TOTE, DEREN HERZEN SCHLAGEN Ein kritischer Blick auf die Organtransplantation In der modernen Schulmedizin gehören Organtransplantationen zum chirurgischen Alltag. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen dabei meist die zunehmenden Operationserfolge auf diesem Gebiet. Gleichzeitig sind verantwortungsvolle Ärzte aber hautnah mit vielen bangen Fragen konfrontiert, die derartige Extremeingriffe aufwerfen: Darf man, wie dies im Regelfall geschieht, einen Menschen "ausräumen ", dessen Herz noch selbsttätig schlägt, dessen Arme und Beine sich bewegen? Der vielleicht noch reflexartig die Krankenschwester umarmt, wenn diese sich über ihn beugt? Dem man deshalb für die Zeit von der Organentnahme his zum endgültigen Tod Betäubungs- und Beruhigungsmittel spritzen muß? Prof. Dr. Dieter MALCHOW wirft einen kritischen Blick auf die gängige Transplantationsmedizin. Jeder, der in seinem Leben schon ein Transplantat, also das Organ eines anderen Menschen erhalten hat, wird froh und dankbar darüber sein, und das ist gut so. Der vom ethischen Standpunkt aus zu erörternde Punkt, ob Organtransplantationen für die Entwicklung der Menschheit von Nutzen sind, ist damit aber noch nicht berührt. Denn zu viele Fragen bleiben im Zusammenhang mit der Transplantationschirurgie offen oder werden erst gar nicht gestellt. Zum Beispiel: Wann ist ein Mensch wirklich tot? Gerade diese Frage ist aus medizinischer Sicht nicht endgültig beantwortet. Organtransplantationen - ja oder nein? Wonach sollen wir uns richten? Gibt es eine allgemein anerkannte moralische Instanz zur Beantwortung dieser Frage? Niemand wird bestreiten, daß wir uns in unserer Gesellschaft dem Gedanken größtmöglicher individueller Freiheit verbunden fühlen. Da wir aber im selben Atemzug auch "Gleichheit für alle" anstreben, ist unserer Freiheit eine natürliche Grenze gesetzt: Das Recht, das jeder für sich in Anspruch nimmt, muß auch für den anderen gelten. Die persönliche Freiheit des einzelnen ist dann am größten, wenn einer den anderen fördert. Den Sinn einer solchen wechselseitigen Förderung lehrt uns die Natur, wo jedes Glied in der Kette der Organismen für ein anderes von Nutzen ist und gleichzeitig dem Ganzen dient. Man darf also die ebenso einfache wie grundlegende Frage stellen, ob wir einander durch Organtransplantationen tatsächlich fördern, wie es vordergründig ob der vielzitierten Erfolge auf diesem Gebiet den Anschein hat. Vorerst sollte eine medizinische Tatsache zu denken geben: Ein fremdes Organtransplantat wird in der Regel vom Körper des Empfängers wieder abgestoßen, weil alle Organe individuelle Erkennungsmerkmale, sogenannte "Transplantationsantigene" tragen, die bei jedem Menschen verschieden und nur bei eineügen Zwillingen völlig identisch sind. Obwohl natürlich versucht wird, hierbei möglichst große Übereinstimmung zu erzielen, muß die sogenannte "Immunantwort" des Empfängers unbedingt unterdrückt werden, damit das gespendete Organ erhalten bleiben kann. Ein heikler Balanceakt wird dadurch erforderlich: Einerseits sollten die Medikamente zur "Immunsuppression" nicht zu schwere toxische Nebenwirkungen auslösen, andererseits aber muß die Abstoßung oder Zerstörung des Transplantats doch verhindert werden. Es ist bei Organtransplantationen durchaus üblich, daß der geschwächte Körper des EmpfängerPatienten besonders anfällig gegen Krankheiten ist, selbst gegen solche, mit denen die körpereigene Abwehr im Normalfall leicht fertig würde. Ein besonders labiler Gesundheitszustand ist die Folge, den man durch zusätzliche Arzneimittel, etwa Antibiotika, zu schützen versucht. Ein enormer Aufwand also, der eigentlich unweigerlich die Frage aufwirft, ob es nicht grundsätzlich klüger wäre, jene erheblichen Barrieren zu respektieren, die die Natur der Transplantation fremder Gewebe entgegensetzt. Es wäre doch anzunehmen, daß diese Barrieren - wie alles in der Natur - einen Sinn haben. Nicht umsonst ist a etwa auch bei der sexuellen Fort) pflanzung die Vermischung einer Tierart mit der anderen unmöglich. Der Organempfänger mag hier ein wenden, daß aber in vielen.Fällen die Vorteile einer Transplantation die oft beschwerdereichen Nebenwirkungen überwiegen. Wie aber sieht es auf der Spenderseite aus? Ein Blick hinter die Kulissen der Transplantationschirurgie zeigt sehr schnell die Schattenseiten jener Erfolge, die ins Scheinwerferlicht gerückt werden. Organe, die für eine Verpflanzung tauglich sein sollen, müssen einem Menschen möglichst "lebensfrisch" entnommen werden. Etwas plakativ, aber dennoch treffend ausgedrückt, könnte man sagen: Jemand, der als Organspender in Frage kommt, darf noch nicht "tot ausschauen". Daher kommen als Spender in der Hauptsache sogenannte "hirntote Menschen" in Betracht: Deren Herz schlägt ganz normal, aber die Atmung muß künstlich aufrechterhalten werden. Würde das Beatmungsgerät ausgeschaltet, wäre der Mensch meist schnell tot. Solange dies aber nicht geschieht, sieht der Hirntote durchaus lebendig aus. Er kann sich jedoch nicht äußern, über seine körperlichen Sinnesorgane nichts von der Außenwelt aufnehmen, und es lassen sich weder Hirnströme noch andere definierte Reflexe mehr messen. Alle Gehirnfunktionen sind ausgefallen. Der Arzt und die Angehörigen stehen bei solchen Hirntoten meist vor einem Dilemma, denn es kann für die Genesung des Patienten nichts mehr getan werden. Lediglich deren Körperfunktionen lassen sich durch die künstliche Beatmung aufrechterhalten. Solche "Sterbende" sind es, die für Organtransplantationen in erster Linie herangezogen werden. Dieser Eingriff bedarf einer entsprechenden Willensäußerung des Spenders oder seiner Angehörigen (siehe dazu den Beitrag "Europas Griff nach den Organen", Seite 35). Was aber während einer Explantation geschieht, ist den meisten Menschen, die sich aus edlen Motiven mit einer Organentnahme einverstanden erklären, nicht bekannt: Zunächst werden dem Sterbenden, der nach dem Eingriff nicht mehr weiter künstlich am Leben gehalten wird, Betäubungs- und Beruhigungsmittel gegeben, die den Körper lähmen ähnlich der Wirkung einer Narkose bei normalen chirurgischen Eingriffen. Trotzdem steigt der Blutdruck während des Eingriffs stark an. Hirntote können auch Arme und Beine ruckartig bewegen, und es kam sogar schon vor, daß ein derart "Toter" plötzlich die Krankenschwester umarmte, während diese sich über ihn beugte. Solche makabren Szenen an der Schwelle zum Tod eines Menschen werden medizinisch trocken durch "Reflexe des Körpers" erklärt. Allerdings ändert das nichts daran, daß die an einer Organentnahme Beteiligten durch den unmittelbaren Eindruck des Geschehens oft psychisch enorm belastet werden: Eine Schwester (Christine Lang, in: "Wann ist der Mensch tot?") beschreibt es so: "Es ist das Bild, die Aussagekraft des Körpers an sich, die das Erleiden dokumentiert und in mir das Phänomen infernalischen Schmerzes und markerschütternder Schreie hervorruft!" Doch man rechnet mit derlei seelischer Strapaze und versucht damit im OP-Saal "vernünftig" umzugehen. Die in Aussicht stehenden "lebensfrischen" Organe scheinen es zu rechtfertigen. Trotzdem steht natürlich oftmals die unausgesprochene Frage im Raum, ob denn .Hirntote wirklich schon tot sind. Diese Frage ist durchaus brisant. Denn gelegentlich wird ein Patient trotz aller Hirntod-Merkmale wieder gesund. Auch sind Fälle bekannt, bei denen hirntote Kinder auf den Besuch der Eltern reagierten. Als besonders dramatisch muß ein Fall aus dem Jahr 1995 angesehen werden: Von medizinischer Seite wird ein Geistlicher darum gebeten, dem Abschalten eines Beatmungsgerätes beizuwohnen, durch das ein Junge beatmet wird. Der Kleine ist vom Hals an abwärts gelähmt, ein Hirnstrom ist nicht mehr feststellbar, und die Kasse nicht bereit, für weitere Pflege aufzukommen. Der Pfarrer soll nicht nur den jungen Menschen während der letzten Momente begleiten, sondern den Medizinern vor allem auch helfen, die Eltern zu einer Spende der Organe zu überreden was er aber nicht tut. Vielmehr erbittet er nun im Krankenhaus eine Demonstration des Abschaltens ohne die Eltern. Der zuständige Arzt willigt ein - und wie erwartet, geschieht mit dem Kind in der kurzen Zeit nichts, es zeigt keine Reaktion. Als später aber die Eltern dabei sind und den Jungen noch einmal ansprechen, ist es plötzlich anders: Das Kind öffnet die Augen, blickt zur Mutter, zum Vater. Und es ist kein leerer Blick! Doch zu spät - wenige Augenblicke nach dem Abschalten des Beatmungsgerätes stirbt das Kind einen schrecklichen Erstickungstod. Der Pfarrer ist schockiert, sagt dies dem Arzt auch, und dieser antwortet in chirurgischer Routine, daß es auch für ihn schlimm gewesen sei. Das Bedauerlichste aber wäre, daß man die schönen Organe nicht bekommen habe, das Herz, die Augen, die Niere, die Haut ... Diese seltsam sachliche Art, alles "Verwertbare" schwärmerisch aufzuzählen, als würde man dabei vom Verlust ganz bestimmter Kleinodien sprechen, charakterisiert jene sehr gut, für die alle ethischen, moralischen - und wohl auch menschlichen - Fragen im Zusammenhang mit der Organentnahme längst in den Hintergrund getreten sind. Für die bewußt oder unbewußt - die "Ware Mensch" im Vordergrund steht, wobei ihnen als "Mensch" allein der physische Körper gilt. Auf das wirkliche Leben, das zweifellos auch in Hirntoten noch ist, wird keine Rücksicht genommen. Es reicht derzeit, daß ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, sich seines Gehirnes zu bedienen, um ihn für tot zu erklären - eine Definition, die auch in Medizinerkreisen nicht unumstritten ist. Ist es tatsächlich denkbar, daß der "Hirntod" in Wirklichkeit nicht den Tod eines Menschen anzeigt, sondern einfach als Krankheitsbild angesehen werden müßte für die Unfähigkeit des Patienten, Eindrücke zu gewinnen und, umgekehrt, sich ausdrücken zu können? Viele der Medizin gut bekannte Vorgänge sprechen dafür: Manche am Großhirn schwer verletzte Patienten zum Beispiel, sogenannte Apalliker, bei denen das Stammhirn noch arbeitet, zeigen einen Rhythmus von Schlafen und Wachen, aber keine Reaktion auf eine Anderung in ihrer Umgebung, außer allenfalls durch verschiedene Reflexe. Solche Menschen haben nur geringe Aussicht auf Genesung. Manche von ihnen jedoch reagieren nach Monaten, andere nach Jahren: Zuerst folgen ihre Augen bestimmten Bewegungen, später erwerben sie mitunter wieder die Fähigkeit, sich mitzuteilen, oder werden sogar ganz gesund. Das beweist, daß ein Mensch trotz jahrelangen Ausfalls des Denkens, das man gemeinhin mit Persönlichkeit und Selbstbewußtsein in Verbindung bringt, eben nicht als tot betrachtet werden darf. Es fehlte ihm durch seine Großhirnverletzung offenbar nur die Möglichkeit, sich auszudrücken. Aber obwohl man das weiß, wird im Hinblick auf die geringe Gesundungschance bei Apallikern darüber nachgedacht, solche Menschen als lebende Organreservoires zu pflegen. Eine weitere Gruppe sind sogenannte Anenzephale, Kinder, die ohne Großhirn geboren werden. Obwohl sie weinen können und damit Zeichen seelischer Regung von sich geben, möchte man auch sie als Organspender verwenden. Selbst die Leichenruhe, die traditionelle Unantastbarkeit von Gestorbenen, gilt oft nicht mehr, wenn man im Krankenhaus stirbt und einen "brauchbaren Körper" besitzt, dessen Einzelteile benötigt werden. Wobei Leichen überhaupt gefragt zu sein scheinen. Man erinnere sich an die große Empörung, die entstand, als publik wurde, daß in BadenWürttemberg seit 20 Jahren Leichen in Crash-Versuchen eingesetzt werden. Eiligst berief man eine Ethikkommission ein. Diese jedoch befand, daß der Zweck die Mittel heilige. Ein Beispiel für eine materialistisch fixierte Gesellschaft, in der der Tote bald nur noch als Ware und Wirtschaftsfaktor Bedeutung hat, nicht aber seine Würde als Mensch. Und jede Entscheidung, jede Maßnahme, die unseren Umgang mit Toten und Sterbenden verändert, unsere sittlichen Ideale aufweicht, kann das Tor dazu öffnen, weiter und immer weiter zu gehen. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die Euthanasie: die jetzt oft diskutierte und auch schon praktizierte aktive Sterbehilfe - wie leicht kann sie abgleiten in ein Töten ohne ausdrücklichen Wunsch des Patienten? Was uns in unserer auf alles Materielle beschränkten Weltsicht zunehmend abhanden kommt, ist die Fähigkeit, unsere Handlungen umfassend zu beurteilen. Ist nicht jenem Arzt, der nur noch an die "schönen Organe" dachte, die Barmherzigkeit völlig abhanden gekommen? Hätte er nicht das Beatmungsgerät sofort wieder anschalten müssen, als er das Leiden des Kindes sah? Solche Fragen berühren nicht die wissenschaftliche, sondern sie treffen die menschliche Ebene. Aber haben sie nicht gerade deshalb größte Berechtigung? Die Frage, ob eine Organspende für den Empfänger nützlich ist, sofern es medizinisch gelingt, die eingangs erwähnten Abstoßungsreaktionen in den Griff zu bekommen, wird man auf den ersten Blick wahrscheinlich sofort bejahen, denn mit einer gesunden Niere oder einem neuen Herzen kann man, im besten Fall, viele Jahre weiterleben. Der Nutzen von Spenderorganen für verschiedene körperliche Funktionen scheint also durchaus gegeben. Es gibt aber auch noch die seelische Seite - und hier sieht es, wie die Praxis zeigt, anders aus. Die Psychologin E. Wellendorf berichtete von einem 10-jährigen Mädchen, das schon längere Zeit schwer krank gewesen war und sich innerlich mit dem nahen Tode abgefunden hatte. Dann jedoch ergab sich die Möglichkeit, durch eine Organspende wieder gesund zu werden. In dieser neuen Situation malte die Kleine ein Bild. Es zeigte ein Mädchen, das bei einem Verkehrsunfall umkam. Zuerst begriff die kranke Zehnjährige nicht ganz, warum sie das tat. Als ihr aber klar wurde, daß ein anderes Kind für eine Organspende sterben mußte, verweigerte sie sich entschlossen der Operation. Selbst als man ihr beibrachte, daß das andere Kind sowieso sterben müsse, blieb das Mädchen bei seiner Entscheidung. "Ich muß es mir ja wünschen, daß jemand für mich stirbt", sagte es. Der ausschlaggebende Punkt war also, auf den Tod eines anderen warten zu müssen. Das bereitete der jungen Patientin unerträgliche Schuldgefühle. Hut ab vor diesem Mädchen! Ein weiteres, besonders drastisches Beispiel mag die Perversion, sein eigenes Leben durch das eines anderen zu verlängern, noch deutlicher machen: Eine Frau mit Gewichtsproblemen ließ sich hypnotisch in ein früheres Leben rückführen, weil sie sich von einer solchen Therapie eine dauerhafte Änderung ihrer Eßgewohnheiten versprach, die im ständigen Wechsel zwischen Fasten und Freßphasen schwankten. Die Hypnose (eine grundsätzlich nicht empfehlenswerte Methode) ergab, daß sie als Mädchen mit einem Treck von Auswanderern auf dem Weg nach Kalifornien vom Winter überrascht worden war, und die Eingeschlossenen sich nicht anders zu helfen wußten als ihre Toten zu essen, nachdem sie ihre Nahrungsvorräte aufgebraucht hatten. Aus der Greueltat erwuchs der Familie kein Segen. Der schon in Kalifornien weilende Vater