Walter Schludermann Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung (aus: Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Ingrid Paus-Haase, Claudia Lampert, Daniel Süss, Westdeutscher Verlag, 2002). Abstract Der Artikel von Walter Schludermann behandelt das Konzept der Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung und zentrales Feld der Medienpädagogik. Die zunehmende Mediatisierung der Gesellschaft birgt für die Medienpädagogik neue Chancen und Perspektiven, aber auch dementsprechende Risiken. Daraus folgend wird der Begriff der Medienkompetenz als Schlüsselbegriff der medienpädagogischen Sichtweise geprägt und als sein großes Ziel eben jene Medienmündigkeit beschrieben. Da eine Medienmündigkeit nicht nach strikt geordneten Punkten abläuft, sondern individuell und situationsbezogen ist, definiert der Autor einige grundlegende, jedoch individuelle und kontextabhängige Vorrausetzungen um diese Medienmündigkeit zu erreichen. Schlagwörter Massenmedien, Medienkompetenz, Kommunikative Kompetenz, Medienkritik, Medienmündigkeit, Massenkommunikation, Mediennutzung, soziales Handeln, Medienpädagogik, Neue Medien. Peter Sonnenberg, Matrikelnummer 0103471 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur. Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 I. Zusammenfassung und Analyse des Textes Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der zunehmenden Mediatisierung der Gesellschaft und der Etablierung des Begriffs der Medienpädagogik. Erst seit den 60er Jahren findet sie sich im pädagogischen Sprachgebrauch, ihren Ursprung hat sie jedoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Verbreitung des Films und in weiterer Folge dann mit dem Fernsehen. Die Medienpädagogik kommt immer dann ins Gespräch, wenn die Folgen einer neuen Medienentwicklung nicht absehbar sind. Und der Aufschwung der neuen Medien (Internet, Online-Dienste, etc,..) führt wieder zu einer medienpädagogischen Diskussion. Denn unbestritten sind die neuen Massenmedien die Hauptträger der öffentlichen Kommunikation mit all ihren Folgen und Konsequenzen für die politische, ökonomische und soziale Umwelt einer jeden Demokratie. Dabei wandeln sich die Massenmedien immer mehr zu einem wirtschaftlich orientierten Unternehmen denn einer Institution mit öffentlichen Aufgaben. Der explosionsartige Anstieg des Medienangebots ist das beste Indiz für diesen Trend. „Allein die Quantität der Rezeption, weißt die Medien als einflussreiche Sozialinstanzen auf“ (Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung von Walter Schludermann; Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Seite 50). Demnach ist der kompetente und professionelle Umgang mit der Dynamik der (neuen) Medien ein Hauptziel der Überlegungen der Medienpädagogik. Dabei ist der Begriff der Medienkompetenz das Schlüsselwort in diesem Zusammenhang. Den Begriff und die Theorie der kommunikativen Kompetenz von Dieter Baacke dient in gewandelter Form als Medienkompetenz als Leitidee der Medienpädagogik. Zwei Konzepte werden vorgestellt, diese Medienkompetenz auch inhaltlich erklärbar zu machen. Zum einen die Theorie von Bernd Schorb, für den der Begriff der Medienkompetenz in vier Kategorien eingeteilt ist, nämlich in „Orientierungs- und Strukturwissen, kritische Reflexivität, Handlungsfertigkeit und fertigkeit und soziale und kreative Interaktion“ (Schorb; Medien oder Kommunikation - wofür soll sich Kompetenz entfalten? In: Medien Impulse 9 (36), Seite 12-16). Baacke wiederum unterteilt die Medienkompetenz in folgende vier Kategorien: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Und durch die neuen Medien stößt die Medienkompetenz in Hinsicht auf ihre Akzeptanz und Relevanz auf keine Grenzen mehr, sie wird als eine „wesentliche Schlüsselkompetenz“ eingestuft. Doch gleichzeitig warnt Schludermann davor, dass die Medienkompetenz in Richtung einer zweckrationalen Zielvorstellung abdriftet, vor allem in Richtung ökonomischer Interessen, vor allem im Anpassen der Rahmenbedingungen für multimediale Marktbedingungen. Und wirft dabei das Beispiel