Karin Frei Sexueller Missbrauch – Schutz durch Aufklärung 3. überarb. Auflage, Ravensburg: Ravensburger Buchverlag, 1997. Was ist sexueller Missbrauch von Kindern? -sexueller Missbrauch eines Kindes ist dann gegeben, wenn ein Erwachsener bzw. Jugendlicher gezielt ein Kind für seine eigene sexuelle Erregung und/oder Befriedigung braucht und benutzt -der Erwachsene ist dem Kind gegenüber immer in einer Machtposition -das Kind ist jünger und unwissend -in den meisten Fällen hat es diesem Erwachsenen gegenüber Vertrauen und/oder ist direkt abhängig von ihm es ist daher nicht in der Lage, frei und wissend zu entscheiden -es gibt die verschiedensten Missbrauchshandlungen (nackt betrachten, befummeln, anfassen lassen, Fotos, Filme….) -sexueller Missbrauch eines Kindes ist in der Regel eine Wiederholungstat (meist über Jahre hinweg) -„kleinere“ Handlungen hinterlassen meist keine körperlichen Verletzungen sie lösen dennoch tiefe Störungen, Ängste und Vertrauensbrüche aus und richten insgesamt schweren seelischen Schaden an -Kinder haben zwar auch eine Sexualität – aber anders als bei Erwachsenen kindgemäß Der sexuelle Missbrauch und die Folgen -ein Erwachsener, der ein Kind für seine sexuelle Erregung oder Befriedigung benutzt, reizt es auf eine Art, die seiner Entwicklungsphase nicht entspricht und auf die es noch nicht vorbereitet ist -es werden Gefühle wie Angst, Ekel, Überreizung, Hilflosigkeit, Beschmutzung, Scham und Schuld ausgelöst, und das Kind erlebt einen Vertrauensbruch -es ist nicht in der Lage, diese Empfindungen zu verarbeiten Missbrauch unter Kindern -sexuelle Spielchen unter Kindern in der Regel handelt es sich dabei um normale und notwendige kindliche Entwicklungsprozesse -die Bedeutung eines sexuellen Missbrauchs erhalten diese Spiele erst dann, wenn auffällt, dass ein bestimmtes Kind andere immer wieder unter Gewaltanwendung, Drohung oder Überredung zu sexuellen Handlungen drängt, welche eindeutig aus der Erwachsenensexualität stammen -wenn ein Kind zu solchen Handlungen aktiv auffordert, dann ist das ein ziemlich eindeutiges Zeichen, dass es selbst durch einen Erwachsenen sexuell missbraucht wird und Hilfe braucht Wie oft kommt er vor und wer ist betroffen? -laut Bundesgesundheitsministerium werden jährliche tausende von Kindern in Deutschland Opfer sexueller Übergriffe -betroffen sind Kinder jeder Altersstufe (45% der Opfer noch keine 10 Jahre alt) -Männer richten ihre Gewalt zu 80-90% gegen Mädchen und zu 20% gegen Jungen 1 -Schätzungen gehen davon aus, dass jedes vierte Mädchen von sexueller Ausbeutung durch Erwachsene betroffen ist -sexuelle Ausbeutung von Kindern geschieht in allen Bevölkerungsschichten -wenn der Täter für das Kind ein Fremder ist oder wenn er den unteren Schichten angehört, gelangt der Missbrauch eher an die Öffentlichkeit Wo kommt er vor und wer sind die Täter? -Mädchen sind sexueller Gewalt vorwiegend innerhalb ihrer Familie und ihres familiären Umfeldes durch männliche Verwandte oder Bezugspersonen ausgesetzt -an erster Stelle rangieren Vaterfiguren wie leiblicher Vater, Stiefvater oder Freund der Mutter – es folgen Verwandte wie Großvater, Onkel, Bruder oder Cousin und im weiteren familiären Umfeld Babysitter, Erzieher, Lehrer usw. -manchmal werden Kinder von den Eltern sogar an Missbraucher „vermietet“ -Jungen weniger von Familienangehörigen – oft handelt es sich hier um einen Personenkreis, zu dem eine Art Autoritätsverhältnis besteht: Lehrer, Erzieher, Babysitter, Sportleiter, Gruppenführer. -Geschlecht des Täters: zwischen 93,2 und 99% männliche Täter, 1,0 und 6,8% weibliche Täter Erzählen Kinder die Wahrheit, wenn sie darüber berichten? -wenn Kinder über sexuelle Missbrauchshandlungen sprechen, lügen sie nicht, auch wenn ihre Bericht noch so unglaublich klingen -allerdings kommt es ab und zu vor, dass sie den Missbrauch zunächst