verstieß die Mutter, die bald darauf starb. Die Geschwister trennten sich, weil sie nie mehr miteinander reden wollten nach dem, was vorgefallen war (R.A. Moody "Leben vor dem Leben"). Diese hypnotische Rückführung ist um so erstaunlicher, als die Aussagen der Frau (die von den Ereignissen tagbewußt nichts geahnt hatte) geschichtlich verifiziert werden konnten. Der Zusammenhang mit unserem Thema ist klar: Auch bei einer Organimplantation werden Menschenteile "gegessen". Der Empfänger nimmt sie nur auf unterschiedliche Weise auf. Aber hat das eine andere Qualität von Grauslichkeit? Wohl nur scheinbar. Es genügt ja, sich vorzustellen, wir selber müßten ein Messer in die Hand nehmen, den Körper des Spenders auf- und das gewünschte Organ herausschneiden, um zu erahnen, daß es sich hierbei um eine körperlich wie seelisch "einschneidende" Angelegenheit handelt. Auch bei den Patienten Wellendorfs wurde das Räuberische und Unrechtmäßige einer Organentnahme in psychologischen Gesprächen immer wieder zum Thema. Eine Frau träumte zum Beispiel, sie stürze sich auf einen Menschen, beiße ihm mit großen Zähnen den Brustkorb auf und fresse sein Herz und seine Lunge mit einer nie gekannten Gier. In diesem schaurigen Bild erkannte sie später ihren intensiven Wunsch, ein anderer möge für sie sterben und ihr seine Organe überlassen. Es ist verständlich, daß wir am Leben hängen und - eben auch durch Transplantationen alles daran setzen wollen, es zu verlängern, dem Tode, diesem großen Tabu unserer Gesellschaft, möglichst zu entfliehen. Aber endet unser Leben mit dem Tod tatsächlich? Es lohnt sich, dieser Frage nachzugehen, weil sie im Hinblick auf die Rechtfertigung von Organtransplantationen natürlich im Zentrum steht. Caesar schrieb über die Germanen, daß sie glaubten, die Seelen gingen beim Tode von dem einen auf den anderen über - das würde ihnen die Furcht vor dem Tode nehmen und ihnen einen Beweggrund zur Tugend geben. Wie sieht es mit einem Leben nach dem Leben nun wirklich aus? Dieser Frage widmet sich nicht nur die Religion, sondern auch die Sterbe- und Todesforschung. K. Osis und E. Haraldsson führten in Indien und in den Vereinigten Staaten eine großangelegte Studie durch, bei der Ärzte und Krankenschwestern befragt wurden, was Sterbende erleben. Dabei stellte sich heraus, daß etwa 30 Prozent der Patienten kurz vor ihrem Tode Verwandte oder Freunde schauen, die vor ihnen hinübergegangen waren und sie jetzt abholen wollen. Diese Erfahrung erfüllt die Sterbenden mit großer Freude, sie werden heiter und friedlich, haben keine Angst mehr vor dem Tode. In die gleiche Richtung, nämlich daß wir alle nach dem Sterben des Körpers in einer jenseitigen Welt weiterleben, weisen sogenannte "Nahtodeserlebnisse", wie sie sehr häufig bei Menschen vorkommen, die durch einen Unfall oder während einer akuten Krankheit Herzversagen oder Atemstillstand erlitten und von den Ärzten wiederbelebt werden mußten. Deren Eindrücke an der Todesschwelle werden von der Wissenschaft schon über Jahrzehnte ausgewertet und auf kritische Einwände hin überprüft. In einer erstaunlich hohen Anzahl von Fällen schildern die betroffenen Menschen folgendes Erlebnis: Sie sehen ihren Körper aus einiger Entfernung liegen und beobachten auch, wie Unfallhelfer und Ärzte sich an ihm zu schaffen machen, um den Tod zu verhindern. Diese Menschen, die sich den eigenen Schilderungen zufolge außerhalb ihres physischen Körpers befanden, waren zum Beispiel in der Lage, Operationen an ihrem Rücken zu beschreiben oder sogar Geschehnisse, die in Nebenräumen stattfanden. Aussagen, deren Richtigkeit von den behandelnden Ärzten und anderen beteiligten Personen bestätigt wurden. Im Rahmen solcher Nahtodeserlebnisse begegnen Menschen auch anderen Verstorbenen, Verwandten, die ihnen helfen wollen. Von diesen erfahren sie, daß eine bestimmte Grenze nicht überschritten werden dürfe, da ihre Zeit noch nicht gekommen sei und sie wieder in den Körper zurückkehren sollten. Das Erleben verändert die Weltsicht der Betreffenden grundlegend: Sie durften erfahren, daß das Leben auch ohne Körper weitergeht, daß das Ich, der Wille, die Wahrnehmungsfähigkeit und Empfindungen weiterhin bestehen. Vergleichende Untersuchungen zeigen klar, daß nach einem Nahtodeserlebnis keiner der betroffenen Menschen mehr Angst vor dem Sterben hatte, während das bei einer Kontrollgruppe mit Herzstillstand, aber ohne Nahtodeserlebnis, nicht der Fall war. Man sollte diese Berichte nicht als Hirngespinste abtun, dazu ist die Übereinstimmung der unzähligen dokumentierten Erlebnisse in allen wesentlichen Punkten eindeutig zu groß. Man sollte sie eher als Schilderungen eines natürlichen und folgerichtigen Vorgangs sehen, der den Ubergang vom körperlichen Tod in einen neuen Abschnitt des Seins erleichtert. Ähnlich, wie Hebamme und Arzt helfend dabei sind, wenn jemand auf die Welt kommt, werden sich bei der Geburt ins Jenseits ebendort Menschen, die dazu geeignet sind, um den herüber kommenden Sterbenden kümmern. Vor allem aber geht es im Hinblick auf die Nahtodeserlebnisse doch um einen entscheidenden Punkt: Sie weisen darauf hin, daß das, was wir an Erkenntnisfunktion normalerweise nur dem Gehirn zuschreiben, der vom Körper getrennten Seele durchaus erhalten bleibt. Im Zustand der vorhin geschilderten "Ausleibigkeit" kann sich der Betroffene ja an Dinge seines früheren Lebens erinnern, seine Umgebung wahrnehmen, Schlußfolgerungen ziehen und Entscheidungen treffen, er befindet sich also in vollem Besitz jener Fähigkeiten, die wir als "menschliches Bewußtsein" beschreiben. Daraus ist zu folgern, daß unser Gehirn nur als Vermittler zwischen Körper und Seele fungiert, nicht aber die Persönlichkeit selbst ausmacht. Es ist die Seele, die alle Eindrücke auswertet, die ihr - solange sie dem physischen Körper verbunden ist - aus der Außenwelt über die Sinnesorgane und das Gehirn vermittelt werden. Daraus mag man die Notwendigkeit erahnen, die Gesamtheit des Menschen nicht mehr länger auf seinen sichtbaren, meßbaren, analysierbaren Körper zu beschränken. Denn es ist das Ich, der Geist, der den Menschen zum Menschen macht (wobei der Begriff "Geist" als der ich-bewußte Kern der Seele zu verstehen ist und nicht mit dem aus der Gehirntätigkeit resultierenden Verstand verwechselt werden sollte). Menschliches Leben zeigt sich nicht bloß in mechanischer Funktion, sondern offenbart sich in der Lebendigkeit. Ein Blick allein, mag er haßerfüllt sein oder voll Liebe, trauernd oder mutsprühend, er ist erfüllt von dem, was die Seele bewegt, ist Ausdruck des inneren Befindens, läßt sich jedoch meßtechnisch nicht erfassen. Nur das menschliche Gegenüber ist in der Lage, in den Augen zu lesen. Nehmen wir nun einmal an, wir selber seien vom Hirntod betroffen. Das Unglück reißt uns mitten aus unserer Tätigkeit, unseren Wünschen, Zielen, Hoffnungen und aus der Familie. Alles ist auf einmal wie abgeschnitten. Was für eine innere Erschütterung muß das auslösen! Dennoch aber leben wir, ohne uns der bisher vertrauten irdischen Umwelt mitteilen zu können, da die dazu nötige Brücke, das Gehirn, ausgefallen ist. Mitunter bestehen aber dennoch gewisse Möglichkeiten, sich bemerkbar zu machen. Das zeigt zum Beispiel ein Erlebnis DieterEmmerlings, der seine hirntote Frau für die Nacht verlassen wollte, als er bemerkte, daß am Monitor, der ihre Pulsfrequenz anzeigte, eine Veränderung vor sich ging: Das Herz seiner Frau fing schneller zu schlagen an. Emmerling entschloß sich zu bleiben und besprach mit ihr das zurückliegende gemeinsame Erleben. Und immer dann, wenn bewegende Momente zur Sprache kamen, begann ihr Herz wieder schneller zu schlagen. Seine Frau konnte also sehr wohl innerlich an der Kommunikation teilhaben, sich aber wegen der fehlenden Gehirnfunktion nicht anders äußern. "Hirntote" brauchen in erster Linie also menschliche Zuwendung und natürlich ärztliche Behandlung auch wenn diese nur noch ein friedliches Hinübergehen zu erwirken vermag. Welche Erlebnisse Sterbenden aber Organentnahmen bereiten, vermag man vielleicht gar nicht zu erahnen. Denn die geschilderten Nahtodeserlebnisse lassen den Schluß zu, daß die Trennung von Körper und Seele meist nicht in einem kurzen Moment erfolgt, sondern eine längere Zeitspanne in Anspruch nimmt, während der dem Hinübergehenden eine gewisse Verbindung zu seinem Körper und auch ein mehr oder weniger starkes Schmerzfühlen möglich ist zu einem Zeitpunkt, da die Medizin ihn längst für "tot" erklärt hat. Aus der Ethnomedizin wissen wir, daß viele einfache Völker der Uberzeugung sind, daß sich die Seele des Verstorbenen nach dem Tode noch einige Tage in der Nähe des Körpers aufhält und alles sieht und hört, was in dessen Umgebung geschieht. Damit stimmen die Berichte über Nahtodeserlebnisse erstaunlich gut überein. Wir brauchen an der Schwelle zum Jenseits meist eine ganze Weile, bis wir uns bewußt darüber werden, gestorben zu sein. Der leblose Körper, auf den wir im Zustand der Ausleibigkeit vielleicht hinabblicken, ist immer noch Brücke zu unserem früheren Leben, zur physischen Welt. Daher läßt sich leicht verstehen, warum man dem Körper die Ehre absoluter Ruhe zukommen lassen sollte, bis die Verbindung zur ihn verlassenden Seele endgültig gelöst ist. Dieser Vorgang hängt von der geistig-seelischen Verfassung des Sterbenden ab und kann Tage oder sogar Wochen dauern. Bei jeder Organspende aber wird die Seele brutal aus ihrer Behausung vertrieben. Da Explantationen zudem nur an möglichst "lebensfrischen" Körpern vorgenommen werden können, ist auch mit einer noch einigermaßen intakten Schmerzleitung zu rechnen. Unter diesem Blickwinkel erscheint jede Organspende, selbst wenn die Zustimmung dafür freiwillig und in Unkenntnis der seelischen Zusammenhänge gegeben wurde, in neuem, zweifelhaftem Licht. Es gibt jedoch Patienten, die meinen, allein ihre Bedürftigkeit verpflichte die Gesellschaft zu einer Organgabe, die von denen verlangt werden müsse, die keine nützlichen Mitglieder mehr sind und deren "Erhaltung" nur Geld koste, wie zum Beispiel jene, deren Gehirn irreparabel zerstört sei. Hier wäre abgesehen von etwas größerer Bescheidenheit - das Wissen nötig, daß eine menschliche Seele auch dann reifen kann, wenn ihr Körper unheilbar krank ist; daß durch die Krankheit sogar ein starker Impuls gegeben ist, sich seelisch zu entwickeln. Gerade darin besteht ja der Sinn unseres Lebens: Die Seele, der eigentliche Mensch, das Ich, muß sich entfalten, alle Anlagen und Fähigkeiten zu voller Blüte bringen! Ein langes Leben allein, ein vor Gesundheit strotzender Körper genügt nicht, ist bestenfalls eine gute Voraussetzung für ein erfülltes Seelenleben. Das haben auch viele Menschen im Laufe ihrer Nahtodeserlebnisse erfahren. Während einer Lebensrückschau erlebten sie eindringlich und unmittelbar, was sie falsch und was sie richtig gemacht hatten. Und sie schämten sich oftmals der vielen Dinge, die sie begangen oder unterlassen hatten und entwickelten nun ein brennendes Verlangen, etwas für andere Menschen zu tun. Könnte ein solches Helfenwollen, die seelische Entwicklung zum Guten je Erfüllung finden im Verlangen, daß ein anderer um des eigenen Wohlergehens willen stirbt? Und es ist ja nicht nur ein einfaches Sterben, sondern ein gezieltes Vertreiben aus dem Körper, der dabei rücksichtslos zerstört wird ... Wohl auch im unausgesprochenen Empfinden dieser Zusammenhänge verzichtete das kranke zehnjährige Mädchen auf das rettende Organ eines anderen. Und obwohl es nur noch im Bett lag und Tag und Nacht Sauerstoff benötigte, verfolgte es sein selbst angestrebtes Ziel mit stiller Freude. Es war ihm erstrebenswerter als ein Weiterleben mit fremden Organen und dem bedrückenden Gefühl von Schuld. Uber dieses beglückende Ziel läßt sich mit Worten nicht sprechen. "Du mußt es selber herausfinden", sagte das Mädchen. In Italien hat eine Studie über die psychische Situation von Angehörigen hirntoter Spender immer wieder Schuldgefühle zutage gebracht: Hinterbliebene verstorbener Organspender werfen sich vor, ihren Angehörigen im Stich gelassen zu haben und assoziieren ihn oft in belastender Weise mit dem Organempfänger. Was also hat es mit dem "Gebot der Nächstenliebe" auf sich, das so oft ins Gespräch gebracht wird, wenn es um die Bereitschaft zur Organspende geht? Wenn Kinder uns um eine Süßigkeit bitten, geben wir sie ihnen gerne. Geschieht es öfter, geben wir widerwilliger oder auch gar nicht, weil wir wissen, daß zuviel auf die Dauer schadet. Wahre Liebe, das ist in diesem Zusammenhang klar, tut das, was dem anderen nützt, nicht aber unbedingt das, was er gerne hätte. Sie leistet also sowohl Hilfe, wenn es geboten ist, gebietet aber auch Einhalt, wenn die absehbaren Folgen schädlich sind. Ubertragen wir diesen Gedanken auf den Bereich Organspende, so wäre die Voraussetzung für die Nächstenliebe der klare Nutzen für den Empfänger. Die Nützlichkeit einer Spende für die seelische Entwicklung des Empfängers ist grundsätzlich fraglich (schon deshalb, weil der Organspender gar nicht beurteilen kann, ob er dem Empfänger nützt, weil er ihn ja meist gar nicht kennt); aber auch im Hinblick auf den Körper ist erwiesen, daß eine Organspende keinesfalls immer das Verhalten des Empfängers zum Guten lenkt: Der Mann, der wegen Herzverfettung ein neues Herz erhält und nach der Transplantation genauso unmäßig weiter ißt, zu Hause nur noch auf dem Sofa sitzt und sich bedienen läßt, bis seine Frau nach einem Jahr in die Psychiatrie eingewiesen wird, seine älteste Tochter sich das Leben nimmt und er selbst nach eineinhalb Jahren an Herzverfettung stirbt, mag abschreckend genug sein. Es ist ein Beispiel aus der Praxis. (E. Wellendorf, in "Wann ist der Mensch tot?") Ein extremes vielleicht, aber es zeigt, daß die Gedanken von Organempfängern nach der Transplantation oft auf das "körperliche Funktionieren" bezogen sind: "Es gibt kein Interesse", schreibt Frau Wellendorf, "das sich auf die Lebensgestaltung oder -bewältigung bezieht. Treten Komplikationen auf, was häufig vorkommt, so fühlen sich viele Patienten schuldig, weil sie nicht besser funktionieren. Die engmaschigen Kontrollen schaffen oft eine Situation, die der Prüfungssituation in der Schule entspricht. Im Streß des Erfolgsnachweises verengt sich das Leben, und die Zukunftsvisionen, die den Spannungsbogen des Lebens aufbauen, wagen sich gar nicht zu entwickeln, weil am Ende des Lebens der Tod steht, der tabu ist." Gerade das also, was die Hauptsache wäre, nämlich dem Leben ein Ziel zu geben, die feinere Empfindungsfähigkeit der Seele zu fördern, kann leicht in den Hintergrund treten. Das Ziel unseres Menschseins liegt nicht in einem langen irdischen Leben, sondern in der Entwicklung unseres Geistes, seinem Reifen zu einer Persönlichkeit in gutem Sinne. Das Begehren eines fremden Organs fördert dieses Reifen nicht, im Gegenteil. Das Töten eines Hirntoten ist dem Vorgang vergleichbar, einen Wohnungseigentümer aus seiner Wohnung zu vertreiben, ehe er ausgezogen ist - nur weit schlimmer. Man