Organtransplantation

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TOTE, DEREN HERZEN SCHLAGEN
Ein kritischer Blick auf die Organtransplantation
In der modernen Schulmedizin gehören Organtransplantationen zum chirurgischen Alltag.
Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen dabei meist die zunehmenden Operationserfolge auf
diesem Gebiet. Gleichzeitig sind verantwortungsvolle Ärzte aber hautnah mit vielen bangen
Fragen konfrontiert, die derartige Extremeingriffe aufwerfen: Darf man, wie dies im
Regelfall geschieht, einen Menschen "ausräumen ", dessen Herz noch selbsttätig schlägt,
dessen Arme und Beine sich bewegen? Der vielleicht noch reflexartig die Krankenschwester
umarmt, wenn diese sich über ihn beugt? Dem man deshalb für die Zeit von der
Organentnahme his zum endgültigen Tod Betäubungs- und Beruhigungsmittel spritzen muß?
Prof. Dr. Dieter MALCHOW wirft einen kritischen Blick auf die gängige Transplantationsmedizin.
Jeder, der in seinem Leben schon ein Transplantat, also das Organ eines anderen Menschen
erhalten hat, wird froh und dankbar darüber sein, und das ist gut so. Der vom ethischen
Standpunkt aus zu erörternde Punkt, ob Organtransplantationen für die Entwicklung der
Menschheit von Nutzen sind, ist damit aber noch nicht berührt. Denn zu viele Fragen
bleiben im Zusammenhang mit der Transplantationschirurgie offen oder werden erst gar
nicht gestellt. Zum Beispiel: Wann ist ein Mensch wirklich tot? Gerade diese Frage ist aus
medizinischer Sicht nicht endgültig beantwortet.
Organtransplantationen - ja oder nein? Wonach sollen wir uns richten? Gibt es eine
allgemein anerkannte moralische Instanz zur Beantwortung dieser Frage?
Niemand wird bestreiten, daß wir uns in unserer Gesellschaft dem Gedanken größtmöglicher
individueller Freiheit verbunden fühlen. Da wir aber im selben Atemzug auch "Gleichheit
für alle" anstreben, ist unserer Freiheit eine natürliche Grenze gesetzt: Das Recht, das jeder
für sich in Anspruch nimmt, muß auch für den anderen gelten. Die persönliche Freiheit des
einzelnen ist dann am größten, wenn einer den anderen fördert. Den Sinn einer solchen
wechselseitigen Förderung lehrt uns die Natur, wo jedes Glied in der Kette der Organismen
für ein anderes von Nutzen ist und gleichzeitig dem Ganzen dient. Man darf also die ebenso
einfache wie grundlegende Frage stellen, ob wir einander durch Organtransplantationen
tatsächlich fördern, wie es vordergründig ob der vielzitierten Erfolge auf diesem Gebiet den
Anschein hat.
Vorerst sollte eine medizinische Tatsache zu denken geben: Ein fremdes Organtransplantat
wird in der Regel vom Körper des Empfängers wieder abgestoßen, weil alle Organe
individuelle Erkennungsmerkmale, sogenannte "Transplantationsantigene" tragen, die bei
jedem Menschen verschieden und nur bei eineügen Zwillingen völlig identisch sind.
Obwohl natürlich versucht wird, hierbei möglichst große Übereinstimmung zu erzielen, muß
die sogenannte "Immunantwort" des Empfängers unbedingt unterdrückt werden, damit das
gespendete Organ erhalten bleiben kann. Ein heikler Balanceakt wird dadurch erforderlich:
Einerseits sollten die Medikamente zur "Immunsuppression" nicht zu schwere toxische
Nebenwirkungen auslösen, andererseits aber muß die Abstoßung oder Zerstörung des
Transplantats doch verhindert werden.
Es ist bei Organtransplantationen durchaus üblich, daß der geschwächte Körper des
EmpfängerPatienten besonders anfällig gegen Krankheiten ist, selbst gegen solche, mit
denen die körpereigene Abwehr im Normalfall leicht fertig würde. Ein besonders labiler
Gesundheitszustand ist die Folge, den man durch zusätzliche Arzneimittel, etwa Antibiotika,
zu schützen versucht. Ein enormer Aufwand also, der eigentlich unweigerlich die Frage
aufwirft, ob es nicht grundsätzlich klüger wäre, jene erheblichen Barrieren zu respektieren,
die die Natur der Transplantation fremder Gewebe entgegensetzt. Es wäre doch
anzunehmen, daß diese Barrieren - wie alles in der Natur - einen Sinn haben. Nicht umsonst
ist a etwa auch bei der sexuellen Fort)
pflanzung die Vermischung einer Tierart mit der anderen unmöglich. Der Organempfänger
mag hier ein
wenden, daß aber in vielen.Fällen die Vorteile einer Transplantation die oft
beschwerdereichen Nebenwirkungen überwiegen. Wie aber sieht es auf der Spenderseite
aus? Ein Blick hinter die Kulissen der Transplantationschirurgie zeigt sehr schnell die
Schattenseiten jener Erfolge, die ins Scheinwerferlicht gerückt werden.
Organe, die für eine Verpflanzung tauglich sein sollen, müssen einem Menschen möglichst
"lebensfrisch" entnommen werden. Etwas plakativ, aber dennoch treffend ausgedrückt,
könnte man sagen: Jemand, der als Organspender in Frage kommt, darf noch nicht "tot
ausschauen". Daher kommen als Spender in der Hauptsache sogenannte "hirntote
Menschen" in Betracht: Deren Herz schlägt ganz normal, aber die Atmung muß künstlich
aufrechterhalten werden. Würde das Beatmungsgerät ausgeschaltet, wäre der Mensch meist
schnell tot. Solange dies aber nicht geschieht, sieht der Hirntote durchaus lebendig aus. Er
kann sich jedoch nicht äußern, über seine körperlichen Sinnesorgane nichts von der Außenwelt aufnehmen, und es lassen sich weder Hirnströme noch andere definierte Reflexe mehr
messen. Alle Gehirnfunktionen sind ausgefallen.
Der Arzt und die Angehörigen stehen bei solchen Hirntoten meist vor einem Dilemma, denn
es kann für die Genesung des Patienten nichts mehr getan werden. Lediglich deren
Körperfunktionen lassen sich durch die künstliche Beatmung aufrechterhalten. Solche
"Sterbende" sind es, die für Organtransplantationen in erster Linie herangezogen werden.
Dieser Eingriff bedarf einer entsprechenden Willensäußerung des Spenders oder seiner
Angehörigen (siehe dazu den Beitrag "Europas Griff nach den Organen", Seite 35). Was
aber während einer Explantation geschieht, ist den meisten Menschen, die sich aus edlen
Motiven mit einer Organentnahme einverstanden erklären, nicht bekannt:
Zunächst werden dem Sterbenden, der nach dem Eingriff nicht mehr weiter künstlich am
Leben gehalten wird, Betäubungs- und Beruhigungsmittel gegeben, die den Körper lähmen ähnlich der Wirkung einer Narkose bei normalen chirurgischen Eingriffen. Trotzdem steigt
der Blutdruck während des Eingriffs stark an. Hirntote können auch Arme und Beine
ruckartig bewegen, und es kam sogar schon vor, daß ein derart "Toter" plötzlich die
Krankenschwester umarmte, während diese sich über ihn beugte.
Solche makabren Szenen an der Schwelle zum Tod eines Menschen werden medizinisch
trocken durch "Reflexe des Körpers" erklärt. Allerdings ändert das nichts daran, daß die an
einer Organentnahme Beteiligten durch den unmittelbaren Eindruck des Geschehens oft
psychisch enorm belastet werden: Eine Schwester (Christine Lang, in: "Wann ist der
Mensch tot?") beschreibt es so: "Es ist das Bild, die Aussagekraft des Körpers an sich, die
das Erleiden dokumentiert und in mir das Phänomen infernalischen Schmerzes und markerschütternder Schreie hervorruft!"
Doch man rechnet mit derlei seelischer Strapaze und versucht damit im OP-Saal
"vernünftig" umzugehen. Die in Aussicht stehenden "lebensfrischen" Organe scheinen es zu
rechtfertigen. Trotzdem steht natürlich oftmals die unausgesprochene Frage im Raum, ob
denn .Hirntote wirklich schon tot sind. Diese Frage ist durchaus brisant. Denn gelegentlich
wird ein Patient trotz aller Hirntod-Merkmale wieder gesund. Auch sind Fälle bekannt, bei
denen hirntote Kinder auf den Besuch der Eltern reagierten. Als besonders dramatisch muß
ein Fall aus dem Jahr 1995 angesehen werden:
Von medizinischer Seite wird ein Geistlicher darum gebeten, dem Abschalten eines
Beatmungsgerätes beizuwohnen, durch das ein Junge beatmet wird. Der Kleine ist vom Hals
an abwärts gelähmt, ein Hirnstrom ist nicht mehr feststellbar, und die Kasse nicht bereit, für
weitere Pflege aufzukommen. Der Pfarrer soll nicht nur den jungen Menschen während der
letzten Momente begleiten, sondern den Medizinern vor allem auch helfen, die Eltern zu
einer Spende der Organe zu überreden was er aber nicht tut. Vielmehr erbittet er nun im
Krankenhaus eine Demonstration des Abschaltens ohne die Eltern. Der zuständige Arzt willigt ein - und wie erwartet, geschieht mit dem Kind in der kurzen Zeit nichts, es zeigt keine
Reaktion. Als später aber die Eltern dabei sind und den Jungen noch einmal ansprechen, ist
es plötzlich anders: Das Kind öffnet die Augen, blickt zur Mutter, zum Vater. Und es ist
kein leerer Blick! Doch zu spät - wenige Augenblicke nach dem Abschalten des
Beatmungsgerätes stirbt das Kind einen schrecklichen Erstickungstod. Der Pfarrer ist
schockiert, sagt dies dem Arzt auch, und dieser antwortet in chirurgischer Routine, daß es
auch für ihn schlimm gewesen sei. Das Bedauerlichste aber wäre, daß man die schönen
Organe nicht bekommen habe, das Herz, die Augen, die Niere, die Haut ...
