßnahmen geboten sind, kann je
nach der Größe des Betriebes unterschiedlich zu beurteilen sein. Die Verpflichtung kann immer nur so weit gehen, wie
der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich zur Pflichterfüllung in diesem Bereich in der Lage ist. Die Sätze 1 und 2 sind
an § 2 Abs. 1 des Beschäftigtenschutzgesetzes angelehnt. Zu denken ist sowohl an organisatorische Maßnahmen als
auch an eine Aufklärung über die Problematik der Benachteiligung.
Zu Absatz 2
Absatz 2 Satz 1 macht deutlich, dass bei den Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung insbesondere der beruflichen
Aus- und Fortbildung erhebliche Bedeutung zukommt. Satz 2 beschreibt eine konkrete Möglichkeit, wie der
Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach Absatz 1 nachkommen kann.
Zu Absatz 3
Absatz 3 verpflichtet in Anlehnung an § 4 Abs. 1 des Beschäftigtenschutzgesetzes den Arbeitgeber, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte Opfer einer Benachteiligung durch andere
Beschäftigte geworden ist. Die gegenüber Beschäftigten möglichen arbeitsrechtlichen Maßnahmen sind dabei nicht
abschließend aufgezählt.
Zu Absatz 4
Absatz 4 verpflichtet den Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein Beschäftigter oder eine
Beschäftigte in Ausübung seiner oder ihrer Tätigkeit von Dritten benachteiligt wird (z. B. ein Auslieferungsfahrer wird
von Kunden wegen seiner ethnischen Herkunft schikaniert). Gerade in Kundenbeziehungen ist die Form einer
angemessenen Reaktion anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
Zu Absatz 5
Die Regelung setzt Artikel 10 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 12 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 8 der
Richtlinie 76/207/EWG um. Der Arbeitgeber ist – wie schon nach dem Beschäftigtenschutzgesetz – verpflichtet, die
gesetzlichen Vorschriften einschließlich der maßgeblichen Klagefrist in § 61b ArbGG bekannt zu machen. Um
Betroffenen die Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern, ist weiter vorgesehen, dass zugleich auch über die
vorhandenen, für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 Abs. 1 zuständigen Stellen, zu informieren ist.
Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder entsprechend der neueren
Entwicklung auch unter Einsatz der in dem Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und
Kommunikationstechnik, wie z. B. das Intranet, erfolgen. Erforderlich ist, dass der Adressatenkreis von der
Bekanntmachung Kenntnis erlangen kann.
Zu Unterabschnitt 3 (Rechte der Beschäftigten)
Zu § 13 (Beschwerderecht)
Zu Absatz 1
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 57
Die Regelung sieht das Recht der Beschäftigten vor, sich wegen einer eingetretenen Benachteiligung bei den
zuständigen Stellen des Betriebs oder bei der Arbeitnehmervertretung zu beschweren. Die Vorschrift enthält keine
Neuerung; entsprechende Beschwerdemöglichkeiten bestehen bereits nach geltendem Recht. Da die Beschwerde aber
sowohl Grundlage für Maßnahmen des Arbeitgebers als auch für weitere Ansprüche des oder der Beschäftigten sein
kann, ist die Vorschrift entsprechend § 3 des Beschäftigtenschutzgesetzes aufgenommen worden.
Der Begriff der zuständigen Stellen ist umfassend zu verstehen. Dies kann beispielsweise ein Vorgesetzter, eine
Gleichstellungsbeauftragte oder eine betriebliche Beschwerdestelle sein.
Satz 2 stellt klar, dass die Beschwerde inhaltlich zu prüfen und dem Beschwerdeführer oder der Beschwerdeführerin das
Ergebnis der Prüfung mitzuteilen ist. Insbesondere wenn infolge der Beschwerde keine konkreten Maßnahmen ergriffen
werden, ist es für die Betroffenen wichtig, die Gründe dafür zu erfahren.
Die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens ist keine Anspruchsvoraussetzung.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift stellt klar, dass Rechte der Arbeitnehmervertretungen, wie z. B. nach § 85 BetrVG, unberührt bleiben.
Zu § 14 (Leistungsverweigerungsrecht)
Die Vorschrift ist § 4 des Beschäftigtenschutzgesetzes nachgebildet und berechtigt den Beschäftigten oder die
Beschäftigte, die Tätigkeit ohne Verlust des Entgeltanspruchs einzustellen, wenn der Arbeitgeber bzw.
Dienstvorgesetzte keine ausreichenden Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung
ergreift. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitgeber auf eine Beschwerde nicht ausreichend reagiert
oder bei einer Belästigung oder sexuellen Belästigung durch den Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzten selbst. Das
Leistungsverweigerungsrecht besteht nur, soweit es zum Schutz des oder der betroffenen Beschäftigten erforderlich ist.
Durch den Verweis auf § 273 BGB ist klargestellt, dass das allgemeine Leistungsverweigerungsrecht des § 273 BGB
für weitere Fallkonstellationen unberührt bleibt. Die Vorschriften verfolgen unterschiedliche Ziele. § 273 BGB soll
einen Zwang zur Erfüllung einer Verbindlichkeit ausüben, während § 14 dem Schutz der Beschäftigten vor weiteren
Belästigungen oder sexuellen Belästigungen dient.
Drucksache 16/1780 – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Zu § 15 (Entschädigung und Schadensersatz)
Die Vorschrift setzt Artikel 15 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 17 der Richtlinie 2000/78/EG und die Artikel 6 und
8d der Richtlinie 76/207/EWG um. Die Regelung sieht als zentrale Rechtsfolge einer Verletzung des
Benachteiligungsverbotes einen Anspruch auf Entschädigung des Betroffenen vor. Gegenüber § 611a BGB wird klarer
zwischen dem Ersatz materieller und immaterieller Schäden unterschieden.
Zu Absatz 1
Absatz 1 regelt den Ersatz materieller Schäden. Er übernimmt die Formulierung von § 280 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
Damit wird klargestellt, dass der materielle Schadensersatzanspruch – anders als bei der Entschädigung – nur entsteht,
wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Damit gelten insbesondere die Vorschriften der §§ 276 bis
278 BGB.
Hinweis: Die Verschuldensvoraussetzung ist problematisch, da nach EuGH RS C-180/95 (vgl. insbesondere Rn. 16 ff.)
- Draehmpaehl, „der Verstoß gegen das Verbot der Ungleichbehandlung für sich genommen ausreichen“ muss, „die
volle Haftung“ auszulösen. Der EuGH nimmt dabei Bezug auf EuGH RS C-177/88 (vgl. insbesondere Rn. 22 ff.) Dekker.
Zu Absatz 2
Der Anspruch auf Entschädigung erfüllt die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des
Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber. Der aus § 611a BGB bekannte Grundgedanke wird hier auf alle
Tatbestände einer Benachteiligung übertragen. Es wird klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für
immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1
genannten Gründen vorliegen. § 15 Abs. 2 ist damit gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm.
Die Höhe der Entschädigung muss angemessen sein. Dies entspricht der bewährten Regelung des Schmerzensgeldes in
§ 253 BGB. Damit bleibt dem Gericht der notwendige Beurteilungsspielraum erhalten, um die Besonderheiten jedes
einzelnen Falles zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang stellt die ständige Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes die Anforderung, dass zur Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes eine
Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und auf
jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (EuGH RS C-180/95 vom 22. April
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 58
1997 – Draehmpaehl, DB 1997, 983 ff.). So wird etwa eine erhöhte Entschädigung geboten sein, wenn ein Beschäftigter
aus mehreren Gründen unzulässig benachteiligt oder belästigt wird.
Absatz 2 Satz 2 entspricht hinsichtlich der Obergrenze einer Entschädigung der bisherigen Regelung des § 611a Abs. 3
Satz 1 BGB.
Zu Absatz 3
Erfolgen Benachteiligungen im Betrieb oder in der Dienststelle durch die Anwendung kollektivrechtlicher
Vereinbarungen, trifft den Arbeitgeber eine Entschädigungspflicht nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig
handelt. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einem tarifschließenden Verband angehören, wirken die Bestimmungen
eines Tarifvertrages als Rechtsnormen auf das Arbeitsverhältnis ein. Dieser Gedanke trifft ebenso für Betriebs- bzw.
Dienstvereinbarungen zu, die – gegebenenfalls über den Spruch der Einigungsstelle – unmittelbare Bindungswirkung
entfalten. Die Richtlinien übertragen den Sozialpartnern bei der Umsetzung der Richtlinien eigenständige
Verantwortung. Die vermutete „höhere Richtigkeitsgewähr“ rechtfertigt es, die Rechtsfolgen benachteiligender
kollektiver Regelungen anders auszugestalten als bei Maßnahmen, für die der Arbeitgeber allein verantwortlich ist.
Diese Grundsätze greifen auch dann, wenn – mangels Tarifbindung – die Geltung von Tarifverträgen im Arbeitsvertrag
vereinbart ist, ferner wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist. Eine Haftung der vertragsschließenden
Tarifvertragsparteien bzw. Betriebsparteien fordert das europäische Recht nicht und wird auch durch dieses Gesetz
nicht begründet. Eine Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn er bei der Anwendung des
Kollektivrechts zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Benachteiligende kollektive Regelungen sind nach § 7 Abs. 2
unwirksam. Im Übrigen verbleibt es über § 15 Abs. 5 für die Bereiche des Kollektivvertragsrechts bei den von der
Rechtsprechung aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleiteten Folgen von Verstößen gegen höherrangiges Recht.
Zu Absatz 4
Die Regelung schreibt eine Frist von drei Monaten zur Geltendmachung der Ansprüche nach Absatz 1 bis 3 fest, es sei
denn tarifvertraglich sind abweichende Regelungen vereinbart worden. Angesichts der in § 22 geregelten
Beweislastverteilung soll dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, Dokumentationen über Einstellungsverfahren etc.
bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen.
Hinweis: Zu beachten ist, dass der Fristbeginn teilweise Kenntnis voraussetzt und die Frist zudem nur für Ansprüche
auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, dem Wortlaut nach aber nicht für regelmäßig
mitverwirklichte Ansprüche aus Vertragsverletzung sowie deliktische Ansprüche (vgl. dazu § 7 Abs. 3 und § 15 Abs. 5
AGG) gilt. Für Ansprüche aus Vertragsverletzung und deliktische Ansprüche dürfte die Beweislastregelung des § 22
AGG aber wohl nicht gelten, so dass die Regelung doch eine gewisse Entlastung der Arbeitgeber bewirken könnte.
Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der oder die Benachteiligte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Im
Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs ist das der Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung durch den
Arbeitgeber.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 12
Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen wird auf zwei Monate verkürzt. Dadurch soll der Arbeitgeber noch
weiter gehend als im Regierungsentwurf, der drei Monate vorsieht, vor bürokratischem Aufwand geschützt werden. Für
den Arbeitnehmer ist die Verkürzung hinnehmbar. Ohnehin beginnt die Frist erst mit seiner Kenntnis von dem Verstoß.
Es erscheint zumutbar, von Arbeitnehmern zu verlangen, sich innerhalb von zwei Monaten zu entscheiden, ob sie
Ansprüche geltend machen wollen.
Zu Absatz 5
Absatz 5 stellt klar, dass sich aus sonstigen allgemeinen Rechtsvorschriften ergebende Ansprüche gegen einen
benachteiligenden Arbeitgeber unberührt bleiben. In Betracht kommen insbesondere Ansprüche auf Unterlassung nach
§ 1004 BGB oder auf Ersatz des materiellen Schadens nach den §§ 252, 823 BGB.
Zu Absatz 6
Absatz 6 greift die bestehende Regelung des § 611a Abs. 2 und 5 BGB auf. Einen Anspruch auf Begründung eines
Beschäftigungsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg gewährt diese Vorschrift nicht. Rechtsansprüche auf
einen beruflichen Aufstieg, die sich aus anderen Gründen ergeben, etwa ein tariflicher Bewährungsaufstieg, bleiben
unberührt.
Zu § 16 (Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Benachteiligung durch Dritte)
Die Vorschrift berücksichtigt
Beschäftigungsumfeld zu sorgen.
Zu Nummer 1
die
Verantwortlichkeit
des
Arbeitgebers
für
ein
benachteiligungsfreies
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 59
Werden Benachteiligungen im Betrieb oder in der Dienststelle von Vorgesetzten begangen, hat der Arbeitgeber mit der
Rechtsfolge einer Entschädigungspflicht ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden einzustehen. Das entspricht zum
einen dem Grundgedanken des § 278 BGB, aber auch den Anforderungen der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes an eine wirksame und verschuldensunabhängige Sanktion. Benachteiligungen durch weisungsbefugte
Beschäftigte sind dem Arbeitgeber aber nur zuzurechnen, wenn diese Person in Ausübung der ihr zustehenden
Weisungsbefugnisse gehandelt hat.
Zu Nummer 2
Werden Benachteiligungen im Betrieb oder in der Dienststelle von Arbeitskollegen oder sonstigen Dritten, etwa
Kunden begangen – dies werden überwiegend Fälle der Belästigung oder sexuellen Belästigung sein –, trifft den
Arbeitgeber eine Entschädigungspflicht nur, wenn er seine Verpflichtung zum Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen
nach § 12 wenigstens fahrlässig verletzt hat.
Die Verweisung auf § 15 stellt klar, dass die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung des Entschädigungsanspruchs
und zur Geltendmachung dieses Anspruchs auch hier Anwendung finden.
Zu § 16 (Maßregelungsverbot)
Zu Absatz 1
Die Regelung setzt Artikel 9 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 11 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 7 der
Richtlinie 76/207/EWG um. Die Vorschrift entspricht dem
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 39 – Drucksache 16/1780
bereits in § 612a BGB und § 5 TzBfG enthaltenen Grundsatz, dass Beschäftigte wegen der Inanspruchnahme ihrer
Rechte aus diesem Gesetz nicht benachteiligt werden dürfen. Dieser Schutz wird nach Vorgabe der Richtlinien auch auf
Personen, die Beschäftigte unterstützen sowie auf Zeugen ausgedehnt. Die Ausführung einer Anweisung, die andere
Beschäftigte benachteiligen würde, wäre nach § 7 Abs. 1 ebenso rechtswidrig wie die Erteilung der Anweisung selbst.
Satz 1 stellt ausdrücklich klar, dass die Weigerung, eine derartige Weisung auszuführen, vom Arbeitgeber nicht mit
Sanktionen belegt werden darf.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift stellt klar, dass der Arbeitgeber keine Folgen daraus ableiten darf, ob der oder die Benachteiligte die
Benachteiligung geduldet oder zurückgewiesen hat. Gleiches gilt gegenüber Personen, die Beschäftigte unterstützen
oder als Zeugen aussagen.
Zu Absatz 3
Die Regelung der Beweislastverteilung findet auch im Fall eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen das
Maßregelungsverbot des § 16 Anwendung.
Zu § 17 (Soziale Verantwortung der Beteiligten)
Zu Absatz 1
Absatz 1 setzt Artikel 11 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 2 Abs. 5 und Artikel 13 Abs. 2 der Richtlinie 2000/
78/EG und Artikel 8b Abs. 2 und 3 der Richtlinie 76/207/ EWG um. Er enthält eine Aufforderung an die
Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigten und deren Vertretungen, ihren Beitrag zur Verwirklichung des Ziels
zu leisten. Das Gesetz kann etwa Anlass dafür sein, Personalprozesse in Unternehmen und Betrieben unter dem
Gesichtspunkt des Benachteiligungsschutzes zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu definieren oder
Verhaltenskodizes zu vereinbaren.
Zu Absatz 2
Zur Betonung ihrer Verantwortlichkeit wird den Betriebsräten und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften die
Möglichkeit eröffnet, unter der Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes die dort
genannten Rechte gerichtlich geltend zu machen.
Liegt ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften des zweiten Abschnitts vor, können Betriebsräte oder im
Betrieb vertretene Gewerkschaften eine erforderliche Handlung, Duldung oder Unterlassung des Arbeitgebers
verlangen, um Benachteiligungen wirksam zu unterbinden. Ein solcher Verstoß kann beispielsweise darin liegen, dass
der Arbeitgeber die zum Schutz seiner Beschäftigten objektiv gebotenen Maßnahmen unterlässt oder selbst in grober
Weise gegen das Benachteiligungsverbot verstößt. Hinsichtlich der Zuwiderhandlung des Arbeitgebers gegen eine
rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verweist die Regelung auf die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 des
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 60
Betriebsverfassungsgesetzes. Die für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes geltende Schwelle von fünf
Arbeitnehmern gilt hier nicht.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 12
Die Änderungen in Artikel 1 § 17 Abs. 2 dienen der Klarstellung. Durch den Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1
Betriebsverfassungsgesetz wird zunächst klargestellt, dass die Regelung nur für Betriebe gilt, für die wegen der
Betriebsgröße (fünf Arbeitnehmer) das Betriebsverfassungsgesetz gilt. Auch die Einfügung des Wortes „groben“ in
Artikel 1 § 17 Abs. 2 dient der Klarstellung. § 23 Abs. 3 BetrVG, auf den Artikel 1 § 17 Abs. 2 bisher schon Bezug
nimmt, behandelt Verstöße gegen die Betriebsverfassung. Schon durch die Verbindung mit § 23 Abs. 3 BetrVG war
darum in Artikel 1 § 17 Abs. 2 eine Systematik angelegt, der zufolge Verstöße des Arbeitgebers gegen das
Benachteiligungsverbot auch die „gute Ordnung“ des Betriebes beeinträchtigen können und unter dieser Voraussetzung
ein eigenes Klagerecht des Betriebsrats oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft erfordern. Die „gute Ordnung“
des Betriebes steht aber erst dort in Frage, wo Verstöße eine gewisse Schwere erreichen. Diese Systematik wird
nunmehr verdeutlicht, wenn das Klagerecht nur bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen die Vorschriften zum
Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung gegeben ist. Die Klagebefugnis des § 17 Abs. 2 AGG nimmt dabei auch
weiterhin auf § 23 Abs. 3 BetrVG Bezug. In diesem Rahmen wird dem Betriebsrat oder der im Betrieb vertretenen
Gewerkschaft ermöglicht, dafür zu sorgen, dass sich der Arbeitgeber in Zukunft gesetzeskonform verhält. Ihm kann
somit aufgegeben werden, gegen das AGG verstoßende Handlungen zu unterlassen (zum Beispiel eine
Einstellungspraxis, die eine der in § 1 AGG aufgeführten Gruppen ausgrenzt), vom AGG erlaubte Handlungen zu
dulden (zum Beispiel die Ausübung des Beschwerderechts nach § 13 AGG) oder dem AGG entsprechende Handlungen
vorzunehmen (zum Beispiel Maßnahmen nach § 12 Abs. 1 AGG). Demgegenüber kann nicht z.B. ein Entschädigungsoder Schadensersatzanspruch des Benachteiligten für diesen geltend gemacht werden. Es handelt sich nicht um die
Regelung einer Prozessstandschaft (vgl. Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 10. Aufl.
2006, Rz. 75 zu § 23 BetrVerfG). Dies wird durch den neuen Satz 2 nunmehr im Gesetzestext selbst ausdrücklich
klargestellt
Zu § 18 (Mitgliedschaft in Vereinigungen)
Die Vorschrift setzt Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG um.
Zu Absatz 1
Für die Mitgliedschaft und Mitwirkung in Berufsorganisationen gelten die Regelungen
Benachteiligungsverbote und deren Rechtsfolgen entsprechend wie im Beschäftigungsverhältnis.
über
die
Zu Absatz 2
Da Berufsvereinigungen eine monopolartige Stellung bei der Wahrnehmung beruflicher Interessen haben, kann – in
Abweichung von § 15 Abs. 6 – eine Benachteiligung regelmäßig nur in der Weise behoben werden, dass den
Benachteiligten ein Anspruch auf Aufnahme bzw. auf Inanspruchnahme der satzungsmäßigen Leistungen zugebilligt
wird, soweit die übrigen vereinsrechtlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Zu Abschnitt 3
(Schutz vor Diskriminierungen im Zivilrechtsverkehr)
Das allgemeine Privatrecht regelt vor allem die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern,
insbesondere im Vertragsrecht. Die Privatautonomie genießt einen hohen von der Verfassung geschützten Rang. Ohne
das Prinzip der Vertragsfreiheit sind moderne Gesellschaften nicht denkbar. Zivilgesellschaften sind also auf das vor
allem durch Verträge in freier Selbstbestimmung gesetzte private Recht angewiesen.
Die privatrechtliche Handlungsfreiheit gilt aber nicht schrankenlos. Zu dem durch Artikel 3 des Grundgesetzes
dokumentierten Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland gehört es, dass bestimmte Unterscheidungen auch im
Bereich des Privatrechts, für den Artikel 3 GG nicht unmittelbar gilt, als unerwünscht gelten können. Schon die
geltende Rechtsordnung verpflichtet vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge auch Private zum Vertragsschluss oder
legt ihnen (zum Beispiel im Arbeitsrecht, im Mietrecht oder im Verbraucherrecht) Beschränkungen zum Schutz der
strukturell schwächeren Partei auf. Zur Bekämpfung von Diskriminierungen, also von sozial unerwünschten
Ungleichbehandlungen, stellt das Zivilrecht darüber hinaus vor allem die Generalklauseln des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) zur Verfügung: Zu nennen sind hier § 138 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft) und § 242 BGB
(Leistung nach Treu und Glauben), aber auch das Recht der unerlaubten Handlung (§§ 823, 826 BGB). Das geltende
Recht vermag aber nicht auf alle Fälle sozial nicht erwünschter Unterscheidungen angemessen zu reagieren.
Wenn der Gesetzgeber Privatpersonen ein Benachteiligungsverbot im Hinblick auf die in Artikel 3 Abs. 3 GG
enthaltenen Merkmale auferlegt (Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben, religiöse oder
politische Anschauung und Behinderung), greift er damit zugleich in die durch Artikel 2 Abs. 1 GG gewährleistete
Privatautonomie ein. Darüber hinaus wird das Recht, den Vertragspartner frei zu wählen und den Inhalt des Vertrags
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 61
frei zu gestalten, zusätzlich durch spezielle Grundrechte geschützt. Zu nennen sind beispielsweise im Arbeitsrecht
Artikel 12 GG
Drucksache 16/1780 – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
(Berufsfreiheit), im Mietrecht Artikel 14 GG (Eigentumsgarantie) oder im Hinblick auf eigene religiöse oder
weltanschauliche Überzeugungen Artikel 4 Abs. 1 GG (Glaubens- und Gewissensfreiheit).
Ein privatrechtliches Benachteiligungsverbot kann aber wegen der Schutzpflicht des Staates gegenüber dem
potentiellen Vertragspartner gerechtfertigt sein. Die Privatautonomie kann sich nämlich nur entfalten, wenn diese
Freiheit auch realisiert werden kann. Insbesondere in Fällen diskriminierender Vertragsverweigerung fehlt es bislang an
einem ausdrücklich geregelten Instrumentarium. Zur Vertragsfreiheit gehört nämlich auch die Möglichkeit, Verträge
tatsächlich abschließen zu können. Der Gesetzgeber hat daher eine Balance herzustellen, die einerseits die Grundlagen
der Privatautonomie – freie Bestimmung des Vertragsinhalts, freie Auswahl des Vertragspartners – berücksichtigen
muss. Andererseits muss er die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich diese Prinzipien für alle Bürgerinnen und
Bürger gleichermaßen entfalten können. Dabei ist zumindest erforderlich, dass in den wesentlichen Bereichen des
alltäglichen Rechtslebens (vgl. § 19) Regelungen für alle relevanten Diskriminierungsmerkmale geschaffen werden.
Stellt der Gesetzgeber eine solche Gefährdungslage fest – insoweit kommt ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu –
muss er zwischen den gegenläufigen Grundrechtspositionen der Parteien im Privatrecht einen angemessenen Ausgleich
finden. Hierbei ist dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsfreiraum eingeräumt (vgl. z. B. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, S. 169 = NJW 1998, S. 1475). Weil
sowohl die Schwere des Eingriffs in die Privatautonomie als auch die Schutzbedürftigkeit der Vertragspartner vom
Gegenstand des Schuldverhältnisses und der tatsächlichen gesellschaftlichen Situation abhängen, sind differenzierte
Lösungen nicht nur zulässig, sondern auch geboten.
Aus Artikel 13 Abs. 1 des EG-Vertrags ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Bestimmung können geeignete
Vorkehrungen getroffen werden, „um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen
Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu
bekämpfen“. Auch Artikel 13 Abs. 1 des EG-Vertrags entfaltet keine unmittelbare Wirkung zwischen privaten Parteien.
Mit der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG wurden umfassende Diskriminierungsverbote aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft beschlossen, die unter anderem das allgemeine Privatrecht umfassen. Die
Rahmenrichtlinie Beschäftigung 2000/78/EG bekämpft Benachteiligung wegen der Religion oder der Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Sie gilt aber nur für Beschäftigung und Beruf und nicht
für das allgemeine Privatrecht. Die Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt
2004/113/EG schließlich enthält differenzierte Vorgaben zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im
allgemeinen Privatrecht, insbesondere auch für privatrechtliche Versicherungsverträge.
Diesem sowohl nach deutschem Verfassungsrecht als auch nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft gebotenen
differenzierten Ansatz folgen die §§ 19 ff.:
§ 19 Abs. 1 verankert ein allgemeines Diskriminierungsverbot in der Privatrechtsordnung, das bei der Begründung,
Durchführung und Beendigung von privatrechtlichen Schuldverhältnissen zur Anwendung kommt. Es gilt einerseits für
Massengeschäfte, insbesondere also für diejenigen Verträge, die typischerweise ohne Ansehen der Person zustande
kommen oder aber bei denen der personellen Auswahl untergeordnete Bedeutung zukommt. Es gilt des Weiteren für
alle privatrechtlichen Versicherungen.
Ungleichbehandlungen beispielsweise wegen des Geschlechts, einer Behinderung oder des Alters sind nicht selten
höchst erwünscht und sozial akzeptiert (z. B. Rabatte für ältere oder jüngere Kunden) bzw. folgen zumindest objektiven
Notwendigkeiten (z. B. Zugangsbeschränkungen bei gefährlichen Dienstleistungen aus Gründen der
Verkehrssicherungspflicht). Sie sind also nicht per se diskriminierend. Diesen differenzierten Anforderungen trägt § 20
Satz 1 Rechnung, der eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen bei einem sachlichen Grund erlaubt und typische
Fälle über Regelbeispiele in § 20 Satz 2 Nr. 1 bis 5 erfasst.
Für Menschen mit Behinderungen setzt § 19 das Prinzip der Gleichbehandlung in weiten Bereichen des Privatrechts
durch. Er begründet aber keinen Anspruch auf besondere Anpassungs- und Teilhabeleistungen. Diese Leistungen sollen
systemgerecht weiterhin dem öffentlichen Recht vorbehalten bleiben, insbesondere dem Sozialrecht, etwa durch
Leistungen zur Teilhabe (§ 4 SGB IX). Das hat seinen Grund auch darin, dass die mit den Anpassungsleistungen
verbundenen Kosten nicht einzelnen Privaten aufgebürdet werden können, sondern – über die Finanzierung durch
Steuern und andere Abgaben – von der Allgemeinheit zu tragen sind.
Der differenzierte Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 nebst Rechtfertigungsgründen nach § 20 dient zugleich der
Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG im
allgemeinen Privatrecht. Das Regelbeispiel des § 20 Satz 2 Nr. 5 erfasst die auf nationaler und europäischer Ebene
intensiv diskutierte Frage der „Unisex-Tarife“ bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen. Ein umfassendes
Diskriminierungsverbot aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist durch die
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG vorgegeben. Dem trägt § 19 Abs. 2 Rechnung, indem er über den sachlichen
Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 hinausgeht. Weil kaum eine billigenswerte Unterscheidung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft denkbar ist, bedarf es hier auch keiner Rechtfertigungsgründe. Wegen der anderen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 62
Merkmale – Religion und Weltanschauung, Alter, Behinderung, sexuelle Identität – enthält das Gemeinschaftsrecht
keine Vorgaben.
Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot sind in § 21 geregelt: Der Benachteiligte kann
Unterlassung, Beseitigung sowie Schadensersatz bzw. Entschädigung verlangen.
Zu § 19 (Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot)
Die Vorschrift enthält das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot. Absatz 1 enthält die Bestimmung des sachlichen
Anwendungsbereiches für Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes, also aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Identität. Absatz 2 konkretisiert unter Bezug
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 41 – Drucksache 16/1780
auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 (entsprechend Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe e bis h der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG) den
sachlichen Anwendungsbereich bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft.
Absatz 3 trägt dem Anliegen insbesondere der Wohnungswirtschaft Rechnung, bei der Vermietung von Wohnraum den
bewährten Grundsätzen einer sozialen Stadt- und Wohnungspolitik Rechnung tragen zu können. Absatz 4 stellt klar,
dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse nicht gilt. Absatz 5
schließlich regelt die Anwendung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots im engeren persönlichen Nähebereich.
Zu Absatz 1
Absatz 1 regelt das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot. Erfasst sind hiernach Massengeschäfte bzw. vergleichbare
Schuldverhältnisse (Nummer 1) und darüber hinaus alle privatrechtliche Versicherungen aller Art (Nummer 2).
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 13
Der Rechtsausschuss hält es grundsätzlich für sachgerecht, im Bereich des zivilrechtlichen Diskriminierungsschutzes
über die durch die Richtlinien vorgegebenen Merkmale Rasse und ethnische Herkunft sowie Geschlecht hinaus weitere
Merkmale des Art. 13 EU-Vertrag zu schützen. Dies gilt allerdings nicht für das Merkmal Weltanschauung. Zwar ist
der Begriff „Weltanschauung“ eng zu verstehen als eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über
bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel menschlichen Lebens, die auf innerweltliche
Bezüge beschränkt ist und die allgemeine politische Gesinnung gerade nicht erfasst. Gleichwohl besteht die Gefahr,
dass z.B. Anhänger rechtsradikalen Gedankenguts aufgrund der Vorschrift versuchen, sich Zugang zu Geschäften zu
verschaffen, die ihnen aus anerkennenswerten Gründen verweigert wurden. Aus diesem Grund soll der zivilrechtliche
Schutz des AGG sich nicht auf das Merkmal Weltanschauung beziehen.
Absatz 1 Nr. 1 erfasst in der ersten Alternative zunächst Massengeschäfte, also diejenigen zivilrechtlichen
Schuldverhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person in einer Vielzahl von Fällen zu gleichen Bedingungen
zustande kommen. Dieser Tatbestand ermöglicht die erforderliche Balance zwischen dem Schutz vor
diskriminierendem Verhalten im Privatrechtsverkehr einerseits und der gebotenen Wahrung der Vertragsfreiheit
andererseits. Die Vorschrift setzt zugleich Artikel 3 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts
außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG um, die ebenfalls darauf abstellt, dass es sich um Güter und Dienstleistungen
handeln muss, die ohne Ansehen der Person abgesetzt werden. In Artikel 3 Abs. 2 dieser Richtlinie weist die
Europäische Gemeinschaft ausdrücklich auf die Bedeutung der freien Wahl des Vertragspartners hin.
Erfasst sind zivilrechtliche Schuldverhältnisse aller Artikel. Meist wird es sich – wie bei dem erweiterten
Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft nach Absatz 2 – um den Zugang zu
und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen handeln (siehe auch § 2 Abs. 1 Nr. 8, der Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe
h der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG wörtlich übernimmt). Der Tatbestand ist allerdings insoweit enger als Absatz
2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 8, weil nur diejenigen Schuldverhältnisse erfasst sind, die darüber hinaus bei einer
typisierenden Betrachtungsweise in einer Vielzahl von Fällen ohne Ansehen der Person zustande kommen. Damit
müssen für ein Massengeschäft folgende weitere Kriterien erfüllt sein:
Zum einen geht es damit nicht um einmalige Sachverhalte, sondern um Fälle, die häufig auftreten. Ob es sich
typischerweise um eine „Vielzahl von Fällen“ handelt, ist aus der Sicht der Anbieterseite zu beurteilen, denn an sie (und
nicht an den nachfragenden Kunden) richtet sich das Benachteiligungsverbot. So ist etwa der Absatz von
Gebrauchtwagen für den gewerblichen Kfz-Händler ein Geschäft, das er in einer Vielzahl von Fällen abwickelt. Anders
ist es bei einer Privatperson, die ihren gebrauchten Pkw verkaufen will. Damit sind in der Regel also nur diejenigen
Leistungen vom allgemeinen zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot erfasst, die von Unternehmen erbracht werden,
also von natürlichen oder juristischen Personen, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Selbstständigkeit
handeln (§ 14 BGB). Der mit dem Benachteiligungsverbot zwangsläufig verbundene Eingriff in die Vertragsfreiheit
lässt sich bei Unternehmen eher rechtfertigen, weil sie sich mit ihrem Leistungsangebot in die öffentliche Sphäre
begeben und es damit grundsätzlich an die Allgemeinheit richten (so schon Bydlinski, Archiv für die civilistische Praxis
180 [1980], 1, 39).
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 63
Weiterhin muss es sich um Schuldverhältnisse handeln, die typischerweise „ohne Ansehen der Person“ und „zu
gleichen Bedingungen“ begründet, durchgeführt und beendet werden. Denn die sozial verwerfliche Diskriminierung
unterscheidet sich von der durch das Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckten erlaubten Differenzierung gerade dadurch,
dass willkürlich und ohne sachlichen Grund einzelnen Personen der Zugang zu einer Leistung verwehrt oder erschwert
wird, die ansonsten anderen Personen gleichermaßen zur Verfügung steht. Ein Schuldverhältnis wird ohne Ansehen der
Person begründet, durchgeführt oder beendet, wenn hierbei die in § 1 genannten Merkmale typischerweise keine Rolle
spielen.
Insbesondere im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und bei standardisierten Dienstleistungen kommen Verträge
typischerweise ohne Ansehen der Person zustande: Im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Transportwesen
schließen die Unternehmer im Rahmen ihrer Kapazitäten Verträge ohne weiteres mit jeder zahlungswilligen und
zahlungsfähigen Person, ohne dass nach den in § 1 genannten Merkmalen unterschieden würde. Natürlich hängt der
Vertrag häufig auch hier von weiteren, vertragsspezifischen Bedingungen ab, die sich aus Treu und Glauben, aus der
Verkehrssitte oder aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben: Ein Taxifahrer muss einen Fahrgast mit extrem
verschmutzter Kleidung nicht befördern; ein Gastwirt kann einen randalierenden Besucher aus der Gaststätte weisen.
Diese Handlungen sind schon deshalb nicht benachteiligend im Sinne dieses Gesetzes, weil sie weder unmittelbar noch
mittelbar an die in § 1 genannten Merkmale anknüpfen.
Weil Massengeschäfte regelmäßig „ohne Ansehen der Person“ zustande kommen, werden diese Verträge (und andere
Schuldverhältnisse) typischerweise auch „zu vergleichbaren Bedingungen“ begründet, durchgeführt und beendet. Die
Gleichbehandlung bei Erbringung der Leistung ist letztlich Spiegelbild der Tatsache, dass der Anbieter bei der Auswahl
des Vertragspartners nicht unterscheidet.
Differenziert der Unternehmer im Einzelfall bei der Auswahl des Vertragspartners oder bei der Erbringung der Leistung
dennoch von vorne herein nach den in § 1 genannten Merkmalen, ändert sich nichts an der Anwendbarkeit der
Vorschrift. Die Einordnung als Massengeschäft erfolgt nämlich nach einer allgemeinen, typisierenden
Betrachtungsweise. So sind etwa Freizeiteinrichtungen (Badeanstalten, Fitnessclubs etc.) typischerweise für Angehörige
jedes Geschlechts und jedes Alters zugänglich. Die Differenzierung nach diesen Merkmalen im Einzelfall (z. B.
gesonderte Öffnungszeiten in einer Badeanstalt nur für Frauen, Altersbeschränkungen bei der Aufnahme in einen
Fitnessclub) ist also nur zulässig, sofern sie nach § 20 wegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt ist.
Unerheblich ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise auch, ob einzelne Vertragspartner beispielsweise
wegen eines besonderen Verhandlungsgeschicks im Einzelfall Preisnachlässe erreichen. Differenzierungen, die zur ErDrucksache 16/1780 – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
füllung gesetzlicher Pflichten dienen und Merkmale des § 1 betreffen (z. B. ein Mindestalter aus Gründen des
Jugendschutzes verlangen), sind selbstverständlich ohne weiteres zulässig.
Auch Privatversicherungen können strukturell Massengeschäfte i. S. d. Nummer 1 sein, wenn bei dem angebotenen
Versicherungsschutz typischerweise auf die Ermittlung von Risikoindikatoren verzichtet wird, die vom
Anwendungsbereich des § 1 erfasst sind. Das ist etwa bei Reisegepäckversicherungen der Fall, die aber auch – wie
andere privatrechtliche Versicherungen, insbesondere die private Kranken- und Lebensversicherung – grundsätzlich
über Nummer 2 erfasst werden. Bei der Überlassung von Räumen wird es sich meist nicht um Massengeschäfte im
Sinne der ersten Alternative handeln, denn die Anbieter von Wohn- oder Geschäftsräumen wählen ihren
Vertragspartner regelmäßig individuell nach vielfältigen Kriterien aus dem Bewerberkreis aus. Anders kann es sich
verhalten, wenn etwa der Vertragsschluss über Hotelzimmer oder Ferienwohnungen über das Internet abgewickelt und
hierbei auf eine individuelle Mieterauswahl verzichtet wird. Kreditgeschäfte beruhen meist auf einer individuellen
Risikoprüfung. Auch hier wird es sich deshalb regelmäßig nicht um Massengeschäfte handeln.
Von der zweiten Alternative werden auch Rechtsgeschäfte erfasst, bei denen „das Ansehen der Person“ zwar eine Rolle
spielt; diese Voraussetzung jedoch eine nachrangige Bedeutung hat. Dies wird z. B. vielfach der Fall sein, wenn ein
großer Wohnungsanbieter eine Vielzahl von Wohnungen anbietet.
Absatz 1 Nr. 2 bezieht als Spezialvorschrift zu Nummer 1 ausdrücklich alle privatrechtlichen Versicherungsverhältnisse
ein, denn Absatz 1 Nr. 1 würde nur, wie soeben erläutert, Versicherungen erfassen, die typischerweise auf die
Ermittlung von einschlägigen Risikoindikatoren verzichten. Im Bereich der Privatversicherung besteht nämlich auch bei
individueller Risikoprüfung ein Bedürfnis, sozial nicht zu rechtfertigende Unterscheidungen zu unterbinden:
Versicherungen decken häufig elementare Lebensrisiken ab; deshalb kann der verweigerte Vertragsschluss für den
Benachteiligten schwerwiegende Auswirkungen haben. Was die Festlegung von Prämien und die Gewährung von
Leistungen durch Versicherungen angeht, legt § 20 Abs. 2 gesetzlich die Voraussetzungen fest, unter denen die
Versicherungen das Geschlecht (Satz 1) oder die anderen Merkmale (Satz 2) weiterhin als Differenzierungsmerkmal bei
der Risikobewertung heranziehen dürfen.
Zu Absatz 2
Absatz 2 erstreckt den Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots bei Benachteiligungen aus
Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft auf sämtliche zivilrechtliche Schuldverhältnisse, die von § 2
Abs. 1 Nr. 5 bis 8 erfasst sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung zu § 2 verwiesen. Von besonderer
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 64
Bedeutung ist § 2 Abs. 1 Nr. 8, der Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe h der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG entspricht und
ein Benachteiligungsverbot fordert, das nicht nur für in Absatz 1 geregelte Schuldverhältnisse gilt, sondern für
Schuldverhältnisse aller Art, die den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zum Gegenstand
haben. Erfasst sind hier beispielsweise auch Geschäfte Privater, sofern der Vertragsschluss öffentlich angeboten wird,
etwa der Verkauf des gebrauchten privaten PKW über eine Zeitungsannonce.
Zu Absatz 3
Absatz 3 trägt dem Anliegen insbesondere der Wohnungswirtschaft Rechnung, bei der Vermietung von Wohnraum den
bewährten Grundsätzen einer sozialen Stadt- und Wohnungspolitik Rechnung tragen zu können. Die europäische Stadt
setzt auf Integration und schafft damit die Voraussetzungen für ein Zusammenleben der Kulturen ohne wechselseitige
Ausgrenzung. Je stärker der soziale Zusammenhalt, desto weniger kommt es zu Diskriminierungen wegen der
ethnischen Herkunft oder aus anderen im Gesetz genannten Gründen.
Diese Prinzipien finden sich beispielsweise in § 6 des Wohnraumförderungsgesetzes, der unter anderem die
Notwendigkeit unterstreicht, sozial stabile Bewohnerstrukturen zu erhalten und ausgewogene Siedlungsstrukturen sowie
ausgeglichene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse zu schaffen und zu erhalten. Absatz 3 stellt deshalb
klar, dass bei der Vermietung von Wohnraum eine unterschiedliche Behandlung zulässig sein kann, sofern sie den
genannten Zielen dient. Selbstverständlich ist damit keine Unterrepräsentanz bestimmter Gruppen zu rechtfertigen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 13
Die Regelung greift ein Anliegen des Bundesrates auf und stellt klar, das im Interesse einer aktiven, auf soziale
Stabilität ausgerichteten Wohnungspolitik eine unterschiedliche Behandlung bei der Wohnraumvermietung zulässig ist.
Auch nach Auffassung des Ausschusses ist nicht von einer Diskriminierung auszugehen, wenn bei der Vermietung von
Wohnraum mit dem Ziel der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener
Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse unterschieden wird.
Zu Absatz 4
Nach Absatz 4 sind die im Familien- und Erbrecht geregelten Schuldverhältnisse ausgeschlossen, weil sie sich
grundlegend von den Verträgen des sonstigen Privatrechts unterscheiden. Wegen des inneren Zusammenhangs zum
Erbrecht sind Vereinbarungen, die eine Erbfolge vorweg nehmen, ebenfalls von dem Ausschluss erfasst.
Zu Absatz 5
Absatz 5 trägt den Maßgaben des Erwägungsgrundes 4 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG sowie des
Erwägungsgrundes 3 der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG
Rechnung, wonach der Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten
Geschäfte gewahrt bleiben soll. Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/113/EG beschränkt außerdem den Geltungsbereich
des geschlechtsspezifischen Diskriminierungsverbots auf Güter und Dienstleistungen, „die außerhalb des Bereichs des
Privat- und Familienlebens und der in diesem Kontext stattfindenden Transaktionen angeboten werden“. Entsprechend
soll die Regelung des Absatzes 5 gewährleisten, dass nicht unverhältnismäßig in den engsten Lebensbereich der durch
das Benachteiligungsverbot verpflichteten Person eingegriffen wird. Die Bestimmung kommt auch für
Benachteiligungsverbote zur Anwendung, die nicht auf der Umsetzung von Richtlinien beruhen, denn der
Grundgedanke gilt hier in gleicher Weise.
Ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis im Sinne von Satz 1 erfordert eine Beziehung, die über das hinausgeht,
was ohnehin jedem Schuldverhältnis an persönlichem Kontakt zugrunde liegt. Dies kann beispielsweise darauf beruhen,
dass es sich um ein für die durch das Benachteiligungsverbot verpflichtete Person besonders bedeutendes Geschäft
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 43 – Drucksache 16/1780
handelt, oder dass der Vertrag besonders engen oder lang andauernden Kontakt der Vertragspartner mit sich bringen
würde.
Satz 2 benennt ein – nicht abschließendes – Beispiel für den in Satz 1 benannten Grundsatz: Mietverhältnisse, bei denen
die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen, sind vom Anwendungsbereich ausgenommen. Wegen des besonderen Näheverhältnisses ist es hier insbesondere nicht zumutbar, dem Vermieter eine
Vertragspartei aufzuzwingen. Zugleich sind damit sämtliche Ansprüche auf Ersatz von Schäden ausgeschlossen, die auf
eine Vertragsverweigerung zurückzuführen sind.
Bei der Auslegung des Begriffs „Angehörige“ ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahmevorschrift des Absatzes 5 dem
Erwägungsgrund 4 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG Rechnung zu tragen hat. Hiernach „ist es wichtig, dass im
Zusammenhang mit dem Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre
und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten Geschäfte gewahrt bleibt“. Der Begriff des
Angehörigen erfasst damit Mitglieder des engeren Familienkreises, nämlich Eltern, Kinder, Ehe- und Lebenspartner
und Geschwister. Er dürfte damit im Wesentlichen mit dem Begriff der engen Familienangehörigen im Sinne des § 573
Abs. 1 Nr. 2 BGB übereinstimmen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 65
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 13
Artikel 1 § 19 Abs. 5 Satz 2 gilt als Regelbeispiel für die Vermietung von Wohnraum auf demselben Grundstück
grundsätzlich sowohl für Geschäfte gemäß Absatz 1 Nr. 1 als auch gemäß Absatz 2. Weitere Einschränkungen sind
bezüglich der Geschäfte nach Absatz 2 aufgrund der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur
Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft nicht
zulässig. Die Diskussion der Vorschrift hat aber gezeigt, dass sie dahin missverstanden werden kann, dass jede nicht
den Voraussetzungen des Absatz 5 Satz 2 entsprechende Wohnraumvermietung als Massengeschäft im Sinn des Absatz
1 Nr. 1 zu werten wäre. Hier scheint eine gesetzliche Klarstellung angezeigt. Mit dem neuen Satz 3 wird verdeutlicht,
dass die Wohnraumvermietung in der Regel kein Massengeschäft ist, wenn der Vermieter insgesamt nicht mehr als 50
Wohnungen vermietet. Damit ist zum einen klargestellt, dass die Verneinung eines persönlichen Nähe- oder
Vertrauensverhältnisses nicht bereits zur Annahme eines Massengeschäftes führt. Zum anderen wird die Vermutung
begründet, dass jedenfalls dann, wenn der Vermieter insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet, das Ansehen
der Person des konkreten Mieters für ihn nicht ohne Bedeutung oder nicht nur von nachrangiger Bedeutung ist. Der
Nachweis, dass es im Einzelfall anders ist, bleibt ebenso möglich wie der Nachweis, dass auch größere Vermieter dem
Ansehen der Person des konkreten Mieters mehr als nur nachrangige Bedeutung beimessen. Die Vermutung betrifft nur
die Wohnraumvermietung zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch. Sie betrifft damit nicht Vermietungen im Sinne
des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB, also beispielsweise die Vermietung von Hotelzimmern oder Ferienwohnungen.
Zu § 20 (Zulässige unterschiedliche Behandlung)
§ 20 regelt, in welchen Fällen eine unterschiedliche Behandlung wegen einer Behinderung, der Religion oder
Weltanschauung,
Hinweis: Wie der Änderung des § 19 sowie des § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG sowie der Begründung dieser Änderungen in
der Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006
entnommen werden kann, sollte das Merkmal Weltanschauung vom „normalen“ zivilrechtlichen
Antidiskriminierungsschutz ausgenommen werden. Dass das Merkmal in § 20 Abs. 1 S. 1 AGG zunäcsht noch genannt
wurde, war ein Redaktionsversehen.
Mit dem „ersten Reparaturgesetz“ ist dieses Redaktionsversehen mit Wirkung zum 12.12.2006 erfolgt. Vgl. dazu unten
den nächsten Kasten.
BT-Drs. 16/3007 v. 18.10.2006 S. 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11.
Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes
Zu Nummer 2 (§ 20):
Mit der Änderung in § 20 wird der Wortlaut dem Wortlaut der Grundnorm des § 19 Abs. 1 angepasst. Es handelt es sich
um eine redaktionelle Folgeänderung zur vom Deutschen Bundestag beschlossenen Änderung des § 19 Abs. 1. Da in
§ 19 die Wörter „oder Weltanschauung“ gestrichen worden sind, läuft die Bezugnahme auf dieses Merkmal in der
Regelung betreffend die Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung in § 20 leer und ist zu streichen.
des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts, die den Tatbestand des § 19 Abs. 1 erfüllt, gleichwohl zulässig
ist. Eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes liegt dann nicht vor. Die Norm ist als Rechtfertigungsgrund
ausgestaltet. Der Anbieter muss also nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Zulässigkeit der
unterschiedlichen Behandlung darlegen und beweisen. Bei einer mittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 2) sind Fragen
der zulässigen Ungleichbehandlung bereits auf Tatbestandsebene zu entscheiden; es werden also viele in § 20 geregelte
Fragen bereits an dieser Stelle (und nicht erst auf der Ebene der Rechtfertigung) zu prüfen sein. Unberührt von alledem
bleibt das Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 2, das der Umsetzung der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG dient,
denn in dieser Richtlinie sind entsprechende Rechtfertigungsgründe nicht vorgesehen.
Satz 1 enthält den Grundsatz, wonach Unterscheidungen zulässig sind, für die ein sachlicher Grund vorliegt. Dieser
Rechtfertigungsgrund ist erforderlich, weil bei den genannten Merkmalen – anders als bei Unterscheidungen aus
Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft – Differenzierungen im allgemeinen Zivilrecht oft akzeptiert
oder sogar höchst erwünscht sind. Beispielhaft erwähnt seien hier nur Preisrabatte für Schülerinnen und Schüler oder
für Studierende oder gesonderte Öffnungszeiten für Frauen in Schwimmbädern. Andere Unterscheidungen werden von
den Betroffenen zwar subjektiv als diskriminierend empfunden, dienen objektiv aber notwendigen Zwecken, etwa der
Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten und damit der Schadensverhütung. All diese Unterscheidungen können
und sollen weiterhin möglich sein; denn hierbei handelt es sich nicht um Diskriminierungen, also sozial verwerfliche
Unterscheidungen. Satz 1 dient damit auch der Umsetzung von Artikel 4 Abs. 5 der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen
des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG, wonach es gerechtfertigt sein kann, Güter und
Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts bereitzustellen.
Die Feststellung eines sachlichen Grundes bedarf einer wertenden Feststellung im Einzelfall nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben und entzieht sich wegen der Reichweite des allgemeinen zivilrechtlichen Benachteiligungsverbotes
einer abschließenden näheren Konkretisierung. Die sachlichen Gründe können sich zunächst aus dem Charakter des
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 66
Schuldverhältnisses ergeben. Es können Umstände sein, die aus der Sphäre desjenigen stammen, der die
Unterscheidung trifft, oder aber aus der Sphäre desjenigen, der von der Unterscheidung betroffen ist.
Das Erfordernis einer Abwägung im Einzelfall kommt auch im bereits erwähnten Rechtfertigungsgrund des Artikels 4
Abs. 5 der Richtlinie 2004/113/EG zum Ausdruck. Der Erwägungsgrund 17 dieser Richtlinie stellt darüber hinaus klar,
dass beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen die jeweiligen Möglichkeiten nicht in jedem Fall gleichermaßen
geboten werden müssen, sofern dabei nicht Angehörige des einen Geschlechts besser gestellt sind als die des anderen.
Es ist also sachlich gerechtfertigt, Waren und Dienstleistungen geschlechtspezifisch anzubieten, sofern dies sachlichen
Kriterien Rechnung trägt. Ein weiteres Beispiel sind etwa Sportveranstaltungen, die nur Angehörigen eines Geschlechts
zugänglich sind (siehe Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2004/113/EG).
In der Praxis werden meist die Regelbeispiele in Nummer 1 bis 4 einschlägig sein, die – nicht abschließend – die
wichtigsten Fallgruppen umreißen und zugleich eine Richtschnur für die Auslegung des Grundtatbestandes geben
können.
Nummer 1 rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung, die der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von
Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Zweck der Vorschrift ist vor allem die Notwendigkeit, bei
Massengeschäften die Beachtung von Verkehrssicherungspflichten durchzusetzen. So kann es z. B. in Freizeitparks
erforderlich sein, den Zugang zu Fahrgeschäften für Menschen mit einer körperlichen Behinderung zu beschränken oder
aber auf einer Begleitperson zu bestehen. Ein weiteres Beispiel ist der Schutz von Opfern sexueller Gewalt durch
Einrichtungen, die nur Angehörigen eines Geschlechts Zuflucht bieten (siehe Erwägungsgrund 16 der Richtlinie
2004/113/EG).
Der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art kann die
unterschiedliche Behandlung regelmäßig nur dienen, wenn sie zur Zweckerreichung grundsätzlich geeignet und
erforderlich ist. Willkürliche Anforderungen sind deshalb von Nummer 1 nicht gedeckt. Dem Anbieter steht hierbei
allerdings ein gewisser Spielraum zur Verfügung. Das ist zum einen deshalb erforderlich, weil etwa eine vorbeugende
Schadensverhütung zwangsläufig auf Prognosen beruht, die mit Unsicherheiten behaftet ist. Zum anderen kann bei der
Abwicklung von Massengeschäften auf eine Standardisierung nicht verzichtet werden. So kann es etwa gerechtfertigt
sein, den Zugang zu risikobehafteten Leistungen (z. B. Ausübung gefährlicher Sportarten in einer privaten Anlage) erst
Kunden ab 18 Jahren zu erlauben.
Drucksache 16/1780 – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Nummer 2 trägt der Tatsache Rechnung, dass es insbesondere Unterscheidungen nach dem Geschlecht gibt, die auf das
Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit reagieren. Strukturell ähnelt der
Rechtfertigungsgrund einer positiven Maßnahme (§ 4). Maßnahmen dieser Art – wie etwa getrennte Öffnungszeiten in
Schwimmbädern und Saunen, die Bereithaltung von Frauenparkplätzen sind sozial erwünscht und gesellschaftlich
weithin akzeptiert.
Die Vorschrift rechtfertigt Unterscheidungen nur dann, wenn sie aus nachvollziehbaren Gründen erfolgen. So sind
Frauen generell einer größeren Gefahr als Männer ausgesetzt, Opfer von Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung zu werden. Es kann deshalb gerechtfertigt sein, in Parkhäusern Frauenparkplätze zur Verfügung zu
stellen, auch wenn sich im Einzelfall nicht nachweisen lassen sollte, dass besondere Gefahren drohen, etwa bei einem
beleuchteten Parkplatz in einem sicheren Einkaufcenter. Nicht jedes subjektive Sicherheitsbedürfnis reicht jedoch zur
Rechtfertigung einer Unterscheidung aus. Wenngleich keine Bedrohungslage nachgewiesen werden muss, ist es doch
nötig, dass einem verständlichen Sicherheitsbedürfnis Rechnung getragen werden soll. Eine beispielsweise auf
Xenophobie beruhende pauschale Angst vor „dem Islam“ oder „den Juden“ kann daher eine Ungleichbehandlung nach
dem Merkmal der Religion nicht rechtfertigen.
Nummer 3 erfasst diejenigen Fälle, in denen Personen wegen einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung,
des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein besonderer Vorteil gewährt wird. Mit dieser Bevorzugung –
meist wird es sich um Preisnachlässe oder andere Sonderkonditionen bei der Anbahnung, Durchführung oder
Beendigung von Massengeschäften handeln – ist notwendigerweise eine Benachteiligung aller anderen verbunden.
Hier besteht kein Anlass, den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen. Die gewährten Vergünstigungen
reagieren nämlich entweder darauf, dass bestimmte Gruppen typischerweise weniger leistungsfähig sind: Rabatte für
Schüler und Studenten etwa sind damit zu begründen, dass sie meist nicht über ein Erwerbseinkommen verfügen. Oder
aber die Vergünstigungen bezwecken die gezielte Ansprache von Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte.
Diese Maßnahmen sind also nicht diskriminierend, sondern im Gegenteil sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf
Wettbewerb beruhenden Wirtschaft. Ein Verbot dieser Praktiken würde auch den objektiv benachteiligten
Personenkreisen nicht helfen, denn der Anbieter würde nicht mit der Erstreckung der Vorteile auf alle Kunden
reagieren, sondern mit dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung.
Anders ist es, wenn die Gewährung gezielter Vorteile dazu dient, eine diskriminierende Verhaltensweise bei
Massengeschäften nur zu tarnen. Das wäre etwa bei einer Preisgestaltung denkbar, bei der das regulär geforderte
Entgelt weit über dem Marktpreis liegt, so dass es dem Anbietenden im Ergebnis nur darum geht, den Kundenkreis auf
diejenigen Personen zu beschränken, die Adressaten der „besonderen Vorteile“ (tatsächlich aber des Normalpreises)
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 67
sind. Die Voraussetzungen von Nummer 3 sind hier nicht gegeben, weil hier ein Interesse besteht, diese
Ungleichbehandlung zu unterbinden.
Nummer 4 regelt die zulässige unterschiedliche Behandlung, die an die (tatsächliche oder ihm zugeschriebene) Religion
oder Weltanschauung des Benachteiligten anknüpft. Es geht hierbei meist um Fälle, bei denen die unterschiedliche
Behandlung auf religiösen oder weltanschaulichen Motiven des Benachteiligenden beruht.
