Chintsa

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Chintsa
Ich wache auf, es ist fünf Uhr und ich stelle fest, dass es bereits dämmert. Sofort bin
ich hell wach. Wir befinden uns noch immer in Coffee Bay in der Transkei und mein
Vorhaben für diesen Morgen möchte ich unbedingt durchsetzen: Da ich mich am
indischen Ozean befinde und die Sonne meist im Osten aufgeht, möchte ich dies
ausnutzen und endlich mal wieder nach langer Zeit Zeuge des Sonnenaufgangs
werden. Ich kann mich noch gut daran erinnern, es ist nun vielleicht 6 Jahre her, als
ich um 2 Uhr morgens mit Markus im Auto sitze, noch ein Absackerbier trinke und
wir beide überlegen, es wäre doch eigentlich schön nun nach Holland ans Meer zu
fahren und einen Sonnenaufgang zu sehen. Das der Strand aber Richtung Westen
zeigte, viel uns damals erst bei Ankunft auf. Naja, lustige Nacht!
Ich stehe auf, schnappe mir leise die Kamera und ein T-Shirt und verlasse das
Zimmer. Im Backpacker, das mehr an ein Buschlager für Touristen erinnert, als an ein
Billighotel, schläft noch alles. Das Feuer des letzten Abends brennt noch immer aus.
Ich gehe den Weg hinab zum Strand und höre die ganze Zeit bereits einen Hund
bellen. Auf der Straße steht er mir gegenüber und als ob er wüsste was ich vorhabe,
folgt er mir unaufgefordert. Wir kommen in der Lagune an und ich stelle fest, ich bin
genau richtig. Es dämmert, aber die Sonne ist noch nicht zu sehen. Die Lagune selbst
liegt noch in einem drückenden Licht. Ich durchquere sie und begebe mich auf der
anderen Seite auf einen kleinen Pfad, dem ich ca. 120 Meter folge. Nun stehe ich
direkt am Meer. Der Hund noch immer neben mir. Beide genießen wir (ich glaube
zumindest er auch), die Stille des Ozeans und schauen hinaus aufs Meer. Eine Welle
nach der anderen bricht an den etwas Vorgelagerten Felsen zur linken Seite. Es wird
heller und heller, bis plötzlich ein glühender Feuerball am Horizont erscheint. Rasch
steigt dieser Höher und durch seien Lichtstärke werden die Mangrovenbäume hinter
mir hell erleuchtet. Faszinierend – und so etwas findet hier jeden Morgen statt!
Zurück im Backpacker setze ich mich an das ausbrennende Feuer und nach und nach
beginnt das Leben um mich herum. Ein Morgenkaffe, denke ich mir, wäre jetzt ganz
gut. Doch bis ich diesen bekomme, vergehen noch einmal 45 Minuten. Während des
Kaffees gesellt sich Sabrina zu mir; ebenfalls noch nicht richtig wach. Wir sprechen
über unsere Tagesplanung und beschließen, nach dem Duschen eine Runde durch
Coffee Bay zu gehen und dann recht zügig abzureisen. Die Eindrücke des Vortags
werden hierbei noch verstärkt.
Um viertel nach zehn fahren wir zu der Tankstelle in Coffee Bay: eine Garage mit
zwei Zapfsäulen und einem älteren, sehr höflichen Tankwart. Ich denke mir nur: für
23 Euro möchte ich zu Hause auch mal wieder Volltanken. Wir fahren die
Nebenstrecke wieder zurück bis zur N2 und folgen dieser Richtung Süden. Nach und
nach verschwinden die Rundgebauten Khosahütten und die Zahl an viereckigen
Häusern, so wie man sie kennt, nimmt wieder zu. Kurz vor East-London erblicken wir
das Schild: Chintsa, links ab. Wir begeben uns erneut auf eine Nebenstrecke, auf der
man dieses Mal aber vergessen hat, Schlaglöcher einzubauen. Nach 15 Kilometern
kommt ein weiteres Schild: Chintsa rechts ab. Ich biege rechts ab und wir stehen in
einem Township. Direkt drehe ich den Wagen und sage, dass wir der Straße noch
einmal 2-3 Kilometer folgen, denn das hier ist wohl offensichtlich falsch. Sabrina ist
zwar anderer Meinung, beugt sich aber, denn diesen Weg weiterfahren, könnte
gefährlich werden. Und ich lag richtig. Zwei Kilometer weiter kommt ein weiteres
Ortsschild: Chintsa East. Wir fahren in den Ort und stellen fest, dass diese Häuser
etwas luxuriöser sind, als alles was wir bisher hier gesehen haben. Links ein Country
Club, dahinter noch einer und rechts ein Supermarkt mit nicht selbstgebauten
Reklameschildern vor der Tür. Die Zahl der weißfarbigen ist entschieden höher, als
die der schwarzfarbigen Menschen; natürlich. Leider finden wir aber kein
Backpacker, daher fahren wir zurück in Richtung N2, denn wenn es Chintsa und
Chints East gibt, gibt es ja vielleicht noch ein Chintsa West mit einem Backpacker.
Dem ist so. Nach 10 Kilometern stoßen wir auf ein Hinweisschild zu einem
Backpacker; dem angeblich schönsten Backpacker Südafrikas. Nach zwei weiteren
Schildern verliert sich unser Weg auf einer steilen Schotterpiste, die nur in
Schrittgeschwindigkeit zu fahren ist. Nach 2 Kilometern sind wir am Ziel. Der
Bucaneers Backpacker in Chintsa West. Im Übrigen ist dies das Einzige, was man in
Chintsa West findet, denn Chintsa ist ein Lagunenort. Auf der Ostseite befindet sich
die eben beschriebene Luxusmeile und gegenüber auf der Westseite gibt es nur
Urwald und eben diesen Backpacker.
Bereits in der Rezeption stellen wir fest, dass dieser Backpacker etwas größer ist. Mel,
die Dame von der Rezeption, schlägt auch direkt vor, dass wir mit dem Auto weiter
bis zu unserem Bungalow fahren. Sie kommt mit, zeigt uns den Bungalow, indem wir
mit drei weiteren Touristen (eine Österreicherin mit ihrem britischen Partner und ein
Herr mittleren Alters, den ich nicht kennen gelernt habe) untergebracht sind und
erklärt uns die Lokalitäten. Wir beziehen das Zimmer und reißen direkt in Richtung
Strand aus. Wir laufen entlang des Ufers der Lagune bis zum Strand und sind
gefesselt. Auf weinigen Kilometern ändert dieser mehrmals seine Landschaft. Rote
Steine, runde Steine und felsige Steine, sowie normaler Sandstrand. Faszinierend. Auf
dem Rückweg setzen wir uns am Ende der Lagune ins Gras und dicht neben uns wagt
sich ein paradiesblauer Vogel (angeblich ein Eisvogel) aus dem Urwald hervor, um an
einem kleinen Fluss, der in die Lagune mündet, Wasser zu tanken und um sich dem
Samstagsbad zu widmen. Wir stellen fest, dass wir uns soeben ca. 20 Minuten
unterhalten haben, ohne uns einmal dabei umzudrehen. Ein Gefühl, dass ich schon
lange nicht mehr hatte.
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