Diese seltsam sachliche Art, alles "Verwertbare" schwärmerisch aufzuzählen, als würde man
dabei vom Verlust ganz bestimmter Kleinodien sprechen, charakterisiert jene sehr gut, für
die alle ethischen, moralischen - und wohl auch menschlichen - Fragen im Zusammenhang
mit der Organentnahme längst in den Hintergrund getreten sind. Für die bewußt oder
unbewußt - die "Ware Mensch" im Vordergrund steht, wobei ihnen als "Mensch" allein der
physische Körper gilt. Auf das wirkliche Leben, das zweifellos auch in Hirntoten noch ist,
wird keine Rücksicht genommen. Es reicht derzeit, daß ein Mensch nicht mehr in der Lage
ist, sich seines Gehirnes zu bedienen, um ihn für tot zu erklären - eine Definition, die auch in
Medizinerkreisen nicht unumstritten ist.
Ist es tatsächlich denkbar, daß der "Hirntod" in Wirklichkeit nicht den Tod eines Menschen
anzeigt, sondern einfach als Krankheitsbild angesehen werden müßte für die Unfähigkeit des
Patienten, Eindrücke zu gewinnen und, umgekehrt, sich ausdrücken zu können? Viele der
Medizin gut bekannte Vorgänge sprechen dafür:
Manche am Großhirn schwer verletzte Patienten zum Beispiel, sogenannte Apalliker, bei
denen das Stammhirn noch arbeitet, zeigen einen Rhythmus von Schlafen und Wachen, aber
keine Reaktion auf eine Anderung in ihrer Umgebung, außer allenfalls durch verschiedene
Reflexe. Solche Menschen haben nur geringe Aussicht auf Genesung. Manche von ihnen
jedoch reagieren nach Monaten, andere nach Jahren: Zuerst folgen ihre Augen bestimmten
Bewegungen, später erwerben sie mitunter wieder die Fähigkeit, sich mitzuteilen, oder
werden sogar ganz gesund. Das beweist, daß ein Mensch trotz jahrelangen Ausfalls des
Denkens, das man gemeinhin mit Persönlichkeit und Selbstbewußtsein in Verbindung
bringt, eben nicht als tot betrachtet werden darf. Es fehlte ihm durch seine
Großhirnverletzung offenbar nur die Möglichkeit, sich auszudrücken. Aber obwohl man das
weiß, wird im Hinblick auf die geringe Gesundungschance bei Apallikern darüber
nachgedacht, solche Menschen als lebende Organreservoires zu pflegen.
Eine weitere Gruppe sind sogenannte Anenzephale, Kinder, die ohne Großhirn geboren
werden. Obwohl sie weinen können und damit Zeichen seelischer Regung von sich geben,
möchte man auch sie als Organspender verwenden.
Selbst die Leichenruhe, die traditionelle Unantastbarkeit von Gestorbenen, gilt oft nicht
mehr, wenn man im Krankenhaus stirbt und einen "brauchbaren Körper" besitzt, dessen
Einzelteile benötigt werden. Wobei Leichen überhaupt gefragt zu sein scheinen. Man
erinnere sich an die große Empörung, die entstand, als publik wurde, daß in BadenWürttemberg seit 20 Jahren Leichen in Crash-Versuchen eingesetzt werden. Eiligst berief
man eine Ethikkommission ein.
Diese jedoch befand, daß der Zweck die Mittel heilige. Ein Beispiel für eine materialistisch
fixierte Gesellschaft, in der der Tote bald nur noch als Ware und Wirtschaftsfaktor
Bedeutung hat, nicht aber seine Würde als Mensch. Und jede Entscheidung, jede
Maßnahme, die unseren Umgang mit Toten und Sterbenden verändert, unsere sittlichen
Ideale aufweicht, kann das Tor dazu öffnen, weiter und immer weiter zu gehen. Ein
anschauliches Beispiel dafür bietet die Euthanasie: die jetzt oft diskutierte und auch schon
praktizierte aktive Sterbehilfe - wie leicht kann sie abgleiten in ein Töten ohne ausdrücklichen Wunsch des Patienten?
Was uns in unserer auf alles Materielle beschränkten Weltsicht zunehmend abhanden
kommt, ist die Fähigkeit, unsere Handlungen umfassend zu beurteilen. Ist nicht jenem Arzt,
der nur noch an die "schönen Organe" dachte, die Barmherzigkeit völlig abhanden
gekommen? Hätte er nicht das Beatmungsgerät sofort wieder anschalten müssen, als er das
Leiden des Kindes sah? Solche Fragen berühren nicht die wissenschaftliche, sondern sie
treffen die menschliche Ebene. Aber haben sie nicht gerade deshalb größte Berechtigung?
Die Frage, ob eine Organspende für den Empfänger nützlich ist, sofern es medizinisch
gelingt, die eingangs erwähnten Abstoßungsreaktionen in den Griff zu bekommen, wird man
auf den ersten Blick wahrscheinlich sofort bejahen, denn mit einer gesunden Niere oder
einem neuen Herzen kann man, im besten Fall, viele Jahre weiterleben. Der Nutzen von
Spenderorganen für verschiedene körperliche Funktionen scheint also durchaus gegeben. Es
gibt aber auch noch die seelische Seite - und hier sieht es, wie die Praxis zeigt, anders aus.
Die Psychologin E. Wellendorf berichtete von einem 10-jährigen Mädchen, das schon
längere Zeit schwer krank gewesen war und sich innerlich mit dem nahen Tode abgefunden
hatte. Dann jedoch ergab sich die Möglichkeit, durch eine Organspende wieder gesund zu
werden. In dieser neuen Situation malte die Kleine ein Bild. Es zeigte ein Mädchen, das bei
einem Verkehrsunfall umkam. Zuerst begriff die kranke Zehnjährige nicht ganz, warum sie
das tat. Als ihr aber klar wurde, daß ein anderes Kind für eine Organspende sterben mußte,
verweigerte sie sich entschlossen der Operation. Selbst als man ihr beibrachte, daß das andere Kind sowieso sterben müsse, blieb das Mädchen bei seiner Entscheidung. "Ich muß es
mir ja wünschen, daß jemand für mich stirbt", sagte es. Der ausschlaggebende Punkt war
also, auf den Tod eines anderen warten zu müssen. Das bereitete der jungen Patientin
unerträgliche Schuldgefühle. Hut ab vor diesem Mädchen!
Ein weiteres, besonders drastisches Beispiel mag die Perversion, sein eigenes Leben durch
das eines anderen zu verlängern, noch deutlicher machen: Eine Frau mit Gewichtsproblemen
ließ sich hypnotisch in ein früheres Leben rückführen, weil sie sich von einer solchen
Therapie eine dauerhafte Änderung ihrer Eßgewohnheiten versprach, die im ständigen
Wechsel zwischen Fasten und Freßphasen schwankten.
Die Hypnose (eine grundsätzlich nicht empfehlenswerte Methode) ergab, daß sie als
Mädchen mit einem Treck von Auswanderern auf dem Weg nach Kalifornien vom Winter
überrascht worden war, und die Eingeschlossenen sich nicht anders zu helfen wußten als
ihre Toten zu essen, nachdem sie ihre Nahrungsvorräte aufgebraucht hatten. Aus der
Greueltat erwuchs der Familie kein Segen. Der schon in Kalifornien weilende Vater verstieß
die Mutter, die bald darauf starb. Die Geschwister trennten sich, weil sie nie mehr
miteinander reden wollten nach dem, was vorgefallen war (R.A. Moody "Leben vor dem
Leben").
Diese hypnotische Rückführung ist um so erstaunlicher, als die Aussagen der Frau (die von
den Ereignissen tagbewußt nichts geahnt hatte) geschichtlich verifiziert werden konnten.
Der Zusammenhang mit unserem Thema ist klar: Auch bei einer Organimplantation werden
Menschenteile "gegessen". Der Empfänger nimmt sie nur auf unterschiedliche Weise auf.
Aber hat das eine andere Qualität von Grauslichkeit? Wohl nur scheinbar. Es genügt ja, sich
vorzustellen, wir selber müßten ein Messer in die Hand nehmen, den Körper des Spenders
auf- und das gewünschte Organ herausschneiden, um zu erahnen, daß es sich hierbei um
eine körperlich wie seelisch "einschneidende" Angelegenheit handelt.
Auch bei den Patienten Wellendorfs wurde das Räuberische und Unrechtmäßige einer
Organentnahme in psychologischen Gesprächen immer wieder zum Thema. Eine Frau
träumte zum Beispiel, sie stürze sich auf einen Menschen, beiße ihm mit großen Zähnen den
Brustkorb auf und fresse sein Herz und seine Lunge mit einer nie gekannten Gier. In diesem
schaurigen Bild erkannte sie später ihren intensiven Wunsch, ein anderer möge für sie
sterben und ihr seine Organe überlassen.
Es ist verständlich, daß wir am Leben hängen und - eben auch durch Transplantationen alles daran setzen wollen, es zu verlängern, dem Tode, diesem großen Tabu unserer
Gesellschaft, möglichst zu entfliehen. Aber endet unser Leben mit dem Tod tatsächlich? Es
lohnt sich, dieser Frage nachzugehen, weil sie im Hinblick auf die Rechtfertigung von
Organtransplantationen natürlich im Zentrum steht.
Caesar schrieb über die Germanen, daß sie glaubten, die Seelen gingen beim Tode von dem
einen auf den anderen über - das würde ihnen die Furcht vor dem Tode nehmen und ihnen
einen Beweggrund zur Tugend geben. Wie sieht es mit einem Leben nach dem Leben nun
wirklich aus? Dieser Frage widmet sich nicht nur die Religion, sondern auch die Sterbe- und
Todesforschung.
K. Osis und E. Haraldsson führten in Indien und in den Vereinigten Staaten eine
großangelegte Studie durch, bei der Ärzte und Krankenschwestern befragt wurden, was Sterbende erleben. Dabei stellte sich heraus, daß etwa 30 Prozent der Patienten kurz vor ihrem
Tode Verwandte oder Freunde schauen, die vor ihnen hinübergegangen waren und sie jetzt
abholen wollen. Diese Erfahrung erfüllt die Sterbenden mit großer Freude, sie werden heiter
und friedlich, haben keine Angst mehr vor dem Tode.