einer anderen Person zuschieben und nicht dem konkreten Täter -es kommt auch vor, dass sie zunächst berichten, ihre Freundin oder ihr Freund seien das Opfer und nicht sie selbst – damit testen sie zunächst einmal die Reaktion ihres Zuhörers, ehe sie eventuell die vollständige Wahrheit herauslassen -nur wenigen Kindern gelingt es sich zu äußern – teilt sich dann ein Kind trotz aller Ängste mit, wird es keinesfalls den eigenen Vater, den Opa oder den großen Bruder dieser Tat zu Unrecht beschuldigen -sprechen meist nur von den harmlosen Sachen….die perversen Praktiken werden verheimlicht -Kinder zwar Fantasie, aber nicht so viel! Warum werden Kinder sexuell missbraucht? -die traditionelle Geschlechtsrollenverteilung bestimmt trotz aller Gleichberechtigungsbestrebungen auch heutzutage noch viele Bereiche unseres alltäglichen Lebens: männliche Vorherrschaft in vielen Familien, Berufen, Verbänden… die „männliche“ Rolle -Jungen, die im Sinne dieser Ideale erzogen werden, denen schon in früher Kindheit in Situationen der Schwäche die Liebe und Anerkennung ihrer Umwelt entzogen wird, können sich später kaum erlauben, Gefühle der Kränkung, Verletzung oder Schwäche zu zeigen -sie sind oft nicht mehr in der Lage, solche Gefühle bei sich wahrzunehmen, geschweige denn bei anderen -der traditionellen Rollenverteilung entsprechend, erfahren Männer in ihrer Persönlichkeitsentwicklung Anerkennung und Erfolgserlebnisse dann, wenn sie 2 fordernd und dominant auftreten und für ihre Zielvorstellungen kämpfen bzw. sie aggressiv durchsetzen -sie entwickeln Angst vor Gefühlen und verlernen Wünsche nach Trost, Zuwendung, Nähe, Zärtlichkeit und Schwachsein zu spüren -erwachsen geworden, kann der Mann sein Bedürfnis nach Nähe und weichen Gefühlen nicht mehr unterscheiden von dem nach Sexualität -wenn er dann das Vertrauen eines Kindes missbraucht und dieses durch sexuelle Ausbeutung und durch Drohungen hilflos, abhängig und ausgeliefert hält, erfährt er Befriedigung bezüglich Macht und auf sexueller Ebene Die „weibliche“ Rolle -Mädchen hingegen erhalten im Erziehungsprozess traditionell eher dann Anerkennung, wenn sie sich um andere kümmern, sich einfühlen, nachgiebig und anschmiegsam sind, sich aufopferungsbereit zeigen, Konflikte vermeiden und sich für Harmonie verantwortlich fühlen -bei mehreren sexuellen Kontakten schnell als „Hure“ abgestempelt Rahmenbedingungen für den Missbrauch -die Verbindung dieser beiden Rollenerwartungen, d.h. einfühlsame, nachgiebige, fürsorgliche und passive Weiblichkeit einerseits und durchsetzungsfähige, harte und rücksichtslose Männlichkeit andererseits, gekennzeichnet durch aggressive, einfühlungslose Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und damit verbundener Unterdrückung von zarten und sensiblen Empfindungen, stellt positive Rahmenbedingungen für die Männer, welche Kinder – insbesondere weibliche – sexuell benutzen und ausbeuten -die meisten Missbraucher haben keine Vorstellung von dem Leid, der Angst und der Zerstörung, die sie bei dem Opfer anrichten -sie wissen genau, dass das, was sie tun, verboten ist; aber sie sehen das nicht ein („Es hat ihr ja auch Spaß gemacht…“) -je enger die zwischenmenschliche Verbindung von betroffenem Kind und Täter ist, desto länger andauernd und schädigender ist meist die sexuelle Ausbeutung -bei den Tätern handelt es sich zum überwiegenden Teil um unauffällige Männer, denen Kinder und Erwachsene vertrauen Machtmissbrauch der Täter -was den männlichen Täterkreis angeht, besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sexueller Missbrauch von Kindern und Frauen vorrangig eine Machtausübung ist, de durch Sexualität ausgedrückt wird -der Erfahrung nach suchen Männer die sexuelle Betätigung mit Kindern nicht als Ersatz für ein fehlendes Sexualleben mit einer erwachsenen Frau -nicht wenige Täter unterhalten