Nimmt jemand in einer Weise am privaten Rechtsverkehr teil, die Ausdruck seiner religiösen Grundhaltung ist, so wird
sein Handeln nicht nur durch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 GG, sondern auch durch seine
Glaubensfreiheit, Artikel 4 Abs. 1 GG, geschützt. Übt der Gläubige einen Beruf aus, der die Einhaltung bestimmter
religiöser Vorgaben fordert (etwa der islamische Metzger, der das Fleisch von Tieren verkaufen will, die nach
islamischen Regeln geschlachtet worden sind), so wird sein Handeln von Artikel 12 Abs. 1 bzw. Artikel 2 Abs. 1 i. V.
m. Artikel 4 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 104, 337, 346 – „Schächten“). Dieselben Überlegungen gelten für
weltanschaulich motiviertes Handeln.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 3 WRV den Religionsgemeinschaften
und den ihnen zugeordneten Einrichtungen die Freiheit bei der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten
innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zusichert. Dasselbe gilt gemäß Artikel 140 GG i. V. m. Artikel
137 Abs. 7 WRV für Weltanschauungsgemeinschaften. Daher erfasst die Regelung nicht nur die Religions- oder
Weltanschauungsgemeinschaften selbst, sondern auch die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre
Rechtsform, wenn die Einrichtungen der Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften nach deren Selbstverständnis
ihrem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Religions- oder
Weltanschauungsgemeinschaft wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfGE 70, 138 (162); 57, 220 (242); 53, 366
(391); 46, 73 (85f.)). Dabei sind die Begriffe der Ordnung und Verwaltung weit auszulegen. Dazu gehören etwa
karitative Tätigkeiten, das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht, aber auch die Verwaltung des eigenen Vermögens.
Nimmt eine Kirche, eine ihr zugeordnete Einrichtung oder eine Weltanschauungsgemeinschaft am privaten
Rechtsverkehr teil, ist zunächst zu beurteilen, ob die in Frage stehende Tätigkeit zu ihren eigenen Angelegenheiten
gehört oder nicht. Dabei ist das dem Tun zugrunde liegende Selbstverständnis der Kirche oder
Weltanschauungsgemeinschaft entscheidend. Ist das Rechtsgeschäft karitativer Natur, so liegt die Bejahung der eigenen
Angelegenheit nahe. Ist von einer eigenen Angelegenheit auszugehen, so ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
zwar nur in den Schranken der für alle geltenden Gesetze gewährleistet. Darunter fallen aber nur die Gesetze, die für die
jeweilige Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft dieselbe Bedeutung haben wie für jedermann (BVerfGE 66, 1,
20). Dabei kommt dem Selbstverständnis der Gemeinschaft wiederum besonderes Gewicht zu (BVerfGE 66, 1, 22).
Auch bei Nummer 4 handelt es sich um ein Regelbeispiel, das den Bereich des religiös oder weltanschaulich
motivierten Handelns nicht abschließend normiert. Von dem Wortlaut des Regelbeispiels nicht erfasste sonstige religiös
oder weltanschaulich motivierte Ungleichbehandlungen können daher im Einzelfall ebenfalls sachliche Gründe im
Sinne des § 21 Satz 1 darstellen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 45 – Drucksache 16/1780
Dies bedeutet aber nicht, dass jedes religiöse oder weltanschauliche Motiv eine an sich nach dem Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz verbotene Differenzierung rechtfertigt. Artikel 4 Abs. 1 GG schützt das Recht des Einzelnen,
sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln,
beispielsweise auch bei Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit. Der Metzger etwa, dem gesetzlich verboten wird,
Fleisch von geschächteten Tieren zu verkaufen, kann seinen Beruf nicht mehr den islamischen Regeln entsprechend
ausüben. Ein Verbot, Kundinnen ohne Kopftuch zu benachteiligen, würde dementsprechend nur dann den
grundrechtlichen Schutzbereich betreffen, wenn sich der Metzger auf einen Glaubenssatz berufen könnte, der es ihm
verbietet, Fleisch an Frauen zu verkaufen, die kein Kopftuch tragen. Den Metzger träfe insoweit die Darlegungslast
(vgl. BVerwGE 94, 82 ff.). Er müsste ernsthaft darlegen können, dass das Betreiben einer islamischen Metzgerei nicht
nur die Einhaltung bestimmter Regeln bei der Schlachtung der Tiere, sondern auch eine bestimmte Auswahl der
Kundschaft erfordert. Dabei genügte nicht die Berufung auf behauptete Glaubensinhalte und Glaubensgebote; vielmehr
müsste ein Gewissenskonflikt als Konsequenz aus dem Zwang, der eigenen Glaubensüberzeugung zuwider zu handeln,
konkret, substantiiert und objektiv nachvollziehbar dargelegt werden (vgl. BVerwGE 94, 82 ff.).
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 13
Folgeänderung zu Nr. 1. 4.
Absatz 2 enthält eine besondere Bestimmung für private Versicherungsverträge nach § 19 Abs. 1 Nr. 2. Sie regelt, unter
welchen besonderen Vorraussetzungen die Ungleichbehandlung wegen der in § 20 Abs. 1 Satz 1 genannten Merkmale
bei der Festlegung von Prämien und Leistungen durch die Versicherungen zulässig ist. Sind die Voraussetzungen von
Absatz 2 erfüllt, bleibt bei der Vertragsgestaltung (insbesondere der Prämien- oder Leistungsbestimmung), aber auch
bei der Entscheidung über den Vertragsschluss selbst, die Berücksichtigung der von diesem Gesetz erfassten Risiken
möglich. Die Einbeziehung sämtlicher Privatversicherungsverträge (einschließlich ihrer Anbahnung, Durchführung und
Beendigung) in den Anwendungsbereich des allgemeinen privatrechtlichen Benachteiligungsverbots soll vor Willkür
schützen; sie soll aber nicht die auch im Interesse der Versicherten erforderliche Differenzierung nach dem ex ante
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 68
beurteilten individuellen Risiko unmöglich machen. Diese Differenzierung nämlich gehört zu den Grundprinzipien der
privatrechtlichen Versicherung.
Die Vorschrift unterscheidet dabei zwischen dem Merkmal Geschlecht als Risikofaktor bei der
versicherungsmathematischen Kalkulation und den Merkmalen Religion oder Weltanschauung,
Hinweis: Wie der Änderung des § 19 sowie des § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG sowie der Begründung dieser Änderungen in
der Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006
entnommen werden kann, sollte das Merkmal Weltanschauung vom „normalen“ zivilrechtlichen
Antidiskriminierungsschutz ausgenommen werden. Dass das Merkmal in § 20 Abs. 2 S. 3 AGG noch genannt ist, ist
daher möglicherweise ein Redaktionsversehen, im Hinblick auf die Begründung der Änderung aber möglicherweise
auch Absicht, da die zu verhindernde Gefahr „dass z.B. Anhänger rechtsradikalen Gedankenguts aufgrund der
Vorschrift versuchen, sich Zugang zu Geschäften zu verschaffen, die ihnen aus anerkennenswerten Gründen verweigert
wurden“ bei Versicherungsverträgen nicht bestehen dürfte.
Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Im Hinblick auf das Merkmal Rasse und ethnische Herkunft ist es den
Versicherungen dagegen einschränkungslos verboten, dieses als Risikofaktor zu verwenden.
Die Anforderungen an die Berücksichtigung des Geschlechts als versicherungsmathematisher Faktor sind in Satz 1
geregelt. Dieser greift die Formulierung in Artikel 5 Abs. 2 Satz 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des
Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG auf und setzt diese Bestimmung im Bereich des
Versicherungsvertragsrechts um. Die Rechtfertigung der Berücksichtigung des Merkmals Geschlecht bei der
Bestimmung von Prämien und Leistungen greift danach nur ein, wenn es sich bei dem Geschlecht um einen
„bestimmenden Faktor“ bei der Risikobewertung handelt. Das Geschlecht darf also nicht nur ein
Differenzierungskriterium unter vielen sein, sondern es muss sich um einen maßgeblichen Faktor bei der Beurteilung
der versicherten Risiken handeln, wenn auch nicht unbedingt um den Einzigen. Dessen Heranziehung darf nicht
willkürlich sein.
„Relevant“ und „genau“ sind hierbei nur Daten, die eine stichhaltige Aussage über das Merkmal Geschlecht als
versicherungsmathematischen Risikofaktor erlauben. Die Daten müssen deshalb verlässlich sein, regelmäßig
aktualisiert werden und auch der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Hiervon macht Satz 2 entsprechend Artikel 5 Abs. 3 der erwähnten Richtlinie eine sozialpolitisch motivierte Ausnahme:
Kosten, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Entbindung entstehen, dürfen nicht geschlechtsspezifisch in
Ansatz gebracht werden. Die Norm folgt damit insoweit auch den Forderungen des Deutschen Bundestages, die im
Entschließungsantrag vom 30. Juni 2004 niedergelegt sind (Bundestagsdrucksache 15/3477).
Satz 3 regelt die Voraussetzungen, unter denen Versicherungen die Merkmale Religion oder Weltanschauung,
Behinderung, Alter oder sexuelle Identität als Risikofaktoren bei der Festlegung der Prämien und Leistungen
heranziehen können. Diese muss auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruhen, insbesondere auf
einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen. Dem liegt
der Gedanke zugrunde, dass als Risikomerkmale ohnehin nur solche Umstände geeignet sind, die zu vertretbaren
Kosten statistisch erfassbar sind und einen deutlichen statistischen Zusammenhang mit der Schadenserwartung haben
(Wandt, Geschlechtsabhängige Tarifierung in der privaten Krankenversicherung, VersR 2004, 1341, 1432).
Der Begriff „anerkannte Prinzipien risikoadäquater Kalkulation“ kann als eine Zusammenfassung der Grundsätze
gesehen werden, die von Versicherungsmathematikern bei der Berechnung von Prämien und Deckungsrückstellungen
anzuwenden sind. Diese Grundsätze haben gesetzliche Grundlagen (z. B. § 11 VAG, § 65 VAG sowie aufgrund dieser
Vorschrift erlassene Rechtverordnungen, § 341f HGB für die Lebensversicherung). Es sind bestimmte
Rechnungsgrundlagen, mathematische Formeln und kalkulatorische Herleitungen zu verwenden, wobei hierbei, falls
vorhanden oder bei vertretbarem Aufwand erstellbar, auch statistische Grundlagen (z. B. Sterbetafeln) heranzuziehen
sind. Ferner muss auf anerkannte medizinische Erfahrungswerte und Einschätzungstabellen der Rückversicherer
zurückgegriffen werden. Insgesamt trifft die Versicherungen damit eine gesteigerte Darlegungs- und Beweislast.
Zu § 21 (Ansprüche)
Die Vorschrift regelt Ansprüche
Benachteiligungsverbot. Soweit § 22
bzw.
Rechtsfolgen
nach
einem
Verstoß
gegen
das
zivilrechtliche
Hinweis: Gemeint ist wohl § 21. Nach Streichung des die Haftung für Dritte regelnden § 16 sind die folgenden
Paragraphen „eins weiter nach vorne“ gerutscht. Hier wurde wohl vergessen, die Begründung anzupassen.
keine besonderen Vorschriften enthält, gelten die einschlägigen allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts,
insbesondere des Bürgerlichen Gesetzbuchs, denn die §§ 19 ff. sind, wenngleich sondergesetzlich geregelt, Bestandteil
der einheitlichen Privatrechtsordnung.
Drucksache 16/1780 – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 69
Absatz 1 regelt die auf Beseitigung und Unterlassung gerichteten Primäransprüche, Absatz 2 die Sekundäransprüche
(Ersatz materieller Schäden sowie Entschädigung für Nichtvermögensschäden). Die Absätze 3 und 4 stellen klar, dass
Ansprüche aus unerlaubter Handlung unberührt bleiben und Vereinbarungen, die dem Benachteiligungsverbot
widersprechen, unbeachtlich sind. Absatz 5 bestimmt, dass Ansprüche nach § 21 Abs. 1 und 2 in einer Frist von drei
Monaten nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden müssen.
Damit genügt § 21 den Anforderungen, die Artikel 15 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG und Artikel 14 der
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG aufstellen: Hiernach
entscheiden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Rechtsfolgen von Verstößen gegen das
Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft sowie wegen des Geschlechts. Die
Sanktionen müssen hierbei wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Diese Anforderungen beruhen auf der
Rechtsprechung des EuGH für Beschäftigung und Beruf, wonach eine Entschädigung im angemessenen Verhältnis zum
erlittenen Schaden stehen und über einen symbolischen Schadensersatz hinausgehen muss (EuGH Rs. 14/83 vom 10.
April 1984 – v. Colson u. Kamann). Mit „Abschreckung“ ist also nicht die Forderung nach dem „Strafcharakter“ des
Schadensersatzes verbunden.
Die in § 21 vorgesehenen Ansprüche leisten – im Einklang mit allgemeinen Prinzipien des Schadensersatzrechts – volle
Kompensation der entstandenen Vermögens- und Nichtvermögensschäden und genügen damit diesen Anforderungen:
Absatz 1 regelt, wie erwähnt, Primäransprüche auf Unterlassung und Beseitigung der Beeinträchtigung. Absatz 2
garantiert die Kompensation der Vermögensschäden und einen angemessenen Ausgleich für Nichtvermögensschäden.
Zu Absatz 1
Satz 1 gibt bereits beim objektiven Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot einen Beseitigungsanspruch.
Entsprechend allgemeiner Rechtsgrundsätze kann nach Satz 2 der Benachteiligende bei Wiederholungsgefahr auch auf
künftige Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dies kann tatsächliches Handeln betreffen und beispielsweise
darauf gerichtet sein, künftig die Verweigerung des Zugangs zu einer Einkaufspassage zu unterlassen. In diesem Falle
muss die bevorstehende Benachteiligung konkret drohen; ein Verdacht genügt nicht.
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt die Verpflichtung des Benachteiligenden, bei einem Verstoß den Vermögensschaden zu ersetzen bzw.
eine angemessene Entschädigung für die Beeinträchtigung zu leisten, die nicht Vermögensschaden ist.
Satz 1 und 2 entsprechen strukturell § 280 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB: Satz 1 legt den Grundsatz fest, wonach jede
schuldhafte Benachteiligung die Verpflichtung zum Ersatz des hierdurch verursachten Vermögensschadens mit sich
bringt.
Hinweis: Zur möglichen Richtlinienwidrigkeit des Verschuldenserfordernisses vgl. den Hinweis zu § 15 AGG.
Weigert sich etwa ein Taxiunternehmer, einen Fahrgast wegen seiner ethnischen Herkunft zu befördern, und entgeht
dem Benachteiligten hierdurch ein Geschäft, weil er einen entsprechenden Termin nicht einzuhalten vermag, so ist
dieser Vermögensschaden nach § 21 Abs. 2 Satz 1 zu ersetzen. Verlangt der Benachteiligte Schadensersatz wegen
Verzögerung der Leistung oder Schadensersatz statt der Leistung, so kommen die allgemeinen Vorschriften zur
Anwendung (§ 280 Abs. 3 BGB i. V. m. §§ 281 ff. BGB).
Steht die Benachteiligung fest, ggf. unter Berufung auf die Beweiserleichterung nach § 22, so trägt nach Satz 2 die
andere Partei die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligung nicht zu vertreten hat. Dieser Entlastungsbeweis wird
bei der ummittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 1) kaum praktisch werden, weil hier in der Regel vorsätzliches und
damit schuldhaftes Handeln gegeben sein wird. Bei der mittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 2) kommt eine
entsprechende Beweisführung allerdings dann in Betracht, wenn der Tatbestand erfüllt ist, für die andere Partei aber
auch bei der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war, dass die scheinbar neutralen Maßnahmen im Ergebnis zu einer
nicht gerechtfertigten Benachteiligung führen. Unberührt bleiben hiervon Ansprüche nach Absatz 1, weil diese nicht
von einem Verschulden abhängig sind.
Satz 3 regelt im Hinblick auf § 253 Abs. 1 BGB den Ersatz des durch die Benachteiligung eingetretenen immateriellen
Schadens: Der Benachteiligte kann hiernach i. V. m. Satz 1 von dem Benachteiligenden auch für diesen Schaden eine
angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
Für die Geldentschädigung, die die Rechtsprechung (BGHZ 35, 363, 367 f.; 39, 124, 130 ff.; 128, 1, 15) bei
Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus dem Schutzauftrag der Artikel 1 und 2 GG gewährt, steht der
Gesichtspunkt der Genugtuung regelmäßig im Vordergrund (BGH NJW 1996, 984, 985; NJW 1996, 985, 987). Auch
für den spezialgesetzlichen Geldentschädigungsanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 1 und 3 wegen der in der
Benachteiligung liegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt hierin der maßgebliche Entschädigungszweck. An ihm
ist daher auch vordringlich die Bemessung der Geldentschädigung nach Absatz 2 Satz 1 und 3 auszurichten.
Angemessen ist die Entschädigung, wenn sie dem Benachteiligten Genugtuung für die durch die Benachteiligung zugefügte Herabsetzung oder Zurücksetzung verschaffen kann. Zur weiteren Konkretisierung können die Grundsätze des
Geldentschädigungsanspruchs bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen werden. Hiernach
ist zu berücksichtigen, dass der Geldentschädigungsanspruch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
nur schwerwiegende und anderweitig nicht auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzungen kompensiert und für die
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 70
Bemessung der Entschädigungshöhe die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung erheblich ist (BGH NJW 1996,
984, 985; Palandt-Sprau, BGB-Kommentar, 65. Auflage 2006, § 823 Rn. 124). Das Verweisen auf einen lediglich
symbolischen Schadensersatz wäre unzulässig und entspräche auch nicht den Anforderungen der Richtlinie, die
wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verlangt.
Zu Absatz 3
Absatz 3 stellt klar, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung unberührt bleiben. Insoweit kann eine
Anspruchskonkurrenz bestehen, etwa dann, wenn mit der Benachteiligung
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 47 – Drucksache 16/1780
eine Beleidigung (§ 185 StGB) verbunden ist, was Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen kann. Der
Benachteiligte kann sich allerdings meist auf die in diesem Abschnitt geregelten Anspruchsgrundlagen berufen, weil er
sich insoweit auf die in § 22 geregelte Beweiserleichterung stützen kann.
Zu Absatz 4
Absatz 4 stellt im Hinblick auf einzelne diskriminierende Vertragsabreden klar, dass sich der Schuldner auf eine
Vereinbarung nicht berufen kann, die zum Nachteil des Gläubigers von dem Benachteiligungsverbot abweicht. Dies
entspricht der neuen gesetzlichen Regelungstechnik nach der Schuldrechtsmodernisierung (z. B. § 475 Abs. 1 BGB),
schließt § 139 BGB insoweit aus und erhält das Schuldverhältnis im Übrigen, denn mit einer Rückabwicklung des
Vertrags wäre dem Benachteiligten oftmals nicht geholfen. Im Übrigen verbleibt es dabei, dass insbesondere einseitige
Rechtsgeschäfte, die gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot verstoßen, nach § 134 BGB grundsätzlich nichtig
sind, beispielsweise Kündigungen, die ausgesprochen werden, um aus den in § 1 genannten Gründen zu diskriminieren.
Zu Absatz 5
Die Vorschrift bestimmt, dass Ansprüche nach § 21 Abs.1 und 2 in einer Frist von drei Monaten nach Entstehung des
Anspruchs geltend gemacht werden müssen. Das dient der Rechtssicherheit: Eine Person, die einen Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot geltend machen möchte, muss sich in zumutbarer Frist entscheiden, ob sie den Anspruch
verfolgen will. Aber auch diejenige Partei, die wegen eines Verstoßes als Anspruchsgegner in Anspruch genommen
wird, erlangt Rechtssicherheit in überschaubarer Frist. Der Vorschrift liegen damit vergleichbare Überlegungen wie
§ 15 Abs. 4 im Arbeitsrecht zugrunde.
Es handelt sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die drei Monate nach Entstehung des Anspruchs abläuft. Satz 2
stellt klar, dass nach Fristablauf der Anspruch nur geltend gemacht werden kann, wenn der Benachteiligte erst nach
Fristablauf von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt, ohne dass dies von ihm zu vertreten ist.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 13
Auch im Zivilrecht erscheint die Verkürzung der Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf zwei Monate
sachgerecht. Der bürokratische Aufwand für Anbieter wird beschränkt, ohne dass damit unzumutbare Nachteile für die
Kunden verbunden wären. Auch hier beginnt die Frist erst mit seiner Kenntnis von dem Verstoß und es erscheint
angemessen, zu verlangen, dass sich die Betroffenen innerhalb von zwei Monaten entscheiden, ob sie Ansprüche
geltend machen wollen.
Zu Abschnitt 4 (Rechtsschutz)
Zu § 22 (Beweislast)
Die Vorschrift regelt die Grundsätze der Beweislast in den Fällen unterschiedlicher Behandlung. Sie ist § 611a Abs. 1
Satz 3 BGB nachgebildet und erfüllt die Vorgaben der Beweislastrichtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember
1997. Die Vorschrift setzt Artikel 8 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 10 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 10
Hinweis: Gemeint ist hier offensichtlich Artikel 9
der Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG um.
Auch nach den Grundsätzen des europäischen Rechts trägt derjenige, der sich auf eine Benachteiligung beruft, in einem
Rechtsstreit die Beweislast für diese anspruchsbegründende Tatsache. Wenn er aber dem ersten Anschein nach
diskriminiert ist und auf Grund der spezifischen Situation kein wirksames Mittel hätte, um seine Rechte durchzusetzen,
kehrt sich die Beweislast um (so auch schon vor Erlass der Beweislastrichtlinie EuGH Rs. C-127/92 vom 27. Oktober
1993 – Enderby). Es entspricht ebenso den Grundsätzen des deutschen Prozessrechts, die Anforderungen an die
Darlegungs- und Beweislast danach zu bestimmen, im Einflussbereich welcher Partei sich bestimmte Vorgänge ereignet
haben.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 71
Der Kläger muss daher nach den allgemeinen Grundsätzen zunächst den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer
anderen Person ungünstig behandelt worden ist. Weiter muss er sog. Vermutungstatsachen vortragen, aus denen sich
schließen lässt, dass diese unterschiedliche Behandlung auf einem nach § 1 unzulässigen Grund beruht. Welche
Anforderungen daran im Einzelfall zu stellen sind, können nur die Gerichte unter Berücksichtigung der Grundsätze des
§ 138 ZPO beurteilen. Danach sind einerseits Erklärungen „ins Blaue hinein“ unzulässig, andererseits ist zu beachten,
welche Informationen einer Prozesspartei überhaupt zugänglich sind. Ein tatsächlicher Anhaltspunkt kann sich etwa aus
einer nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung (§ 11) ergeben.
Auch die Ergebnisse von Statistiken oder so genannten Testing-Verfahren können im Rahmen der richterlichen
Würdigung des Sachverhalts einen tatsächlichen Anhaltspunkt darstellen. Bei Testing-Verfahren wird z. B. eine
Vergleichsperson eingesetzt, um zu überprüfen, ob ein Verhalten gegenüber einer Person, bei der eines der in § 1
genannten Merkmale vorliegt, gleichermaßen auch gegenüber der Vergleichsperson, bei der dies nicht der Fall ist,
erfolgt. Der Beklagte hat dazu gemäß § 138 ZPO konkret Stellung zu nehmen. Soweit einzelne Tatsachen nicht –
ausreichend – bestritten werden, kommt es auf Beweisfragen nicht an. Bleiben Vermutungstatsachen streitig, hat der
Kläger sie mit den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismitteln nachzuweisen. Die Anforderungen an das
Beweismaß werden dabei jedoch abgesenkt. Es genügt, wenn das Gericht ihr Vorliegen für überwiegend wahrscheinlich
hält (siehe zur Auslegung des § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB BAG Urteil vom 5. Februar 2004 – 8 AZR 112/03, NJW 2004,
2112). Stehen dem Kläger dabei keine anderen Beweismittel, insbesondere Zeugen zur Verfügung, hat das Gericht alle
zulässigen Möglichkeiten der Anhörung (§ 141 ZPO) und Vernehmung (§ 448 ZPO) des Klägers auszunutzen (BAG
Urteil vom 6. Dezember 2001 – 2 AZR 396/00, AP zu § 286 ZPO Nr. 33; BGH Urteil vom 16. Juli 1998 – 1 ZR 32/96,
NJW 1999 S. 363). Ist danach eine unzulässige Motivation der unterschiedlichen Behandlung zu vermuten, trägt der
Beklagte die volle Beweislast dafür, dass doch kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Das betrifft vor
allem das Vorliegen rechtfertigender Gründe. Im Falle einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt regelmäßig
keine Rechtfertigung in Betracht. Ein nachträglich vorgebrachter Grund ist nur dann geeignet, die unterschiedliche
Behandlung zu rechtfertigen, wenn besondere Umstände erkennen lassen, dass dieser Grund nicht nur vorgeschoben ist
(Bundesverfassungsgericht vom 16. November 1993, Az. 1 BvR 258/86).
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 13
Die Diskussion des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hat gezeigt, dass der – bereits in § 611a BGB - verwendete
Begriff der „Glaubhaftmachung“ oftmals dahingehend missverstanden wird, er beziehe sich auf § 294 ZPO und lasse
die eidesstattliche Versicherung als Beweismittel zu. Es ist insoweit eine sprachliche Neufassung zur Bestimmung des
Beweismaßes erfolgt. Dies ist eine erforderliche Klarstellung für die Praxis; eine Rechtsänderung ist damit nicht
verbunden. Die Vorgaben der einschlägigen Richtlinien werden nach wie vor erfüllt.
Auch nach den Grundsätzen des europäischen Rechts trägt derjenige, der sich benachteiligt fühlt, in einem Rechtsstreit
die Beweislast. Grundsätzlich hat derjenige, der sich zur Stützung eines Anspruchs auf Tatsachen beruft, diese zu
beweisen. Die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung trifft daher auch nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich denjenigen, der sich diskriminiert glaubt. Bei den zu beweisenden Indizien
handelt es sich dabei um Hilfstatsachen, d.h. tatbestandsfremde Umstände, die den Schluss auf das Vorliegen oder
Nichtvorliegen des Tatbestandsmerkmals selbst rechtfertigen. Bewiesen werden muss daher zunächst, dass der
Benachteiligte gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist. Damit ist ein Indiz für eine
Ungleichbehandlung aber noch nicht bewiesen. Dies ist aber der Fall, wenn ergänzend sog. Vermutungstatsachen
vorgetragen werden, aus denen sich schließen lässt, dass die unterschiedliche Behandlung auf einem nach § 1 Abs. 1
unzulässigen Grund beruht. Dann erst ist der Anscheinsbeweis erbracht und ein Indiz für die vermutete Benachteiligung
bewiesen. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kehrt sich die Beweislast nämlich um, wenn
derjenige, der dem ersten Anschein nach diskriminiert ist, sonst kein wirksames Mittel hätte, um die Einhaltung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes durchzusetzen (so EuGH, Rs. C-127/92 vom 27. Oktober 1993 – Enderby).
Hinweis: Die Ausführungen in der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses („aus denen sich
schließen lässt“) sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit dem in den Richtlinien verwandten Begriff
„Glaubhaftmachung“ nur „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ und nicht etwa „überzeugende Wahrscheinlichkeit“
gemeint ist. Insofern ist die Formulierung „Indizien beweist“ durchaus missverständlich und bedarf der
richtlinienkonformen Auslegung. Vgl. dazu oben die zutreffenden Ausführungen in der Begründung zur ursprünglich
geplanten Fassung der Norm, sowie die übereinstimmenden Formulierungen in Artikel 4 der Beweislastrichtlinie
97/80/EG, Artikel 8 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 10 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 9 der Richtlinie
2004/113/EG:
„Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten
lassen“
sowie die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache C-127/92, insbesondere Rn. 18, wonach bei Beweisnot des
vermeintlich Benachteiligten bereits ausreichen kann:
„Vorbringen von Tatsachen, die den ersten Anschein einer Diskriminierung begründen“.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 72
Zu § 23 (Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände)
Die Vorschrift regelt die Mitwirkungsbefugnisse von Verbänden, die sich die Bekämpfung von Benachteiligungen zur
Aufgabe gemacht haben. Sie setzt zugleich die Maßgaben der Richtlinien um, wonach Verbände, Organisationen oder
andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem einzelDrucksache 16/1780 – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
staatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen
der jeweils betroffenen Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren
Unterstützung und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen
Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können (Artikel 7 Abs. 2 Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG,
Artikel 9 Abs. 2 Rahmen-Richtlinie Beschäftigung 2000/78/EG, Artikel 6 Abs. 3 der revidierten
Gleichbehandlungsrichtlinie wegen des Geschlechts 2002/73/EG, Artikel 8 Abs. 3 der Gleichbehandlungsrichtlinie
wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt 2004/113/EG). Damit stellt das Gesetz ein weiteres Instrument zur
effektiven Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Verfügung, das die individualrechtlichen Ansprüche
(§§ 15, 21) und die Tätigkeit der Antidiskriminierungsstelle (§§ 25 ff.) ergänzt.
Zu Absatz 1
Absatz 1 Satz 1 enthält eine Legaldefinition der Antidiskriminierungsverbände. Es muss sich um
Personenzusammenschlüsse handeln, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend die besonderen Interessen
benachteiligter Personen oder Personengruppen wahrnehmen. Denkbar sind etwa Vereine, die sich um die besonderen
Interessen von Migrantinnen und Migranten kümmern, aber auch Verbände, die sich spezifisch für die Rechte von
Frauen oder Männern, für die besonderen Interessen älterer Menschen, für Menschen mit Behinderungen oder für
gleichgeschlechtliche Lebensweisen engagieren. Wegen der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „nicht
gewerbsmäßig“ und „nicht nur vorübergehend“ kann auf § 4 Abs. 2 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG)
zurückgegriffen werden.
Satz 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen den in Satz 1 bezeichneten Verbänden die besonderen Befugnisse nach
den Absätzen 2 bis 4 zustehen. Wegen der großen Heterogenität der in Betracht kommenden Verbände ist es nicht
zweckmäßig, ein zentrales Anerkennungsverfahren zu regeln, wie dies beispielsweise im Verbraucherschutz mit dem
Listenverfahren nach § 4 UKlaG oder mit dem Anerkennungsverfahren nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zur
Gleichstellung behinderter Menschen geschehen ist. Das Gesetz knüpft vielmehr an die Größe des
Personenzusammenschlusses an und verlangt mindestens 75 Mitglieder oder aber bei Dachverbänden die Mitgliedschaft
von sieben Verbänden. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Anwendungsbereich der Absätze 2 und 3 nach
Maßgabe der jeweiligen Verfahrensordnungen von dem jeweils zuständigen Gericht zu prüfen.
Zu Absatz 2
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt die Befugnis, bei Verfahren ohne Anwaltszwang als Bevollmächtigte oder Beistände Benachteiligter in
der Verhandlung aufzutreten. Die Bestimmung gilt nicht für das Strafverfahren und lässt die Vorschriften der
Verfahrensordnungen unberührt, nach denen ungeeigneten Vertretern bzw. Beiständen der weitere Vortrag untersagt
werden kann. Für den Zivilprozess bedeutet dies beispielsweise, dass ein Verband, der die Voraussetzungen des
Absatzes 1 erfüllt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht als Bevollmächtigter (§ 79 ZPO) oder als
Beistand (§ 90 ZPO) auftreten kann, also nicht gemäß § 157 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist. Das Gericht kann aber
nach § 157 Abs. 2 ZPO den weiteren Vortrag untersagen, wenn sich herausstellt, dass der Verband zu einem geeigneten
Vortrag nicht in der Lage ist.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 14
Die Änderung des Artikels 1 § 23 Abs. 2 greift ein Anliegen des Bundesrates auf. Die Richtlinien erfordern, dass sich
die Antidiskriminierungsverbände zur Unterstützung Benachteiligter und mit deren Einwilligung an den zur
Durchsetzung ihrer Ansprüche vorgesehenen Gerichtsverfahren beteiligen können. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass
die Verbände die formale Stellung eines Prozessbevollmächtigten einnehmen. Bereits aufgrund ihrer in Absatz 3
geregelten Rechtsberatungsbefugnis dürfen die Verbände Benachteiligte vor und in einem Gerichtsverfahren beraten
und ihnen Hilfe bei der Vorbereitung von Klagen und Schriftsätzen leisten, ohne dass es hierzu eines Auftretens als
Prozessbevollmächtigte bedarf. Darüber hinaus sieht Absatz 2 zur Sicherstellung der Beteiligung in der gerichtlichen
Verhandlung vor, dass die Verbände die Prozesspartei in der Gerichtsverhandlung begleiten und dort als Beistand
auftreten dürfen. Die zurzeit noch in § 90 ZPO enthaltene Einschränkung der Beistandschaft auf Gerichtsverfahren ohne
Anwaltszwang soll im Zuge der anstehenden Reform des Rechtsberatungsrechts entfallen. Deshalb sieht die
Neufassung des Absatzes 2 eine solche Einschränkung bereits nicht mehr vor. Hierdurch wird zudem in Umsetzung der
Antidiskriminierungsrichtlinien die Beteiligung der Antidiskriminierungsverbände auch im Anwaltsprozess
sichergestellt.
Zu Absatz 3
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 73
Nach Absatz 3 sind Antidiskriminierungsverbände vom Verbot der außergerichtlichen und gerichtlichen
Rechtsberatung freigestellt. Die Bestimmung könnte nach der derzeit noch geltenden Rechtslage auch in das
Rechtsberatungsgesetz eingefügt werden. Im Vorgriff auf die bevorstehende Reform (siehe Diskussionsentwurf des
Bundesministeriums
der
Justiz
für
ein
Rechtsdienstleistungsgesetz,
abrufbar
unter
www.bmj.bund.de/Gesetzentwürfe/Rechtsdienstleistung) wird die Befugnis der Antidiskriminierungsverbände im
Zusammenhang mit der jeweiligen Fachmaterie geregelt.
Zu Absatz 4
Absatz 4 stellt klar, dass besondere Klagerechte und Vertretungsbefugnisse von Verbänden zu Gunsten von Menschen
mit Behinderungen unberührt bleiben, etwa die in § 63 SGB IX geregelte Prozessstandschaft.
Neben den in Absatz 2 und 3 geregelten Rechten haben Antidiskriminierungsverbände schon nach geltendem Recht
weitere Möglichkeiten, sich aktiv für die Belange Benachteiligter einzusetzen.
So ist es allgemein üblich, dass Verbände mit spezialisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten
zusammenarbeiten. Diese verfügen dann wegen ihres ständigen Kontakts mit der Verbandsarbeit über ein besonderes
Fachwissen. Diese Anwälte können Benachteiligte in gerichtlichen Verfahren mit Anwaltszwang vertreten. Der
Antidiskriminierungsverband kann auch in diesen Verfahren Kontakt mit dem Benachteiligten und seinem Anwalt
halten und Ratschläge für die Prozessführung geben. Das prozessuale Gebot, sich durch einen Anwalt vertreten zu
lassen, hindert also nicht die faktische Mitwirkung der Antidiskriminierungsverbände auch in diesen Verfahren.
Darüber hinaus können Verbände Verstöße gegen zivilrechtliche Benachteiligungsverbote auch nach dem
Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfolgen:
Nach § 1 UKlaG besteht ein Unterlassungsanspruch, wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die
gegen die AGB-Regelung des BGB verstoßen, verwandt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Klage
aber auch auf die Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen zwingendes Recht gestützt
werden. Bei Geschäftsbedingungen, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen würden, wäre damit ein Unterlassungsklage- und Widerrufsanspruch gemäß § 1 UKlaG gegeben, weil ein Verstoß gegen die
gesetzlichen Bestimmungen diese Klauseln unwirksam macht.
Dieser Anspruch kann gemäß § 3 Abs. 1 UKlaG u. a. geltend gemacht werden von qualifizierten Einrichtungen, die
nachweisen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen sind. In die beim Bundesverwaltungsamt
geführte Liste qualifizierter Einrichtungen können gemäß § 4 UKlaG u. a. eingetragen werden rechtsfähige Vereine, zu
deren
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 49 – Drucksache 16/1780
satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht
gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen, wenn sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder
mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben, seit mindestens einem Jahr bestehen und auf Grund ihrer
bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten.
Die Aufklärung und Beratung von Verbrauchern muss zwar satzungsgemäße Aufgabe sein, es muss aber nicht das
einzige Tätigkeitsfeld des Vereins sein. Andererseits darf es sich auch nicht um völlig untergeordnete Nebenaufgaben
handeln. Derzeit werden z. B. Hausfrauenverbände, die neben ihren eigentlichen Aufgaben auch Verbraucherinteressen
mit vertreten, nicht unter die klagebefugten Stellen gezählt, während die Klagebefugnis z. B. für den ADAC bejaht
wurde. Dass die Verbände neben der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen auch z. B. Ziele im politischen Raum
verfolgen, ist unschädlich (Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, Rn. 3.56 zu § 8
UWG). Antidiskriminierungsverbände werden die Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der qualifizierten
Einrichtungen erfüllen, wenn sie aktiv die Aufklärung und Beratung der von ihnen vertretenen Personenkreise im
Hinblick auf den Verbraucherschutz betreiben.
Für die Klagebefugnis nach UWG ergibt sich letztlich nichts anderes: Auch hier können qualifizierte Einrichtungen
Rechtsverstöße im Verbraucherinteresse geltend machen. Im Übrigen eröffnet das UWG Mitbewerbern,
Wettbewerbsverbänden sowie Industrie- und Handelskammern die Möglichkeit, gegen Rechtsverstöße vorzugehen, die
das Marktverhalten regeln sollen.
Zu Abschnitt 5 (Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse)
Zu § 24 (Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse)
Zu Nummer 1
Die Regelung bezieht die Beamtinnen und Beamten des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände
sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen des öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich des AGG ein. Dies ist erforderlich, weil die EUDas neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 74
Gleichbehandlungsrichtlinien auch die Beamtinnen und Beamten erfassen. Die Einbeziehung der Beschäftigtengruppe
der Beamten muss aber unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung erfolgen. Insbesondere gilt das
Leistungsverweigerungsrecht (§ 14) für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht, soweit im Einzelfall
dienstliche Belange entgegenstehen. Eine solche Einschränkung ist wegen der sachgerechten und kontinuierlichen
Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit Blick auf die Gemeinwohlverpflichtung des öffentlichen Dienstes notwendig.
Zu Nummer 2
Nummer 2 enthält eine Nummer 1 entsprechende Sonderregelung für Richterinnen und Richter.
Zu Nummer 3
Nummer 3 bezieht auch anerkannte Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende in den Geltungsbereich des
Gesetzes ein.
Zu Abschnitt 6 (Antidiskriminierungsstelle)
Zu § 25 (Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Zu Absatz 1
Nach Absatz 1 wird eine Antidiskriminierungsstelle errichtet und dem Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zugeordnet.
Die Zuständigkeit umfasst den Geltungsbereich der vier EU-Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/43/EG, 2000/78/ EG,
76/207/EWG und 2004/113/EG und erstreckt sich auf die Diskriminierungsmerkmale Rasse oder ethnische Herkunft,
Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Hintergrund dafür ist, dass im
Mittelpunkt der Beratung stehen wird, die Betroffenen hinsichtlich ihrer neuen Rechte aufzuklären und sie bei der
Verfolgung dieser Rechte zu unterstützen. Neue Rechte ergeben sich hinsichtlich dieser Diskriminierungsmerkmale aus
den in den Abschnitten 2, 3 und 4 dieses Gesetzes enthaltenen Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen in
Beschäftigung und Beruf sowie im Zivilrechtsverkehr und zum Rechtsschutz.
Die Vorschrift regelt des Weiteren die ressortmäßige Zuordnung der Stelle. Darüber hinaus stellt sie – wie auch die
Regelungen in § 27 Abs. 2, 3 und 4 klar, dass ihre Errichtung die Zuständigkeiten anderer Beauftragter des Deutschen
Bundestages oder der Bundesregierung unberührt lässt. Damit sollen bürokratischer Mehraufwand,
Aufgabenüberschneidungen und Doppelzuständigkeiten vermieden werden.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift gibt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Anspruch auf die für die Erfüllung ihrer Aufgaben
notwendige Personal- und Sachausstattung, die in einem eigenen Kapitel auszuweisen ist.
Zu § 26 (Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Zu Absatz 1
Absatz 1 Satz 1 regelt die Ernennung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch die
Bundesministerin oder den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Satz 2 sieht vor, dass die Leitung
der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund steht. Die
Ausgestaltung als öffentlich-rechtliches Amt trägt der Regelung in Satz 3 zur Stellung der Leitung Rechnung, die
vorsieht, dass diese unabhängig in Ausübung ihres Amtes und nur dem Gesetz unterworfen ist. Ihre Rechtsstellung
entspricht damit den Vorgaben aus Artikel 13 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 8a der Richtlinie 76/207/EWG und
Artikel 12 der Richtlinie 2004/113/EG. Durch diese Unabhängigkeit soll eine hohe Akzeptanz der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei den von Diskriminierung Betroffenen ermöglicht werden. Diese werden sich
mit ihren häufig persönlichen und existenziellen Problemen bevorzugt an eine Stelle wenden, die die Gewähr für eine
unabhängige Unterstützung bietet.
Drucksache 16/1780 – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Zu Absatz 2
Absatz 2 regelt den Beginn des Amtsverhältnisses und die Eidesleistung nach Artikel 56 des Grundgesetzes.
Zu Absatz 3
Absatz 3 benennt die Fälle der Beendigung des Amtsverhältnisses. Nach Nummer 1 endet das Amtsverhältnis
turnusmäßig mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages und ist mithin jeweils an die Dauer einer
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 75
Legislaturperiode gekoppelt. Nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 endet das Amtsverhältnis außer durch Tod außerdem mit
Erreichen der Altergrenze nach § 41 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes sowie mit der Entlassung. Eine Entlassung
erfolgt nach Satz 2 auf Verlangen der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder in den Fällen, die bei
einer Richterin oder einem Richter auf Lebenszeit eine solche rechtfertigen. Die Sätze 3 und 4 regeln die Modalitäten
der Beendigung des Amtsverhältnisses.
Zu Absatz 4
Absatz 4 sieht die Regelung des Rechtsverhältnisses der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch
Vertrag mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor, der der Zustimmung der
Bundesregierung bedarf. Inhalt des Vertrags werden neben Regelungen zur Bezahlung und Versorgung insbesondere
solche betreffend Nebentätigkeiten, Annahme von Belohnungen und Geschenken, Amtsverschwiegenheit,
Aussagegenehmigung, Vertretungsfragen und der Dienst- und Rechtsaufsicht sein.
Zu Absatz 5
Die Vorschrift enthält Regelungen für den Fall, dass eine Bundesbeamtin oder ein Bundesbeamter zur Leitung der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes ernannt wird.
Nach Satz 1 scheidet er oder sie aus dem bisherigen Amt aus, wobei nach Satz 2 und 3 abgesehen von dort bestimmten
Ausnahmen für die Dauer des Amtsverhältnisses die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ruhen.
Zu § 27 (Aufgaben)
Zu Absatz 1
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll allen, die der Ansicht sind, wegen eines der in den EUAntidiskriminierungsrichtlinien genannten Merkmals benachteiligt worden zu sein, als Anlaufstelle dienen. Zur
bestmöglichen Erreichung des jeweils in Artikel 1 der Richtlinien 2002/73/EG, 2000/43/EG, 76/207/EWG und
2004/113/EG verankerten Zwecks der Bekämpfung von Benachteiligungen soll den Betroffenen eine möglichst einfach
zu erreichende Unterstützung zur Verfügung gestellt werden.
Die Inanspruchnahme der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist voraussetzungsfrei und insbesondere nicht davon
abhängig, ob die (vermeintliche) Benachteiligung einen Lebenssachbereich betrifft, in dem Ungleichbehandlungen auch
gesetzlich untersagt sind. Anrufungsberechtigt ist jede Person, die meint, aus Gründen der Rasse oder wegen der
ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Identität benachteiligt worden zu sein. Ausreichend ist, dass die Betroffenen einen als benachteiligend
empfundenen Sachverhalt vorbringen. Die Anrufung kann formlos, mündlich, telefonisch, schriftlich oder auf
elektronischem Weg erfolgen. Sie ist an keine Frist gebunden.
Zu Absatz 2
Die Vorschrift regelt die Behandlung von Anrufungen durch Personen, die sich benachteiligt fühlen. Nach Absatz 2
Satz 1 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Unterstützungsfunktion für diese Personen hinsichtlich der
Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen, die sie auf unabhängige Weise ausübt. Absatz 2 Satz 2
Nr. 1 bis 3 konkretisiert diese Unterstützungsaufgabe beispielhaft und im Einzelnen. Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 sieht eine
Unterstützung in Form von Informationen über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im
Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen vor. Die Antidiskriminierungsstelle kann hiernach
Personen, die sie nach Absatz 1 angerufen haben, allgemein und umfassend über etwaige Ansprüche und Möglichkeiten
der Rechtsdurchsetzung informieren.
Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 gibt der Stelle die Möglichkeit, eine Beratung auch durch andere Stellen zu vermitteln. Damit ist
gewährleistet, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes den Personen, die sich an sie gewandt haben, über die in
Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 vorgesehenen allgemeinen Informationen hinaus gezielte und gegebenenfalls auch
einzelfallbezogene Beratung zugänglich machen kann.
Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 sieht vor, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine gütliche Beilegung zwischen den
Beteiligten anstreben kann, wobei der Beteiligtenbegriff nicht im Sinne bestehender Verfahrensordnungen zu verstehen
ist, sondern zum einen die Person umfasst, die sich nach § 27 Abs. 1 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
gewandt hat, und zum anderen die Person, gegen die ein Benachteiligungsvorwurf erhoben wird. Die vorgesehene
Möglichkeit einer einvernehmlichen Konfliktbereinigung liegt im Interesse dieser Beteiligten. Insbesondere die Opfer
von Benachteiligungen empfinden die gerichtlichen Auseinandersetzungen oftmals als belastend. Eine konkrete und
praktische Verbesserung ihrer Situation durch eine fortan benachteiligungsfreie Behandlung ist ihnen wichtiger als ein
möglicherweise langwieriger Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang. Dies belegen beispielsweise Untersuchungen zum
Beschäftigtenschutzgesetz (Pflüger/Baer, Das Beschäftigtenschutzgesetz in der Praxis, www.bmfsfj.de). Ob und
inwieweit die Antidiskriminierungsstelle des Bundes von der hier eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, wird von
den Umständen des Einzelfalles abhängen, insbesondere vom Ausmaß der Dialog- und Kooperationsbereitschaft der
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 76
Beteiligten. Hierbei ist die in § 28 Abs. 1 vorgesehene Möglichkeit, die Beteiligten um Stellungnahmen zu ersuchen, für
die Stelle ein wichtiges Instrument, um die Chancen der gütlichen Beilegung eines Falles abschätzen und
gegebenenfalls ausschöpfen zu können.
Nach Satz 3 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch die Aufgabe, Anliegen Betroffener an die Beauftragten
des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung weiterzuleiten, soweit diese Anliegen in deren Zuständigkeit
fallen. Hinsichtlich der Merkmale Rasse oder ethnische Herkunft sowie Religion und Weltanschauung, soweit Personen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 51 – Drucksache 16/1780
mit Migrationshintergrund betroffen sind, kann der Zuständigkeitsbereich der Beauftragten der Bundesregierung für
Migration, Flüchtlinge und Integration sowie der Zuständigkeitsbereich des Beauftragten der Bundesregierung für
Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten betroffen sein; hinsichtlich des Merkmals Behinderung der
Zuständigkeitsbereich der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Aus
datenschutzrechtlichen Gründen wird die Weiterleitung der Anliegen an anderen Stellen von dem Einverständnis der
Personen abhängig gemacht, die sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt haben.
Durch die Vorschrift wird sichergestellt, dass die genannten Beauftragten ihre bewährte und erfolgreiche Arbeit im
Rahmen ihrer Zuständigkeit fortsetzen können. Zugleich wird bürokratischer Aufwand, etwa durch
Mehrfachbearbeitungen von Anliegen, vermieden. Im Interesse der Betroffenen an einer schnellen Beilegung hat die
Weiterleitung solcher Anliegen unverzüglich zu erfolgen.
Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt weitere Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, soweit nicht die Zuständigkeit der
Beauftragten der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages berührt sind. Die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes kann ihre Aufgaben nur dann effektiv erfüllen, wenn sie den von Benachteiligung Betroffenen bekannt ist und
diese sich an sie wenden können. Deshalb sieht Satz 1 Nr. 1 vor, dass sie Öffentlichkeitsarbeit leistet. Diese wird
besonders in der ersten Zeit nach ihrer Errichtung zunächst ihre Bekanntmachung betreffen und in der Folgezeit
zunehmend der Information über ihre Aufgaben und Tätigkeit sowie über Rechte der Betroffenen und deren
Durchsetzungsmöglichkeiten dienen. Dadurch wird in Umsetzung der Artikel 10 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 8
der Richtlinie 76/207/EWG, Artikel 12 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 15 der Richtlinie 2004/113/EG dafür
Sorge getragen, dass die nach diesen Richtlinien getroffenen Maßnahmen allen Betroffenen bekannt gemacht werden.
Daneben werden Maßnahmen zur Prävention von Benachteiligungen eine wichtige Rolle spielen, die als Aufgabe der
Antidiskriminierungsstelle in Satz 1 Nr. 2 geregelt sind. Der jeweils in Artikel 1 der Richtlinien 76/207/EWG, 2000/43/
EG, 2000/78/EG und 2004/113/EG verankerte Zweck der Bekämpfung von Diskriminierungen wird am nachhaltigsten
durch deren Prävention gefördert. Als konkrete Präventionsmaßnahmen kommen beispielsweise das Angebot und die
Durchführung einschlägiger Fortbildungen durch die Stelle in Betrieben in Betracht.
Die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen zu Benachteiligungen ist eine weitere Aufgabe der
Antidiskriminierungsstelle, die in den Richtlinien vorgegeben ist. Sie wird in Satz 1 Nr. 3 geregelt. Die Unabhängigkeit
der Untersuchungen wird durch die in § 26 Abs. 1 Satz 3 geregelte Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes sichergestellt und auch dadurch gewährleistet, dass es sich um wissenschaftliche Untersuchungen handeln
muss. Verbunden ist damit auch das Recht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, solche Untersuchungen an Dritte,
z. B. wissenschaftliche Einrichtungen, zu vergeben.
Zu Absatz 4
Des Weiteren hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nach Absatz 4 Satz 1 die Aufgabe, alle vier Jahre dem
Deutschen Bundestag Berichte vorzulegen, wobei sich deren Unabhängigkeit aus § 26 Abs. 1 Satz 3 ergibt. Die
Berichte werden sich regelmäßig auf die Situation der von Benachteiligung Betroffenen und die Tätigkeit der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes beziehen. Durch die in dieser Vorschrift vorgesehene gemeinsame
Berichtspflicht mit den in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des
Deutschen Bundestages wird sichergestellt, dass die Ergebnisse anderer Berichte über Benachteiligungen einbezogen
werden. Hierzu gehört beispielsweise der Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration nach § 94 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes, soweit dieser Aussagen zu den wegen ihrer Rasse oder ethnischen
Herkunft benachteiligten Ausländerinnen und Ausländern enthält. Darüber hinaus hat die Antidiskriminierungsstelle
des Bundes ebenfalls gemeinsam mit den in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung
und des Deutschen Bundestages Empfehlungen zur Beseitigung und Vermeidung von Benachteiligten aus Gründen der
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung,
des Alters oder der sexuellen Identität zu geben. In diese Empfehlungen können Erkenntnisse aus den nach Absatz 3 Nr.
3 durchzuführenden Untersuchungen oder aus der Ombudstätigkeit nach Absatz 2 einfließen. Satz 2 sieht vor, dass die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der
Bundesregierung und des Deutschen Bundestages gemeinsam wissenschaftliche Untersuchungen im Sinne des Absatzes
3 Satz 1 Nr. 3 durchführen können. Die Durchführung eigener Untersuchungen wie auch die Vorlage eigener Berichte
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 77
bzw. die Abgabe eigener Empfehlungen durch die Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages
im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit bleiben durch Absatz 4 unberührt.
Zu Absatz 5
Absatz 5 sieht die Zusammenarbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich
betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages in den Fällen vor, in denen eine
Benachteiligung aus mehreren der in § 1 genannten Gründe vorliegt.
Zu § 28 (Befugnisse)
Zu Absatz 1
Absatz 1 räumt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Möglichkeit ein, die Beteiligten um Stellungnahmen zu
ersuchen. Die Vorschrift bezweckt, die in § 27 Abs. 2 Satz 1 geregelte Ombudsfunktion der Stelle zu stärken. Um den
Sachverhalt aufzuklären und eine qualitativ gute und umfassende Beratung leisten oder die Möglichkeiten einer
gütlichen Beilegung ausloten zu können, wird die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vielfach auf Informationen der
Beteiligten und Kontakte zu diesen angewiesen sein. Mit der Möglichkeit, Stellungnahmen einzuholen, ist auch die
Erwartung verbunden, dass die gegenseitige Bereitschaft der Beteiligten, eine gütliche Beilegung gemeinsam zu
erarbeiten und anzunehmen, erhöht wird.
Drucksache 16/1780 – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Stellungnahme besteht nicht. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann im
Rahmen ihrer nach § 27 Abs. 4 zu erstellenden Berichte die Wirksamkeit dieses Instruments thematisieren. Damit die
Stelle tätig werden und Stellungnahmen einholen kann, muss die Person, die sich nach § 27 Abs. 1 an sie gewandt hat,
hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Zu Absatz 2
Absatz 2 entspricht im Wesentlichen § 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) vom
27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) und räumt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit Ausnahme des
eigenständigen Akteneinsichtsrechts die gleichen Auskunftsrechte gegenüber allen Bundesbehörden und sonstigen
öffentlichen Stellen des Bundes ein, die die oder der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter
Menschen hat. Die Regelung des Satzes 2, wonach die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten unberührt
bleiben, umfasst auch die entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 4 Satz 4 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)
auf die Verpflichtung zur Auskunftserteilung gegenüber der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Zu § 29 (Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Einrichtungen)
Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit zur Kooperation und Vernetzung der Tätigkeit der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Einrichtungen auf europäischer, landes- oder regionaler
Ebene. Bezweckt wird damit ein Erfahrungs- und Kenntnisaustausch, um Diskriminierungen aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Identität wirksam bekämpfen zu können. Eine Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen
und deren Beratungsstellen auf regionaler Ebene bietet sich auch bei der Einzelfallbearbeitung an. Im Hinblick auf die
Kooperation mit den Nichtregierungsorganisationen entspricht die Vorschrift damit den Vorgaben aus Artikel 12 der
Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 8c der Richtlinie 76/207/ EWG, Artikel 14 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 11
der Richtlinie 2004/113/EG.
Zu § 30 (Beirat)
Zu Absatz 1
Zahlreiche gesellschaftliche Organisationen beschäftigen sich mit Fragen der Diskriminierung aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder der sexuellen Identität und haben sich deren Bekämpfung zum Ziel gesetzt. Die Einbindung dieser Gruppen
in die Tätigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die Nutzung ihrer Erfahrungen und Kompetenzen ist für
eine erfolgreiche Arbeit mit dem Ziel der Bekämpfung von Diskriminierungen unerlässlich. Satz 1 sieht deshalb zur
Förderung des Dialogs mit diesen Gruppen und Organisationen die Bildung eines Beirats vor, der der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes beigeordnet wird.
Durch die Schaffung und Einbindung des Beirats wird auch der Vorgabe der Richtlinien zum Dialog mit
Nichtregierungsorganisationen Rechnung getragen (Artikel 12 der Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 8c der Richtlinie
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 78
76/207/ EWG, Artikel 14 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 11 der Richtlinie 2004/113/ EG). Diese Regelungen
sehen vor, dass die Mitgliedstaaten den Dialog mit den jeweiligen Nichtregierungsorganisationen fördern, die gemäß
den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich an der
Bekämpfung von Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu beteiligen.
Nach Satz 2 besteht die Aufgabe des Beirats darin, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei der Vorlage von Berichten und Abgabe von Empfehlungen an den Deutschen Bundestag nach § 27 Abs. 4 des Gesetzes zu beraten. Der
Beirat hat außerdem die Möglichkeit, hierzu eigene Vorschläge zu unterbreiten sowie zu wissenschaftlichen
Untersuchung nach § 27 Abs. 3 Nr. 3. Durch Kooperation mit dem Beirat hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
ihrerseits die Möglichkeit, in die Zivilgesellschaft hineinzuwirken. Durch eine mit dem Beirat abgestimmte
Öffentlichkeitsarbeit kann beispielsweise das Bewusstsein für eine Kultur der Antidiskriminierung zielgenauer
gefördert und der Beirat auch als Multiplikator für Inhalte genutzt werden.
Zu Absatz 2
Absatz 2 enthält Regelungen zur Besetzung und Berufung des Beirats. Bei dem Beirat handelt es sich nicht um ein
autonomes Organ, weshalb seine Mitglieder sowie jeweils eine Stellvertretung nach Satz 1 vom Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen mit der Leitung der Antidiskriminierungsstelle und den
entsprechend zuständigen Beauftragten der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages berufen werden, da die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei diesem Bundesministerium angesiedelt ist. Bei den entsprechend
zuständigen Beauftragten handelt es sich derzeit um die in der Begründung zur Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3
genannten Beauftragten. Dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend obliegt deshalb auch die
verwaltungsmäßige Unterstützung des Beirats. Die Stellvertretung vertritt das Mitglied bei dessen Verhinderung mit
allen Rechten und Pflichten des ordentlichen Mitglieds.