In die gleiche Richtung, nämlich daß wir alle nach dem Sterben des Körpers in einer
jenseitigen Welt weiterleben, weisen sogenannte "Nahtodeserlebnisse", wie sie sehr häufig
bei Menschen vorkommen, die durch einen Unfall oder während einer akuten Krankheit
Herzversagen oder Atemstillstand erlitten und von den Ärzten wiederbelebt werden mußten.
Deren Eindrücke an der Todesschwelle werden von der Wissenschaft schon über Jahrzehnte
ausgewertet und auf kritische Einwände hin überprüft. In einer erstaunlich hohen Anzahl
von Fällen schildern die betroffenen Menschen folgendes Erlebnis: Sie sehen ihren Körper
aus einiger Entfernung liegen und beobachten auch, wie Unfallhelfer und Ärzte sich an ihm
zu schaffen machen, um den Tod zu verhindern. Diese Menschen, die sich den eigenen
Schilderungen zufolge außerhalb ihres physischen Körpers befanden, waren zum Beispiel in
der Lage, Operationen an ihrem Rücken zu beschreiben oder sogar Geschehnisse, die in
Nebenräumen stattfanden. Aussagen, deren Richtigkeit von den behandelnden Ärzten und
anderen beteiligten Personen bestätigt wurden.
Im Rahmen solcher Nahtodeserlebnisse begegnen Menschen auch anderen Verstorbenen,
Verwandten, die ihnen helfen wollen. Von diesen erfahren sie, daß eine bestimmte Grenze
nicht überschritten werden dürfe, da ihre Zeit noch nicht gekommen sei und sie wieder in
den Körper zurückkehren sollten. Das Erleben verändert die Weltsicht der Betreffenden
grundlegend: Sie durften erfahren, daß das Leben auch ohne Körper weitergeht, daß das Ich,
der Wille, die Wahrnehmungsfähigkeit und Empfindungen weiterhin bestehen.
Vergleichende Untersuchungen zeigen klar, daß nach einem Nahtodeserlebnis keiner der
betroffenen Menschen mehr Angst vor dem Sterben hatte, während das bei einer
Kontrollgruppe mit Herzstillstand, aber ohne Nahtodeserlebnis, nicht der Fall war.
Man sollte diese Berichte nicht als Hirngespinste abtun, dazu ist die Übereinstimmung der
unzähligen dokumentierten Erlebnisse in allen wesentlichen Punkten eindeutig zu groß.
Man sollte sie eher als Schilderungen eines natürlichen und folgerichtigen Vorgangs sehen,
der den Ubergang vom körperlichen Tod in einen neuen Abschnitt des Seins erleichtert.
Ähnlich, wie Hebamme und Arzt helfend dabei sind, wenn jemand auf die Welt kommt,
werden sich bei der Geburt ins Jenseits ebendort Menschen, die dazu geeignet sind, um den
herüber kommenden Sterbenden kümmern. Vor allem aber geht es im Hinblick auf die
Nahtodeserlebnisse doch um einen entscheidenden Punkt: Sie weisen darauf hin, daß das,
was wir an Erkenntnisfunktion normalerweise nur dem Gehirn zuschreiben, der vom Körper
getrennten Seele durchaus erhalten bleibt. Im Zustand der vorhin geschilderten
"Ausleibigkeit" kann sich der Betroffene ja an Dinge seines früheren Lebens erinnern, seine
Umgebung wahrnehmen, Schlußfolgerungen ziehen und Entscheidungen treffen, er befindet
sich also in vollem Besitz jener Fähigkeiten, die wir als "menschliches Bewußtsein" beschreiben. Daraus ist zu folgern, daß unser Gehirn nur als Vermittler zwischen Körper und
Seele fungiert, nicht aber die Persönlichkeit selbst ausmacht. Es ist die Seele, die alle
Eindrücke auswertet, die ihr - solange sie dem physischen Körper verbunden ist - aus der
Außenwelt über die Sinnesorgane und das Gehirn vermittelt werden.
Daraus mag man die Notwendigkeit erahnen, die Gesamtheit des Menschen nicht mehr
länger auf seinen sichtbaren, meßbaren, analysierbaren Körper zu beschränken. Denn es ist
das Ich, der Geist, der den Menschen zum Menschen macht (wobei der Begriff "Geist" als
der ich-bewußte Kern der Seele zu verstehen ist und nicht mit dem aus der Gehirntätigkeit
resultierenden Verstand verwechselt werden sollte).
Menschliches Leben zeigt sich nicht bloß in mechanischer Funktion, sondern offenbart sich
in der Lebendigkeit. Ein Blick allein, mag er haßerfüllt sein oder voll Liebe, trauernd oder
mutsprühend, er ist erfüllt von dem, was die Seele bewegt, ist Ausdruck des inneren
Befindens, läßt sich jedoch meßtechnisch nicht erfassen. Nur das menschliche Gegenüber ist
in der Lage, in den Augen zu lesen.
Nehmen wir nun einmal an, wir selber seien vom Hirntod betroffen. Das Unglück reißt uns
mitten aus unserer Tätigkeit, unseren Wünschen, Zielen, Hoffnungen und aus der Familie.
Alles ist auf einmal wie abgeschnitten.
Was für eine innere Erschütterung muß das auslösen! Dennoch aber leben wir, ohne uns der
bisher vertrauten irdischen Umwelt mitteilen zu können, da die dazu nötige Brücke, das
Gehirn, ausgefallen ist. Mitunter bestehen aber dennoch gewisse Möglichkeiten, sich
bemerkbar zu machen. Das zeigt zum Beispiel ein Erlebnis DieterEmmerlings, der seine
hirntote Frau für die Nacht verlassen wollte, als er bemerkte, daß am Monitor, der ihre
Pulsfrequenz anzeigte, eine Veränderung vor sich ging: Das Herz seiner Frau fing schneller
zu schlagen an. Emmerling entschloß sich zu bleiben und besprach mit ihr das
zurückliegende gemeinsame Erleben. Und immer dann, wenn bewegende Momente zur
Sprache kamen, begann ihr Herz wieder schneller zu schlagen. Seine Frau konnte also sehr
wohl innerlich an der Kommunikation teilhaben, sich aber wegen der fehlenden
Gehirnfunktion nicht anders äußern.
"Hirntote" brauchen in erster Linie also menschliche Zuwendung und natürlich ärztliche
Behandlung auch wenn diese nur noch ein friedliches Hinübergehen zu erwirken vermag.
Welche Erlebnisse Sterbenden aber Organentnahmen bereiten, vermag man vielleicht gar
nicht zu erahnen. Denn die geschilderten Nahtodeserlebnisse lassen den Schluß zu, daß die
Trennung von Körper und Seele meist nicht in einem kurzen Moment erfolgt, sondern eine
längere Zeitspanne in Anspruch nimmt, während der dem Hinübergehenden eine gewisse
Verbindung zu seinem Körper und auch ein mehr oder weniger starkes Schmerzfühlen
möglich ist zu einem Zeitpunkt, da die Medizin ihn längst für "tot" erklärt hat.
Aus der Ethnomedizin wissen wir, daß viele einfache Völker der Uberzeugung sind, daß
sich die Seele des Verstorbenen nach dem Tode noch einige Tage in der Nähe des Körpers
aufhält und alles sieht und hört, was in dessen Umgebung geschieht. Damit stimmen die
Berichte über Nahtodeserlebnisse erstaunlich gut überein. Wir brauchen an der Schwelle
zum Jenseits meist eine ganze Weile, bis wir uns bewußt darüber werden, gestorben zu sein.
Der leblose Körper, auf den wir im Zustand der Ausleibigkeit vielleicht hinabblicken, ist
immer noch Brücke zu unserem früheren Leben, zur physischen Welt. Daher läßt sich leicht
verstehen, warum man dem Körper die Ehre absoluter Ruhe zukommen lassen sollte, bis die
Verbindung zur ihn verlassenden Seele endgültig gelöst ist. Dieser Vorgang hängt von der
geistig-seelischen Verfassung des Sterbenden ab und kann Tage oder sogar Wochen dauern.
Bei jeder Organspende aber wird die Seele brutal aus ihrer Behausung vertrieben. Da
Explantationen zudem nur an möglichst "lebensfrischen" Körpern vorgenommen werden
können, ist auch mit einer noch einigermaßen intakten Schmerzleitung zu rechnen. Unter
diesem Blickwinkel erscheint jede Organspende, selbst wenn die Zustimmung dafür
freiwillig und in Unkenntnis der seelischen Zusammenhänge gegeben wurde, in neuem,
zweifelhaftem Licht.
Es gibt jedoch Patienten, die meinen, allein ihre Bedürftigkeit verpflichte die Gesellschaft zu
einer Organgabe, die von denen verlangt werden müsse, die keine nützlichen Mitglieder
mehr sind und deren "Erhaltung" nur Geld koste, wie zum Beispiel jene, deren Gehirn
irreparabel zerstört sei. Hier wäre abgesehen von etwas größerer Bescheidenheit - das
Wissen nötig, daß eine menschliche Seele auch dann reifen kann, wenn ihr Körper unheilbar
krank ist; daß durch die Krankheit sogar ein starker Impuls gegeben ist, sich seelisch zu
entwickeln. Gerade darin besteht ja der Sinn unseres Lebens: Die Seele, der eigentliche
Mensch, das Ich, muß sich entfalten, alle Anlagen und Fähigkeiten zu voller Blüte bringen!
Ein langes Leben allein, ein vor Gesundheit strotzender Körper genügt nicht, ist bestenfalls
eine gute Voraussetzung für ein erfülltes Seelenleben.
Das haben auch viele Menschen im Laufe ihrer Nahtodeserlebnisse erfahren. Während einer
Lebensrückschau erlebten sie eindringlich und unmittelbar, was sie falsch und was sie
richtig gemacht hatten. Und sie schämten sich oftmals der vielen Dinge, die sie begangen
oder unterlassen hatten und entwickelten nun ein brennendes Verlangen, etwas für andere
Menschen zu tun.