durchaus sexuelle Beziehungen zu erwachsenen Frauen, während sie das Kind zur selben Zeit missbrauchen -in der Erwachsenensexualität finden sich normalerweise zwei gleichwertige Partner, die mehr oder weniger aufeinander eingehen müssen, damit beide befriedigt werden -beim sexuellen Missbrauch eines Kindes sieht das völlig anders aus: der Täter hat Macht über das vertrauensvolle und gefügige Kind und kann es völlig bestimmen -er kann es unter Druck setzen, er kann es in Angst und Abhängigkeit halten, und er kann ihm oft ungestraft Schmerzen zufügen 3 -er braucht keine Wünsche, Ansprüche oder Forderungen – wie bei einer erwachsenen Partnerin – zu befürchten und auch keine Versagensängste zu haben Stellung des Kindes und der Frau in der Gesellschaft -das Kind hat kaum Rechte und wird als Eigentum seiner Eltern betrachtet -Bibel Frau: Besitz des Mannes, muss ihm sexuell zur Verfügung stehen und hat ihre eheliche Pflichten zu erfüllen -bis vor kurzem noch lag für einen Mann gesetzlich kein Straftatbestand vor, wenn er seine Ehefrau vergewaltigte -die Frau in der Werbung oft wenig bekleidet und in sexuell aufreizender Pose dargestellt -die Frau suggeriert dem Betrachter Bereitschaft und Benutzbarkeit, vermittelt ihm aber auch den Eindruck von Offenheit, Schutzlosigkeit und Verletzbarkeit Selbsterlebte Gewalt des Täters in seiner eigenen Kindheit -Männer, die Kinder sexuell ausbeuten, sind zum Teil selbst in gewalttätigen Familien aufgewachsen -einige wurden als Kinder sexuell missbraucht oder mussten sexuelle Übergriffe miterleben -dies kann dazu führen, dass sie von frühauf lernen, dass man sich sexuelle Befriedigung jederzeit bei einer Frau oder einem Kind mit Gewalt holen kann -für einen solchen Täter gibt es aus psychologischer Sicht verschiedene Erklärungsansätze, die sein Handeln verständlich machen: 1. er hat als missbrauchtes Kind seine Angst, den Schmerz, die Hilflosigkeit, die Demütigung und die mörderische Wut abgespalten, um überleben zu können. Sein Hass, auch wenn dieser für ihn nicht mehr spürbar ist, treibt ihn als Erwachsener dazu, Kindern dasselbe anzutun, was ihm angetan wurde. Er identifiziert sich mit dem Aggressor , und aus der abgespalteten Ohnmacht wird Macht 2. eine unbewusste Triebdynamik lässt den Täter die verdrängte eigene Leidensgeschichte wiederholen, damit sie dadurch endlich an das Licht des Bewusstseins dringen und verarbeitet werden kann Geschützter Handlungsspielraum von Tätern in einer männlich dominierten Gesellschaft -die sexuelle Ausbeutung von Kindern innerhalb ihrer Familie dringt meist nicht an die Öffentlichkeit -sie wird verschleiert und tabuisiert, während die sexuelle Gewalt gegen Kinder durch einen Fremden oft hoch dramatisiert veröffentlicht wird Vorwürfe gegenüber den Opfern -wagt es ein Mädchen, über die sexuellen Gewalterlebnisse zu sprechen, muss sie mit massiven Schuldzuweisungen rechnen -auch die Mutter bleibt meist nicht verschont von Vorwürfen und Anschuldigungen -der eigentliche Täter und Verursacher wird zu einer Randfigur, für den häufig mehr Verständnis aufgebracht wird als für Mutter und Tochter -diese männlich dominierten gesellschaftlichen Strukturen bieten Tätern, die in ihrer Familie Kinder sexuell ausbeuten, einen gut geschützten Handlungsspielraum 4 Wie ist es möglich, dass oft lange Zeit niemand etwas bemerkt? Was geht im inneren eines Kindes dabei vor? -Babys und Kleinstkinder können nicht erzählen! -sie senden aber oft Notsignale aus Kinder sind abhängig von Erwachsenen und trauen ihnen keine bösen Absichten zu -das wird dann oft bewusst vom Täter ausgenutzt Mädchen sind mit ihrer Liebe und ihrem Vertrauen zum Vater besonders ausnutzbar -wenn sie noch klein sind, können sie das Missbrauchsgeschehen weder als solches einordnen noch benennen -ihnen fehlen die dazu notwendigen Informationen über männliche