sollte deshalb auf Organentnahmen bei Hirntoten und gerade eben Gestorbenen verzichten. Um diese Entscheidung für sich selbst zu treffen, ist es hilfreich zu wissen, daß der Tod ja nicht unser Leben als Mensch beendet, sondern daß es nur ein Abschied von der Erde ist, daß der Tod einen neuen Abschnitt in unserem Sein einleitet. Bleibt die Frage: Wie kann man Menschen helfen, die an Organversagen leiden? Neben einer medizinischen Aufklärung, die schon bei jungen Menschen begonnen und im Laufe des Lebens häufig ins Gedächtnis gerufen werden sollte, wäre es sehr wichtig, große Anstrengungen bei der Verbesserung künstlicher Organe zu machen. Und diesbezüglich liegen ja schon ganz ermutigende Berichte vor. A Prof. Dr. DieterMALCHOW TOTE SCHLAFEN NICHT Hirntote " sind keine Leichen, sondern sterbende Menschen " Umstrittenes Inserat: Unter dem Motto "Schenken Sie Leben!" warb die "Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung" in Deutschland für die Organspende Man möchte meinen, daß bei den vielen unterschiedlichen Standpunkten, die Mediziner zum Problemkreis der Organtransplantation einnehmen, wenigstens eins klar ist: Daß man unumstritten von Toten spricht, die da "explantiert" werden sollen, und daß es in den ethischen Diskussionen um die Würde des Menschen nach dem Ende seines Lebens geht. Leider stimmt das nicht: Bis heute herrscht unter den Medizinern keineswegs Einigkeit darüber, ob das sogenannte "Hirntodkriterium" (auf Grund dessen heute der Tod festgestellt wird) tatsächlich als Maßstab für den Zeitpunkt des Ablebens eines Menschen herangezogen werden kann. Und wer sich kritisch und vorurteilsfrei mit der Frage befaßt, für den wird es schnell zur beklemmenden Gewißheit, daß jene vermeintlich "Toten", die bei Transplantationen als "Organ-Ersatzteillager" mißbraucht werden, in Wirklichkeit sterbende Menschen sind, also Patienten - und nicht Leichen! Das Thema Organtransplantation wird in der Öffentlichkeit meist unter den Gesichtspunkten der "Nächstenliebe" und des "medizinischen Fortschritts" behandelt. Dabei geht man mit größter Selbstverständlichkeit davon aus, daß jene Menschen, denen Organe entnommen werden, auch tatsächlich tot sind. Aber ist es wirklich so? Wer diese Frage aufwirft, merkt bald,wie ungeheuer brisant sie ist. Denn selbst in Fachkreisen ist umstritten, ob jemand, dessen Hirnfunktionen nicht mehr nachweisbar sind, auch wirklich schon als Leiche angesehen werden kann ... Jeder, der heute in die Lage käme, beurteilen zu müssen, ob ein Mensch tot ist oder nicht, würde sich dazu wohl genau jener Merkmale bedienen, die seit Tausenden von Jahren den Tod kennzeichnen: Stillstand der Atmung und Stillstand des Herzens. Dennoch haben diese Merkmale spätestens seit der Weiterentwicklung der medizinischen Technik keine unumschränkte Aussagekraft mehr: Man weiß, daß es manuelle oder technische Möglichkeiten gibt, Herzschlag und Atmung wieder in Gang zu bringen. Und es ist mit der Fortentwicklung der Apparate- und Intensivmedizin sogar möglich geworden, Menschen über Wochen oder Monate - wie man es ausdrückt - "künstlich am Leben zu erhalten". 1959 beschrieb man erstmals das Krankheitsbild "Hirnversagen bei sonst lebendigem Leib" und nannte es "coma depasse“ . Wann also ist der Mensch tot? Im Jahr 1968 einigte man sich auf die Definition des sogenannten "Hirntodes". Der Mensch gilt demnach als tot, wenn Gehirnfunktionen nicht mehr nachweisbar sind. Dieses "Kriterium" schien auch insofern als plausibel, als man entdeckte, daß in einem Gehirn, das auch nur für kurze Zeit nicht mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, endgültig und unwiederbringlich verschiedene Funktionen erlöschen, die ein Mensch unabdingbar nötig zum Leben braucht. Richtiger wäre es freilich, nicht von "Hirntod", sondern von "Hirnversagen" oder "Hirnausfall" zu sprechen. Seit Einführung dieses "Hirntodkriteriums" gelten also auch alle jene Menschen als "tot", deren Lebensfunktionen durch entsprechende Maschinen aufrechterhalten werden, die vielleicht auch noch selbst atmen und die in entsprechenden Kliniken auch durchaus wie Patienten behandelt werden: Sie werden ernährt und gewaschen, erfahren Haut-, Haar- und Zahnpflege, und sie können sich auch - wie man meint: "reflexartig" bemerkbar machen: So bezeichnet man es als "Lazarus-Effekt", wenn hirntote Patienten im Bett laufähnliche Bewegungen vollziehen oder eine Pflegekraft plötzlich mit den Armen umschlingen. Kurz: Während beim Anblick einer Leiche der Tod für jeden Betrachter sinnlich erfahrbar ist, wirken Hirntote wie schlafende Patienten. Sie gelten nur einer fragwürdigen (und im persönlichen Erleben gar nicht mehr nachvollziehbaren) Definition zufolge als tot. Hier mag man sich die Frage stellen, wem eine solche lebensfremde Todesdefinition denn nützt. Vor dem Hintergrund der Transplantationsmedizin wird die Antwort erahnbar: Spenderorgane sind nämlich überhaupt nur dann brauchbar, wenn sie frisch durchblutet entnommen werden können. Ein Körper, der in Ruhe sein Leben aushaucht und dann - wie es früher noch üblich war auch noch einige Tage der "Totenruhe" verbringen darf, ist als Organspender unbrauchbar. Wirkliche Leichen, die jeder Laie als solche erkennen würde, kommen für eine Explantation nicht in Frage. Woher also die so nötig scheinenden Organe nehmen? Diese Frage wurde im Jahre 1968 von der sogenannten "Harvard Kommission" gelöst, einer aus Ärzten, Juristen und Ethikern bestehenden Kommission, die alle bis dahin geltenden Todes-Definitionen für veraltet erklärte und das unumkehrbare Koma als "Tod" definierte. So gaben die USA mit dem "Hirntodkriterium", einer Vorverlegung des Todeszeitpunktes, die Richtung an - und stießen die Türe für die Transplantationsmedizin auf. Europa zog rasch nach; auch die Deutsche Bundesärztekammer einigte sich auf die Hirntod-Definition. Ob eine solche Todesdefinition allerdings wirklich vertretbar ist, darüber gehen bis heute die Meinungen auseinander. Nicht nur erbitterte Kritiker der Transplantationsmedizin, sondern auch viele Mediziner und Wissenschaftler, die es ablehnen, über diese Grundsatzfrage einfach hinwegzusehen, zweifeln das Hirntodkriterium an. Dies vor allem aus folgenden Gründen: Der Sterbeprozeß ist ein kontinuierlicher Vorgang; jede Art von "Todeskriterium" ist daher eine willkürlich festgelegte Grenzlinie, eine Art "medizinische Verabredung", nicht aber eine Tatsachenfeststellung. Wenn nach dem Ausfall des Gehirns keine Bewußtseinsäußerungen mehr beobachtet werden, kann daraus noch nicht wirklich auf das Ende der Existenz eines Menschen geschlossen werden. Ob und was ein Mensch im Zustand des "Hirntods" (besser: des "Hirnversagens") empfindet, kann medizinisch nicht beantwortet werden. Man weiß, daß Uberlebende sich an Komasituationen erinnern können. Es ist keinesfalls erwiesen, daß ein "hirntoter", also sterbender Mensch keine Empfindungen mehr hat. Nichts berechtigt dazu, dem Ersatz lebensnotwendiger Gehirnfunktionen (z. B. Atemantrieb oder Hormonsteuerung) eine andere Bedeutung beizumessen als dem Ersatz vegetativer Funktionen anderer Organe (z.B. durch Herzschrittmacher oder Stoffwechselsteuerung). Aus biologischcr Sicht ist das Gehirn nicht das "Zentralorgan" des Körpers, sondern eines von vielen wichtigen Organen, die mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen im Prinzip ersetzbar sind. Der Mensch ist als "Individuum" -wie es dieses Wort ausdrückt- "unteilbar". Sein "Menschsein" kann nicht allein an den Leistungen des Kopfes gemessen werden, die sich in den meßbaren Hirnfunktionen ausdrücken. Der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen ist mit den derzeitigen Meßmethoden gar nicht sicher diagnostizierbar. Jener "Zusammenbruch" des Organismus, den wir "Tod" nennen, zeigt sich nie nur an einem bestimmten Organ, sondern durch den Stillstand aller Wechselwirkungen im ganzen menschlichen Körper. Forschungen an Koma-Patienten haben eindeutig ergeben, daß diese "auf äußere Ereignisse und soziale Stimuli, wie zum Beispiel den Besuch von Angehörigen, eindeutig antworten" (Dr. Zieger, Neurochirurg, Oldenburg). Fazit: Wir haben es bei hirntoten Patienten, die uns sinnlich am ehesten als Schlafende erfahrbar werden, mit Sterbenden zu tun, nicht aber mit bereits Toten. Tote schlafen nicht. Es gilt offensichtlich der Tatsache ins Auge zu sehen, daß mit dem Hirntodkriterium Lebende für tot erklärt wurden - und weiterhin werden. Es sind nicht Leichen, denen Spenderorgane entnommen werden, sondern sterbende Menschen, deren Lebensfunktionen allerdings durch diesen Eingriff endgültig erlöschen. Von einer Würde des Sterbens ist hier keine Rede mehr, von einer Zeitspanne Ruhe, die der Seele gewährt wäre, um ihre Bindung vom Körper langsam zu lösen, schon gar nicht. Zwar spricht der "Transplantationskodex der Arbeitsgemeinschaft Organtransplantation" von der Gewährleistung der Würde des Verstorbenen während der Organentnahme und von der achtungsvollen Behandlung des Leichnams, aber, wie es Dipl.-Psych. Roberto Rotondo im Buch "Sterben auf Bestellung" ausdrückt: "Versuchen Sie sich diesen ,menschenwürdigen' Akt einmal vorzustellen. Immerhin können bei einer Multiorganentnahme Hornhäute, Innenohren, Kieferknochen, Herz, Lungen, Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Magen, Knochen, Bänder und Knorpel, Haut, Adern und Knochenmark entnommen werden." Roberto Rotondo zitiert in der Folge auch wortgetreu die Aussagen von Pflegekräften, die den routinemäßigen Ablauf von Organtransplantationen schildern und sich dabei vor allem über die technischen Probleme während des Eingriffs auslassen, beispielsweise über die riesigen "Flüssigkeitsmengen", die bei einem solchen Eingriff anfallen. Und er kommentiert: "Für mich als Psychologen sind verschiedene Aspekte an diesen Aussagen interessant. Diese Pflegekräfte kennen sehr blutige Operationen aus anderen Zusammenhängen und können in diesem Arbeitsbereich mit Blut umgehen. Wenn dann im Zusammenhang mit einer Organentnahme der Begriff ,Schlachtfeld` verwendet wird, dann stellt zumindest diese Pflegekraft selbst den Bezug zum Schlachten her. Das OP-Team ist sich anscheinend auch darüber im klaren, daß der Anblick eines OPs auf für das Reinigungspersonal sehr belastend sein könnte, obwohl auch diese mit Sicherheit öfter einen blutigen OPSaal säubern müssen." Die Bilder eines "Schlachtfeldes" sind natürlich nicht für die Offentlichkeit bestimmt. Man achtet im Hinblick auf die Organspendebereitschaft der Bevölkerung sorgsam darauf, daß die Türen geschlossen bleiben - wissend, daß man gegen die öffentlichen Emotionen, die bei der Konfrontation mit den "nackten Tatsachen" entstehen würden, argumentaiv machtlos wäre. Es ist in der Praxis mitunter schon schwer genug, das Pflegepersonal "auf Kurs" zu halten. Eine Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin an der Uni Düsseldorf, Liliana Sitar, berichtet über ihre Erfahrungen mit "Hirntoten": Sie wurden auf der Station genauso betreut, wie andere Hirnverletzte auch. Sie wurden durch Infusionen ernährt, die Blutwerte wurden kontrolliert, ebenso der Blasenkatheter für die Urinausscheidung, der Schweiß wurde abgewischt, muskelrelaxierende Medikamente gegeben, damit sich die Muskeln nicht mehr bewegten, wenn sie auf dem Weg zum OP oft an den Verwandten vorbeigefahren wurden. Schocks sollten so vermieden werden. Liliana Sitar über so eine "letzte Fahrt": "Alles, was ich an dem Patienten sah, war sein lebendiger Körper. Der war warm. Der atmete. Der schwitzte. Das tote Gehirn sah ich nicht. Ich hab' weiter mit dem hirntoten Patienten geredet. Hab' ihm genau erklärt, was ich gerade an ihm mache. Daß er zur Organentnahme in den Operationssaal gefahren wird, das hab' ich allerdings nicht über die Lippen gebracht." Als die Fachschwester feststellte, daß sie es nicht länger verantworten konnte, daß Menschen in ihrem Sterben gestört werden, wechselte sie ihren Arbeitsplatz. Bei Explantationen ist es übrigens auch als (seelischer) Selbstschutz für das Personal (?) üblich, den Patienten zu narkotisieren bzw. zu "relaxieren" und ihn anzuschnallen, da es sonst zu unberechenbaren Bewegungsreaktionen der Gliedmaßen kommen könnte, die vom Rückenmark aus gesteuert werden. Man muß sich also wirklich Mühe geben, diese "Toten" ruhigzustellen. Wer sich ernsthaft klarmacht, daß es stets noch Lebende sind, denen brauchbare Organe entnommen werden, und daß dieser Eingriff - einmal abgesehen von den unmenschlichen Details, die dabei vorkommen mögen - in jedem Fall lebensbeendend ist, wird die Bereitschaft zur Organtransplantation wohl zumindest kritischer sehen als bisher. Wie lange wird sich das Hirntodkriterium als unverzichtbare Voraussetzung für die "Ernte" (ein Ausdruck aus dem medizinischen Fachjargon) lebensfrischer Organe noch halten? Prof. Dr. Dietmar Mieth, Lehrstuhl für Moraltheologie, EberhardKarls-Universität Tübingen, meinte sehr treffend: "Lieber halte ich jemand für tot als für lebend,wenn ich lebensbeendend in ihn eingreifen soll. " Wer Organe "spendet", weiß nicht, was ihn erwartet. Ist der im Gesetz festgeschriebene "Hirntod" wirklich das Ende des Lebens? Wenn das nicht so sein sollte, handelt es sich dann um eine Organentnahme bei lebendigem Leib? Sicher ist eines: Es existiert in unserem Lande ein florierender Organhandel. Er blüht deshalb so profitträchtig, weil Organtransplantate, gemessen am Bedarf, zu wenig zur Verfügung stehen ... IN DER GRAUZONE DES HIRNTODS Ein Erfahrungsbericht zeigt, wie schnell Menschen bisweilen für "tot“ erklärt werden Dreimal habe ich so etwas wie eine "Grauzone des Hirntodes" berührt im Zusammenhang mit dem Sterben meiner Frau. Ob es einen Glauben an die Exaktheit der "HirntodMethode" geben kann, möge der Leser selbst entscheiden. Um 26. Oktober 1993 morgens um 8.00 Uhr fand ich meine Frau Liselotte ohne Lebenszeichen vor ihrem Bett auf dem Fußboden. Sie war damals 57 Jahre alt. Nichts Erkennbares hatte auf ein solch kommendes Ereignis hingewiesen. Liselotte führte als evangelische Gemeindehelferin ein äußerst aktives Berufsleben. So kam sie am Vortag erst spät abends heim. Wir sprachen nur noch wenige Sätze, die auf einen erheblichen ArgerStreß hinwiesen. Dann ging sie in ihr Zimmer und zu Bett. Den Bemühungen eines benachbarten Arztes gelang es nicht, Lilo aus ihrer Bewußtlosigkeit zu holen. Auch der Notarzt konnte nicht helfen. In einer Plane wurde Lilo aus dem Haus getragen und mit dem Krankenwagen in ein Krankenhaus gefahren. Es war Berufsverkehr. 