ein, dass genau dies bereits einmal geschehen ist, nämlich bei der bildungstechnologischen Medienpädagogik. Das große Ziel der Medienpädagogik ist die Medienmündigkeit, ist doch die Mündigkeit allgemein eine weitere Zielsetzung Schlüsselbegriff der Pädagogik im Allgemeinen. Frei nach Immanuel Kants Definition von Un-Mündigkeit als „Unvermögen sich seines Verstandes ohne Leistung eines anderen zu bedienen“ (Historisches Wörterbuch der Philosophie 1984: Seite 227) wird eben das Gegenteil, die Mündigkeit, als keine zu beobachtende oder zu beschreibende Verhaltensweise oder Handlung beschrieben, sondern muss individuell und der jeweiligen Situation passend neu bestätigt werden. Und ähnlich wird auch die Medienmündigkeit beschrieben, dass mündiges Medienhandeln „im umfassenden Sinn in einem intrapersonalen Prozess der kognitiven und/oder emotionalen Auseinandersetzung mit den Massenmedien manifest wird“ (Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung von Walter Schludermann; Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Seite 53). Zudem wird darauf hingewiesen dass die Medienpädagogik in allererster Linie Pädagogik und nicht zuerst die Medien sondern die Bedeutung der Medien analysiert. Denn die Medienmündigkeit soll nicht nur dienen individuell mündig zu sein, sondern auch mündiges Mitglied einer (demokratischen) Gesellschaft zu sein. Trotz der Tatsache, dass es keinen Leitfaden zur Medienmündigkeit gibt, beschreibt Schludermann vier Punkte bzw. Methoden, die für ihn ausschlaggebend und eine Vorraussetzung sind für ein mündiges Medienhandeln. Zum einen, dass Massenkommunikation doppelt wirkt, nämlich sowohl reduzierend in Bezug auf direkte Kommunikation, als auch Erweiterung ebensolcher sein, wobei keiner der beiden Formen als besser anzusehen ist. Ein zweiter Punkt ist die Medienrezeption als subjektives Handeln, dass es ein zielgerichtetes Handeln ist. Und nicht zu unterschätzen der Einfluss von Emotionen in Bezug auf das Selektionsverfahren, dass Medienrezeption immer auch mit Wirkungen verbunden ist. Dritter und vielleicht wichtigster Punkt die subjektive Gestaltung der Produktion massenmedialer Inhalte. Denn diese sind niemals Objektiv, oder Abbilder der Wirklichkeit. „Eine Annäherung an Objektivität ist, so widersprüchig dies schein mag, nur subjektiv und individuell möglich“ (Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung von Walter Schludermann; Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Seite 55). Hier gilt die Forderung diese unvermeidliche Subjektivität zu akzeptieren und sie auch zur Kenntnis zur nehmen. Der letzte Punkt von Schludermanns Thesen zur Medienmündigkeit behandelt die Problematik, dass Medien letztendlich geprägt und abhängig von den jeweiligen ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen sind. Nämlich, „dass zwischen dem inhaltlichen und formalen Erscheinungsbild der Medien und ihren politischen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen eine sehr komplexe Interdependenzbeziehung besteht“ (Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung von Walter Schludermann; Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Seite 56). Schließlich wird noch behandelt die Aufgabe der Massenmedien als Forum für jeglichen demokratischen Diskurs. Zum einen als Kritiker und Kontrollorgan des Systems, sowie die Erkenntnis der Interdependenz von Medien und Politik zum Wohl der demokratischen Gesellschaft. Die Conclusio von Schludermann ist demnach, dass sich die Medienmündigkeit zuallererst individuell und durch subjektive Eindrücke konstituiert, aber nichts desto trotz elementarster Bestandteil einer jeden Gesellschaft ist. Oder anders mit seinen Worten ausgedrückt: „Die demokratische Weiterentwicklung der Gesellschaft im 21. Jahrhundert,.., ist ohne (medien)mündige Bürger nicht vorstellbar“ (Medienmündigkeit als gesellschaftliche Herausforderung von Walter Schludermann; Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Seite 57). Oder wie Christina Schachter meint, „dass die Gesellschaft nicht nur durch die Medien wesentlich