Die Berufung erfolgt im Einvernehmen mit der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie den
entsprechend zuständigen Beauftragten der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages nach einem
festzulegenden transparenten Auswahlverfahren. Es sollen Vertreterinnen und Vertreter gesellschaftlicher Gruppen und
Organisationen sowie Expertinnen und Experten in Benachteiligungsfragen unter Beachtung des
Bundesgremienbesetzungsgesetzes berufen werden. Damit soll ein Netzwerk mit den in einschlägigen
Interessengruppen Tätigen und Expertinnen und Experten aufgebaut werden, das sich an Modellen aus anderen EUMitgliedstaaten orientiert. Da mit dieser Vorschrift zugleich auch die Vorgaben aus Artikel 11 der Richtlinie
2000/43/EG und Artikel 8b der Richtlinie 76/207/EWG sowie Artikel 13 der Richtlinie 2000/78/EG zum sozialen
Dialog umgesetzt werden, ist bei entsprechenden BerufunDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 53 – Drucksache 16/1780
gen auf jeden Fall sicherzustellen, dass die Tarifpartner im Beirat vertreten sind. Satz 3 enthält eine Vorgabe zur
Höchstzahl der Mitglieder des Beirats, die auch die Diskussionsfähigkeit des Beirats gewährleisten soll. Satz 4 sieht
entsprechend den Vorgaben des Bundesgremienbesetzungsgesetzes vor, dass der Beirat zu gleichen Teilen mit Frauen
und Männern besetzt sein soll.
Zu Absatz 3
Nach Absatz 3 gibt sich der Beirat eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend bedarf. Gegenstand der Geschäftsordnung sollten u. a. Regelungen zum Vorsitz, zur
Häufigkeit der Sitzungen und zum Verfahren der Beschlussfassung sein.
Zu Absatz 4
Absatz 4 stellt fest, dass die Mitglieder des Beirats ihre Tätigkeit nach diesem Gesetz ehrenamtlich ausüben. Die
Berufung kann daher abgelehnt und jederzeit niedergelegt werden. Den Mitgliedern des Beirats steht als Folge ihrer
ehrenamtlichen Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung zu. Sie erhalten außerdem Reisekostenvergütung, Tagegelder
und Übernachtungsgelder. Gemäß Satz 3 werden Einzelheiten in der Geschäftsordnung geregelt.
Zu Abschnitt 7 (Schlussvorschriften)
Zu § 31 (Unabdingbarkeit)
Entsprechend den europarechtlichen Vorgaben sind die in diesem Gesetz enthaltenen Schutzvorschriften zwingend. So
kann z. B. weder im Arbeitsvertrag noch in kollektiven Vereinbarungen zuungunsten der Beschäftigten davon
abgewichen werden. Dies gilt insbesondere auch für die Fristen zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs in
§ 15 Abs. 4.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 79
Zu § 32 (Schlussbestimmung)
Die Schlussbestimmung macht deutlich, dass die allgemeinen für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis geltenden
Gesetze unberührt bleiben. Das bedeutet vor allem, dass das BGB, insbesondere die Vorschriften des Schuldrechts und
Deliktsrechts, ferner z. B. das Kündigungsschutzgesetz, die Gewerbeordnung, das Handelsgesetzbuch, das
Betriebsverfassungsgesetz oder die Personalvertretungsgesetze ergänzend anzuwenden sind, soweit dieses Gesetz keine
abschließende spezielle Regelung enthält.
Zu § 33 (Übergangsbestimmungen)
Zu Absatz 1
Für Benachteiligungen, die zeitlich vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, findet die alte Rechtslage
einschließlich der nunmehr außer Kraft tretenden Regelungen der §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 BGB sowie § 81 Abs.
2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Beschäftigtenschutzgesetzes weiterhin Anwendung.
Zu den Absätzen 2 und 3
Die Absätze 2 und 3 enthalten die notwendigen Überleitungsvorschriften für das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot.
Gemäß Absatz 2 Satz 1 sollen die neuen Vorschriften der §§ 19 bis 21 bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft grundsätzlich nur für Schuldverhältnisse gelten, die nach Inkrafttreten
abgeschlossen werden. Absatz 2 Satz 2 enthält dabei eine besondere Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse, die vor
dem Inkrafttreten begründet worden sind und nach diesem Zeitpunkt fortbestehen. Hier gelten die neuen Vorschriften
bei der Durchführung des Schuldverhältnisses, was Auswirkungen insbesondere im Bereich der Kündigung dieser
Dauerschuldverhältnisse haben kann. Absatz 3 trägt Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung, sich im nicht durch die
Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG vorgegebenen Bereich innerhalb von drei Monaten auf die neuen Regelungen
einstellen zu können.
Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 2 sollen sicherstellen, dass Dauerschuldverhältnisse nicht auf unabsehbare Zeit von
der Anwendung der neuen Bestimmungen zum Schutz gegen Benachteiligung ausgenommen bleiben. Die Vorschriften
des AGG sind deshalb ab Inkrafttreten auch auf die Änderung von bereits bestehenden Dauerschuldverhältnissen
anwendbar; beispielsweise auf Anpassungen des Entgelts für die Leistung bei langfristigen Verträgen oder aber auf
Kündigungen bei Bestandsverträgen. Nicht beabsichtigt ist aber ein Eingriff in das bei Vertragsschluss begründete
Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, denn dem stünde das Verbot der Rückwirkung entgegen. Das ursprünglich
begründete Synallagma des Austauschverhältnisses bleibt unberührt.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 14
Folgeänderung zu Nr. 1. 4.
Zu Absatz 4
Absatz 4 trägt den Bedürfnissen der Versicherungswirtschaft Rechnung, einen angemessenen zeitlichen Vorlauf zu
haben, um ihre Kalkulationen, aber auch ihre Vertragsmuster und Versicherungsbedingungen an die neue Rechtslage
anzupassen. Das Regelungsmodell orientiert sich an den Bestimmungen des § 33 Abs. 2 und 3. Satz 1 stellt klar, dass
das neue Recht grundsätzlich nur für Verträge gilt, die ab dem 22. Dezember 2007 abgeschlossen werden. Satz 2 erlaubt
die Anwendung des neuen Rechts auf die Änderung von Bestandsverträgen, also von privaten Versicherungsverträgen,
die bis zum 21. Dezember 2007 begründet worden sind. Der gewählte Stichtag entspricht Artikel 5 der Richtlinie 2004/
113/EG.
Zu Artikel 2 (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz))
Zu Abschnitt 1
(Allgemeiner Teil)
Zu § 1 (Ziel des Gesetzes)
§ 1 Abs. 1 entspricht § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Es kann daher auf die Begründung zu dieser
Vorschrift verwiesen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Benachteiligungen aus Gründen der Merkmale
„Behinderung“ und „Alter“ für den Bereich des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes keine Regelung
gefunden haben. Hierzu wird auf den Allgemeinen Teil der Begründung zu diesem Gesetz verwiesen, wo dargelegt
wird, warum die Bundesregierung von der in Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten
eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, „diese Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen wegen einer
Behinderung
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 80
Drucksache 16/1780 – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
und des Alters nicht für die Streitkräfte“ der Bundeswehr umzusetzen. Im Allgemeinen Teil der Begründung wird auch
dargelegt, warum in § 1 Abs. 1 auf die Regelung von Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts (im Hinblick auf
die dies bereits regelnden Vorschriften des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetzes) mit
Ausnahme der Benachteiligungen in Form von Belästigung und sexueller Belästigung, die in § 1 Abs. 2 Aufnahme
gefunden haben, verzichtet werden kann.
In § 1 Abs. 2 findet sich das aus dem Beschäftigtenschutzgesetz übernommene Ziel, Soldatinnen und Soldaten vor
Belästigungen und sexuellen Belästigungen zu schützen. Aus der Formulierung der Vorschrift („Ziel … ist es auch,
…“) wird aber deutlich, dass auch der sonstige in § 6 genannte Personenkreis in das gesetzgeberische Ziel des § 1 Abs.
2 einbezogen ist.
§ 1 Abs. 3 Satz 1 enthält für Soldatinnen und Soldaten insbesondere in Vorgesetzten- und Führungspositionen ein
Gebot, sich nach Kräften für die Verwirklichung der in § 1 Abs. 1 und 2 genannten Benachteiligungsverbote
einzusetzen. Dieses Gebot und das Verbot derartiger Benachteiligungen ist bereits aus dem Pflichtenkatalog des
Soldatengesetzes ableitbar (zu Einzelheiten siehe die Begründung zu § 7). In § 1 Abs. 3 Satz 2 werden – neben dem
Dienstherrn – die Personen in die Pflicht genommen, denen auf Grund ihrer besonderen Funktion und Stellung
(„Vermittlerrolle“) in den Einheiten und Dienststellen eine besondere Verantwortung für eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit im täglichen Dienstbetrieb übertragen wird.
Zu § 2 (Anwendungsbereich)
Die Vorschrift entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die
dortigen Begründungen wird insoweit verwiesen. Eine Übernahme der Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 und Abs.
2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes war entbehrlich, weil vor Benachteiligungen in den dort genannten,
außerhalb der Beschäftigung und des Berufs angesiedelten Bereichen Soldatinnen und Soldaten wie andere Staatsbürger
auch bereits durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind; ein Zusammenhang mit dem soldatischen
Dienst besteht insoweit nicht. In § 2 Abs. 1 Nr. 1 war die Anwendbarkeit des Gesetzes auf den Dienstbetrieb
ausdrücklich hervorzuheben, weil gerade im täglichen Dienst Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form
von Belästigung und sexueller Belästigung unterbunden werden sollen.
Zu den §§ 3, 4 und 5 (Begriffsbestimmungen, Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe,
Positive Maßnahmen)
Die Vorschriften entsprechen den §§ 3, 4 und 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortigen
Begründungen wird verwiesen.
Zu Abschnitt 2
(Schutz vor Benachteiligung)
Zu Unterabschnitt 1
(Verbot der Benachteiligung)
Zu § 6 (Persönlicher Anwendungsbereich)
Die Vorschrift nennt die durch das Gesetz geschützten Personen. Dies sind einerseits die in einem Dienstverhältnis
stehenden Soldatinnen und Soldaten. Geschützt werden andererseits sowohl die Männer, die nach Maßgabe des
Wehrpflichtgesetzes zu einem Wehrdienst heranstehen und in diesem Zusammenhang mit einer Dienststelle der
Bundeswehr in Kontakt treten, als auch die Personen, die als Bewerberinnen oder Bewerber für einen freiwilligen
soldatischen Dienst in den Streitkräften an die Bundeswehr herantreten (z. B. durch den Besuch einer FreiwilligenAnnahmestelle); in beiden Fällen soll verhindert werden, dass die in § 6 Nr. 2 genannten Personen schon im Vorfeld
eines Wehrdienstverhältnisses Benachteiligungen aus den in § 1 Abs. 1 und 2 genannten Gründen unterliegen (z. B. auf
Grund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität).
Zu § 7 (Benachteiligungsverbot)
§ 7 Abs. 1 entspricht § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
§ 7 Abs. 2 ersetzt für die Soldatinnen und Soldaten die bisherige Regelung in § 2 des Beschäftigtenschutzgesetzes.
Wegen der Aufhebung dieses Gesetzes war es notwendig, in das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz
ein Verbot von Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigung und sexueller Belästigung im
Dienstbetrieb – auch in Form einer Anweisung zu einer solchen Handlung – aufzunehmen. Zugleich wird
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 81
ausgesprochen, dass solche Benachteiligungen (übrigens auch solche nach § 7 Abs. 1) als Dienstvergehen nach § 23
Abs. 1 des Soldatengesetzes anzusehen sind. Unberührt von der speziellen Verbotsregelung in § 7 Abs. 2 bleiben die
nach dem Soldatengesetz (SG) begründeten Pflichten der Soldatinnen und Soldaten, vor allem die Pflicht zur
Kameradschaft (§ 12 SG), die Pflicht der Vorgesetzten, für ihre Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), und die
Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 SG), aus denen sich ebenfalls ein Verbot der in
§ 7 Abs. 2 genannten Handlungsweisen ergibt.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/4538
Zu § 8 (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen)
Die Vorschrift entspricht § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige
Begründung wird verwiesen. Einer dem § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entsprechenden,
auf das Geschlecht abstellenden Regelung im Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz bedurfte es nicht,
weil das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts beim Zugang zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und
zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen bereits im Soldatinnen- und
Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG) geregelt ist (eine dem § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes entsprechende Ausnahmeregelung findet sich in § 5 Abs. 1 SGleiG).
Zu Unterabschnitt 2 (Organisationspflichten des Dienstherrn)
Zu § 9 (Personalwerbung; Dienstpostenbekanntgabe)
§ 9 ergänzt den § 6 des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes. Während diese Vorschrift zum Schutz vor
Diskriminierungen wegen des Geschlechts beim Zugang zur
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 55 – Drucksache 16/1780
Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg bestimmte Maßgaben für Anzeigen der Personalwerbung und für die
Dienstpostenbekanntgabe festlegt, verbietet § 9 in diesen Fällen jede Bekanntgabe, die eine Benachteiligung aus den in
§ 1 Abs. 1 genannten Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung oder der
sexuellen Identität darstellt.
Zu § 10 (Maßnahmen und Pflichten des Dienstherrn)
Die Vorschrift entspricht § 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird
verwiesen.
Zu Unterabschnitt 3
(Rechte der in § 6 genannten Personen)
Zu § 11 (Beschwerderecht)
Auf die Übernahme des in § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geregelten, dort auf Beschäftigte
bezogenen Beschwerderechts ist für Soldatinnen und Soldaten, wie dies bereits in den §§ 3 und 6 des
Beschäftigtenschutzgesetzes vorgesehen war, verzichtet worden. Stattdessen können Soldatinnen und Soldaten von der
gesetzlich in der Wehrbeschwerdeordnung geregelten Wehrbeschwerde Gebrauch machen. Für die dem § 6 Nr. 2
unterfallenden Personen ist hingegen, da sie nicht dem persönlichen Geltungsbereich der Wehrbeschwerdeordnung
unterfallen, ein dem § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entsprechendes Beschwerderecht geregelt
worden. Insoweit kann auf die Begründung zu dieser Vorschrift verwiesen werden.
Zu § 12 (Entschädigung und Schadensersatz)
Die Vorschriften entsprechen § 15 Abs. 1 und 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige
Begründung wird verwiesen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 14
Mit der Änderung werden die Änderungen gemäß Nummern I. 2 und I. 6 im Bereich des Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetz nachvollzogen.
Zu § 13 (Maßregelungsverbot)
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 82
Die Vorschrift entspricht § 16 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird
verwiesen.
Zu § 14 (Mitgliedschaft in Vereinigungen)
Die Vorschrift entspricht § 18 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird
verwiesen. Neben Berufsverbänden der Soldatinnen und Soldaten, von denen insbesondere der Deutsche
Bundeswehrverband e. V. zu nennen ist, spricht die Vorschrift auch sonstige, an spezifischen Merkmalen ausgerichtete
Interessenvertretungen der Soldatinnen und Soldaten an; beispielhaft könnte eine Interessengemeinschaft der Offiziere,
die in strahlgetriebenen Kampfflugzeugen der Streitkräfte verwendet werden, in Frage kommen.
Hinweis: Hier müsste eigentlich stehen, fehlt aber im Original-Text: Zu Abschnitt 3 (Rechtsschutz))
Zu § 15 (Beweislast)
Die Vorschrift entspricht § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen. Zu beachten ist, dass die Vorschrift nur auf Benachteiligungen nach § 1 Abs. 1 Anwendung findet, da sie wie
§ 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nur Artikel 8 der Richtlinie 2000/43/EG und Artikel 10 der Richtlinie
2000/78/EG umsetzt.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 14
Mit der Änderung wird die Änderung gemäß Nummer I. 7 im Bereich des Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetzes nachvollzogen.
BT-Drs. 16/3007 v. 18.10.2006 S. 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11.
Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes
Zu Absatz 2 (Änderung des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes) :
Zu Nummer 1 (§ 15):
In § 15 trägt die Spezifizierung der in der Vorschrift enthaltenen Verweisung dem Umstand Rechnung, dass die
Beweislast wegen einer möglichen Benachteiligung von Soldatinnen oder Soldaten wegen einer Behinderung gesondert
in § 18 Abs. 1 Satz 3 geregelt ist.
Zu § 16 (Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände)
Die Vorschrift entspricht § 23 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird
verwiesen.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 14
Mit der Änderung wird die Änderung gemäß Nummer I. 8 im Bereich des Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetzes nachvollzogen.
Hinweis: Hier müsste eigentlich stehen, fehlt aber im Original-Text: Zu Abschnitt 4 (Ergänzende Vorschriften))
Zu § 17 (Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Es wird auf die Begründungen zu den §§ 25 bis 30 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verwiesen. Durch die
Verweisung auf Abschnitt 6 dieses Gesetzes und die Anwendbarkeit der Vorschriften über die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird sichergestellt, dass auch die in § 6 genannten Personen sich an diese Stelle
wenden können, wenn sie der Ansicht sind, wegen eines in § 1 Abs. 1 oder 2 genannten Grundes benachteiligt worden
zu sein. Zu den in § 25 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 bis 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten
Beauftragten des Deutschen Bundestages, deren Zuständigkeiten durch die Errichtung der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes unberührt bleiben, ist, soweit in § 6 genannte Personen betroffen sind, auch der Wehrbeauftragte des
Deutschen Bundestages (Artikel 45b GG) zu zählen.
Zu § 18 (Schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten)
Das Verbot der Benachteiligung schwerbehinderter Soldatinnen und Soldaten, also von Personen, die ihre
Schwerbehinderung im Soldatenverhältnis erlitten haben, wegen ihrer Behinderung ist bisher in § 81 Abs. 2 SGB IX
geregelt. Da der Schutz des bisherigen Adressatenkreises dieser Vorschrift (mit Ausnahme der Soldatinnen und
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 83
Soldaten) als schwerbehinderte Menschen zukünftig im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt ist, wird der
Regelungsgehalt des § 81 Abs. 2 SGB IX, soweit er gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 SGB IX bisher für Soldatinnen und
Soldaten gilt, in § 18 übernommen.
BT-Drs. 16/3007 v. 18.10.2006 S. 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11.
Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes
Zu Nummer 2 (§ 18):
Mit der Änderung in § 18 wird der Wortlaut der Beweislastregelung an den Wortlaut des § 15 sowie des § 22 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes angepasst. Der Deutsche Bundestag hatte beschlossen, in der
Beweislastregelung die Formulierung „Tatsachen glaubhaft macht“ durch „Indizien beweist“ zu ersetzen. Dies ist für
die spezielle Beweislastregelung des § 18 nicht nachvollzogen worden und soll nunmehr nachgeholt werden.
Zu § 19 (Unabdingbarkeit)
Die Vorschrift entspricht § 31 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Auf die dortige Begründung wird verwiesen.
Zu § 20 (Übergangsvorschrift)
Die Vorschrift stellt mit Blick auf die notwendige Rechtssicherheit fest, dass Benachteiligungen zu Lasten von
Soldatinnen und Soldaten in Form von sexuellen Belästigungen, die zurzeit der Geltung des
Beschäftigtenschutzgesetzes stattgefunden, aber zum Zeitpunkt der Aufhebung dieses Gesetzes noch nicht zu den nach
diesem Gesetz möglichen Folgen geführt haben, weiterhin nach altem Recht zu behandeln sind.
Zu Artikel 3 (Änderungen in anderen Gesetzen)
Zu Absatz 1
(Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes)
Zu Nummer 1 (Änderung § 11)
Zu Buchstabe a
Mit dem neuen Satz 6 wird die Kongruenz der Vorschriften über die Vertretung vor den Arbeitsgerichten mit der neuen
Drucksache 16/1780 – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Regelung in § 23 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hergestellt. Soweit den dort näher bezeichneten
Verbänden die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erlaubt ist, sind sie zur Prozessvertretung vor den
Arbeitsgerichten zugelassen. Im Rahmen ihrer satzungsmäßigen Aufgaben, die Interessen von benachteiligten
Personengruppen wahrzunehmen, werden diese Verbände den anderen in Absatz 1 bereits genannten Vereinigungen
und Organisationen gleichgestellt. Damit ist im Bereich des Arbeitsrechts die Maßgabe der Artikel 7 Abs. 2 der
Richtlinie 2000/43/EG, Artikel 9 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG und Artikel 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG
erfüllt, nach der die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die einschlägigen Verbände sich entweder im Namen
der beschwerten Partei oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung am gerichtlichen Verfahren beteiligen
können.
Hinweis: Bei dieser Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes handelte es sich um eine Textpanne, bzw. ein
Redaktionsversehen. Nach der letzten Koalitionsvereinbarung sollten Antidiskriminierungsverbände keine
Arbeitsgerichtsprozesse für mutmaßliche Diskriminierungsopfer führen dürfen. Dementsprechend wurde in § 23 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch die zunächst vorgesehene Regelung wieder gestrichen, wonach diese
Verbände befugt seine sollten, als Bevollmächtige aufzutreten. Vgl. dazu die Änderung des § 23 Abs. 2 AGG mit
Begründung. Mit dem „ersten Reparaturgesetz“ wurde dieser Fehler mit Wirkung zum 12.12. 2006 beseitigt. Vgl. dazu
den nächsten Kasten.
BT-Drs. 16/3007 v. 18.10.2006 S. 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11.
Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes
Zu Absatz 3 (Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes):
Die Nummern 1 und 2 enthalten redaktionelle Folgeänderungen.
Nach § 23 Abs. 2 AGG können Antidiskriminierungsverbände nur als Beistände vor Gericht auftreten. Deshalb ist § 11
Abs. 1 Satz 6 aufzuheben und die Angabe in Absatz 3 Satz 2 anzupassen. Die Zulassung eines
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 84
Antidiskriminierungsverbandes als Beistand beurteilt sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren – ebenso wie im
Zivilprozess und in anderen Gerichtsverfahren – allein nach § 23 Abs. 2 AGG. Diese Regelung geht den prozessualen
Vorschriften vor. Eine klarstellende Sonderregelung in § 11 Abs. 3 ArbGG, durch welche die Anwendung des § 157
ZPO für Antidiskriminierungsverbände ausdrücklich ausgeschlossen wird, ist daher entbehrlich.
Zu Buchstabe b
Folgeänderung auf Grund der Erweiterung der Prozessvertretung in Absatz 1.
Zu Nummer 2 (Änderung § 61b)
Die in § 61b Abs. 1 ArbGG vorgesehene Frist von drei Monaten zur Erhebung einer Klage auf Entschädigung wird
beibehalten. Der Verweis auf § 611a BGB wird ersetzt durch einen Verweis auf die §§ 15 und 16
Hinweis: § 16 des Vorgänger-Entwurfs zum ADG enthielt einen § 16, der die Entschädigung durch den Arbeitgeber bei
Benachteiligung durch Dritte regelte. Hierauf nahm die Begründung zum ADG-Entwurf Bezug. § 61 b ArbGG neu
wurde richtig geändert: Es ist nur noch § 15 erwähnt. Die Begründung wurde dagegen nicht angepasst.
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Klagefrist ist damit in allen Fällen einer Benachteiligung einzuhalten.
Zu Absatz 2
(Aufhebung des Artikels 2 des Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am
Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang – Arbeitsrechtliches EGAnpassungsgesetz)
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die gesetzlichen Vorschriften den Beschäftigten bekannt zu machen, wird für alle
drei Richtlinien einheitlich in § 12 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes umgesetzt. Artikel 2 des
Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13. August 1980, der die Bekanntmachung der bisher geltenden
Vorschriften über die Benachteiligung wegen des Geschlechts betrifft, wird mit der Aufhebung der entsprechenden
Vorschriften im BGB gegenstandslos. Die Aufhebung dient der Rechtsbereinigung.
Zu Absatz 3
(Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes)
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz sind die in § 75 Abs. 1 des BetrVG aufgestellten Grundsätze für die Behandlung der im
Betrieb tätigen Personen an die Terminologie des § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anzupassen.
Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen
nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Die Insbesondere-Aufzählung der unzulässigen
Differenzierungsmerkmale in § 75 Abs. 1 BetrVG wird durch die Einfügung der Benachteiligungsverbote aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, Weltanschauung, Behinderung und des Alters, die bisher in § 75
Abs. 1 BetrVG nicht ausdrücklich genannt waren, an die Terminologie des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
angepasst. Mit der Aufnahme des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters in Umsetzung der Richtlinie
2000/78/EG haben Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur wie bisher nach § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darauf zu achten,
dass Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden, sondern darüber zu
wachen, dass jede Benachteiligung wegen des Alters unterbleibt. Satz 2 des § 75 Abs. 1 BetrVG kann damit entfallen.
Der Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den
Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Mit dem Begriff der „sonstigen Herkunft“ wird in Abgrenzung zur „ethnischen Herkunft“ an das bisherige
Differenzierungsverbot „wegen der Herkunft“ in § 75 Abs. 1 BetrVG angeknüpft. Damit ist weiterhin insbesondere
auch eine Benachteiligung wegen der örtlichen, regionalen oder sozialen Herkunft nicht erlaubt.
Zu Absatz 4
(Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes)
Die beispielhafte Aufzählung der Diskriminierungsmerkmale wird weiter ergänzt. Es handelt sich lediglich um eine
Klarstellung. Da die Aufzählung nicht abschließend ist, sind sämtliche Diskriminierungsmerkmale auch ohne ihre
ausdrückliche Benennung erfasst.
Zu Absatz 5
(Änderung des Bundesbeamtengesetzes)
Zur Klarstellung wird der in der Vorschrift aufgeführte Katalog der beispielhaften Merkmale, die bei der Auswahl der
Bewerberinnen und Bewerber nicht berücksichtigt werden dürfen, um die Merkmale ethnische Herkunft, Behinderung,
Weltanschauung und sexuelle Identität erweitert.
Zu Absatz 6
(Änderung des Sprecherausschussgesetzes)
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz sind die in § 27 Abs. 1 des Sprecherausschussgesetzes (SprAuG) aufgestellten Grundsätze für
die Behandlung der leitenden Angestellten des Betriebs an die Terminologie des § 1 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes anzupassen.
Nach § 27 Abs. 1 SprAuG haben Arbeitgeber und Sprecherausschuss darüber zu wachen, dass alle leitenden
Angestellten des Betriebs nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Die InsbesondereDas neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 85
Aufzählung der unzulässigen Differenzierungsmerkmale in § 27 Abs. 1 SprAuG wird durch die Einfügung der
Benachteiligungsverbote aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, Weltanschauung, Behinderung,
des Alters und der sexuellen Identität, die bisher nicht ausdrücklich genannt waren, an die Terminologie des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes angepasst.
Mit der Aufnahme des Begriffs „sexuelle Identität“ wird das Benachteiligungsverbot wegen der sexuellen Ausrichtung
entsprechend der Richtlinie 2000/78/EG auch im SprecherDeutscher Bundestag – 16. Wahlperiode– 57 – Drucksache 16/1780
ausschussgesetz umgesetzt. Der gewählte Begriff „sexuelle Identität“ entspricht dem in § 1 des Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetzes und § 75 Abs. 1 BetrVG verwandten Begriff.
Durch die Aufnahme des allgemeinen Benachteiligungsverbots wegen des Alters in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/
EG kann Satz 2 des § 27 Abs. 1 SprAuG entfallen. Arbeitgeber und Sprecherausschuss haben nicht nur wie bisher nach
§ 27 Abs. 1 Satz 2 SprAuG darauf zu achten, dass die leitenden Angestellten des Betriebs nicht wegen Überschreitung
bestimmter Altersstufen benachteiligt werden, sondern darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Angehörigen
dieser Personengruppe wegen des Alters unterbleibt. Der Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer
unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den Bestimmungen des ersten und zweiten Abschnitts des ersten
Artikels dieses Gesetzes.
Der Begriff der „sonstigen Herkunft“ knüpft in Abgrenzung zur „ethnischen Herkunft“ an das bisherige
Differenzierungsverbot „wegen der Herkunft“ in § 27 Abs. 1 SprAuG an. Damit ist weiterhin insbesondere auch eine
Benachteiligung wegen der örtlichen, regionalen oder sozialen Herkunft nicht erlaubt.
Zu Absatz 7 (Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (§ 33c SGB I))
Hiermit wird in Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG das Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse und wegen
der ethnischen Herkunft im Bereich des Sozialgesetzbuches nominiert; auch die Benachteiligung wegen einer
Behinderung wird einbezogen. Soweit der Bereich der Berufsberatung betroffen ist, wird in Umsetzung der Richtlinien
2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG das Benachteiligungsverbot im Vierten Buch Sozialgesetzbuch
festgeschrieben, das für die betroffenen Leistungsträger gilt. Unter die Sozialen Rechte fallen die in den Büchern des
Sozialgesetzbuches vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 SGB I), insbesondere auch die Aufklärung,
Auskunft und Beratung im Sinne des Sozialgesetzbuches (§§ 13 bis 15 SGB I). Daraus entstehen keine neuen sozialen
Rechte; diese sind allein in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches festgelegt.
Zu Absatz 8
(Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (§ 36 SGB III))
Durch die Änderung wird die Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, und 2002/73/EG durch das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für die Grundsätze der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit
nachvollzogen, soweit das Dritte Buch Sozialgesetzbuch nicht in Bezug auf einzelne Benachteiligungsgründe bereits
ein höheres Schutzniveau gewährleistet.
Zu Absatz 9
(Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (§ 19a SGB IV))
Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG für den Bereich der Berufsberatung; im Übrigen
vgl. Begründung zu § 33c Erstes Buch Sozialgesetzbuch.
Zu Absatz 10 (Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (§ 36 SGB IX))
Mit der Änderung soll klargestellt werden, dass in gleicher Weise wie bisher z. B. die Regelungen des
Beschäftigtenschutzgesetzes nun auch die Regelungen des Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung (Artikel 1
Abschnitt 2) im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben und über § 138 Abs. 4 SGB IX auch in Werkstätten für
behinderte Menschen entsprechende Anwendung finden.
Zu Absatz 11 (Änderung des Bundesgleichstellungsgesetzes)
§ 19 Abs. 1 Satz 1 berücksichtigt den Wegfall des Beschäftigtenschutzgesetzes.
Zu Absatz 12 (Änderung des Soldatengesetzes)
§ 3 Abs. 1 des Soldatengesetzes legt fest, welche Merkmale bei Entscheidungen über Ernennungen und Verwendungen
der Soldatinnen und Soldaten nicht berücksichtigt werden dürfen. Durch die Änderung der Vorschrift wird das
Berücksichtigungsverbot um die Merkmale sexuelle Identität, Weltanschauung und ethnische Herkunft erweitert.
Zu Absatz 13 (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes)
Mitglieder und Angestellte von Antidiskriminierungsverbänden im Sinne des § 23 Abs. 1 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes können im Rahmen ihres Satzungszwecks als Bevollmächtigte im sozialgerichtlichen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 86
Verfahren auftreten, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Im Rahmen ihres
Satzungszwecks ist Antidiskriminierungsverbänden die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Beteiligter gestattet.
Hinweis: Bei dieser Änderung des Sozialgerichtsgesetzes handelte es sich (wie auch bei der Änderung des
Arbeitsgerichtsgesetzes, vgl. dazu hier) um eine Textpanne, bzw. ein Redaktionsversehen. Nach der letzten
Koalitionsvereinbarung sollten Antidiskriminierungsverbände zumindest keine Arbeitsgerichtsprozesse für mutmaßliche
Diskriminierungsopfer führen dürfen. Dementsprechend wurde in § 23 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
auch die zunächst vorgesehene Regelung wieder gestrichen, wonach diese Verbände befugt seine sollten, in
gerichtlichen Verfahren als Bevollmächtige aufzutreten. Vgl. dazu die Änderung des § 23 Abs. 2 AGG mit
Begründung. Mit dem „ersten Reparaturgesetz“ wurde dieser Fehler mit Wirkung zum 12.12. 2006 beseitigt. Vgl. dazu
den nächsten Kasten.
BT-Drs. 16/3007 v. 18.10.2006 S. 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11.
Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1936 – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Betriebsrentengesetzes
Zu Absatz 4 (Änderung des Sozialgerichtsgesetzes):
§ 73 Abs. 2 soll als Folgeänderung an § 23 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes angepasst werden
(siehe Absatz 3). Auch insoweit sollen die durch Artikel 3 Absatz 13 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer
Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung angefügten Sätze insgesamt aufgehoben werden.
Zu Absatz 14 (Aufhebung der §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
Durch die umfassende Neuregelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz werden die Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, die bisher den Schutz vor Benachteiligung wegen des Geschlechts regeln, entbehrlich.
§ 611a BGB enthält in Absatz 1 das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts und die Regelung über die
Beweiserleichterung. Dies ist künftig in den §§ 1, 7 Abs. 1 und § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
enthalten. § 611a Abs. 2 und 5 BGB regeln den Anspruch auf Entschädigung sowie den Ausschluss des Anspruchs auf
Einstellung oder Beförderung. Die inhaltsgleiche Neuregelung findet sich in § 15 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes. Die Regelung über den sog. Bestqualifizierten in § 611a Abs. 3 BGB findet sich in § 15
Abs. 2 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die bisher in § 611a Abs. 4 BGB vorgesehene Frist zur
Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs ist in geänderter Form in § 15 Abs. 4 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes geregelt.
Die Verpflichtung des § 611b BGB zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung ist in § 11 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes enthalten.
Der in § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB genannte Grundsatz der Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen ergibt sich
zukünftig aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. § 8 Abs. 2 des Allgemeinen
Drucksache 16/1780 – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Gleichbehandlungsgesetzes stellt klar, dass das Bestehen besonderer Schutzvorschriften nicht die Vereinbarung einer
geringeren Vergütung rechtfertigen kann, und ersetzt damit § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Zu Absatz 15 (Änderung des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes)
Zu Nummer 1
Zu Buchstabe a
Folgeänderung zu Artikel 1 § 3 Abs. 1 Satz 1.
Zu Buchstabe b
Folgeänderung zu Artikel 2 § 3 Abs. 3 und 4 (Aufnahme der Begriffsbestimmungen der „Belästigung“ und der
„sexuellen Belästigung“ in das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz) und zur Aufhebung des
Beschäftigtenschutzgesetzes.
Zu Nummer 2
Folgeänderung zur Aufhebung des § 611a BGB. Die Entschädigungspflicht des Dienstherrn wird nunmehr in den §§ 12
und 13 des Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetzes (Artikel 2) geregelt.
Zu Nummer 3
Zu Buchstabe a
Beseitigung eines Redaktionsversehens.
Zu Buchstabe b
Die Ergänzung in Satz 2 macht deutlich, dass auch das Amt einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen
nach § 94 SGB IX oder die stellvertretende Mitgliedschaft in einer Schwerbehindertenvertretung mit dem Amt der
Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin nicht kompatibel ist.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 87
Zu Buchstabe c
Die Änderung trägt dem Grundsatz des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Artikel 101 GG Rechnung, indem
sie festlegt, dass für das Verfahren nach dem Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz eine gesonderte Liste der
ehrenamtlichen Richterinnen und Richter auszulosen ist, nach der die Heranziehung zu erfolgen hat. Hierbei sind die
verschiedenen Teilstreitkräfte angemessen zu berücksichtigen. Durch die entsprechende Anwendung des § 74 Abs. 8
der Wehrdisziplinarordnung wird die Erstellung einer Hilfsliste für den Fall der unvorhergesehenen Verhinderung einer
ehrenamtlichen Richterin oder eines ehrenamtlichen Richters ermöglicht.
Zu den Buchstaben d und e
Beseitigung je eines Redaktionsversehens.
Zu Nummer 4
Die Neufassung trägt der Aufhebung des Beschäftigtenschutzgesetzes und der Regelung des Verbots von
Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigungen und sexuellen Belästigungen der Soldatinnen
und Soldaten im Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz Rechnung.
Zu Absatz 16 (Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung)
Absatz 16 trägt den Bedürfnissen nach außergerichtlichen, konsensualen Möglichkeiten der Streitbeilegung Rechnung.
Das dient der Entlastung sämtlicher Beteiligter. Streitigkeiten über Benachteiligungen sind in besonderer Weise hierfür
geeignet, wie ein Blick auf den bisher nach § 15a Abs. 1 EGZPO eröffneten sachlichen Anwendungsbereich zeigt: So
kann etwa bereits jetzt gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO für Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung
der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, durch Landesgesetz die Zulässigkeit
einer Klage von einem außergerichtlichen Güteversuch abhängig gemacht werden. Auch wegen der Sachnähe der
Ansprüche aus der Verletzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots zu den bereits geregelten Ansprüchen
erscheint es sinnvoll, die Ermächtigung des § 15a EGZPO auch auf diese zu erstrecken. Von der Ermächtigung nach
§ 15a EGZPO haben zwischenzeitlich acht Bundesländer Gebrauch gemacht.
Zu Artikel 4
(Inkrafttreten; Außerkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung (Arbeitstitel) und das zeitgleiche Außerkrafttreten des Beschäftigtenschutzgesetzes
vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412).
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - BT-Drs. 16/2022 v. 28.06.2006, S. 14
Als Zeitpunkt für das Inkrafttreten wird der Tag nach der Verkündung bestimmt, um ein möglichst rasches Inkrafttreten
des Gesetzes zu ermöglichen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 88
21.12.2004 Amtsblatt der Europäischen Union L 373/37
RICHTLINIE 2004/113/EG DES RATES
vom 13. Dezember 2004
zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei
der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 13 Absatz 1,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen2 ,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses3,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der
Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese
Grundsätze sind den Mitgliedstaaten gemeinsam; sie achtet ferner die Grundrechte, wie sie in der Europäischen
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts ergeben.
(2)
Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines
Menschenrecht; dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im Übereinkommen der
Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, im Internationalen Pakt der Vereinten
Nationen über bürgerliche und politische Rechte, im Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und in der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden.
(3)
Durch das Diskriminierungsverbot dürfen andere Grundrechte und Freiheiten nicht beeinträchtigt werden; hierzu
gehören der Schutz des Privat- und Familienlebens und der in diesem Kontext stattfindenden Transaktionen
sowie die Religionsfreiheit.
(4)
Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist ein grundlegendes Prinzip der Europäischen Union. Nach Artikel
21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist jegliche Diskriminierung wegen des
Geschlechts verboten und muss die Gleichheit von Männern und Frauen in allen Bereichen gewährleistet werden.
(5)
Gemäß Artikel 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist die Förderung der Gleichstellung
von Männern und Frauen eine der Hauptaufgaben der Gemeinschaft. Außerdem muss die Gemeinschaft gemäß
Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags bei all ihren Tätigkeiten darauf hinwirken, Ungleichheiten zu beseitigen und die
Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.
(6)
In ihrer Mitteilung zur sozialpolitischen Agenda hat die Kommission ihre Absicht angekündigt, eine Richtlinie
zur Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorzulegen, die über den Bereich des Arbeitsmarktes hinausgeht.
Dieser Vorschlag steht in vollem Einklang mit der Entscheidung 2001/51/EG des Rates vom 20. Dezember 2000
über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft betreffend die Gemeinschaftsstrategie für die Gleichstellung von
1
2
3
Stellungnahme vom 30. März 2004 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
ABl. C 121 vom 30.4.2004, S. 27.
ABl. C 241 vom 28.9.2004, S. 44. (4) ABl. L 17 vom 19.1.2001, S. 22.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 89
Frauen und Männern (2001—2005) 4(4), die sämtliche Gemeinschaftspolitiken umfasst und darauf abzielt, die
Gleichstellung von Männern und Frauen durch eine Anpassung dieser Politiken und durch konkrete Maßnahmen
zur Verbesserung der Stellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft zu fördern.
(7)
Auf seiner Tagung in Nizza am 7. und 9. Dezember 2000 hat der Europäische Rat die Kommission aufgefordert,
die Gleichstellungsrechte durch Verabschiedung einer Richtlinie zur Förderung der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen in anderen Bereichen als der Beschäftigung und dem Erwerbsleben zu stärken.
DE 21.12.2004 Amtsblatt der Europäischen Union L 373/38
(8)
Die Gemeinschaft hat eine Reihe von Rechtsinstrumenten zur Verhütung und Bekämpfung geschlechtsbedingter
Diskriminierungen am Arbeitsmarkt verabschiedet. Diese Instrumente haben den Nutzen von Rechtsvorschriften
im Kampf gegen Diskriminierung deutlich gemacht.
(9)
Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, einschließlich Belästigungen und sexuellen Belästigungen, gibt es
auch in Bereichen außerhalb des Arbeitsmarktes. Solche Diskriminierungen können dieselben negativen
Auswirkungen haben und ein Hindernis für eine vollständige, erfolgreiche Eingliederung von Männern und
Frauen in das wirtschaftliche und soziale Leben darstellen.
(10) Besonders augenfällig sind die Probleme im Bereich des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen. Daher sollte dafür gesorgt werden, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in diesem
Bereich verhindert bzw. beseitigt werden. Wie dies bei der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000
zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft1
der Fall war, kann dieses Ziel im Wege gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften besser erreicht werden.
(11) Diese Rechtsvorschriften sollten die Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts beim Zugang zu und bei der
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verhindern. Unter Gütern sollten Güter im Sinne der den freien
Warenverkehr betreffenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
verstanden werden. Unter Dienstleistungen sollten Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 dieses Vertrags
verstanden werden.
(12) Um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu verhindern, sollte diese Richtlinie sowohl für
unmittelbare als auch für mittelbare Diskriminierungen gelten. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt nur dann
vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige
Behandlung erfährt. Somit liegt beispielsweise bei auf körperliche Unterschiede bei Mann und Frau
zurückzuführenden unterschiedlichen Gesundheitsdienstleistungen für Männer und Frauen keine Diskriminierung
vor, weil es sich nicht um vergleichbare Situationen handelt.
(13) Das Diskriminierungsverbot sollte für Personen gelten, die Güter und Dienstleistungen liefern bzw. erbringen, die
der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens und der
in diesem Kontext stattfindenden Transaktionen angeboten werden. Nicht gelten sollte es dagegen für Medienund Werbeinhalte sowie für das staatliche oder private Bildungswesen.
(14) Für jede Person gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der die freie Wahl des Vertragspartners für eine
Transaktion einschließt. Eine Person, die Güter oder Dienstleistungen bereitstellt, kann eine Reihe von
subjektiven Gründen für die Auswahl eines Vertragspartners haben. Diese Richtlinie sollte die freie Wahl des
Vertragspartners durch eine Person solange nicht berühren, wie die Wahl des Vertragspartners nicht von dessen
Geschlecht abhängig gemacht wird.
(15) Es bestehen bereits zahlreiche Rechtsinstrumente zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen im Bereich Beschäftigung und Beruf. Diese Richtlinie sollte deshalb nicht für diesen
Bereich gelten. Das Gleiche gilt für selbstständige Tätigkeiten, wenn sie von bestehenden Rechtsvorschriften
erfasst werden. Diese Richtlinie sollte nur für private, freiwillige und von Beschäftigungsverhältnissen
unabhängige Versicherungen und Rentensysteme gelten.
(16) Eine unterschiedliche Behandlung kann nur dann zulässig sein, wenn sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt
ist. Ein legitimes Ziel kann beispielsweise sein: der Schutz von Opfern sexueller Gewalt (wie die Einrichtung
einer Zufluchtsstätte für Personen gleichen Geschlechts), der Schutz der Privatsphäre und des sittlichen
Empfindens (wie etwa bei der Vermietung von Wohnraum durch den Eigentümer in der Wohnstätte, in der er
4
1
ABl. L 17 vom 19.1.2001, S. 22
ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 90
selbst wohnt), die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter oder der Interessen von Männern und Frauen
(wie ehrenamtliche Einrichtungen, die nur den Angehörigen eines Geschlechts zugänglich sind), die
Vereinsfreiheit (Mitgliedschaft in privaten Klubs die nur den Angehörigen eines Geschlechts zugänglich sind)
und die Organisation sportlicher Tätigkeiten (z. B. Sportveranstaltungen, zu denen ausschließlich die
Angehörigen eines Geschlechts zugelassen sind). Beschränkungen sollten jedoch im Einklang mit den in der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften festgelegten Kriterien angemessen und
erforderlich sein.
(17) Der Grundsatz der Gleichbehandlung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen bedeutet nicht, dass
Einrichtungen Männern und Frauen in jedem Fall zur gemeinsamen Nutzung bereitgestellt werden müssen,
sofern dabei nicht Angehörige des einen Geschlechts besser gestellt sind als die des anderen.
(18) Die Anwendung geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Faktoren ist im Bereich des
Versicherungswesens und anderer verwandter Finanzdienstleistungen weit verbreitet. Zur Gewährleistung der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen sollte die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer
versicherungsmathematischer Faktoren nicht zu Unterschieden bei den Prämien und Leistungen führen. Damit es
nicht zu einer abrupten Umstellung des Marktes kommen muss, sollte die Anwendung dieser Regel nur für neue
Verträge gelten, die nach dem Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie abgeschlossen werden.
DE L 373/39 Amtsblatt der Europäischen Union 21.12.2004
(19) Bestimmte Risikokategorien können bei Männern und Frauen unterschiedlich sein. In einigen Fällen ist das
Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der Beurteilung der versicherten Risiken, wenn auch nicht unbedingt der
Einzige. Bei Verträgen, mit denen diese Arten von Risiken versichert werden, können die Mitgliedstaaten
entscheiden, Ausnahmen von der Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen zuzulassen, sofern sie
sicherstellen können, dass die zugrunde liegenden versicherungsmathematischen und statistischen Daten, auf die
sich die Berechnungen stützen, verlässlich sind, regelmäßig aktualisiert werden und der Öffentlichkeit zugänglich
sind. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn das betreffende nationale Recht die Regel der
Geschlechtsneutralität bisher noch nicht vorsah. Fünf Jahre nach der Umsetzung dieser Richtlinie sollten die
Mitgliedstaaten prüfen, inwieweit diese Ausnahmen noch gerechtfertigt sind, wobei die neuesten
versicherungsmathematischen und statistischen Daten sowie ein Bericht, den die Kommission drei Jahre nach der
Umsetzung dieser Richtlinie vorlegen wird, zu berücksichtigen sind.
(20) Eine Schlechterstellung von Frauen aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sollte als eine Form der
direkten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesehen und daher im Bereich der
Versicherungsdienstleistungen und der damit zusammenhängenden Finanzdienstleistungen unzulässig sein. Mit
den Risiken der Schwangerschaft und der Mutterschaft verbundene Kosten sollten daher nicht den Angehörigen
eines einzigen Geschlechts zugeordnet werden.
(21) Opfer von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts sollten über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen.
Um einen effektiveren Schutz zu gewährleisten, sollten Verbände, Organisationen oder andere juristische
Personen bei einem entsprechenden Beschluss der Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit haben, sich unbeschadet
der nationalen Verfahrensregeln bezüglich der Vertretung und Verteidigung vor Gericht im Namen eines Opfers
oder zu seiner Unterstützung an einem Verfahren zu beteiligen.
(22) Die Beweislastregeln sollten für die Fälle, in denen der Anschein einer Diskriminierung besteht und zur
wirksamen Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, angepasst werden; die Beweislast sollte wieder
auf die beklagte Partei verlagert werden, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist.
(23) Voraussetzung für eine effektive Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist ein angemessener
gerichtlicher Schutz vor Viktimisierung.
(24) Die Mitgliedstaaten sollten zur Förderung des Grundsatzes der Gleichbehandlung den Dialog zwischen den
einschlägigen Interessengruppen unterstützen, die im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich an der Bekämpfung von Diskriminierungen
aufgrund des Geschlechts im Bereich des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu
beteiligen.
(25) Der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sollte verstärkt werden, indem in jedem Mitgliedstaat
eine oder mehrere Stellen vorgesehen werden, die für die Analyse der mit Diskriminierungen verbundenen
Probleme, die Prüfung möglicher Lösungen und die Bereitstellung konkreter Hilfsangebote für die Opfer
zuständig wäre. Bei diesen Stellen kann es sich um dieselben Stellen handeln, die auf nationaler Ebene die
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 91
Aufgabe haben, für den Schutz der Menschenrechte, für die Wahrung der Rechte des Einzelnen oder für die
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung einzutreten.
(26) In dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt; den Mitgliedstaaten steht es somit frei, günstigere
Vorschriften einzuführen oder beizubehalten. Die Umsetzung dieser Richtlinie sollte nicht der Rechtfertigung
einer Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus dienen.
(27) Die Mitgliedstaaten sollten für die Verletzung der aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen wirksame,
verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen.
(28) Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Gewährleistung eines einheitlichen, hohen Niveaus des Schutzes vor
Diskriminierung in allen Mitgliedstaaten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden
können und sich daher wegen des Umfangs und der Wirkung besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind,
kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig
werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie
nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(29) Entsprechend der Nummer 34 der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung 1 sollten die
Mitgliedstaaten für ihre eigenen Zwecke und im Interesse der Gemeinschaft eigene Tabellen aufstellen, denen im
Rahmen des Möglichen die Entsprechungen zwischen dieser Richtlinie und den Umsetzungsmaßnahmen zu
entnehmen sind, und diese veröffentlichen —
DE 21.12.2004 Amtsblatt der Europäischen Union L 373/40
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
KAPITEL I
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1
Zweck
Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens für die Bekämpfung geschlechtsspezifischer
Diskriminierungen beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zur Umsetzung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in den Mitgliedstaaten.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) unmittelbare Diskriminierung: wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine
weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
b) mittelbare Diskriminierung: wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die
einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen
können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel
sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich;
c) Belästigung: wenn unerwünschte geschlechtsbezogene Verhaltensweisen gegenüber einer Person erfolgen, die
bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird;
d) sexuelle Belästigung: jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in verbaler, nichtverbaler
oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird,
insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Artikel 3
1
ABl. C 321 vom 31.12.2003, S. 1.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 92
Geltungsbereich
(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen, die Güter
und Dienstleistungen bereitstellen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen, und zwar in
öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, und die außerhalb des Bereichs des Privat- und
Familienlebens und der in diesem Kontext stattfindenden Transaktionen angeboten werden.
(2) Diese Richtlinie berührt nicht die freie Wahl des Vertragspartners durch eine Person, solange diese ihre Wahl nicht
vom Geschlecht des Vertragspartners abhängig macht.
(3) Diese Richtlinie gilt weder für den Inhalt von Medien und Werbung noch im Bereich der Bildung.
(4) Diese Richtlinie gilt nicht im Bereich Beschäftigung und Beruf. Diese Richtlinie gilt nicht für selbstständige
Tätigkeiten, soweit diese von anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erfasst werden.
Artikel 4
Grundsatz der Gleichbehandlung
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen,
a) dass keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, auch keine Schlechterstellung von Frauen
aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft, erfolgen darf;
b) dass keine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgen darf.
(2) Diese Richtlinie gilt unbeschadet günstigerer Bestimmungen zum Schutz der Frauen in Bezug auf Schwangerschaft
oder Mutterschaft.
(3) Belästigung und sexuelle Belästigung im Sinne dieser Richtlinie gelten als Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts und sind daher verboten. Die Zurückweisung oder Duldung solcher Verhaltensweisen durch die
betreffende Person darf nicht als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden, die diese Person berührt.
(4) Eine Anweisung zur unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gilt als
Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie.
(5) Diese Richtlinie schließt eine unterschiedliche Behandlung nicht aus, wenn es durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt
ist, die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts
bereitzustellen, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
DE L 373/41 Amtsblatt der Europäischen Union 21.12.2004
Artikel 5
Versicherungsmathematische Faktoren
(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass spätestens bei den nach dem 21. Dezember 2007 neu abgeschlossenen
Verträgen die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen im Bereich
des Versicherungswesens und verwandter Finanzdienstleistungen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen
führt.
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten vor dem 21. Dezember 2007 beschließen, proportionale
Unterschiede bei den Prämien und Leistungen dann zuzulassen, wenn die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer
auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein
bestimmender Faktor ist. Die betreffenden Mitgliedstaaten informieren die Kommission und stellen sicher, dass genaue
Daten in Bezug auf die Berücksichtigung des Geschlechts als bestimmender versicherungsmathematischer Faktor
erhoben, veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert werden. Diese Mitgliedstaaten überprüfen ihre Entscheidung fünf
Jahre nach dem 21. Dezember 2007, wobei sie dem in Artikel 16 genannten Bericht der Kommission Rechnung tragen,
und übermitteln der Kommission die Ergebnisse dieser Überprüfung.
(3) Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen
Prämien und Leistungen führen. Die Mitgliedstaaten können die Durchführung der aufgrund dieses Absatzes
erforderlichen Maßnahmen bis spätestens zwei Jahre nach dem 21. Dezember 2007 aufschieben. In diesem Fall
unterrichten die betreffenden Mitgliedstaaten unverzüglich die Kommission.
Artikel 6
Positive Maßnahmen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 93
Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der vollen Gleichstellung
von Männern und Frauen in der Praxis spezifische Maßnahmen, mit denen geschlechtsspezifische Benachteiligungen
verhindert oder ausgeglichen werden, beizubehalten oder zu beschließen.
Artikel 7
Mindestanforderungen
(1) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen günstiger sind, als die in dieser Richtlinie vorgesehenen
Vorschriften.
(2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls der Rechtfertigung einer Absenkung des von den Mitgliedstaaten
bereits garantierten Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie erfassten Bereichen
dienen.
KAPITEL II
RECHTSBEHELFE UND RECHTSDURCHSETZUNG
Artikel 8
Rechtsschutz
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder
Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen
können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.
(2) Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um
sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie entstandene Schaden
gemäß den von den Mitgliedstaaten festzulegenden Modalitäten tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt
wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss. Die
vorherige Festlegung einer Höchstgrenze schränkt diese Ausgleichs- oder Ersatzpflicht nicht ein.
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den
in ihrem nationalen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der
Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung und
mit deren Einwilligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche aus dieser Richtlinie vorgesehenen Gerichts- und/oder
Verwaltungsverfahren beteiligen können.
(4) Die Absätze 1 und 3 lassen nationale Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung in Fällen, in denen es um
den Grundsatz der Gleichbehandlung geht, unberührt.
Artikel 9
Beweislast
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um
zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung in ihren Rechten für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde
Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen,
es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vorgelegen hat.
DE 21.12.2004 Amtsblatt der Europäischen Union L 373/42
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen,
unberührt.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für Verfahren gemäß Artikel 8 Absatz 3.
(5) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des
Sachverhalts dem Gericht oder anderen zuständigen Behörde obliegt.
Artikel 10
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 94
Viktimisierung
Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um den
Einzelnen vor Benachteiligungen zu schützen, die als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines
Verfahrens zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung erfolgen.
Artikel 11
Dialog mit einschlägigen Interessengruppen
Zur Förderung des Grundsatzes der Gleichbehandlung unterstützen die Mitgliedstaaten den Dialog mit den
einschlägigen Interessengruppen, die gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ein rechtmäßiges
Interesse daran haben, sich an der Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts im Bereich des
Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu beteiligen.
KAPITEL III
MIT DER FÖRDERUNG DER GLEICHBEHANDLUNG BEFASSTE STELLEN
Artikel 12
(1) Jeder Mitgliedstaat bezeichnet eine oder mehrere Stellen, deren Aufgabe darin besteht, die Verwirklichung der
Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu fördern, zu analysieren, zu
beobachten und zu unterstützen und trifft die erforderlichen Vorkehrungen. Diese Stellen können Teil von
Einrichtungen sein, die auf nationaler Ebene die Aufgabe haben, für den Schutz der Menschenrechte, für die Wahrung
der Rechte des Einzelnen oder für die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung einzutreten.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es zu den Zuständigkeiten der in Absatz 1 genannten Stellen gehört,
a) unbeschadet der Rechte der Opfer und der Verbände, der Organisationen oder anderer juristischer Personen nach
Artikel 8 Absatz 3 die Opfer von Diskriminierungen auf unabhängige Weise dabei zu unterstützen, ihrer
Beschwerde wegen Diskriminierung nachzugehen;
b) unabhängige Untersuchungen zum Thema Diskriminierung durchzuführen;
c) unabhängige Berichte zu veröffentlichen und Empfehlungen zu allen Aspekten vorzulegen, die mit diesen
Diskriminierungen in Zusammenhang stehen.
KAPITEL IV
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 13
Einhaltung
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Grundsatz der
Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen im Rahmen des
Geltungsbereichs dieser Richtlinie beachtet wird; insbesondere ist sicherzustellen, dass
a) Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung zuwiderlaufen, aufgehoben werden;
a) vertragliche Bestimmungen, Betriebsordnungen, Statuten von Vereinigungen mit oder ohne Erwerbszweck, die dem
Grundsatz der Gleichbehandlung zuwiderlaufen, für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder
geändert werden.
Artikel 14
Sanktionen
Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die nationalen Vorschriften zur Anwendung
dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten.
Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig
und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Bestimmungen bis spätestens zum 21.
Dezember 2007 mit und melden alle sie betreffenden Änderungen unverzüglich.
Artikel 15
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 95
Unterrichtung
Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die gemäß dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen sowie die bereits
geltenden einschlägigen Vorschriften allen Betroffenen in geeigneter Form in ihrem gesamten Hoheitsgebiet bekannt
gemacht werden.