Könnte ein solches Helfenwollen, die seelische Entwicklung zum Guten je Erfüllung finden
im Verlangen, daß ein anderer um des eigenen Wohlergehens willen stirbt? Und es ist ja
nicht nur ein einfaches Sterben, sondern ein gezieltes Vertreiben aus dem Körper, der dabei
rücksichtslos zerstört wird ...
Wohl auch im unausgesprochenen Empfinden dieser Zusammenhänge verzichtete das
kranke zehnjährige Mädchen auf das rettende Organ eines anderen. Und obwohl es nur noch
im Bett lag und Tag und Nacht Sauerstoff benötigte, verfolgte es sein selbst angestrebtes
Ziel mit stiller Freude. Es war ihm erstrebenswerter als ein Weiterleben mit fremden
Organen und dem bedrückenden Gefühl von Schuld. Uber dieses beglückende Ziel läßt sich
mit Worten nicht sprechen. "Du mußt es selber herausfinden", sagte das Mädchen.
In Italien hat eine Studie über die psychische Situation von Angehörigen hirntoter Spender
immer wieder Schuldgefühle zutage gebracht: Hinterbliebene verstorbener Organspender
werfen sich vor, ihren Angehörigen im Stich gelassen zu haben und assoziieren ihn oft in
belastender Weise mit dem Organempfänger.
Was also hat es mit dem "Gebot der Nächstenliebe" auf sich, das so oft ins Gespräch
gebracht wird, wenn es um die Bereitschaft zur Organspende geht?
Wenn Kinder uns um eine Süßigkeit bitten, geben wir sie ihnen gerne. Geschieht es öfter,
geben wir widerwilliger oder auch gar nicht, weil wir wissen, daß zuviel auf die Dauer
schadet. Wahre Liebe, das ist in diesem Zusammenhang klar, tut das, was dem anderen
nützt, nicht aber unbedingt das, was er gerne hätte. Sie leistet also sowohl Hilfe, wenn es geboten ist, gebietet aber auch Einhalt, wenn die absehbaren Folgen schädlich sind. Ubertragen
wir diesen Gedanken auf den Bereich Organspende, so wäre die Voraussetzung für die
Nächstenliebe der klare Nutzen für den Empfänger.
Die Nützlichkeit einer Spende für die seelische Entwicklung des Empfängers ist
grundsätzlich fraglich (schon deshalb, weil der Organspender gar nicht beurteilen kann, ob
er dem Empfänger nützt, weil er ihn ja meist gar nicht kennt); aber auch im Hinblick auf den
Körper ist erwiesen, daß eine Organspende keinesfalls immer das Verhalten des Empfängers
zum Guten lenkt: Der Mann, der wegen Herzverfettung ein neues Herz erhält und nach der
Transplantation genauso unmäßig weiter ißt, zu Hause nur noch auf dem Sofa sitzt und sich
bedienen läßt, bis seine Frau nach einem Jahr in die Psychiatrie eingewiesen wird, seine
älteste Tochter sich das Leben nimmt und er selbst nach eineinhalb Jahren an Herzverfettung
stirbt, mag abschreckend genug sein. Es ist ein Beispiel aus der Praxis. (E. Wellendorf, in
"Wann ist der Mensch tot?") Ein extremes vielleicht, aber es zeigt, daß die Gedanken von
Organempfängern nach der Transplantation oft auf das "körperliche Funktionieren" bezogen
sind: "Es gibt kein Interesse", schreibt Frau Wellendorf, "das sich auf die Lebensgestaltung
oder -bewältigung bezieht. Treten Komplikationen auf, was häufig vorkommt, so fühlen sich
viele Patienten schuldig, weil sie nicht besser funktionieren. Die engmaschigen Kontrollen
schaffen oft eine Situation, die der Prüfungssituation in der Schule entspricht. Im Streß des
Erfolgsnachweises verengt sich das Leben, und die Zukunftsvisionen, die den
Spannungsbogen des Lebens aufbauen, wagen sich gar nicht zu entwickeln, weil am Ende
des Lebens der Tod steht, der tabu ist." Gerade das also, was die Hauptsache wäre, nämlich
dem Leben ein Ziel zu geben, die feinere Empfindungsfähigkeit der Seele zu fördern, kann
leicht in den Hintergrund treten.
Das Ziel unseres Menschseins liegt nicht in einem langen irdischen Leben, sondern in der
Entwicklung unseres Geistes, seinem Reifen zu einer Persönlichkeit in gutem Sinne. Das
Begehren eines fremden Organs fördert dieses Reifen nicht, im Gegenteil. Das Töten eines
Hirntoten ist dem Vorgang vergleichbar, einen Wohnungseigentümer aus seiner Wohnung
zu vertreiben, ehe er ausgezogen ist - nur weit schlimmer. Man sollte deshalb auf
Organentnahmen bei Hirntoten und gerade eben Gestorbenen verzichten. Um diese
Entscheidung für sich selbst zu treffen, ist es hilfreich zu wissen, daß der Tod ja nicht unser
Leben als Mensch beendet, sondern daß es nur ein Abschied von der Erde ist, daß der Tod
einen neuen Abschnitt in unserem Sein einleitet.
Bleibt die Frage: Wie kann man Menschen helfen, die an Organversagen leiden? Neben
einer medizinischen Aufklärung, die schon bei jungen Menschen begonnen und im Laufe
des Lebens häufig ins Gedächtnis gerufen werden sollte, wäre es sehr wichtig, große
Anstrengungen bei der Verbesserung künstlicher Organe zu machen. Und diesbezüglich
liegen ja schon ganz ermutigende Berichte vor.
A Prof. Dr. DieterMALCHOW
TOTE SCHLAFEN NICHT
Hirntote " sind keine Leichen, sondern sterbende Menschen "
Umstrittenes Inserat: Unter dem Motto "Schenken Sie Leben!" warb die
"Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung" in Deutschland für die
Organspende
Man möchte meinen, daß bei den vielen unterschiedlichen Standpunkten, die Mediziner zum
Problemkreis der Organtransplantation einnehmen, wenigstens eins klar ist: Daß man
unumstritten von Toten spricht, die da "explantiert" werden sollen, und daß es in den
ethischen Diskussionen um die Würde des Menschen nach dem Ende seines Lebens geht.
Leider stimmt das nicht: Bis heute herrscht unter den Medizinern keineswegs Einigkeit
darüber, ob das sogenannte "Hirntodkriterium" (auf Grund dessen heute der Tod festgestellt
wird) tatsächlich als Maßstab für den Zeitpunkt des Ablebens eines Menschen herangezogen
werden kann. Und wer sich kritisch und vorurteilsfrei mit der Frage befaßt, für den wird es
schnell zur beklemmenden Gewißheit, daß jene vermeintlich "Toten", die bei
Transplantationen als "Organ-Ersatzteillager" mißbraucht werden, in Wirklichkeit sterbende
Menschen sind, also Patienten - und nicht Leichen!
Das Thema Organtransplantation wird in der Öffentlichkeit meist unter den
Gesichtspunkten der "Nächstenliebe" und des "medizinischen Fortschritts" behandelt.
Dabei geht man mit größter Selbstverständlichkeit davon aus, daß jene Menschen, denen
Organe entnommen werden, auch tatsächlich tot sind. Aber ist es wirklich so? Wer diese
Frage aufwirft, merkt bald,wie ungeheuer brisant sie ist. Denn selbst in Fachkreisen ist
umstritten, ob jemand, dessen Hirnfunktionen nicht mehr nachweisbar sind, auch wirklich
schon als Leiche angesehen werden kann ...
Jeder, der heute in die Lage käme, beurteilen zu müssen, ob ein Mensch tot ist oder nicht,
würde sich dazu wohl genau jener Merkmale bedienen, die seit Tausenden von Jahren den
Tod kennzeichnen: Stillstand der Atmung und Stillstand des Herzens. Dennoch haben diese
Merkmale spätestens seit der Weiterentwicklung der medizinischen Technik keine
unumschränkte Aussagekraft mehr: Man weiß, daß es manuelle oder technische Möglichkeiten gibt, Herzschlag und Atmung wieder in Gang zu bringen. Und es ist mit der
Fortentwicklung der Apparate- und Intensivmedizin sogar möglich geworden, Menschen
über Wochen oder Monate - wie man es ausdrückt - "künstlich am Leben zu erhalten". 1959
beschrieb man erstmals das Krankheitsbild "Hirnversagen bei sonst lebendigem Leib" und
nannte es "coma depasse“ .
Wann also ist der Mensch tot? Im Jahr 1968 einigte man sich auf die Definition des
sogenannten "Hirntodes". Der Mensch gilt demnach als tot, wenn Gehirnfunktionen nicht
mehr nachweisbar sind. Dieses "Kriterium" schien auch insofern als plausibel, als man
entdeckte, daß in einem Gehirn, das auch nur für kurze Zeit nicht mit Blut und Sauerstoff
versorgt wird, endgültig und unwiederbringlich verschiedene Funktionen erlöschen, die ein
Mensch unabdingbar nötig zum Leben braucht.
Richtiger wäre es freilich, nicht von "Hirntod", sondern von "Hirnversagen" oder
"Hirnausfall" zu sprechen.
Seit Einführung dieses "Hirntodkriteriums" gelten also auch alle jene Menschen als "tot",
deren Lebensfunktionen durch entsprechende Maschinen aufrechterhalten werden, die
vielleicht auch noch selbst atmen und die in entsprechenden Kliniken auch durchaus wie
Patienten behandelt werden: Sie werden ernährt und gewaschen, erfahren Haut-, Haar- und
Zahnpflege, und sie können sich auch - wie man meint: "reflexartig" bemerkbar machen: So
bezeichnet man es als "Lazarus-Effekt", wenn hirntote Patienten im Bett laufähnliche
Bewegungen vollziehen oder eine Pflegekraft plötzlich mit den Armen umschlingen.