Sexualität, über ihren eigenen Körper, und sie haben keine Sprache für das, was der Vater/Stiefvater mit ihnen macht -Im Vertrauen auf die väterliche Liebe und Fürsorge sind Töchter ausnutzbar und manipulierbar – sie glauben, wenn er ihnen erzählt, er mache das aus Liebe -sie erleben sexuellen Missbrauch als eine besondere Art von väterlichen Zuwendung und väterlichem Interesse Misstrauen als Folge des schweren Vertrauensbruchs -Täter löst Misstrauen in allen Menschen aus – es fällt dem Kind schwer sich jemandem anzuvertrauen Manchmal fühlen sich die Berührungen für das Kind zuerst angenehm an -Gefühle verändern sich vielleicht – später Ekel -der Täter kann das Kind unter Druck setzen, dass es anfangs ohne Gegenwehr mitgemacht hat Ein unaufgeklärtes Kind weiß nicht, worum es geht -kann vom Täter überrumpelt werden -ahnt nur Unanständiges, hat aber keinen Ansprechpartner Ein Kind lernt meist früh, gehorsam zu sein -Tugenden in autoritären Elternhäusern, eigene Gefühle wegstecken -sie fügen sich, auch gegen ihre eigene Stimme Mädchen und Jungen werden häufig daran gehindert, ihrem eigenen Gefühl zu trauen -„Das tut doch nicht weh!“ – Reaktion der Eltern, wenn sie meinen das Kind übertreibt -bestimmte Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Scham, Schmerz oder Wut wurden bei Kindern oft nicht gerne gesehen und mit negativen Bemerkungen versehen Kinder lieben und achten ihre Familienangehörigen, und insbesondere Mädchen übernehmen die Verantwort für alle -denken nicht, dass ein Familienangehöriger ihnen etwas Böses antun würde Ein Kind schweigt aus Angst -hat große Angst, Geheimnis zu verraten, weil der Täter mit Gewalt und schlimmsten Strafen droht Mädchen und Jungen versuchen sich zu wehren, aber es hilft nichts -ein Kind versucht, sich auf seine Art zur Wehr zu setzen z.B.: es verschließt den Mund, wenn es küssen soll schiebt den Täter weg es weint es zieht mehrere Kleidungsstücke an es wickelt sich nachts in mehrere Decken ein 5 es versucht nachts wach zu bleiben oder bei der Mutter zu schlafen etc. Ein Mädchen fühlt sich schuldig und schämt sich -begreift nicht, warum ihr das angetan wird; Vertrauen wird missbraucht, fühlt sich ausgebeutet, benutzt und beschmutzt, ekelt und schämt sich -viele schämen sich besonders dann, wenn sie die Berührungen anfangs geduldet haben Ein Mädchen fühlt sich gedemütigt und unanständig und befürchtet, verstoßen zu werden -es schweigt vor Angst, bestraft oder verstoßen zu werden Ein missbrauchtes Kind befürchtet, dass ihm niemand glauben wird -Täter bestärkt gezielt diese Angst Kinder stürzen in schwere Gefühlsverwirrung -vom Täter abhängig, widersprüchliche Gefühle; von Hass und Liebe hin und her gerissen Ein Mädchen spaltet Seele und Gefühle vom Körper ab -„steigen“ seelisch aus ihrem Körper während des Missbrauchs aus -schweben an der Decke oder im Schrank und überlassen dem Täter die lose Hülle ihres Körpers -unterdrücken das Erlebte so, dass sie sich teilweise gar nicht mehr daran erinnern können Missbrauchte Jungen haben Angst vor Homosexualität Ein Kind in dieser Lage sendet verschlüsselte Notsignale, die meist nicht als solche erkannt werden -weisen unterschiedliche Symptome seelischer und körperlicher Art auf Erwachsene halten den Missbrauch am Kind für unmöglich und gehen ihrem Verdacht nicht nach -manchmal ahnen Erwachsene etwas, trauen jedoch nicht ihren eigenen verdachtauslösenden Wahrnehmungen -Zweifel entstehen aus dem gleichen Grund, aus dem den Andeutungen der Kinder nicht geglaubt wird -man traut den Personen es nicht zu, man vermeidet bewusst einzelne Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenzusetzen Unsensibles Vorgehen verhindert die Beendigung des Missbrauchs -man geht aufgrund verständlicher Erregung unsensibel mit den darauf folgenden Maßnahmen und den in Gang gebrachten Konsequenzen um, indem