Bibelstunden 48. Woche 2004; 2. Petrusbrief Prophetie und Erfüllung Im Unterschied zu den vorher gelesenen Schriften des Paulus, fällt bei Petrus auf den ersten Blick die Einfachheit der Gedanken auf. Er selbst verweist in 2Petr 3,15+16 darauf, dass Paulus nicht immer leicht zu verstehen ist. Dennoch haben die Briefe des Petrus eine besondere Kraft: die Kraft des Apostels, der Augenzeuge und enger Vertrauter Jesu war. Für Petrus hängt der Glaube ganz stark am persönlichen Erleben Jesu. Besonders betont er hier (2Petr 1,16-18), wie Gott selbst Jesus in der Gegenwart von drei Jüngern beglaubigt hatte (Mt 17,1-6). Hier ist das Zeugnis des Augenzeugen Petrus wichtig für ihn selbst und für alle Gläubigen bis zu uns. Der Apostel Johannes wirft in seiner Verkündigung ebenso sein Augenzeugnis in die Waagschale (1Joh 1,1-4). Das Augen- und Ohrenzeugnis dieser Männer ist darum so wichtig, weil wir dieses schwarz auf weiß dokumentierte Zeugnis nach dem Tod der Zeugen immer wieder neben die prophetischen Verheißungen des AT legen können, die sich als erfüllt erweisen (2Petr 1,19). Darin wird deutlich, dass prophetisches Reden kein menschliches Wünschen ist, sondern ein Hervorsagen des göttlichen Plans aus göttlicher Offenbarung heraus (2Petr 1,20+21). Letztlich aber ist Petrus auch nur Zeuge des „Zeugnisses Gottes“ über Jesus. Nicht Petrus beglaubigt Jesus, er ist nur Zeuge der Beglaubigung. Das ist für alle Zeiten unaufgebbarer Bestandteil des Glaubens: Jesus ist nicht Herr, weil wir ihn nach unseren Maßstäben anerkennen, sondern weil der Vater ihn uns als Herrn gezeigt hat. Dieses Zeigen und Anerkennen muss bei jedem Menschen persönlich geschehen, es ist weder übertragbar, noch mit Überzeugungskraft herzustellen. Leben zwischen Anfang des Glaubens und Wiederkunft Christi Am besten verstehen wir den 2. Petrusbrief, wenn wir seine Konstruktion durchschauen. In der Regel sagen wir, dass sich unser irdisches Leben zwischen Geburt und Sterben abspielt. Petrus zeichnet hier eine andere Spanne auf. Es ist die Spanne zwischen dem Erkennen und Erleben Gottes, dem Beschenktsein von Gott am Anfang und der Wiederkunft Christi am Ende (2Petr 1,3+4 2Petr 3,13-15). Die Frage des Petrus lautet nun: Was wirst du tun und wie wirst du leben zwischen deiner Gotteserkenntnis und Berufung in Christus, dem Beschenktsein mit seiner Kraft zu Beginn und der Wiederkunft Jesu am Ende? Petrus weist ausdrücklich darauf hin, dass „Zum-Glauben-Kommen“ mehr beinhaltet, als ein plötzliches und überraschendes Fürwahrhalten aus göttlicher Offenbarung. Es ist immer auch verbunden mit dem Geschenk göttlicher Vollmacht. Darum soll auch alle falsch verstandene Bescheidenheit der Christen hier enden. Niemand geht leer aus. Jeder ist beschenkt, begabt, bevollmächtigt und berufen. Petrus geht soweit, dass er den Christen „Anteil an der göttlichen Natur“ zuspricht. Dies ist auch mehr als Trost in Anfechtung. Diese einzigartige Kraft will fließen und sich durch unser Leben ausdrücken. In 2Petr 1,5-7 zeigt Petrus in der sog. „Goldenen Kette“ auf, was die praktischen Auswirkungen dieser Kraft sind: Glaube Tugend Erkenntnis Mäßigkeit (nicht im Sinne von Mittelmäßigkeit, sondern von Mäßigung, Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung) Geduld Frömmigkeit (hier praktisch als Barmherzigkeit verstanden) Bruderliebe Liebe zu allen Menschen. Er leitet diese Kette ein mit den Worten: „So wendet alle Mühe daran und erweist in eurem Glauben...