Kurz: Während beim Anblick einer Leiche der Tod für jeden Betrachter sinnlich erfahrbar
ist, wirken Hirntote wie schlafende Patienten. Sie gelten nur einer fragwürdigen (und im
persönlichen Erleben gar nicht mehr nachvollziehbaren) Definition zufolge als tot.
Hier mag man sich die Frage stellen, wem eine solche lebensfremde Todesdefinition denn
nützt. Vor dem Hintergrund der Transplantationsmedizin wird die Antwort erahnbar:
Spenderorgane sind nämlich überhaupt nur dann brauchbar, wenn sie frisch durchblutet
entnommen werden können. Ein Körper, der in Ruhe sein Leben aushaucht und dann - wie
es früher noch üblich war auch noch einige Tage der "Totenruhe" verbringen darf, ist als
Organspender unbrauchbar. Wirkliche Leichen, die jeder Laie als solche erkennen würde,
kommen für eine Explantation nicht in Frage.
Woher also die so nötig scheinenden Organe nehmen? Diese Frage wurde im Jahre 1968
von der sogenannten "Harvard Kommission" gelöst, einer aus Ärzten, Juristen und Ethikern
bestehenden Kommission, die alle bis dahin geltenden Todes-Definitionen für veraltet
erklärte und das unumkehrbare Koma als "Tod" definierte.
So gaben die USA mit dem "Hirntodkriterium", einer Vorverlegung des Todeszeitpunktes,
die Richtung an - und stießen die Türe für die Transplantationsmedizin auf. Europa zog
rasch nach; auch die Deutsche Bundesärztekammer einigte sich auf die Hirntod-Definition.
Ob eine solche Todesdefinition allerdings wirklich vertretbar ist, darüber gehen bis heute die
Meinungen auseinander. Nicht nur erbitterte Kritiker der Transplantationsmedizin, sondern
auch viele Mediziner und Wissenschaftler, die es ablehnen, über diese Grundsatzfrage
einfach hinwegzusehen, zweifeln das Hirntodkriterium an. Dies vor allem aus folgenden
Gründen:
Der Sterbeprozeß ist ein kontinuierlicher Vorgang; jede Art von "Todeskriterium" ist daher
eine willkürlich festgelegte Grenzlinie, eine Art "medizinische Verabredung", nicht aber
eine Tatsachenfeststellung.
Wenn nach dem Ausfall des Gehirns keine Bewußtseinsäußerungen mehr beobachtet
werden, kann daraus noch nicht wirklich auf das Ende der Existenz eines Menschen
geschlossen werden. Ob und was ein Mensch im Zustand des "Hirntods" (besser: des
"Hirnversagens") empfindet, kann medizinisch nicht beantwortet werden. Man weiß, daß
Uberlebende sich an Komasituationen erinnern können. Es ist keinesfalls erwiesen, daß ein
"hirntoter", also sterbender Mensch keine Empfindungen mehr hat.
Nichts berechtigt dazu, dem Ersatz lebensnotwendiger Gehirnfunktionen (z. B. Atemantrieb
oder Hormonsteuerung) eine andere Bedeutung beizumessen als dem Ersatz vegetativer
Funktionen anderer Organe (z.B. durch Herzschrittmacher oder Stoffwechselsteuerung). Aus
biologischcr Sicht ist das Gehirn nicht das "Zentralorgan" des Körpers, sondern eines von
vielen wichtigen Organen, die mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen im
Prinzip ersetzbar sind.
Der Mensch ist als "Individuum" -wie es dieses Wort ausdrückt- "unteilbar". Sein
"Menschsein" kann nicht allein an den Leistungen des Kopfes gemessen werden, die sich in
den meßbaren Hirnfunktionen ausdrücken.
Der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen ist mit den derzeitigen Meßmethoden gar nicht sicher
diagnostizierbar.
Jener "Zusammenbruch" des Organismus, den wir "Tod" nennen, zeigt sich nie nur an einem
bestimmten Organ, sondern durch den Stillstand aller Wechselwirkungen im ganzen
menschlichen Körper.
Forschungen an Koma-Patienten haben eindeutig ergeben, daß diese "auf äußere Ereignisse
und soziale Stimuli, wie zum Beispiel den Besuch von Angehörigen, eindeutig antworten"
(Dr. Zieger, Neurochirurg, Oldenburg).
Fazit: Wir haben es bei hirntoten Patienten, die uns sinnlich am ehesten als Schlafende
erfahrbar werden, mit Sterbenden zu tun, nicht aber mit bereits Toten. Tote schlafen nicht.
Es gilt offensichtlich der Tatsache ins Auge zu sehen, daß mit dem Hirntodkriterium
Lebende für tot erklärt wurden - und weiterhin werden. Es sind nicht Leichen, denen
Spenderorgane entnommen werden, sondern sterbende Menschen, deren Lebensfunktionen
allerdings durch diesen Eingriff endgültig erlöschen. Von einer Würde des Sterbens ist hier
keine Rede mehr, von einer Zeitspanne Ruhe, die der Seele gewährt wäre, um ihre Bindung
vom Körper langsam zu lösen, schon gar nicht.
Zwar spricht der "Transplantationskodex der Arbeitsgemeinschaft Organtransplantation"
von der Gewährleistung der Würde des Verstorbenen während der Organentnahme und von
der achtungsvollen Behandlung des Leichnams, aber, wie es Dipl.-Psych. Roberto Rotondo
im Buch "Sterben auf Bestellung" ausdrückt: "Versuchen Sie sich diesen
,menschenwürdigen' Akt einmal vorzustellen. Immerhin können bei einer
Multiorganentnahme Hornhäute, Innenohren, Kieferknochen, Herz, Lungen, Leber, Nieren,
Bauchspeicheldrüse, Magen, Knochen, Bänder und Knorpel, Haut, Adern und Knochenmark
entnommen werden."
Roberto Rotondo zitiert in der Folge auch wortgetreu die Aussagen von Pflegekräften, die
den routinemäßigen Ablauf von Organtransplantationen schildern und sich dabei vor allem
über die technischen Probleme während des Eingriffs auslassen, beispielsweise über die
riesigen "Flüssigkeitsmengen", die bei einem solchen Eingriff anfallen. Und er kommentiert:
"Für mich als Psychologen sind verschiedene Aspekte an diesen Aussagen interessant. Diese
Pflegekräfte kennen sehr blutige Operationen aus anderen Zusammenhängen und können in
diesem Arbeitsbereich mit Blut umgehen. Wenn dann im Zusammenhang mit einer
Organentnahme der Begriff ,Schlachtfeld` verwendet wird, dann stellt zumindest diese
Pflegekraft selbst den Bezug zum Schlachten her. Das OP-Team ist sich anscheinend auch
darüber im klaren, daß der Anblick eines OPs auf für das Reinigungspersonal sehr belastend
sein könnte, obwohl auch diese mit Sicherheit öfter einen blutigen OPSaal säubern müssen."
Die Bilder eines "Schlachtfeldes" sind natürlich nicht für die Offentlichkeit bestimmt. Man
achtet im Hinblick auf die Organspendebereitschaft der Bevölkerung sorgsam darauf, daß
die Türen geschlossen bleiben - wissend, daß man gegen die öffentlichen Emotionen, die bei
der Konfrontation mit den "nackten Tatsachen" entstehen würden, argumentaiv machtlos
wäre. Es ist in der Praxis mitunter schon schwer genug, das Pflegepersonal "auf Kurs" zu
halten.
Eine Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin an der Uni Düsseldorf, Liliana
Sitar, berichtet über ihre Erfahrungen mit "Hirntoten": Sie wurden auf der Station genauso
betreut, wie andere Hirnverletzte auch. Sie wurden durch Infusionen ernährt, die Blutwerte
wurden kontrolliert, ebenso der Blasenkatheter für die Urinausscheidung, der Schweiß
wurde abgewischt, muskelrelaxierende Medikamente gegeben, damit sich die Muskeln nicht
mehr bewegten, wenn sie auf dem Weg zum OP oft an den Verwandten vorbeigefahren
wurden. Schocks sollten so vermieden werden. Liliana Sitar über so eine "letzte Fahrt":
"Alles, was ich an dem Patienten sah, war sein lebendiger Körper. Der war warm. Der
atmete. Der schwitzte. Das tote Gehirn sah ich nicht. Ich hab' weiter mit dem hirntoten Patienten geredet. Hab' ihm genau erklärt, was ich gerade an ihm mache. Daß er zur
Organentnahme in den Operationssaal gefahren wird, das hab' ich allerdings nicht über die
Lippen gebracht." Als die Fachschwester feststellte, daß sie es nicht länger verantworten
konnte, daß Menschen in ihrem Sterben gestört werden, wechselte sie ihren Arbeitsplatz.
Bei Explantationen ist es übrigens auch als (seelischer) Selbstschutz für das Personal (?) üblich, den Patienten zu narkotisieren bzw. zu "relaxieren" und ihn anzuschnallen, da es
sonst zu unberechenbaren Bewegungsreaktionen der Gliedmaßen kommen könnte, die vom
Rückenmark aus gesteuert werden. Man muß sich also wirklich Mühe geben, diese "Toten"
ruhigzustellen.
Wer sich ernsthaft klarmacht, daß es stets noch Lebende sind, denen brauchbare Organe
entnommen werden, und daß dieser Eingriff - einmal abgesehen von den unmenschlichen
Details, die dabei vorkommen mögen - in jedem Fall lebensbeendend ist, wird die
Bereitschaft zur Organtransplantation wohl zumindest kritischer sehen als bisher.
Wie lange wird sich das Hirntodkriterium als unverzichtbare Voraussetzung für die "Ernte"
(ein Ausdruck aus dem medizinischen Fachjargon) lebensfrischer Organe noch halten?
Prof. Dr. Dietmar Mieth, Lehrstuhl für Moraltheologie, EberhardKarls-Universität
Tübingen, meinte sehr treffend: "Lieber halte ich jemand für tot als für lebend,wenn ich
lebensbeendend in ihn eingreifen soll. "
Wer Organe "spendet", weiß nicht, was ihn erwartet. Ist der im Gesetz festgeschriebene
"Hirntod" wirklich das Ende des Lebens? Wenn das nicht so sein sollte, handelt es sich dann
um eine Organentnahme bei lebendigem Leib? Sicher ist eines: Es existiert in unserem
Lande ein florierender Organhandel. Er blüht deshalb so profitträchtig, weil
Organtransplantate, gemessen am Bedarf, zu wenig zur Verfügung stehen ...