DE L 373/43 Amtsblatt der Europäischen Union 21.12.2004
Artikel 16
Berichte
(1) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens am 21. Dezember 2009 und in der Folge alle fünf Jahre
sämtliche verfügbaren Informationen über die Anwendung dieser Richtlinie. Die Kommission erstellt einen
zusammenfassenden Bericht, der eine Prüfung der aktuellen Praxis der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Artikel 5
in Bezug auf die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen enthält. Sie
legt diesen Bericht dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens am 21. Dezember 2010 vor.
Erforderlichenfalls fügt die Kommission diesem Bericht Vorschläge zur Änderung der Richtlinie bei.
(2) Die Kommission berücksichtigt in ihrem Bericht die Standpunkte der einschlägigen Interessengruppen.
Artikel 17
Umsetzung
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser
Richtlinie spätestens am 21. Dezember 2007 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut
dieser Rechtsvorschriften mit.
Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis
bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der
Bezugnahme.
(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sie
auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen, mit.
Artikel 18
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 19
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 13. Dezember 2004.
Im Namen des Rates
Der Präsident
B. R. BOT
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 96
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 5.10.2002 L 269/15
RICHTLINIE 2002/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 23. September 2002
zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen
Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen
(Text von Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 141 Absatz 3,
auf Vorschlag der Kommission1,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses2,
gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags3
aufgrund des vom Vermittlungsausschuss am 19. April 2002
gebilligten gemeinsamen Entwurfs,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der
Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit;
diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Ferner achtet die Union nach Artikel 6 die Grundrechte,
wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind
und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.
(2)
Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines
Menschenrecht; dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen
zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Übereinkommen zur
Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche und
politische Rechte, im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie in der
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt, die von allen Mitgliedstaaten
unterzeichnet wurden.
(3)
Diese Richtlinie achtet die Grundrechte und entspricht den insbesondere mit der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union anerkannten Grundsätzen.
(4)
Die Gleichstellung von Männern und Frauen stellt nach Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrags sowie
nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein grundlegendes Prinzip dar. In diesen Vertragsbestimmungen wird
die Gleichstellung von Männern und Frauen als Aufgabe und Ziel der Gemeinschaft bezeichnet, und es wird eine
positive Verpflichtung begründet, sie bei allen Tätigkeiten der Gemeinschaft zu fördern.
(5)
Artikel 141 des Vertrags, insbesondere Absatz 3, stellt speziell auf die Chancengleichheit und die
Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ab.
1
2
3
ABl. C 337 E vom 28.11.2000, S. 204, undABl. C 270 E vom 25.9.2001, S. 9.
ABl. C 123 vom 25.4.2001, S. 81.
Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 31. Mai 2001 (ABl. C 47 vom 21.2.2002, S. 19), Gemeinsamer Standpunkt des
Rates vom 23. Juli 2001 (ABl. C 307 vom 31.10.2001, S. 5) und Beschluss des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2001
(ABl. C 112 E vom 9.5.2002, S. 14). Beschluss des Europäischen Parlaments vom 12. Juni 2002 und Beschluss des Rates vom 13.
Juni 2002.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 97
(6)
In der Richtlinie 76/207/EWG des Rates4 werden die Begriffe der unmittelbaren und der mittelbaren
Diskriminierung nicht definiert. Der Rat hat auf der Grundlage von Artikel 13 des Vertrags die Richtlinie
2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse
oder der ethnischen Herkunft5 und die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines
allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf 6 angenommen,
in denen die Begriffe der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung definiert werden. Daher ist es
angezeigt, Begriffsbestimmungen in Bezug auf das Geschlecht aufzunehmen, die mit diesen Richtlinien
übereinstimmen.
(7)
Diese Richtlinie berührt nicht die Vereinigungsfreiheit einschließlich des Rechts jeder Person, zum Schutz ihrer
Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Maßnahmen im Sinne von Artikel 141
Absatz 4 des Vertrags können die Mitgliedschaft in oder die Fortsetzung der Tätigkeit von Organisationen und
Gewerkschaften einschließen, deren Hauptziel es ist, dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen in der Praxis Geltung zu verschaffen.
(8)
Die Belästigung einer Person aufgrund ihres Geschlechts und die sexuelle Belästigung stellen einen Verstoß
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern dar; daher sollten diese Begriffe bestimmt
und die betreffenden Formen der Diskriminierung verboten werden. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass
diese Formen der Diskriminierung nicht nur am Arbeitsplatz vorkommen, sondern auch im Zusammenhang mit
dem Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Ausbildung sowie während der Beschäftigung und der
Berufstätigkeit.
(9)
In diesem Zusammenhang sollten die Arbeitgeber und die für Berufsbildung zuständigen Personen ersucht
werden, Maßnahmen zu ergreifen, um im Einklang mit
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 5.10.2002 L 269/16
den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten gegen alle Formen der sexuellen Diskriminierung
vorzugehen und insbesondere präventive Maßnahmen zur Bekämpfung der Belästigung und der sexuellen
Belästigung am Arbeitsplatz zu treffen.
(10) Die Beurteilung von Sachverhalten, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen,
obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den nationalen
Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten. In diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen
sein, dass eine mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln einschließlich statistischer Beweise festgestellt
werden kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs1 liegt eine Diskriminierung vor, wenn unterschiedliche
Vorschriften auf gleiche Sachverhalte angewandt werden oder wenn dieselbe Vorschrift auf ungleiche
Sachverhalte angewandt wird.
(11) Die beruflichen Tätigkeiten, die die Mitgliedstaaten vom Anwendungsbereich der Richtlinie 76/207/EWG
ausschließen können, sollten auf die Fälle beschränkt werden, in denen die Beschäftigung einer Person eines
bestimmten Geschlechts aufgrund der Art der betreffenden speziellen Tätigkeit erforderlich ist, sofern damit ein
legitimes Ziel verfolgt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er sich aus der Rechtsprechung des
Gerichtshofs ergibt2, entsprochen wird.
(12) Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutz der körperlichen Verfassung der
Frau während und nach einer Schwangerschaft ein legitimes, dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht
entgegenstehendes Ziel ist. Er hat ferner in ständiger Rechtsprechung befunden, dass die Schlechterstellung von
Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaft eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts darstellt. Die vorliegende Richtlinie lässt somit die Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.
Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am
Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG)3, mit der die
physische und psychische Verfassung von Schwangeren, Wöchnerinnen und stillenden Frauen geschützt werden
soll, unberührt. In den Erwägungsgründen jener Richtlinie heißt es, dass der Schutz der Sicherheit und der
4
5
6
1
2
3
ABl. L 39 vom 14.2.1976, S. 40.
ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.
Rechtssache C-394/96 (Brown), Slg. 1998, I-4185, und Rechtssache C-342/93 (Gillespie), Slg. 1996, I-475.
Rechtssache C-222/84 (Johnston), Slg. 1986, S. 1651, Rechtssache C-273/97 (Sirdar), Slg. 1999, I-7403, und Rechtssache C285/98 (Kreil), Slg. 2000, I-69.
ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 98
Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen Frauen auf
dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen und die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht
beeinträchtigen sollte. Der Gerichtshof hat den Schutz der Rechte der Frauen im Bereich der Beschäftigung
anerkannt, insbesondere den Anspruch auf Rückkehr an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen
Arbeitsplatz unter Bedingungen, die für sie nicht weniger günstig sind, sowie darauf, dass ihnen alle
Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zugute kommen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch
gehabt hätten.
(13) In der Entschließung des Rates und der im Rat Vereinigten Minister für Beschäftigung und Sozialpolitik vom 29.
Juni 2000 über eine ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben4 wurden die
Mitgliedstaaten ermutigt, die Möglichkeit zu prüfen, in ihrer jeweiligen Rechtsordnung männlichen
Arbeitnehmern unter Wahrung ihrer bestehenden arbeitsbezogenen Rechte ein individuelles, nicht übertragbares
Recht auf Vaterschaftsurlaub zuzuerkennen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es den
Mitgliedstaaten obliegt zu bestimmen, ob sie dieses Recht zuerkennen oder nicht, und die etwaigen Bedingungen
— außer der Entlassung und der Wiederaufnahme der Arbeit — festzulegen, die nicht in den Geltungsbereich
dieser Richtlinie fallen.
(14) Die Mitgliedstaaten können gemäß Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags zur Erleichterung der Berufstätigkeit des
unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der
beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beibehalten oder beschließen. In Anbetracht der aktuellen
Situation und unter Berücksichtigung der Erklärung 28 zum Vertrag von Amsterdam sollten die Mitgliedstaaten
in erster Linie eine Verbesserung der Lage der Frauen im Arbeitsleben anstreben.
(15) Das Diskriminierungsverbot sollte nicht der Beibehaltung oder dem Erlass von Maßnahmen entgegenstehen, mit
denen bezweckt wird, Benachteiligungen von Personen eines Geschlechts zu verhindern oder auszugleichen.
Diese Maßnahmen lassen die Einrichtung und Beibehaltung von Organisationen von Personen desselben
Geschlechts zu, wenn deren Zweck hauptsächlich darin besteht, die besonderen Bedürfnisse dieser Personen zu
berücksichtigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.
(16) Der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen ist in Artikel 141 des Vertrags und in der Richtlinie
75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen 5 bereits fest verankert und wird
vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestätigt; dieser Grundsatz ist ein wesentlicher und unerlässlicher
Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
(17) Der Gerichtshof hat entschieden, dass in Anbetracht des grundlegenden Charakters des Anspruchs auf einen
effektiven gerichtlichen Rechtsschutz die Arbeitnehmer diesen Schutz selbst noch nach Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses genießen müssen6 . Ein Arbeitnehmer, der eine Person, die nach dieser Richtlinie
Schutz genießt, verteidigt oder für ihn als Zeuge aussagt, sollte denselben Schutz genießen.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 5.10.2002 L 269/17
(18) Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann als tatsächlich verwirklicht
angesehen werden kann, wenn bei Verstößen gegen diesen Grundsatz den Arbeitnehmern, die Opfer einer
Diskriminierung wurden, eine dem erlittenen Schaden angemessene Entschädigung zuerkannt wird. Er hat ferner
entschieden, dass eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze einer wirksamen Entschädigung entgegenstehen kann
und die Gewährung von Zinsen zum Ausgleich des entstandenen Schadens nicht ausgeschlossen werden darf 1.
(19) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind einzelstaatliche Vorschriften betreffend die Fristen für die
Rechtsverfolgung zulässig, sofern sie für derartige Klagen nicht ungünstiger sind als für gleichartige Klagen, die
das innerstaatliche Recht betreffen, und sofern sie die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht gewährten
Rechte nicht praktisch unmöglich machen.
(20) Opfer von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts sollten über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen.
Um einen effektiveren Schutz zu gewährleisten, sollte auch die Möglichkeit bestehen, dass sich Verbände,
Organisationen und andere juristische Personen unbeschadet der nationalen Verfahrensregeln bezüglich der
4
5
6
1
ABl. C 218 vom 31.7.2000, S. 5.
ABl. L 45 vom 19.2.1975, S. 19.
Rechtssache C-185/97, (Coote), Slg. 1998, I-5199.
Rechtssache C-180/95 (Draehmpaehl), Slg. 1997, I-2195. Rechtssache C-271/95 (Marshall), Slg. 1993, I-4367.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 99
Vertretung und Verteidigung vor Gericht bei einem entsprechenden Beschluss der Mitgliedstaaten im Namen
eines Opfers oder zu seiner Unterstützung an einem Verfahren beteiligen.
(21) Die Mitgliedstaaten sollten den Dialog zwischen den Sozialpartnern und — im Rahmen der einzelstaatlichen
Praxis — mit den Nichtregierungsorganisationen fördern, mit dem Ziel, gegen die verschiedenen Formen von
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts am Arbeitsplatz anzugehen und diese zu bekämpfen.
(22) Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festlegen, die bei einer
Verletzung der aus der Richtlinie 76/207/EWG erwachsenden Verpflichtungen zu verhängen sind.
(23) Im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Grundsatz der Subsidiarität können die Ziele der in
Betracht gezogenen Maßnahme auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; sie können
daher besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden. Im Einklang mit dem in demselben Artikel genannten
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das hierfür erforderliche Maß hinaus.
(24) Die Richtlinie 76/207/EWG sollte daher entsprechend geändert werden —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Artikel 1
Die Richtlinie 76/207/EWG wird wie folgt geändert:
1. In Artikel 1 wird folgender Absatz eingefügt:
„(1a) Die Mitgliedstaaten berücksichtigen aktiv das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern bei der
Formulierung und Umsetzung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten in den in Absatz
1 genannten Bereichen.“
2. Artikel 2 erhält folgende Fassung:
„Artikel 2
(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine
unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts — insbesondere unter Bezugnahme auf den
Ehe- oder Familienstand — erfolgen darf.
(2) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
— ‚unmittelbare Diskriminierung‘: wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation
eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
— ‚mittelbare Diskriminierung‘: wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren
Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts
benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein
rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und
erforderlich;
— ‚Belästigung‘: wenn unerwünschte geschlechtsbezogene Verhaltensweisen gegenüber einer Person erfolgen, die
bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird;
— ‚sexuelle Belästigung‘: jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in unerwünschter
verbaler, nicht-verbaler oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der
betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen,
Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
(3) Belästigung und sexuelle Belästigung im Sinne dieser Richtlinie gelten als Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts und sind daher verboten. Die Zurückweisung oder Duldung solcher Verhaltensweisen durch die
betreffende Person darf nicht als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden, die diese Person berührt.
(4) Die Anweisung zur Diskriminierung einer Person aufgrund des Geschlechts gilt als Diskriminierung im Sinne
dieser Richtlinie.
(5) Die Mitgliedstaaten ersuchen in Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder
tariflichen Praktiken die Arbeitgeber und die für Berufsbildung zuständigen Personen, Maßnahmen zu ergreifen, um
allen Formen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und insbesondere Belästigung und sexueller
Belästigung am Arbeitsplatz vorzubeugen.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 5.10.2002 L 269/18
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 100
(6) Die Mitgliedstaaten können im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck
erfolgenden Berufsbildung vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines geschlechtsbezogenen Merkmals
keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung
darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
(7) Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und
Mutterschaft, entgegen. Frauen im Mutterschaftsurlaub haben nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs Anspruch
darauf, an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen, die für sie nicht
weniger günstig sind, zurückzukehren, und darauf, dass ihnen auch alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen,
auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen. Die ungünstigere Behandlung einer
Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG gilt als
Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie. Diese Richtlinie berührt nicht die Bestimmungen der Richtlinie
96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über
Elternurlaub* und der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von
Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen,
Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16
Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG)**. Sie lässt ferner das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, eigene Rechte auf
Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen. Die Mitgliedstaaten, die derartige Rechte anerkennen,
treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor Entlassung infolge der
Inanspruchnahme dieser Rechte zu schützen, und gewährleisten, dass sie nach Ablauf des Urlaubs Anspruch darauf
haben, an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zurückzukehren, und zwar unter
Bedingungen, die für sie nicht weniger günstig sind, und darauf, dass ihnen auch alle Verbesserungen der
Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen.
(8) Die Mitgliedstaaten können im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und
Frauen Maßnahmen im Sinne von Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags beibehalten oder beschließen.
3. Artikel 3 erhält folgende Fassung:
„Artikel 3
(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bedeutet, dass es im öffentlichen und privaten Bereich
einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf:
a) die Bedingungen — einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen — für den Zugang zu
unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position
einschließlich des beruflichen Aufstiegs;
b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen
Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung;
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt
nach Maßgabe der Richtlinie 75/117/EWG;
d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation,
deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen
solcher Organisationen.
(2) Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass
a) die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben
werden;
b) die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen,
Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen nichtig
sind, für nichtig erklärt werden können oder geändert werden.“
4. Die Artikel 4 und 5 werden gestrichen.
5. Artikel 6 erhält folgende Fassung:
„Artikel 6
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem
Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in
Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung
vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.
*
**
ABl. L 145 vom 19.6.1996, S. 4.
ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1.“
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 101
(2) Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen um
sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung in Form eines Verstoßes gegen Artikel 3
entstandene Schaden — je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten — tatsächlich und wirksam
ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art
und Weise geschehen muss; dabei darf ein solcher Ausgleich oder eine solche Entschädigung nur in den Fällen
durch eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze begrenzt werden, in denen der Arbeitgeber nachweisen kann, dass
der einem/ einer Bewerber/in durch die Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie entstandene Schaden allein darin
besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 5.10.2002 L 269/19
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß
den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die
Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu
deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche
vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.
(4) Die Absätze 1 und 3 lassen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den
Grundsatz der Gleichbehandlung unberührt.“
6. Artikel 7 erhält folgende Fassung:
„Artikel 7
Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um die
Arbeitnehmer sowie die aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten vorgesehenen
Arbeitnehmervertreter vor Entlassung oder anderen Benachteiligungen durch den Arbeitgeber zu schützen, die als
Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens oder auf die Einleitung eines Verfahrens
zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen.“
7. Die folgenden Artikel werden eingefügt:
„Artikel 8a
(1) Jeder Mitgliedstaat bezeichnet eine oder mehrere Stellen, deren Aufgabe darin besteht, die Verwirklichung der
Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu fördern, zu analysieren, zu
beobachten und zu unterstützen. Diese Stellen können Teil von Einrichtungen sein, die auf nationaler Ebene für den
Schutz der Menschenrechte oder der Rechte des Einzelnen zuständig sind.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es zu den Zuständigkeiten dieser Stellen gehört,
a) unbeschadet der Rechte der Opfer und der Verbände, der Organisationen oder anderer juristischer Personen nach
Artikel 6 Absatz 3 die Opfer von Diskriminierungen auf unabhängige Weise dabei zu unterstützen, ihrer
Beschwerde wegen Diskriminierung nachzugehen;
b) unabhängige Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung durchzuführen;
c) unabhängige Berichte zu veröffentlichen und Empfehlungen zu allen Aspekten vorzulegen, die mit diesen
Diskriminierungen in Zusammenhang stehen.
Artikel 8b
(1) Die Mitgliedstaaten treffen im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten und Verfahren geeignete
Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs zwischen den Sozialpartnern mit dem Ziel, die Verwirklichung der
Gleichbehandlung, unter anderem durch Überwachung der betrieblichen Praxis, durch Tarifverträge,
Verhaltenskodizes, Forschungsarbeiten oder durch einen Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren,
voranzubringen.
(2) Soweit mit den nationalen Gepflogenheiten und Verfahren vereinbar, ersuchen die Mitgliedstaaten die
Sozialpartner ohne Eingriff in deren Autonomie, die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern und auf
geeigneter Ebene Antidiskriminierungsvereinbarungen zu schließen, die die in Artikel 1 genannten Bereiche
betreffen, soweit diese in den Verantwortungsbereich der Tarifparteien fallen. Die Vereinbarungen müssen den in
dieser
Richtlinie
festgelegten
Mindestanforderungen
sowie
den
einschlägigen
nationalen
Durchführungsbestimmungen entsprechen.
(3) Die Mitgliedstaaten ersuchen in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen, Tarifverträgen oder
Gepflogenheiten die Arbeitgeber, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz in geplanter und
systematischer Weise zu fördern.
(4) Zu diesem Zweck sollten die Arbeitgeber ersucht werden, den Arbeitnehmern und/oder den
Arbeitnehmervertretern in regelmäßigen angemessenen Abständen Informationen über die Gleichbehandlung von
Frauen und Männern in ihrem Betrieb zu geben.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 102
Diese Informationen können Statistiken über den Anteil von Frauen und Männern auf den unterschiedlichen Ebenen
des Betriebs sowie mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in Zusammenarbeit mit den
Arbeitnehmervertretern enthalten.
Artikel 8c
Die Mitgliedstaaten fördern den Dialog mit den jeweiligen Nichtregierungsorganisationen, die gemäß den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich an der
Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu beteiligen, um die Einhaltung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung zu fördern.
Artikel 8d
Die Mitgliedstaaten legen die Regeln für die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen
Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um
deren Anwendung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen
können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Vorschriften der
Kommission spätestens am 5. Oktober 2005 mit und unterrichten sie unverzüglich über alle späteren Änderungen
dieser Vorschriften.
Artikel 8e
(1) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.
(2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den
Mitgliedstaaten bereits garantierten Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie
abgedeckten Bereichen benutzt werden.“
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 5.10.2002 L 269/20
Artikel 2
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser
Richtlinie spätestens am 5. Oktober 2005 nachzukommen, oder stellen spätestens bis zu diesem Zeitpunkt sicher, dass
die Sozialpartner im Wege einer Vereinbarung die erforderlichen Bestimmungen einführen. Die Mitgliedstaaten treffen
alle notwendigen Maßnahmen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen
Ergebnisse erzielt werden. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die Mitgliedstaaten diese
Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen
Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
(2) Innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission alle
Informationen, die diese benötigt, um einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der
Richtlinie zu erstellen.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission alle vier Jahre den Wortlaut der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Maßnahmen nach Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags sowie Berichte über
diese Maßnahmen und deren Umsetzung. Auf der Grundlage dieser Informationen verabschiedet und veröffentlicht die
Kommission alle vier Jahre einen Bericht, der eine vergleichende Bewertung solcher Maßnahmen unter
Berücksichtigung der Erklärung Nr. 28 in der Schlussakte des Vertrags von Amsterdam enthält.
Artikel 3
Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Artikel 4
Diese Richtlinie ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 23. September 2002.
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
P. COX
Im Namen des Rates
Der Präsident
M. FISCHER BOEL
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 103
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/16
RICHTLINIE 2000/78/EG DES RATES
vom 27. November 2000
zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 13,
auf Vorschlag der Kommission1,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments2,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses3,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen4,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Nach Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den
Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der
Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Die Union achtet die Grundrechte,
wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind
und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.
(2)
Der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen wurde in zahlreichen Rechtsakten der
Gemeinschaft fest verankert, insbesondere in der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen5.
(3)
Bei der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist die Gemeinschaft gemäß Artikel 3 Absatz 2 des
EG-Vertrags bemüht, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern,
zumal Frauen häufig Opfer mehrfacher Diskriminierung sind.
(4)
Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines
Menschenrecht; dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen
zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche
und politische Rechte, im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie
in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt, die von allen
Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden. Das Übereinkommen 111 der Internationalen Arbeitsorganisation
untersagt Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf.
(5)
Es ist wichtig, dass diese Grundrechte und Grundfreiheiten geachtet werden. Diese Richtlinie berührt nicht die
Vereinigungsfreiheit, was das Recht jeder Person umfasst, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu
gründen und Gewerkschaften beizutreten.
(6)
In der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer wird anerkannt, wie wichtig die
Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen
Eingliederung älterer Menschen und von Menschen mit Behinderung sind.
1
2
3
4
5
ABl. C 177 E vom 27.6.2000, S. 42.
Stellungnahme vom 12. Oktober 2000 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
ABl. C 204 vom 18.7.2000, S. 82.
ABl. C 226 vom 8.8.2000, S. 1.
ABl. L 39 vom 14.2.1976, S. 40. (6) ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 104
(7)
Der EG-Vertrag nennt als eines der Ziele der Gemeinschaft die Förderung der Koordinierung der
Beschäftigungspolitiken der Mitgliedstaaten. Zu diesem Zweck wurde in den EG-Vertrag ein neues
Beschäftigungskapitel eingefügt, das die Grundlage bildet für die Entwicklung einer koordinierten
Beschäftigungsstrategie und für die Förderung der Qualifizierung, Ausbildung und Anpassungsfähigkeit der
Arbeitnehmer.
(8)
In den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten
beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2000 wird die Notwendigkeit unterstrichen, einen Arbeitsmarkt zu
schaffen, der die soziale Eingliederung fördert, indem ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen
getroffen wird, die darauf abstellen, die Diskriminierung von benachteiligten Gruppen, wie den Menschen mit
Behinderung, zu bekämpfen. Ferner wird betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der
Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besondere Aufmerksamkeit gebührt.
(9)
Beschäftigung und Beruf sind Bereiche, die für die Gewährleistung gleicher Chancen für alle und für eine volle
Teilhabe der Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie für die individuelle Entfaltung
von entscheidender Bedeutung sind.
(10) Der Rat hat am 29. Juni 2000 die Richtlinie 2000/43/EG (6) zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft angenommen, die bereits einen Schutz vor solchen
Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf gewährleistet.
(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren,
insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/17
und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.
(12) Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen
gemeinschaftsweit untersagt werden. Dieses Diskriminierungsverbot sollte auch für Staatsangehörige dritter
Länder gelten, betrifft jedoch nicht die Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und lässt die
Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen dritter Länder und ihren Zugang zu
Beschäftigung und Beruf unberührt.
(13) Diese Richtlinie findet weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren
Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung
des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den
Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben.
(14) Diese Richtlinie berührt nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den
Eintritt in den Ruhestand.
(15) Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen,
obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten; in diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen
sein, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.
(16) Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung
zu tragen, spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung.
(17) Mit dieser Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene
Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die
Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die
Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung
nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.
(18) Insbesondere darf mit dieser Richtlinie den Streitkräften sowie der Polizei, den Haftanstalten oder den
Notfalldiensten unter Berücksichtigung des rechtmäßigen Ziels, die Einsatzbereitschaft dieser Dienste zu wahren,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 105
nicht zur Auflage gemacht werden, Personen einzustellen oder weiter zu beschäftigen, die nicht den jeweiligen
Anforderungen entsprechen, um sämtliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen übertragen werden können.
(19) Ferner können die Mitgliedstaaten zur Sicherung der Schlagkraft ihrer Streitkräfte sich dafür entscheiden, dass
die eine Behinderung und das Alter betreffenden Bestimmungen dieser Richtlinie auf alle Streitkräfte oder einen
Teil ihrer Streitkräfte keine Anwendung finden. Die Mitgliedstaaten, die eine derartige Entscheidung treffen,
müssen den Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung festlegen.
(20) Es sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, d. h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den
Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten, z. B. durch eine entsprechende Gestaltung der
Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des
Angebots an Ausbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen.
(21) Bei der Prüfung der Frage, ob diese Maßnahmen zu übermäßigen Belastungen führen, sollten insbesondere der
mit ihnen verbundene finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der
Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder
anderen Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
(22) Diese Richtlinie lässt die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige
Leistungen unberührt.
(23) Unter sehr begrenzten Bedingungen kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein
Merkmal, das mit der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, dem Alter oder der sexuellen
Ausrichtung zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich
um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Diese Bedingungen sollten in die
Informationen aufgenommen werden, die die Mitgliedstaaten der Kommission übermitteln.
(24) Die Europäische Union hat in ihrer der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr. 11
zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den
Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften
genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt und dass dies in gleicher Weise für den Status von
weltanschaulichen Gemeinschaften gilt. Die Mitgliedstaaten können in dieser Hinsicht spezifische Bestimmungen
über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen,
die Voraussetzung für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können.
(25) Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der
beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar.
Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und
erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein
können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch
rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung
gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.
(26) Das Diskriminierungsverbot sollte nicht der Beibehaltung oder dem Erlass von Maßnahmen entgegenstehen, mit
denen bezweckt wird, Benachteiligungen von Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung,
einer bestimmten Behinderung, einem bestimmten Alter oder einer bestimmten sexuellen Ausrichtung zu
verhindern oder auszugleichen, und diese Maßnahmen können die Einrichtung und Beibehaltung von
Organisationen von Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten
Behinderung, einem bestimmten Alter oder einer bestimmten sexuellen Ausrichtung zulassen, wenn deren Zweck
hauptsächlich darin besteht, die besonderen Bedürfnisse dieser Personen zu fördern.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/18
(27) Der Rat hat in seiner Empfehlung 86/379/EWG vom 24. Juli 1986 1 zur Beschäftigung von Behinderten in der
Gemeinschaft einen Orientierungsrahmen festgelegt, der Beispiele für positive Aktionen für die Beschäftigung
und Berufsbildung von Menschen mit Behinderung anführt; in seiner Entschließung vom 17. Juni 1999
betreffend gleiche Beschäftigungschancen für behinderte Menschen2 hat er bekräftigt, dass es wichtig ist,
insbesondere der Einstellung, der Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses sowie der beruflichen
1
2
ABl. L 225 vom 12.8.1986, S. 43.
ABl. C 186 vom 2.7.1999, S. 3.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 106
Bildung und dem lebensbegleitenden Lernen von Menschen mit Behinderung besondere Aufmerksamkeit zu
widmen.
(28) In dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt; es steht den Mitgliedstaaten somit frei, günstigere
Vorschriften einzuführen oder beizubehalten. Die Umsetzung dieser Richtlinie darf nicht eine Absenkung des in
den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus rechtfertigen.
(29) Opfer von Diskriminierungen wegen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung sollten über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen. Um einen effektiveren Schutz zu
gewährleisten, sollte auch die Möglichkeit bestehen, dass sich Verbände oder andere juristische Personen
unbeschadet der nationalen Verfahrensordnung bezüglich der Vertretung und Verteidigung vor Gericht bei einem
entsprechenden Beschluss der Mitgliedstaaten im Namen eines Opfers oder zu seiner Unterstützung an einem
Verfahren beteiligen.
(30) Die effektive Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes erfordert einen angemessenen Schutz vor Viktimisierung.
(31) Eine Änderung der Regeln für die Beweislast ist geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung
besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der Beweislast auf
die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist. Allerdings obliegt es dem
Beklagten nicht, nachzuweisen, dass der Kläger einer bestimmten Religion angehört, eine bestimmte
Weltanschauung hat, eine bestimmte Behinderung aufweist, ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte sexuelle
Ausrichtung hat.
(32) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, die Regeln für die Beweislastverteilung auf Verfahren anzuwenden,
in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt. Dies betrifft
Verfahren, in denen die klagende Partei den Beweis des Sachverhalts, dessen Ermittlung dem Gericht oder der
zuständigen Stelle obliegt, nicht anzutreten braucht.
(33) Die Mitgliedstaaten sollten den Dialog zwischen den Sozialpartnern und im Rahmen der einzelstaatlichen
Gepflogenheiten mit Nichtregierungsorganisationen mit dem Ziel fördern, gegen die verschiedenen Formen von
Diskriminierung am Arbeitsplatz anzugehen und diese zu bekämpfen.
(34) In Anbetracht der Notwendigkeit, den Frieden und die Aussöhnung zwischen den wichtigsten Gemeinschaften in
Nordirland zu fördern, sollten in diese Richtlinie besondere Bestimmungen aufgenommen werden.
(35)
Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für den Fall vorsehen,
dass gegen die aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen verstoßen wird.
(36) Die Mitgliedstaaten können den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung der
Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, sofern sie
alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch diese Richtlinie
vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden.
(37) Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 des EG-Vertrags kann das Ziel dieser Richtlinie,
nämlich die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in der Gemeinschaft bezüglich der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf, auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden und kann daher
wegen des Umfangs und der Wirkung der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden. Im
Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nach jenem Artikel geht diese Richtlinie nicht über das für die
Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
KAPITEL I
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1
Zweck
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 107
Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der
Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und
Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.
Artikel 2
Der Begriff „Diskriminierung“
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“, dass es keine unmittelbare oder mittelbare
Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in
einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat
oder erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren
Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten
Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise
benachteiligen können, es sei denn:
i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die
Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/19
ii) der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von
Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete
Maßnahmen entsprechend den in Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift,
dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenden Nachteile zu beseitigen.
(3) Unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem der Gründe nach Artikel 1 in Zusammenhang stehen und
bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, sind
Belästigungen, die als Diskriminierung im Sinne von Absatz 1 gelten. In diesem Zusammenhang können die
Mitgliedstaaten den Begriff „Belästigung“ im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten definieren.
(4) Die Anweisung zur Diskriminierung einer Person wegen eines der Gründe nach Artikel 1 gilt als Diskriminierung
im Sinne des Absatzes 1.
(5) Diese Richtlinie berührt nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen
Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von
Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.
Artikel 3
Geltungsbereich
(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in
öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
a) die Bedingungen — einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen — für den Zugang zu
unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position,
einschließlich des beruflichen Aufstiegs;
b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen
Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung;
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;
d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation,
deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen
solcher Organisationen.
(2) Diese Richtlinie betrifft nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht
die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Länder oder staatenlosen Personen in
das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder deren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich
aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Länder oder staatenlosen Personen ergibt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 108
(3) Diese Richtlinie gilt nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten
Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.
(4) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass diese Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen wegen einer
Behinderung und des Alters nicht für die Streitkräfte gilt.
Artikel 4
Berufliche Anforderungen
(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absätze 1 und 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung
wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht,
keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt,
sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
(2) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen
oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen
in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen
Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende
einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder
Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser
Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und
gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche
Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die
allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen
Grund. Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen
öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im
Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie
arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten.
Artikel 5
Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung
Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind
angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall
erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung
eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es
sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht
unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedstaates
ausreichend kompensiert wird.
Artikel 6
Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters
(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des
Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angeDE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/20
messen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele
aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind
und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Derartige Ungleichbehandlungen können
insbesondere Folgendes einschließen:
a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie
besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und
Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit
Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;
b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur
Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 109
c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines
bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem
Eintritt in den Ruhestand.
(2) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der
sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von
Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im
Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die
Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine
Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.
Artikel 7
Positive und spezifische Maßnahmen
(1) Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen
Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen
wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.
(2) Im Falle von Menschen mit Behinderung steht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der
Mitgliedstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten
oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder
beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese
Eingliederung fördern.
Artikel 8
Mindestanforderungen
(1) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.
(2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten
bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten
Bereichen benutzt werden.
KAPITEL II
RECHTSBEHELFE UND RECHTSDURCHSETZUNG
Artikel 9
Rechtsschutz
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem
Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren
geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll,
bereits beendet ist.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den
in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der
Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren
Unterstützung und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen
Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.
(3) Die Absätze 1 und 2 lassen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den
Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt.
Artikel 10
Beweislast
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um
zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 110
Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen,
es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen,
unberührt.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für Verfahren gemäß Artikel 9 Absatz 2.
(5) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des
Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt.
Artikel 11
Viktimisierung
Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um die
Arbeitnehmer vor Entlassung oder anderen Benachteiligungen durch den Arbeitgeber zu schützen, die als Reaktion auf
eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung
des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/21
Artikel 12
Unterrichtung
Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die gemäß dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen sowie die bereits
geltenden einschlägigen Vorschriften allen Betroffenen in geeigneter Form, zum Beispiel am Arbeitsplatz, in ihrem
Hoheitsgebiet bekannt gemacht werden.
Artikel 13
Sozialer Dialog
(1) Die Mitgliedstaaten treffen im Einklang mit den einzelstaatlichen Gepflogenheiten und Verfahren geeignete
Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit dem Ziel, die
Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Überwachung der betrieblichen Praxis, durch Tarifverträge,
Verhaltenskodizes, Forschungsarbeiten oder durch einen Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren,
voranzubringen.
(2) Soweit vereinbar mit den einzelstaatlichen Gepflogenheiten und Verfahren, fordern die Mitgliedstaaten Arbeitgeber
und Arbeitnehmer ohne Eingriff in deren Autonomie auf, auf geeigneter Ebene Antidiskriminierungsvereinbarungen zu
schließen, die die in Artikel 3 genannten Bereiche betreffen, soweit diese in den Verantwortungsbereich der
Tarifparteien fallen. Die Vereinbarungen müssen den in dieser Richtlinie sowie den in den einschlägigen nationalen
Durchführungsbestimmungen festgelegten Mindestanforderungen entsprechen.
Artikel 14
Dialog mit Nichtregierungsorganisationen
Die Mitgliedstaaten fördern den Dialog mit den jeweiligen Nichtregierungsorganisationen, die gemäß den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich an der
Bekämpfung von Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe zu beteiligen, um die Einhaltung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung zu fördern.
KAPITEL III
BESONDERE BESTIMMUNGEN
Artikel 15
Nordirland
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 111
(1) Angesichts des Problems, dass eine der wichtigsten Religionsgemeinschaften Nordirlands im dortigen Polizeidienst
unterrepräsentiert ist, gilt die unterschiedliche Behandlung bei der Einstellung der Bediensteten dieses Dienstes — auch
von Hilfspersonal — nicht als Diskriminierung, sofern diese unterschiedliche Behandlung gemäß den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften ausdrücklich gestattet ist.
(2) Um eine Ausgewogenheit der Beschäftigungsmöglichkeiten für Lehrkräfte in Nordirland zu gewährleisten und
zugleich einen Beitrag zur Überwindung der historischen Gegensätze zwischen den wichtigsten
Religionsgemeinschaften Nordirlands zu leisten, finden die Bestimmungen dieser Richtlinie über Religion oder
Weltanschauung keine Anwendung auf die Einstellung von Lehrkräften in Schulen Nordirlands, sofern dies gemäß den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ausdrücklich gestattet ist.
KAPITEL IV
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 16
Einhaltung
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass
a) die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden;
b) die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen,
Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen für nichtig
erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden.
Artikel 17
Sanktionen
Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur
Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung
zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam,
verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Bestimmungen der Kommission spätestens am
2. Dezember 2003 mit und melden alle sie betreffenden späteren Änderungen unverzüglich.
Artikel 18
Umsetzung der Richtlinie
Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens
zum 2. Dezember 2003 nachzukommen, oder können den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die
Durchführung der Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen
fallen. In diesem Fall gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Sozialpartner spätestens zum 2. Dezember 2003 im
Weg einer Vereinbarung die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben; dabei haben die Mitgliedstaaten alle
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch diese Richtlinie
vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
Um besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, können die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls eine Zusatzfrist von
drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003, d. h. insgesamt sechs Jahre, in Anspruch nehmen, um die Bestimmungen dieser
Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung umzusetzen. In diesem Fall setzen sie die
Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Ein Mitgliedstaat, der die Inanspruchnahme dieser Zusatzfrist beschließt,
erstattet der Kommission jährlich Bericht über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der
Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der
Richtlinie erzielt werden konnten. Die Kommission erstattet dem Rat jährlich Bericht.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2.12.2000 L 303/22
Wenn die Mitgliedstaaten derartige Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen
Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der
Bezugnahme.
Artikel 19
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 112
Bericht
(1) Bis zum 2. Dezember 2005 und in der Folge alle fünf Jahre übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission
sämtliche Informationen, die diese für die Erstellung eines dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegenden
Berichts über die Anwendung dieser Richtlinie benötigt.
(2) Die Kommission berücksichtigt in ihrem Bericht in angemessener Weise die Standpunkte der Sozialpartner und der
einschlägigen Nichtregierungsorganisationen. Im Einklang mit dem Grundsatz der systematischen Berücksichtigung
geschlechterspezifischer Fragen wird ferner in dem Bericht die Auswirkung der Maßnahmen auf Frauen und Männer
bewertet. Unter Berücksichtigung der übermittelten Informationen enthält der Bericht erforderlichenfalls auch
Vorschläge für eine Änderung und Aktualisierung dieser Richtlinie.
Artikel 20
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Artikel 21
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 27. November 2000.
Im Namen des Rates
Der Präsident
É. GUIGOU
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 113
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 19.7.2000 L 180/22
RICHTLINIE 2000/43/EG DES RATES
vom 29. Juni 2000
zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 13,
auf Vorschlag der Kommission1,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments2,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses3,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen4,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Der Vertrag über die Europäische Union markiert den Beginn einer neuen Etappe im Prozeß des immer engeren
Zusammenwachsens der Völker Europas.
(2)
Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der
Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit;
diese Grundsätze sind den Mitgliedstaaten gemeinsam. Nach Artikel 6 EU-Vertrag sollte die Union ferner die
Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen als allgemeine Grundsätze
des Gemeinschaftsrechts ergeben, achten.
(3)
Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein allgemeines
Menschenrecht. Dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen
über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Übereinkommen zur
Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche und
politische Rechte sowie im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und in
der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten anerkannt, die von allen
Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden.
(4)
Es ist wichtig, daß diese Grundrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Vereinigungsfreiheit, geachtet
werden. Ferner ist es wichtig, daß im Zusammenhang mit dem Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten
Geschäfte gewahrt bleibt.
(5)
Das Europäische Parlament hat eine Reihe von Entschließungen zur Bekämpfung des Rassismus in der
Europäischen Union angenommen.
(6)
Die Europäische Union weist Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher
Rassen zu belegen, zurück. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in dieser Richtlinie impliziert nicht die
Akzeptanz solcher Theorien.
(7)
Auf seiner Tagung in Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 ersuchte der Europäische Rat die Kommission, so
bald wie möglich Vorschläge zur Durchführung des Artikels 13 EG-Vertrag im Hinblick auf die Bekämpfung
von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorzulegen.
1
2
3
4
Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.
Stellungnahme vom 18. Mai 2000 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
Stellungnahme vom 12. April 2000 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
Stellungnahme vom 31. Mai 2000 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 114
(8)
In den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten
beschäftigungspolitischen Leitlinien für das Jahr 2000 wird die Notwendigkeit unterstrichen, günstigere
Bedingungen für die Entstehung eines Arbeitsmarktes zu schaffen, der soziale Integration fördert; dies soll durch
ein Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen geschehen, die darauf abstellen, Diskriminierungen
bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, wie ethnischer Minderheiten, zu bekämpfen.
(9)
Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft können die Verwirklichung der im EGVertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und
eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Solidarität. Ferner kann das Ziel der Weiterentwicklung
der Europäischen Union zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beeinträchtigt werden.
(10) Die Kommission legte im Dezember 1995 eine Mitteilung über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus vor.
(11) Der Rat hat am 15. Juli 1996 die Gemeinsame Maßnahme 96/443/JI zur Bekämpfung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit5 angenommen, mit der sich die Mitgliedstaaten verpflichten, eine wirksame justitielle
Zusammenarbeit bei Vergehen, die auf rassistischen oder fremdenfeindlichen Verhaltensweisen beruhen, zu
gewährleisten.
(12) Um die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die allen Menschen — ohne
Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft — eine Teilhabe ermöglichen, sollten spezifische
Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft über
die Gewährleistung des Zugangs zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit hinausgehen und auch
Aspekte wie Bildung, Sozialschutz, einschließlich sozialer Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale
Vergünstigungen, Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, mit abdecken.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 19.7.2000 L 180/23
(13) Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen
Herkunft in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. Dieses
Diskriminierungsverbot sollte auch hinsichtlich Drittstaatsangehörigen angewandt werden, betrifft jedoch keine
Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit und läßt die Vorschriften über die Einreise und den
Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen und ihren Zugang zu Beschäftigung und Beruf unberührt.
(14) Bei der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ohne Ansehen der Rasse oder der ethnischen
Herkunft sollte die Gemeinschaft im Einklang mit Artikel 3 Absatz 2 EG-Vertrag bemüht sein, Ungleichheiten zu
beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern, zumal Frauen häufig Opfer mehrfacher
Diskriminierungen sind.
(15) Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen,
obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den nationalen
Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten. In diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen
sein, daß mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.
(16) Es ist wichtig, alle natürlichen Personen gegen Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen
Herkunft zu schützen. Die Mitgliedstaaten sollten auch, soweit es angemessen ist und im Einklang mit ihren
nationalen Gepflogenheiten und Verfahren steht, den Schutz juristischer Personen vorsehen, wenn diese aufgrund
der Rasse oder der ethnischen Herkunft ihrer Mitglieder Diskriminierungen erleiden.
(17) Das Diskriminierungsverbot sollte nicht der Beibehaltung oder dem Erlaß von Maßnahmen entgegenstehen, mit
denen bezweckt wird, Benachteiligungen von Angehörigen einer bestimmten Rasse oder ethnischen Gruppe zu
verhindern oder auszugleichen, und diese Maßnahmen können Organisation von Personen einer bestimmten
Rasse oder ethnischen Herkunft gestatten, wenn deren Zweck hauptsächlich darin besteht, für die besonderen
Bedürfnisse dieser Personen einzutreten.
(18) Unter sehr begrenzten Bedingungen kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein
Merkmal, das mit der Rasse oder ethnischen Herkunft zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende
berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen legitimen Zweck und eine angemessene Anforderung
5
ABl. L 185 vom 24.7.1996, S. 5.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 115
handelt. Diese Bedingungen sollten in die Informationen aufgenommen werden, die die Mitgliedstaaten der
Kommission übermitteln.
(19) Opfer von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft sollten über einen
angemessenen Rechtsschutz verfügen. Um einen effektiveren Schutz zu gewährleisten, sollte auch die
Möglichkeit bestehen, daß sich Verbände oder andere juristische Personen unbeschadet der nationalen
Verfahrensordnung bezüglich der Vertretung und Verteidigung vor Gericht bei einem entsprechenden Beschluß
der Mitgliedstaaten im Namen eines Opfers oder zu seiner Unterstützung an einem Verfahren beteiligen.
(20) Voraussetzungen für eine effektive Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes sind ein angemessener Schutz vor
Viktimisierung.
(21) Eine Änderung der Regeln für die Beweislastverteilung ist geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer
Diskriminierung besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der
Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist.
(22) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, die Regeln für die Beweislastverteilung auf Verfahren anzuwenden,
in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt. Dies betrifft
Verfahren, in denen die klagende Partei den Beweis des Sachverhalts, dessen Ermittlung dem Gericht oder der
zuständigen Stelle obliegt, nicht anzutreten braucht.
(23) Die Mitgliedstaaten sollten den Dialog zwischen den Sozialpartnern und mit Nichtregierungsorganisationen
fördern, mit dem Ziel, gegen die verschiedenen Formen von Diskriminierung anzugehen und diese zu bekämpfen.
(24) Der Schutz vor Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft würde verstärkt, wenn es in
jedem Mitgliedstaat eine Stelle bzw. Stellen gäbe, die für die Analyse der mit Diskriminierungen verbundenen
Probleme, die Prüfung möglicher Lösungen und die Bereitstellung konkreter Hilfsangebote an die Opfer
zuständig wäre.
(25) In dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt; den Mitgliedstaaten steht es somit frei, günstigere
Vorschriften beizubehalten oder einzuführen. Die Umsetzung der Richtlinie darf nicht als Rechtfertigung für eine
Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus benutzt werden.
(26) Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für den Fall vorsehen,
daß gegen die aus der Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen verstoßen wird.
(27) Die Mitgliedstaaten können den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung der
Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen, sofern sie
alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, daß die durch diese Richtlinie
vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden.
(28) Entsprechend dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip kann
das Ziel dieser Richtlinie, nämlich ein einheitliches, hohes Niveau des Schutzes vor Diskriminierungen in allen
Mitgliedstaaten zu gewährleisten, auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden; es kann
daher wegen des Umfangs und der Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene
verwirklicht werden. Diese Richtlinie geht nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß
hinaus —
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 19.7.2000 L 180/24
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
KAPITEL I
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1
Zweck
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 116
Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder
der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den
Mitgliedstaaten.
Artikel 2
Der Begriff „Diskriminierung“
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“, daß es keine unmittelbare oder mittelbare
Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.
(2) Im Sinne von Absatz 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in
einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren
Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei
denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich
gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(3) Unerwünschte Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft einer Person
stehen und bezwecken oder bewirken, daß die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen,
Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, sind
Belästigungen, die als Diskriminierung im Sinne von Absatz 1 gelten. In diesem Zusammenhang können die
Mitgliedstaaten den Begriff „Belästigung“ im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und
Gepflogenheiten definieren.
(4) Die Anweisung zur Diskriminierung einer Person aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft gilt als
Diskriminierung im Sinne von Absatz 1.
Artikel 3
Geltungsbereich
(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in
öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in bezug auf:
a) die Bedingungen — einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen — für den Zugang zu
unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie
für den beruflichen Aufstieg;
b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen
Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung;
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich Entlassungsbedingungen und Arbeitsentgelt;
d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation,
deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Innanspruchnahme der Leistungen
solcher Organisationen;
e) den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste;
f) die sozialen Vergünstigungen;
g) die Bildung;
h) den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen,
einschließlich von Wohnraum.
(2) Diese Richtlinie betrifft nicht unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht
die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen in
das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder deren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich
aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenlosen Personen ergibt.
Artikel 4
Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen
Ungeachtet des Artikels 2 Absätze 1 und 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, daß eine Ungleichbehandlung
aufgrund eines mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft zusammenhängenden Merkmals keine Diskriminierung
darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 117
Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern
es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
Artikel 5
Positive Maßnahmen
Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der vollen Gleichstellung
in der Praxis spezifische Maßnahmen, mit denen Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft
verhindert oder ausgeglichen werden, beizubehalten oder zu beschließen.
Artikel 6
Mindestanforderungen
(1) Es bleibt den Mitgliedstaaten unbenommen, Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die
Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.
(2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten
bereits garantierten Schutzniveaus in bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen
benutzt werden.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 19.7.2000 L 180/25
KAPITEL II
RECHTSBEHELFE UND RECHTSDURCHSETZUNG
Artikel 7
Rechtsschutz
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem
Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren
geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll,
bereits beendet ist.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den in
ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der
Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren
Unterstützung und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen
Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.
(3) Die Absätze 1 und 2 lassen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den
Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt.
Artikel 8
Beweislast
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um
zu gewährleisten, daß immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle
Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen,
es dem Beklagten obliegt zu beweisen, daß keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Absatz 1 läßt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen,
unberührt.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 2.
(5) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des
Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 118
Artikel 9
Viktimisierung
Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um den
einzelnen vor Benachteiligungen zu schützen, die als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines
Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen.
Artikel 10
Unterrichtung
Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die gemäß dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen sowie die bereits
geltenden einschlägigen Vorschriften allen Betroffenen in geeigneter Form in ihrem Hoheitsgebiet bekanntgemacht
werden.
Artikel 11
Sozialer Dialog
(1) Die Mitgliedstaaten treffen im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten und Verfahren geeignete Maßnahmen
zur Förderung des sozialen Dialogs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit dem Ziel, die Verwirklichung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Überwachung der betrieblichen Praxis, durch Tarifverträge, Verhaltenskodizes,
Forschungsarbeiten oder durch einen Austausch von Erfahrungen und bewährten Lösungen voranzubringen.
(2) Soweit vereinbar mit den nationalen Gepflogenheiten und Verfahren, fordern die Mitgliedstaaten Arbeitgeber und
Arbeitnehmer ohne Eingriff in deren Autonomie auf, auf geeigneter Ebene Antidiskriminierungsvereinbarungen zu
schließen, die die in Artikel 3 genannten Bereiche betreffen, soweit diese in den Verantwortungsbereich der
Tarifparteien fallen. Die Vereinbarungen müssen den in dieser Richtlinie festgelegten Mindestanforderungen sowie den
einschlägigen nationalen Durchführungsbestimmungen entsprechen.
Artikel 12
Dialog mit Nichtregierungsorganisationen
Die Mitgliedstaaten fördern den Dialog mit geeigneten Nichtregierungsorganisationen, die gemäß ihren nationalen
Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich an der Bekämpfung von
Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu beteiligen, um den Grundsatz der
Gleichbehandlung zu fördern.
KAPITEL III
MlT DER FÖRDERUNG DER GLEICHBEHANDLUNG BEFASSTE STELLEN
Artikel 13
(1) Jeder Mitgliedstaat bezeichnet eine oder mehrere Stellen, deren Aufgabe darin besteht, die Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen
Herkunft zu fördern. Diese Stellen können Teil einer Einrichtung sein, die auf nationaler Ebene für den Schutz der
Menschenrechte oder der Rechte des einzelnen zuständig ist.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß es zu den Zuständigkeiten dieser Stellen gehört,
— unbeschadet der Rechte der Opfer und der Verbände, der Organisationen oder anderer juristischer Personen nach
Artikel 7 Absatz 2 die Opfer von Diskriminierungen auf unabhängige Weise dabei zu unterstützen, ihrer
Beschwerde wegen Diskriminierung nachzugehen;
— unabhängige Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung durchzuführen;
— unabhängige Berichte zu veröffentlichen und Empfehlungen zu allen Aspekten vorzulegen, die mit diesen
Diskriminierungen in Zusammenhang stehen.
DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 19.7.2000 L 180/26
KAPITEL IV
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 119
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 14
Einhaltung
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen,
a) daß sämtliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen,
aufgehoben werden;
b) daß sämtliche mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Einzel- oder
Kollektivverträgen oder -vereinbarungen, Betriebsordnungen, Statuten von Vereinigungen mit oder ohne
Erwerbszweck sowie Statuten der freien Berufe und der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen für nichtig
erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden.
Artikel 15
Sanktionen
Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur
Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um deren Durchsetzung zu
gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam,
verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Bestimmungen bis zum 19.
Juli 2003 mit und melden alle sie betreffenden Änderungen unverzüglich.
Artikel 16
Umsetzung
Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie bis zum 19.
Juli 2003 nachzukommen, oder können den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung der
Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von Tarifverträgen fallen. In diesem Fall
gewährleisten die Mitgliedstaaten, daß die Sozialpartner bis zum 19. Juli 2003 im Wege einer Vereinbarung die
erforderlichen Maßnahmen getroffen haben; dabei haben die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen,
um jederzeit gewährleisten zu können, daß die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. Sie
setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
Wenn die Mitgliedstaaten derartige Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen
Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der
Bezugnahme.
Artikel 17
Bericht
(1) Bis zum 19. Juli 2005 und in der Folge alle fünf Jahre übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission sämtliche
Informationen, die diese für die Erstellung eines dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegenden Berichts
über die Anwendung dieser Richtlinie benötigt.
(2) Die Kommission berücksichtigt in ihrem Bericht in angemessener Weise die Ansichten der Europäischen Stelle zur
Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Standpunkte der Sozialpartner und der einschlägigen
Nichtregierungsorganisationen.
Im Einklang mit dem Grundsatz der Berücksichtigung geschlechterspezifischer Fragen wird ferner in dem Bericht die
Auswirkung der Maßnahmen auf Frauen und Männer bewertet. Unter Berücksichtigung der übermittelten
Informationen enthält der Bericht gegebenenfalls auch Vorschläge für eine Änderung und Aktualisierung dieser
Richtlinie.
Artikel 18
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Artikel 19
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 120
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Luxemburg am 29. Juni 2000.
Im Namen des Rates
Der Präsident
M. ARCANJO
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 121
Amtsblatt Nr. L 039 vom 14/02/1976 S. 0040 - 0042
Richtlinie 76/207/EWG des Rates
vom 9. Februar 1976
zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs
zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 235,
auf Vorschlag der Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses2,
in Erwägung nachstehender Gründe:
Der Rat hat in seiner Entschließung vom 21. Januar 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm3 als eine der
Prioritäten die Durchführung von Aktionen festgelegt, die zum Ziel haben, gleiche Bedingungen für Männer und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur beruflichen Bildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf
die Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlohnung zu schaffen.
In bezug auf die Entlohnung hat der Rat am 10. Februar 1975 die Richtlinie 75/117/EWG zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und
Frauen angenommen4.
Ein Tätigwerden der Gemeinschaft erscheint auch notwendig, um den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in
bezug auf die sonstigen Arbeitsbedingungen zu verwirklichen. Die Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen
Arbeitnehmern stellt eines der Ziele der Gemeinschaft dar, soweit es sich insbesondere darum handelt, auf dem Wege
des Fortschritts die Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte zu fördern. Im Vertrag sind die
besonderen, hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit ist durch spätere Rechtsakte zu definieren und
schrittweise zu verwirklichen HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Artikel 1
(1) Diese Richtlinie hat zum Ziel, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung
sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen und in bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen
Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im folgenden als "Grundsatz der Gleichbehandlung" bezeichnet.
(2) Der Rat erlässt im Hinblick auf die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich
der sozialen Sicherheit auf Vorschlag der Kommission Bestimmungen, in denen dazu insbesondere der Inhalt, die
Tragweite und die Anwendungsmodalitäten angegeben sind.
Artikel 2
1
2
3
4
ABl. Nr. C 111 vom 20.5.1975, S. 14.
ABl. Nr. C 286 vom 15.12.1975, S. 8.
ABl. Nr. C 13 vom 12.2.1974, S. 1.
ABl. Nr. L 45 vom 19.2.1975, S. 19.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 122
(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare
oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder
Familienstand - erfolgen darf.
(2) Diese Richtlinie steht nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, solche beruflichen Tätigkeiten und
gegebenenfalls die dazu jeweils erforderliche Ausbildung, für die das Geschlecht auf Grund ihrer Art oder der
Bedingungen ihrer Ausübung eine unabdingbare Voraussetzung darstellt, von ihrem Anwendungsbereich
auszuschließen.
(3) Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und
Mutterschaft, entgegen.
(4) Diese Richtlinie steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen,
insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in
Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen, entgegen.
Artikel 3
(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, daß bei den Bedingungen des Zugangs einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen - unabhängig vom Tätigkeitsbereich
oder Wirtschaftszweig - und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des
Geschlechts erfolgt.
(2) Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen,
a) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt
werden;
b) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Bestimmungen in Tarifverträgen oder
Einzelarbeitsverträgen, in Betriebsordnungen sowie in den Statuten der freien Berufe nichtig sind, für nichtig erklärt
oder geändert werden können;
c) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften, bei denen
der Schutzgedanke, aus dem heraus sie ursprünglich entstanden sind, nicht mehr begründet ist, revidiert werden ;
daß hinsichtlich der Tarifbestimmungen gleicher Art die Sozialpartner zu den wünschenswerten Revisionen
aufgefordert werden.