9:05 Uhr verzeichnet das Krankenhaus als Einlieferungszeit. Als ich vor der Intensivstation gewartet hatte und gegen 11:00 Uhr eingelassen wurde, führte der Stationsarzt ein ernstes Gespräch mit mir. Ich erinnere mich an folgendes: Die Gehirnuntersuchung hat ergeben, daß bei der Einlieferungsuntersuchung das Gehirn schon zu 95 % tot war. Die Aussichten? Es wird schlechter werden. - Hoffnungen? Keine. Dann fragt mich der Stationsarzt: Sollen wir alle Möglichkeiten der Apparatemedizin ausnutzen? Ich frage nach dem zu erwartenden Resultat. Ich erfahre: Besserungen keine; vermutlich bei ständiger künstlicher Ernährung ein vielleicht monatelanges Liegen, aber ohne Bewußtsein. - Ich sage: Meine Frau und ich haben oft darüber gesprochen, uns gegenseitig vor der Apparatemedizin zu schützen. Wegen der Seniorenarbeit in der Kirchengemcinde war "Sterben" ein häufiges Gesprächsthema bei uns am Tisch.. Und ich sagte den schwersten Satz meines Lebens: "Lassen Sie meine Frau in Würde sterben." Lilo lag auf der Intensivstation. Im Mund der Schlauch für die künstliche Beatmung. Infusionsleitungen, Urinauffang neben dem Bett. Der Takt des Beatmungsgeräts bestimmte den Raum. Unregelmäßig hob er die Brust, kein friedliches Bild. Langsam gewöhnte ich mich an dic Geräusche. Der Herzschlag, die Frequenz, wurde auf einem Monitor aufgezeichnet, der links vom Bett stand. Zwei Kurven. Schön gleichmäßig - in der Mitte des Bildes. Den Tag verbrachte ich auf der Intensivstation. Was mag meine Frau empfinden, wahrnehmen? Ist es, wie mir der Stationsarzt gesagt hatte: Ihre Frau liegt da, sie hört nichts, merkt nichts, empfindet nichts? Mir kamen die Überlegungen: 95% hirntot, was ist das? Waren es jetzt bereits 97% oder 98%? Wo ist die Grenze? Und stimmte das denn überhaupt: 95% hirntot schon bei der Einlieferung? Die Krankenschwester hatte es mir anders gesagt. Im Aufzug waren wir ins Gespräch gekommen. Sie hatte die Hirnstrommessungen technisch durchgeführt. Ich fragte sie (und ich hätte jeden gefragt, von dem ich irgend etwas erfahren konnte): Was ist mit meiner Frau? Korrekt wies die Schwester darauf hin, daß sie keine Auskunft geben dürfe, nur soviel: So tot, wie die Arzte sagen, ist das Gehirn Ihrer Frau nicht. Ich habe in den Kurven durchaus noch Anhaltspunkte für Leben gesehen. Gegen 18:30 Uhr abends war ich müde, wollte mich zuhause etwas hinlegen. Zu der Zeit meinte ich noch, meine Frau merke ja sowieso nicht, daß ich im Zimmer sei. - So zog ich meinen Mantel an, blieb einige Zeit an der Tür stehen, blickte ruhig auf die Beatmete, sah den Monitor mit dem gleichmäßigen Bild der Herzfrequenzen. Da sagte ich: "Lilo, ich gehe jetzt nach Hause." Wie ich diese Worte halblaut aussprach: "Ich geh jetzt", machten beide Kurven auf dem Monitor einen plötzlichen Ausschlag nach oben und nach unten - bis an die Ränder des Bildschirms. Das kam mir vor wie ein Schrei: Du kannst mich doch jetzt nicht allein lassen!!! Ein stummer Schrei der Angst in einem Körper, der nichts mehr bewegen konnte aber ein Schrei, der das Herz bewegte, der die elektrischen Ströme veränderte, der aus der Seele auf den Bildschirm schnellte. Da hatte nicht ein Apparat geschrien, da hatte meine Liselotte geschrien. Ob sie schon öfter geschrien hatte, ohne daß ich es bemerkt hatte? Warum sollte sie nur diesen einen Satz gehört und verstanden haben? dieses: ,Ich gehe jetzt ? Was war von all den Untersuchungen und dem Gerede auf der Intensivstation in ihr Bewußtsein gelangt? Merkte sie, daß sie sterben würde? War sie wie in einem Gefängnis: mit Bewußtsein, aber ohne die Möglichkeit, sich nach außen bemerkbar zu machen? War sie voll verzweifelter, hilfloser Angst? Natürlich blieb ich die ganze Nacht auf der Intensivstation, mal neben dem Bett sitzend, mal am Fenster stehend. Wir waren nur wenige Wochen vor unserer Silbernen Hochzeit. Jetzt hatte ich Stunde um Stunde, um mit leiser Stimme zu sagen: Was war gut in diesen 25 Jahren? Was war danebengegangen? Und um Verzeihung zu bitten oder Versprechen zu machen. Es war keine Monotonie, es war wie eine Art ungesteuerter Dialog. Der Bildschirm gab mir die Antworten. Immer mal wieder schlug die Frequenzaufzeichnung höher und niedriger. Es war, als wenn bei besonders existentiellen Punkten unseres gemeinsamen Lebens Lilos Herz zuckte. Gegen Morgen kam die Ablösung. Mit zehn Freundinnen und Freunden teilten wir uns die Sterbebegleitung. Das Personal der Intensivstation war teilnehmend und hilfsbereit. Wir konnten zu jeder Nachtzeit auf die Station kommen; manchmal hielten uns die Schwestern mit Tee oder Kaffee wach. Am Abend des zweiten Tages begegnete ich wiederum dem Stationsarzt. Sehr freundlich sagte er: Herr Emmerling, ich muß noch eine schwierige Frage mit Ihnen besprechen. Kommen Sie doch bitte ins Arztzimmer. In dem kleinen Zimmerchen saßen wir uns gegenüber. Der Arzt stellte die Frage: Können wir die Organe Ihrer Frau herausnehmen? In meinen Kopf schossen die Gedanken: 95% totes Gehirn bei der Einlieferung, abnehmende Tendenz. Wann ist das Gehirn ganz tot? Nein, schrie es in mir, nein, ihr könnt meine Frau nicht aufschneiden, könnt ihr das Herz nicht wegnehmen - mit diesem Herzen hat sie doch heute nacht mit mir über den Monitor gesprochen. Sie lebt doch und empfindet!! - Und nach außen sagte ich: "Nein". - Dann wurde an mein Christsein appelliert, an die Nächstenliebe. - Ich wurde etwas unsicher, bat um Bedenkzeit. - Wir sprachen im Familienkreis, mit Freunden, darunter ein Pfarrer und Ärzte. Sie bekräftigten mein "Nein". Auf einem Zettel hielt ich dieses "Nein" fest. Dann bekam ich Sorge: Was ist, wenn der Zettel im Krankenhaus verlorengeht? Wenn beim Schichtwechsel der Zettel irgendwo zwischen andere Papiere gerät? Wenn der Arzt die Schwester fragt: Gibt es eine Erklärung durch den Ehemann und die Schwester der neuen Schicht besten Gewissens antwortet: Von den Angehörigen liegt nichts vor. Ich gab meinen Zettel der Schwester und betete zu Gott, daß alles gutgehen möge. Im Laufe des Morgens kam der Chefarzt. Er erklärte mir freundlich, das teuer eingerichtete Zimmer der Intensivstation würde anderweitig gebraucht. Meine Frau werde nun auf eine andere Station verlegt, um dort zu sterben. Ich war dabei, als der Schlauch für die künstliche Beatmung aus dem Mund genommen wurde. Liselotte atmete ohne Schlauch und Maschine alleine weiter. Sie bekam ein helles Krankenzimmer, das für uns Angehörige reichlich Raum bot. Zwei Tage und Nächte blieben die Freundinnen und Freunde abwechselnd bei der Sterbenden. Am 30. Oktober 1993 um 9.15 Uhr war Liselotte tot. Langsam dämmerte mir in den nachfolgenden Monaten, was mit Lilo abgelaufen war. Es ließ mich nicht mehr in Ruhe, dieses: Zu 95% ist das Gehirn tot, abnehmende Tendenz dann der Appell an das christliche Gewissen: Geben Sie die Organe frei! - ein Herz, das doch mit mir gesprochen hatte. Warum hatten die Ärzte meine Frau so lange auf der Intensivstation gehalten? - sie konnte doch zwei Tage allein atmen. Wut wuchs in mir, einfach Zorn über das, was mit Lilo geschehen war. Hatte man meine Bitte mißachtet, diesen schweren Satz: "Lassen Sie meine Frau in Würde sterben!"? Hatte man sie darum nicht sterben lassen, um sie ,frisch` zu halten für Organentnahmen? Meinen Zorn habe ich in die Zeitungen geschrieben als Leserbriefe. Zweimal kamen Fernsehteams und ließen mich über Lilos Sterben erzählen. Ich wurde von Wissenschaftlern angesprochen, die sich mit der Hirntodforschung beschäftigen, wurde zu entsprechenden Tagungen eingeladen. Erzählte auch dort. Von medizinischen Fachleuten wurde mir gesagt: Ihre Frau lag zwar im Koma, aber nach den Kriterien der Bundesärztekammer war sie nicht "hirntot", ja, vielleicht sei im Krankenhaus nicht einmal die vorgeschriebene Diagnose gemacht worden. Ein Jahr später saß ich dem ärztlichen Direktor des Krankenhauses gegenüber. Mittlerweile war ich nun schon fast ein Spezialist in der Hirntod-Debatte. Das Gespräch war von beiden Seiten sehr freundschaftlich. Dazu trug gewiß meine Zusicherung bei, öffentlich keine Namen Beteiligter zu nennen. Aufgrund des Gesprächs wurde mir klar, daß eine mögliche ursprüngliche Hypothese, der Hirntod könne sich einstellen, schon bald nach der Einlieferungsuntersuchung fallengelassen worden war. Ich nehme auch an, daß die Krankenakte keinerlei Hinweise auf Hirntod enthält. Dementsprechend wäre auch keine Hirntoddiagnose durchgeführt worden. Wahrscheinlich wird der Stationsarzt ohne förmlichen Auftrag mit mir ein AngehörigenGespräch über Organentnahme geführt haben. Ich meine sogar herausgehört zu haben, daß es eine gewisse Erwartungshaltung gäbe, der nach das Krankenhaus, gemessen an der Bettenzahl, mehr Organe liefern solle. Arme Liselotte. Dieter EMMERLING Mit freundlicher Genehmigung durch den Verlag: Redaktionell gekürzter Auszug aus dem Buch "Ungeteilt sterben", Hrsg. Gisela Lermann Die Geschichte eines Irrtums Die meisten Menschen gehen heute davon aus, daß sich der Sitz unserer Persönlichkeit, das Zentrum unserer Fähigkeiten, zu denken und Entscheidungen zu treffen, in unserem Kopf befindet, genauer gesagt: in unserem Gehirn. Dem war jedoch nicht immer so. Der "Ort unseres Ichs" galt während langer Zeit als unbestimmt. Im 6. Jahrhundert vor Christus stellte der griechische Philosoph Pythagoras die Hypothese auf, daß der Sitz der Gedanken sich im Gehirn befände. Diese Annahme wurde von Aristoteles (4. Jahrhundert vor Christus) bestritten. Er war der Ansicht, daß das Zentrum des Bewußtseins sich im Herzen befinde und daß das Gehirn nicht zum Denken diene, sondern da sei, um das Blut abzukühlen! Tatsächlich ist es nicht so einfach, wie es scheinen möchte, unser Bewußtseinszentrum im Körper zu lokalisieren. Zwar dürfte klar sein, daß sich Denkvorgänge im Kopf vollziehen; andere Wahrnehmungen unserer Persönlichkeit sind jedoch nicht so einfach an einem bestimmten "Ort" des Körpers festzumachen. Emotionen, wie beispielsweise die Freude, die innere Ruhe, Neid und Angst, empfinden wir nicht in unserem Kopf. Ebensowenig die Liebe, die uns erfüllt, die Überzeugung, die uns durchdringt - oder den Willen, den wir entfalten. All dies scheint eher von der Gegend des Sonnengeflechtes oder ... des Herzens auszugehen, nicht aber vom Gehirn. Herz oder Gehirn? Mit zunehmenden anatomischen und physiologischen Kenntnissen wurde schnell erkannt, daß das Körperorgan Herz nicht am Bewußtseinsvorgang beteiligt ist und daß man wohl tatsächlich eher in Richtung des Gehirnes suchen müßte, und ein unermüdliches Forschen begann. Wenn das menschliche Bewußtsein und dessen Wirken tatsächlich von der Gehirnmasse ausgingen, so folgerte man, dann würde eine bessere Kenntnis unseres Gehirnes letztlich auch zur Selbsterkenntnis führen. Obwohl diesbezügliche Forschungen schon in der griechischen Antike begonnen hatten, gingen sie doch nur langsam voran und nahmen erst im 19. Jahrhundert bedeutende Formen an. Erst zu dieser Zeit hatte die Wissenschaft eine realistische Vorstellung von den Nervenzellen gewonnen, von deren Zellkörpern und den Verlängerungen, dem verzweigten "Protoplasmafortsatz". Die Nervenzelle oder das Neuron wurde als Grundelement der Gehirnsubstanz erkannt. Im 20. Jahrhundert sodann entdeckte man - dank des Einsatzes von Mikroelektroden - die Existenz verschiedener Zentren im Gehirn, die für ganz bestimmte Funktionen zuständig sind. Bei diesen Forschungen offenbarte sich das Gehirn als wahres Wunderwerk: Es besteht aus einer Anhäufung von ungefähr 100 Milliarden Zellen oder "Neuronen". Jede Zelle kann Signale von 10.000 anderen Neuronen erhalten. Die Gesamtzahl der möglichen Verbindungen und Anschlüsse - was der Arbeitsmöglichkeit des Gehirns entspricht - ist so hoch, daß es unser Vorstellungsvermögen übersteigt. Ein Wissenschaftler hat einmal geschätzt, daß man, um sie alle zu zählen, eines pro Sekunde, 32 Millionen Jahre dafür brauchen würde! Diese faszinierenden Entdeckungen paßten natürlich sehr gut zu jener mechanistischen Theorie des Lebens, die im 17. Jahrhundert ihren Ursprung fand und unser abendländisches Denken bis heute prägt. Dieser Auffassung zufolge ist die Welt mit einer Maschine vergleichbar, innerhalb derer der Mensch zwar über eine "Seele" oder "Psyche" verfügt, diese wird aber eben mit dem Wirken des Gehirns gleichgesetzt. Jedes menschliche Erleben ist demnach nichts weiter als ein Wechselspiel einiger "grauer Zellen" unter der Schädeldecke. Wer diese Theorie jedoch kritisch hinterfragt, merkt schnell, daß die Aussage, das Gehirn sei wirklich der Sitz unserer Persönlichkeit und unseres Bewußtseins, keineswegs erwiesene Tatsache, sondern nur eine Vermutung ist. Man beginnt zu wissen, wie unser Gehirn arbeitet, man legt Definitionen für "Bewußtsein" fest, aber man weiß nicht, was es ist. Unsere Lebenserfahrungen stehen der Annahme, daß Bewußtsein etwas Körperliches ist, jedenfalls völlig entgegen. Jeder Mensch erlebt sich selbst als ein unteilbares Ganzes, das an keinem bestimmten Organ, nicht einmal am physischen Körper, festzumachen ist. Man sagt: "Mein Körper tut mir weh!" Und man erlebt sein "Ich" unabhängig von jedem Alterungsprozeß der Körperzellen als sich stets gleichbleibend. Aber wer ist dieses "Ich", diese offenbar "übergeordnete Instanz", die sich ihrer selbst bewußt sein kann und die sich des Gehirns vielleicht nur als "Werkzeug" bedient? Wo ist der Geist in der Maschine? Diese Frage stellt sich beispielsweise auch in jenen Fällen, bei denen nach der Zerstörung eines Gehirnzentrums an einem anderen Ort der Gehirnmasse ein neues entsteht, das die Funktion des alten übernimmt. So können beispielsweise Menschen, die nach einem Gehirnschlag - als Folge der irreparablen Schädigung des betreffenden Zentrums - das Sprechvermögen oder die Fähigkeit, gewisse Glieder zu bewegen, verloren hatten, die Sprache oder ihre Bewegungsfähigkeit wiederfinden. Die Annahme, mit dem menschlichen Bewußtsein stehe, abgesehen vom Gehirn, noch etwas anderes, Übergeordnetes in Zusammenhang, mag vorerst etwas befremdlich anmuten. Denn, so kann man sich fragen, was soll es noch Höheres geben als das Gehirn? Welches andere Organ in unserem Körper vermag zu denken, zu rechnen, verfügt über ein Vorstellungsvermögen und ist vernunftbegabt? Aber ist es tatsächlich das Organ, das sich etwas vorstellt, das selbst vernünftig ist und bewußt rechnet und denkt? Alle großen Religionen gehen davon aus, daß der Mensch nicht nur sein Körper ist, sondern eine Gesamtheit, die auch Geist und Seele umfaßt. Auch in der Medizin war dies bis vor wenigen Jahrhunderten durchaus eine Selbstverständlichkeit. Es änderte sich erst, als man irrtümlicherweise glaubte, durch das "Zerlegen" des physischen Körpers in "Einzelteile" und Erforschung derselben auch das Individuum als Ganzes erfassen zu können. Nun stellt man sich natürlich unter , Geist" heute recht unterschiedliche Dinge vor. Das Wort wird einerseits als Sammelbegriff für verstandesmäßig bzw. intellektuelles Wirken benutzt. Andererseits wird damit alles das umschrieben, was man als "übernatürlich" ansieht, wie Geister- oder Spukerscheinungen. Die Worte "geistlich" oder "Geistlicher" wiederum weisen auf das Religiöse, Spirituelle hin. Und schließlich, in der Unterscheidung zwischen Naturund Geisteswissenschaft, wird "geistig" als nicht-materiell, vielleicht auch als ideell verstanden. Die Tatsache, daß in der deutschen Sprache (im Gegensatz etwa zum Englischen, wo man zwischen "spirit" = geistig, spirituell; "ghost" - Spukerscheinung und "brain", "mind", "intellect" = Verstand, Intellekt unterscheidet) für so unterschiedliche Gegebenheiten ein und dasselbe Wort verwendet wird, deutet wohl auf ein breites Unverständnis für alles Geistige hin. Im hier gemeinten Sinn ist der menschliche Geist die Grundlage unseres Ich-Bewußtseins und gleichbedeutend mit unserem inneren Kern. Geist ist eine Beschaffenheit eigener Art, die jeder nur in sich selbst erleben kann. Während unseres Lebens auf der Erde ist der Geist, sind wir, in den physischen Körper "inkarniert". Wir sind diesem Körper also verbunden und benutzen und führen ihn durch unseren Willen, der zum geistigen Bewußtsein gehört. Kraft des Geistes erleben und empfinden wir auch - und bewegen uns als Menschen damit bewußt und in aller Selbstverständlichkeit stets auch auf Ebenen jenseits aller Gehirntätigkeit. Nach dem Tod zersetzt sich der physische Körper, nicht jedoch der immaterielle Geist, für den der Körper nur eine Art schützende Hülle war, unter der er reifen kann, unter der sich also alle menschlichen Fähigkeiten entwickeln sollen. Der Geist führt in umfassender Form das Gehirn, wobei er natürlich seinerseits in hohem Maße von der Funktionsfähigkeit dieses Organs abhängig ist. Unser Gehirn wird oft mit einem Computer verglichen. Die Funktionsweisen beider sind einander aus einem bestimmten Blickwinkel ähnlich. Dennoch aber handelt es sich bei Gehirn und Computer um Werkzeuge, wenn auch unterschiedlicher Rangordnung: Das Gehirn soll dem Geist, der Computer dem Gehirn dienen. Die Frage, wie nützlich ein Werkzeug ist, beantwortet immer der, der es benützt. Im Falle des Computers ist es der Informatiker, im Falle des Gehirns der Menschengeist. In beiden Fällen aber übersteigen die Fähigkeiten der "übergeordneten, führenden Instanz" bei weitem die Möglichkeiten des Werkzeuges. Der Mensch kann erfinderisch und schöpferisch sein, er kann improvisieren, intuitiv handeln, inspiriert werden. Er ist fähig, die Musik zu lieben oder seinen Nächsten, er kann sich für ein Ideal entflammen oder seinen Schönheits- und Gerechtigkeitssinn entwickeln. Er kann Ausdauer zeigen, sich Mühe geben, mutig sein, usw. - alles Eigenschaften, die der funktionalen Wirkungsweise eines Computers - und auch unseres Gehirns - völlig fremd sind ... Will man das menschliche Bewußtsein tatsächlich verstehen lernen, so gilt es, die lange Geschichte jenes Irrtums zu überwinden, der die Psyche im Körper sucht: Der Geist ist das Zentrum des Menschen, das Gehirn nur sein Werkzeug. DEIN IST MEIN GANZES HERZ Mit der Herzverpflanzung erreichte die Organentnahme einen vorläufigen Höhepunkt "Dein ist mein ganzes Herz!" - Vor wenigen Jahren noch war dies eine Liebeserklärung, heute könnte es der Inhalt einer letztwilligen Verfügung sein. Denn wieder ist eines der großen Tabus der Menschheit gefallen. Nur wenige medizinische Großtaten der jüngeren Zeit aber haben so weltweite Beachtung gefunden wie die Herzverpflanzung. Sie hat aber auch den Anstoß dazu gegeben, den gesamten Problemkreis der Organentnahme auf zurollen. Dr. Richard STEINPACH beleuchtet die Hintergründe einer besorgniserregenden Entwicklung, die mit der Herzverpflanzung einen vorläufigen Höhepunkt fand. DIE BESONDERHEIT DES HERZENS So sehr man im Zusammenhang mit der Herztransplantation darüber staunen mag, was der Medizin schon alles möglich ist, so wird man dieses Fortschritts nicht recht froh. Das Bewußtsein, daß selbst das pulsierende Zentrum unseres Leibes, dessen Schlag fühlbares Leben ist, austauschbar sein soll wie der Motor eines Kraftfahrzeugs, greift uns - im vollen Sinne des Wortes - ans Herz. Gerade die Herzverpflanzung wirft Fragen auf, die tief in das Wesen menschlicher Natur und menschlichen Daseins führen. Die Wissenschaft und die Berichterstattung haben hierum einen großen Bogen gemacht, sie betäuben uns mit dem vermeintlichen Erfolg. Die dahinterstehenden, aus dem Zusammenhang der Allnatur aufsteigenden Bedenken wollen sie nicht sehen. In dieses Niemandsland fehlender Überlegungen sei hier vorzustoßen versucht. Wir wissen, daß unser Blut, ja daß unsere Organe innerhalb gewisser Grenzen austauschbar sind. Woraus also ergibt sich das besondere Interesse, das die Ausweitung dieser Erkenntnis auch auf das Herz hervorgerufen hat? Liegt die Ursache etwa in der romantischen Verklärung, die das Herz seit frühester Zeit umgab? Dichtung und Vorstellung haben es zum Sitz der Empfindung gemacht, stets galt es als Inbegriff des Wertvollen, Hohen. Schon die alten Ägypter bezeichneten den "vollkommenen Geist" mit dem gleichen Worte wie "das Herz", und auf den Tempelpyramiden des Aztekenreiches wurde das zuckende Menschenherz den Göttern als Opfer dargebracht. Zahlreich sind noch heute die sprachlichen Bilder, die in Beziehung zum Herzen stehen: "Es kommt von Herzen", "es geht uns zu Herzen", es ist uns "leicht oder schwer ums Herz", wir "beherzigen einen Rat" oder "handeln beherzt", und Herzlichkeit ist schönster Ausdruck aufgeschlossenen Menschentums. Die Sprache hat stets einen feinen Sinn für das Verborgene bewiesen. Hat sie sich diesmal täuschen lassen? Sind wir, was das Verhältnis zum Herzen betrifft, zu sehr belastet von jahrtausendealter Tradition, von fortgeschlepptem Aberglauben und Unwissenheit, von denen wir uns endlich freiringen müssen? Denn das Zeitalter der Ernüchterung ist angebrochen. Ist es da nicht Zeit, auch den Mythos des Herzens zu zertrümmern? Fragen wir zunächst: Was ist denn das Herz? Für den Mediziner ist es ein Hohlmuskel mit Pumpenfunktion. Gegliedert in rechte und linke Seite, deren jede Vorkammer und Kammer umfaßt, dient es der Blutversorgung des Körpers. Aus der linken Herzkammer wird das reine, sogenannte arterielle Blut, das dünnflüssig ist, ausgepreßt. Es verästelt und verzweigt sich von dort bis in die feinsten Kapillaren, wobei es die Zellen versorgt und nährt. Dabei nimmt es die Rückstände ihres Stoffwechsels auf, wird solcherart dunkler und dickflüssiger und kehrt als sogenanntes venöses Blut in die rechte Vorkammer zurück. Doch noch ist sein Weg nicht zu Ende. Über die rechte Herzkammer wird es neuerlich ausgepreßt, gelangt in die Lunge, wird dort gereinigt und mündet, wieder hell und arteriell geworden, in die linke Vorkammer ein. Jetzt erst ist der Kreis geschlossen; es kann seinen Lauf erneut beginnen. Mit der Betrachtung dieses Körpergeschehens sind wir schon inmitten des Wunderbaren. Denn was sich uns hier zeigt, ist ein gewaltiges Schöpfungsgesetz, das da lautet: Alles Lebendige bewegt sich im Kreise, alles muß wieder in den Ursprung zurück. Diesen Kreislauf sehen wir im Wandel der Gestirne, in den Jahreszeiten, in Tag und Nacht. Wir kennen ihn vom Fluß des elektrischen Stromes und vielen weiteren Tatsachen der Naturwissenschaft. Dieses Gesetz in uns wiederzufinden, zeigt uns, daß wir zwar Teil im Ganzen, doch zugleich ein in sich kreisender Kosmos sind. In unserem Körper gliedert sich der Blutumlauf nun in zwei deutlich voneinander geschiedene Teile, die erst zusammen ein Ganzes ergeben: in den sogenannten "großen" Körperkreislauf, der der Versorgung der Zellen, und den sogenannten "kleinen" Lungenkreislauf, der der Reinigung des Blutes dient. Die Bezeichnungen "groß" und "klein" machen freilich die ichbezogene Beengtheit unserer Betrachtungsweise, unser Verhaftetsein am Stofflichen deutlich. Denn während der vermeintlich "große" Körperkreislauf durch das Leibliche begrenzt ist, öffnet sich der scheinbar "kleine" Kreislauf über die Lunge ins Unendliche. Von allen Elementen ist es aber gerade die Luft, die - schon ihrer Beschaffenheit nach etwas vom Atem des Ewigen trägt, seine Wesenlosigkeit ahnen läßt. Über den Lungenkreislauf also nimmt unser Ich teil an einem unbegreiflichen Kraftstrom und siehe: er reinigt und erneuert die kreisenden Säfte unseres Leibes. Sehen wir das in uns abrollende Geschehen so, in seinen richtigen Größenverhältnissen, so wird uns zugleich ein Ahnen von der Winzigkeit des eigenen Ichs gegenüber den unermeßlichen Weiten, in die wir gnädig eingebettet sind. Versuchen wir deshalb, uns ein wenig von dem stofflichen Bild zu lösen und den geistigen Hintergrund des in uns wirkenden Gesetzes zu erkennen. DAS HERZ: EIN ABBILD DES GRALS In der Gralsbotschaft von Abd-ruTshin wird unter anderem auch erklärt, was unter dem Heiligen Gral zu verstehen ist. Er sei, so heißt es dort (Vortrag "Der Heilige Gral"), nicht die Abendmahlschale, in der das Blut Christi gesammelt wurde. Diese Deutung sei nur entstanden, weil man eben Heiligstes, das es auf Erden gab, mit dem Heiligen Gral in Verbindung brachte. Tatsächlich befinde sich die Gralsburg an der Spitze der - begrenzten Schöpfung; sie stelle, teils zum einen, teils zum anderen gehörig, die Verbindung zum ewigen Strahlungsbereich des Allmächtigen her, und durch sie, über den Heiligen Gral, in dem es "ununterbrochen wallt und wogt wie rotes Blut", ergießt sich immer wieder aufs neue die lebenserhaltende Gotteskraft bis in die fernsten Weiten der Schöpfung. Müssen wir nicht, wenn wir es recht überlegen, zugeben: Unser Herz hat innerhalb unseres Körpers - vergröbert - eine ähnliche Stellung. Es verbindet den ins Unendliche weisenden Lungenkreislauf mit der begrenzten Schöpfung des Körpers und dessen Kreislauf. Auch im Herzen ist ein ständiges Wogen und Wallen, mit jeder seiner Bewegungen treibt es den nährenden Blutstrom hinaus in den Kosmos unseres Leibes, dessen Erschauern wir noch im Pulsschlag fühlen können. Nun wissen wir schon aus der ParzivalSage, daß alles Lebendige welken, verdorren und sterben müßte, wenn der Segensstrom aus dem Grale ausbliebe. Erginge es unserem Körper nicht ebenso, würde der Blutstrom nur zögernd fließen oder letztlich versiegen? Ist nicht jeder Schlag unseres Herzens eine erneute Ausgießung heiliger, lebenspendender Kraft? Eine Kreislaufstörung, ein Kreislaufversagen, ein Herzinfarkt was sind sie für die betroffenen Teile anderes als Unterbrechung der Verbindung zur Quelle des Lebens? Auch im Abbild setzt gerade im Herzen das unbegreifliche Wunder des Lebens ein. Denn erst sein abwechselndes Zusammenziehen und Erweitern bewegt das Blut, hält den Kreislauf in Gang. Was aber veranlaßt das Herz zu seinem Schlagen? Hier stehen wir vor dem Unergründlichen: Was immer wir erkennen, begreifen können, sei es der Schlag unseres Herzens, der Strom unseres Blutes, seien es chemische Vorgänge verschiedenster Art, sie alle sind nur Bewegung, nichts als Bewegung. Diese Bewegung aber ist ihrerseits nur sichtbare Auswirkung einer außerhalb unserer selbst, ja außerhalb aller Schöpfungen seienden Ursache, die allein "das Leben" ist, weil nur sie es in sich trägt. Das Herz nun ist es, das die Verbindung zu ihr hält, das ihre Kraft für uns in jedem Erdenaugenblicke sichtbar, fühlbar macht. Und wie sind wir doch den Gesetzen dieser Urkraft eingeordnet! Rund 72 mal in der Minute schlägt unser Herz, das ist 103.680ma1 am Tag. 103.680 aber ist 4ma1 25.920, das ist jene Anzahl von Jahren, die die Sonne benötigt, um einmal den Tierkreis zu umwandern. Man nennt diese Zeit das "kosmische Jahr". Im Verlaufe eines einzigen Tages hat unser kleines, hastiges Menschenherz gleichsam vier kosmische Jahre lang geschlagen. Über das Herz aber steuern wir auch den uns anvertrauten Kosmos unseres Körpers, prägen wir ihm unser Empfinden auf. Sinnenhaft werden unsere Seelenregungen am Herzen fühlbar, wird das Strömen des Blutes dadurch gedrosselt oder erleichtert. So krampft sich im Leid "das Herz zusammen", so macht die Freude "das Herz uns leicht". Unsere Sprache hat nicht gelogen: Wir öffnen oder verschließen uns der erhaltenden Kraft durch die Art dessen, was uns zuinnerst bewegt. Wunder über Wunder begibt sich um das menschliche Herz. MENSCH UND MACHBARKEIT Welchen weltentiefen Sturz bedeutet es, wenn wir uns nun wieder dem Ausgangspunkt unserer Betrachtung zuwenden: der Tatsache, daß sein Herz nicht mehr allein dem Einzelmenschen gehören soll, daß es vielleicht in fremder Brust einmal schlagen kann. Es hat doch alles so "harmlos" begonnen mit der Ubertragung von Haut, Knochen, der Hornhaut, der Niere - jetzt wurde eben auch das Herz mit erfaßt. Aber ist damit das Ende solcher Vorgehensweisen erreicht? Schon vertauscht man die Köpfe von Hunden und Affen, schon züchtet man doppelköpfige Monstren. Auch diese entartete Wissenschaft leitet die Rechtfertigung für ihre Versuche und das damit verbundene Leid der geschändeten Kreatur von der künftigen Anwendbarkeit auf den Menschen ab. Schon finden wir etwa bei Gordon Rattrey Taylor ("Die biologische Zeitbombe", S. Fischer Verlag) Sätze wie diesen: "Die Aufgaben der technologischen Zivilisation erfordern Hände mit Fingern, die einen Knopf drücken. Es erscheint daher logisch (!), Affen mit menschlichen Abfallhänden auszurüsten. Wenn dann vielleicht auch weniger hochstehende Tiere wie Hunde sich für solche Aufgaben geeignet erweisen sollten, könnte man diese Tiere mit menschlichen Armen und sogar mit Füßen versehen. " Der gleiche Autor scheut nicht davor zurück, die Vision der Kreuzung von Menschen und Tieren, der mechanisierten Menschen, ja sogar von in Maschinen eingebauten menschlichen Gehirnen als erstrebenswerte Forschungsziele hinzustellen und daran die zynische Feststellung zu knüpfen: "Eines Tages wird es vielleicht unmöglich sein zu unterscheiden, ob man zu mechanisierten Menschen oder zu humanisierten Maschinen spricht. Und man wird nur mit Schwierigkeiten wissen, wer man selber ist. " Wenngleich uns auch die unverrückbare Ordnung der Schöpfung von der Verwirklichung solchen Wahnsinns schützt - ist es nicht entsetzlich genug, daß dergleichen überhaupt gedacht wird, daß Menschen auf dieses Ziel hinarbeiten? Diese Entwicklung zwingt uns gebieterisch zur Frage: Sind wir, die wir meinen, eigene, vom anderen verschiedene Persönlichkeiten zu sein, wirklich nicht mehr als die Summe unserer körperlichen Teile, die Stück für Stück immer mehr für Allgemeingut gehalten werden? Der Streit um die Zweiheit von Geist und Körper reicht bis in unsere Tage. Mehr denn anderswo gilt hier das Goethewort: "Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nie erjagen. " Aber immer weniger wird uns erlaubt, diese Frage einfach beiseite zu schieben, uns hinter der vermeintlichen Unmöglichkeit ihrer Lösung zu verschanzen. Selbst der Gehirnforscher und Nobelpreisträger Sir John Eccles bekennt sich zu der Überzeugung, " daß es etwas gibt, was ich den übernatürlichen Ursprung meines einmaligen, sich seiner selbst bewußten Geistes oder meiner einmaligen Individualität oder Seele nennen möchte" (Eccles/Zeier: "Gehirn und Geist", Kindler Verlag). Wenn Gordon Rattrey Taylor in dem schon genannten Buche die Meinung äußert: "Der Körper ist nur eine Maschine, die wir fahren", so ist ihm damit das Zugeständnis entschlüpft, daß unser eigentliches Ich nicht mit diesem Körper gleichzusetzen ist, und Sir Charles Sherrington, der als einer der bedeutendsten Neurologen unseres Jahrhunderts gilt, räumte ein: "Daß unser Wesen aus zwei fundamentalen Elementen