IN DER GRAUZONE DES HIRNTODS
Ein Erfahrungsbericht zeigt, wie schnell Menschen bisweilen für "tot“ erklärt
werden
Dreimal habe ich so etwas wie eine "Grauzone des Hirntodes" berührt im Zusammenhang
mit dem Sterben meiner Frau. Ob es einen Glauben an die Exaktheit der "HirntodMethode"
geben kann, möge der Leser selbst entscheiden.
Um 26. Oktober 1993 morgens um 8.00 Uhr fand ich meine Frau Liselotte ohne
Lebenszeichen vor ihrem Bett auf dem Fußboden. Sie war damals 57 Jahre alt. Nichts
Erkennbares hatte auf ein solch kommendes Ereignis hingewiesen. Liselotte führte als
evangelische Gemeindehelferin ein äußerst aktives Berufsleben. So kam sie am Vortag erst
spät abends heim. Wir sprachen nur noch wenige Sätze, die auf einen erheblichen ArgerStreß hinwiesen. Dann ging sie in ihr Zimmer und zu Bett.
Den Bemühungen eines benachbarten Arztes gelang es nicht, Lilo aus ihrer Bewußtlosigkeit
zu holen. Auch der Notarzt konnte nicht helfen. In einer Plane wurde Lilo aus dem Haus
getragen und mit dem Krankenwagen in ein Krankenhaus gefahren. Es war Berufsverkehr.
9:05 Uhr verzeichnet das Krankenhaus als Einlieferungszeit.
Als ich vor der Intensivstation gewartet hatte und gegen 11:00 Uhr eingelassen wurde, führte
der Stationsarzt ein ernstes Gespräch mit mir. Ich erinnere mich an folgendes: Die
Gehirnuntersuchung hat ergeben, daß bei der Einlieferungsuntersuchung das Gehirn schon
zu 95 % tot war. Die Aussichten? Es wird schlechter werden. - Hoffnungen? Keine. Dann
fragt mich der Stationsarzt: Sollen wir alle Möglichkeiten der Apparatemedizin ausnutzen? Ich frage nach dem zu erwartenden Resultat. Ich erfahre: Besserungen keine; vermutlich bei
ständiger künstlicher Ernährung ein vielleicht monatelanges Liegen, aber ohne Bewußtsein.
- Ich sage: Meine Frau und ich haben oft darüber gesprochen, uns gegenseitig vor der
Apparatemedizin zu schützen. Wegen der Seniorenarbeit in der Kirchengemcinde war
"Sterben" ein häufiges Gesprächsthema bei uns am Tisch.. Und ich sagte den schwersten
Satz meines Lebens: "Lassen Sie meine Frau in Würde sterben."
Lilo lag auf der Intensivstation. Im Mund der Schlauch für die künstliche Beatmung.
Infusionsleitungen, Urinauffang neben dem Bett. Der Takt des Beatmungsgeräts bestimmte
den Raum. Unregelmäßig hob er die Brust, kein friedliches Bild. Langsam gewöhnte ich
mich an dic Geräusche. Der Herzschlag, die Frequenz, wurde auf einem Monitor
aufgezeichnet, der links vom Bett stand. Zwei Kurven. Schön gleichmäßig - in der Mitte des
Bildes.
Den Tag verbrachte ich auf der Intensivstation. Was mag meine Frau empfinden,
wahrnehmen? Ist es, wie mir der Stationsarzt gesagt hatte: Ihre Frau liegt da, sie hört nichts,
merkt nichts, empfindet nichts? Mir kamen die Überlegungen: 95% hirntot, was ist das?
Waren es jetzt bereits 97% oder 98%? Wo ist die Grenze?
Und stimmte das denn überhaupt: 95% hirntot schon bei der Einlieferung? Die
Krankenschwester hatte es mir anders gesagt. Im Aufzug waren wir ins Gespräch
gekommen. Sie hatte die Hirnstrommessungen technisch durchgeführt. Ich fragte sie (und
ich hätte jeden gefragt, von dem ich irgend etwas erfahren konnte): Was ist mit meiner Frau?
Korrekt wies die Schwester darauf hin, daß sie keine Auskunft geben dürfe, nur soviel: So
tot, wie die Arzte sagen, ist das Gehirn Ihrer Frau nicht. Ich habe in den Kurven durchaus
noch Anhaltspunkte für Leben gesehen.
Gegen 18:30 Uhr abends war ich müde, wollte mich zuhause etwas hinlegen. Zu der Zeit
meinte ich noch, meine Frau merke ja sowieso nicht, daß ich im Zimmer sei. - So zog ich
meinen Mantel an, blieb einige Zeit an der Tür stehen, blickte ruhig auf die Beatmete, sah
den Monitor mit dem gleichmäßigen Bild der Herzfrequenzen. Da sagte ich: "Lilo, ich gehe
jetzt nach Hause."
Wie ich diese Worte halblaut aussprach: "Ich geh jetzt", machten beide Kurven auf dem
Monitor einen plötzlichen Ausschlag nach oben und nach unten - bis an die Ränder des
Bildschirms. Das kam mir vor wie ein Schrei: Du kannst mich doch jetzt nicht allein
lassen!!! Ein stummer Schrei der Angst in einem Körper, der nichts mehr bewegen konnte aber ein Schrei, der das Herz bewegte, der die elektrischen Ströme veränderte, der aus der
Seele auf den Bildschirm schnellte. Da hatte nicht ein Apparat geschrien, da hatte meine
Liselotte geschrien.
Ob sie schon öfter geschrien hatte, ohne daß ich es bemerkt hatte? Warum sollte sie nur
diesen einen Satz gehört und verstanden haben? dieses: ,Ich gehe jetzt ? Was war von all den
Untersuchungen und dem Gerede auf der Intensivstation in ihr Bewußtsein gelangt? Merkte
sie, daß sie sterben würde? War sie wie in einem Gefängnis: mit Bewußtsein, aber ohne die
Möglichkeit, sich nach außen bemerkbar zu machen? War sie voll verzweifelter, hilfloser
Angst?
Natürlich blieb ich die ganze Nacht auf der Intensivstation, mal neben dem Bett sitzend, mal
am Fenster stehend. Wir waren nur wenige Wochen vor unserer Silbernen Hochzeit. Jetzt
hatte ich Stunde um Stunde, um mit leiser Stimme zu sagen: Was war gut in diesen 25
Jahren? Was war danebengegangen? Und um Verzeihung zu bitten oder Versprechen zu
machen. Es war keine Monotonie, es war wie eine Art ungesteuerter Dialog. Der Bildschirm
gab mir die Antworten. Immer mal wieder schlug die Frequenzaufzeichnung höher und
niedriger. Es war, als wenn bei besonders existentiellen Punkten unseres gemeinsamen
Lebens Lilos Herz zuckte.
Gegen Morgen kam die Ablösung. Mit zehn Freundinnen und Freunden teilten wir uns die
Sterbebegleitung. Das Personal der Intensivstation war teilnehmend und hilfsbereit. Wir
konnten zu jeder Nachtzeit auf die Station kommen; manchmal hielten uns die Schwestern
mit Tee oder Kaffee wach.
Am Abend des zweiten Tages begegnete ich wiederum dem Stationsarzt. Sehr freundlich
sagte er: Herr Emmerling, ich muß noch eine schwierige Frage mit Ihnen besprechen.
Kommen Sie doch bitte ins Arztzimmer. In dem kleinen Zimmerchen saßen wir uns
gegenüber. Der Arzt stellte die Frage: Können wir die Organe Ihrer Frau herausnehmen?
In meinen Kopf schossen die Gedanken: 95% totes Gehirn bei der Einlieferung,
abnehmende Tendenz. Wann ist das Gehirn ganz tot? Nein, schrie es in mir, nein, ihr könnt
meine Frau nicht aufschneiden, könnt ihr das Herz nicht wegnehmen - mit diesem Herzen
hat sie doch heute nacht mit mir über den Monitor gesprochen. Sie lebt doch und
empfindet!! - Und nach außen sagte ich: "Nein". - Dann wurde an mein Christsein appelliert,
an die Nächstenliebe. - Ich wurde etwas unsicher, bat um Bedenkzeit. - Wir sprachen im
Familienkreis, mit Freunden, darunter ein Pfarrer und Ärzte. Sie bekräftigten mein "Nein".
Auf einem Zettel hielt ich dieses "Nein" fest. Dann bekam ich Sorge: Was ist, wenn der
Zettel im Krankenhaus verlorengeht? Wenn beim Schichtwechsel der Zettel irgendwo
zwischen andere Papiere gerät? Wenn der Arzt die Schwester fragt: Gibt es eine Erklärung
durch den Ehemann und die Schwester der neuen Schicht besten Gewissens antwortet: Von
den Angehörigen liegt nichts vor. Ich gab meinen Zettel der Schwester und betete zu Gott,
daß alles gutgehen möge.
Im Laufe des Morgens kam der Chefarzt. Er erklärte mir freundlich, das teuer eingerichtete
Zimmer der Intensivstation würde anderweitig gebraucht. Meine Frau werde nun auf eine
andere Station verlegt, um dort zu sterben.
Ich war dabei, als der Schlauch für die künstliche Beatmung aus dem Mund genommen
wurde. Liselotte atmete ohne Schlauch und Maschine alleine weiter. Sie bekam ein helles
Krankenzimmer, das für uns Angehörige reichlich Raum bot. Zwei Tage und Nächte blieben
die Freundinnen und Freunde abwechselnd bei der Sterbenden. Am 30. Oktober 1993 um
9.15 Uhr war Liselotte tot.
Langsam dämmerte mir in den nachfolgenden Monaten, was mit Lilo abgelaufen war. Es
ließ mich nicht mehr in Ruhe, dieses: Zu 95% ist das Gehirn tot, abnehmende Tendenz dann der Appell an das christliche Gewissen: Geben Sie die Organe frei! - ein Herz, das
doch mit mir gesprochen hatte.