man z.B. das Kind zur Aussage zwingt, unter Druck setzt etc. -das Kind erlebt erneut Schock, Gewalt, Verzweifelung und Not -bestreitet eigene Geschichte – unter diesen Umständen wird vom Täter der Missbrauch häufig mit noch größerer Gewalt fortgesetzt 6 Zur Dynamik zwischen Täter und Opfer beim sexuellen Missbrauch von Mädchen Aktives Handeln auf der Seite des Täters Schädigende Folgen auf der Seite des Opfers (einige gelten auch für Jungen) Der Missbraucher Nutzt seine Machtposition voll aus, setzt sich durch, häufig mit Drohungen oder Gewalt Übt einen Vertrauensbruch aus Hat die Kontrolle über das Kind Handelt verantwortungslos, stiehlt sich aus der Verantwortung Fühlt sich im Recht Handelt schamlos Hat keine oder wenig Angst (entdeckt zu werden, das Kind zu schädigen usw.) Kehrt aktiv alle Tatsachen um, macht die Wahrheit zur Lüge und umgekehrt, z.B. „Du magst das doch auch“, „Du bist schuld daran“, „Du brauchst keine Angst zu haben, es ist normal, alle Väter machen das mit ihren Töchtern“ usw. Verpflichtet zur Geheimhaltung (oft mit schlimmen Drohungen) Das Mädchen Fühlt sich hilflos, ausgeliefert, ohnmächtig und wird zum Opfer Erlebt Vertrauensverlust, fühlt Enttäuschung und Misstrauen Erlebt Kontrollverlust Fühlt sich verantwortlich, übernimmt und trägt die Verantwortung, z.B. für das Zusammenbleiben der Familie, für den Schutz des Täters, für die Machtbedürfnisse und die sexuelle Befriedigung des Täters, und übergeht vollkommen die eigenen Bedürfnisse, indem es schweigt Fühlt sich schuldig Schämt sich zutiefst Hat häufig große Angst Erlebt den Verlust de eigenen Wahrnehmung; wird völlig durcheinander gebracht; übernimmt die Sicht des Täters; bestraft sich häufig selbst; weiß nicht mehr, was gut und böse ist; klammert sich an den Glauben, dass es sich alles nur einbildet, dass es nicht wahr ist Erlebt Geheimhaltungsdruck und Loyalitätskonflikte Welche Signale können auf sexuellen Missbrauch hinweisen? -jedes betroffene Kind sendet Signale und Botschaften aus, die sich von Fall zu Fall unterscheiden, je nachdem in welcher konkreten Lage sich das Kind befindet, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, auf welche Weise es missbraucht wird, in welcher Beziehung es zum Täter steht, wie sein Alter und Entwicklungsstand sind Symptome auf körperlicher und psychosomatischer Ebene Genital-, Anal-, Mund- und/oder Halsbereich - Rötung, Wundsein, Entzündungen, Blutung - Ausfluss, Pilzkrankheiten, Geschlechtskrankheiten - Wundmale, Bissspuren und blaue Flecken an Bauch, Brust, Po und Schenkeln 7 - häufiges Klagen über Bauchschmerzen und auffallend häufiges Fehlen deswegen im Kindergarten/in der Schule Schmerzen beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang häufiges Reiben, Kratzen, Jucken der Geschlechtsteile oder des Anus häufiges, kaum ablenkbares intensives Onanieren, manchmal einhergehend mit Schwitzen, Zittern sowie Verkrampfungen Probleme mit der Bekleidung im Genitalbereich Einnässen und/oder –koten, oft nach beendeter Sauberkeitserziehung Verstopfung, Durchfall Schwangerschaft häufige Halsentzündungen, Husten, Würgen, Heiserkeit, Speichel ausspucken (entwickelt durch das Schweigenmüssen oder den erzwungenen Oralverkehr; daher auch Essprobleme) Essprobleme - Schluckbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Magenschmerzen, „Kloß im Hals“, krampfartige Schmerzen - Magersucht (bei Mädchen: weigern sich unbewusst, erwachsen zu werden; die Frauenrolle als ausbeutbares Objekt durch Männer wird zutiefst abgelehnt) - Fress- und Fettsucht (Schutzwall, Angst symbolisch durch Nahrung herunter geschluckt) - Bulimie Weitere psychosomatische Probleme und Störungen - keine altersgemäße Entwicklung (Größe, Gewicht) - häufig krank, blass, zart, matt, müde, erschöpft - Asthma, Erstickungsgefühle - Hautekzeme, Kopfschmerzen, Ohnmachtsanfälle und