Artikel 4
Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in bezug auf den Zugang zu allen Arten und Stufen der
Berufsberatung, der Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung und Umschulung beinhaltet, daß die Mitgliedstaaten
die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen,
a) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt
werden;
b) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Bestimmungen in Tarifverträgen oder
Einzelarbeitsverträgen, in Betriebsordnungen sowie in den Statuten der freien Berufe nichtig sind, für nichtig erklärt
oder geändert werden können;
c) daß Berufsberatung, Berufsbildung, berufliche Weiterbildung um Umschulung - vorbehaltlich in der in einigen
Mitgliedstaaten bestimmten privaten Bildungseinrichtungen gewährten Autonomie - auf allen Stufen zu gleichen
Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zugänglich sind.
Artikel 5
(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der
Entlassungsbedingungen beinhaltet, daß Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund
des Geschlechts gewährt werden.
(2) Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen,
a) daß die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden;
b) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Bestimmungen in Tarifverträgen oder
Einzelarbeitsverträgen, in Betriebsordnungen sowie in den Statuten der freien Berufe nichtig sind, für nichtig erklärt
oder geändert werden können;
c) daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften, bei denen
der Schutzgedanke, aus dem heraus sie ursprünglich entstanden sind, nicht mehr begründet ist, revidiert werden ;
daß hinsichtlich der Tarifbestimmungen gleicher Art die Sozialpartner zu den wünschenswerten Revisionen
aufgefordert werden.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 123
Artikel 6
Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich wegen
Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert
hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.
Artikel 7
Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um Arbeitnehmer vor jeder Entlassung zu schützen, die eine
Reaktion des Arbeitgebers auf eine Beschwerde im Betrieb oder gerichtliche Klage auf Einhaltung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung darstellt.
Artikel 8
Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die in Anwendung dieser Richtlinie ergehenden Maßnahmen sowie die
bereits geltenden einschlägigen Vorschriften den Arbeitnehmern in jeder geeigneten Form bekanntgemacht werden,
beispielsweise in den Betrieben.
Artikel 9
(1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie
binnen dreissig Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen, und unterrichten hiervon unverzueglich die
Kommission. Eine erste Prüfung und gegebenenfalls eine erste Revision der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im
Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe c) erster Halbsatz und des Artikels 5 Absatz 2 Buchstabe c) erster Halbsatz
nehmen die Mitgliedstaaten jedoch innerhalb von vier Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie vor.
(2) Die Mitgliedstaaten prüfen in regelmässigen Abständen die unter Artikel 2 Absatz 2 fallenden beruflichen
Tätigkeiten, um unter Berücksichtigung der sozialen. Entwicklung festzustellen, ob es gerechtfertigt ist, die
betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten. Sie übermitteln der Kommission das Ergebnis dieser Prüfung.
(3) Ausserdem teilen die Mitgliedstaaten der Kommission den Wortlaut der Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit,
die sie im Anwendungsbereich dieser Richtlinie erlassen.
Artikel 10
Binnen zwei Jahren nach Ablauf der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 1 vorgesehenen Frist von dreissig Monaten
übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission alle zweckdienlichen Angaben, damit diese für den Rat einen Bericht
über die Anwendung dieser Richtlinie erstellen kann.
Artikel 11
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 9. Februar 1976.
Im Namen des Rates
Der Präsident
G. THORN
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 124
L 14/6 DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 20. 1. 98
RICHTLINIE 97/80/EG DES RATES
vom 15. Dezember 1997
über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf das Abkommen über die Sozialpolitik im Anhang zu dem dem Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft beigefügten Protokoll (Nr. 14) über die Sozialpolitik, insbesondere auf Artikel 2 Absatz 2,
auf Vorschlag der Kommission1,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses2,
gemäß dem Verfahren des Artikels 189c des Vertrags3,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)
Ausgehend von dem Protokoll über die Sozialpolitik im Anhang zum Vertrag haben die Mitgliedstaaten mit
Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (nachstehend „Mitgliedstaaten“ genannt)
in dem Wunsch, die Sozialcharta von 1989 umzusetzen, ein Abkommen über die Sozialpolitik geschlossen.
(2)
Die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer erkennt die Bedeutung der Bekämpfung
von Diskriminierungen jeglicher Art, insbesondere aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Rasse, Überzeugung
oder Glauben, an.
(3)
Artikel 16 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer über die Gleichbehandlung von
Männern und Frauen sieht unter anderem vor, daß „überall dort, wo dies erforderlich ist, die Maûnahmen zu
verstärken (sind), mit denen die Verwirklichung der Gleichheit von Männern und Frauen, vor allem im Hinblick
auf den Zugang zu Beschäftigung, Arbeitsentgelt, sozialen Schutz, allgemeine und berufliche Bildung sowie den
beruflichen Aufstieg, sichergestellt wird.“
(4)
Die Kommission hat die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Abkommens über
die Sozialpolitik zu der Frage gehört, wie eine Gemeinschaftsmaßnahme zur Regelung der Beweislast bei
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gegebenenfalls ausgerichtet werden sollte.
(5)
Die Kommission hat nach dieser Anhörung eine Gemeinschaftsmaßnahme für zweckmäßig gehalten und die
Sozialpartner gemäß Artikel 3 Absatz 3 des Abkommens über die Sozialpolitik erneut zum Inhalt des in Aussicht
genommenen Vorschlags gehört; die Sozialpartner haben ihre Stellungnahme abgegeben.
(6)
Nach Abschluß dieser zweiten Anhörung haben die Sozialpartner der Kommission nicht mitgeteilt, daß sie den
Prozeß nach Artikel 4 des Abkommens über die Sozialpolitik, das zum Abschluû einer Vereinbarung führen
kann, in Gang setzen wollen.
(7)
Gemäß Artikel 1 des Abkommens haben die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten unter anderem das Ziel, die
Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die praktische Umsetzung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Frauen und Männern trägt zur Verwirklichung dieses Ziels bei.
(8)
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist niedergelegt in Artikel 119 des Vertrags und in der Richtlinie 75/117/EWG
des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen4 sowie in der Richtlinie 76/207/EWG
des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
1
ABl. C 332 vom 7. 11. 1996, S. 11 und ABl. C 185 vom 18. 6. 1997, S. 21.
ABl. C 133 vom 28. 4. 1997, S. 34.
3 Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 10. April 1997 (ABl. C 132 vom 28. 4. 1997, S. 215), gemeinsamer Standpunkt
des Rates vom 24. Juli 1997 (ABl. C 307 vom 8. 10. 1997, S. 6) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 6. November
1997 (ABl. C 358 vom 24. 11. 1997).
4 ABl. L 45 vom 19. 2. 1975, S. 19.
2
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 125
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in
bezug auf die Arbeitsbedingungen5.
(9)
Die Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur
Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen
und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der
Richtlinie 89/391/EWG)6 trägt ebenso zur Verwirklichung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei.
Sie soll die Wirksamkeit der obengenannten Richtlinien über die Gleichbehandlung nicht beeinträchtigen. Die
Änderung der Regeln für die Beweislastverteilung sollte auch für die von der genannten Richtlinie betroffenen
Arbeitnehmerinnen gelten.
20. 1. 98 DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 14/7
(10) Die Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen
Rahmenvereinbarung über Elternurlaub1 beruht ebenfalls auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen.
(11) Die Worte „gerichtlich“ und „Gericht“ beziehen sich auf Verfahren, nach denen Streitfälle unabhängigen Stellen
zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt werden können, welche für die Parteien dieser Streitfälle bindende
Beschlüsse fassen können.
(12) Unter „außergerichtlichen Verfahren“ sind insbesondere Verfahren wie die gütliche Einigung und die
Vermittlung zu verstehen.
(13) Die Bewertung der Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten
lassen, obliegt dem einzelstaatlichen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle im Einklang mit den
innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten.
(14) Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, auf jeder Stufe des Verfahrens eine für die klagende Partei günstigere
Beweislastregelung vorzusehen.
(15) Es muß den Besonderheiten der Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden, unter
anderem in den Fällen, in denen auf das Vorliegen einer Diskriminierung geschlossen werden kann, wenn es dem
Beklagten nicht gelingt, das Gericht oder die zuständige Stelle davon zu überzeugen, daß der
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde.
(16) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, die Regeln für die Beweislastverteilung auf Verfahren anzuwenden,
in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt. Dies betrifft
Verfahren, in denen die klagende Partei den Beweis des Sachverhalts, dessen Ermittlung dem Gericht oder der
zuständigen Stelle obliegt, nicht anzutreten braucht.
(17) Der klagenden Partei stünde unter Umständen kein wirksames Mittel zur Verfügung, um die Einhaltung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes vor den nationalen Gerichten durchzusetzen, wenn der Beweis des Anscheins
einer Diskriminierung nicht dazu führte, dem Beklagten die Beweislast dafür aufzuerlegen, daß sein Verhalten in
Wirklichkeit nicht diskriminierend ist.
(18) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat daher entschieden, daß eine Änderung der Regeln für die
Beweislastverteilung geboten ist, wenn der Anschein einer Diskriminierung besteht, und daß in solchen Fällen
zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte
Partei erforderlich ist.
(19) Eine mittelbare Diskriminierung ist noch schwieriger zu beweisen. Deshalb ist es wichtig, daß der Begriff der
mittelbaren Diskriminierung definiert wird.
(20) Da eine angemessene Beweislastverlagerung nicht in allen Mitgliedstaaten zufriedenstellend verwirklicht wird,
ist es gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 3b des Vertrags sowie dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit geboten, dieses Ziel auf Gemeinschaftsebene zu verfolgen. Diese Richtlinie beschränkt sich
auf die erforderlichen Mindestvorschriften und geht nicht über das zu diesem Zweck notwendige Maß hinaus 5
ABl. L 39 vom 14. 2. 1976, S. 40.
ABl. L 348 vom 28. 11. 1992, S. 1.
1 ABl. L 145 vom 19. 6. 1996, S. 4.
6
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 126
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Artikel 1
Ziel
Mit dieser Richtlinie soll eine wirksamere Durchführung der Maûnahmen gewährleistet werden, die von den
Mitgliedstaaten in Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes getroffen werden, damit jeder, der sich wegen
Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, seine Rechte nach etwaiger Befassung anderer
zuständiger Stellen gerichtlich geltend machen kann.
Artikel 2
Definitionen
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet der Ausdruck „Gleichbehandlungsgrundsatz“, daß keine unmittelbare oder
mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgen darf.
(2) Im Sinne des in Absatz 1 genannten Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn
dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen
eines Geschlechts benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen
und notwendig und sind durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt.
Artikel 3
Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf
a) die Situationen, die von Artikel 119 des Vertrags und den Richtlinien 75/117/EWG, 76/207/EWG, und - sofern die
Frage einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesprochen ist - den Richtlinien 92/85/EWG und
96/34/EG erfaßt werden;
L 14/8 DE Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 20. 1. 98
b) zivil- und verwaltungsrechtliche Verfahren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor, die Rechtsbehelfe
nach innerstaatlichem Recht bei der Anwendung der Vorschriften gemäß Buchstabe a) vorsehen, mit Ausnahme der
freiwilligen oder in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen außergerichtlichen Verfahren.
(2) Soweit von den Mitgliedstaaten nicht anders geregelt, gilt diese Richtlinie nicht für Strafverfahren.
Artikel 4
Beweislast
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen
Maßnahmen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für
beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das
Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu
beweisen, daß keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Diese Richtlinie läßt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die klagende Partei günstigere Beweislastregelung
vorzusehen, unberührt.
(3) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des
Sachverhalts dem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle obliegt.
Artikel 5
Information
Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die in Anwendung dieser Richtlinie ergehenden Maßnahmen sowie die
bereits geltenden einschlägigen Vorschriften allen Betroffenen in geeigneter Form bekanntgemacht werden.
Artikel 6
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 127
Sicherung des Schutzniveaus
Die Durchführung dieser Richtlinie rechtfertigt in keinem Fall eine Beeinträchtigung des allgemeinen Schutzniveaus
der Arbeitnehmer in dem von ihr abgedeckten Bereich; das Recht der Mitgliedstaaten, als Reaktion auf eine veränderte
Situation Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die sich von denen unterscheiden, die zum Zeitpunkt der
Bekanntgabe dieser Richtlinie in Kraft waren, bleibt unberührt, solange die Mindestvorschriften dieser Richtlinie
eingehalten werden.
Artikel 7
Durchführung
Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens ab
dem 1. Januar 2001 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die
Mitgliedstaaten derartige Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der
amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens zwei Jahre nach Durchführung dieser Richtlinie alle
zweckdienlichen Angaben, damit die Kommission einen Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die
Anwendung dieser Richtlinie erstellen kann.
Artikel 8
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 15. Dezember 1997.
Im Namen des Rates
Der Präsident
J.-C. JUNCKER
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 128
Weitere im Material erwähnte Normen
KONSOLIDIERTE FASSUNG DES VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION
Amtsblatt Nr. C 325 vom 24. Dezember 2002
Artikel 6
(1) Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.
(2) Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts
ergeben.
(3) Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten.
(4) Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken
erforderlich sind.
VERTRAG VON AMSTERDAM ZUR ÄNDERUNG DES VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE
UNION, DER VERTRÄGE ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
SOWIE EINIGER DAMIT ZUSAMMENHÄNGENDER RECHTSAKTE
Amtsblatt Nr. C 340 vom 10. November 1997
Artikel 13 (ex-Artikel 6 a)
Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die
Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen
Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der
Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.
KONSOLIDIERTE FASSUNG DES VERTRAGS ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN
GEMEINSCHAFT
Artikel 141
(1) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher
oder gleichwertiger Arbeit sicher.
(2) Unter "Entgelt" im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle
sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer
unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet,
a) dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,
b) dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.
(3) Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und
Sozialausschusses Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich des Grundsatzes
des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.
(4) Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben
hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 129
des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der
beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Artikel 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage
jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar
geltendes Recht.
Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und
nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese
Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Artikel 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung
von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und
Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Artikel 4
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind
unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein
Bundesgesetz.
Artikel 12
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung
kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen,
für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Artikel 12a
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz
oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet
werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz,
das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes
vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
(3) Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle
durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des
Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtliche
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 130
Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig.
Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen
Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der
Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.
(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der
ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom
vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe
verpflichtet werden.
(5) Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80a
Abs. 1 begründet werden. Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für die besondere Kenntnisse oder
Fertigkeiten erforderlich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Teilnahme an
Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. Satz 1 findet insoweit keine Anwendung.
(6) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf
freiwilliger Grundlage nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs die Freiheit der Deutschen, die
Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt
werden. Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1 entsprechend.
Artikel 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der
Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle
der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Artikel 73
Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
1. die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3. die Freizügigkeit, das Paßwesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des
Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und
Grenzschutzes;
6. den Luftverkehr;
6a. den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des
Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die
Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7. das Postwesen und die Telekommunikation;
8. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen
Rechtes stehenden Personen;
9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a) in der Kriminalpolizei,
b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder
eines Landes (Verfassungsschutz) und
c) zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete
Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11. die Statistik für Bundeszwecke.
Artikel 140
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 131
Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind
Bestandteil dieses Grundgesetzes.
Artikel 136 WRV
(1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit
weder bedingt noch beschränkt.
(2) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig
von dem religiösen Bekenntnis.
(3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht,
nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine
gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
(4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur
Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.
Artikel 137 WRV
(1) Es besteht keine Staatskirche.
(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von
Religionsgemeinschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für
alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes soweit sie solche bisher waren.
Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung
und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche
Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche
Körperschaft.
(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der
bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.
(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer
Weltanschauung zur Aufgabe machen.
(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung
ob.
Artikel 138 WRV
(1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften
werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.
(2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-,
Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecken bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden
gewährleistet.
Artikel 139 WRV
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung
gesetzlich geschützt.
Artikel 141 WRV
Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen
offentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei
jeder Zwang fernzuhalten ist.
Betriebsverfassungsgesetz
§ 1 Errichtung von Betriebsräten
(1) In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar
sind, werden Betriebsräte gewählt. Dies gilt auch für gemeinsame Betriebe mehrerer Unternehmen.
(2) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen wird vermutet, wenn
1. zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen
gemeinsam eingesetzt werden oder
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 132
2. die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der
Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen
Betriebs wesentlich ändert.
§ 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten
(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene
Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des
Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann
auch vom Betriebsrat beantragt werden.
(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. §
16 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen
seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung
zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der
ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen
oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden
Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm
durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom
Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt
sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und
Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.
§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen
von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung Benachteiligung von
Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer
ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder
Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder
Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Sie haben darauf zu achten, dass
Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer
zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu
fördern.
Zur Begründung der Änderung
§ 85 Behandlung von Beschwerden durch den Betriebsrat
(1) Der Betriebsrat hat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet,
beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken.
(2) Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde,
so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies gilt nicht, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist.
(3) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Behandlung der Beschwerde zu unterrichten. § 84 Abs. 2 bleibt
unberührt.
Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten
des Bundes
§ 4 Begriffsbestimmungen
(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind Beamtinnen und Beamte, Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter sowie
zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte, ferner Inhaberinnen und Inhaber öffentlich-rechtlicher Ämter sowie Richterinnen
und Richter.
(2) Familienpflichten im Sinne dieses Gesetzes bestehen, wenn eine beschäftigte Person mindestens ein Kind unter 18
Jahren oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 133
(3) Bereiche im Sinne dieses Gesetzes sind die einzelnen Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen,
Laufbahngruppen, Laufbahnen und Fachrichtungen sowie zusätzlich die Funktionen mit Vorgesetzten- und
Leitungsaufgaben in der Dienststelle. Für die Berufsausbildung gilt Entsprechendes.
(4) Zu den Funktionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben gehören auch die Stellen Vorsitzender Richterinnen
und Vorsitzender Richter.
(5) Dienststellen im Sinne dieses Gesetzes sind die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe der in § 3
genannten Verwaltungen sowie die Gerichte des Bundes; maßgebend ist § 6 Abs. 1, 2 und 4 des
Bundespersonalvertretungsgesetzes.
(6) Frauen sind dann als unterrepräsentiert anzusehen, wenn der Frauenanteil an den Beschäftigten in den einzelnen
Bereichen nach Absatz 3 jeweils unter 50 Prozent liegt.
(7) Eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen ist gegeben, wenn Frauen wegen ihres Geschlechts bei einer
Vereinbarung oder Maßnahme im Vergleich zu Männern unterschiedlich behandelt werden, soweit nicht die
Vereinbarung oder Maßnahme die Art der auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht
unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Eine mittelbare Diskriminierung von Frauen liegt vor, wenn dem
Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil von Frauen
benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen und notwendig
und sie sind durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt.
(8) Arbeitsplätze im Sinne dieses Gesetzes sind Ausbildungsplätze, Stellen, Planstellen und Dienstposten, für die nach
haushaltsrechtlichen Vorgaben lediglich finanzielle Mittel benötigt werden.
§ 5 Grundsatz; entsprechende Anwendung von Vorschriften
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden Anwendung, soweit nicht ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare
Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.
(2) Bei Verstößen der Dienststelle gegen die Benachteiligungsverbote bei Begründung eines Dienstverhältnisses und
beim beruflichen Aufstieg gilt § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend für Beamtinnen und Beamte sowie
für Frauen und Männer, die sich für eine solche Tätigkeit bewerben.
§ 19 Aufgaben
(1) Die Gleichstellungsbeauftragte hat die Aufgabe, den Vollzug dieses Gesetzes sowie des Beschäftigtenschutzgesetzes
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Hinblick auf den Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts
und sexueller Belästigung in der Dienststelle zu fördern und zu überwachen. Sie wirkt bei allen personellen,
organisatorischen und sozialen Maßnahmen ihrer Dienststelle mit, die die Gleichstellung von Frauen und Männern, die
Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betreffen.
Sie ist frühzeitig zu beteiligen, insbesondere bei
1. Personalangelegenheiten an der Vorbereitung und Entscheidung über die Vergabe von Ausbildungsplätzen,
Einstellung, Anstellung, Abordnung und Umsetzung mit einer Dauer von über drei Monaten, Versetzung, Fortbildung,
beruflichen Aufstieg und vorzeitige Beendigung der Beschäftigung,
2. organisatorischen und sozialen Angelegenheiten,
3. der Abfassung von Beurteilungsrichtlinien und bei Besprechungen, die die einheitliche Anwendung in der
Dienststelle sicherstellen sollen,
4. Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung. Zu den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten gehört auch
die Beratung und Unterstützung in Einzelfällen bei beruflicher Förderung, Beseitigung von Benachteiligung und Fragen
der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit.
(2) Die Dienststelle hat die Gleichstellungsbeauftragte in Verfahren zur Besetzung von Gremien bei der Berufung, beim
Vorschlagsverfahren bei der Berufung oder bei der Entsendung nach Maßgabe des Bundesgremienbesetzungsgesetzes
zu beteiligen, sofern kein Referat zur Gleichstellung von Frauen und Männern eingerichtet ist.
(3) Die Gleichstellungsbeauftragte ist verpflichtet, die Fortbildungsangebote der Dienststelle nach § 10 Abs. 5
wahrzunehmen.
BGB
§ 14 Unternehmer
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 134
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei
Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte
zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
§ 31 Haftung des Vereins für Organe
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer
verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum
Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
§ 134 Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes
ergibt.
§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der
Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem
Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis
zu der Leistung stehen.
§ 139 Teilnichtigkeit
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es
auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die
Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen
des anderen Teils verpflichten.
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte
es erfordern.
§ 252 Entgangener Gewinn
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und
Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
§ 253 Immaterieller Schaden
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz
bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung
Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung
in Geld gefordert werden.
§ 273 Zurückbehaltungsrecht
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen
Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die
geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 135
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch
wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei
denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die
Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
§ 276 Verantwortlichkeit des Schuldners
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder
bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder
eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
§ 277 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der
Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.
§ 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner
Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3
findet keine Anwendung.
§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch
entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des
§ 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des §
282 oder des § 283 verlangen.
§ 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines
Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes
vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung
dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese
anvertraut, oder
3. ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst
Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße
Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich
beeinflusst.
§ 311a Leistungshindernis bei Vertragsschluss
(1) Der Wirksamkeit eines Vertrags steht es nicht entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten
braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorliegt.
(2) Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in
§ 284 bestimmten Umfang verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss
nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet
entsprechende Anwendung.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 136
§ 475 Abweichende Vereinbarungen
(1) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des
Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann
der Unternehmer sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch
anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
(2) Die Verjährung der in § 437 bezeichneten Ansprüche kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht
durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen
Verjährungsbeginn von weniger als zwei Jahren, bei gebrauchten Sachen von weniger als einem Jahr führt.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet der §§ 307 bis 309 nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des
Anspruchs auf Schadensersatz.
§ 549 Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften
(1) Für Mietverhältnisse über Wohnraum gelten die §§ 535 bis 548, soweit sich nicht aus den §§ 549 bis 577a etwas
anderes ergibt.
(2) Die Vorschriften über die Mieterhöhung (§§ 557 bis 561) und über den Mieterschutz bei Beendigung des
Mietverhältnisses sowie bei der Begründung von Wohnungseigentum (§ 568 Abs. 2, §§ 573, 573a, 573d Abs. 1, §§ 574
bis 575, 575a Abs. 1 und §§ 577, 577a) gelten nicht für Mietverhältnisse über
1. Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist,
2. Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit
Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit
seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt,
3. Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der
Wohlfahrtspflege angemietet hat, um ihn Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zu überlassen, wenn sie den
Mieter bei Vertragsschluss auf die Zweckbestimmung des Wohnraums und die Ausnahme von den genannten
Vorschriften hingewiesen hat.
(3) Für Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim gelten die §§ 557 bis 561 sowie die §§ 573, 573a, 573d
Abs. 1 und §§ 575, 575a Abs. 1, §§ 577, 577a nicht.
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.
Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts
benötigt oder
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des
Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige
Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht
darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den
Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere
Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
§ 554a Barrierefreiheit
(1) Der Mieter kann vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen
verlangen, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich sind, wenn er
ein berechtigtes Interesse daran hat. Der Vermieter kann seine Zustimmung verweigern, wenn sein Interesse an der
unveränderten Erhaltung der Mietsache oder des Gebäudes das Interesse des Mieters an einer behindertengerechten
Nutzung der Mietsache überwiegt. Dabei sind auch die berechtigten Interessen anderer Mieter in dem Gebäude zu
berücksichtigen.
(2) Der Vermieter kann seine Zustimmung von der Leistung einer angemessenen zusätzlichen Sicherheit für die
Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen. § 551 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 137
§ 611a (entfällt) Geschlechtsbezogene Benachteiligung
(1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der
Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen
seines Geschlechts benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit
eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat
und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Wenn im Streitfall der
Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der
Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche
Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.
(2) Verstößt der Arbeitgeber gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines
Arbeitsverhältnisses, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht.
(3) Wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, so hat der Arbeitgeber eine
angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten zu leisten. Als Monatsverdienst gilt, was
dem Bewerber bei regelmäßiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte begründet werden sollen,
an Geld- und Sachbezügen zugestanden hätte.
(4) Ein Anspruch nach den Absätzen 2 und 3 muss innerhalb einer Frist, die mit Zugang der Ablehnung der Bewerbung
beginnt, schriftlich geltend gemacht werden. Die Länge der Frist bemisst sich nach einer für die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis vorgesehenen Ausschlussfrist; sie beträgt mindestens zwei
Monate. Ist eine solche Frist für das angestrebte Arbeitsverhältnis nicht bestimmt, so beträgt die Frist sechs Monate.
(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein Anspruch besteht.
§ 611b (entfällt) Arbeitsplatzausschreibung
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs nur für Männer oder nur für
Frauen ausschreiben, es sei denn, dass ein Fall des § 611a Abs. 1 Satz 2 vorliegt.
§ 612 (Abs. 3 entfällt) Vergütung
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine
Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in
Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) Bei einem Arbeitsverhältnis darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des
Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die
Vereinbarung einer geringeren Vergütung wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen des Geschlechts des
Arbeitnehmers besondere Schutzvorschriften gelten. § 611a Abs. 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Zur Begründung der Änderungen (§§ 611a, b, 612) im BGB
§ 612a Maßregelungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der
Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein
sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens
verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz
verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die
Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen
zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 138
§ 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in
Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der
Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen
oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz
1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.
§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann
der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu
besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Kündigungsschutzgesetz
§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben
Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie
sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des
Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
1. in Betrieben des privaten Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des
Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der
Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des
Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2. in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle
desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt
werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen
erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die
Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder
Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen
möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu
beweisen, die die Kündigung bedingen.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so
ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer
der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers
nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl
nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse,
Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten
betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial
ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer
entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 139
Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit
überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die
Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des
Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich
geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Gesetz über die soziale Wohnraumförderung
§ 6 Allgemeine Fördergrundsätze
Die soziale Wohnraumförderung ist der Nachhaltigkeit einer Wohnraumversorgung verpflichtet, die die
wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse mit der Erhaltung der Umwelt in Einklang bringt. Bei der Förderung sind zu
berücksichtigen:
1. die örtlichen und regionalen wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse und Zielsetzungen, die erkennbaren
unterschiedlichen Investitionsbedingungen des Bauherrn sowie die besonderen Anforderungen des zu versorgenden
Personenkreises;
2. der Beitrag des genossenschaftlichen Wohnens zur Erreichung der Ziele und Zwecke der sozialen
Wohnraumförderung;
3. die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen;
4. die Schaffung und Erhaltung ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und
kultureller Verhältnisse, die funktional sinnvolle Zuordnung der Wohnbereiche zu den Arbeitsplätzen und der
Infrastruktur (Nutzungsmischung) sowie die ausreichende Anbindung des zu fördernden Wohnraums an den
öffentlichen Personennahverkehr;
5. die Nutzung des Wohnungs- und Gebäudebestandes für die Wohnraumversorgung;
6. die Erhaltung preisgünstigen Wohnraums im Fall der Förderung der Modernisierung;
7. die Anforderungen des Kosten sparenden Bauens, insbesondere durch
a) die Begrenzung der Förderung auf einen bestimmten Betrag (Förderpauschale),
b) die Festlegung von Kostenobergrenzen, deren Überschreitung eine Förderung ausschließt, oder
c) die Vergabe von Fördermitteln im Rahmen von Wettbewerbsverfahren;
8. die Anforderungen des barrierefreien Bauens für die Nutzung von Wohnraum und seines Umfelds durch Personen,
die infolge von Alter, Behinderung oder Krankheit dauerhaft oder vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind;
9. der sparsame Umgang mit Grund und Boden, die ökologischen Anforderungen an den Bau und die Modernisierung
von Wohnraum sowie Ressourcen schonende Bauweisen.
Maßnahmen der sozialen Wohnraumförderung, die im Zusammenhang mit städtebaulichen Sanierungs- und
Entwicklungsmaßnahmen stehen, sind bevorzugt zu berücksichtigen.
Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG)
§ 5 Benachteiligungsverbot
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Gesetz
benachteiligen.
§ 7 Ausschreibung; Information über freie Arbeitsplätze
(1) Der Arbeitgeber hat einen Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes ausschreibt, auch als
Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür eignet.
(2) Der Arbeitgeber hat einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage seiner
vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder
Unternehmen besetzt werden sollen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 140
(3) Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung über Teilzeitarbeit im Betrieb und Unternehmen zu informieren,
insbesondere über vorhandene oder geplante Teilzeitarbeitsplätze und über die Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen
in Vollzeitarbeitsplätze oder umgekehrt. Der Arbeitnehmervertretung sind auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen
zur Verfügung zu stellen; § 92 des Betriebsverfassungsgesetzes bleibt unberührt.
Sozialgesetzbuch Erstes Buch
Allgemeiner Teil
§ 11 Leistungsarten
Gegenstand der sozialen Rechte sind die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen
(Sozialleistungen). Die persönliche und erzieherische Hilfe gehört zu den Dienstleistungen.
§ 13 Aufklärung
Die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen
Vereinigungen sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach
diesem Gesetzbuch aufzuklären.
§ 14 Beratung
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung
sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.
§ 15 Auskunft
(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen
Pflegeversicherung sind verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu
erteilen.
(2) Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger
sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren
Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.
(3) Die Auskunftsstellen sind verpflichtet, untereinander und mit den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel
zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen.
(4) Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung können über Möglichkeiten zum Aufbau einer nach § 10a oder
Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten zusätzlichen Altersvorsorge Auskünfte erteilen, soweit sie dazu
im Stande sind.
§ 33c Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf niemand aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder
einer Behinderung benachteiligt werden. Ansprüche können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als
deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im Einzelnen
bestimmt sind.
§ 33c wurde neu eingefügt zur Begründung
Sozialgesetzbuch Drittes Buch
Arbeitsförderung
§ 36 alte und neue Fassung Grundsätze der Vermittlung
(1) Die Agentur für Arbeit darf nicht vermitteln, wenn ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis begründet werden soll,
das gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 141
(2) Die Agentur für Arbeit darf Einschränkungen, die der Arbeitgeber für eine Vermittlung hinsichtlich Geschlecht,
Alter, Gesundheitszustand oder Staatsangehörigkeit des Ausbildungsuchenden und Arbeitsuchenden oder ähnlicher
Merkmale vornimmt, die regelmäßig nicht die berufliche Qualifikation betreffen, nur berücksichtigen, wenn diese
Einschränkungen nach Art der auszuübenden Tätigkeit unerläßlich sind. Ist eine Religionsgemeinschaft Arbeitgeber,
dürfen außerdem Einschränkungen der Vermittlung zu ihr und zu ihren karitativen und sozialen Einrichtungen
hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft berücksichtigt werden. Die Agentur für Arbeit darf
Einschränkungen, die der Arbeitgeber für eine Vermittlung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität des
Ausbildungssuchenden und Arbeitssuchenden vornimmt, nur berücksichtigen, soweit sie nach dem Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz zulässig sind. Im übrigen darf eine Einschränkung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer
Gewerkschaft, Partei, Religionsgemeinschaft oder vergleichbaren Vereinigung nur berücksichtigt werden, wenn
1. der Ausbildungs- oder Arbeitsplatz in einem Tendenzunternehmen oder -betrieb im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1
des Betriebsverfassungsgesetzes besteht und
2. die Art der auszuübenden Tätigkeit diese Einschränkung rechtfertigt.
(3) Die Agentur für Arbeit darf in einem durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Bereich nur dann
vermitteln, wenn der Arbeitsuchende und der Arbeitgeber dies trotz eines Hinweises auf den Arbeitskampf verlangen.
(4) Die Agentur für Arbeit ist auch bei der Vermittlung von unständig Beschäftigten nicht verpflichtet zu prüfen, ob der
vorgesehene Vertrag ein Arbeitsvertrag ist. Soll jedoch erkennbar ein Arbeitsverhältnis nicht begründet werden, darf sie
unständig Beschäftigte nur vermitteln, wenn bei ihnen der Anteil selbständiger Tätigkeiten nicht überwiegt.
Zur Begründung der Änderung
Sozialgesetzbuch Viertes Buch
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
Neu: In § 1 Abs. 2 wird die Angabe „§§ 18f und 18g“ durch die Angabe „§§ 18f, 18g und 19a“ ersetzt.
§ 1 Sachlicher Geltungsbereich
(1) Die Vorschriften dieses Buches gelten für die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich
der Alterssicherung der Landwirte sowie die soziale Pflegeversicherung (Versicherungszweige). Die Vorschriften
dieses Buches gelten mit Ausnahme des Ersten und Zweiten Titels des Vierten Abschnitts und des Fünften Abschnitts
auch für die Arbeitsförderung. Die Bundesagentur für Arbeit gilt im Sinne dieses Buches als Versicherungsträger.
(2) Die Vorschriften des Sechsten Abschnitts gelten auch für die Sozialhilfe und die Grundsicherung für
Arbeitsuchende; außerdem gelten die §§ 18f und 18g und 19a für die Grundsicherung für Arbeitsuchende.
(3) Regelungen in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches, die in den Absätzen 1 und 2 genannt sind, bleiben
unberührt, soweit sie von den Vorschriften dieses Buches abweichen.
Der neu eingefügte § 19a lautet:
§ 19a Benachteiligungsverbot
Bei der Inanspruchnahme von Leistungen, die den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der
Berufsbildung, der beruflichen Weiterbildung, der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung
betreffen, darf niemand aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion
oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden. Ansprüche
können nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die
Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im Einzelnen bestimmt sind.
Zur Begründung der Änderung
Sozialgesetzbuch (SGB)
Sechstes Buch (VI)
Gesetzliche Rentenversicherung
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 142
§ 41 Altersrente und Kündigungsschutz
Der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Eine Vereinbarung, die
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der
Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente wegen Alters beantragen kann, gilt dem Arbeitnehmer
gegenüber als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der
letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist.
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
§ 2 Behinderung
(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung
zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50
vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im
Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung
von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie
infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder
nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
§ 4 Leistungen zur Teilhabe
(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der
Behinderung
1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu
mildern,
2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine
Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende
Sozialleistungen zu mindern,
3. die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4. die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine
möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.
(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches
und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen
erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage
des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst
nicht erforderlich werden.
(3) Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach
Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit nicht behinderten Kindern betreut
werden können. Dabei werden behinderte Kinder alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und
Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen
einbezogen.
§ 36 Rechtsstellung der Teilnehmenden
Werden Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, werden die Teilnehmenden nicht in den
Betrieb der Einrichtungen eingegliedert. Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und
wählen zu ihrer Mitwirkung besondere Vertreter. Bei der Ausführung werden die arbeitsrechtlichen Grundsätze über
den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, (neu
eingefügt:) den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die
Gleichberechtigung von Männern und Frauen entsprechend angewendet.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 143
Zur Begründung der Änderung
§ 63 Klagerecht der Verbände
Werden behinderte Menschen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem
Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung behinderte Menschen auf Bundes- oder Landesebene vertreten
und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem
Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen selbst vorliegen.
§ 81 Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen
(1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere
mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden
können. Sie nehmen frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. Die Bundesagentur für Arbeit oder ein
Integrationsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor. Über die
Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die
Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Bei
Bewerbungen schwerbehinderter Richter und Richterinnen wird der Präsidialrat unterrichtet und gehört, soweit dieser
an der Ernennung zu beteiligen ist. Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die
Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an. Erfüllt der
Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 genannte
Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese unter Darlegung der
Gründe mit ihnen zu erörtern. Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. Alle Beteiligten sind vom
Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Bei
Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen, wenn der
schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt."
(2) Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen
gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
gilt hierzu Folgendes:
1. Ein schwerbehinderter Beschäftigter darf bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der
Begründung des Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung
oder einer Kündigung, nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung
wegen der Behinderung ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der von dem
schwerbehinderten Beschäftigten auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und eine bestimmte körperliche
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für
diese Tätigkeit ist. Macht im Streitfall der schwerbehinderte Beschäftigte Tatsachen glaubhaft, die eine
Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf
die Behinderung bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder eine bestimmte
körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung für diese Tätigkeit ist.
2. Wird gegen das in Nummer 1 geregelte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeits- oder sonstigen
Beschäftigungsverhältnisses verstoßen, kann der hierdurch benachteiligte schwerbehinderte Bewerber eine
angemessene Entschädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeits- oder sonstigen
Beschäftigungsverhältnisses besteht nicht.
3. Wäre der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, leistet der
Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten. Als Monatsverdienst
gilt, was dem schwerbehinderten Bewerber bei regelmäßiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeits- oder
sonstige Beschäftigungsverhältnis hätte begründet werden sollen, an Geld und Sachbezügen zugestanden hätte.
4. Ein Anspruch auf Entschädigung nach den Nummern 2 und 3 muss innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der
Ablehnung der Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden.
5. Die Regelungen über die angemessene Entschädigung gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den
Aufstieg kein Anspruch besteht.
(3) Die Arbeitgeber stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens
die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung
finden kann. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf
1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,
2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres
beruflichen Fortkommens,
3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 144
4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen,
Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der
Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,
5. Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen
unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Bei der Durchführung der
Maßnahmen nach den Nummern 1, 4 und 5 unterstützt die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die
Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten
Menschen. Ein Anspruch nach Satz 1 besteht nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit
unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen
Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.
(5) Die Arbeitgeber fördern die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen. Sie werden dabei von den Integrationsämtern
unterstützt. Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit
wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist; Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend.
§ 94 Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung
(1) In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend
beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die
Vertrauensperson im Falle der Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben vertritt. Ferner
wählen bei Gerichten, denen mindestens fünf schwerbehinderte Richter oder Richterinnen angehören, diese einen
Richter oder eine Richterin zu ihrer Schwerbehindertenvertretung. Satz 2 gilt entsprechend für Staatsanwälte oder
Staatsanwältinnen, soweit für sie eine besondere Personalvertretung gebildet wird. Betriebe oder Dienststellen, die die
Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllen, können für die Wahl mit räumlich nahe liegenden Betrieben des
Arbeitgebers oder gleichstufigen Dienststellen derselben Verwaltung zusammengefasst werden; soweit erforderlich,
können Gerichte unterschiedlicher Gerichtszweige und Stufen zusammengefasst werden. Über die Zusammenfassung
entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem für den Sitz der Betriebe oder Dienststellen einschließlich Gerichten
zuständigen Integrationsamt.
(2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen.
(3) Wählbar sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle nicht nur vorübergehend Beschäftigten, die am Wahltage das
18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder der Dienststelle seit sechs Monaten angehören; besteht der
Betrieb oder die Dienststelle weniger als ein Jahr, so bedarf es für die Wählbarkeit nicht der sechsmonatigen
Zugehörigkeit. Nicht wählbar ist, wer kraft Gesetzes dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat
nicht angehören kann.
(4) Bei Dienststellen der Bundeswehr, bei denen eine Vertretung der Soldaten nach dem
Bundespersonalvertretungsgesetz zu wählen ist, sind auch schwerbehinderte Soldaten und Soldatinnen wahlberechtigt
und auch Soldaten und Soldatinnen wählbar.
(5) Die regelmäßigen Wahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November statt. Außerhalb
dieser Zeit finden Wahlen statt, wenn
1. das Amt der Schwerbehindertenvertretung vorzeitig erlischt und ein stellvertretendes Mitglied nicht nachrückt,
2. die Wahl mit Erfolg angefochten worden ist oder
3. eine Schwerbehindertenvertretung noch nicht gewählt ist.
Hat außerhalb des für die regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraumes eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung
stattgefunden, wird die Schwerbehindertenvertretung in dem auf die Wahl folgenden nächsten Zeitraum der
regelmäßigen Wahlen neu gewählt. Hat die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung zu Beginn für des für die
regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraums noch noch nicht ein Jahr betragen, wird die Schwerbehindertenvertretung
im übernächsten Zeitraum für regelmäßige Wahlen neu gewählt.
(6) Die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied werden in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den
Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. Im Übrigen sind die Vorschriften über die Wahlanfechtung, den Wahlschutz
und die Wahlkosten bei der Wahl des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates sinngemäß
anzuwenden. In Betrieben und Dienststellen mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen wird
die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied im vereinfachten Wahlverfahren gewählt, sofern der Betrieb
oder die Dienststelle nicht aus räumlich weit auseinander liegenden Teilen besteht. Ist in einem Betrieb oder einer
Dienststelle eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt, so kann das für den Betrieb oder die Dienststelle
zuständige Integrationsamt zu einer Versammlung schwerbehinderter Menschen zum Zwecke der Wahl eines
Wahlvorstandes einladen.
(7) Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt vier Jahre. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des
Wahlergebnisses oder, wenn die Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung noch nicht beendet ist, mit deren
Ablauf. Das Amt erlischt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeits-, Dienst- oder
Richterverhältnis ausscheidet oder die Wählbarkeit verliert. Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt aus,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 145
rückt das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied für den Rest der Amtszeit nach; dies gilt für
das stellvertretende Mitglied entsprechend. Auf Antrag eines Viertels der wahlberechtigten schwerbehinderten
Menschen kann der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119) das Erlöschen des Amtes einer
Vertrauensperson wegen grober Verletzung ihrer Pflichten beschließen.
§ 128 Schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen, Soldaten und Soldatinnen
(1) Die besonderen Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung der Beamtenstellen sind unbeschadet der Geltung
des Teils 2 auch für schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen so zu gestalten, dass die Einstellung und Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen gefördert und ein angemessener Anteil schwerbehinderter Menschen unter den Beamten
und Beamtinnen erreicht wird.
(2) (weggefallen)
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auf Richter und Richterinnen entsprechende Anwendung.
(4) Für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldaten und Soldatinnen gelten § 2 Abs. 1 und 2, §§ 69, 93
bis 99, 116 Abs. 1 sowie §§ 123, 125, 126 und 145 bis 147. Im Übrigen gelten für Soldaten und Soldatinnen die
Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen, soweit sie mit den Besonderheiten
des Dienstverhältnisses vereinbar sind.
§ 138 Rechtsstellung und Arbeitsentgelt behinderter Menschen
(1) Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den
Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden
Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt.
(2) Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein
Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach
den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich zuletzt leistet, und einem
leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen
Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.
(3) Der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses wird unter Berücksichtigung des zwischen den
behinderten Menschen und dem Rehabilitationsträger bestehenden Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge
zwischen den behinderten Menschen und dem Träger der Werkstatt näher geregelt.
(4) Hinsichtlich der Rechtsstellung der Teilnehmer an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im
Berufsbildungsbereich gilt § 36 entsprechend.
(5) Ist ein volljähriger behinderter Mensch gemäß Absatz 1 in den Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für
behinderte Menschen im Sinne des § 136 aufgenommen worden und war er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so
gilt der von ihm geschlossene Werkstattvertrag in Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung,
soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, als wirksam.
(6) War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger
einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer
Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann.
(7) Die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt bedarf der schriftlichen Form und ist zu begründen.
§ 160 Überprüfungsregelung
(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 30. Juni 2005 über
Situation behinderter und schwerbehinderter Frauen und Männer auf dem Ausbildungsstellenmarkt und schlägt
danach zu treffenden Maßnahmen vor.
(2) Sie berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 30. Juni 2007 über die Wirkungen
Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention. Dabei wird auch die Höhe
Beschäftigungspflichtquote überprüft.
die
die
der
der
Sozialgerichtsgesetz
§ 73
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 146
(1) Die Beteiligten können sich in jeder Lage des Verfahrens durch prozeßfähige Bevollmächtigte vertreten lassen.
Personen, die als ärztliche Gutachter für Beteiligte tätig gewesen sind, können in diesem Verfahren nicht als
Bevollmächtigte auftreten.
(2) Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Entscheidung einzureichen; sie
kann auch zur Niederschrift des Gerichts erteilt werden. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader
Linie kann die Bevollmächtigung unterstellt werden.
(3) Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so sind die Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Der Beteiligte muß die
Prozeßführung gegen sich gelten lassen, auch wenn er nur mündlich Vollmacht erteilt oder die Prozeßführung
ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
(4) Für den Umfang und die Wirkungen der Vollmacht gelten im übrigen die §§ 81, 84 bis 86 der Zivilprozeßordnung
entsprechend. Eine Vollmacht kann auch für einzelne Prozeßhandlungen erteilt werden.
(5) In der mündlichen Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Für Beistände gilt Absatz 1 Satz
2 entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, soweit es nicht von dieser
sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(6) Für die Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen gilt § 157 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ist
die Zurückweisung dem Beteiligten nicht rechtzeitig vorher angekündigt worden, so ist, falls der Beteiligte nicht
erschienen ist oder falls er es beim Erscheinen auf Befragen beantragt, die Verhandlung zu vertagen. § 157 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung gilt nicht für Bevollmächtigte, die Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften, von
selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen
von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von den in § 14 Abs. 3 Satz 2
genannten Vereinigungen sind, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Gleiches gilt
für Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum
einer der in Satz 3 genannten Organisationen stehen, handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozeßvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt und wenn
die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. § 157 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gilt auch nicht für
Mitglieder und Angestellte der in § 23 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Vereinigungen,
die im Rahmen des Satzungszwecks der Vereinigung als Bevollmächtigte von Beteiligten tätig werden. Den in Satz 5
genannten Vereinigungen ist im Rahmen ihres Satzungszwecks die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Beteiligter
gestattet.
Zur Begründung der Änderung
Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung
von Ansprüchen bei Betriebsübergang (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) vom 13. August
1980
Verkündet am 20. 8. 1980.
Deutsches EG-Anpassungsgesetz (Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz)
Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches
Das Bürgerliche Gesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 400-2, veröffentlichten
bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 1979 (BGB1.1 S. 1202), wird wie folgt geändert:
1. Hinter § 611 wird folgender § 611 a eingefügt:
Ȥ611 a
(1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der
Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen
seines Geschlechts benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit
eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat
und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Wenn im Streitfall der
Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der
Arbeitgeber die Beweislast dafür, daß nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche
Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.
(2) Ist ein Arbeitsverhältnis wegen eines von dem Arbeitgeber zu vertretenden Verstoßes gegen das
Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 nicht begründet worden, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der
Arbeitnehmer dadurch erleidet, daß er darauf vertraut, die Begründung des Arbeitsverhältnisses werde nicht wegen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 147
eines solchen Verstoßes unterbleiben. Satz 1 gilt beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein
Anspruch besteht.
(3) Der Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot verjährt in zwei Jahren.
§ 201 ist entsprechend anzuwenden.« 2. Hinter § 611 a wird folgender § 611 b eingefügt:
Artikel 2
Aushang
Der Arbeitgeber soll einen Abdruck der §§611 a, 611 b, 612 Abs. 3 und §612 a des Bürgerlichen Gesetzbuches in der
Fassung dieses Gesetzes an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsicht auslegen oder aushängen.
Die Regelung wird gestrichen, zur Begründung
Artikel 3
Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes
Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. 1S. 853, 1036), geändert durch
Artikel 4 Nr. 11 des Gesetzes vom 13. Juni 1980 (BGBl. 1S. 677), wird wie folgt geändert:
§ 98 Abs. 2 wird wie folgt geändert:
1. Es wird folgender neuer Satz 2 eingefügt:
»Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen und zu begründen.«
2. Die Sätze 2 und 3 werden Sätze 3 und 4.
Artikel 4
Berlin-Klausel
(gegenstandslos)
Artikel 5
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
ArbGG
§ 11 a.F und neue Fassung Prozeßvertretung
(1) Die Parteien können vor den Arbeitsgerichten den Rechtsstreit selbst führen oder sich vertreten lassen. Eine
Vertretung durch Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände ist zulässig, wenn diese Personen kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung
befugt sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Das gleiche gilt für die
Prozeßvertretung durch Vertreter von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder
berufspolitischer Zwecksetzung. Satz 2 gilt entsprechend für Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Satz 2 genannten Organisationen stehen, handeln,
wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozeßvertretung der Mitglieder der Organisation
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Mitglieder der in Satz 2 genannten Organisationen können sich durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder
Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen; Satz 4 gilt entsprechend. Zulässig ist auch eine
Vertretung durch Vertreter der in § 23 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bezeichneten Verbände bei der
Geltendmachung eines Rechts wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgestzes, wenn diese Personen kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.
(2) Vor den Landesarbeitsgerichten und vor dem Bundesarbeitsgericht müssen die Parteien sich durch Rechtsanwälte
als Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt ist jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene
Rechtsanwalt. An ihre Stelle können vor den Landesarbeitsgerichten Vertreter von Gewerkschaften oder von
Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 148
Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Absatz
1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.
(3) Mit Ausnahme der Rechtsanwälte sind Personen, die die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht
geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen; § 157
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden. Dies gilt nicht für die in Absatz 1 Satz
2 bis 5 neu: „statt 2 bis 5“ heißt es hier nun „2 bis 6“, Absatz 2 Satz 2 und 3 genannten Personen.
Zur Begründung der Änderung
§ 61b Besondere Vorschriften für Klagen wegen geschlechtsbedingter Benachteiligung
(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 611a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches muß § 15 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht
worden ist, erhoben werden.
(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim
beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 611a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs § 15 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die
erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts
wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu
verbinden.
(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung
der ersten Klage statt.
Zur Begründung der Änderung
Bundespersonalvertretungsgesetz
§ 67
(1) Dienststelle und Personalvertretung haben darüber zu wachen, daßss alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht
und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, daßss jede unterschiedliche Behandlung Benachteiligung von Personen
wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen
Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer
Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres
Geschlechtes oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Dabei müssen sie sich so verhalten, daß das Vertrauen der
Verwaltungsangehörigen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung nicht beeinträchtigt wird. Der Leiter der
Dienststelle und die Personalvertretung haben jede parteipolitische Betätigung in der Dienststelle zu unterlassen; die
Behandlung von Tarif-, Besoldungs- und Sozialangelegenheiten wird hierdurch nicht berührt.
(2) Beschäftigte, die Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen, werden dadurch in der Betätigung für ihre
Gewerkschaft auch in der Dienststelle nicht beschränkt.
(3) Die Personalvertretung hat sich für die Wahrung der Vereinigungsfreiheit der Beschäftigten einzusetzen.
Zur Begründung der Änderung
Bundesbeamtengesetz
§8
(1) Die Bewerber sind durch Stellenausschreibung zu ermitteln. Ihre Auslese ist nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung,
Religion oder Weltanschauung, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft, oder Beziehungen oder
sexuelle Identität vorzunehmen. Dem stehen gesetzliche Maßnahmen zur Förderung von Beamtinnen zur Durchsetzung
der tatsächlichen Gleichstellung im Erwerbsleben, insbesondere Quotenregelungen mit Einzelfallprüfungen, sowie
gesetzliche Maßnahmen zur Förderung schwerbehinderter Menschen nicht entgegen.
(2) Die Pflicht zur Stellenausschreibung gilt nicht für die Stellen der Staatssekretäre, Abteilungsleiter in den
Bundesministerien und Leiter der den Bundesministerien unmittelbar nachgeordneten Behörden sowie der
bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Über weitere Ausnahmen von
der Pflicht zur Stellenausschreibung entscheidet der Bundespersonalausschuß.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 149
(3) Stellenausschreibungen dürfen sich nicht nur an Männer oder nur an Frauen richten, es sei denn, ein bestimmtes
Geschlecht ist unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit. Der gesamte Ausschreibungstext muss so ausgestaltet
sein, dass er nicht nur auf Personen eines Geschlechts zugeschnitten ist. Dies gilt insbesondere für Stellen in Bereichen,
in denen Frauen in geringerer Zahl beschäftigt sind als Männer. Die Dienstposten sind einschließlich der Funktionen
mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben zur Besetzung auch in Teilzeit auszuschreiben, soweit zwingende dienstliche
Belange nicht entgegenstehen.
Zur Begründung der Änderung
Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (SprAuG)
§ 27 Grundsätze für die Behandlung der leitenden Angestellten
(1) Arbeitgeber und Sprecherausschußss haben darüber zu wachen, daß alle leitenden Angestellten des Betriebs nach
den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, daßss jede unterschiedliche Behandlung
Benachteiligung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, aus Gründen ihrer Rasse
oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion
oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder
Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Sie haben darauf zu achten, daß
leitende Angestellte nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden.
(2) Arbeitgeber und Sprecherausschuß haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der leitenden Angestellten des
Betriebs zu schützen und zu fördern.
Zur Begründung der Änderung
Soldatengesetz
§ 3 alte und neue Fassung Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze
(1) Der Soldat ist nach Eignung, Befähigung und Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, sexuelle Identität,
Abstammung, Rasse, Glauben, Weltanschauung, religiöse oder politische Anschauungen, Heimat oder , ethnische oder
sonstige Herkunft zu ernennen und zu verwenden.
(2) Von einem Soldaten, der sich ohne grobes Verschulden
1. eine Wehrdienstbeschädigung durch eine Wehrdienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung
des Wehrdienstes im Sinne des § 81 Abs.1 des Soldatenversorgungsgesetzes,
2. eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 des Soldatenversorgungsgesetzes oder
3. eine gleichgestellte gesundheitliche Schädigung im Sinne der §§ 63d, 81c und 81d des Soldatenversorgungsgesetzes
zugezogen hat, deren Folge Zweifel an seiner Dienstfähigkeit begründet, kann bei der Feststellung der
Dienstfähigkeit sowie bei späteren Ernennungs- und Verwendungsentscheidungen ein geringeres Maß an
körperlicher Eignung verlangt werden.
Zur Begründung der Änderung
Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten
des Bundes
§ 4 Begriffsbestimmungen
(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind Beamtinnen und Beamte, Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter sowie
zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte, ferner Inhaberinnen und Inhaber öffentlich-rechtlicher Ämter sowie Richterinnen
und Richter.
(2) Familienpflichten im Sinne dieses Gesetzes bestehen, wenn eine beschäftigte Person mindestens ein Kind unter 18
Jahren oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt.
(3) Bereiche im Sinne dieses Gesetzes sind die einzelnen Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen,
Laufbahngruppen, Laufbahnen und Fachrichtungen sowie zusätzlich die Funktionen mit Vorgesetzten- und
Leitungsaufgaben in der Dienststelle. Für die Berufsausbildung gilt Entsprechendes.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 150
(4) Zu den Funktionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben gehören auch die Stellen Vorsitzender Richterinnen
und Vorsitzender Richter.
(5) Dienststellen im Sinne dieses Gesetzes sind die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe der in § 3
genannten Verwaltungen sowie die Gerichte des Bundes; maßgebend ist § 6 Abs. 1, 2 und 4 des
Bundespersonalvertretungsgesetzes.
(6) Frauen sind dann als unterrepräsentiert anzusehen, wenn der Frauenanteil an den Beschäftigten in den einzelnen
Bereichen nach Absatz 3 jeweils unter 50 Prozent liegt.
Abs. 7 wird aufgehoben: (7) Eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen ist gegeben, wenn Frauen wegen ihres
Geschlechts bei einer Vereinbarung oder Maßnahme im Vergleich zu Männern unterschiedlich behandelt werden,
soweit nicht die Vereinbarung oder Maßnahme die Art der auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein
bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Eine mittelbare Diskriminierung von
Frauen liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren
Anteil von Frauen benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen
und notwendig und sie sind durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt.
(8) Arbeitsplätze im Sinne dieses Gesetzes sind Ausbildungsplätze, Stellen, Planstellen und Dienstposten, für die nach
haushaltsrechtlichen Vorgaben lediglich finanzielle Mittel benötigt werden.
§ 5 Grundsatz; entsprechende Anwendung von Vorschriften
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden Anwendung, soweit nicht ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare
Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.
(2) Bei Verstößen der Dienststelle gegen die Benachteiligungsverbote bei Begründung eines Dienstverhältnisses und
beim beruflichen Aufstieg gilt § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend für Beamtinnen und Beamte sowie
für Frauen und Männer, die sich für eine solche Tätigkeit bewerben.
In der Neufassung ist Absatz 2 gestrichen
Das Bundesgleichstellungsgesetz vom 30. November 2001 (BGBl. I S. 3234), wird wie folgt geändert:
1.
§ 4 Abs. 7 wird aufgehoben.
2.
§ 5 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 2 wird aufgehoben.
b)
Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.
3.
In § 19 Abs. 1 Satz 1 werden die Wörter „des Beschäftigtenschutzgesetzes“ durch die Wörter „des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Hinblick auf den Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts und
sexueller Belästigung“ ersetzt.
§ 19 Aufgaben
(1) Die Gleichstellungsbeauftragte hat die Aufgabe, den Vollzug dieses Gesetzes sowie des
Beschäftigtenschutzgesetzes (die Wörter "des Beschäftigtenschutzgesetzes" werden durch die Wörter "des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes im Hinblick auf den Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts und sexueller
Belästigung" ersetzt) in der Dienststelle zu fördern und zu überwachen. Sie wirkt bei allen personellen,
organisatorischen und sozialen Maßnahmen ihrer Dienststelle mit, die die Gleichstellung von Frauen und Männern, die
Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betreffen.