Warum hatten die Ärzte meine Frau so lange auf der Intensivstation gehalten? - sie konnte
doch zwei Tage allein atmen.
Wut wuchs in mir, einfach Zorn über das, was mit Lilo geschehen war. Hatte man meine
Bitte mißachtet, diesen schweren Satz: "Lassen Sie meine Frau in Würde sterben!"? Hatte
man sie darum nicht sterben lassen, um sie ,frisch` zu halten für Organentnahmen?
Meinen Zorn habe ich in die Zeitungen geschrieben als Leserbriefe. Zweimal kamen
Fernsehteams und ließen mich über Lilos Sterben erzählen. Ich wurde von Wissenschaftlern
angesprochen, die sich mit der Hirntodforschung beschäftigen, wurde zu entsprechenden
Tagungen eingeladen. Erzählte auch dort. Von medizinischen Fachleuten wurde mir gesagt:
Ihre Frau lag zwar im Koma, aber nach den Kriterien der Bundesärztekammer war sie nicht
"hirntot", ja, vielleicht sei im Krankenhaus nicht einmal die vorgeschriebene Diagnose
gemacht worden.
Ein Jahr später saß ich dem ärztlichen Direktor des Krankenhauses gegenüber. Mittlerweile
war ich nun schon fast ein Spezialist in der Hirntod-Debatte. Das Gespräch war von beiden
Seiten sehr freundschaftlich. Dazu trug gewiß meine Zusicherung bei, öffentlich keine
Namen Beteiligter zu nennen.
Aufgrund des Gesprächs wurde mir klar, daß eine mögliche ursprüngliche Hypothese, der
Hirntod könne sich einstellen, schon bald nach der Einlieferungsuntersuchung fallengelassen
worden war. Ich nehme auch an, daß die Krankenakte keinerlei Hinweise auf Hirntod
enthält. Dementsprechend wäre auch keine Hirntoddiagnose durchgeführt worden.
Wahrscheinlich wird der Stationsarzt ohne förmlichen Auftrag mit mir ein AngehörigenGespräch über Organentnahme geführt haben. Ich meine sogar herausgehört zu haben, daß
es eine gewisse Erwartungshaltung gäbe, der nach das Krankenhaus, gemessen an der
Bettenzahl, mehr Organe liefern solle.
Arme Liselotte.
Dieter EMMERLING
Mit freundlicher Genehmigung durch den Verlag: Redaktionell gekürzter Auszug aus dem
Buch "Ungeteilt sterben", Hrsg. Gisela Lermann
Die Geschichte eines Irrtums
Die meisten Menschen gehen heute davon aus, daß sich der Sitz unserer Persönlichkeit, das
Zentrum unserer Fähigkeiten, zu denken und Entscheidungen zu treffen, in unserem Kopf
befindet, genauer gesagt: in unserem Gehirn. Dem war jedoch nicht immer so. Der "Ort
unseres Ichs" galt während langer Zeit als unbestimmt.
Im 6. Jahrhundert vor Christus stellte der griechische Philosoph Pythagoras die Hypothese
auf, daß der Sitz der Gedanken sich im Gehirn befände. Diese Annahme wurde von
Aristoteles (4. Jahrhundert vor Christus) bestritten. Er war der Ansicht, daß das Zentrum des
Bewußtseins sich im Herzen befinde und daß das Gehirn nicht zum Denken diene, sondern
da sei, um das Blut abzukühlen!
Tatsächlich ist es nicht so einfach, wie es scheinen möchte, unser Bewußtseinszentrum im
Körper zu lokalisieren. Zwar dürfte klar sein, daß sich Denkvorgänge im Kopf vollziehen;
andere Wahrnehmungen unserer Persönlichkeit sind jedoch nicht so einfach an einem
bestimmten "Ort" des Körpers festzumachen. Emotionen, wie beispielsweise die Freude, die
innere Ruhe, Neid und Angst, empfinden wir nicht in unserem Kopf. Ebensowenig die
Liebe, die uns erfüllt, die Überzeugung, die uns durchdringt - oder den Willen, den wir
entfalten. All dies scheint eher von der Gegend des Sonnengeflechtes oder ... des Herzens
auszugehen, nicht aber vom Gehirn.
Herz oder Gehirn? Mit zunehmenden anatomischen und physiologischen Kenntnissen wurde
schnell erkannt, daß das Körperorgan Herz nicht am Bewußtseinsvorgang beteiligt ist und
daß man wohl tatsächlich eher in Richtung des Gehirnes suchen müßte, und ein
unermüdliches Forschen begann. Wenn das menschliche Bewußtsein und dessen Wirken
tatsächlich von der Gehirnmasse ausgingen, so folgerte man, dann würde eine bessere
Kenntnis unseres Gehirnes letztlich auch zur Selbsterkenntnis führen.
Obwohl diesbezügliche Forschungen schon in der griechischen Antike begonnen hatten,
gingen sie doch nur langsam voran und nahmen erst im 19. Jahrhundert bedeutende Formen
an. Erst zu dieser Zeit hatte die Wissenschaft eine realistische Vorstellung von den
Nervenzellen gewonnen, von deren Zellkörpern und den Verlängerungen, dem verzweigten
"Protoplasmafortsatz". Die Nervenzelle oder das Neuron wurde als Grundelement der
Gehirnsubstanz erkannt.
Im 20. Jahrhundert sodann entdeckte man - dank des Einsatzes von Mikroelektroden - die
Existenz verschiedener Zentren im Gehirn, die für ganz bestimmte Funktionen zuständig
sind. Bei diesen Forschungen offenbarte sich das Gehirn als wahres Wunderwerk: Es besteht
aus einer Anhäufung von ungefähr 100 Milliarden Zellen oder "Neuronen". Jede Zelle kann
Signale von 10.000 anderen Neuronen erhalten. Die Gesamtzahl der möglichen Verbindungen und Anschlüsse - was der Arbeitsmöglichkeit des Gehirns entspricht - ist so hoch,
daß es unser Vorstellungsvermögen übersteigt. Ein Wissenschaftler hat einmal geschätzt,
daß man, um sie alle zu zählen, eines pro Sekunde, 32 Millionen Jahre dafür brauchen
würde!
Diese faszinierenden Entdeckungen paßten natürlich sehr gut zu jener mechanistischen
Theorie des Lebens, die im 17. Jahrhundert ihren Ursprung fand und unser abendländisches
Denken bis heute prägt. Dieser Auffassung zufolge ist die Welt mit einer Maschine
vergleichbar, innerhalb derer der Mensch zwar über eine "Seele" oder "Psyche" verfügt,
diese wird aber eben mit dem Wirken des Gehirns gleichgesetzt. Jedes menschliche Erleben
ist demnach nichts weiter als ein Wechselspiel einiger "grauer Zellen" unter der
Schädeldecke.
Wer diese Theorie jedoch kritisch hinterfragt, merkt schnell, daß die Aussage, das Gehirn sei
wirklich der Sitz unserer Persönlichkeit und unseres Bewußtseins, keineswegs erwiesene
Tatsache, sondern nur eine Vermutung ist. Man beginnt zu wissen, wie unser Gehirn
arbeitet, man legt Definitionen für "Bewußtsein" fest, aber man weiß nicht, was es ist.
Unsere Lebenserfahrungen stehen der Annahme, daß Bewußtsein etwas Körperliches ist,
jedenfalls völlig entgegen. Jeder Mensch erlebt sich selbst als ein unteilbares Ganzes, das an
keinem bestimmten Organ, nicht einmal am physischen Körper, festzumachen ist. Man sagt:
"Mein Körper tut mir weh!" Und man erlebt sein "Ich" unabhängig von jedem Alterungsprozeß der Körperzellen als sich stets gleichbleibend. Aber wer ist dieses "Ich", diese
offenbar "übergeordnete Instanz", die sich ihrer selbst bewußt sein kann und die sich des
Gehirns vielleicht nur als "Werkzeug" bedient? Wo ist der Geist in der Maschine?
Diese Frage stellt sich beispielsweise auch in jenen Fällen, bei denen nach der Zerstörung
eines Gehirnzentrums an einem anderen Ort der Gehirnmasse ein neues entsteht, das die
Funktion des alten übernimmt. So können beispielsweise Menschen, die nach einem
Gehirnschlag - als Folge der irreparablen Schädigung des betreffenden Zentrums - das
Sprechvermögen oder die Fähigkeit, gewisse Glieder zu bewegen, verloren hatten, die
Sprache oder ihre Bewegungsfähigkeit wiederfinden.
Die Annahme, mit dem menschlichen Bewußtsein stehe, abgesehen vom Gehirn, noch etwas
anderes, Übergeordnetes in Zusammenhang, mag vorerst etwas befremdlich anmuten. Denn,
so kann man sich fragen, was soll es noch Höheres geben als das Gehirn? Welches andere
Organ in unserem Körper vermag zu denken, zu rechnen, verfügt über ein
Vorstellungsvermögen und ist vernunftbegabt?
Aber ist es tatsächlich das Organ, das sich etwas vorstellt, das selbst vernünftig ist und
bewußt rechnet und denkt?
Alle großen Religionen gehen davon aus, daß der Mensch nicht nur sein Körper ist, sondern
eine Gesamtheit, die auch Geist und Seele umfaßt. Auch in der Medizin war dies bis vor
wenigen Jahrhunderten durchaus eine Selbstverständlichkeit. Es änderte sich erst, als man
irrtümlicherweise glaubte, durch das "Zerlegen" des physischen Körpers in "Einzelteile" und
Erforschung derselben auch das Individuum als Ganzes erfassen zu können.