Gleichgewichtsstörungen (möchte nichts mehr wahrnehmen) Symptome im Leistungsbereich - Nachlassen der Fähigkeiten, wie Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Ausdauer - stabile Schulleistungen sacken ab - lernt fanatisch für die Schule - ein eher sportliches Kind weicht dem Sportunterricht aus - Mädchen nicht in der Lage sich beim Turnen auf den Rücken zu legen, weicht Übungen auf dem Rücken aus Wahrnehmungsprobleme - Konzentrationsstörungen, mangelnde Auffassungsfähigkeit, auffällige Vergesslichkeit - abschalten, wegtreten, durch Personen hindurchschauen, Tagträume - mangelndes Erfassen von Zusammenhängen, Störungen von logischem Denkvermögen, Unsicherheit im Erfassen von Gut und Böse -durch Lügen etc. wird ein Kind in ein verrückt machendes Denkmuster vom Täter gezwängt (daher resultieren auch Probleme im Bereich taktiler Wahrnehmung (Tastsinn) sowie im Bereich der Körperkoordination; Teilleistungsstörungen) 8 Symptome im seelischen und sozialen Bereich Überempfindlichkeit und Anhänglichkeit - geringe Frustrationstoleranz - klammert sich an Bezugspersonen, entwickelt Angst vorm Alleinsein Ängste - Angst vor Berührungen, Trennungsängste, Angst zu ersticken bzw. zu sterben - vor Dunkelheit, Einschlafen, Alpträume - diffuse, unerklärliche Ängste - Misstrauen, Angst vor Männern oder bestimmten Personen, vor Wohnungen oder Gegenden, vor bestimmter Kleidung, auf die Toilette zu gehe - Phobien (panische Ängste vor bestimmten Gegenständen, wie z.B. größer werdende Dinge oder Schaum, als Erinnerung an den Samenerguss) - fotografiert zu werden Rückschritte oder Verzögerung in der Entwicklung - Mutismus - Babysprache zurück fallen, stottern - Daumenlutschen, erneutes Verlangen nach Schnuller, Flasche, Kuscheltieren - wirkt interesselos, unruhig, mag nicht mehr spielen - kommt nicht in die Pubertät Zwänge - Reinlichkeits- und Ordnungsrituale (vorm Ekel reinigen) Vernachlässigung seiner selbst - wäscht und pflegt sich nicht mehr (wenn sich niemand um es sorgt, will es sich auch nicht mehr selbst sorgen) Einzelgängertum - zieht sich zurück, vermeidet gemeinsame Unternehmungen und isoliert sich selbst - Freundschaften bedrohlich, weil man Angst davor hat das Geheimnis auszuplaudern - zusätzlich sorgen Täter häufig gezielt für die Isolation Selbstzerstörung und Depression - schlägt Kopf gegen die Wand, kaut Fingernägel, beißt sich, kratzt sich blutig, reißt sich Haare aus etc. - ist ständig in Unfälle verwickelt - bezeichnet sich selbst als böse, schlecht, schmutzig, gemein; entwickelt Selbsthass - zeigt keine Gefühle mehr, kein Lachen, kein Weinen - zeigt auffallendes Interesse am Tod und Sterben - Suchtverhalten Aggressionen und antisoziales Verhalten - entwickelt eine scheinbare Hinterhältigkeit und Falschheit - fängt an auffällig zu lügen oder zu stehlen - greift andere Kinder an, verletzt oder missbraucht sie 9 Abspaltung von Gefühlen, Persönlichkeitsspaltung und Wahnideen - Überlebenstechnik (psychotische Verschiebung) Auffälliges sexualisiertes Verhalten - häufig auffälliges öffentliches Herzeigen der eigenen Geschlechtsteile - extrem häufiges und intensives Masturbieren - Ausdruck von auffälligen, manchmal aggressiven, nicht altersgemäßen sexuellen Handlungen im Spiel und in Erzählungen - offenes, direktes Hingreifen an die Geschlechtsteile von Tieren - sexuell aufreizende Posen, obszöne Sexualbegriffe - Straßenstrich -die Entwicklung der kindlichen Sexualität ist massiv unterbrochen und überstimuliert worden Symbolischer Ausdruck des Missbrauchsgeschehens und verbale Andeutungen - Auffälliges Angezogenwerden von Schmutz, Matsch und Kleister (symbolischer Verarbeitungsversuch für den Kontakt mit Sperma) - symbolische Entzündung (trotz ärztlicher Behandlung keine Verbesserung von Entzündungen, z.B. am Finger) - es wiederholt immer wieder Fragen zu sexuellen Themen, spricht