bestehen soll, hat -wie ich glaube keine größere Unwahrscheinlichkeit für sich als die Ansicht, es bestehe nur aus einem solchen Element. Wir müssen wohl davon ausgehen, daß die Beziehung zwischen Geist und Körper ein immer noch ungelöstes Problem ist. " Das ist ein sehr einsichtsvolles Wort, es genügt vollauf für diese Betrachtung. Es würde erfordern, daß wir darnach handeln. Die Rechtsordnung kennt den Grundsatz "Im Zweifel zugunsten des Angeklagten"; er soll uns davor bewahren, aus mangelnder Kenntnis Unrecht zu tun. Hier in der Medizin aber begibt sich das Ungeheuerliche: Ohne jegliche Scheu vor dem Zweifel experimentieren wir an dem uns zugänglichen Teil einer - zumindest nicht ausschließbaren - viel weiter reichenden menschlichen Ganzheit herum. AN DER SCHWELLE DES TODES Ein Eingriff wie die Herztransplantation ist ein Balanceakt auf schmalem Grat: innerhalb weniger Minuten nach dem Stillstand des Spenderherzens muß die Entnahme erfolgen. Hier muß sich doch die Frage stellen: Ist der Mensch, dessen Herz noch vor Minuten den Dienst versah, wirklich schon tot? Wir werden solcherart gezwungen, über das Wesen des Todes nachzudenken. Was aber wissen die Menschen wirklich davon? Wie einfach war es doch früher einmal gewesen: Das Herz stand still, die Atmung setzte aus, folglich war der Mensch tot. Inzwischen hat man erkennen müssen, daß selbst "klinisch Tote" wieder ins Leben zurückkehren können. Professor Nissen sagte in der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft": "Der scharfe, eindeutige Übergang vom Lehen zum Tod ist mit den modernen Erkenntnissen von Medizin, Biologie und Technik wieder unscharf und problematisch geworden. Wie bei den antiken Griechen stößt der Lebensnachen diesseits des Lebens an und legt einen dunklen, unüberschauharen Weg zurück. " Der Mensch erscheint für die Wissenschaft also wie ein Eisberg: nur der kleinste Teil ist sichtbar, das meiste liegt im Verborgenen. Doch so wie bei einem Eisberg müssen wir auch hier versuchen, den Verlauf jenseits des Sichtbaren zu ergründen, wenn wir nicht Schiffbruch erleiden wollen. Nach unserem Sprachgebrauch tragen wir die "sterbliche Hülle" eines Abgeschiedenen also nicht diesen selbst - zu Grabe. Mag dies für viele auch zu einer sinnentleerten Redensart geworden sein, so steckt in solchen Bildern oft ein verlorenes Wissen. In den Schilderungen derer, die sich mit dem Phänomen des Todes befaßten, findet sich seit urdenklichen Zeiten die wiederkehrende Behauptung von einem gleichsam verfeinerten Menschenbild. Solche nebelhaften Körper wurden wiederholt erschaut, sie liegen dem Begriff des "Gespenstes" zugrunde. Es wäre zu bequem, sie einfach in das Gebiet des Okkulten abzuschieben und damit aus allen Erwägungen auszuklammern. Wenn "okkult" alles ist, vor dem wir die Augen verschließen, dann wäre für den Vogel Strauß jeder Gegner "okkult", vor dem er den Kopf im Sande versteckt. Ist aber schlechthin "okkult", was wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können, dann waren Magnetismus, Elektrizität, Wellenlehre, Plasmaphysik durchwegs Erscheinungen der okkulten Welt, ehe wir die Mittel zu ihrer Entdeckung fanden. Die Grenze ist also ständig fließend. Nach der Begriffsbestimmung des Lexikons ist Okkultismus "die Lehre von den noch verborgenen Dingen, richtiger das Bestreben, Verborgenes unwissenschaftlich zu erforschen und aufzuklären ". Nehmen wir diesen Begriff also nicht zum Vorwand, verschanzen wir uns nicht hinter dem Wort "okkult" wie hinter einem Rolladen, der das Licht hindern soll, zu uns zu dringen. Geben wir zu, daß es dem Menschen unangenehm ist, an die einzig feststehende Tatsache seines Erdendaseins, den Tod, gemahnt zu werden und daß er deshalb - auch aus Scheu vor der Verantwortung zumeist gar nicht erfahren will, was jenseits dieser Schwelle liegen mag. Die stets gleichbleibenden Hinweise auf verfeinerte Körperformen sollten uns also zumindest zu denken geben. Schon oft hat der Mensch erfahren müssen, daß alte, belächelte Vorstellungen und Mythen sich als richtig erwiesen haben. Selbst wenn man den Zweiflern weitergehend entgegenkommen wollte, so müßte man sagen: Die Wahrscheinlichkeit, daß es auch beim Menschen - wie bei der Materie - hinter der äußeren Erscheinungsform "noch etwas gibt", ist zumindest um nichts geringer als jene des Gegenteils. Wäre man daher nicht verpflichtet, dies wenigstens in die Überlegungen einzubeziehen? Wir wissen doch, daß jedes Ding seine eigene Strahlung hat. Strahlung ist das Wesen unseres Sehens, auf Strahlung beruht die Photographie. Die Natur aber macht bekanntlich keine Sprünge, eines reiht sich bruchlos ans andere. Als sinnfälligster Ausdruck dieses Naturgesetzes kann uns der Regenbogen erscheinen. Denn das Licht, aus dem alles und jedes wird, geht - muß es sein Geheimnis enthüllen - fließend in vielerlei Zwischenstufen von einer Farbe zur anderen über. Und gerade im körperlichen Bereich erleben wir doch bei der Bluttransfusion, bei der noch zu behandelnden Reaktion der AntiKörper, daß sich nur Ähnliches miteinander verbinden kann. Es widerspricht daher keinem Erfahrungsbild, wenn unser Erdenkörper eines ihm ähnlichen, etwas verfeinerten Mittlers bedarf, um so Erdenfernes wie den Geist durch Strahlung an sich binden und halten zu können. Im Schlafe wird nun diese Strahlungsverbindung gelockert. Die Lebensfunktionen und die Körpertemperatur sind herabgesetzt, was zwangsläufig auch seine veränderte Ausstrahlung bewirkt. Ähnlich ist es bei Krankheit und erst recht in Agonie. Und hat der Kreislauf aufgehört, ist also der Tod eingetreten, so beginnt die Körpertemperatur unaufhaltsam zu sinken, der Leichnam wird kalt und erstarrt. Wer will daran zweifeln, daß die Ausstrahlung dieses erkaltenden Körpers sich ständig verändert, immer schwächer und kraftloser wird? Von den Bindekräften gelöst, strebt dann der Geist als einzig lebendiger Teil in seiner verfeinerten Umhüllung von diesem Erdenkörper weg, ähnlich einem Luftballon, dessen Leichtigkeit ihn steigen läßt, wenn die Hand ihn nicht mehr hält. Bei vielen hochstehenden alten Völkern sowie bei den Naturvölkern gibt es genaue Vorschriften über die Zeit, die zwischen dem Tode eines Menschen, der Beisetzung und gar der Zerstörung seines Leibes, zumeist durch Feuer, vergehen muß. Diese Frist erstreckt sich mitunter auf mehrere Wochen, ja, sogar Monate. Das erscheint bemerkenswert, denn gerade jene Völker, die ihr Leben den Gesetzen der Natur eingeordnet haben, wissen manchmal mehr als der so "moderne" westliche Mensch, für den nicht existiert, was er nicht kennt. In der Beachtung derart bestimmter Fristen steckt jedenfalls die Kenntnis davon, daß der Vorgang des SichAblösens des eigentlichen Menschen vom Erdenkörper, wie alles im Naturgeschehen, allmählich erfolgt, seine Zeit benötigt. Diese Zeit wird um so länger sein, je mehr der Menschengeist, seiner eigenen Beschaffenheit entgegenwirkend, sich an den Erdenkörper anzuklammern sucht. Da heute der Großteil der Menschen unserer Zonen seine Ziele vorwiegend im Irdischen sieht, kann angenommen werden, daß die Trennung vom Erdenkörper meist nur zögernd vor sich gehen kann. DER GEIST SPÜRT DEN "TOTEN KÖRPER“ Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zurück zur Organverpflanzung. Nur wenig Minuten stehen nach dem Aussetzen des Kreislaufs für eine Entnahme zur Verfügung. In dieser Zeit ist in keinem Falle schon die Lösung des Geistes in seiner zarteren Hülle von dem Erdenkörper erfolgt. Gerade der Umstand, daß die Zellen erst nachher abzusterben beginnen und eben dies noch nicht eingetreten sein darf, beweist, daß ein zwar nicht mehr in Funktion befindliches, aber doch noch belebtes Organ entnommen werden muß, um anderweitig seinen Zweck noch erfüllen zu können. Selbst der nicht zimperliche Gordon Rattrey Taylor spricht in diesem Zusammenhang von "Kannibalen Methoden". Mit dem ärztlicherseits festgestellten Tod ist ja erst jener Augenblick erreicht, ab welchem die stofflich faßbaren Bewegungsvorgänge im Erdenkörper zum Ende gelangen. Verbunden aber ist der Geist noch immer damit und spürt mehr oder weniger stark einen solchen Eingriff. Die Wissenschaft aber hält sich nicht einmal diese "Möglichkeit" vor Augen: Sind die Behauptungen über den Vorgang des Todes richtig - und nichts außer menschlichem Eigensinn spricht dagegen - so werden noch fühlenden Menschen die Herzen entnommen. Die vielgerühmten Helden der Medizin besitzen, so betrachtet, eine peinliche Ähnlichkeit mit den Priestern des Quetzalcoatl und Tetzcatlipoca. Jene opferten die zuckenden Menschenherzen den Göttern, diese dem Moloch blindwütiger Wissenschaft. RETTUNG VON MENSCHENLEBEN? Nun mag man vielleicht einwenden: Was wiegt das alles gegenüber der Rettung eines Menschenlebens? Aber kann die Sorge um dieses Leben überhaupt noch ernst genommen werden von einer Menschheit, die den millionenfachen Tod für sich bereithält und schon den Eintritt ins Erdenleben chemisch "vermint"? Nur wenige von den Patienten, denen fremde Herzen eingepflanzt wurden, haben für längere Zeit überlebt. Ursache dessen ist vor allem, daß der Körper das fremde Organ wieder abstoßen möchte. Das scheint mir das erfreulichste Ergebnis auf diesem Gebiete zu sein. Es zeigt, daß der Mensch nicht beliebig vermengt werden kann. Unser ureigenstes Wesen findet sich nicht nur in unserem geistigen Ich, es ist jedem Tropfen unseres Blutes, jeder Zelle unseres Körpers eingeschrieben. Schon die Alten wußten dies: Es ist der unaustauschbare, unterschiedliche Geist, der sich den ihm gemäßen Körper bildet. Haben wir das unverwechselbare Merkmal jedes Menschen im Fingerabdruck nicht schon längst erkannt? Wissen wir nicht, daß nur sehr ähnliches Blut übertragen werden kann? Weshalb denn wohl? Keinem Automechaniker käme es in den Sinn, in einen Mercedes einen VW-Motor einzubauen. Er wird nicht nur die Marke, sondern auch Modell und Typ, beachten und bedacht sein, das rechte Ersatzteil zu nehmen. Nur beim Menschen, meint man, spiele dies keine Rolle. Und wenn die Natur sich gegen eine solche Vergewaltigung aufbäumt, so knüppelt man sie zum zweiten Male nieder. Mit chemischen Mitteln bekämpft man die Abwehrreaktion, zwingt man den Körper, etwas anzunehmen, was er nicht haben will. Ein solcher "Sieg" über die Natur gilt dann als wissenschaftliche Großtat. Doch auch für den Patienten selbst ist dieser "Erfolg" sehr fragwürdig. Der Mercedes mit dem VW-Motor, mag er auch recht und schlecht fahren, wird eben doch kein Mercedes mehr sein. Und wenn die Persönlichkeit unseres eigenen Ichs in der Anordnung des "genetischen Codes" jeder Zelle unseres Körpers eingeprägt ist, so geraten Geist und Körper in Widerspruch, wenn der Geist, um des fremden Organes willen, nicht mehr den ihm entsprechenden Körper bilden darf. Ehe der Kugelschreiber erfunden wurde, galt es als Grundsatz, man solle eine Füllfeder nicht verborgen. Die von einer Person geformte Feder könnte in fremder Hand Schaden leiden, es sei denn, der neue Benützer würde seiner Schrift, die Ausdruck der Persönlichkeit ist, Gewalt antun, nur um die fremde Feder zu schonen. Genau das aber erzwingt man, indem man die Abwehrkräfte bekämpft. Die Frage nach dem Wert der Organverpflanzung mündet in die Frage nach dem Sinn des Lebens. Besteht er nur in der größtmöglichen Verlängerung irdischen Genusses? Der Menschengeist ist es, dem das Erdenleben die Entwicklungsmöglichkeit bietet. Die geistige Eigenpersönlichkeit des Menschen muß dadurch zu immer klarerem Bewußtsein gelangen, um durch immer bessere Erkenntnis der Schöpfungsgesetze in ihrer Art dem Ganzen stets nützlicher werden zu können. Wird dem Geiste aber nicht erlaubt, er selber zu sein, so kann er diesem Ziele nicht näherkommen. Wie will nun die Wissenschaft beurteilen, was, nicht nur im Sinne irrender "Humanität", sondern wirklich dem Menschen nützt? Im Grunde ist sie doch ahnungslos: Sie weiß nicht, was eigentlich "Leben" ist; sie weiß nicht, was beim Tode geschieht; sie weiß nicht, wozu er sein Dasein führt. Dennoch aber wagt sie es, an diesem Geschöpf, dessen Wesen und Zweckbestimmung sie gar nicht kennt, zu experimentieren. Sie erweist sich damit im Grunde als verantwortungslos. Mag es auch in letzter Zeit um die Herzverpflanzung wieder recht still geworden sein, mag auch das "Kunstherz" sie schließlich ersetzen, so ist und bleibt sie doch ein besonders bemerkenswertes Beispiel einer viel weiter reichenden Entartung. Das Verlangen, die Welt um uns zu ergründen, ist dem Menschen tief eingewurzelt. Die Entdeckungen, die wir machen dürfen, sollten uns dahin führen, die Weisheit des Schöpfers immer besser verstehen zu lernen, um in bewußter Einordnung zu geistigem Aufstieg zu gelangen. Wir dürfen die Naturgesetze nützen, nicht aber sie zu verändern oder gar zu verbessern suchen. Bei Gordon Rattrey Taylor finden wir die banale Feststellung: "In einer menschlichen Gesellschaft sind so gut wie alle Einzelgebiete miteinander verknüpft, so daß man nicht irgend etwas ändern kann, ohne auch andere Bereiche zu treffen. " Ja, gilt das für die Natur etwa nicht? Wie ein Kind im Ameisenhaufen stochern wir in dem feinstens abgestimmten Ablauf des Naturgeschehens herum und haben in uns und um uns seine Ordnung gestört. Dann wundern wir uns, wenn die gepeinigte Natur zurückschlägt und wir aus der Wirrnis selbstgeschaffener Probleme keinen Ausweg mehr finden. ZUG DER LEMMINGE Im Norden gibt es Tiere, die Lemminge, die aus ungeklärter Ursache plötzlich als ganzes Rudel dem Abgrund zurennen und sich unaufhaltsam zu Tode stürzen. Es hat den Anschein, als wäre die Menschheit im Begriffe, es ihnen gleichzutun. Denn wir allein waren und sind es, die uns selbst und unser künftiges Leben auf dieser Erde in Frage stellen und nun die Rückwirkung dessen erfahren: Wir zerstören die natürlichen Grundlagen unseres Daseins, wir fordern Enthemmung, nehmen Rauschgift, wir manipulieren unsere Körper und unsere Gefühle und träumen davon, die Geschöpfe "umzumontieren". Wir beugen uns dem Götzen technischer Fertigkeit und bringen uns selbst ihm zum Opfer dar. Wir fliegen zum Mond, nicht weil wir wüßten, was wir dort sollen, sondern weil es so herrlich den Dünkel nährt, der selbstgefällig sich blähen kann: Seht her, wer ich bin! Seht her, was ich kann! Bald ist mir, dem Menschen, nichts mehr unmöglich! Doch nicht Hochmut, sondern Demut tut uns not. Die Menschheit von heute gleicht dem Schüler im "Faust", der nicht erkennt, daß er den Teufel zum Lehrmeister hat. Wie dieser Schüler lesen wir mit stolzgeschwollener Brust, was der Lehrer ins Stammbuch schrieb: " Eritis sicut Deus" - Ihr werdet sein wie Gott! Aber wir überhören die Worte, die Mephisto im Hintergrund dazu murmelt: "Folg' nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange! Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!" · Mag man die Organtransplantation ans ethischen oder weltanschaulichen Gründen auch in Frage stellen, medizinisch betrachtet steht oftmals doch die Faszination des Machbaren im Vordergrnnd. Doch jener Weg, den man derzeit zugunsten einer sündhaft teuren Apparatemedizin geht, wird wohl irgendwann als unfinanzierbar in einer Sackgasse enden. Richard FUCHS hat recherchiert, was die Transplantationsmedizin tatsächlich kostet. "Das gesunde Geschäft mit den kranken Kassen" zählt mit 470 Milliarden Mark Jahresumsatz in Deutschland zu den stärksten Wirtschaftszweigen und liegt im europäischen Vergleich ganz vorne. Noch teurer und ineffizienter zugleich, mit einer Finanzierung in Höhe von etwa 14 Prozent des "Bruttosozialproduktes" (das ist der Wert aller im Inland erzeugten Güter und Dienstleistungen), ist das Gesundheitswesen in den USA, wo trotz der weltweit höchsten Ausgaben nur etwa 37 Prozent der Menschen krankenversichert sind und so an der medizinischen Versorgung partizipieren. Geld allein bietet keine Garantie für Gesundheit. Daß mit niedrigeren Ausgaben im Gesundheitswesen ein besserer Gesundhcitszustand der Bevölkerung erzielt werden kann, beweisen andere Länder mit der höchsten Lebenserwartung ihrer Bevölkerung, wie beispielsweise Italien oder Japan. Hierzulande haben gesundheitliche Schädigungen, die durch ärztliches Handeln bzw. durch Nebenwirkungen von Medikamenten verursacht wurden, ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Bei rund 25 Prozent aller Paticnten, die zum Beispiel als Folge einer Niereninsuffizienz dialyseabhängig werden, ging ein jahrelanger Schmerzmittelmißbrauch voraus, natürlich mit einem hohen Anteil an Selbstmedikation. Eine Dialysebehandlung wäre in etwa 50 Prozent aller Fälle vermeidbar oder erst viel später erforderlich, wenn auf Schmerzmittel verzichtet würde, diätetische Maßnahmen beachtet, der Lebenswandel geändert und Nierenschäden von Ärzten rechtzeitig erkannt und behandelt würden. Weil dies aber vielfach nicht geschieht, ist die Zahl der Dialysepflichtigen in Deutschland auf 47.000 angestiegen, mit einer jährlichen Steigerungsrate von sieben Prozent. Die Kosten für Dialyse und Organtransplantationen betragen in Deutschland ca. 4,7 Milliarden Mark! Der Gewinner dieser Fehlentwicklung ist in jedem Fall die Pharmaindustrie. Bis Ende 1995 hatte jedes deutsche Transplantationszentrum seine eigenen Abrechnungsmodalitäten. Selbst den einzelnen Verwaltungen war nur selten klar, welche Umsätze mit Transplantationen getätigt wurden oder wieviel eine Transplantation kostet. Diese Beliebigkeit sollte mit der Einführung der sogenannten "Fallpauschale" am 1.1.1996 ein Ende haben, denn bis dahin war die Datenlage in den einzelnen Transplantationszentren zur Ermittlung der durchschnittlichen Kosten für eine Transplantation völlig unzureichend: Von insgesamt 34 Zentren waren nur etwa fünf in der Lage, Zahlen zu liefern. Und auch Krankenkassen waren diesbezüglich überfordert. Das Bundesministerium für Gesundheit schätzte die Kosten für Organtransplantationen im Jahr 1995 auf insgesamt 400 Millionen Mark. Prof. Broelsch aus Hamburg nannte auf einer Tagung in Düsseldorf Umsätze von 10 bis 20 Millionen Mark pro Transplantationszentrum. Diese Angabe erscheint aber, was etwa die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf angeht, stark untertrieben. Denn wie hoch eine Rechnung ausfallen kann, zeigt folgender Fall: Am 8.12.1992 entschloß sich Gerhard E. aufgrund einer Leberzirrhose zu einer Lebertransplantation in der Universitätsklinik in Hamburg-Eppendorf - wie damals noch üblich, völlig uninformiert über die Begleitumstände und mögliche Folgen des Eingriffs. Die breite öffentliche Diskussion darüber, daß lebensfrische Organe nur von noch Lebenden entnommen werden können, hatte noch nicht stattgefunden. Und eine Aufklärung über die Nebenwirkungen der Transplantation, wie sie sonst bei Medikamenten für jeden Beipackzettel vorgeschrieben ist, fehlte - sie fehlt zum Teil auch heute noch. Nach zwei Wochen Martyrium auf der Intensivstation starb Gerhard E. am 23.12.1992 nach einer zunächst erfolgreich verlaufenen Operation. Er wurde innerhalb von zehn Tagen dreimal operiert - das letzte Mal, als er bereits im Sterben lag. Doch die Folgen einer Schimmelpilz-Verseuchung (Aspergillus fumigatus) auf der Intensivstation waren tödlich. Das Hamburger Abendblatt vom 5. 1. 1993) berichtete dazu: "Nach Einschätzung der Eppendorfer Arzte ist der Aspergillus fumigatus überall anzutreffen. Diese Verbreitung sei für jede Klinik ein Problem, das nicht zu lösen sei. Eine Qualitätskontrolle in der klinischen Medizin von seiten der Krankenkassen gibt es nicht." Gerhard E. (bzw. seiner Versicherung) wurden folgende Kosten in Rechnung gestellt: Klinik 224.509,70 DM Internist 5.765,50 DM Chirurg 29.620,20 DM Anästhesist 18.148,03 DM II. Anästhesist 7.018,80 DM an Labore, andere Ärzte 44.937,77 DM Summe 330.000,00 DM Für den Fall, daß Gerhard E. überlebt hätte, wäre die Rechnung noch höher ausgefallen: Übertrag 330.000,00 DM Sonderaufwand Intensivstation 56.000,00 DM Krankentransport. und Flug 5.500,00 DM Pflegesatz nur 3 Wochen 14.720,00 DM 406.220, 00 DM Dazu wären Arztkosten für drei Wochen Überwachung, die Kosten für die Reha-Klinik und für die Medikamente (ca. 15.000 DM jährlich!) gekommen. Die Jahresbilanz an Lebertransplantationen in Hamburg lag damals bei 80 - jedenfalls ein lukratives Geschäft für Professoren, Kliniken und Pharmaindustrie. Geht man davon aus, daß alleine in der Hamburger Universitätsklinik in der Folgezeit ca. 100 Lebertransplantationen mit einem durchschnittlichen finanziellen Aufwand von 400.000 Mark stattfanden, würde sich alleine aus diesem Geschäft cin Umsatz von 40 Millionen Mark ergeben. Prof. Manns rechnete im "Deutschen Arzteblatt" (12.6.1992) vor, daß in Zukunft "mit einer Bedarfszahl von 6.000 bis 7.000 Lebertransplantationen im Jahr in Deutschland gerechnet werden muß". Damals wurden 450 registriert. Um den wachsenden Bedarf an Lebern etwas besser decken zu können, ist man dazu übergegangen, die sogenannte "Splitleber" zu verpflanzen. Diese Methode erlaubt es, eine Leber zu halbieren, um mit den zwei Teilen auch zwei Patienten versorgen zu können. Gleichzeitig verdoppeln sich die Fallpauschalen. Das "Geschäft mit dem Skalpell" '' scheint auch in Zukunft ein "guter Schnitt" zu sein. Denn durch die Bedarfsweckung auf der einen und das knappe Angebot auf der anderen Seite entstand eine erhöhte Nachfrage nach Organen. Und so wird - laut Prof. Land, München das Organ "zum begehrten Besitz". Mit der Verknappung des "Ersatzteillagers Mensch" ist darum gutes Geld zu verdienen: Für die Transplanteure, für die Transplantationszentren und die Pharmaindustrie. Darum wird auch schon über die Frage diskutiert, wer denn Anspruch auf den Besitz menschlicher Organe haben könne. Darf sich der Chirurg das Organ wegen der zu erwartenden Wertschöpfung aneignen und es "bewirtschaften"? Soll es das Krankenhaus oder die Krankenkasse als Kostenträger und mit ihr die Solidargemeinschaft besitzen? Entscheiden die Distributions-Zentralen über die Zuteilung? Oder gehört das Organ in die "öffentliche Hand"? Eines läßt sich schon jetzt absehen: Die Zahl der Organempfänger in der Warteschleife wird sich vergrößern zum Beispiel wegen des Alkohol-, Nikotin- und Tablettenmißbrauchs, infolge ungesunder Lebensweise, aber auch durch die Fehlleistungen der Medizin. Der belgische Forscher Marc E. de Broe, Antwerpen, berichtete im Oktober 1996 auf einem Nephrologie-Kongreß über eine Studie, die er verfaßt hatte: Er hatte mehr als 200 durch Schmerzmittel geschädigte Nierenkranke aus 15 Ländern untersucht. Bis auf sieben gestanden alle die jahrelange Einnahme von Kombinationsschmerzmitteln ein (FAZ, 16.10.96): Mischpräparate, die häufig als nützlich und harmlos angepriesen werden, verursachen oft genug gerade das, was man zu beheben versucht, und gelten als besonders nierenschädigend. "Effiziente" Mittel, um Leber und Niere zu schädigen, sind zudem die altbekannten Drogen ebenso wie neue "Kreationen" - ob sie nun "Ecstasy" oder anders heißen. In den USA finden inzwischen auch Schlankheitspillen, sogenannte "Appetitzügler", einen rasenden Absatz. Sie enthalten stimulierende Substanzen vom Amphetamintyp. Als Dealer treten dabei diesmal nicht die Drogenhändler auf, sondern Fitness-Clubs, Modegeschäfte und Schönheitsfarmen. Die Schädigungen vollziehen sich in einem schleichenden Prozeß, dessen Folgen nicht gleich überblickt werden. Wenn aber der Schaden entstanden ist, nehmen das Anspruchsdenken und der Wunsch nach "Reparatur" zu. Um die Kosten von Organtransplantationen durchschaubarer zu machen, sind seit dem 1.1.1996 "Fallpauschalen" eingeführt. Sie umfassen pauschal alle Kosten während des Krankenhausaufenthaltes, können lt. Transplantationsgesetz in medizinisch begründeten Einzelfällen aber auch überschritten werden. Diese Pauschalen wurden 1995 in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" ` wie Theo Riegel vom Verband der Angestellten-Krankenkassen (vdak) sagte - ohne Mitsprachemöglichkeit der Spitzenverbände der Krankenkassen errechnet und vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt. Sie sollen nun, da sie offenbar zu hoch berechnet wurden, und wenn es nach dem Willen der Krankenkassen geht, wieder um zehn bis zwölf Prozent reduziert werden. Ab 1998 ist den Kassenverbänden gesetzlich eine größere Einflußnahme bei den Krankenhaus-Ausgaben zugestanden. Das heißt, die Verbände müssen mit ihrem Verhandlungspartner, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Konditionen aushandeln; wenn es zu keiner Einigung kommt, entscheidet eine Bundesschiedsstelle. Die Ermittlung der "Fallpauschalen" bei Organtransplantationen ist jedenfalls das Ergebnis eines Forschungsprojekts, das das Bundesministerium für Gesundheit drei Unternehmensberatungs-Gesellschaften in Auftrag gegeben hat: dem Projektteam der "DKI Deutsches Krankenhausmanagement Beratungs- und Forschungsgesellschaft mbH", der "GEBERA - Gesellschaft für betriebswirtschaftliche Beratung mbH" und dem Projektteam "IfG - Institut für Gesundheitsökonomik". Für die Erhebung und Auswertung der Zahlen war das Basisjahr 1993 maßgebend. Die Arbeit erwies sich als schwierig, da selbst in den wenigen Kliniken, die bereitwillig kooperierten, die Datenlage zu mangelhaft war, um eine Kalkulation mit der gewünschten Differenzierung durchzuführen. Bei Lebertransplantatio- nen differierten die Fallkosten zwischen 151.210 und 195.910 DM, bei Nierentransplantationen lagen sie zwischen 79.352 und 105.401 DM und bei Knochenmarktransplantationen zwischen 164.774 und 331.697 DM. Als Mittelwert wurden folgende Fallpauschalen (in DM) errechnet und beschlossen: Nierentransplantation 106.909, Primäre Herztransplant. 101.376, Sekundäre Herztransplant. 113.234, Lebertransplantation (Leberzirrhose) 193.061, Lebertransplantation (Leberzirrhose u. Hepatitis) 237.347, Lunge 145.700, Bauchspeicheldrüse 98.500 Diese Zahlen sprechen für sich. Aber wo endet die Sackgasse für die Apparate- und Biomedizin, die europaweit immer noch einseitig gefördert wird? Für das Forschungsprogramm in diesem Bereich standen in den Jahren 1994 bis 1998 336 Millionen Ecu zur Verfügung; für das Forschungsprogramm Biotechnologie standen 630 Millionen Ecu bereit (Europa Forum, Informationen aus dem Europäischen Parlament, Nr. 11/94, 14.18. November). Wie lange werden wir uns das noch leisten müssen? DIE WÜRDE DES MENSCHEN UND DER GUTE TOD Nicht jeden leitet ein gelinder Gang Unmerklich in das stille Reich der Schatten. Gewaltsam schmerzlich reißt Zerstörung oft Durch Höllenqualen in die Ruhe hin. Johann Wolfgang von GOETHE, Natürliche Tochter" " Früher starben die meisten Menschen im trauten Kreis ihrer Angehörigen. Man schloß den"guten Bruder Tod" nicht aus und fürchtete auch nicht seine Nähe in den eigenen vier Wänden. Sterben - das galt als eine letzte, besonders lebensnahe Spanne Erdenzeit, die reichlich Gelegenheit zur seelischen Einkehr bot. Vergeben statt verurteilen, lösen statt belasten, hoffen statt zu klagen. Die letzte Gewißheit des Abscheidenmüssens läßt oftmals die Würde des Menschseins erblühen: Wer wollte in diesen letzten Erdenaugenblicken nicht das Beste in sich suchen? Wer kramte nicht, wenn die Illusion der eigenen Wichtigkeit verwischt, in Gedanken nach all dem, was es an unvergänglichen Werten zu erringen gab in den Jahren des Lernendürfens? Wer fühlte nicht die Schuld in sich brennen versäumter Gelegenheiten wegen? Wer wäre nun kein demütig Hoffender, bitter Bereuender, sich nur noch nach Leben Sehnender? Der gute Tod, die friedvolle Zeit des Sterbens, der gelinde Gang hinüber, er kann Augen öffnen, Herzen erwärmen und Wunden heilen. Er birgt alle Kraft und alles Licht des Lebens, aber er duldet keine Nebensächlichkeiten mehr. Sterben - das ist die hohe Zeit des Lernens und Erkennens, vielleicht auch: des befreiten Aufatmens. Früher reichte man, so es an der Zeit war, dem guten Bruder Tod die Hand, bald unter bitteren Tränen, bald in größter Hilflosigkeit, aber manchmal wohl auch in freudiger Dankbarkeit dafür, daß jede Zeit des Sterbens den Hinübergehenden, aber auch die noch Hierbleibenden, näher hin zum Leben rückt und des Schöpfers Allgegenwart erfahrbarer macht. Leben dürfen, und noch dazu herzlich leben dürfen: brauchen wir die Momente des Innehaltens und Bangens, um dieses wunderbarste aller Gottgeschenke ahnend als solches zu erkennen, es der dumpfen Selbstverständlichkeit zu entreißen? Das einzige, an das alle Menschen ohne Ausnahme glauben, ist der Tod! Ein jeder ist von seinem Eintreten überzeugt. Es ist eine der wenigen Tatsachen, über die keinerlei Streit und keinerlei Unwissenheit herrschen. Obwohl alle Menschen von Kindheit an damit rechnen, einmal sterben zu müssen, sucht doch die Mehrzahl den Gedanken daran immer abzuwehren. Viele werden sogar heftig, wenn in ihrer Gegenwart einmal davon gesprochen wird. Andere wieder vermeiden es sorgfältig, Friedhöfe auf zusuchen, gehen Begräbnissen aus dem Wege und suchen jeden Eindruck möglichst schnell wieder zu verwischen, wenn sie doch einmal einem Trauerzuge auf der Straße begegnen. Dabei drückt sie immer eine geheime Angst, daß sie einmal plötzlich von dem Tode überrascht werden könnten. Unbestimmte Furcht hält sie davon ab, mit ernsten Gedanken an diese unverrückbare Tatsache heranzutreten. Es gibt kaum ein zweites Vorkommnis, das bei seiner Unumgänglichkeit immer wieder in Gedanken so zur Seite geschoben wird, wie der Tod. Kaum aber auch einen so bedeutungsvollen Vorgang im irdischen Leben, außer der Geburt. Es ist doch auffallend, daß sich der Mensch gerade mit dem Anfang und dem Ende seines Erdenseins so wenig beschäftigen will, während er allen anderen Vorgängen, sogar ganz nebensächlichen Dingen, eine tiefe Bedeutung beizulegen sucht. Er forscht und grübelt über alles Zwischengeschehen mehr als über das, was ihm über alles Aufklärung bringen würde: der Anfang und das Ende seines Erdenlaufes. Tod und Geburt sind ja so eng verbunden, weil eines die Folge des anderen ist. (. . . ) Der Vorgang des Todes selbst ist nichts weiter als die Geburt in die feinstoffliche