beeinflusst, sondern in zunehmenden Ausmaß durch diese mitkonstruiert wird“ (Schachter; Lernziel Identität. Medienkompetenz als Identitätskompetenz. In: Medien Impulse 9 (36), Seite 25-53).. II. Auswertung und Besprechung des Textes Der zentrale Begriff des Textes ist die Medienkompetenz. Der Begriff der Medienkompetenz ist in aller Munde. Er wird als Argument, als Begründung und Notwendigkeit nicht mehr nur in der (Medien)Pädagogik verwendet. Er definiert sich dadurch, alle Arten von Medien verantwortungsvoll und aktiv zu nützen. Dazu gehört das Wissen wie das entsprechende Medium einzusetzen ist genauso wie die Fähigkeit, zu einer Situation das geeignete Medium auszuwählen, bzw. zu entscheiden ob und in welchem Maß ein Medium für einen Zweck geeignet ist. Deswegen ist die Medienkompetenz elementarer Bestandteil des Fachfelds der Medienpädagogik. Die Förderung medienkritischer Kompetenz ist in diesem Sinne für Menschen aller Altersgruppen und Sozialmilieus eine aktuelle pädagogische und gesellschaftliche Aufgabe, die einer breiten gesellschaftlichen Unterstützung bedarf. Zweites Schlüsselwort ist die Medienmündigkeit im Zeitalter der digitalen Revolution. „In unserem Verständnis von Medienmündigkeit waren zwei Aspekte ausschlaggebend: Selbstbestimmung und soziale Verantwortung. Entsprechend kann Medienmündigkeit eben nicht an einzelnen Verhaltensweisen, an Wissen oder spezifischen Fertigkeiten alleine abgelesen werden, sondern konkretisiert sich in spezifischen Lebenssituationen und ist damit auch kontextabhängig“ (Brigitte Hipfl; 1996, S. 33). Viele der Überlegungen im Text von Walter Schludermann wurden bereits in der Vorlesung von Dr. Bauer durchgegangen. So zum Beispiel die Beschreibung der Medienwirkung, sowie die Zielperspektiven der Medienpädagogik. Angefangen von den Wirkungsparadigmen, dem Beispiel des politischen Ansatzes der Medienmündigkeit. Der Fähigkeit zur Selbstaussage, zum reflektierten Mediengebrauch. Des weiteren auch die Konstruktionsparadigmen, wo dann auch das Keyword Kommunikative Kompetenz in den Vordergrund rückt. Einfach ausgedrückt meinem Gesprächspartner die Möglichkeit zu geben jene Aufmerksamkeitsbedingungen meinerseits zu geben, sodass er sich mir verständig machen kann. „Die Kommunikation als Vergemeinschaftung der Unterschiede“ (Thomas Bauer, VO Medienpädagogik am 17.11.2004). Ebenso wird im Text angesprochen die primäre Aufgabe der Medienpädagogik, welche ebenso in der Vorlesung durchgenommen wurde. Als Pädagogische Reflexion von Kommunikation zwischen Kultur, Gesellschaft und Kommunikation. Einziger Kritikpunkt meiner Seite ist dass Schludermann zu wenig auf die soziale Seite der Medienkompetenz eingeht. Denn Medienpädagogische Maßnahmen müssen den sozialen Wandel berücksichtigen. Die Veränderung traditioneller Familienstrukturen, steigende Lebenserwartung, Migrationsbewegungen und Individualisierung sind Prozesse, die einen wichtigen Einfluss auf die Medienkompetenz und dann auch in weiterer Folge auf die Medienmündigkeit nehmen. Demnach kann die Medienmündigkeit auch nur dann erreicht werden, wenn die sozialen Rahmenbedingungen stimmen. III. Bibliographie. Baacke Dieter (1973): Kommunikation und Kompetenz. München: Juventa. Baacke Dieter (1996): Medienkompetenz als Netzwerk. In: medien praktisch 20 (2): 4-10. Baacke Dieter (1997): Medienpädagogik. Tübingen: Niemeyer. Baacke Dieter (1999): Medienkompetenz": theoretisch erschließend und praktisch folgenreich. In: Medien und Erzeiehung, 43 (I), 7-12. Berg Klaus/Kiefer Marie-Luise (1996) (Hrsg.): Massenkommunikation V. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964-1995. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Bertelsmann Stiftung (1992) (Hrsg.): Medienkompetenz als Herausforderung an Schule und Bildung. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung. Blömke Siegrid (2000): Medienpädagogische Kompetenz. München: KoPäd Verlag. Boeckmann Klaus (1994): Thema: Medienmündigkeit (1). Annäherungsversuch an den Zielhorizont der Medienerziehung. 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