Sie ist frühzeitig zu beteiligen, insbesondere bei
1. Personalangelegenheiten an der Vorbereitung und Entscheidung über die
Vergabe von Ausbildungsplätzen,
Einstellung, Anstellung, Abordnung und
Umsetzung mit einer Dauer von über drei Monaten, Versetzung,
Fortbildung, beruflichen Aufstieg und vorzeitige Beendigung der Beschäftigung,
2. organisatorischen und sozialen Angelegenheiten,
3. der Abfassung von Beurteilungsrichtlinien und bei Besprechungen, die die einheitliche Anwendung in der
Dienststelle sicherstellen sollen,
4. Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung.
Zu den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten gehört auch die Beratung und Unterstützung in Einzelfällen bei
beruflicher Förderung, Beseitigung von Benachteiligung und Fragen der Vereinbarkeit von Familie und
Erwerbstätigkeit.
(2) Die Dienststelle hat die Gleichstellungsbeauftragte in Verfahren zur Besetzung von Gremien bei der Berufung, beim
Vorschlagsverfahren bei der Berufung oder bei der Entsendung nach Maßgabe des Bundesgremienbesetzungsgesetzes
zu beteiligen, sofern kein Referat zur Gleichstellung von Frauen und Männern eingerichtet ist.
(3) Die Gleichstellungsbeauftragte ist verpflichtet, die Fortbildungsangebote der Dienststelle nach § 10 Abs. 5
wahrzunehmen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 151
Zur Begründung der Änderung
Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
(Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz - SGleiG)
Vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3822)
§ 4 Begriffsbestimmungen
(1) Familienpflichten im Sinne dieses Gesetzes bestehen, wenn eine Soldatin oder ein Soldat mindestens ein Kind unter
18 Jahren oder eine Angehörige oder einen Angehörigen, die oder der nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftig ist,
tatsächlich betreut oder pflegt.
(2) Bereiche im Sinne dieses Gesetzes unter Berücksichtigung struktureller Vorgaben sind
1. die einzelnen Laufbahngruppen und Laufbahnen sowie Besoldungsgruppen,
2. die Statusgruppen der Berufssoldatinnen und Berufssoldaten sowie der Soldatinnen auf Zeit und Soldaten auf Zeit,
3. die militärischen Organisationsbereiche Heer, Luftwaffe, Marine und Sanitätsdienst.
(3) Dienststellen im Sinne dieses Gesetzes sind das Bundesministerium der Verteidigung sowie alle militärischen
Dienststellen und Truppenteile ab der Einheitsebene.
(4) Qualifikation im Sinne dieses Gesetzes sind Eignung, Befähigung und Leistung.
(5) Soldatinnen sind dann als unterrepräsentiert anzusehen, wenn ihr Anteil in den einzelnen Bereichen nach Absatz 2
in allen Laufbahnen mit Ausnahme der Laufbahn des Sanitätsdienstes unter 15 Prozent, in der Laufbahn des
Sanitätsdienstes unter 50 Prozent liegt. Das Bundesministerium der Verteidigung erstattet dem Deutschen Bundestag
spätestens nach zwei Jahren Bericht, ob die in Satz 1 festgesetzten Quoten dem Ziel der Förderung der Gleichstellung
von Soldatinnen und Soldaten angemessen Rechnung tragen; der Bericht nach § 24 bleibt hierdurch unberührt.
Spätestens nach fünf Jahren entscheidet der Deutsche Bundestag, ob zur Förderung der Gleichstellung eine Änderung
der in Satz 1 festgesetzten Quoten notwendig ist.
(6) Eine unmittelbare Diskriminierung von Soldatinnen ist gegeben, wenn diese auf Grund ihres Geschlechts in einer
vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren als Soldaten erfahren, erfahren haben oder
erfahren würden. Eine mittelbare Diskriminierung von Soldatinnen liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale
Vorschriften, Kriterien oder Verfahren die Soldatinnen in besonderer Weise gegenüber den Soldaten benachteiligen
können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel
gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
(7) Belästigung und sexuelle Belästigung gelten als Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Eine Belästigung liegt
vor, wenn unerwünschte geschlechtsbezogene Verhaltensweisen gegenüber einer Person erfolgen, die bezwecken oder
bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen,
Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Eine sexuelle
Belästigung ist jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in unerwünschter verbaler,
nichtverbaler oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person
verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und
Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
§ 5 Grundsatz, entsprechende Anwendung von Vorschriften
(1) Dieser Abschnitt ist anzuwenden, soweit nicht ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die
auszuübende Tätigkeit ist.
(2) Bei Verstößen der Dienststellen gegen die Benachteiligungsverbote bei Begründung eines Dienstverhältnisses und
beim beruflichen Aufstieg gilt § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend für Soldatinnen und Soldaten sowie
für Bewerberinnen und Bewerber. Bei Verstößen der Dienststellen gegen die Benachteiligungsverbote bei Begründung
eines Dienstverhältnisses und beim beruflichen Aufstieg findet § 12 des Soldatinnen- und SoldatenGleichbehandlungsgesetzes Anwendung.
§ 16 Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und der Stellvertreterin
(1) Für die Divisionsebene und für die Dienststellen vergleichbarer Ebene wählen die Soldatinnen eine der jeweiligen
Dienststelle zuzuordnende Gleichstellungsbeauftragte. Wahlberechtigt sind alle Soldatinnen in den der Division
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 152
zugehörenden Dienststellen. Für die Wahl der den Dienststellen vergleichbarer Ebene zugeordneten
Gleichstellungsbeauftragten gilt Entsprechendes.
(2) Für die der Divisionsebene und den Dienststellen vergleichbarer Ebene übergeordneten Dienststellen werden
ebenfalls der jeweiligen Dienststelle zuzuordnende Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Wahlberechtigt sind alle
Soldatinnen dieser Dienststellen sowie der nachgeordneten Dienststellen, soweit sie nicht bereits nach Absatz 1 Satz 2
und 3 wahlberechtigt sind.
(3) Für die zentralen personalbearbeitenden Dienststellen einschließlich des Bundesministeriums der Verteidigung
werden ebenfalls Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Wahlberechtigt sind alle Soldatinnen, für die in der jeweiligen
zentralen personalbearbeitenden Dienststelle Personalentscheidungen getroffen werden, sowie die Soldatinnen der
jeweiligen Dienststellen einschließlich der zugehörenden Dienststellen. Für die Gleichstellungsbeauftragte im
Bundesministerium der Verteidigung sind die Soldatinnen dieser Dienststelle sowie die Soldatinnen wahlberechtigt, für
die in dieser Dienststelle Personalentscheidungen getroffen werden.
(4) Die gemäß den Absätzen 1 bis 3 wahlberechtigten Soldatinnen wählen die jeweilige Gleichstellungsbeauftragte aus
ihrem Kreis in geheimer Wahl. Wiederwahl ist möglich.
(5) Die gemäß den Absätzen 1 bis 3 4 gewählte Gleichstellungsbeauftragte wird von der Dienststelle, der sie
zuzuordnen ist, für vier Jahre bestellt. Findet sich keine Kandidatin oder ist nach der Wahl keine Kandidatin gewählt, ist
die Gleichstellungsbeauftragte von der Dienststelle, der sie zuzuordnen ist, aus dem Kreis der wahlberechtigten
Soldatinnen von Amts wegen zu bestellen; hierzu bedarf es der Zustimmung der zu bestellenden Soldatin.
(6) Für Dienststellen ohne eigene Gleichstellungsbeauftragte ist zusätzlich ab der Regimentsebene als
Ansprechpartnerin für die Soldatinnen und Soldaten und für die zuständige Gleichstellungsbeauftragte eine
Gleichstellungsvertrauensfrau zu bestellen, wenn dies tatsächlich möglich ist. Deren Aufgabe besteht in der Vermittlung
von Informationen zwischen den Soldatinnen und Soldaten und der zuständigen Gleichstellungsbeauftragten. Die
Gleichstellungsvertrauensfrau berät die zuständige Gleichstellungsbeauftragte in allen Fragen, welche die vertretenen
Dienststellen betreffen. Die Gleichstellungsbeauftragte kann der Gleichstellungsvertrauensfrau mit deren
Einverständnis Aufgaben zur eigenständigen Erledigung bei den vertretenen Dienststellen übertragen.
(7) Für jede Gleichstellungsbeauftragte ist eine Stellvertreterin gemäß den Absätzen 1 bis 4 zu wählen und zu bestellen.
Findet sich für die Wahl der Stellvertreterin keine Kandidatin oder ist nach der Wahl keine Kandidatin gewählt, ist eine
Stellvertreterin auf Vorschlag der Gleichstellungsbeauftragten aus dem Kreis der Soldatinnen zu bestellen, die den
Dienststellen angehören, für die gemäß den Absätzen 1 bis 3 eine Gleichstellungsbeauftragte zu wählen ist. Zur
Bestellung bedarf es der Zustimmung der zu bestellenden Soldatin.
(8) Die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin dürfen keiner Personalvertretung angehören und nur in ihrer
Eigenschaft als Gleichstellungsbeauftragte mit Personalangelegenheiten befasst sein. Sie dürfen nicht zugleich
Vertrauensperson nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz sein oder einer Schwerbehindertenvertretung angehören.
(9) Bei vorzeitigem Ausscheiden der Gleichstellungsbeauftragten oder bei ihrer nicht nur vorübergehenden
Verhinderung ist eine Gleichstellungsbeauftragte für die restliche Amtszeit durch die Dienststelle, der sie zuzuordnen
ist, neu zu bestellen. Entsprechendes gilt für die Stellvertreterin der Gleichstellungsbeauftragten und die
Gleichstellungsvertrauensfrau.
(10) Mindestens drei Wahlberechtigte oder die Leitung der Dienststelle, der die Gleichstellungsbeauftragte zuzuordnen
ist, können binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die
Wahl beim Truppendienstgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit
oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß
das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Für das Verfahren gelten die Vorschriften der
Wehrbeschwerdeordnung über das gerichtliche Antragsverfahren entsprechend. Die Truppendienstkammer soll mit
mindestens einer Soldatin als ehrenamtlicher Richterin besetzt sein wobei eine ehrenamtliche Richterin oder ein
ehrenamtlicher Richter Unteroffizier, die andere ehrenamtliche Richterin oder der andere ehrenamtliche Richter
Stabsoffizier sein muss. Eine ehrenamtliche Richterin oder ein ehrenamtlicher Richter muss Unteroffizier, die andere
ehrenamtliche Richterin oder der andere ehrenamtliche Richter muss Stabsoffizier sein. Die Reihenfolge der
Heranziehung richtet sich nach der einheitlichen Liste der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter für Verfahren nach
diesem Gesetz, in der die verschiedenen Teilstreitkräfte angemessen zu berücksichtigen sind; § 74 Abs. 8 der
Wehrdisziplinarordnung gilt entsprechend.
(11) Das Wahlergebnis im Bundesministerium der Verteidigung kann unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht
(Wehrdienstsenate) angefochten werden. Absatz 10 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(12) Das Bundesministerium der Verteidigung regelt das Verfahren für die Durchführung der Wahl nach den
Grundsätzen der Absätze 2 1 bis 5 und 7 bis 11 durch Rechtsverordnung.
§ 19 Aufgaben
(1) Die Gleichstellungsbeauftragte hat den Vollzug dieses Gesetzes und des Beschäftigtenschutzgesetzes in der
Dienststelle zu fördern und zu unterstützen; dies gilt auch für das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz
in Bezug auf das Verbot von Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Form von Belästigungen und sexuellen
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 153
Belästigungen. Im Übrigen wirkt sie bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen ihrer
Dienststelle mit, welche die Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst in
den Streitkräften sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betreffen. Sie ist frühzeitig zu beteiligen,
insbesondere bei
1. Personalangelegenheiten wie der Einstellung, Maßnahmen des beruflichen Aufstiegs und der vorzeitigen Entlassung
aus dem Dienstverhältnis,
2. der Abfassung von Beurteilungs- und Auswahlrichtlinien und bei Besprechungen, welche die einheitliche
Anwendung dieser Richtlinien in der Dienststelle sicherstellen sollen,
3. Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung. Bei Entscheidungen über Versetzungen, Kommandierungen und
Beförderungen hat sie auf ihren Antrag hin das Recht auf Beteiligung. Zu den Aufgaben der
Gleichstellungsbeauftragten gehören auch die Beratung und Unterstützung in Einzelfällen bei beruflicher Förderung,
Beseitigung von Benachteiligung und Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften.
(2) Die Dienststelle hat die Gleichstellungsbeauftragte in Verfahren zur Besetzung von Gremien nach Maßgabe des
Bundesgremienbesetzungsgesetzes zu beteiligen, sofern in der Dienststelle keine besondere Organisationseinheit zur
Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten eingerichtet ist.
Zur Begründung der Änderung
Zivilprozessordnung
§ 79 Parteiprozess
Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst oder durch jede
prozessfähige Person als Bevollmächtigten führen.
§ 90 Beistand
(1) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Partei mit jeder prozessfähigen Person als
Beistand erscheinen.
(2) Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort
widerrufen oder berichtigt wird.
§ 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie
bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch
Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
§ 141 Anordnung des persönlichen Erscheinens
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts
geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche
Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst
mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht
erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der
zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem
Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
§ 157 Ungeeignete Vertreter; Prozessagenten
(1) Mit Ausnahme der Rechtsanwälte sind Personen, die die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht
geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der Verhandlung ausgeschlossen. Sie sind auch dann
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 154
ausgeschlossen, wenn sie als Partei einen ihnen abgetretenen Anspruch geltend machen und nach der Überzeugung des
Gerichts der Anspruch abgetreten ist, um ihren Ausschluss von der Verhandlung zu vermeiden.
(2) Das Gericht kann Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen, die nicht Rechtsanwälte sind, wenn ihnen die
Fähigkeit zum geeigneten Vortrag mangelt, den weiteren Vortrag untersagen. Diese Anordnung ist unanfechtbar.
(3) Die Vorschrift des Absatzes ist auf Personen, denen das mündliche Verhandeln vor Gericht durch Anordnung der
Justizverwaltung gestattet ist, nicht anzuwenden. Die Justizverwaltung soll bei ihrer Entschließung sowohl auf die
Eignung der Person als auch darauf Rücksicht nehmen, ob im Hinblick auf die Zahl der bei dem Gericht zugelassenen
Rechtsanwälte ein Bedürfnis zur Zulassung besteht.
§ 294 Glaubhaftmachung
(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur
Versicherung an Eides statt zugelassen werden.
(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.
§ 448 Vernehmung von Amts wegen
Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der
Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder
Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die
Tatsache anordnen.
Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung
Gesetz vom 30.1.201877 (RGBl. S. 244)
§ 15a
(1) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch
die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit
einvernehmlich beizulegen
1. in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder
Geldeswert die Summe von 750 Euro nicht übersteigt,
2. in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
und nach § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des
Artikels 124 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, sofern es sich nicht um Einwirkungen von
einem gewerblichen Betrieb handelt,
3. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk
begangen worden sind.,
4. In Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Der Kläger hat eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch mit der
Klage einzureichen. Diese Bescheinigung ist ihm auf Antrag auch auszustellen, wenn binnen einer Frist von drei
Monaten das von ihm beantragte Einigungsverfahren nicht durchgeführt worden ist.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf
1. Klagen nach den §§ 323, 324, 328 der Zivilprozessordnung, Widerklagen und Klagen, die binnen einer gesetzlichen
oder gerichtlich angeordneten Frist zu erheben sind,
2. Streitigkeiten in Familiensachen,
3. Wiederaufnahmeverfahren,
4. Ansprüche, die im Urkunden- oder Wechselprozess geltend gemacht werden,
5. die Durchführung des streitigen Verfahrens, wenn ein Anspruch im Mahnverfahren geltend gemacht worden ist,
6. Klagen wegen vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen, insbesondere nach dem Achten Buch der
Zivilprozessordnung.
Das gleiche gilt, wenn die Parteien nicht in demselben Land wohnen oder ihren Sitz oder eine Niederlassung haben.
(3) Das Erfordernis eines Einigungsversuchs vor einer von der Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten
Gütestelle entfällt, wenn die Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle, die
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 155
Streitbeilegungen betreibt, unternommen haben. Das Einvernehmen nach Satz 1 wird unwiderleglich vermutet, wenn
der Verbraucher eine branchengebundene Gütestelle, eine Gütestelle der Industrie- und Handelskammer, der
Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung gehören die Kosten der
Gütestelle, die durch das Einigungsverfahren nach Absatz 1 entstanden sind.
(5) Das Nähere regelt das Landesrecht; es kann auch den Anwendungsbereich des Absatzes 1 einschränken, die
Ausschlussgründe des Absatzes 2 erweitern und bestimmen, dass die Gütestelle ihre Tätigkeit von der Einzahlung eines
angemessenen Kostenvorschusses abhängig machen und gegen eine im Gütetermin nicht erschienene Partei ein
Ordnungsgeld festsetzen darf.
(6) Gütestellen im Sinne dieser Bestimmung können auch durch Landesrecht anerkannt werden. Die vor diesen
Gütestellen geschlossenen Vergleiche gelten als Vergleiche im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung.
Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen
§ 1 Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des
Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.
§ 3 Anspruchsberechtigte Stellen
(1) Die in den §§ 1 und 2 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf stehen zu:
1. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 oder in dem
Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der
Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 S. 51) in der jeweils geltenden Fassung eingetragen sind,
2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit sie
insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen
Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, und, bei
Klagen nach § 2, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen
gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben und der Anspruch eine Handlung betrifft, die die
Interessen ihrer Mitglieder berührt und die geeignet ist, den Wettbewerb nicht unerheblich zu verfälschen;
3. den Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern. Der Anspruch kann nur an Stellen im Sinne des
Satzes 1 abgetreten werden.
(2) Die in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Einrichtungen können Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf nach § 1
nicht geltend machen, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen gegenüber einem Unternehmer (§ 14 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) verwendet oder wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen zur ausschließlichen Verwendung zwischen
Unternehmern empfohlen werden.
§ 4 Qualifizierte Einrichtungen
(1) Das Bundesverwaltungsamt führt eine Liste qualifizierter Einrichtungen. Diese Liste wird mit dem Stand zum 1.
Januar eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekannt gemacht und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
unter Hinweis auf Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai
1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 S. 51) zugeleitet.
(2) In die Liste werden auf Antrag rechtsfähige Verbände eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört,
die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend
wahrzunehmen, wenn sie in diesem Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als
Mitglieder haben, seit mindestens einem Jahr bestehen und auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine
sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten. Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere
Verbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, diese Voraussetzungen erfüllen. Die Eintragung in
die Liste erfolgt unter Angabe von Namen, Anschrift, Registergericht, Registernummer und satzungsmäßigem Zweck.
Sie ist mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn
1. der Verband dies beantragt oder
2. die Voraussetzungen für die Eintragung nicht vorlagen oder weggefallen sind.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 156
Ist auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte damit zu rechnen, dass die Eintragung nach Satz 4 zurückzunehmen oder zu
widerrufen ist, so soll das Bundesverwaltungsamt das Ruhen der Eintragung für einen bestimmten Zeitraum von
längstens drei Monaten anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben im Fall des Satzes 5 keine aufschiebende
Wirkung.
(3) Entscheidungen über Eintragungen erfolgen durch einen Bescheid, der dem Antragsteller zuzustellen ist. Das
Bundesverwaltungsamt erteilt den Verbänden auf Antrag eine Bescheinigung über ihre Eintragung in die Liste. Es
bescheinigt auf Antrag Dritten, die daran ein rechtliches Interesse haben, dass die Eintragung eines Verbands in die
Liste aufgehoben worden ist.
(4) Ergeben sich in einem Rechtsstreit begründete Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 bei
einer eingetragenen Einrichtung, so kann das Gericht das Bundesverwaltungsamt zur Überprüfung der Eintragung
auffordern und die Verhandlung bis zu dessen Entscheidung aussetzen.
(5) Das Bundesverwaltungsamt steht bei der Wahrnehmung der in dieser Vorschrift geregelten Aufgabe unter der
Fachaufsicht des Bundesministeriums der Justiz.
(6) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates
nicht bedarf, die Einzelheiten des Eintragungsverfahrens, insbesondere die zur Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen
erforderlichen Ermittlungen, sowie die Einzelheiten der Führung der Liste zu regeln.
Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG)
§ 3 Behinderung
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
§ 13 Verbandsklagerecht
(1) Ein nach Absatz 3 anerkannter Verband kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der
Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen
1. das Benachteiligungsverbot für Träger der öffentlichen Gewalt nach § 7 Abs. 2 und die Verpflichtung des Bundes
zur Herstellung der Barrierefreiheit in § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 1,
2. die Vorschriften des Bundesrechts zur Herstellung der Barrierefreiheit in § 46 Abs. 1 Satz 3 und 4 der
Bundeswahlordnung, § 39 Abs. 1 Satz 3 und 4 der Europawahlordnung, § 43 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung für die
Sozialversicherung, § 17 Abs. 1 Nr. 4 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, § 4 Abs. 1 Nr. 2a des
Gaststättengesetzes, § 3 Nr. 1 Buchstabe d des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 8
Abs. 1 des Bundesfernstraßengesetzes, § 8 Abs. 3 Satz 3 und 4 sowie § 13 Abs. 2a des
Personenbeförderungsgesetzes, § 2 Abs. 3 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, § 3 Abs. 5 Satz 1 der
Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung, §§ 19d und 20b des Luftverkehrsgesetzes oder
3. die Vorschriften des Bundesrechts zur Verwendung von Gebärdensprache oder anderer geeigneter
Kommunikationshilfen in § 17 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, § 57 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch und § 19 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine Maßnahme aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen
Streitverfahren erlassen worden ist.
(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich
berührt wird. Soweit ein behinderter Mensch selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen
kann oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht,
dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle vorliegt. Für Klagen nach Absatz 1 Satz 1 gelten die Vorschriften des 8. Abschnitts
der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf, wenn
die angegriffene Maßnahme von einer obersten Bundes- oder einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist.
(3) Auf Vorschlag der Mitglieder des Beirates für die Teilhabe behinderter Menschen, die nach § 64 Abs. 2 Satz 2, 1., 3.
oder 12. Aufzählungspunkt des Neunten Buches Sozialgesetzbuch berufen sind, kann das Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung die Anerkennung erteilen. Es soll die Anerkennung erteilen, wenn der
vorgeschlagene Verband
1. nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Belange behinderter Menschen fördert,
2. nach der Zusammensetzung seiner Mitglieder oder Mitgliedsverbände dazu berufen ist, Interessen behinderter
Menschen auf Bundesebene zu vertreten,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 157
3. zum Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig
gewesen ist,
4. die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit,
der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereines zu berücksichtigen und
5. wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der
Körperschaftsteuer befreit ist.
§ 15 Aufgabe und Befugnisse
(1) Aufgabe der beauftragten Person ist es, darauf hinzuwirken, dass die Verantwortung des Bundes, für gleichwertige
Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderungen zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen
Lebens erfüllt wird. Sie setzt sich bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe dafür ein, dass unterschiedliche
Lebensbedingungen von behinderten Frauen und Männern berücksichtigt und geschlechtsspezifische Benachteiligungen
beseitigt werden.
(2) Zur Wahrnehmung der Aufgabe nach Absatz 1 beteiligen die Bundesministerien die beauftragte Person bei allen
Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit sie Fragen der Integration von behinderten
Menschen behandeln oder berühren.
(3) Alle Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen im Bereich des Bundes sind verpflichtet, die beauftragte
Person bei der Erfüllung der Aufgabe zu unterstützen, insbesondere die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und
Akteneinsicht zu gewähren. Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt.
Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 1 Ziel, Anwendungsbereich
(1) Ziel des Gesetzes ist die Wahrung der Würde von Frauen und Männern durch den
Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.
(2) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind
1. die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben und Verwaltungen des privaten oder öffentlichen Rechts
(Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte), ferner Personen, die wegen ihrer
wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Zu diesen gehören auch die in
Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten; für sie tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber
oder Zwischenmeister;
2. die Beamtinnen und Beamten des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen
der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen
Rechts;
3. die Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder;
4. weibliche und männliche Soldaten (§ 6).
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 2 Schutz vor sexueller Belästigung
(1) Arbeitgeber und Dienstvorgesetzte haben die Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen.
Dieser Schutz umfaßt auch vorbeugende Maßnahmen.
(2) Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von
Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt. Dazu gehören
1. sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind,
sowie
2. sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen,
Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, die von
den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden.
(3) Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder ein Dienstvergehen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 158
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 3 Beschwerderecht der Beschäftigten
(1) Die betroffenen Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes oder der Dienststelle
zu beschweren, wenn sie sich vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, von anderen Beschäftigten oder von Dritten am
Arbeitsplatz sexuell belästigt im Sinne des § 2 Abs. 2 fühlen. Die Vorschriften der §§ 84, 85 des
Betriebsverfassungsgesetzes bleiben unberührt.
(2) Der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte hat die Beschwerde zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu treffen, um die
Fortsetzung einer festgestellten Belästigung zu unterbinden.
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 4 Maßnahmen des Arbeitgebers oder Dienstvorgesetzten, Leistungsverweigerungsrecht
(1) Bei sexueller Belästigung hat
1. der Arbeitgeber die im Einzelfall angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung,
Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Die Rechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, §§ 99 und 102 des
Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalrates nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 bis 4a und Abs. 3 Nr. 15, § 77 Abs. 2 und
§ 79
des
Bundespersonalvertretungsgesetzes
sowie
nach
den
entsprechenden
Vorschriften
der
Personalvertretungsgesetze der Länder bleiben unberührt;
2. der Dienstvorgesetzte die erforderlichen dienstrechtlichen und personalwirtschaftlichen Maßnahmen zu treffen. Die
Rechte des Personalrates in Personalangelegenheiten der Beamten nach den §§ 76, 77 und 78 des
Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie nach den entsprechenden Vorschriften der Personalvertretungsgesetze der
Länder bleiben unberührt.
(2) Ergreift der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur
Unterbindung der sexuellen Belästigung, sind die belästigten Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit am betreffenden
Arbeitsplatz ohne Verlust des Arbeitsentgelts und der Bezüge einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist.
(3) Der Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzte darf die belästigten Beschäftigten nicht benachteiligen, weil diese sich
gegen eine sexuelle Belästigung gewehrt und in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt haben.
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 5 Fortbildung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen die Problematik der
sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, der Rechtsschutz für die Betroffenen und die Handlungsverpflichtungen des
Dienstvorgesetzten berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere bei der Fortbildung von Beschäftigten der
Personalverwaltung, Personen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, Ausbildern sowie Mitgliedern des
Personalrates und Frauenbeauftragten.
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 6 Sonderregelungen für Soldaten
Für weibliche und männliche Soldaten bleiben die Vorschriften des Soldatengesetzes, der Wehrdisziplinarordnung und
der Wehrbeschwerdeordnung unberührt.
ACHTUNG: Das Gesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts außer kraft, vgl. dazu hier.
§ 7 Bekanntgabe des Gesetzes
In Betrieben und Dienststellen ist dieses Gesetz an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen oder auszuhängen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 159
Im Material erwähnte Rechtsprechung
EuGH, Urteil vom 10. 04. 1984 – Rechtssache 14/83
1 . ARTIKEL 189 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG BELÄSST ZWAR DEN MITGLIEDSTAATEN DIE FREIHEIT BEI
DER WAHL DER MITTEL UND WEGE ZUR DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE , DOCH LÄSST DIESE
FREIHEIT DIE VERPFLICHTUNG DER EINZELNEN MITGLIEDSTAATEN UNBERÜHRT , IM RAHMEN
IHRER NATIONALEN RECHTSORDNUNG ALLE ERFORDERLICHEN MASSNAHMEN ZU ERGREIFEN , UM
DIE VOLLSTÄNDIGE WIRKSAMKEIT DER RICHTLINIE ENTSPRECHEND IHRER ZIELSETZUNG ZU
GEWÄHRLEISTEN .
DIE SICH AUS EINER RICHTLINIE ERGEBENDE VERPFLICHTUNG DER MITGLIEDSTAATEN , DAS IN
DIESER VORGESEHENE ZIEL ZU ERREICHEN , SOWIE DIE PFLICHT DER MITGLIEDSTAATEN GEMÄSS
ARTIKEL 5 EWG-VERTRAG, ALLE ZUR ERFÜLLUNG DIESER VERPFLICHTUNG GEEIGNETEN
MASSNAHMEN ALLGEMEINER ODER BESONDERER ART ZU TREFFEN , OBLIEGEN ALLEN TRAEGERN
ÖFFENTLICHER GEWALT IN DEN MITGLIEDSTAATEN, UND ZWAR IM RAHMEN IHRER
ZUSTÄNDIGKEITEN AUCH DEN GERICHTEN . DARAUS FOLGT, DASS DAS NATIONALE GERICHT BEI
DER ANWENDUNG DES NATIONALEN RECHTS, INSBESONDERE AUCH DER VORSCHRIFTEN EINES
SPEZIELL ZUR DURCHFÜHRUNG EINER RICHTLINIE ERLASSENEN GESETZES, DIESES NATIONALE
RECHT IM LICHTE DES WORTLAUTS UND DES ZWECKS DER RICHTLINIE AUSZULEGEN HAT , UM DAS
IN ARTIKEL 189 ABSATZ 3 GENANNTE ZIEL ZU ERREICHEN .
2.DIE RICHTLINIE 76/207 SCHREIBT NICHT VOR , ALS SANKTION FÜR EINE WEGEN DES GESCHLECHTS
ERFOLGTE DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG DEN ARBEITGEBER, DER
URHEBER DER DISKRIMINIERUNG IST, ZUM ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS MIT DEM
DISKRIMINIERTEN BEWERBER ZU VERPFLICHTEN .
DIE RICHTLINIE BEGRÜNDET HINSICHTLICH DER SANKTIONEN FÜR EINE ETWAIGE
DISKRIMINIERUNG KEINE UNBEDINGTE UND HINREICHEND BESTIMMTE VERPFLICHTUNG, AUF DIE
SICH EIN EINZELNER MANGELS RECHTZEITIG ERLASSENER DURCHFÜHRUNGSMASSNAHMEN
BERUFEN KÖNNTE, UM AUFGRUND DER RICHTLINIE EINE BESTIMMTE WIEDERGUTMACHUNG ZU
ERLANGEN, WENN EINE SOLCHE RECHTSFOLGE NACH DEN NATIONALEN RECHTSVORSCHRIFTEN
NICHT VORGESEHEN ODER ZUGELASSEN IST .
DIE RICHTLINIE 76/207 ÜBERLÄSST ES ZWAR DEN MITGLIEDSTAATEN, DIE SANKTIONEN FÜR EINEN
VERSTOSS GEGEN DAS DISKRIMINIERUNGSVERBOT UNTER DEN VERSCHIEDENEN MÖGLICHKEITEN
AUSZUWÄHLEN, DIE ZUR VERWIRKLICHUNG DES ZIELS DER RICHTLINIE GEEIGNET SIND;
ENTSCHEIDET SICH EIN MITGLIEDSTAAT JEDOCH DAFÜR, ALS SANKTION FÜR EINEN VERSTOSS
GEGEN DIESES VERBOT EINE ENTSCHÄDIGUNG ZU GEWÄHREN, SO MUSS DIESE JEDENFALLS, DAMIT
IHRE WIRKSAMKEIT UND IHRE ABSCHRECKENDE WIRKUNG GEWÄHRLEISTET SIND, IN EINEM
ANGEMESSENEN VERHÄLTNIS ZU DEM ERLITTENEN SCHADEN STEHEN UND SOMIT ÜBER EINEN
REIN SYMBOLISCHEN SCHADENSERSATZ WIE ETWA DIE BLOSSE ERSTATTUNG DER
BEWERBUNGSKOSTEN HINAUSGEHEN. ES IST SACHE DES NATIONALEN GERICHTS, DAS ZUR
DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE ERLASSENE GESETZ UNTER VOLLER AUSSCHÖPFUNG DES
BEURTEILUNGSSPIELRAUMS, DEN IHM DAS NATIONALE RECHT EINRÄUMT, IN ÜBEREINSTIMMUNG
MIT DEN ANFORDERUNGEN DES GEMEINSCHAFTSRECHTS AUSZULEGEN UND ANZUWENDEN.
1 DAS ARBEITSGERICHT HAMM HAT MIT BESCHLUSS VOM 6 . DEZEMBER 1982 , BEIM
GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 24 . JANUAR 1983 , GEMÄSS ARTIKEL 177 EWG-VERTRAG
MEHRERE FRAGEN NACH DER AUSLEGUNG DER RICHTLINIE 76/207/EWG DES RATES VOM 9 .
FEBRUAR 1976 ZUR VERWIRKLICHUNG DES GRUNDSATZES DER GLEICHBEHANDLUNG VON
MÄNNERN UND FRAUEN HINSICHTLICH DES ZUGANGS ZUR BESCHÄFTIGUNG , ZUR
BERUFSBILDUNG UND ZUM BERUFLICHEN AUFSTIEG SOWIE IN BEZUG AUF DIE
ARBEITSBEDINGUNGEN ( ABL . L 39 , S . 40 ) ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT .
2 DIESE FRAGEN STELLEN SICH IM RAHMEN EINES RECHTSSTREITS ZWISCHEN ZWEI DIPLOMSOZIALARBEITERINNEN , SABINE VON COLSON UND ELISABETH KAMANN , UND DEM LAND
NORDRHEIN-WESTFALEN . WIE SICH AUS DEN GRÜNDEN DES VORLAGEBESCHLUSSES ERGIBT ,
LEHNTE DIE JUSTIZVOLLZUGSANSTALT WERL , IN DIE NUR MÄNNLICHE GEFANGENE
AUFGENOMMEN WERDEN UND FÜR DIE DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN ZUSTÄNDIG IST ,
DIE EINSTELLUNG DER KLAEGERINNEN DES AUSGANGSVERFAHRENS WEGEN IHRES
GESCHLECHTS AB . DIE FÜR EINSTELLUNGEN ZUSTÄNDIGEN BEAMTEN HÄTTEN IHRE
ABLEHNUNG DER EINSTELLUNG DER KLAEGERINNEN DAMIT BEGRÜNDET , DASS DIE
EINSTELLUNG VON WEIBLICHEN BEWERBERN FÜR DERARTIGE ANSTALTEN PROBLEMATISCH
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 160
3
4
5
6
UND RISIKOREICH SEI ; SIE HÄTTEN AUS DIESEN GRÜNDEN MÄNNLICHE BEWERBER
VORGEZOGEN , OBWOHL DIESE SCHLECHTER QUALIFIZIERT GEWESEN SEIEN .
DAS VORLEGENDE GERICHT HÄLT DIE DISKRIMINIERUNG FÜR ERWIESEN ; NACH SEINER
ANSICHT KOMMT ALS SANKTION FÜR EINE BEI DER EINSTELLUNG BEGANGENE
DISKRIMINIERUNG NACH DEUTSCHEM RECHT NUR DER ERSATZ DES VERTRAUENSSCHADENS IN
BETRACHT , D . H . DES SCHADENS , DER DEN DISKRIMINIERTEN BEWERBERN DADURCH
ENTSTANDEN IST , DASS SIE DARAUF VERTRAUT HABEN , DAS ARBEITSVERHÄLTNIS WERDE
OHNE DISKRIMINIERUNG BEGRÜNDET . EIN DERARTIGER SCHADENSERSATZ IST IN PAR 611A
ABSATZ 2 BGB VORGESEHEN .
NACH DIESER VORSCHRIFT IST DER ARBEITGEBER IM FALLE EINES VERSTOSSES GEGEN DEN
GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG ' ' ZUM ERSATZ
DES SCHADENS VERPFLICHTET , DEN DER ARBEITNEHMER DADURCH ERLEIDET , DASS ER
DARAUF VERTRAUT , DIE BEGRÜNDUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES WERDE NICHT WEGEN
EINES SOLCHEN VERSTOSSES UNTERBLEIBEN ' ' . DIESE VORSCHRIFT DIENT DER UMSETZUNG
DER GENANNTEN RICHTLINIE 76/207 DES RATES .
DAS VORLEGENDE GERICHT IST DESHALB DER AUFFASSUNG , DASS ES NUR AUF ERSTATTUNG
DER VON DER KLAEGERIN VON COLSON IN ZUSAMMENHANG MIT IHRER BEWERBUNG
AUFGEWANDTEN FAHRTKOSTEN ( 7,20 DM ) ERKENNEN KANN UND DIE KLAGEN IM ÜBRIGEN
ABWEISEN MUSS .
UM JEDOCH DIE AUF GEMEINSCHAFTSEBENE GELTENDEN RECHTSVORSCHRIFTEN FÜR DEN
FALL DER DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG FESTZUSTELLEN , HAT DAS
NATIONALE GERICHT DEM GERICHTSHOF FOLGENDE FRAGEN VORGELEGT :
' ' 1 . FOLGT AUS DEN BESTIMMUNGEN DER RICHTLINIE DES RATES VOM 9 . FEBRUAR 1976 ZUR
VERWIRKLICHUNG DES GRUNDSATZES DER GLEICHBEHANDLUNG VON MÄNNERN UND FRAUEN
HINSICHTLICH DES ZUGANGS ZUR BESCHÄFTIGUNG , ZUR BERUFSAUSBILDUNG UND ZUM
BERUFLICHEN AUFSTIEG SOWIE IN BEZUG AUF DIE ARBEITSBEDINGUNGEN ( 76/207/EWG ), DASS
EINE DISKRIMINIERUNG WEGEN DES GESCHLECHTS BEIM ZUGANG ZU EINER BESCHÄFTIGUNG (
NICHTABSCHLUSS
DES
ARBEITSVERTRAGS
WEGEN
DES
GESCHLECHTS
DES
BEWERBERS/BEVORZUGUNG EINES ANDEREN BEWERBERS WEGEN DESSEN GESCHLECHTS )
DADURCH SANKTIONIERT WERDEN MUSS , DASS DER DISKRIMINIERENDE ARBEITGEBER ZUM
ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS MIT DEM DISKRIMINIERTEN BEWERBER VERPFLICHTET
WIRD?
2.FALLS FRAGE 1 GRUNDSÄTZLICH BEJAHT WIRD :
A ) GILT DIE SANKTION , VERPFLICHTUNG ZUM ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS ' NUR
DANN , WENN ÜBER DIE FESTSTELLUNG DER TATSACHE , DASS DER ARBEITGEBER SEINE
AUSWAHLENTSCHEIDUNG SUBJEKTIV NACH GESCHLECHTSKRITERIEN GETROFFEN HAT ,
HINAUS FESTGESTELLT WERDEN KANN , DASS DER DISKRIMINIERTE BEWERBER OBJEKTIV NACH ZULÄSSIGEN AUSWAHLKRITERIEN - FÜR DEN ARBEITSPLATZ BESSER QUALIFIZIERT IST
ALS DER JEWEILIGE BEWERBER , MIT DEM DER ARBEITSVERTRAG ABGESCHLOSSEN WURDE?
B)ODER IST DER ARBEITGEBER AUCH DANN ZUR EINSTELLUNG DES DISKRIMINIERTEN
BEWERBERS VERPFLICHTET , WENN ZWAR FESTGESTELLT WERDEN KANN , DASS DER
ARBEITGEBER SUBJEKTIV SEINE AUSWAHLENTSCHEIDUNG NACH GESCHLECHTSKRITERIEN
GETROFFEN HAT , OBJEKTIV ABER DER DISKRIMINIERTE UND DER BEVORZUGTE BEWERBER
GLEICHERMASSEN QUALIFIZIERT SIND?
C)IST SCHLIESSLICH EIN EINSTELLUNGSANSPRUCH DES DISKRIMINIERTEN BEWERBERS AUCH
DANN BEGRÜNDET , WENN DER DISKRIMINIERTE BEWERBER ZWAR OBJEKTIV SCHLECHTER
QUALIFIZIERT IST ALS DER BEVORZUGTE BEWERBER , ABER FESTSTEHT , DASS DER
ARBEITGEBER SUBJEKTIV DEN DISKRIMINIERTEN BEWERBER WEGEN SEINES GESCHLECHTS
VON VORNHEREIN VON DER AUSWAHLENTSCHEIDUNG NACH ZULÄSSIGEN KRITERIEN
AUSGENOMMEN HAT?
3.FALLS ES IM SINNE DER FRAGEN 2A BIS C AUF DIE OBJEKTIVE QUALIFIKATION DER
BEWERBER ANKOMMT :
IST DIESE VOLL JUSTITIABEL UND WELCHE KRITERIEN UND PROZESSUALEN DARLEGUNGS- UND
BEWEISLASTREGELN SIND BEI IHRER FESTSTELLUNG ANWENDBAR?
4.FALLS FRAGE 1 GRUNDSÄTZLICH BEJAHT WIRD :
HÄTTE IN EINEM FALL , DASS BEI MEHR ALS ZWEI BEWERBERN FÜR EINEN ARBEITSPLATZ
MEHR ALS EINE PERSON AUS GESCHLECHTSGRÜNDEN VON VORNHEREIN NICHT IN DIE
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 161
AUSWAHLENTSCHEIDUNG NACH ZULÄSSIGEN KRITERIEN MIT EINBEZOGEN WIRD , JEDE DIESER
PERSONEN DEN ANSPRUCH AUF ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS?
MÜSSTE DAS GERICHT HIER EVENTÜLL EINE EIGENE AUSWAHLENTSCHEIDUNG UNTER DEN
DISKRIMINIERTEN BEWERBERN TREFFEN?
WELCHE SANKTION WÄRE SONST MATERIELL-RECHTLICH GEGEBEN , FALLS DIE FRAGE IN SATZ
1 VERNEINT WIRD?
5.FALLS FRAGE 1 GRUNDSÄTZLICH VERNEINT WIRD :
WELCHE SANKTION HAT DANN BEI EINER FESTGESTELLTEN DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG
ZU EINER BESCHÄFTIGUNG NACH DEN VORSCHRIFTEN DER RICHTLINIE 76/207/EWG ZU
ERFOLGEN?
IST DABEI NACH DEN FRAGEN 2A BIS C ZU DIFFERENZIEREN?
6.IST DIE RICHTLINIE 76/207/EWG IN DER AUSLEGUNG , DIE DER GERICHTSHOF DIESER IN
BEANTWORTUNG DER EBEN GESTELLTEN FRAGEN GIBT , IN DER BUNDESREPUBLIK
DEUTSCHLAND UNMITTELBAR GELTENDES RECHT?
''
7 MIT DIESEN FRAGEN SOLL VOR ALLEM GEKLÄRT WERDEN , OB DIE RICHTLINIE 76/207 DIE
MITGLIEDSTAATEN VERPFLICHTET , FÜR FÄLLE DER DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG ZUR
BESCHÄFTIGUNG BESONDERE RECHTSFOLGEN ODER SANKTIONEN VORZUSEHEN , ( FRAGEN 1
BIS 5 ) UND OB SICH DIE EINZELNEN GEGEBENENFALLS MANGELS RECHTZEITIGER UMSETZUNG
DER RICHTLINIE IN DIE NATIONALE RECHTSORDNUNG VOR DEN NATIONALEN GERICHTEN AUF
DIE RICHTLINIE BERUFEN KÖNNEN ( FRAGE 6 ).
A ) ZUR ERSTEN FRAGE
8 DIE ERSTE FRAGE DES NATIONALEN GERICHTS GEHT IM WESENTLICHEN DAHIN , OB DIE
RICHTLINIE 76/207 VORSCHREIBT , ALS SANKTION FÜR EINE WEGEN DES GESCHLECHTS
ERFOLGTEN DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG DEN ARBEITGEBER , DER
URHEBER DER DISKRIMINIERUNG IST , ZUM ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS MIT DEM
DISKRIMINIERTEN BEWERBER ZU VERPFLICHTEN .
9 NACH
ANSICHT
DES
VORLEGENDEN
GERICHTS
ERGIBT
SICH
AUS
DEN
BEGRÜNDUNGSERWAEGUNGEN UND DEM WORTLAUT DER RICHTLINIE SELBST , DASS SIE DEN
ERLASS VON RECHTSVORSCHRIFTEN VERLANGE , DIE VON WIRKSAMEN SANKTIONEN
BEGLEITET SEIEN ; WIRKSAM SEI ABER NUR EINE NATURALRESTITUTION , DIE ZUR
EINSTELLUNG DER DISKRIMINIERTEN PERSONEN FÜHRE .
10 DIE KLAEGERINNEN DES AUSGANGSVERFAHRENS SIND DER ANSICHT , PAR 611A ABSATZ 2 BGB
SCHLIESSE DADURCH , DASS ER DEN ENTSCHÄDIGUNGSANSPRUCH AUF DEN
VERTRAUENSSCHADEN BESCHRÄNKE , DIE NACH DEN ALLGEMEINEN RECHTSVORSCHRIFTEN
BESTEHENDEN SCHADENSERSATZMÖGLICHKEITEN AUS . DIE RICHTLINIE 76/207 VERPFLICHTE
DIE MITGLIEDSTAATEN , GEEIGNETE MASSNAHMEN ZU ERGREIFEN , UM DISKRIMINIERUNGEN
FÜR DIE ZUKUNFT ZU VERHINDERN . ES MÜSSE DAHER ZUMINDEST ANGENOMMEN WERDEN ,
DASS PAR 611A ABSATZ 2 AUSSER BETRACHT ZU BLEIBEN HABE . DAS HÄTTE FÜR DEN
ARBEITGEBER DIE VERPFLICHTUNG ZUR FOLGE , EINEN ARBEITSVERTRAG MIT DEM
DISKRIMINIERTEN BEWERBER ABZUSCHLIESSEN .
11 DIE REGIERUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND IST SICH ZWAR DER NOTWENDIGKEIT
EINER WIRKSAMEN UMSETZUNG DER RICHTLINIE BEWUSST , LEGT ABER NACHDRUCK DARAUF
, DASS JEDEM MITGLIEDSTAAT NACH ARTIKEL 189 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG EIN
GESTALTUNGSSPIELRAUM HINSICHTLICH DER RECHTSFOLGEN EINER VERLETZUNG DES
GLEICHBEHANDLUNGSGRUNDSATZES ZUSTEHE . IM ÜBRIGEN HÄTTEN DIE DEUTSCHEN
GERICHTE DIE MÖGLICHKEIT , AUSGEHEND VOM NATIONALEN PRIVATRECHT UND UNTER
BEACHTUNG DES INHALTS DER RICHTLINIE ANGEMESSENE LÖSUNGEN ZU ERARBEITEN , DIE
DEM GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG , ABER AUCH DEN INTERESSEN ALLER
BETEILIGTEN GERECHT WÜRDEN . SCHLIESSLICH GENÜGE EINE SPÜRBARE RECHTSFOLGE , UM
DEN GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG DURCHZUSETZEN , UND DIESE RECHTSFOLGE
DÜRFE NUR FÜR DIEJENIGEN FÄLLE VORGESEHEN WERDEN , IN DENEN DER DISKRIMINIERTE
BEWERBER FÜR DEN BETREFFENDEN ARBEITSPLATZ BESSER QUALIFIZIERT SEI ALS ANDERE
BEWERBER , NICHT ABER FÜR DIE FÄLLE , IN DENEN DIE BEWERBER ÜBER EINE GLEICHE
QUALIFIKATION VERFÜGTEN .
12 DIE DÄNISCHE REGIERUNG IST DER ANSICHT , DIE RICHTLINIE HABE DEN MITGLIEDSTAATEN
ABSICHTLICH DIE WAHL DER GEEIGNETEN SANKTIONEN NACH MASSGABE IHRER
INNERSTAATLICHEN VERHÄLTNISSE UND IHRER RECHTSSYSTEME ÜBERLASSEN . DIE
MITGLIEDSTAATEN
MÜSSTEN
BEI
VERSTÖSSEN
GEGEN
DEN
GRUNDSATZ
DER
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 162
13
14
15
16
17
18
19
GLEICHBEHANDLUNG DIE GLEICHEN SANKTIONEN VORSEHEN WIE BEI ENTSPRECHENDEN
VERSTÖSSEN GEGEN INNERSTAATLICHE VORSCHRIFTEN VERWANDTER RECHTSBEREICHE , DIE
NICHT GEMEINSCHAFTSRECHTLICH GEREGELT SEIEN .
DIE REGIERUNG DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS IST EBENFALLS DER AUFFASSUNG , DASS ES
SACHE DER MITGLIEDSTAATEN SEI , DIE MASSNAHMEN AUSZUWÄHLEN , DIE SIE ZUR
ERFÜLLUNG IHRER VERPFLICHTUNGEN AUS DER RICHTLINIE FÜR GEEIGNET HIELTEN . DIE
RICHTLINIE MACHE KEINE ANGABEN ÜBER DIE VON DEN MITGLIEDSTAATEN ZU TREFFENDEN
MASSNAHMEN , UND DIE DEM GERICHTSHOF VORGELEGTEN FRAGEN ZEIGTEN SELBST
DEUTLICH DIE SCHWIERIGKEITEN , DIE BEI DER BESTIMMUNG DER GEEIGNETEN MASSNAHMEN
AUFTRÄTEN .
NACH ANSICHT DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN WILL DIE RICHTLINIE
ZWAR DEN MITGLIEDSTAATEN DIE AUSWAHL UND FESTLEGUNG DER SANKTIONEN
ÜBERLASSEN , GLEICHWOHL MÜSSE IHRE UMSETZUNG JEDOCH IM ERGEBNIS WIRKSAM SEIN .
DER GRUNDSATZ DER WIRKSAMEN UMSETZUNG DER RICHTLINIE GEBIETE ES , DIE
SANKTIONEN SO AUSZUGESTALTEN , DASS SIE FÜR DEN DISKRIMINIERTEN BEWERBER EINE
ANGEMESSENE WIEDERGUTMACHUNG UND FÜR DEN ARBEITGEBER EIN ERNSTZUNEHMENDES
DRUCKMITTEL
DARSTELLTEN
,
DURCH
DAS
ER
ZUR
BEACHTUNG
DES
GLEICHBEHANDLUNGSGRUNDSATZES ANGEHALTEN WERDE . EINE NATIONALE REGELUNG , DIE
LEDIGLICH EINEN ANSPRUCH AUF ERSATZ DES VERTRAUENSSCHADENS GEBE , REICHE NICHT
AUS , UM DIE BEACHTUNG DIESES GRUNDSATZES ZU GEWÄHRLEISTEN .
NACH ARTIKEL 189 ABSATZ 3 EWG-VERTRAG IST ' ' DIE RICHTLINIE . . . FÜR JEDEN
MITGLIEDSTAAT , AN DEN SIE GERICHTET WIRD , HINSICHTLICH DES ZU ERREICHENDEN ZIELS
VERBINDLICH , ÜBERLÄSST JEDOCH DEN INNERSTAATLICHEN STELLEN DIE WAHL DER FORM
UND DER MITTEL ' ' . ZWAR BELÄSST DIESE BESTIMMUNG DEN MITGLIEDSTAATEN DIE FREIHEIT
BEI DER WAHL DER MITTEL UND WEGE ZUR DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE , DOCH LÄSST
DIESE FREIHEIT DIE VERPFLICHTUNG DER EINZELNEN MITGLIEDSTAATEN UNBERÜHRT , IM
RAHMEN IHRER NATIONALEN RECHTSORDNUNG ALLE ERFORDERLICHEN MASSNAHMEN ZU
ERGREIFEN , UM DIE VOLLSTÄNDIGE WIRKSAMKEIT DER RICHTLINIE ENTSPRECHEND IHRER
ZIELSETZUNG ZU GEWÄHRLEISTEN .
FOLGLICH IST ZU PRÜFEN , OB DIE RICHTLINIE 76/207 DIE MITGLIEDSTAATEN VERPFLICHTET ,
FÜR VERSTÖSSE GEGEN DEN GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG BEIM ZUGANG ZUR
BESCHÄFTIGUNG BESTIMMTE RECHTSFOLGEN ODER SANKTIONEN VORZUSEHEN .
DIE RICHTLINIE HAT ZUM ZIEL , IN DEN MITGLIEDSTAATEN DEN GRUNDSATZ DER
GLEICHBEHANDLUNG VON MÄNNERN UND FRAUEN INSBESONDERE DADURCH ZU
VERWIRKLICHEN , DASS DEN ARBEITNEHMERN BEIDERLEI GESCHLECHTS TATSÄCHLICHE
CHANCENGLEICHHEIT BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG GEWÄHRLEISTET WIRD . ZU DIESEM
ZWECK DEFINIERT ARTIKEL 2 DEN GRUNDSATZ DER GLEICHBEHANDLUNG UND SEINE GRENZEN
, WÄHREND ARTIKEL 3 ABSATZ 1 DESSEN TRAGWEITE SPEZIELL HINSICHTLICH DES ZUGANGS
ZUR BESCHÄFTIGUNG PRÄZISIERT . NACH ARTIKEL 3 ABSATZ 2 BUCHSTABE A TREFFEN DIE
MITGLIEDSTAATEN DIE NOTWENDIGEN MASSNAHMEN , UM SICHERZUSTELLEN , DASS DIE
RECHTS- UND VERWALTUNGSVORSCHRIFTEN BESEITIGT WERDEN , DIE MIT DEM GRUNDSATZ
DER GLEICHBEHANDLUNG UNVEREINBAR SIND .
ARTIKEL 6 VERPFLICHTET DIE MITGLIEDSTAATEN ZUM ERLASS DER INNERSTAATLICHEN
RECHTSVORSCHRIFTEN , DIE NOTWENDIG SIND , DAMIT JEDER , DER SICH DURCH EINE
DISKRIMINIERUNG FÜR BESCHWERT HÄLT , ' ' SEINE RECHTE GERICHTLICH GELTEND MACHEN
KANN ' ' . AUS DIESER BESTIMMUNG FOLGT , DASS DIE MITGLIEDSTAATEN VERPFLICHTET SIND ,
MASSNAHMEN ZU ERGREIFEN , DIE HINREICHEND WIRKSAM SIND , UM DAS ZIEL DER
RICHTLINIE ZU ERREICHEN , UND DAFÜR SORGE ZU TRAGEN , DASS DIE BETROFFENEN SICH
VOR DEN ERREICHEN , UND DAFÜR SORGE ZU TRAGEN , DASS DIE BETROFFENEN SICH VOR DEN
NATIONALEN GERICHTEN TATSÄCHLICH AUF DIESE MASSNAHMEN BERUFEN KÖNNEN . ZU
SOLCHEN MASSNAHMEN KÖNNTEN ZUM BEISPIEL VORSCHRIFTEN GEHÖREN , DIE DEN
ARBEITGEBER ZUR EINSTELLUNG DES DISKRIMINIERTEN BEWERBERS VERPFLICHTEN ODER
EINE ANGEMESSENE FINANZIELLE ENTSCHÄDIGUNG GEWÄHREN UND DIE GEGEBENENFALLS
DURCH EINE BUSSGELDREGELUNG VERSTÄRKT WERDEN . ALLERDINGS SCHREIBT DIE
RICHTLINIE KEINE BESTIMMTE SANKTION VOR , SONDERN BELÄSST DEN MITGLIEDSTAATEN
DIE FREIHEIT DER WAHL UNTER DEN VERSCHIEDENEN , ZUR VERWIRKLICHUNG IHRER
ZIELSETZUNG GEEIGNETEN LÖSUNGEN .
AUF DIE ERSTE FRAGE IST DAHER ZU ANTWORTEN , DASS DIE RICHTLINIE 76/207 NICHT
VORSCHREIBT , ALS SANKTION FÜR EINE WEGEN DES GESCHLECHTS ERFOLGTE
DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG DEN ARBEITGEBER , DER URHEBER
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 163
20
21
22
23
24
25
26
27
DER DISKRIMINIERUNG IST , ZUM ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS MIT DEM
DISKRIMINIERTEN BEWERBER ZU VERPFLICHTEN .
B ) ZU DEN FRAGEN 2 BIS 4
DA DIE FRAGEN 2 BIS 4 NUR FÜR DEN FALL EINER VERPFLICHTUNG DES ARBEITSGEBERS ZUR
EINSTELLUNG DES DISKRIMINIERTEN BEWERBERS GESTELLT SIND , ERÜBRIGT SICH IHRE
BEANTWORTUNG .
C ) ZUR FÜNFTEN UND SECHSTEN FRAGE
MIT SEINER FÜNFTEN FRAGE MÖCHTE DAS NATIONALE GERICHT VOM GERICHTSHOF IM
WESENTLICHEN WISSEN , OB DER RICHTLINIE FÜR FÄLLE DER DISKRIMINIERUNG EINE ANDERE
SANKTION ALS DER ANSPRUCH AUF ABSCHLUSS EINES ARBEITSVERTRAGS ENTNOMMEN
WERDEN KANN . DIE SECHSTE FRAGE GEHT DAHIN , OB SICH VERLETZTE PERSONEN VOR
NATIONALEN GERICHTEN AUF DIE RICHTLINIE ENTSPRECHEND DER AUSLEGUNG , DIE IHR
GEGEBEN WERDEN MUSS , BERUFEN KÖNNEN .