Welt. Ähnlich dem Vorgange der Geburt in die grobstoffliche Welt. Der feinstoffliche Körper ist mit dem grobstofflichen Körper nach der Lösung eine Zeitlang wie durch eine Nabelschnur verbunden, die um so weniger fest ist, je höher der also in die feinstoffliche Welt Geborene seine Seele schon in dem Erdensein nach der feinstofflichen Welt hin entwickelt hat. Je mehr er sich selbst durch sein Wollen an die Erde kettete, also an das Grobstoffliche, und so von dem Fortleben in der feinstofflichen Welt nichts wissen wollte, desto fester gefügt wird durch dieses sein eigenes Wollen auch diese Schnur sein, die ihn an den grobstofflichen Körper bindet, und damit auch sein feinstofflicher Körper, dessen er als Gewand des Geistes in der feinstofflichen Welt bedarf. Je dichter aber sein feinstofflicher Körper ist, desto schwerer ist er nach den üblichen Gesetzen, und desto dunkler muß er auch erscheinen. Er wird sich durch diese große Ähnlichkeit und nahe Verwandtschaft mit allem Grobstofflichen auch sehr schwer von dem grobstofflichen Körper lösen, so daß es vorkommt, daß ein solcher auch die letzten grobstofflich-körperlichen Schmerzen noch mitfühlen muß, sowie den ganzen Zerfall in der Verwesung. Bei Verbrennung bleibt er ebenfalls nicht unempfindlich. Anders mit den Menschen, die den Aufstieg zu allem Edleren schon in dem Erdensein begannen. Weil diese die Überzeugung des Schrittes in die feinstoffliche Welt lebendig in sich tragen, ist die Loslösung auch viel leichter. Der feinstoffliche Körper und mit ihm die Verbindungsschnur ist nicht dicht, und dieser Unterschied in ihrer gegenseitigen Fremdheit mit dem grobstofflichen Körper läßt die Loslösung auch sehr schnell erfolgen, so daß der feinstoffliche Körper während des ganzen sogenannten Todeskampfes oder der letzten Muskelzuckungen des grobstofflichen Körpers schon lange neben diesem steht, wenn überhaupt von einem Todeskampfe bei normalem Sterben eines solchen Menschen gesprochen werden kann. Der lose, undichte Zustand des Verbindungsstranges läßt den danebenstehenden feinstofflichen Menschen keinerlei Schmerzen mitempfinden, da dieser leichte Verbindungsstrang in seinem undichten Zustande keinen Schmerzleiter vom Grobstofflichen zum Feinstofflichen abgeben kann. (...) Die bei einem Sterbenden weilenden Menschen aber seien gewarnt, daß sie nicht in lautes Klagen ausbrechen. Durch den zu stark gezeigten Trennungsschmerz kann der in Loslösung begriffene oder vielleicht schon danebenstehende feinstoffliche Mensch ergriffen werden, es also hören oder fühlen. Erwacht dadurch in ihm das Mitleid oder der Wunsch, noch Trostes Worte zu sagen, so bindet ihn dieses Verlangen wieder fester mit dem Bedürfnis, sich den schmerzerfüllt Klagenden verständlich bemerkbar zu machen. Irdisch verständlich machen kann er sich nur unter Zuhilfenahme des Gehirnes. Das Bestreben aber zieht die enge Verbindung mit dem grobstofflichen Körper nach sich, bedingt sie, und deshalb kommt als Folge, daß nicht nur ein noch in Loslösung begriffener feinstofflicher Körper sich wieder enger mit dem grobstofflichen Körper vereinigt, sondern daß auch ein bereits danebenstehender losgelöster feinstofflicher Mensch nochmals zurückgezogen wird in den grobstofflichen Körper. Endergebnis ist die Wiederempfindung aller Schmerzen, deren er schon enthoben war. Die erneute Loslösung erfolgt dann weit schwerer, sie kann sogar einige Tage anhalten. Dann entsteht der sogenannte verlängerte Todeskampf, der für den sich Lösenwollenden wirklich schmerzhaft und schwer wird. Diese Bindung kann leicht eintreten, solange der grobstoffliche Körper noch nicht ganz erkaltet ist und der Verbindungsstrang besteht, der oft erst nach vielen Wochen zerreißt. Also eine unnötige Qual für den Hinübergehenden, eine Rücksichtslosigkeit und Roheit der Umstehenden. Deshalb soll in einem Sterbezimmer unbedingte Ruhe herrschen, ein der bedeutungsvollen Stunde entsprechender würdiger Ernst! Personen, die sich nicht beherrschen können, sollten gewaltsam entfernt werden, auch wenn es die nächsten Angehörigen sind. ABD-R U-SHIN (aus dem Vortrag "Der Tod"; "Im Lichte der Wahrheit - Gralsbotschaft") Wir sollten dem guten Bruder Tod wieder Einlaß gewähren in unsere Gedankenwelt, denn wir haben die hohe Zeit des Sterbens zu einem kurzen, unliebsamen Moment herabgewürdigt, dem jeder auszuweichen sucht. Es wird heute im Krankenhaus gestorben, unvorbereitet, ohne Fürsorge, allein. Sterben ist keine Zeitspanne intensiven Lebens, sondern jener Endpunkt, ab dem der Monitor keine Gehirntätigkeit mehr zeigt. Nicht um den Menschen geht es, sondern um die Körperfunktion. Erst auf dieser lebensfernen, aber gesellschaftlich akzeptierten Grundlage konnte der Gedanke an Organtransplantationen erfolgreich keimen. Niemals kann es dabei wirklich darum gehen, " Leben zu schenken ", dazu ist uns Menschen gar nicht die Macht gegeben. Wir können nur in seine Auswirkungen hineinpfuschen. Transplantationen dienen dem Leben nicht. Sanft bereitet die Natur jeden Menschen im Fortschreiten seines Erdenlebens auf das Hinübergehen vor. Im Alter zwingen Körper und Temperament zur Vollendung jener Verinnerlichung, zu jener Annäherung an ein nicht mehr physisches Leben, mit der wir der Zeit des Sterbens und zuletzt des Hinübergehens freudig und gereift entgegensehen dürften. Wir aber verdrängen das Altern ebenso wie den Tod. Wir lassen Falten glätten und meiden Friedhöfe, wir stürzen uns in ein vermeintliches Leben, das vielfach besser als ungesunder Amoklauf beschrieben wäre und opfern für eine lebensfern errichtete Scheinwelt auch noch unsere Sterbenden. Es ist erfreulich, wenn Transplantationskritiker ethische Fragen aufwerfen und die Achtung der Würde jedes Menschen einfordern. Vielleicht treibt sie das Ahnen, wieviel Menschsein wir schon verloren haben. Werner HUEMER STUTTGARTER LEITFADEN Kritische Fragen zur Organentnahme Mit dem "Stuttgarter Leitfaden" wandten sich im Jahr 1997 Dr. med. Ingrid AckermannGröger (Arztin), Gottfried Rudolph (Theologe und Privatdozent), Dieter Emmerling (Theologe) und Dr. phil. Jens Heisterkamp (Publizist) an die Öffentlichkeit. Ihr Ziel war und ist - es, kritische Fragen zur Organentnahme aufzuwerfen und zu einer Bewußtseinsbildung in der Öffentlichkeit beizutragen. So zum Beispiel die Fragen: Wie verändert die Organtransplantation das Seelenleben des Empfäners? Wenn das Hirntodkriterium kein sicheres Todeszeichen ist: Was geschieht in der Zeit, während ein Mensch maschinell in einem Zustand zwischen Leben und Tod gehalten wird? Wo wird ein Organempfänger darüber informiert, daß er den Rest seines Lebens ständig medizinisch überwacht werden muß und daß er ständig nebenwirkungsreiche Medikamente einnehmen muß? Was, wenn dem Empfänger bewußt wird, daß die Organe, die er erhielt, einem noch Lebenden entnommen wurden? Der "Stuttgarter Leitfaden", den bereits eine ganze Reihe von Medizinern, Pädagogen, Theologen und Publizisten unterstützt haben, wirft aber nicht nur wichtige Fragen auf, sondern bietet auch ein umfangreiches Literatur- und Zeitschriftenverzeichnis sowie Kontaktadressen. Der Leitfaden ist gegen DM 3,-in Briefmarken erhältlich bei: Dr. Ingrid Ackermann-Grüger, Werastraße 53, 70190 Stuttgart. Spendenkonto: 500 015 020, Frankfurter Volksbank, BLZ 501 900 00. · LITERATUR IUM THEMA Elisabeth Wellendorf:"Mit dem Herzen eines anderen leben? Die seelischen Folgen der Organtransplantation" (Kreuz-Verlag, 1993) Ilse Gutjahr/Mathias Jung: "Sterben auf Bestellung - Fakten zur Organentnahme" (emuVerlag, 1997) Gisela Lermann: " Ungeteilt sterben - Kritische Stimmen zur Transplantationsmedizin" (Lermann-Verlag, 1996) Richard Fuchs: "Tod bei Bedarf - Das Mordsgeschäft mit Organtransplantationen" (Ullstein-Report, 1996) Frank Schadt:"Hirntod-Tod des Menschen?" (Info 3-Verlag, 1995) Gisela Wuttke (Hrsg.): "Organspende Kritische Ansichten zur Transplantationsmedizin" (Göttingen, 1993) Johannes Hoff/Jürgen in der Schmitten: "Wann ist der Mensch tot? Organverpflanzung und Hirntodkriterium" (Reinbeck 1994) Zum Thema "Hirntod" hat Frank Schadt im Eigenverlag eine informative Schrift veröffentlicht: "Von der Unmöglichkeit der Gleichsetzung des Hirntodes mit dem Tod des Menschen ". Sie enthält auch wichtige Anmerkungen zum Transplantationsgesetz und eine Tafel zur Bestimmung der qualitativen Differenz zwischen dem "Hirntod-Status" und dem "Leichenstatus". Erhältlich ist die Schrift über Verlag Frank Schadt, Sibyllenweg 18, D-46537 Dinslaken,l997 ISBN 3-00-001371-7 · EUROPAS GRIFF N.ACH DEN ORGANEN In der EU gilt die Regel: Andere Länder, andere Gesetze Wiewohl man in der Europäischen Union im Sinne einer technokratischen Gerätemedizin weitgehend darin übereinstimmt, daß der Griff nach den menschlichen Organen zu Transplantationszwecken künftig einen immer größeren Stellenwert einnehmen soll, stellt sich die rechtliche Situation innerhalb der EU-Staaten derzeit noch höchst unterschiedlich dar. Richard FUCHS gibt einen Überblick über die internationalen Regelwerke. In neun Ländern der EU gilt das Schweigen als Zustimmung zur Organentnahme. Es war wohl die Fraglosigkeit der Bevölkerung in Europa, die es den meisten Gesetzgebern ermöglichte, die Widerspruchslösung (d. h. bei nicht bekannter Ablehnung wird automatisch eine Zustimmung angenommen) gesetzlich festzuschreiben. Im Unterschied zur Widerspruchslösung setzen die sogenannten Zustimmungslösungen eine ausdrückliche Einverständniserklärung voraus. Die "erweiterte Zustimmungslösung" sieht vor, daß Angehörige eines Sterbenden über eine Transplantation nach dessen bekanntem oder mutmaßlichem Willen entscheiden. Diese Regelung war bisher in Deutschland Praxis und wird nun mit dem deutschen Transplantationsgesetz fortgeschrieben. Die "enge Zustimmungslösung", der zufolge nur der potentielle Organspender selbst zu Lebzeiten einer Explantation zustimmen kann, gilt derzeit nur in Japan. Kontaktstelle Organspende, Renate Greinert/Gisela Wuttke, Postfach, 48722 Billerbeck Berliner Initiative für die (enge) Zustimmungslösung, Prof. Dr. Klaus-Peter Jörns, Conradstraße 5, D-14109 Berlin Frankfurter Appell zur Organtransplantation, Dieter Emmerling, Liebermann-Ring 54, D67459 Worms; Dr. Jens Heisterkamp, Kirchgartenstraße 1, 60439 Frankfurt Dr. med. Paolo Bavastro, Leicender Arzt der Inneren Abteilung Filderklinik, D-70794 hilderstadt Interessengemeinschaft Angehörige, Gerda Esser, Gluckstraße 10, D-58097 Hagen Internationale Initiative gegen die BioethikKonvention, Ursel Fuchs; Dokumentationszentrum für Wirtschafts- und Rechtsaspekte der Organtransplantation, Richard Fuchs, Kaiser-Wilhelm-Ring 19, D-40545 Düsseldorf Frank Schadt, Sibyllenweg 18, D-46637 Dinslaken ® Das Transplantationsgesetz enthält im wesentlichen folgende Regelungen: Wenn keine schriftliche Erklärung des Sterbenden vorliegt, können sich seine nächsten Angehörigen unter Berücksichtigung seines mutmaßlichen Willens für oder gegen eine Organentnahme entscheiden. Der Angehörige kann mit dem Arzt vereinbaren, daß er seine Erklärung innerhalb einer bestimmten vereinbarten Frist widerrufen kann. Nächste Angehörige im Sinne des Gesetzes sind in der Reihenfolge ihrer Aufzählung: 1. Ehegatten, 2. volljährige Kinder, 3. Eltern für minderjährige Kinder, 4. volljährige Geschwister, 5. Großeltern. Der Angehörige ist allerdings nur dann zu einer Entscheidung befugt, wenn er in den letzten zwei Jahren vor der Feststellung des "Hirntodes" des möglichen "Organspenders" zu diesem persönliche Kontakte hatte. Bei mehreren gleichrangigen Angehörigen genügt es, wenn einer von ihnen beteiligt wird und eine Entscheidung trifft; es ist jedoch der Widerspruch eines jeden von ihnen zu beachten. Ist ein vorrangiger Angehöriger innerhalb angemessener Zeit nicht erreichbar, genügt die Beteiligung und Entscheidung des nächsterreichbaren nachrangigen Angehörigen. Dr. jur. Helge LOYTVED Haben Sie schon einmal einen sich bewegenden Leichnam gesehen? Erst mit dem endgültigen Stillstand von Herz, Kreislauf und Atmung tritt der Tod eines Menschen ein, wenn auch die übrigen Lebenserscheinungen verschwinden. Erst damit nimmt jener Leibeszustand seinen Anfang, der sehr bald zum Absterben aller Organe, dann auch der Gewebe und Zellen führt und in welchem allein die sicheren Todeszeichen auftreten wie Todesflecken, Totenstarre und Verwesung. Nur dieser Zustand kann daher mit Recht als der Tod des Menschen bezeichnet werden. Die Möglichkeiten des zeitweisen apparativen Funktionsersatzes (HerzLungen-Maschine) oder der Wiederbelebung ändern nicht im mindesten etwas an der Gültigkeit dieser an biologischen Fakten orientierten Todesbestimmung, sondern bestätigen diese geradezu. Wäre der isolierte Hirntod ein "sicheres Todeszeichen", wofür er oft irreführend ausgegeben wird, müßte er doch - und dies bei der Fülle der erwähnten Lebenserscheinungen das gleiche anzeigen wie Totenflecken, Totenstarre und Verwesung, nämlich die Abwesenheit des Lebens als Lebensprinzip. Diese Einordnung ist also widersprüchlich und sinnlos. aus einer Presseerklärung der "Interessengemeinschaft Angehörige", Frank SCHADT Verfolgt man als aufmerksamer Beobachter die Debatten um das seit der ersten Herzverpflanzung schwelende Thema der Organentnahme, so bleibt als Schlußfolgerung nur eine allgemeine Unkenntnis, ein Nichtwissen über die als "Krone der Schöpfung" hervorgegangene Kreatur "Mensch" als Ganzheit festzustellen. Die Formulierung der Frage "Wann ist der Mensch tot?" suggeriert unbewußt, vielleicht aber nicht immer ungewollt, die Vorstellung, daß der Mensch mit dem uns sichtbaren Erdenkörper identisch sei. Dieser Körper ist jedoch nur als materielles Erscheinungsbild, als gröbste Hülle und irdisches Werkzeug des eigentlichen Menschen zu betrachten. Die Berichte von "Wiederbelebten", welche sich selbst außerhalb ihres Körpers befanden, müßten in dieser Richtung doch zu denken geben und den wahren Sachverhalt erkennen lassen. Karl REITHMANN Ich habe mich immer gefragt, wie es denkbar ist, den Hirntod als Sterbeprozeß zu erkennen und gleichzeitig das Töten eines schwer hirnverletzten Menschen (Anm.: durch die Organtransplantation) als Teil der "Nächstenliebe" zu verkaufen. Jedoch, warum dann nicht auch die Abtreibung als Teil der Nächstenliebe verkaufen? Wir wissen, daß die abgetriebenen Föten als lebende Gewebebank ausgeschlachtet und vermarktet werden, wie z.B. bei Alzheimerkranken, denen fötales Hirngewebe injiziert wird. Franz VOGLER, Abtsgmünd Der erste Schnitt in den ersten sterbenden Menschen zum Zwecke seiner Weitervernutzung ist der Dammbruch schlechthin. Das Terrain der medizintechnischen Wissenschaft inklusive ihrer Forschung und Praxis steht längst unter Wasser. Was immer noch gedacht und geplant ist, sei es Klonen oder Keimbahnmanipulation, ist mit der Akzeptanz der ersten Organverpflanzung ethisch bereits bejaht. Maria SCHÖFER Gralsbotschaft GmbH, Sitz Stuttgart Redaktions-Anschrift: Schuckertstraße 8, D71254 Ditzingen Tel. 07156-5096, Fax 07156-18663 Herausgeber: Jürgen Sprick