“ 1 In diesem „erweist“ schwingt die Bedeutung des „Darreichens“ mit. Es bedeutet soviel wie „Reicht den Menschen dar, was aus eurem Glauben wachsen will.“ Dieses verdeutlicht auch noch einmal 2Petr 1,8+9. Interessant ist hier besonders die genaue Übersetzung von Vers 9. Genau genommen steht hier „kurzsichtig sein und vergessen“. Das entspricht wieder der Spanne zwischen Gläubigwerden und Wiederkunft Christi. Wer diese Frucht nicht bringen will, hat seine Erlösung vergessen und sieht nicht, dass die Wiederkunft Christi ansteht. Er ist kurzsichtig und sieht nur das, was nahe ist und vor den Füßen liegt. Dies ist auch wichtig für das Leben in einer konkreten Gemeinde. Wir sind leicht versucht, uns zurückzuziehen, weil uns dieses oder jenes nicht gefällt oder weil wir in manchem unsicher sind. Dieses persönliche erleben der Gemeinde darf nicht zum Maßstab unseres Lebens werden. das ist immer kurzsichtig, fruchthindernd und übersieht den weiten Horizont, in den jede einzelnen Gemeinde und jeder Christ gestellt ist. Wir können nur beides gewinnen oder beides verlieren. Wer die Wiederkunft Christi aus den Augen verliert, der verliert auch den Blick Christi für seine Gemeinde vor Ort, wird faul, bequem und nörgelig. Wer den Blick für Wiederkunft Christi behält, sieht auch die kleine unvollkommene Gemeinde vor Ort in diesem glanzvollen Horizont. Für ihn lohnt es sich, hier und jetzt alle Mühe aufzuwenden (2Petr 1,10). Wichtig ist hier, zu beachten, dass der Tag Christi noch nicht da ist. In 2Petr 1,19 spricht Petrus vom „aufgehenden Morgenstern in euren Herzen“. Der Morgenstern kündet den Tag an, aber er scheint noch in der Dunkelheit. Dies ist auch ein Urteil über alle „Gemeindewanderer“, die nirgends zufrieden sind. Sie wünschen sich Gemeinde schon im Licht des vollen Tages. Der ist aber noch nicht da. So lange er noch nicht da ist, sind wir von Jesus berufen, Licht in der Dunkelheit zu sein (Mt 5,14-16) und nicht selbst Licht zu suchen. Diese Art des Christseins ist eigennützige Verschwendung der Gaben Gottes. Gemeinde in dunkler Zeit Zur Existenz der Gemeinde im Dunkel gehören auch die Anfechtungen der Gemeinde, wie sie Petrus in 2Petr 2 beschreibt. Irrlehre und Verführung dringen von Anfang an in die Gemeinde ein. Die Phänomene waren zu allen Zeiten und bis heute dieselben: - Leugnung, dass Jesus der Christus ist (1Joh 2,22) - Neue Gesetzlichkeit (Gal 5,1-10) - Ausschweifung als falsch verstandene Freiheit (Gal 5,13 / Offb 2,12-15) - Erkalten der Liebe (Mt 24,11-13) Petrus beschließt diese Mahnung mit 2Petr 3,17+18. In dieser Hinsicht ist übrigens auch die Gemeindezucht zu verstehen. In der Gemeindezucht geht es nicht um den unbarmherzigen Ausschluss gefallener Menschen; auch nicht um Richten oder Sichschadlos-halten. Es geht darum, dass die Duldung der Sünde zersetzende Gewohnheiten einbürgert, derer man sich irgendwann nicht mehr erwehren kann. LKG Verden, Gerd Voß, 23.11.2004 2