IN
DIESEM
ZUSAMMENHANG
IST
DARAUF
HINZUWEISEN
,
DASS
WIRKLICHE
CHANCENGLEICHHEIT NICHT OHNE EINE GEEIGNETE SANKTIONSREGELUNG ERREICHT
WERDEN KANN . DIESE FOLGERUNG ERGIBT SICH NICHT NUR AUS DER ZIELSETZUNG DER
RICHTLINIE SELBST , SONDERN INSBESONDERE AUS IHREM ARTIKEL 6 , DER DADURCH , DASS
ER DEN BEWERBERN UM EINEN ARBEITSPLATZ , DIE DISKRIMINIERT WORDEN SIND , EIN
KLAGERECHT EINRÄUMT , ANERKENNT , DASS IHNEN RECHTE ZUSTEHEN , DIE SIE VOR GERICHT
GELTEND MACHEN KÖNNEN .
AUCH WENN EINE VOLLSTÄNDIGE DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE NICHT - WIE IN DER
ANTWORT AUF DIE ERSTE FRAGE FESTGESTELLT - EINE BESTIMMTE SANKTION FÜR VERSTÖSSE
GEGEN DAS DISKRIMINIERUNGSVERBOT ERFORDERT , SO SETZT SIE DOCH VORAUS , DASS
DIESE SANKTION GEEIGNET IST , EINEN TATSÄCHLICHEN UND WIRKSAMEN RECHTSSCHUTZ ZU
GEWÄHRLEISTEN . SIE MUSS FERNER EINE WIRKLICH ABSCHRECKENDE WIRKUNG GEGENÜBER
DEM ARBEITGEBER HABEN . ENTSCHEIDET SICH DER MITGLIEDSTAAT DAFÜR , ALS SANKTION
FÜR DEN VERSTOSS GEGEN DAS DISKRIMINIERUNGSVERBOT EINE ENTSCHÄDIGUNG ZU
GEWÄHREN , SO MUSS DIESE DESHALB JEDENFALLS IN EINEM ANGEMESSENEN VERHÄLTNIS
ZUM ERLITTENEN SCHADEN STEHEN .
FOLGLICH
WÜRDE
EINE
NATIONALE
RECHTSVORSCHRIFT
,
DIE
DIE
SCHADENSERSATZANSPRÜCHE VON PERSONEN , DIE OPFER EINER DISKRIMINIERUNG BEIM
ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG WURDEN , AUF EINE REIN SYMBOLISCHE ENTSCHÄDIGUNG WIE
ETWA DIE ERSTATTUNG IHRER BEWERBUNGSKOSTEN BESCHRÄNKT , DEN ERFORDERNISSEN
EINER WIRKSAMEN UMSETZUNG DER RICHTLINIE NICHT GERECHT .
DIE ART DER IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND FÜR FÄLLE DER DISKRIMINIERUNG BEIM
ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG VORGESEHENEN SANKTIONEN UND INSBESONDERE DIE FRAGE ,
OB PAR 611A ABSATZ 2 BGB DIE SICH AUS DEN ALLGEMEINEN RECHTSVORSCHRIFTEN
ERGEBENDEN SCHADENSERSATZMÖGLICHKEITEN AUSSCHLIESST , IST VOR DEM GERICHTSHOF
AUSFÜHRLICH ERÖRTERT WORDEN . DIE REGIERUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
HAT HIERZU IN DER MÜNDLICHEN VERHANDLUNG VORGETRAGEN , DIESE BESTIMMUNG
SCHLIESSE DIE ANWENDUNG DER ALLGEMEINEN SCHADENSERSATZVORSCHRIFTEN NICHT
NOTWENDIG AUS . ES IST ALLEIN SACHE DES NATIONALEN GERICHTS , ÜBER DIESE FRAGE DER
AUSLEGUNG SEINES NATIONALEN RECHTS ZU ENTSCHEIDEN .
ALLERDINGS IST KLARZUSTELLEN , DASS DIE SICH AUS EINER RICHTLINIE ERGEBENDE
VERPFLICHTUNG DER MITGLIEDSTAATEN , DAS IN DIESER VORGESEHENE ZIEL ZU ERREICHEN ,
SOWIE DIE PFLICHT DER MITGLIEDSTAATEN GEMÄSS ARTIKEL 5 EWG-VERTRAG , ALLE ZUR
ERFÜLLUNG DIESER VERPFLICHTUNG GEEIGNETEN MASSNAHMEN ALLGEMEINER ODER
BESONDERER ART ZU TREFFEN , ALLEN TRAEGERN ÖFFENTLICHER GEWALT IN DEN
MITGLIEDSTAATEN OBLIEGEN , UND ZWAR IM RAHMEN IHRER ZUSTÄNDIGKEITEN AUCH DEN
GERICHTEN . DARAUS FOLGT , DASS DAS NATIONALE GERICHT BEI DER ANWENDUNG DES
NATIONALEN RECHTS , INSBESONDERE AUCH DER VORSCHRIFTEN EINES SPEZIELL ZUR
DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE 76/207 ERLASSENEN GESETZES , DIESES NATIONALE RECHT
IM LICHTE DES WORTLAUTS UND DES ZWECKS DER RICHTLINIE AUSZULEGEN HAT , UM DAS IN
ARTIKEL 189 ABSATZ 3 GENANNTE ZIEL ZU ERREICHEN .
DAGEGEN BEGRÜNDET DIE RICHTLINIE , WIE SICH AUS DEN VORANGEHENDEN ERWAEGUNGEN
ERGIBT , HINSICHTLICH DER SANKTIONEN FÜR EINE ETWAIGE DISKRIMINIERUNG KEINE
UNBEDINGTE UND HINREICHEND BESTIMMTE VERPFLICHTUNG , AUF DIE SICH EIN EINZELNER
MANGELS RECHTZEITIG ERLASSENER DURCHFÜHRUNGSMASSNAHMEN BERUFEN KÖNNTE , UM
AUFGRUND DER RICHTLINIE EINE BESTIMMTE WIEDERGUTMACHUNG ZU ERLANGEN , WENN
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 164
EINE SOLCHE RECHTSFOLGE NACH DEN NATIONALEN RECHTSVORSCHRIFTEN NICHT
VORGESEHEN ODER ZUGELASSEN IST .
28 ES MUSS ABER DEM NATIONALEN GERICHT GEGENÜBER BETONT WERDEN , DASS DIE
RICHTLINIE 76/207 ES ZWAR DEN MITGLIEDSTAATEN ÜBERLÄSST , DIE SANKTION FÜR EINEN
VERSTOSS GEGEN DAS DISKRIMINIERUNGSVERBOT UNTER DEN VERSCHIEDENEN
MÖGLICHKEITEN AUSZUWÄHLEN , DIE ZUR VERWIRKLICHUNG DES ZIELS DER RICHTLINIE
GEEIGNET SIND ; ENTSCHEIDET SICH EIN MITGLIEDSTAAT JEDOCH DAFÜR , ALS SANKTION FÜR
EINEN VERSTOSS GEGEN DIESES VERBOT EINE ENTSCHÄDIGUNG ZU GEWÄHREN , SO MUSS
DIESE JEDENFALLS , DAMIT IHRE WIRKSAMKEIT UND IHRE ABSCHRECKENDE WIRKUNG
GEWÄHRLEISTET SIND , IN EINEM ANGEMESSENEN VERHÄLTNIS ZU DEM ERLITTENEN SCHADEN
STEHEN UND SOMIT ÜBER EINEN REIN SYMBOLISCHEN SCHADENSERSATZ WIE ETWA DIE
BLOSSE ERSTATTUNG DER BEWERBUNGSKOSTEN HINAUSGEHEN . ES IST SACHE DES
NATIONALEN GERICHTS , DAS ZUR DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE ERLASSENE GESETZ
UNTER VOLLER AUSSCHÖPFUNG DES BEURTEILUNGSSPIELRAUMS , DEN IHM DAS NATIONALE
RECHT
EINRÄUMT
,
IN
ÜBEREINSTIMMUNG
MIT
DEN
ANFORDERUNGEN
DES
GEMEINSCHAFTSRECHTS AUSZULEGEN UND ANZUWENDEN .
KOSTEN
29 DIE AUSLAGEN DER REGIERUNGEN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND , DÄNEMARKS UND
DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS SOWIE DIE AUSLAGEN DER KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN
GEMEINSCHAFTEN , DIE ERKLÄRUNGEN VOR DEM GERICHTSHOF ABGEGEBEN HABEN , SIND
NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG . FÜR DIE PARTEIEN DES AUSGANGSVERFAHRENS IST DAS
VERFAHREN VOR DEM GERICHTSHOF EIN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DEM NATIONALEN
GERICHT ANHÄNGIGEN VERFAHREN ; DIE KOSTENENTSCHEIDUNG IST DAHER SACHE DIESES
GERICHTS .
AUS DIESEN GRÜNDEN
HAT
DER GERICHTSHOF
AUF DIE IHM VOM ARBEITSGERICHT HAMM MIT BESCHLUSS VOM 6 . DEZEMBER 1982
VORGELEGTEN FRAGEN FÜR RECHT ERKANNT :
1 . DIE RICHTLINIE 76/207 SCHREIBT NICHT VOR, ALS SANKTION FÜR EINE WEGEN DES
GESCHLECHTS ERFOLGTE DISKRIMINIERUNG BEIM ZUGANG ZUR BESCHÄFTIGUNG DEN
ARBEITGEBER, DER URHEBER DER DISKRIMINIERUNG IST, ZUM ABSCHLUSS EINES
ARBEITSVERTRAGS MIT DEM DISKRIMINIERTEN BEWERBER ZU VERPFLICHTEN .
2.DIE RICHTLINIE BEGRÜNDET HINSICHTLICH DER SANKTIONEN FÜR EINE ETWAIGE
DISKRIMINIERUNG KEINE UNBEDINGTE UND HINREICHEND BESTIMMTE VERPFLICHTUNG , AUF
DIE
SICH
EIN
EINZELNER
MANGELS
RECHTZEITIG
ERLASSENER
DURCHFÜHRUNGSMASSNAHMEN BERUFEN KÖNNTE, UM AUFGRUND DER RICHTLINIE EINE
BESTIMMTE WIEDERGUTMACHUNG ZU ERLANGEN, WENN EINE SOLCHE RECHTSFOLGE NACH
DEN NATIONALEN RECHTSVORSCHRIFTEN NICHT VORGESEHEN ODER ZUGELASSEN IST .
3.DIE RICHTLINIE 76/207 ÜBERLÄSST ES ZWAR DEN MITGLIEDSTAATEN, DIE SANKTION FÜR
EINEN VERSTOSS GEGEN DAS DISKRIMINIERUNGSVERBOT UNTER DEN VERSCHIEDENEN
MÖGLICHKEITEN AUSZUWÄHLEN , DIE ZUR VERWIRKLICHUNG DES ZIELS DER RICHTLINIE
GEEIGNET SIND; ENTSCHEIDET SICH EIN MITGLIEDSTAAT JEDOCH DAFÜR, ALS SANKTION FÜR
EINEN VERSTOSS GEGEN DIESES VERBOT EINE ENTSCHÄDIGUNG ZU GEWÄHREN, SO MUSS
DIESE JEDENFALLS, DAMIT IHRE WIRKSAMKEIT UND IHRE ABSCHRECKENDE WIRKUNG
GEWÄHRLEISTET SIND, IN EINEM ANGEMESSENEN VERHÄLTNIS ZU DEM ERLITTENEN SCHADEN
STEHEN UND SOMIT ÜBER EINEN REIN SYMBOLISCHEN SCHADENSERSATZ WIE ETWA DIE
BLOSSE ERSTATTUNG DER BEWERBUNGSKOSTEN HINAUSGEHEN. ES IST SACHE DES
NATIONALEN GERICHTS, DAS ZUR DURCHFÜHRUNG DER RICHTLINIE ERLASSENE GESETZ
UNTER VOLLER AUSSCHÖPFUNG DES BEURTEILUNGSSPIELRAUMS, DEN IHM DAS NATIONALE
RECHT
EINRÄUMT,
IN
ÜBEREINSTIMMUNG
MIT
DEN
ANFORDERUNGEN
DES
GEMEINSCHAFTSRECHTS AUSZULEGEN UND ANZUWENDEN .
EuGH, Urteil vom 8. 11. 1990 - C-177/ 88
1. Ein Arbeitgeber verstösst unmittelbar gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1
der Richtlinie 76/ 207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 165
beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen, wenn er es ablehnt, mit einer von ihm für geeignet
befundenen Bewerberin einen Arbeitsvertrag zu schließen, weil er wegen der Einstellung einer schwangeren Frau
Nachteile zu befürchten hat, die sich aus einer staatlichen Regelung über die Arbeitsunfähigkeit ergeben, wonach eine
mit Schwangerschaft und Entbindung zusammenhängende Verhinderung an der Arbeitsleistung einer Verhinderung
wegen Krankheit gleichsteht.
2. Für die Beantwortung der ersten Frage macht es keinen Unterschied, daß sich kein Mann um die freie Stelle
beworben hat.
3. Die Richtlinie 76/207/ EWG überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, die Sanktion für einen Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der
Richtlinie geeignet sind; entscheidet sich ein Mitgliedstaat jedoch für eine Sanktion, die sich in den Rahmen einer
zivilrechtlichen Haftungsregelung einfügt, so reicht jeder Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich
genommen aus, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen
Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können.
1. Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 24. Juni 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni
1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 und 3 der Richtlinie 76/ 207/
EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in
bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; im folgenden: "die Richtlinie") zur Vorabentscheidung
vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau E. J. P. Dekker und der Stichting Vormingscentrum
voor Jong Volwassenen (VJV-Centrum) Plus (im folgenden: "das VJV"). Im Juni 1981 bewarb sich Frau Dekker
um eine Stelle als Erzieherin in der vom VJV betriebenen Bildungsstätte für junge Erwachsene. Am 15. Juni 1981
teilte sie der Auswahlkommission mit, daß sie seit drei Monaten schwanger sei. Die Kommission schlug sie
dennoch der Leitung des VJV als für die Tätigkeit am besten geeigneten Bewerber vor. Mit Schreiben vom 10. Juli
1981 teilte das VJV Frau Dekker jedoch mit, daß sie nicht eingestellt werde.
3. In diesem Schreiben führte das VJV aus, diese Entscheidung sei darauf zurückzuführen, daß Frau Dekker schon bei
Einreichung ihrer Bewerbung schwanger gewesen sei und daß dies nach den von ihr eingeholten Auskünften
bedeute, daß, wenn das VJV Frau Dekker einstellen würde, deren Versicherer, der Risicofonds Sociale
Voorzieningen Bijzonder Onderwijs (Risikofonds für die Sozialvorsorge im Bereich der besonderen
Bildungsanstalten; im folgenden: "der Risicofonds"), dem VJV nicht das Krankengeld erstatten würde, das es Frau
Dekker während ihres Mutterschaftsurlaubs zu zahlen hätte. Infolgedessen wäre es ihm finanziell unmöglich,
während der Verhinderung von Frau Dekker einen Vertreter einzustellen, so daß es einen Teil seiner
Bildungsplätze verlieren würde.
4. Wie sich aus den Akten ergibt, kann die Leitung des Risicofonds nach Artikel 6 des Ziekengeldreglement
(Krankengeldregelung) in der Tat einem Mitglied (dem Arbeitgeber) die Erstattung des Krankengelds ganz oder
teilweise verweigern, wenn ein Versicherter (der Arbeitnehmer) innerhalb eines halben Jahres nach dem Zeitpunkt
des Beginns der Versicherung zur Verrichtung seiner Arbeit unfähig geworden ist und aufgrund seines
Gesundheitszustands im Zeitpunkt des Versicherungsbeginns mit dem Eintritt dieser Arbeitsunfähigkeit innerhalb
dieser Frist erkennbar zu rechnen war. Im Gegensatz zu Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe b der Ziektewet, des
niederländischen Krankenversicherungsgesetzes, das die im allgemeinen für Arbeitnehmer im Privatsektor geltende
Versicherungsregelung enthält, sieht das im Fall von Frau Dekker ausschließlich anwendbare Ziekengeldreglement
nicht für den Fall der Schwangerschaft eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, daß die Erstattung des
Krankengelds bei "vorhersehbarer Krankheit" verweigert werden kann.
5. Die Arrondissementsrechtbank Haarlem und der Gerechtshof Amsterdam wiesen nacheinander die Klage ab, mit
der Frau Dekker beantragt hatte, das VJV zur Zahlung von Schadensersatz wegen Verdienstausfalls zu verurteilen.
Frau Dekker legte daraufhin Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein.
6. Da dieses Rechtsmittel seiner Ansicht nach Probleme bei der Auslegung der Richtlinie 76/ 207 des Rates aufwirft,
hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen:
"1) Verstösst ein Arbeitgeber unmittelbar oder mittelbar gegen den in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der
Richtlinie 76/ 207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und
zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen aufgestellten Grundsatz der
Gleichbehandlung, wenn er es ablehnt, mit einer von ihm für geeignet befundenen Bewerberin einen Arbeitsvertrag
zu schließen, weil er wegen deren bei dieser Bewerbung bestehenden Schwangerschaft im Zusammenhang mit
einer staatlichen Regelung über die Arbeitsunfähigkeit, wonach eine mit Schwangerschaft und Entbindung
zusammenhängende Verhinderung an der Arbeitsleistung einer Verhinderung wegen Krankheit gleichsteht,
Nachteile zu befürchten hat?
2) Macht es dabei einen Unterschied, daß sich kein Mann beworben hat?
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 166
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
3) Ist es mit den Artikeln 2 und 3 vereinbar, a) daß neben der feststehenden Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber der abgelehnten Bewerberin für die Zuerkennung eines mit dieser
Verletzung begründeten Anspruchs der hier gegebenen Art noch ein Verschulden des Arbeitgebers verlangt wird
oder b) daß sich der Arbeitgeber, wenn ein solcher Verstoß feststeht, seinerseits noch auf einen
Rechtfertigungsgrund berufen kann, ohne daß einer der Fälle des Artikels 2 Absätze 2 bis 4 vorliegt?
4) Reicht es, falls ein Verschulden im Sinne der Frage 3 verlangt werden darf oder Rechtfertigungsgründe
angeführt werden können, für das Fehlen eines Verschuldens oder für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes
aus, daß für einen Arbeitgeber die im Tatbestand (des Vorlagurteils) dargestellten Risiken bestehen, oder sind die
Artikel 2 und 3 dahin auszulegen, daß er diese Risiken zu tragen hat, es sei denn, daß er sich vollständige
Gewißheit darüber verschafft hat, daß die Leistung wegen Arbeitsunfähigkeit verweigert wird oder daß
Bildungsplätze verlorengehen, und er sein möglichstes getan hat, um dies zu verhindern?"
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim
Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird
im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
Zur ersten Frage
Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Richtlinie nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 zum Ziel hat, daß in den
Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen
verwirklicht wird.
Nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie beinhaltet "der Grundsatz der Gleichbehandlung …, daß keine unmittelbare
oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe - oder
Familienstand - erfolgen darf". Nach Artikel 3 Absatz 1 beinhaltet "die Anwendung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung …, daß bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den
Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen … keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgt".
Es ist zu prüfen, ob eine Verweigerung der Einstellung in dem vom vorlegenden Gericht bezeichneten Fall eine
unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie darstellen kann. Die Antwort auf
diese Frage hängt davon ab, ob es sich bei dem wesentlichen Grund für die Verweigerung der Einstellung um einen
Grund handelt, der unterschiedslos für Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts oder aber ausschließlich für eines der
beiden Geschlechter gilt.
Der Arbeitgeber hat die Weigerung, Frau Dekker einzustellen, im wesentlichen damit begründet, daß er vom
Risicofonds nicht die Erstattung des Krankengelds erlangen könnte, das er ihr während ihrer durch die
Schwangerschaft verursachten Fehlzeiten zahlen müsste, daß er aber dennoch gezwungen wäre, einen Vertreter
einzustellen. Diese Situation ist darauf zurückzuführen, daß zum einen die fragliche nationale Regelung die
Schwangerschaft der Krankheit gleichstellt und zum anderen das Ziekengeldreglement keine Vorschrift enthält,
durch die die Schwangerschaft von den Fällen ausgeschlossen wird, in denen der Risicofonds die Erstattung des
Krankengelds verweigern kann.
Hierzu ist zu bemerken, daß die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft nur Frauen gegenüber in
Betracht kommt und daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt. Eine
Verweigerung der Einstellung aufgrund der finanziellen Auswirkungen der Fehlzeiten wegen Schwangerschaft ist
als eine Weigerung anzusehen, die im wesentlichen ihren Grund in der Schwangerschaft als solcher hat. Eine
solche Diskriminierung kann nicht mit dem finanziellen Nachteil gerechtfertigt werden, den der Arbeitgeber im
Fall der Einstellung einer schwangeren Frau während deren Mutterschaftsurlaubs erleiden würde.
Im übrigen kann der Umstand, daß die Schwangerschaft der Krankheit gleichgestellt wird und daß die Vorschriften
der Ziektewet und des Ziekengeldreglement über die Erstattung des Krankengelds bei Schwangerschaft nicht
miteinander übereinstimmen, nicht als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie
angesehen werden. Da es schließlich eine unmittelbare Diskriminierung darstellt, wenn ein Arbeitgeber eine
Einstellung aufgrund der finanziellen Auswirkungen von Fehlzeiten wegen Schwangerschaft ablehnt, braucht nicht
geprüft zu werden, ob nationale Vorschriften der oben bezeichneten Art den Arbeitgeber einem solchen Druck
aussetzen, daß er sich veranlasst sieht, die Einstellung einer schwangeren Frau abzulehnen, wodurch sie eine
Diskriminierung im Sinne der Richtlinie bewirken würden.
Nach allem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, daß ein Arbeitgeber unmittelbar gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz der Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/ 207 des Rates vom 9.
Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des
Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen verstösst, wenn er es ablehnt, mit einer von ihm für geeignet befundenen Bewerberin einen
Arbeitsvertrag zu schließen, weil er wegen der Einstellung einer schwangeren Frau Nachteile zu befürchten hat, die
sich aus einer staatlichen Regelung über die Arbeitsunfähigkeit ergeben, wonach eine mit Schwangerschaft und
Entbindung zusammenhängende Verhinderung an der Arbeitsleistung einer Verhinderung wegen Krankheit
gleichsteht.
Zur zweiten Frage
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 167
15. Die zweite Frage des Hoge Raad geht dahin, ob es für die Beantwortung der ersten Frage einen Unterschied macht,
daß sich kein Mann um die freie Stelle beworben hat.
16. Nach Ansicht des VJV ist die zweite Frage zu bejahen, weil es nicht um die diskriminierende Wirkung einer
abstrakten Maßnahme gehe, sondern um eine konkrete Entscheidung eines Arbeitgebers, eine bestimmte
Bewerberin nicht einzustellen. Wenn ein Arbeitgeber eine Auswahl zwischen ausschließlich weiblichen Bewerbern
treffe, könne dabei nicht von einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gesprochen werden, weil sich der
Arbeitgeber in diesem Fall durch andere Erwägungen finanzieller oder administrativer Art leiten lasse.
17. Hierzu ist festzustellen, daß die Antwort auf die Frage, ob die Weigerung, eine Frau einzustellen, eine unmittelbare
oder mittelbare Diskriminierung darstellt, vom Motiv dieser Weigerung abhängt. Besteht dieses darin, daß die
Betroffene schwanger ist, so steht die Entscheidung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Geschlecht der
Bewerberin. Von daher kann es für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage nicht von Belang sein, daß sich kein
Mann beworben hat.
18. Somit ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, daß es für die Beantwortung der ersten Frage keinen
Unterschied macht, daß sich kein Mann um die freie Stelle beworben hat.
Zur dritten Frage
19. Die dritte Frage geht dahin, ob es die Artikel 2 und 3 der Richtlinie ausschließen, daß einer mit der Verletzung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung begründeter Schadensersatzklage nur dann stattgegeben wird, wenn darüber
hinaus nachgewiesen wird, daß sich der Arbeitgeber schuldhaft verhalten hat, und feststeht, daß er sich nicht auf
einen Rechtfertigungsgrund berufen kann.
20. Sowohl Frau Dekker als auch die niederländische Regierung und das Vereinigte Königreich vertreten die Ansicht,
sobald feststehe, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt worden sei, reiche dies aus, um die Haftung des
Arbeitgebers auszulösen.
21. Das VJV trägt dagegen vor, die in den zwei Teilfragen der dritten Vorlagefrage enthaltene Unterscheidung
zwischen einem Verschulden des Arbeitgebers und einem eventuellen Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes hänge
zum Teil mit dem im Ausgangsverfahren anzuwendenden nationalen Recht zusammen, das in den beiden Fällen
unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehe. Das VJV meint weiter, auf der Grundlage der Richtlinie könne lediglich die
Frage beantwortet werden, ob eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in einem bestimmten Fall
gerechtfertigt sein könne.
22. Hierzu ist festzustellen, daß die Richtlinie in Artikel 2 Absätze 2 bis 4 Ausnahmen von dem in ihrem Artikel 2
Absatz 1 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung vorsieht, keineswegs aber die Haftung des Urhebers einer
Diskriminierung davon abhängig macht, daß ein Verschulden nachgewiesen wird oder kein Rechtfertigungsgrund
vorliegt.
23. Artikel 6 der Richtlinie erkennt an, daß die Opfer einer Diskriminierung Rechte besitzen, die sie gerichtlich geltend
machen können. Wenn eine vollständige Durchführung der Richtlinie auch nicht eine bestimmte Sanktion für
Verstösse gegen das Diskriminierungsverbot erfordert, so setzt sie doch voraus, daß diese Sanktion geeignet ist,
einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten (Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache
14/ 83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 23). Sie muß ferner eine wirklich abschreckende
Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben.
24. Wenn die Haftung eines Arbeitgebers für Verstösse gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung davon abhinge,
daß ein Verschulden des Arbeitgebers nachgewiesen wird und kein durch das anwendbare nationale Recht
anerkannter Rechtfertigungsgrund vorliegt, würde dies die praktische Wirksamkeit dieser Grundsätze erheblich
beeinträchtigen.
25. Daraus folgt, daß dann, wenn sich ein Mitgliedstaat für eine Sanktion entscheidet, die sich in den Rahmen einer
Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers einfügt, jeder Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen muß, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen,
ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können.
26. Somit ist zu antworten, daß die Richtlinie 76/ 207 es zwar den Mitgliedstaaten überlässt, die Sanktion für einen
Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, die zur
Verwirklichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind, daß jedoch, wenn sich ein Mitgliedstaat für eine Sanktion
entscheidet, die sich in den Rahmen einer zivilrechtlichen Haftungsregelung einfügt, jeder Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreicht, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß
die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können.
Zur vierten Frage
27. Angesichts der Antwort auf die dritte Frage braucht über die vierte Frage nicht entschieden zu werden.
Kosten
28. Die Auslagen der Kommission, der niederländischen Regierung und des Vereinigten Königreichs, die Erklärungen
vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das
Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 168
EuGH, Urteil vom 27. 10. 1993 - C-127/92
1. Artikel 177 des Vertrages schafft den Rahmen für eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und
dem Gerichtshof, die von einer Zuständigkeitsverteilung zwischen ihnen ausgeht. In diesem Rahmen ist es
ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die
abschließende richterliche Entscheidung trägt, unter Berücksichtigung der Einzelheiten des Rechtsstreits sowohl die
Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für die abschließende Entscheidung als auch die Erheblichkeit der dem
Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen.
Wenn der Gerichtshof mit einem Ersuchen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts befasst ist, das nicht offensichtlich
ohne Bezug zur Realität oder zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, hat er folglich darauf zu antworten; er
braucht sich nicht selbst die Frage zu stellen, ob eine Annahme begründet ist, die vom vorlegenden Gericht später
nachzuprüfen sein wird, falls sich dies als erforderlich erweisen sollte.
2. Die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die grundsätzlich den
Arbeitnehmer trifft, der sich diskriminiert glaubt und deshalb gegen seinen Arbeitgeber klagt, kann sich umkehren,
wenn dies sich als erforderlich erweist, um den Arbeitnehmern, die Opfer einer offenkundigen Diskriminierung sind,
nicht jedes wirksame Mittel zu nehmen, um die Beachtung des Grundsatzes des gleichen Entgelts zu erwirken.
Wenn aus Statistiken, die das nationale Gericht für aussagekräftig hält, ein merklicher Unterschied beim Entgelt für
zwei gleichwertige Tätigkeiten hervorgeht, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere
hauptsächlich von Männern ausgeuebt wird, verpflichtet Artikel 119 des Vertrages daher den Arbeitgeber, diesen
Unterschied durch objektive Faktoren zu rechtfertigen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
zu tun haben.
3. Der Umstand, daß die Festlegung der Entgelte für zwei gleichwertige Tätigkeiten, von denen die eine fast
ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeuebt wird, auf Tarifverhandlungen beruht,
die für die beiden betroffenen Berufsgruppen jeweils getrennt durchgeführt wurden und die jeweils innerhalb dieser
beiden Gruppen keine diskriminierende Wirkung hatten, steht der Feststellung, daß dem ersten Anschein nach eine
Diskriminierung vorliegt, die dem Arbeitgeber die Beweislast dafür auferlegt, daß kein Verstoß gegen Artikel 119 des
Vertrages vorliegt, dann nicht entgegen, wenn diese Verhandlungen zu einer unterschiedlichen Behandlung von zwei
Gruppen geführt haben, die denselben Arbeitgeber haben und derselben Gewerkschaft angehören.
Wenn der Arbeitgeber einen Unterschied im Entgelt damit rechtfertigen könnte, daß bei jeder dieser Verhandlungen für
sich genommen keine Diskriminierung vorliege, könnte er sich der Beachtung des Grundsatzes des gleichen Entgelts
nämlich leicht durch getrennte Verhandlungen entziehen.
4. Es ist Sache des für die Beurteilung des Sachverhalts allein zuständigen nationalen Gerichts, nötigenfalls unter
Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit festzustellen, ob und inwieweit der Mangel an Bewerbern für
eine Tätigkeit und die Notwendigkeit, ihnen durch ein höheres Gehalt einen Anreiz zu bieten, einen sachlich
gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund für den Unterschied im Entgelt zwischen zwei gleichwertigen Tätigkeiten
darstellt, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeuebt wird.
1 Der Court of Appeal of England and Wales hat mit Beschluß vom 30. Oktober 1991, beim Gerichtshof
eingegangen am 17. April 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag Fragen nach der Auslegung des Artikels 119
EWG-Vertrag, in dem der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen niedergelegt ist, zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Dr. Pamela Enderby (Klägerin) und der Frenchay Health
Authority (FHA) sowie dem Secretary of State for Health über die unterschiedliche Entlohnung von zwei im
Rahmen des National Health Service (NHS) ausgeuebten Tätigkeiten.
3 Die Klägerin, die bei der FHA als Logopädin beschäftigt ist, ist der Auffassung, sie werde beim Entgelt aufgrund
des Geschlechts dadurch diskriminiert, daß die Angehörigen ihres ° hauptsächlich von Frauen ausgeuebten ° Berufs
bei ihrem NHS-Dienstalter (Chief III) ein erheblich niedrigeres Entgelt erhielten als die Angehörigen
vergleichbarer Berufe, in denen es auf einem gleichwertigen beruflichen Niveau mehr Männer als Frauen gebe.
1986 erhob die Klägerin beim Industrial Tribunal Klage gegen ihren Arbeitgeber und machte geltend, ihr
Jahresgehalt betrage nur 10 106 UKL, während die Jahresgehälter eines leitenden klinischen Psychologen oder
eines leitenden Apothekers der Stufe III ° Tätigkeiten, die der ihren gleichwertig seien ° 12 527 UKL bzw. 14 106
UKL betrügen.
4 Die Klage wurde zunächst vom Industrial Tribunal und anschließend vom Employment Appeal Tribunal
abgewiesen. Das erstinstanzliche Gericht war der Auffassung, die Gehaltsunterschiede hingen mit den den
einzelnen Berufen eigenen Strukturen und insbesondere der Durchführung von getrennten Tarifverhandlungen
zusammen, die keinen diskriminierenden Charakter hätten. Auch das Rechtsmittelgericht war der Meinung, daß
diese Unterschiede nicht auf Diskriminierung beruhten. Darüber hinaus sei bewiesen, daß die Lage auf dem
Arbeitsmarkt zu einem gewissen Teil zum Gehaltsunterschied zwischen Logopäden und Apothekern beitrage, und
daß dies genüge, um den gesamten festgestellten Unterschied zwischen diesen beiden Berufen zu rechtfertigen.
5 Der daraufhin angerufene Court of Appeal ist der Meinung, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge von der
Auslegung des Artikels 119 EWG-Vertrag ab, und hat beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 169
Vorabentscheidung vorzulegen. In seinem Beschluß hat er bei der Darstellung des Sachverhalts die Tätigkeit eines
Cheflogopäden als "Tätigkeit A" und die Tätigkeit eines leitenden Apothekers als "Tätigkeit B" bezeichnet und für
die Zwecke des Verfahrens angenommen, daß diese beiden Tätigkeiten gleichwertig seien. Er hat dann folgende
Fragen gestellt:
1) Verpflichtet der in Artikel 119 EWG-Vertrag niedergelegte Grundsatz des gleichen Entgelts den Arbeitgeber,
den Gehaltsunterschied zwischen Tätigkeit A und Tätigkeit B sachlich zu rechtfertigen?
2) Falls Frage 1 zu bejahen ist, kann der Arbeitgeber den Gehaltsunterschied hinreichend damit rechtfertigen, daß
das Entgelt für die Tätigkeiten A und B jeweils in eigenen Tarifverhandlungen festgelegt wurde, die (je für sich
betrachtet) keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts enthalten und nicht dazu führen, daß Frauen wegen
ihres Geschlechts benachteiligt werden?
3) Wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, daß zu einer bestimmten Zeit erheblicher Mangel an geeigneten
Bewerbern für die Tätigkeit B herrscht und daß er Personen, die dieser Tätigkeit nachgehen, die höhere Vergütung
zahlt, um sie für diese Tätigkeit zu gewinnen, gleichzeitig aber nachgewiesen werden kann, daß nur ein Teil des
Gehaltsunterschieds zwischen der Tätigkeit B und der Tätigkeit A darauf zurückzuführen ist, daß für die Tätigkeit
B geeignete Bewerber gewonnen werden müssen,
a) ist dann der gesamte Gehaltsunterschied sachlich gerechtfertigt, oder
b) ist nur der Teil des Unterschieds, der darauf zurückzuführen ist, daß für die Tätigkeit B geeignete Bewerber
gewonnen werden müssen, sachlich gerechtfertigt, oder
c) muß der Arbeitgeber die Gehälter für die Tätigkeiten A und B einander angleichen, weil ihm der Nachweis nicht
gelungen ist, daß der gesamte Unterschied sachlich gerechtfertigt ist?
6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim
Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird
im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
Zur ersten Frage
7 Die erste Frage des Court of Appeal geht dahin, ob der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen den
Arbeitgeber zu dem Nachweis verpflichtet, daß ein unterschiedliches Entgelt für zwei als gleichwertig
angenommene Tätigkeiten, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von
Männern ausgeuebt wird, keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, indem er diesen Unterschied
sachlich rechtfertigt.
Zur Erheblichkeit der Frage
8 Die deutsche Regierung vertritt die Auffassung, der Gerichtshof könne über diese Frage nicht entscheiden, ohne
vorher festzustellen, ob die in Frage stehenden Tätigkeiten gleichwertig seien. Da die Logopädentätigkeit und die
Apothekertätigkeit nicht vergleichbar seien, könne kein Verstoß gegen Artikel 119 EWG-Vertrag vorliegen und die
Entgeltunterschiede brauchten daher nicht sachlich gerechtfertigt zu werden.
9 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes schafft Artikel 177 EWG-Vertrag den Rahmen für eine enge
Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof, die von einer Zuständigkeitsverteilung
zwischen ihnen ausgeht. In diesem Rahmen ist es ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten
nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die abschließende richterliche Entscheidung trägt, unter
Berücksichtigung der Einzelheiten des Rechtsstreits sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für die
abschließende Entscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen
(siehe insbesondere Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-67/91, Asociación Española de Banca Privada,
Slg. 1992, I-4785, Randnr. 25). Wenn das Ersuchen des vorlegenden Gerichts die Auslegung einer Bestimmung des
Gemeinschaftsrechts betrifft, ist der Gerichtshof gehalten, darauf zu antworten, sofern es sich nicht um eine
allgemeine Frage rein hypothetischer Natur handelt und er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben
verfügt, deren er für eine sachgerechte Beantwortung der ihm gestellten Fragen bedarf (siehe Urteil vom 16. Juli
1992 in der Rechtssache C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871).
11 Im vorliegenden Fall hat der Court of Appeal wie die zuvor mit dem Rechtsstreit befassten Gerichte im Einklang
mit dem englischen Recht und mit Zustimmung der Parteien beschlossen, die Frage der sachlichen Rechtfertigung
des Entgeltunterschiedes vor derjenigen der Gleichwertigkeit der betroffenen Tätigkeiten zu prüfen, die
kompliziertere Nachforschungen erfordern kann. Aus diesem Grunde sind die Vorabentscheidungsfragen unter der
Annahme gestellt worden, daß diese Tätigkeiten gleichwertig seien.
12 Da der Gerichtshof somit mit einem Ersuchen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts befasst ist, das nicht
offensichtlich ohne Bezug zur Realität oder zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, hat er darauf zu
antworten; er braucht sich nicht selbst die Frage zu stellen, ob eine Annahme begründet ist, die vom vorlegenden
Gericht später nachzuprüfen sein wird, falls sich dies als erforderlich erweisen sollte.
Zur vorgelegten Frage
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 170
13 Grundsätzlich hat derjenige, der sich zur Stützung eines Anspruchs auf Tatsachen beruft, diese zu beweisen. Die
Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts trifft daher
grundsätzlich den Arbeitnehmer, der sich diskriminiert glaubt, und deshalb gegen seinen Arbeitgeber Klage auf
Beseitigung dieser Diskriminierung erhebt.
14 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kehrt sich die Beweislast jedoch um, wenn Arbeitnehmer, die dem
ersten Anschein nach diskriminiert sind, sonst kein wirksames Mittel hätten, um die Einhaltung des Grundsatzes
des gleichen Entgelts durchzusetzen. Wenn eine Maßnahme, die zwischen den Beschäftigten nach ihrer Arbeitszeit
unterscheidet, tatsächlich mehr Personen des einen oder anderen Geschlechts benachteiligt, ist diese Maßnahme
daher als ein Verstoß gegen das von Artikel 119 EWG-Vertrag verfolgte Ziel anzusehen, sofern der Arbeitgeber sie
nicht durch objektive Faktoren rechtfertigen kann, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
zu tun haben (Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84, Bilka, Slg. 1986, 1607, Randnr. 31; Urteil vom
27. Juni 1990 in der Rechtssache C-33/89, Kowalska, Slg. 1990, I-2591, Randnr. 16; Urteil vom 7. Februar 1991 in
der Rechtssache C-184/89, Nimz, Slg. 1991, I-297, Randnr. 15). Ebenso obliegt dem Arbeitgeber dann, wenn in
einem Unternehmen ein Entlohnungssystem angewandt wird, dem jede Durchschaubarkeit fehlt, der Nachweis, daß
seine Lohnpolitik nicht diskriminierend ist, sofern ein weiblicher Arbeitnehmer auf der Grundlage einer relativ
grossen Zahl von Arbeitnehmern belegt, daß das durchschnittliche Entgelt der weiblichen Arbeitnehmer niedriger
ist als das der männlichen Arbeitnehmer (Urteil vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 109/88, Danfoß, Slg.
1989, 3199, Randnr. 16).
15 Wie die FHA und die britische Regierung vortragen, stimmt die Sachlage in der vorliegenden Rechtssache nicht
gänzlich mit den Fällen überein, die Gegenstand der zitierten Rechtsprechung sind. Zum einen handelt es sich nicht
um eine faktische Diskriminierung, die sich aus besonderen Bestimmungen ergibt, wie sie z. B. für
Teilzeitarbeitnehmer gelten können. Zum anderen kann dem Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden, daß er ein
Entlohnungssystem anwendet, dem jede Durchschaubarkeit fehlt, da die Festlegung der Gehälter der Logopäden
und der Apotheker des NHS auf ordnungsgemässen Tarifverhandlungen beruht, bei denen ° beide Berufe je für sich
genommen ° keine Diskriminierung festzustellen ist.
16 Wenn das Entgelt für die Logopädenstellen jedoch erheblich niedriger ist als das für Apothekerstellen und wenn die
erstgenannten fast ausschließlich mit Frauen, die letztgenannten aber hauptsächlich mit Männern besetzt sind, so
liegt dem ersten Anschein nach eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts jedenfalls dann vor, wenn die
beiden Tätigkeiten gleichwertig sind und die statistischen Angaben über diese Lage aussagekräftig sind.
17 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob es diese statistischen Angaben berücksichtigen kann, d. h. ob
sie sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle
Erscheinungen widerspiegeln und ob sie generell gesehen als aussagekräftig erscheinen.
18 Wenn der erste Anschein für eine Diskriminierung spricht, hat der Arbeitgeber nachzuweisen, daß es sachliche
Gründe für den festgestellten Unterschied beim Entgelt gibt. Den Arbeitnehmern stuenden nämlich keine Mittel zur
Verfügung, um die Einhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts vor den nationalen Gerichten durchzusetzen,
wenn das Vorbringen von Tatsachen, die den ersten Anschein einer Diskriminierung begründen, nicht dazu führen
würde, daß dem Arbeitgeber der Nachweis auferlegt wird, daß der Unterschied im Entgelt in Wirklichkeit nicht
diskriminierend ist (siehe entsprechend Urteil Danfoß, a. a. O., Randnr. 13).
19 Die erste Frage ist somit wie folgt zu beantworten: Wenn aussagekräftige Statistiken einen merklichen Unterschied
im Entgelt zweier gleichwertiger Tätigkeiten erkennen lassen, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen
und die andere hauptsächlich von Männern ausgeuebt wird, hat der Arbeitgeber kraft Artikel 119 EWG-Vertrag
den Nachweis zu erbringen, daß dieser Unterschied durch Faktoren sachlich gerechtfertigt ist, die nichts mit einer
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.
Zur zweiten Frage
20 Die zweite Frage des Court of Appeal geht dahin, ob der Arbeitgeber einen solchen Unterschied im Entgelt damit
rechtfertigen kann, daß die jeweiligen Entgelte für die fraglichen Tätigkeiten in Tarifverhandlungen festgelegt
wurden, die zwar von denselben Parteien, aber unabhängig voneinander geführt wurden, und die, je für sich
betrachtet, keine diskriminierende Wirkung haben.
21 Nach Artikel 4 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und
Frauen (ABl. L 45, S. 19) ist der in Artikel 119 EWG-Vertrag niedergelegte Grundsatz bei Tarifverträgen ebenso
wie bei Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu beachten.
22 Daß die fraglichen Entgelte in je eigenen Tarifverhandlungen für die beiden betroffenen Berufsgruppen festgelegt
wurden, die jeweils getrennt durchgeführt wurden und die jeweils innerhalb dieser beiden Gruppen keine
diskriminierende Wirkung hatten, steht der Feststellung, daß dem ersten Anschein nach eine Diskriminierung
vorliegt, dann nicht entgegen, wenn diese Verhandlungen im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Behandlung von
zwei Gruppen geführt haben, die denselben Arbeitgeber haben und derselben Gewerkschaft angehören. Wenn der
Arbeitgeber einen Unterschied im Entgelt damit rechtfertigen könnte, daß bei jeder dieser Verhandlungen für sich
genommen keine Diskriminierung vorliege, könnte er sich der Beachtung des Grundsatzes des gleichen Entgelts
leicht durch getrennte Verhandlungen entziehen; darauf hat die deutsche Regierung hingewiesen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 171
23 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß der Unterschied im Entgelt zweier gleichwertiger Tätigkeiten, von
denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeuebt wird, nicht
allein damit sachlich zu rechtfertigen ist, daß die jeweiligen Entgelte für diese beiden Tätigkeiten in
Tarifverhandlungen festgelegt wurden, die zwar von denselben Parteien, aber unabhängig voneinander geführt
wurden und die, je für sich betrachtet, keine diskriminierende Wirkung haben.
Zur dritten Frage
24 Die dritte Frage des Court of Appeal geht dahin, ob es einen Unterschied im Entgelt völlig, teilweise oder gar nicht
sachlich dadurch rechtfertigen kann, daß ein Teil dieses Unterschieds auf den Mangel an Bewerbern für die eine
Tätigkeit und darauf zurückzuführen ist, daß ihnen durch ein höheres Gehalt ein Anreiz geboten werden muß.
25 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist es Sache des für die Beurteilung des Sachverhalts allein
zuständigen Gerichts, festzustellen, ob und inwieweit die Gründe, die ein Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer
Lohnpolitik anführt, die zwar unabhängig vom Geschlecht der Arbeitnehmer angewandt wird, im Ergebnis die
Frauen jedoch stärker trifft als die Männer, als sachlich gerechtfertigte wirtschaftliche Gründe angesehen werden
können (Urteile Bilka, a. a. O., Randnr. 36, und Nimz, a. a. O., Randnr. 14). Zu diesen Gründen können
verschiedene Kriterien wie die Flexibilität oder die Anpassungsfähigkeit an Arbeitszeiten und -orte, die
Berufsausbildung oder die Anzahl der Berufsjahre des Arbeitnehmers gehören, wenn sie zu den Bedürfnissen und
Zielen des Unternehmens in Beziehung gesetzt werden (Urteil Danfoß, a. a. O., Randnrn. 22 bis 24).
26 Die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die einen Arbeitgeber veranlassen kann, das Entgelt für eine bestimmte Tätigkeit
zu erhöhen, um Bewerbern einen Anreiz zu bieten, kann einen sachlich gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund im
Sinne dieser Rechtsprechung darstellen. Wie ein solcher Gesichtspunkt unter den Umständen jedes Einzelfalls
anzuwenden ist, hängt von den Tatsachen ab und fällt daher in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts.
27 Wenn das nationale Gericht ° wie aus der Fragestellung hervorzugehen scheint ° den Teil der Gehaltserhöhung, der
auf die Marktlage zurückzuführen ist, genau hat bestimmen können, kann es nicht umhin, festzustellen, daß der
Unterschied im Entgelt in Höhe dieses Teils sachlich gerechtfertigt ist. Soweit nationale Stellen das
Gemeinschaftsrecht anzuwenden haben, gilt für sie der Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
28 Ist eine solche Bestimmung nicht möglich, so ist es Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die Marktlage
für die Festlegung der Höhe des Entgelts so bedeutsam war, daß sie den Unterschied teilweise oder in vollem
Umfang sachlich rechtfertigen kann.
29 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, daß es Sache des nationalen Gerichts ist, nötigenfalls unter Anwendung
des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit festzustellen, ob und inwieweit der Mangel an Bewerbern für eine
Tätigkeit und die Notwendigkeit, ihnen durch ein höheres Gehalt einen Anreiz zu bieten, einen sachlich
gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund für den Unterschied im Entgelt der fraglichen Tätigkeiten darstellen.
Kosten
30 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs, der deutschen Regierung und der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die
Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Court of Appeal of England and Wales mit Beschluß vom 30. Oktober 1991 vorgelegten Fragen
für Recht erkannt:
1) Wenn aussagekräftige Statistiken einen merklichen Unterschied im Entgelt zweier gleichwertiger Tätigkeiten
erkennen lassen, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern
ausgeuebt wird, hat der Arbeitgeber kraft Artikel 119 EWG-Vertrag den Nachweis zu erbringen, daß dieser
Unterschied durch Faktoren sachlich gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts zu tun haben.
2) Der Unterschied im Entgelt zweier gleichwertiger Tätigkeiten, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen
und die andere hauptsächlich von Männern ausgeuebt wird, ist nicht allein damit sachlich zu rechtfertigen, daß die
jeweiligen Entgelte für diese beiden Tätigkeiten in Tarifverhandlungen festgelegt wurden, die zwar von denselben
Parteien, aber unabhängig voneinander geführt wurden, und die, je für sich betrachtet, keine diskriminierende
Wirkung haben.
3) Es ist Sache des nationalen Gerichts, nötigenfalls unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit
festzustellen, ob und inwieweit der Mangel an Bewerbern für eine Tätigkeit und die Notwendigkeit, ihnen durch
ein höheres Gehalt einen Anreiz zu bieten, einen sachlich gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund für den
Unterschied im Entgelt der fraglichen Tätigkeiten darstellen.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 172
EuGH, Urteil vom 17. 10. 1995 - C-450/93
Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg
sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der bei gleicher
Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen
unterrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine
Unterrepräsentation dann vorliegen soll, wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe einer
Dienststelle nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind, und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan
vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll.
Artikel 2 Absatz 4 der genannten Richtlinie, der eng auszulegen ist, dient nämlich, indem er vorsieht, daß die Richtlinie
nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung
der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen beeinträchtigen, entgegensteht, dem
bestimmten und begrenzten Zweck der Zulassung von Maßnahmen, die zwar dem Anschein nach diskriminierend sind,
tatsächlich aber in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verringern sollen. So
sind danach nationale Maßnahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs zulässig, die
die Frauen spezifisch begünstigen und darauf ausgerichtet sind, deren Fähigkeit zu verbessern, auf dem Arbeitsmarkt
mit anderen zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie die Männer eine berufliche Laufbahn zu
verwirklichen. Eine nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt
den Vorrang einräumt, stellt keine solche Maßnahme dar, da sie über die Förderung der Chancengleichheit hinausgeht
und an deren Stelle das Ergebnis setzt, zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit führen
könnte.
1 Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluß vom 22. Juni 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November
1993, gemäß Artikel 177 EWGVertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie
76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in
bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; nachstehend: die Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Kalanke (nachstehend: Kläger) und der
Freien Hansestadt Bremen (nachstehend: Stadt Bremen).
3 § 4 des Landesgleichstellungsgesetzes vom 20. November 1990 (Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau im
öffentlichen Dienst des Landes Bremen, Bremisches Gesetzblatt, S. 433; nachstehend: LGG) lautet:
"Einstellung, Übertragung eines Dienstpostens und Beförderung
(1) Bei der Einstellung, einschließlich der Begründung eines Beamten- und Richterverhältnisses, die nicht zum Zwecke
der Ausbildung erfolgt, sind Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber in den Bereichen
vorrangig zu berücksichtigen, in denen sie unterrepräsentiert sind.
(2) Bei der Übertragung einer Tätigkeit in einer höheren Lohn-, Vergütungs- und Besoldungsgruppe sind Frauen bei
gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber vorrangig zu berücksichtigen, wenn sie unterrepräsentiert sind.
Das gilt auch bei der Übertragung eines anderen Dienstpostens und bei Beförderung.
(3) ...
(4) Die Qualifikation ist ausschließlich an den Anforderungen des Berufes, der zu besetzenden Stelle oder der Laufbahn
zu messen. Spezifische, zum Beispiel durch Familienarbeit, durch soziales Engagement oder ehrenamtliche Tätigkeit
erworbene Erfahrungen und Fähigkeiten sind Teil der Qualifikation im Sinne des Absatzes 1 und 2, wenn sie bei der
Ausübung der jeweiligen Tätigkeit dienlich sind.
(5) Eine Unterrepräsentation liegt vor, wenn in den einzelnen Lohn-, Vergütungs- und Besoldungsgruppen der
jeweiligen Personalgruppe einer Dienststelle nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind. Dies gilt auch für die
nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen."
4 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß in der letzten Phase eines Einstellungsverfahrens zur Besetzung der Stelle
eines Sachgebietsleiters beim Gartenbauamt der Stadt Bremen zwei Bewerber in die engere Wahl kamen, die beide in
die Vergütungsgruppe III BAT eingestuft waren:
° Herr Kalanke, der Kläger des Ausgangsverfahrens, der Diplom-Ingenieur für Garten- und Landschaftspflege ist und
seit 1973 im Gartenbauamt als gartenbautechnischer Angestellter arbeitet und ständiger Vertreter des Sachgebietsleiters
war;
° Frau Glißmann (nachstehend: Streitverkündete), die seit 1983 Diplom-Ingenieurin für Landschaftspflege ist und seit
1975 gleichfalls als gartenbautechnische Angestellte in dem gleichen Sachgebiet tätig ist.
5 Der Personalrat verweigerte seine Zustimmung zu der von der Leitung des Gartenbauamtes vorgeschlagenen
Beförderung des Klägers. Die angerufene Schlichtung ergab eine Empfehlung für den Kläger. Der Personalrat erklärte
daraufhin die Schlichtung für gescheitert und rief die Einigungsstelle an. Diese entschied für den Arbeitgeber bindend,
daß beide Bewerber die gleiche Qualifikation besässen und daß daher auf der Grundlage des LGG der weiblichen
Bewerberin der Vorrang gebühre.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 173
6 Vor dem Arbeitsgericht machte der Kläger geltend, er besitze eine bessere Qualifikation als die Streitverkündete, was
von der Einigungsstelle verkannt worden sei. Das LGG verstosse mit seiner Quotenregelung gegen die Verfassung des
Landes Bremen, das Grundgesetz und § 611a BGB. Das Arbeitsgericht und in der Berufungsinstanz das
Landesarbeitsgericht wiesen jedoch die Klage ab.
7 Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts, bei dem die Revision in diesem Rechtsstreit anhängig ist, ist der
Auffassung, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge im wesentlichen von der Anwendbarkeit des LGG ab. Falls die
Einigungsstelle dieses Gesetz zu Unrecht angewandt habe, wäre ihr Beschluß wegen der Bevorzugung einer gleich
qualifizierten Mitbewerberin nur aufgrund ihres Geschlechts rechtswidrig. Das vorlegende Gericht führt aus, es
übernehme die vom Landesarbeitsgericht getroffene Feststellung, daß beide Bewerber die gleiche Qualifikation für die
Stelle besässen. Es sieht sich auch durch die Feststellung des Berufungsgerichts gebunden, daß Frauen im
Gartenbauamt unterrepräsentiert seien, und führt aus, daß die Einigungsstelle gemäß § 4 Absatz
2 LGG die Zustimmung zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit dem Kläger habe verweigern müssen.
8 Das Bundesarbeitsgericht legt dar, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um ein System starrer Quoten handele, das
einen bestimmten Prozentsatz zu besetzender Stellen für Frauen unabhängig von deren Qualifikation reserviere.
Hingegen gehe es um eine leistungsabhängige Quotenregelung. Die vorrangige Berücksichtigung von Frauen sei nur für
den Fall vorgesehen, daß zuvor die gleiche Qualifikation von weiblichen und männlichen Bewerbern festgestellt
worden sei.
9 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, die Quotenregelung sei mit den erwähnten deutschen Verfassungs- und
Gesetzesvorschriften vereinbar. Es führt insbesondere aus, § 4 LGG sei grundgesetzkonform dahin auszulegen, daß
Frauen bei der Beförderung grundsätzlich zu bevorzugen seien, daß aber in bestimmten Härtefällen eine Ausnahme von
dieser Bevorzugung zu machen sei.
10 Es verweist auf mehrere Umstände, die dafür sprechen könnten, daß diese Regelung mit der Richtlinie vereinbar ist.
11 Da seiner Ansicht nach daran jedoch noch Zweifel bestehen, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Ist Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Verwirklichung
des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen vom 9. Februar 1976 dahin
auszulegen, daß von ihm auch gesetzliche Regelungen gedeckt werden, nach denen bei der Übertragung einer Tätigkeit
in einer höheren Vergütungsgruppe Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber vorrangig zu
berücksichtigen sind, wenn Frauen unterrepräsentiert sind, wobei eine Unterrepräsentation vorliegt, wenn in den
einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe einer Dienststelle nicht mindestens zur Hälfte Frauen
vertreten sind und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gilt?
2) Wenn Frage 1 verneint wird:
Ist Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften unter Berücksichtigung
des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes dahin auszulegen, daß gesetzliche Regelungen unanwendbar sind, nach denen bei
der Übertragung einer Tätigkeit in einer höheren Vergütungsgruppe Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre
männlichen Mitbewerber vorrangig zu berücksichtigen sind, wenn Frauen unterrepräsentiert sind, wobei eine
Unterrepräsentation vorliegt, wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe einer
Dienststelle nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan
vorgesehenen Funktionsebenen gilt?
12 Da beide dem Gerichtshof vorgelegten Fragen auf Klärung des Inhalts der in Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie
76/207 vorgesehenen Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung abzielen, ist es angebracht, sie zusammen zu
untersuchen.
13 Die Fragen des vorlegenden Gerichts gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie einer
nationalen Regelung entgegensteht, nach der, wie im vorliegenden Fall, bei gleicher Qualifikation von Bewerbern
unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert sind, den
weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll,
wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten
sind, und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll.