davon, dass es Geheimnisse und Sorgen hat - spielt Missbrauchhandlungen mit Puppen o. ä. nach - erzählt von Geistern, die das Bett nass machen, Bettzeug wegnehmen etc. Malen und Zeichnen von angsterregenden Szenen - Kinder drücken Gefühle im Spiel und in Zeichnungen aus - dabei wird die erfahrene sexuelle Gewalt oft symbolisch ausgedrückt (Gestalten, Tiere, Monster, Tränen, Blut, Feuer) – manchmal werden Zeichnungen übermalt und unerkenntlich gemacht -ein einzelnes, wenn auch scheinbar noch so aussagekräftiges Bild sollte jedoch niemals alleine als Beweis für einen möglichen Beweis verwendet werden -auffallende Kinderbilder können verschiedene Beweggründe haben Weitere Zeichen, die hellhörig machen sollten und auf sexuellen Missbrauch hinweisen können - Mädchen bekommt von einer männlichen Bezugsperson häufig Geschenke - männliche Bezugsperson holt das Mädchen ab und verhält sich so, als sei es die Geliebte oder sein Besitz - Kind wird durch die Eltern massiv von anderen ferngehalten und isoliert - Kind verfügt plötzlich über Geldquellen - erzählt unglaubliche Geschichten von blauen Flecken und Verletzungen - Erwachsener schließt sich häufig zusammen mit dem Kind ein Die Folgen für die Opfer -die meisten genannten Hinweiszeichen, Hilferufe und Symptome sind häufig auch identisch mit den längerfristigen Folgen nach einem Missbrauch -sexueller Missbrauch verletzt die Persönlichkeitsentwicklung der missbrauchten Mädchen und Jungen zutiefst und hinterlässt tiefe Spuren und Narben 10 -wenn sexuell missbrauchte Mädchen keine Hilfe erhalten, bleiben sie meist ihr Leben lang in der Opferrolle haften und geraten als Erwachsene an Partner, von denen sie wieder missbraucht und vergewaltigt werden Wieso kann eine Mutter den Missbrauch ihres Kindes übersehen? -nicht die Mutter und nicht das Mädchen sind schuldig, auch wenn die familiären Verstrickungen diese Auslegung gelegentlich nahe legt -allein der Missbraucher trägt die Schuld und Verantwortung an der Ausbeutung des Kindes -oft machen sich Mütter Vorwürfe – alle Versuche an das Kind heranzukommen vergebens -Kind vertraut sich oft nicht der Mutter an, da es vom Täter durch Drohungen zum Stillschweigen gebracht wurde – ganz oft ist die Liebe zur Mutter und die Angst vor Enttäuschungen das Machtmittel des Täters – Vertrauensbruch zwischen Kind und Mutter -betroffene Mütter finden oft trotz jahrelanger Suche keinen verständnisvollen Gesprächspartner, um ihre Not und Verzweifelung angemessen zu verarbeiten Welche Maßnahmen tragen zur Vorsorge bei? -bei Fragen von Kindern oft nur verschleierte Antworten, Kinder will man durch Verbote schützen -man geht von der Vorstellung aus, dass es sich um fremde und abartig veranlagte Täter handelt -Vorsorgen, die darauf aufbauen (nicht alleine zum Spielplatz gehen etc.) bringen nichts -tatsächlich findet sexueller Missbrauch jedoch in der Regel als Wiederholungstat im familiären und sozialen Nahbereich des Kindes statt -es geht in Schutzprogrammen vielmehr darum: dem Kind das Recht auf Selbstbestimmung über seinen eigenen Körper einzuräumen; ihm Hintergrundwissen zu vermitteln über Liebe und Sexualität; ihm das Recht auf seine eigene Gefühlswahrnehmung zu gestatten, auch wenn sie von der Sichtweise des Erwachsenen abweicht; seine Beweglichkeit, seine Freiheit und Möglichkeiten zur Selbständigkeit zu stärken und zu erweitern; ihm zu vermitteln und zu bestätigen, dass es angenehme und unangenehme Berührungen gibt; die Stärke, Unabhängigkeit und das Selbstbewusstsein des Kindes zu fördern, so dass es seine Grenzen klar und deutlich spürt und sie verteidigen kann; sein Recht auf Abgrenzung und „Neinsagen“ immer wieder zu bestätigen; ihm zu vermitteln, dass es sich Hilfe holen darf und soll, wenn es allein zu schwach ist; ihm zu bestätigen, dass es nicht die Schuld an Missbrauchsvorkommnissen