14 Das vorlegende Gericht führt in seinem Vorlagebeschluß aus, eine Quotenregelung wie die hier vorliegende könne
dazu beitragen, die vorhandenen faktischen Nachteile für Frauen, durch die frühere Ungleichheiten perpetuiert würden,
für die Zukunft überwinden zu helfen, indem sie daran gewöhne, dass Frauen auch bestimmte höherwertige Aufgaben
wahrnähmen. Die traditionelle Zuweisung bestimmter beruflicher Tätigkeiten an Frauen und die Konzentration von
Frauenarbeit auf hierarchisch untergeordnete Positionen widerspreche heute geltenden Maßstäben von
Gleichberechtigung. Das vorlegende Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf Zahlen, die den geringen
Frauenanteil im höheren Dienst der Stadt Bremen aufzeigten, insbesondere, wenn man die Beschäftigungsbereiche wie
den Schuldienst herausnehme, in denen die Existenz von Frauen im höheren Dienst inzwischen selbstverständlicher
geworden sei.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 174
15 Wie sich aus Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie ergibt, hat diese zum Ziel, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen u. a. hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des
Aufstiegs verwirklicht wird. Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie,
"daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ... erfolgen darf".
16 Eine nationale Regelung, wonach Frauen, die die gleiche Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber besitzen,
in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert sind, bei einer Beförderung automatisch der Vorrang eingeräumt
wird, bewirkt aber eine Diskriminierung der Männer aufgrund des Geschlechts.
17 Es ist jedoch zu prüfen, ob eine solche nationale Regelung nach Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie zulässig ist,
wonach die Richtlinie "nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen,
insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen ...
beeinträchtigen, entgegen[steht]".
18 Diese Vorschrift dient dem bestimmten und begrenzten Zweck der Zulassung von Maßnahmen, die zwar dem
Anschein nach diskriminierend sind, tatsächlich aber in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten
beseitigen oder verringern sollen (Urteil vom 25. Oktober 1988 in der Rechtssache 312/86, Kommission/Frankreich,
Slg. 1988, 6315, Randnr. 15).
19 So sind danach nationale Maßnahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs
zulässig, die die Frauen spezifisch begünstigen und darauf ausgerichtet sind, deren Fähigkeit zu verbessern, auf dem
Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie die Männer eine berufliche
Laufbahn zu verwirklichen.
20 Wie der Rat in der dritten Begründungserwägung seiner Empfehlung 84/635/EWG vom 13. Dezember 1984 zur
Förderung positiver Maßnahmen für Frauen (ABl. L 331, S. 34) festgestellt hat, reichen die "geltenden
Rechtsvorschriften über die Gleichbehandlung, die zur Stärkung der Rechte des einzelnen erlassen wurden, ... nicht aus,
um alle faktischen Ungleichheiten zu beseitigen, wenn nicht die Regierungen, die Sozialpartner und sonstige beteiligte
Stellen gleichzeitig tätig werden, um gegen die Benachteiligung der Frauen in der Arbeitswelt vorzugehen, die durch
Einstellungen, Verhaltensmuster und Strukturen in der Gesellschaft verursacht wird".
21 Dem ist jedoch hinzuzufügen, daß Artikel 2 Absatz 4 als Ausnahme von einem in der Richtlinie verankerten
individüllen Recht eng auszulegen ist (Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651,
Randnr. 36).
22 Eine nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang
einräumt, geht aber über eine Förderung der Chancengleichheit hinaus und überschreitet damit die Grenzen der in
Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme.
23 Ausserdem setzt eine solche Regelung insofern, als sie darauf abzielt, daß in allen Vergütungsgruppen und auf allen
Funktionsebenen einer Dienststelle mindestens ebensoviel Frauen wie Männer vertreten sind, an die Stelle der in
Artikel 2 Absatz 4 vorgesehenen Förderung der Chancengleichheit das Ergebnis, zu dem allein die Verwirklichung
einer solchen Chancengleichheit führen könnte.
24 Auf die Fragen des vorlegenden Gerichts ist demgemäß zu antworten, dass Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie
einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der, wie im vorliegenden Fall, bei gleicher Qualifikation von Bewerbern
unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert sind, den
weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll,
wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten
sind, und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll.
Kostenentscheidung
Kosten
25 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit;
die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat DER GERICHTSHOF auf die ihm vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluß vom 22. Juni 1993
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen
Regelung entgegen, nach der, wie im vorliegenden Fall, bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen
Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern
automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll, wenn in den einzelnen
Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind, und dies auch für
die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 175
EuGH, Urteil vom 22. 04. 1997 - C-180/95
Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, den Verstoß gegen das Verbot der Ungleichbehandlung männlicher und
weiblicher Arbeitnehmer im Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers mit einer
Sanktion zu belegen, so muß der Verstoß gegen das Verbot der Ungleichbehandlung für sich genommen ausreichen, um
die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe
berücksichtigt werden können. Folglich stehen die Richtlinie 76/207 und insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 und 3
Absatz 1 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegen, die für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, den Verstoß gegen das Verbot der Ungleichbehandlung männlicher und
weiblicher Arbeitnehmer mit der Sanktion einer Entschädigung zu belegen, so muß diese Sanktion zur Gewährleistung
eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes geeignet sein, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem
Arbeitgeber haben und auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
Eine solche Schadensersatzregelung muß es erlauben, diesen Verstoß nach ähnlichen sachlichen und
verfahrensrechtlichen Regeln zu ahnden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstösse gegen das nationale Recht.
Daraus folgt, daß
- die Richtlinie 76/207 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die für den Schadensersatz, den ein
Bewerber verlangen kann, der bei der Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden ist, im Gegensatz zu
sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern
vorgibt, falls dieser Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätte, daß sie aber
einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung nicht entgegensteht, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber
verlangen kann, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, daß der
Bewerber die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte, und daß
- die Richtlinie 76/207 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die für den von mehreren Bewerbern
geltend gemachten Schadensersatz, den Bewerber verlangen können, die bei der Einstellung aufgrund des Geschlechts
diskriminiert worden sind, im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen eine
Hoechstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern vorgibt.
1 Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 22. Mai 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juni 1995,
gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 und 3 der Richtlinie 76/207/EWG des
Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf
die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Draehmpaehl und der Urania Immobilienservice
oHG (im folgenden: Firma Urania) wegen Ersatzes des Schadens, den Herr Draehmpaehl angeblich durch eine
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung erlitten hat.
Zur Richtlinie
3 Die Richtlinie hat nach ihrem Artikel 1 zum Ziel, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung
von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des
Zugangs zur Berufsbildung sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen verwirklicht wird.
4 Zu diesem Zweck bestimmt Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen beinhaltet, "daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des
Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf".
5 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie beinhaltet die Anwendung dieses Grundsatzes, daß bei den Bedingungen
des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen keine
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgt. Nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a müssen die
Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, daß die mit dem Grundsatz der
Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden.
6 Schließlich verpflichtet Artikel 6 der Richtlinie die Mitgliedstaaten zum Erlaß der innerstaatlichen Vorschriften, die
notwendig sind, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf seine
Person für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend
machen kann.
Zum nationalen Recht
7 Die im Ausgangsverfahren anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften über die Gleichbehandlung von Männern
und Frauen im Erwerbsleben sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthalten.
8 Nach § 611a Absatz 1 BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme,
insbesondere bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei Weisungen oder bei
einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des
Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder Maßnahme eine Tätigkeit zum Gegenstand hat, die
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 176
9
10
11
12
13
14
15
aufgrund ihrer besonderen Art nur von Arbeitnehmern eines bestimmten Geschlechts ausgeuebt werden kann. Die
Beweislast dafür, daß die Tätigkeit nur von Arbeitnehmern eines bestimmten Geschlechts ausgeuebt werden
konnte, trägt der Arbeitgeber.
Nach § 611a Absatz 2 BGB kann, wenn der Arbeitgeber bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses einen
Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 zu vertreten hat, der benachteiligte Bewerber eine
angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten verlangen. Als
Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei regelmässiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis
hätte begründet werden sollen, an Geld- und Sachbezuegen zugestanden hätte.
Nach § 611b BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz nicht nur für Arbeitnehmer eines bestimmten
Geschlechts ausschreiben, es sei denn, daß ein Fall des § 611a Absatz 1 Satz 2 vorliegt.
Nach § 61b Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) ist, wenn mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei
der Begründung eines Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung nach § 611a Absatz 2 BGB gerichtlich geltend
machen, auf Antrag des Arbeitgebers die Summe dieser Entschädigungen auf sechs Monatsverdienste oder, wenn
vom Arbeitgeber ein einheitliches Auswahlverfahren mit dem Ziel der Begründung mehrerer Arbeitsverhältnisse
durchgeführt worden ist, auf zwölf Monatsverdienste zu begrenzen. Soweit der Arbeitgeber Ansprüche auf
Entschädigungen bereits erfuellt hat, ist der Hoechstbetrag, der sich aus Satz 1 ergibt, entsprechend zu verringern.
Übersteigen die Entschädigungen, die den Klägern zu leisten wären, insgesamt diesen Hoechstbetrag, so verringern
sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in dem ihre Summe zu dem Hoechstbetrag steht.
Zur Vorgeschichte des Rechtsstreits
Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht hervor, daß sich Herr Draehmpaehl mit Schreiben vom 17. November
1994 auf eine im "Hamburger Abendblatt" erschienene Stellenanzeige der Firma Urania bewarb, die wie folgt
lautete:
"Für unseren Vertrieb suchen wir eine versierte Assistentin der Vertriebsleitung. Wenn Sie mit den Chaoten eines
vertriebsorientierten Unternehmens zurechtkommen können, diesen Kaffee kochen wollen, wenig Lob erhalten und
viel arbeiten können, sind Sie bei uns richtig. Bei uns muß einer den Computer bedienen können und für die
anderen mitdenken. Wenn Sie sich dieser Herausforderung wirklich stellen wollen, erwarten wir Ihre
aussagefähigen Bewerbungsunterlagen. Aber sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt ..."
Die Firma Urania beantwortete das Schreiben von Herrn Draehmpaehl nicht und sandte ihm auch nicht seine
Bewerbungsunterlagen zurück.
Unter Berufung darauf, daß er der für diese Stelle bestqualifizierte Bewerber gewesen und bei der Einstellung
aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden sei, erhob Herr Draehmpaehl beim Arbeitsgericht Hamburg Klage
auf Schadensersatz in Höhe von dreieinhalb Monatsgehältern.
Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht ferner hervor, daß in einem Parallelverfahren vor einer anderen
Kammer des vorlegenden Gerichts ein männlicher Mitbewerber wegen eines vergleichbaren Sachverhalts ebenfalls
Schadensersatz von der Firma Urania verlangt.
Das vorlegende Gericht vertritt die Ansicht, daß der Kläger des Ausgangsverfahrens von der Firma Urania
aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden sei, da deren Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral
formuliert gewesen sei und augenscheinlich Frauen habe ansprechen sollen. Das Gericht stellte ausserdem fest, daß
keine Gründe ersichtlich seien, die eine Ausnahme im Sinne von § 611a Absatz 1 BGB rechtfertigten, und zog
daraus den Schluß, daß die Firma Urania grundsätzlich verpflichtet sei, den Kläger des Ausgangsverfahrens zu
entschädigen. Da es jedoch der Auffassung ist, daß der Ausgang des Rechtsstreits von der Auslegung des
Gemeinschaftsrechts abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens des Arbeitgebers aufstellt, gegen Artikel 2
Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der "Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum
beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
2. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen
Regelungen - für Bewerber/innen, die im Verfahren diskriminiert worden sind, die die zu besetzende Position
jedoch wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers/der Bewerberin auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätten, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, gegen
Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der "Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum
beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
3. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen
Regelungen - für Bewerber/innen, die bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 177
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
hätten, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der
"Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf
die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
4. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für den von mehreren Geschädigten geltend gemachten
Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen
innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - eine Hoechstgrenze von kumulativ sechs
Monatsgehältern für alle diskriminierten Personen vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der
"Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von
Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf
die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG)"?
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die Richtlinie und insbesondere
ihre Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die für einen
Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung die
Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
Insoweit hat der Gerichtshof bereits im Urteil vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-177/88 (Dekker, Slg.
1990, I-3941, Randnr. 22) dargelegt, daß die Richtlinie die Haftung des Urhebers einer Diskriminierung
keineswegs vom Nachweis eines Verschuldens oder vom Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes abhängig macht.
Der Gerichtshof hat im vorerwähnten Urteil Dekker (Randnr. 25) ausserdem folgendes ausgeführt: Entscheidet sich
ein Mitgliedstaat für eine Sanktion, die sich in den Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des
Arbeitgebers einfügt, so muß der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen, um die
volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe
berücksichtigt werden können.
Somit ist festzustellen, daß die Richtlinie einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die wie
§ 611a Absätze 1 und 2 BGB für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
Diese Schlußfolgerung kann durch das Argument der deutschen Regierung nicht entkräftet werden, daß der
Nachweis für ein solches Verschulden leicht zu erbringen sei, da sich die Verschuldenshaftung nach deutschem
Recht auf vorsätzlich und fahrlässig begangene Handlungen erstrecke.
Insoweit ist auf die im vorerwähnten Urteil Dekker (Randnr. 25) getroffene Feststellung hinzuweisen, daß die
Richtlinie keinen Rechtfertigungsgrund vorsieht, auf den sich der Urheber einer Diskriminierung mit
haftungsbefreiender Wirkung berufen könnte, und den Ersatz eines solchen Schadens nicht vom Vorliegen eines
Verschuldens abhängig macht, gleichgültig, wie leicht der Nachweis dafür zu erbringen ist.
Auf die erste Frage ist deshalb zu antworten, daß, wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, den Verstoß gegen
das Diskriminierungsverbot im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftungsregelung mit einer Sanktion zu belegen, die
Richtlinie und insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung
entgegenstehen, die für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei
der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
Zur zweiten und zur dritten Frage
Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die
Richtlinie einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die für den Schadensersatz, den Bewerber
verlangen können, die aufgrund ihres Geschlechts bei der Einstellung diskriminiert worden sind, eine
Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt. Das Gericht möchte ferner wissen, ob diese Frage in gleicher
Weise zu beantworten ist, sowohl wenn es um Bewerber geht, die im Einstellungsverfahren diskriminiert worden
sind, aber die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätten, als auch um Bewerber, die bei der Einstellung diskriminiert
worden sind und bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätten.
Die Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten zwar keine bestimmte Sanktion vor; diese sind jedoch nach Artikel 6
verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und
dafür Sorge zu tragen, daß sich die Betroffenen vor den nationalen Gerichten tatsächlich auf diese Maßnahmen
berufen können (Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891,
Randnr. 18).
Wenn sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot mit der Sanktion
einer Entschädigung zu belegen, setzt die Richtlinie ausserdem voraus, daß diese Sanktion zur Gewährleistung
eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes geeignet ist, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber
dem Arbeitgeber hat und auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden steht. Eine rein
symbolische Entschädigung würde den Erfordernissen einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie nicht gerecht
(Urteil von Colson und Kamann, a. a. O., Randnrn. 23 und 24).
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 178
26 Das Vorbringen der deutschen Regierung, daß ein Schadensersatz von bis zu drei Monatsgehältern über eine
symbolische Entschädigung hinausgehe und dem Arbeitgeber eine erhebliche, spürbare und abschreckende
finanzielle Belastung auferlege, so daß die diskriminierte Person einen beträchtlichen Schadensersatz erhalte, kann
ebenfalls nicht als stichhaltig angesehen werden.
27 Wie der Gerichtshof im vorerwähnten Urteil von Colson und Kamann (Randnr. 23) ausgeführt hat, muß, wenn sich
die Mitgliedstaaten dafür entscheiden, die aufgrund einer durch die Richtlinie verbotenen Diskriminierung
erlittenen Schäden im Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers zu ersetzen, dieser
Schadensersatz in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
28 Im übrigen ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen, aus der Antwort auf die Fragen des Gerichtshofes
und aus den ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung, daß die im Ausgangsverfahren anzuwendenden
Bestimmungen des deutschen Rechts für den zu zahlenden Schadensersatz eine spezielle Hoechstgrenze festlegen,
die in sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen nicht vorgesehen ist.
29 Bei der Wahl der Lösung, die das Ziel der Richtlinie verwirklichen soll, müssen die Mitgliedstaaten darauf achten,
daß Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet
werden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstösse gegen das nationale Recht (Urteil vom 21. September
1989 in der Rechtssache 68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Randnr. 24).
30 Daraus folgt, daß innerstaatliche gesetzliche Regelungen, die für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivilund arbeitsrechtlichen Regelungen eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgeben, diese Voraussetzungen
nicht erfuellen.
31 Fraglich ist, ob dies in gleicher Weise sowohl bei Bewerbern gilt, die die zu besetzende Position wegen der
besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätten,
als auch bei Bewerbern, die bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätten.
32 Wie in den Randnummern 25 und 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, muß der zu leistende Schadensersatz in
einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen.
33 Jedoch kann ein derartiger Schadensersatz der Tatsache Rechnung tragen, daß bestimmte Bewerber auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikationen des eingestellten
Bewerbers nicht erhalten hätten. Es steht ausser Frage, daß solche Bewerber, da sie nur einen Schaden erlitten
haben, der sich aus ihrem Ausschluß von dem Einstellungsverfahren ergibt, nicht geltend machen können, ihr
Schaden sei ebenso hoch wie der von Bewerbern, die bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende
Position erhalten hätten.
34 Ein Bewerber, der zu der in Randnummer 31 des vorliegenden Urteils genannten ersten Gruppe gehört, hat daher
nur einen Schaden erlitten, der aus der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung wegen einer Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts folgt, während ein zur zweiten Gruppe gehörender Bewerber einen Schaden erlitten hat,
der sich daraus ergibt, daß seine Einstellung gerade deshalb unterblieben ist, weil der Arbeitgeber wegen einer
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts seine Bewerbungsunterlagen objektiv fehlerhaft beurteilt hat.
35 In Anbetracht dieser Erwägungen erscheint es nicht unangemessen, daß ein Mitgliedstaat eine gesetzliche
Vermutung aufstellt, wonach der Schaden, den ein Bewerber der ersten Gruppe erleidet, eine Hoechstgrenze von
drei Monatsgehältern nicht übersteigen kann.
36 Der Arbeitgeber, der über sämtliche eingereichten Bewerbungsunterlagen verfügt, hat zu beweisen, daß der
Bewerber die zu besetzende Position auch dann nicht erhalten hätte, wenn keine Diskriminierung stattgefunden
hätte.
37 Unter diesen Umständen ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, daß die Richtlinie 76/207 einer
innerstaatlichen gesetzlichen Regelung nicht entgegensteht, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber
verlangen kann, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, daß
der Bewerber die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers auch bei
diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte. Die Richtlinie steht jedoch einer innerstaatlichen gesetzlichen
Regelung entgegen, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber verlangen kann, der bei der Einstellung aufgrund
des Geschlechts diskriminiert worden ist, im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen
Regelungen eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, falls dieser Bewerber bei diskriminierungsfreier
Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätte.
Zur vierten Frage
38 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die Richtlinie einer
innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die eine Hoechstgrenze für den Schadensersatz vorsieht, den
mehrere bei der Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminierte Bewerber insgesamt beanspruchen können.
39 Wie der Gerichtshof im vorerwähnten Urteil von Colson und Kamann (Randnr. 23) ausgeführt hat, setzt die
Richtlinie voraus, daß die von den Mitgliedstaaten gewählte Sanktion eine wirklich abschreckende Wirkung
gegenüber dem Arbeitgeber haben und in einem angemessenen Verhältnis zu den erlittenen Schäden stehen muß,
damit sie einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleistet.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 179
40 Offensichtlich kann eine Bestimmung wie § 61b Absatz 2 ArbGG, die für den von mehreren Bewerbern geltend
gemachten Schadensersatz eine Hoechstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern für alle bei der Einstellung
aufgrund des Geschlechts diskriminierten Bewerber vorgibt, dazu führen, daß geringere Entschädigungen gewährt
und die geschädigten Bewerber von der Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten werden. Eine solche Auswirkung
entspräche nicht den in der Richtlinie aufgestellten Erfordernissen eines tatsächlichen und wirksamen
Rechtsschutzes und einer wirklich abschreckenden Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber.
41 Im übrigen geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen, aus der Antwort auf die Fragen des Gerichtshofes und aus
den ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung hervor, daß eine solche kumulative Hoechstgrenze für
einen Schadensersatz in sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen nicht vorgesehen ist.
42 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dürfen die Modalitäten und Voraussetzungen eines auf das
Gemeinschaftsrecht gestützten Entschädigungsanspruchs aber nicht ungünstiger sein als die, die im Rahmen der
vergleichbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehen sind (Urteil Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnr. 24).
43 Deshalb ist zu antworten, daß die Richtlinie einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die für den
von mehreren Bewerbern geltend gemachten Schadensersatz, den Bewerber verlangen können, die bei der
Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden sind, im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivilund arbeitsrechtlichen Regelungen eine Hoechstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern vorgibt.
Kosten
44 Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem
Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist
das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluß vom 22. Mai 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Rahmen einer
zivilrechtlichen Haftungsregelung mit einer Sanktion zu belegen, so stehen die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom
9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des
Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die
Arbeitsbedingungen und insbesondere ihre Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 einer innerstaatlichen gesetzlichen
Regelung entgegen, die für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei
der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens aufstellt.
2. Die Richtlinie 76/207 steht einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung nicht entgegen, die für den Schadensersatz,
den ein Bewerber verlangen kann, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, wenn der Arbeitgeber
beweisen kann, daß der Bewerber die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation des eingestellten
Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte. Die Richtlinie steht jedoch einer
innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegen, die für den Schadensersatz, den ein Bewerber verlangen kann, der bei
der Einstellung aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden ist, im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivilund arbeitsrechtlichen Regelungen eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, falls dieser Bewerber bei
diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätte.
3. Die Richtlinie 76/207 steht einer innerstaatlichen gesetzlichen Regelung entgegen, die für den von mehreren
Bewerbern geltend gemachten Schadensersatz, den Bewerber verlangen können, die bei der Einstellung aufgrund des
Geschlechts diskriminiert worden sind, im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen
Regelungen eine Hoechstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern vorgibt.
EuGH, Urteil vom 28. 04. 2005 - C-329/04
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
28. April 2005 (*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2000/43/EG – Nichtumsetzung innerhalb der vorgeschriebenen
Frist“
In der Rechtssache C-329/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 29. Juli 2004,
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 180
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch C.‑ D. Quassowski als Bevollmächtigten,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kūris und J. Klučka
(Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache
zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof die
Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie
2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der
Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie die
erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur vollständigen Umsetzung dieser Richtlinie nicht erlassen
oder diese der Kommission nicht mitgeteilt hat.
2 Nach Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen, um der Richtlinie bis zum 19. Juli 2003 nachzukommen, und die Kommission
unverzüglich davon in Kenntnis setzen.
3 Gemäß Artikel 226 EG gab die Kommission am 5. Februar 2004, nachdem sie der Bundesrepublik Deutschland
Gelegenheit gegeben hatte, sich zu äußern, eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Staat
aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem
Eingang nachzukommen.
4 Als Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme teilten die deutschen Behörden der Kommission mit
Schreiben vom 6. April 2004 mit, dass im Mai 2004 ein Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen und sodann in
das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gegeben werden solle.
5 Da die Kommission keine weitere Nachricht von den deutschen Behörden erhalten hatte, aus der hervorging, dass
die zur Umsetzung der Richtlinie in die deutsche Rechtsordnung notwendigen Maßnahmen erlassen worden waren,
hat sie die vorliegende Klage erhoben.
6 In ihrer Klagebeantwortung macht die deutsche Regierung geltend, dass die Maßnahmen, mit denen die Umsetzung
der Richtlinie abgeschlossen werden sollte, im Rahmen eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung erlassen
würden, das Anfang 2005 in Kraft treten sollte; diese Umsetzung erfolge gemeinsam mit der der Richtlinien
2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung
der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) und 2002/73/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur
Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl.
L 269, S. 15).
7 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand
der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzten Frist befand, und dass später eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht
berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Urteile vom 30. Januar 2002 in der Rechtssache C-103/00,
Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I-1147, Randnr. 23, und vom 30. Mai 2002 in der Rechtssache C-323/01,
Kommission/Italien, Slg. 2002, I-4711, Randnr. 8).
8 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Maßnahmen, mit denen die vollständige Umsetzung der Richtlinie in die
deutsche Rechtsordnung gewährleistet werden sollte, bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme
gesetzten Frist nicht erlassen waren.
9 Die Klage der Kommission ist somit begründet.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 181
10 Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der
Richtlinie verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der gesetzten Frist die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie nachzukommen.
Kosten
11 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu
verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit
ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/43/EG des
Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der
ethnischen Herkunft verstoßen, dass sie nicht innerhalb der gesetzten Frist die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.
2.
Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.
EuGH, Urteil vom 22. 11. 2005 - C-144/04
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)
22. November 2005
„Richtlinie 1999/70/EG – Paragrafen 2, 5 und 8 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie
2000/78/EG – Artikel 6 – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Diskriminierung aufgrund des Alters“
In der Rechtssache C-144/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Arbeitsgericht München
(Deutschland) mit Entscheidung vom 26. Februar 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 2004, in dem
Verfahren
Werner Mangold
gegen
Rüdiger Helm
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der
Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, A. Rosas und K. Schiemann, der Richter R. Schintgen (Berichterstatter), S.
von Bahr, J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, G.
Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
–
von W. Mangold, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Hummel und B. Karthaus,
–
von Rechtsanwalt R. Helm, vertreten durch sich selbst,
–
der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,
–
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerrell und S. Grünheid sowie durch D.
Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2005
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Paragrafen 2, 5 und 8 der Rahmenvereinbarung über
befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die mit der Richtlinie
1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete
Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43) durchgeführt worden ist, sowie des Artikels 6 der Richtlinie 2000/78/EG des
Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 182
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Mangold und Herrn Helm über den
zwischen ihnen abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag (im Folgenden: Vertrag).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Die Rahmenvereinbarung
3 Nach ihrem Paragrafen 1 soll die Rahmenvereinbarung
„a)
durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse
verbessern;
b) einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder verhältnisse verhindert“.
4 Paragraf 2 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung bestimmt:
„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß
der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“
5 Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung lautet:
„Um Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, ergreifen
die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen
Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur
Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder
Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
a)
sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
b)
die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
c)
die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.“
6 Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung bestimmt:
„Die Umsetzung dieser Vereinbarung darf nicht als Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus des
Arbeitnehmerschutzes in dem von dieser Vereinbarung erfassten Bereich dienen.“
Die Richtlinie 2000/78
7 Die Richtlinie 2000/78 ist auf der Grundlage des Artikels 13 EG erlassen worden. Die erste, die vierte, die achte
und die fünfundzwanzigste Begründungserwägung dieser Richtlinie lauten:
„(1)
Nach Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den
Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der
Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Die Union achtet die Grundrechte, wie
sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und
wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts ergeben.
…
(4)
Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines
Menschenrecht; dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen
zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche
und politische Rechte, im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie in
der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt, die von allen
Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden. Das Übereinkommen 111 der Internationalen Arbeitsorganisation untersagt
Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf.
…
(8)
In den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten
beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2000 wird die Notwendigkeit unterstrichen, einen Arbeitsmarkt zu
schaffen, der die soziale Eingliederung fördert, indem ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen
getroffen wird, die darauf abstellen, die Diskriminierung von benachteiligten Gruppen, wie den Menschen mit
Behinderung, zu bekämpfen. Ferner wird betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der
Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besondere Aufmerksamkeit gebührt.
…
(25)
Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele
der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar.
Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und
erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein
können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch
rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung
gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 183
8
9
10
11
12
13
14
Nach ihrem Artikel 1 bezweckt die Richtlinie 2000/78 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung
der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.
Artikel 2 der Richtlinie 2000/78 – „Der Begriff ‚Diskriminierung‘“ – bestimmt in den Absätzen 1 und 2 Buchstabe
a:
„(1)
Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder
mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2)
Im Sinne des Absatzes 1
a)
liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten
Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt,
erfahren hat oder erfahren würde“.
Artikel 3 der Richtlinie 2000/78 – „Geltungsbereich“ – sieht in Absatz 1 vor:
„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in
öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
a)
die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu
unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position,
einschließlich des beruflichen Aufstiegs
…
c)
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des
Arbeitsentgelts;
…“
Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 lautet:
„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des
Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen
Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen
Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel
zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
a)
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung
sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und
Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit
Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;
b)
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den
Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;
c)
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen
eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem
Eintritt in den Ruhestand.“
Nach Artikel 18 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 2. Dezember 2003 nachzukommen. In
Absatz 2 dieses Artikels heißt es jedoch:
„Um besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, können die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls eine Zusatzfrist
von drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003, d. h. insgesamt sechs Jahre, in Anspruch nehmen, um die
Bestimmungen dieser Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung umzusetzen. In
diesem Fall setzen sie die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Ein Mitgliedstaat, der die
Inanspruchnahme dieser Zusatzfrist beschließt, erstattet der Kommission jährlich Bericht über die von ihm
ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung und über
die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten. Die Kommission erstattet dem Rat
jährlich Bericht.“
Da die Bundesrepublik Deutschland eine solche Zusatzfrist für die Umsetzung der Richtlinie beantragt hat, läuft die
Umsetzungsfrist für diesen Mitgliedstaat erst am 2. Dezember 2006 ab.
Nationales Recht
§ 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes in der durch das Gesetz vom 25. September 1996 (BGBl. 1996 I S.
1476) geänderten Fassung (im Folgenden: BeschFG 1996) sah vor:
„(1)
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zur Gesamtdauer von
zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 184
15
16
17
18
19
20
21
(2)
Die Befristung des Arbeitsvertrages ist ohne die in Absatz 1 genannten Einschränkungen zulässig, wenn der
Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 60. Lebensjahr vollendet hat.
(3)
Die Befristung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten
Arbeitsvertrag oder zu einem vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrag nach Absatz 1 mit demselben Arbeitgeber
ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere
anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Monaten liegt.
(4)
Die Zulässigkeit der Befristung des Arbeitsvertrages aus anderen Gründen bleibt unberührt.
…“
Nach § 1 Absatz 6 BeschFG 1996 galt diese Regelung bis zum 31. Dezember 2000.
Die Richtlinie 1999/70 zur Durchführung der Rahmenvereinbarung wurde mit dem Gesetz über Teilzeitarbeit und
befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestimmungen vom 21. Dezember
2000 (BGBl. 2000 I S. 1966, im Folgenden: TzBfG) in die deutsche Rechtsordnung umgesetzt. Dieses Gesetz ist
am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.
§ 1 TzBfG – „Zielsetzung“ – lautet:
„Ziel des Gesetzes ist, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter
Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten
Arbeitnehmern zu verhindern.“
§ 14 TzBfG, der befristete Arbeitsverträge regelt, bestimmt:
„(1)
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist.
Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des
Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung
bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2)
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur
Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige
Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht
zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis
bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung
abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht
tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
(3)
Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn
des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu
einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher
Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn
zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt.
(4)
Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“
§ 14 Absatz 3 TzBfG wurde durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.
Dezember 2002 (BGBl. 2002 I S. 14607, im Folgenden: Gesetz von 2002) geändert. Die neugefasste Vorschrift,
die am 1. Januar 2003 in Kraft trat, lautet:
„Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des
befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem
vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang
besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den
Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der
Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt“.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Am 26. Juni 2003 schloss der damals 56-jährige Herr Mangold mit Wirkung zum 1. Juli 2003 den Arbeitsvertrag
mit Herrn Helm, der als Rechtsanwalt tätig ist.
§ 5 des Vertrages lautet:
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 185
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
„1.
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.07.2003 und ist befristet bis 28.02.2004.
2.
Die Befristung wird auf die gesetzliche Bestimmung über die erleichterte Befristung mit älteren
Arbeitnehmern in § 14 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz 1 TzBfG … gestützt, weil der Arbeitnehmer älter als 52
Lebensjahre ist.
3.
Die Parteien sind sich einig, dass der unter der vorgenannten Ziffer bezeichnete Befristungsgrund der einzige
Befristungsgrund ist, auf den die Befristungsabrede gestützt wird. Vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung
grundsätzlich für zulässig angesehene andere Befristungsgründe werden ausdrücklich ausgeschlossen und sind
nicht Gegenstand hiesiger Befristungsabrede.“
Herr Mangold ist der Ansicht, dass die Befristungsabrede des § 5, obwohl auf § 14 Absatz 3 TzBfG beruhend,
unvereinbar mit der Rahmenvereinbarung und der Richtlinie 2000/78 sei.
Herr Helm macht geltend, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten vorschreibe, zur
Verhinderung des Missbrauchs durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverhältnisse Maßnahmen vorzusehen,
nämlich insbesondere sachliche Gründe für die Verlängerung dieser Verträge zu verlangen oder eine maximal
zulässige Dauer oder maximale Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse
festzulegen.
§ 14 Absatz 3 Satz 4 TzBfG sehe eine solche Beschränkung bei älteren Arbeitnehmern zwar nicht ausdrücklich vor,
doch liege ein sachlicher Grund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags im Sinne des Paragrafen 5
Nummer 1 Buchstabe a der Rahmenvereinbarung darin, dass es für diese Arbeitnehmer angesichts der Verhältnisse
auf dem Arbeitsmarkt schwer sei, Arbeit zu finden.
Das Arbeitsgericht München zweifelt an der Vereinbarkeit von § 14 Absatz 3 Satz 1 TzBfG mit dem
Gemeinschaftsrecht.
Erstens verstößt diese Bestimmung nach Ansicht des Arbeitsgerichts gegen das Verschlechterungsverbot des
Paragrafen 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung, weil mit ihr im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/70
das Alter der vom Schutz gegen sachgrundlose Befristung der Arbeitsverträge ausgenommenen Personen von 60
auf 58 Jahre gesenkt und damit das allgemeine Schutzniveau für diese Gruppe von Arbeitnehmern herabgesetzt
worden sei. Diese Bestimmung verstoße außerdem gegen Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung, mit dem der
Missbrauch durch solche Verträge verhindert werden solle, da er keinerlei Beschränkungen für deren Abschluss
mit einer großen, allein nach dem Lebensalter definierten Gruppe von Arbeitnehmern enthalte.
Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob eine Regelung wie § 14 Absatz 3 TzBfG mit Artikel 6 der Richtlinie
2000/78 vereinbar ist, da der Schutz älterer Menschen im Arbeitsleben durch die Herabsetzung des Alters für die
sachgrundlose Befristung der Arbeitsverträge von 58 auf 52 Jahre durch das Gesetz von 2002 nicht sichergestellt
werde. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, am 26. Juni 2003, sei die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/78
in innerstaatliches Recht zwar noch nicht abgelaufen gewesen. Nach Randnummer 45 des Urteils vom 18.
Dezember 1997 in der Rechtssache C-129/96 (Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411) dürfe aber ein
Mitgliedstaat, an den eine Richtlinie gerichtet sei, während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die
geeignet seien, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen.
Im Ausgangsverfahren sei die Änderung des § 14 Absatz 3 TzBfG durch das Gesetz von 2002 am 1. Januar 2003 in
Kraft getreten, also nach Veröffentlichung der Richtlinie 2000/78 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften,
jedoch vor Ablauf der in Artikel 18 der Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist.
Drittens wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob der nationale Richter in einem Rechtsstreit zwischen
Privaten die dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehende Regelung des nationalen Rechts unangewendet zu lassen
habe. Insoweit sei gemäß dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts der Schluss zu ziehen, dass § 14 Absatz 3 TzBfG
insgesamt nicht anwendbar sei und deshalb die Grundnorm des § 14 Absatz 1 TzBfG anzuwenden sei, die das
Vorliegen eines sachlichen Grundes für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags verlange.
Das Arbeitsgericht München hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Ist Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung dahin gehend auszulegen, dass er im Rahmen der
Umsetzung in das innerstaatliche Recht eine Verschlechterung durch Senkung des Alters von 60 auf 58 Jahre
verbietet?
b)
Ist Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen
Regelung, die – wie die hier streitige – keine Einschränkungen im Sinne der drei Alternativen der Nummer 1
enthält, entgegensteht?
2.
Ist Artikel 6 der Richtlinie 2000/78 dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die – wie die
hier streitige – die Befristung von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern ab 52 Jahren – im Unterschied zum
Grundsatz der Erforderlichkeit eines sachlichen Grundes – ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässt,
entgegensteht?
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 186
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
3.
Falls eine der drei Fragen bejahend beantwortet wird: Hat der nationale Richter die dem EG-Recht
entgegenstehende nationale Regelung unangewendet zu lassen, und gilt dann der allgemeine Grundsatz des
innerstaatlichen Rechts, nach dem Befristungen nur mit sachlichem Grund zulässig sind?
Zur Zulässigkeit der Vorlage
In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland die Zulässigkeit des
Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung in Frage gestellt, der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens sei
fiktiv oder künstlich. Herr Helm habe nämlich schon früher öffentlich dieselbe These zur Rechtswidrigkeit des § 14
Absatz 3 TzBfG vertreten wie Herr Mangold.
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, dem eine Frage nach der Auslegung
des EG-Vertrags oder abgeleiteter Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane gestellt wird, den Gerichtshof gemäß
Artikel 234 EG ersuchen kann, über diese Frage zu befinden, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines
Urteils für erforderlich hält (vgl. u. a. Urteil vom 21. März 2002 in der Rechtssache C-451/99, Cura Anlagen, Slg.
2002, I-3193, Randnr. 22).
Im Rahmen dieses Vorlageverfahrens besitzt das vorlegende Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis
des Sachverhalts verfügt, die besten Voraussetzungen, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der
Rechtssache die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils zu beurteilen (vgl. u. a.
Urteile vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnr. 23, vom 7. Juli 1994 in
der Rechtssache C-146/93, McLachlan, Slg. 1994, I-3229, Randnr. 20, vom 9. Februar 1995 in der Rechtssache C412/93, Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I-179, Randnr. 10, und vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-167/01,
Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Randnr. 43).
Betreffen daher die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des
Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. Urteile vom 8.
November 1990 in der Rechtssache C-231/89, Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I‑ 4003, Randnr. 20, LeclercSiplec, Randnr. 11, vom 23. Februar 1995 in den Rechtssachen C-358/93 und C-416/93, Bordessa u. a., Slg. 1995,
I-361, Randnr. 10, und Inspire Art, Randnr. 44).
Dem Gerichtshof obliegt es jedoch, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter
denen er vom nationalen Gericht angerufen wird. Denn der Geist der Zusammenarbeit, in dem das
Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist, verlangt auch, dass das nationale Gericht seinerseits auf die dem
Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, die darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten
beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteile vom 3.
Februar 1983 in der Rechtssache 149/82, Robards, Slg. 1983, 171, Randnr. 19, Meilicke, Randnr. 25, und Inspire
Art, Randnr. 45).
In Anbetracht dieser Aufgabe hat sich der Gerichtshof nicht für befugt gehalten, über eine vor einem nationalen
Gericht aufgeworfene Vorabentscheidungsfrage zu befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung des
Gemeinschaftsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits
steht.
Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch nicht in Abrede stellen, dass die vom vorlegenden Gericht beantragte
Auslegung des Gemeinschaftsrechts tatsächlich einem durch die Entscheidung des bei ihm anhängigen
Rechtsstreits bedingten objektiven Bedürfnis entspricht. Es ist nämlich unstreitig, dass der Vertrag tatsächlich
durchgeführt worden ist und seine Anwendung eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwirft.
Dass sich die Parteien des Ausgangsrechtsstreits über die Auslegung des § 14 Absatz 3 TzBfG möglicherweise
einig sind, ändert nichts daran, dass dieser Rechtsstreit tatsächlich besteht.
Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage, Buchstabe b
Mit der ersten Frage, Buchstabe b, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 5
der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die wie die im
Ausgangsverfahren streitige keine der in dieser Bestimmung für den Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge
vorgesehenen Beschränkungen enthält.
Dazu ist festzustellen, dass Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung zum Ziel hat, „Missbrauch durch
aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden“.
Die Parteien des Ausgangsverfahrens haben jedoch, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, nur
diesen einen Arbeitsvertrag miteinander geschlossen.
Unter diesen Umständen ist die Auslegung von Paragraf 5 Nummer 1 der Rahmenvereinbarung für die
Entscheidung des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits offensichtlich nicht erheblich, so dass die
erste Frage, Buchstabe b, nicht zu beantworten ist.
Zur ersten Frage, Buchstabe a
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 187
44 Mit seiner ersten Frage, Buchstabe a, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 8 Nummer 3 der
Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren
streitigen entgegensteht, mit der im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/70 das Alter, ab dem
uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von 60 auf 58 Jahre gesenkt worden ist.
45 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der im Ausgangsverfahren streitige Vertrag am 26. Juni 2003 geschlossen
worden ist, d. h. unter der Geltung des TzBfG in der Fassung des Gesetzes von 2002, mit dem das Alter, ab dem
befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von 58 auf 52 Jahre herabgesetzt wurde. Unstreitig ist Herr
Mangold im Alter von 56 Jahren von Herrn Helm eingestellt worden.
46 Das nationale Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die Auslegung von Paragraf 8 Nummer 3 für die Prüfung der
Rechtmäßigkeit des § 14 Absatz 3 TzBfG in seiner ursprünglichen Fassung gleichwohl nützlich wäre, da eine
Unvereinbarkeit der letztgenannten Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht auch die Ungültigkeit ihrer Änderung
durch das Gesetz von 2002 nach sich ziehen würde.
47 Es ist jedenfalls festzustellen, dass der deutsche Gesetzgeber bereits im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie
1999/70 in innerstaatliches Recht das Alter, von dem an befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können, von
60 auf 58 Jahre gesenkt hatte.
48 Nach Ansicht von Herrn Mangold verstößt diese, wie auch die durch das Gesetz von 2002 bewirkte
Verschlechterung gegen Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung.
49 Die deutsche Regierung vertritt dagegen die Auffassung, dass die Herabsetzung des Alters dadurch ausgeglichen
worden sei, dass den befristet eingestellten Arbeitnehmern neue soziale Garantien gewährt worden seien, wie z. B.
ein allgemeines Diskriminierungsverbot und die Erstreckung der für derartige Verträge vorgesehenen
Einschränkungen auf kleine Unternehmen und auf kurzfristige Arbeitsverhältnisse.
50 Insoweit ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung, dass deren
Umsetzung für die Mitgliedstaaten nicht als Grund für die Senkung des allgemeinen Niveaus des
Arbeitnehmerschutzes in dem von der Vereinbarung erfassten Bereich dienen kann.
51 Mit dem in Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung ohne weitere Erläuterung verwendeten Ausdruck
„Umsetzung“ kann nicht nur die ursprüngliche Umsetzung der Richtlinie 1999/70 und insbesondere ihres die
Rahmenvereinbarung enthaltenden Anhangs gemeint sein; er muss vielmehr alle nationalen Maßnahmen erfassen,
die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Zieles gewährleisten sollen, einschließlich derjenigen, mit
denen nach der eigentlichen Umsetzung die bereits erlassenen nationalen Rechtsvorschriften ergänzt oder geändert
werden.
52 Hingegen ist eine Verminderung des den Arbeitnehmern im Hinblick auf befristete Arbeitsverträge garantierten
Schutzes nicht als solche durch die Rahmenvereinbarung verboten, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der
Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung steht.
53 Sowohl aus der Vorlageentscheidung als auch aus den Erklärungen der deutschen Regierung in der mündlichen
Verhandlung ergibt sich, dass – wie auch der Generalanwalt in den Nummern 75 bis 77 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat –die schrittweise Herabsetzung des Alters, ab dem der Abschluss befristeter Verträge
uneingeschränkt möglich ist, nicht durch das Erfordernis der Umsetzung der Rahmenvereinbarung, sondern durch
die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die Beschäftigung älterer Menschen in Deutschland zu fördern.
54 Auf die erste Frage, Buchstabe a, ist daher zu antworten, dass Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung
dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht
entgegensteht, mit der aus Gründen der Beschäftigungsförderung und unabhängig von der Umsetzung der
Rahmenvereinbarung das Alter gesenkt wurde, ab dem uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge geschlossen
werden können.
Zur zweiten und zur dritten Frage
55 Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im
Wesentlichen wissen, ob Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen
Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der der Abschluss befristeter
Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern
nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher
Zusammenhang besteht. Für den Fall, dass dies bejaht wird, fragt das Gericht, welche Folgen der nationale Richter
aus dieser Auslegung zu ziehen hat.
56 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2000/78 nach ihrem Artikel 1 die Schaffung eines allgemeinen
Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf aus den dort genannten Gründen,
darunter wegen des Alters, bezweckt.
57 § 14 Absatz 3 TzBfG begründet dadurch, dass die Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet
haben, uneingeschränkt befristete Arbeitsverträge schließen können, eine unmittelbar auf dem Alter beruhende
Ungleichbehandlung.
58 Eben zu Ungleichbehandlungen wegen des Alters bestimmt Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78, dass die
Mitgliedstaaten vorsehen können, dass solche Ungleichbehandlungen „keine Diskriminierung darstellen, sofern sie
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 188
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter
insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu
verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“.
Nach Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a können solche Ungleichbehandlungen u. a. „die Festlegung besonderer
Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungsund Arbeitsbedingungen, … um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und
Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen“, sowie nach den Buchstaben b und c
in einigen besonderen Fällen die Festlegung von altersbezogenen Anforderungen betreffen.
Wie sich aus den dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten ergibt, bezwecken diese
Rechtsvorschriften klar, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, weil diese
erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden.
Die Legitimität eines solchen im Allgemeininteresse liegenden Zieles steht außer Zweifel, wie die Kommission im
Übrigen selbst eingeräumt hat.
Folglich ist ein derartiges Ziel – wie in Artikel 6 Absatz 1 erster Unterabsatz der Richtlinie 2000/78 vorgesehen –
grundsätzlich als eine „objektive und angemessene“ Rechtfertigung einer von den Mitgliedstaaten vorgesehenen
Ungleichbehandlung wegen des Alters anzusehen.
Weiter ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung dieses
legitimen Zieles „angemessen und erforderlich“ sind.
Insoweit verfügen die Mitgliedstaaten unbestreitbar über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der
Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik.
Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, läuft die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften wie der im
Ausgangsverfahren streitigen jedoch darauf hinaus, dass allen Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet
haben, unterschiedslos – gleichgültig, ob und wie lange sie vor Abschluss des Arbeitsvertrags arbeitslos waren –
bis zum Erreichen des Alters, ab dem sie ihre Rentenansprüche geltend machen können, befristete, unbegrenzt
häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden können. Diese große, ausschließlich nach dem Lebensalter
definierte Gruppe von Arbeitnehmern läuft damit während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr, von
festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein, die doch, wie sich aus der Rahmenvereinbarung ergibt,
einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen.
Solche Rechtsvorschriften gehen insofern, als sie das Alter des betroffenen Arbeitnehmers als einziges Kriterium
für die Befristung des Arbeitsvertrags festlegen, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung einer
Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen
Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Zieles der beruflichen
Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer objektiv erforderlich ist, über das hinaus, was zur Erreichung des
verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist. Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedeutet
nämlich, dass bei Ausnahmen von einem Individualrecht die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so
weit wie möglich mit denen des angestrebten Zieles in Einklang gebracht werden müssen (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 19. März 2002 in der Rechtssache C-476/99, Lommers, Slg. 2002, I-2891, Randnr. 39). Derartige
nationale Rechtsvorschriften können daher nicht nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt
werden.
Dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages noch nicht
abgelaufen war, steht dieser Feststellung nicht entgegen.
Erstens hat nämlich der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten während der Frist für die
Umsetzung einer Richtlinie keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser
Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich in Frage zu stellen (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 45).
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die fragliche, nach Inkrafttreten der betreffenden
Richtlinie erlassene Regelung des nationalen Rechts deren Umsetzung bezweckt oder nicht (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C-14/02, ATRAL, Slg. 2003, I-4431, Randnrn. 58 und 59).
Im Ausgangsverfahren ist die Herabsetzung des Alters, ab dem befristete Arbeitsverträge geschlossen werden
können, von 58 auf 52 Jahre durch Artikel 14 Absatz 3 TzBfG im Dezember 2002 erfolgt, und diese Maßnahme
soll bis zum 31. Dezember 2006 gelten.
Der Umstand, dass die Geltung dieser Vorschrift am 31. Dezember 2006 endet, d. h. nur wenige Wochen nach
Ablauf der vom betreffenden Mitgliedstaat einzuhaltenden Umsetzungsfrist, ist als solcher nicht entscheidend.
Zum einen ergibt sich nämlich schon aus dem Wortlaut von Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2000/78, dass ein
Mitgliedstaat, der – wie im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland – eine Zusatzfrist von drei Jahren ab
dem 2. Dezember 2003 für die Umsetzung dieser Richtlinie in Anspruch zu nehmen beschließt, „der Kommission
jährlich Bericht über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters
… und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten“, erstattet.
Diese Bestimmung impliziert also, dass der Mitgliedstaat, der ausnahmsweise in den Genuss einer längeren
Umsetzungsfrist kommt, schrittweise konkrete Maßnahmen ergreift, um seine Regelung schon dem in der
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 189
73
74
75
76
77
78
79
Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnis anzunähern. Dieser Verpflichtung würde jedoch jegliche praktische
Wirksamkeit genommen, wenn es dem Mitgliedstaat gestattet wäre, während der Frist zur Umsetzung der
Richtlinie Maßnahmen zu erlassen, die mit deren Zielen unvereinbar sind.
Zum anderen wird am 31. Dezember 2006, wie der Generalanwalt in Nummer 96 seiner Schlussanträge ausgeführt
hat, ein beachtlicher Teil der Arbeitnehmer, auf die die im Ausgangsverfahren streitige Regelung anwendbar ist –
darunter Herr Mangold −, das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben und somit weiter unter die Sonderregelung
des § 14 Absatz 3 TzBfG fallen, so dass für diese Personengruppe die Gefahr des Ausschlusses von der Garantie
eines festen Beschäftigungsverhältnisses in Form eines unbefristeten Arbeitsvertrags bereits definitiv eingetreten
ist, unabhängig davon, dass die Altersgrenze von 52 Jahren nur bis Ende 2006 gilt.
Zweitens ist zu beachten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nicht in der
Richtlinie 2000/78 selbst verankert ist. Nach ihrem Artikel 1 bezweckt diese Richtlinie nämlich lediglich „die
Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“, wobei das grundsätzliche Verbot
dieser Formen der Diskriminierung, wie sich aus der ersten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie
ergibt, seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und den gemeinsamen
Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hat.
Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist somit als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts
anzusehen. Fällt eine nationale Regelung in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, was bei dem durch das
Gesetz von 2002 geänderten § 14 Absatz 3 TzBfG als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70 der Fall ist
(vgl. hierzu auch Randnrn. 51 und 64 des vorliegenden Urteils), hat der Gerichtshof, wenn er im
Vorabentscheidungsverfahren angerufen wird, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es
benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit diesem Grundsatz beurteilen zu können (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-442/00, Rodríguez Caballero, Slg. 2002, I-11915, Randnrn.
30 bis 32).
Folglich kann die Wahrung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung, insbesondere im Hinblick auf das
Alter, als solche nicht vom Ablauf der Frist abhängen, die den Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer Richtlinie
eingeräumt worden ist, die die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen
des Alters bezweckt, vor allem was die Bereitstellung geeigneter Rechtsbehelfe, die Beweislast, die
Viktimisierung, den sozialen Dialog sowie die positiven und anderen spezifischen Maßnahmen zur Umsetzung
einer solchen Richtlinie angeht.
Es obliegt daher dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des
Alters anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem
Gemeinschaftsrecht ergibt, zu gewährleisten und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu garantieren,
indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (vgl. in
diesem Sinne Urteile vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 21, und
vom 5. März 1998 in der Rechtssache C-347/96, Solred, Slg. 1998, I-937, Randnr. 30).
Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht und insbesondere
Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im
Ausgangsverfahren streitigen, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52.
Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten
Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, entgegenstehen.
Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung wegen
des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet
lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter
für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1.
Paragraf 8 Nummer 3 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die mit
der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über
befristete Arbeitsverträge durchgeführt worden ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der
im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, mit der aus Gründen der Beschäftigungsförderung und
unabhängig von der Umsetzung der Rahmenvereinbarung das Alter gesenkt wurde, ab dem uneingeschränkt
befristete Arbeitsverträge geschlossen werden können.
2.
Das Gemeinschaftsrecht und insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren
streitigen, nach der der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 190
haben, uneingeschränkt zulässig ist, sofern nicht zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit
demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, entgegenstehen.
Es obliegt dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbotes der Diskriminierung wegen
des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet
lässt, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist.
EuGH, Urteil vom 23. 02. 2006 - C-43/05
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Vierte Kammer)
23. Februar 2006(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf –
Nicht fristgerechte Umsetzung“
In der Rechtssache C - 43/05
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 3. Februar 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch U. Forsthoff als Bevollmächtigten,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann sowie der Richterin N. Colneric und des Richters E. Levits
(Berichterstatter),
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache
zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die
Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen aus Artikel 18 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) verletzt hat, indem sie bis zum 2. Dezember 2003 nicht alle Rechtsund Verwaltungsvorschriften, die notwendig sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, erlassen bzw. der
Kommission diese Vorschriften nicht mitgeteilt hat. Sie fügt hinzu, dass diese Feststellung nicht die Bestimmungen
der Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters betreffe.
2 Artikel 1 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:
„Zweck
Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen
der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in
Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den
Mitgliedstaaten.“
3 Artikel 18 der Richtlinie sieht vor:
„Umsetzung der Richtlinie
Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie
spätestens zum 2. Dezember 2003 nachzukommen, oder können den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag
die Durchführung der Bestimmungen dieser Richtlinie übertragen, die in den Anwendungsbereich von
Tarifverträgen fallen. In diesem Fall gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Sozialpartner spätestens zum 2.
Dezember 2003 im Weg einer Vereinbarung die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben; dabei haben die
Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch
diese Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in
Kenntnis.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 191
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Um besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, können die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls eine Zusatzfrist
von drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003, d. h. insgesamt sechs Jahre, in Anspruch nehmen, um die
Bestimmungen dieser Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung umzusetzen. In
diesem Fall setzen sie die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Ein Mitgliedstaat, der die
Inanspruchnahme dieser Zusatzfrist beschließt, erstattet der Kommission jährlich Bericht über die von ihm
ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung und über
die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten. Die Kommission erstattet dem Rat
jährlich Bericht.
…“
Mit Schreiben vom 28. November 2003 teilte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission mit, dass sie
beabsichtige, von der in Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2000/78 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu
machen, eine Verlängerung der Frist für die Umsetzung der Bestimmungen über die Diskriminierung wegen des
Alters um drei Jahre in Anspruch zu nehmen.
Da die Frist für die Umsetzung der übrigen Bestimmungen der Richtlinie am 2. Dezember 2003 abgelaufen war,
ohne dass ihr die zur Umsetzung dieser Bestimmungen in das deutsche Recht getroffenen Maßnahmen mitgeteilt
worden wären, leitete die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren des Artikels 226 EG ein. Nachdem sie die
Bundesrepublik Deutschland zur Äußerung aufgefordert hatte, gab sie am 7. Juli 2004 eine mit Gründen versehene
Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser
Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen.
Mit Schreiben vom 9. September 2004 teilte die deutsche Regierung der Kommission mit, dass ihr der Entwurf
eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie in Kürze übermittelt werde.
Da die Kommission in der Folge keine weitere Information über die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche
Recht erhielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Die deutsche Regierung weist in ihrer Klagebeantwortung auf die Umsetzungsmaßnahmen hin, die bereits
getroffen worden seien. Sie kündigt an, dass die abschließenden Umsetzungsmaßnahmen gemeinsam mit der
Umsetzung von drei anderen Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen durch ein „Gesetz zur
Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien“ erfolgen würden. Durch eine einheitliche Umsetzung
könne ein in sich stimmiger Schutz vor Diskriminierungen besser verwirklicht werden als durch die isolierte
Umsetzung der einzelnen Richtlinien.
Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen,
in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt
wurde (vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 2002 in der Rechtssache C‑ 173/01, Kommission/Griechenland, Slg. 2002,
I‑ 6129, Randnr. 7, und vom 8. September 2005 in der Rechtssache C‑ 278/04, Kommission/Deutschland, nicht in
der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 7).
Die deutsche Regierung bestreitet nicht, dass die Richtlinie 2000/78 bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzten Frist noch nicht vollständig umgesetzt worden war.
Der Gerichtshof hat aber im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage festzustellen, ob die gerügte
Vertragsverletzung tatsächlich vorliegt, auch soweit der betroffene Mitgliedstaat sie nicht bestreitet (vgl. in diesem
Sinne Urteil vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C‑ 439/99, Kommission/Italien, Slg. 2002, I‑ 305, Randnr.
20).
Aus den von der deutschen Regierung angeführten Bestimmungen des nationalen Rechts ergibt sich, dass keiner
der Artikel der Richtlinie zum maßgebenden Zeitpunkt vollständig umgesetzt worden war.
Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/78
verletzt hat, indem sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die notwendig sind, um dieser
Richtlinie in Bezug auf die Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung
sowie der sexuellen Ausrichtung nachzukommen.
Kosten
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu
verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit
ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in
Beschäftigung und Beruf verletzt, indem sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die
notwendig sind, um dieser Richtlinie in Bezug auf die Diskriminierung wegen der Religion oder der
Weltanschauung, einer Behinderung sowie der sexuellen Ausrichtung nachzukommen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.
Das neue Gleichbehandlungsrecht – Arbeitshilfe – S. 192
Herunterladen