hat; ihm klar zu machen, dass es Angst machende Geheimnisse jederzeit aussprechen darf; ihm immer wieder zu erläutern, dass es nur Hilfe erhalten kann, wenn es redet und nicht im Schweigen verharrt; 11 den Entwicklungsprozess des Kindes, insbesondere von Jungen, so zu fördern, so dass es selbst auch lernt, die Grenzen der anderen Kindern zu respektieren und einzuhalten Warum sollten Kinder über Liebe und Sexualität aufgeklärt werden? -Vorsorge nur möglich im Rahmen einer fundierten Sexualaufklärung -in einer Familie, in der man nicht über Sexualität spricht, erzählt das Kind auch nichts von eventuellen sexuellen Übergriffen -darüber hinaus bildet Offenheit beim Thema Sexualität die Grundlage für einen freien, lustvollen Umgang des Kindes mit seinem Körper, seinen Geschlechtsorganen und seiner Sexualität Hindernisse bei der Sexualaufklärung von Kindern -Erwachsenen tun sich bei der Sexualerziehung häufig schwer -die wichtigsten Gründe dafür sind: die eigene Scham, Peinlichkeitsgefühle und Unsicherheit beim Thema Sexualität fehlende oder unvollständige Aufklärung in der Kindheit der Einfluss von Ratgebern, die meinen, Kinder sollten erst dann aufgeklärt werden, wenn sie danach fragen die Unsicherheit über den richtigen Zeitpunkt und die richtige Altersphase die Unwissenheit darüber, welche Folgen fehlendes Wissen bei Kindern haben kann Mögliche Folgen fehlender Sexualaufklärung und Vorsorgeerziehung -unaufgeklärte Kinder erhalten ein unvollständiges Bild von der Entstehung menschlichen Lebens; sind im Gegensatz zu anderen Kindern unwissend und spüren das auch -in einer Familie, in der Gespräche über Liebe, Zeugung und Sexualität ausgespart werden, können sich bestimmte Beziehungsqualitäten und –bereiche nicht voll entfalten (Ehrlichkeit, Vertrauen etc.) -unaufgeklärte Kinder machen häufig durch ihren unbefriedigten Wissensdurst zu sexuellen Fragen negativ auf sich aufmerksam -ein unaufgeklärtes Kind kann von einem Kindesmissbrauch viel leichter überrumpelt werden als ein aufgeklärtes -Tabus hinterlassen für Kinder den Eindruck, dass Sexualität unanständig ist Hilfen zur Sexualaufklärung -korrekte Bezeichnung der Geschlechtsorgane -Wissensvermittlung und Vermittlung von Gefühlen Konkrete Hilfen zur Vorbeugung und zum Schutz von Kindern -sechs Themenbereiche nach der Bielefelder Psychologin Elisabeth Fey, die im Alltag ständig beachtet werden sollten: 1. Mein Körper gehört mir! 2. Ich kann mich auf meine Gefühle verlassen. 3. Es gibt gute, schlechte und merkwürdige Berührungen. 4. Ich darf „nein“ sagen. 5. Es gibt gute und schlechte Geheimnisse. 12 6. Ich darf Hilfe holen und darüber sprechen, auch wenn es mir ausdrücklich verboten wurde. Was ist zu tun bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch? -Mosaiksteinchen zum Ganzen zusammensetzen -Fachleute/Psychologen hinzuziehen Was ist zu tun, wenn ein Kind über den Missbrauch spricht? 1. Glauben sie dem Kind 2. Nehmen sie sich unbedingt Zeit 3. Bleiben sie möglichst ruhig 4. Versichern sie dem Kind, dass es richtig war, über den Missbrauch zu reden 5. Lassen sie die Gefühle des Kindes zu 6. Versichern sie dem Kind, dass sie wissen, dass es an dem Vorgefallenen keine Schuld trägt 7. Setzen sie das Kind nicht zu sehr mit drängenden Fragen unter Druck 8. Lassen sie die Gefühle zu, die es gegenüber dem Missbraucher empfindet 9. Setzen sie sich nicht unter Druck, sofort und im Moment die Lage des Kindes verändern zu müssen 10. Machen sie dem Kind keine Versprechungen, die sie hinterher nicht einhalten können 11. Vermitteln sie dem Kind deutlich ihr Wissen um dessen passive Rolle beim Missbrauch 12. Erarbeiten sie vorsichtig mit dem Kind die Bereitschaft, eine andere Hilfsperson hinzuziehen zu dürfen 13. Holen sie sich intensive fachliche Unterstützung und bleiben sie mit dem nun auf sie zukommenden Problemen nicht allein 13