Nun stellt man sich natürlich unter , Geist" heute recht unterschiedliche Dinge vor. Das
Wort wird einerseits als Sammelbegriff für verstandesmäßig bzw. intellektuelles Wirken
benutzt. Andererseits wird damit alles das umschrieben, was man als "übernatürlich"
ansieht, wie Geister- oder Spukerscheinungen. Die Worte "geistlich" oder "Geistlicher" wiederum weisen auf das Religiöse, Spirituelle hin. Und schließlich, in der Unterscheidung
zwischen Naturund Geisteswissenschaft, wird "geistig" als nicht-materiell, vielleicht auch
als ideell verstanden. Die Tatsache, daß in der deutschen Sprache (im Gegensatz etwa zum
Englischen, wo man zwischen "spirit" = geistig, spirituell; "ghost" - Spukerscheinung und
"brain", "mind", "intellect" = Verstand, Intellekt unterscheidet) für so unterschiedliche Gegebenheiten ein und dasselbe Wort verwendet wird, deutet wohl auf ein breites
Unverständnis für alles Geistige hin.
Im hier gemeinten Sinn ist der menschliche Geist die Grundlage unseres Ich-Bewußtseins
und gleichbedeutend mit unserem inneren Kern. Geist ist eine Beschaffenheit eigener Art,
die jeder nur in sich selbst erleben kann. Während unseres Lebens auf der Erde ist der Geist,
sind wir, in den physischen Körper "inkarniert". Wir sind diesem Körper also verbunden und
benutzen und führen ihn durch unseren Willen, der zum geistigen Bewußtsein gehört. Kraft
des Geistes erleben und empfinden wir auch - und bewegen uns als Menschen damit bewußt
und in aller Selbstverständlichkeit stets auch auf Ebenen jenseits aller Gehirntätigkeit.
Nach dem Tod zersetzt sich der physische Körper, nicht jedoch der immaterielle Geist, für
den der Körper nur eine Art schützende Hülle war, unter der er reifen kann, unter der sich
also alle menschlichen Fähigkeiten entwickeln sollen.
Der Geist führt in umfassender Form das Gehirn, wobei er natürlich seinerseits in hohem
Maße von der Funktionsfähigkeit dieses Organs abhängig ist. Unser Gehirn wird oft mit
einem Computer verglichen. Die Funktionsweisen beider sind einander aus einem
bestimmten Blickwinkel ähnlich. Dennoch aber handelt es sich bei Gehirn und Computer
um Werkzeuge, wenn auch unterschiedlicher Rangordnung: Das Gehirn soll dem Geist, der
Computer dem Gehirn dienen.
Die Frage, wie nützlich ein Werkzeug ist, beantwortet immer der, der es benützt. Im Falle
des Computers ist es der Informatiker, im Falle des Gehirns der Menschengeist. In beiden
Fällen aber übersteigen die Fähigkeiten der "übergeordneten, führenden Instanz" bei weitem
die Möglichkeiten des Werkzeuges. Der Mensch kann erfinderisch und schöpferisch sein, er
kann improvisieren, intuitiv handeln, inspiriert werden. Er ist fähig, die Musik zu lieben
oder seinen Nächsten, er kann sich für ein Ideal entflammen oder seinen Schönheits- und
Gerechtigkeitssinn entwickeln. Er kann Ausdauer zeigen, sich Mühe geben, mutig sein, usw.
- alles Eigenschaften, die der funktionalen Wirkungsweise eines Computers - und auch
unseres Gehirns - völlig fremd sind ...
Will man das menschliche Bewußtsein tatsächlich verstehen lernen, so gilt es, die lange
Geschichte jenes Irrtums zu überwinden, der die Psyche im Körper sucht: Der Geist ist das
Zentrum des Menschen, das Gehirn nur sein Werkzeug.
DEIN IST MEIN GANZES HERZ
Mit der Herzverpflanzung erreichte die Organentnahme einen vorläufigen
Höhepunkt
"Dein ist mein ganzes Herz!" - Vor wenigen Jahren noch war dies eine Liebeserklärung,
heute könnte es der Inhalt einer letztwilligen Verfügung sein. Denn wieder ist eines der
großen Tabus der Menschheit gefallen. Nur wenige medizinische Großtaten der jüngeren
Zeit aber haben so weltweite Beachtung gefunden wie die Herzverpflanzung. Sie hat aber
auch den Anstoß dazu gegeben, den gesamten Problemkreis der Organentnahme auf
zurollen. Dr. Richard STEINPACH beleuchtet die Hintergründe einer besorgniserregenden
Entwicklung, die mit der Herzverpflanzung einen vorläufigen Höhepunkt fand.
DIE BESONDERHEIT DES HERZENS
So sehr man im Zusammenhang mit der Herztransplantation darüber staunen mag, was der
Medizin schon alles möglich ist, so wird man dieses Fortschritts nicht recht froh. Das
Bewußtsein, daß selbst das pulsierende Zentrum unseres Leibes, dessen Schlag fühlbares
Leben ist, austauschbar sein soll wie der Motor eines Kraftfahrzeugs, greift uns - im vollen
Sinne des Wortes - ans Herz.
Gerade die Herzverpflanzung wirft Fragen auf, die tief in das Wesen menschlicher Natur
und menschlichen Daseins führen. Die Wissenschaft und die Berichterstattung haben hierum
einen großen Bogen gemacht, sie betäuben uns mit dem vermeintlichen Erfolg. Die dahinterstehenden, aus dem Zusammenhang der Allnatur aufsteigenden Bedenken wollen sie nicht
sehen. In dieses Niemandsland fehlender Überlegungen sei hier vorzustoßen versucht.
Wir wissen, daß unser Blut, ja daß unsere Organe innerhalb gewisser Grenzen austauschbar
sind. Woraus also ergibt sich das besondere Interesse, das die Ausweitung dieser Erkenntnis
auch auf das Herz hervorgerufen hat? Liegt die Ursache etwa in der romantischen Verklärung, die das Herz seit frühester Zeit umgab? Dichtung und Vorstellung haben es zum Sitz
der Empfindung gemacht, stets galt es als Inbegriff des Wertvollen, Hohen. Schon die alten
Ägypter bezeichneten den "vollkommenen Geist" mit dem gleichen Worte wie "das Herz",
und auf den Tempelpyramiden des Aztekenreiches wurde das zuckende Menschenherz den
Göttern als Opfer dargebracht. Zahlreich sind noch heute die sprachlichen Bilder, die in
Beziehung zum Herzen stehen: "Es kommt von Herzen", "es geht uns zu Herzen", es ist uns
"leicht oder schwer ums Herz", wir "beherzigen einen Rat" oder "handeln beherzt", und
Herzlichkeit ist schönster Ausdruck aufgeschlossenen Menschentums.
Die Sprache hat stets einen feinen Sinn für das Verborgene bewiesen. Hat sie sich diesmal
täuschen lassen? Sind wir, was das Verhältnis zum Herzen betrifft, zu sehr belastet von
jahrtausendealter Tradition, von fortgeschlepptem Aberglauben und Unwissenheit, von
denen wir uns endlich freiringen müssen? Denn das Zeitalter der Ernüchterung ist angebrochen. Ist es da nicht Zeit, auch den Mythos des Herzens zu zertrümmern?
Fragen wir zunächst: Was ist denn das Herz? Für den Mediziner ist es ein Hohlmuskel mit
Pumpenfunktion. Gegliedert in rechte und linke Seite, deren jede Vorkammer und Kammer
umfaßt, dient es der Blutversorgung des Körpers. Aus der linken Herzkammer wird das
reine, sogenannte arterielle Blut, das dünnflüssig ist, ausgepreßt. Es verästelt und verzweigt
sich von dort bis in die feinsten Kapillaren, wobei es die Zellen versorgt und nährt. Dabei
nimmt es die Rückstände ihres Stoffwechsels auf, wird solcherart dunkler und dickflüssiger
und kehrt als sogenanntes venöses Blut in die rechte Vorkammer zurück. Doch noch ist sein
Weg nicht zu Ende. Über die rechte Herzkammer wird es neuerlich ausgepreßt, gelangt in
die Lunge, wird dort gereinigt und mündet, wieder hell und arteriell geworden, in die linke
Vorkammer ein. Jetzt erst ist der Kreis geschlossen; es kann seinen Lauf erneut beginnen.
Mit der Betrachtung dieses Körpergeschehens sind wir schon inmitten des Wunderbaren.
Denn was sich uns hier zeigt, ist ein gewaltiges Schöpfungsgesetz, das da lautet: Alles
Lebendige bewegt sich im Kreise, alles muß wieder in den Ursprung zurück. Diesen
Kreislauf sehen wir im Wandel der Gestirne, in den Jahreszeiten, in Tag und Nacht. Wir
kennen ihn vom Fluß des elektrischen Stromes und vielen weiteren Tatsachen der
Naturwissenschaft. Dieses Gesetz in uns wiederzufinden, zeigt uns, daß wir zwar Teil im
Ganzen, doch zugleich ein in sich kreisender Kosmos sind.
In unserem Körper gliedert sich der Blutumlauf nun in zwei deutlich voneinander
geschiedene Teile, die erst zusammen ein Ganzes ergeben: in den sogenannten "großen"
Körperkreislauf, der der Versorgung der Zellen, und den sogenannten "kleinen"
Lungenkreislauf, der der Reinigung des Blutes dient. Die Bezeichnungen "groß" und "klein"
machen freilich die ichbezogene Beengtheit unserer Betrachtungsweise, unser Verhaftetsein
am Stofflichen deutlich. Denn während der vermeintlich "große" Körperkreislauf durch das
Leibliche begrenzt ist, öffnet sich der scheinbar "kleine" Kreislauf über die Lunge ins
Unendliche. Von allen Elementen ist es aber gerade die Luft, die - schon ihrer
Beschaffenheit nach etwas vom Atem des Ewigen trägt, seine Wesenlosigkeit ahnen läßt.
Über den Lungenkreislauf also nimmt unser Ich teil an einem unbegreiflichen Kraftstrom und siehe: er reinigt und erneuert die kreisenden Säfte unseres Leibes.
Sehen wir das in uns abrollende Geschehen so, in seinen richtigen Größenverhältnissen, so
wird uns zugleich ein Ahnen von der Winzigkeit des eigenen Ichs gegenüber den
unermeßlichen Weiten, in die wir gnädig eingebettet sind.
Versuchen wir deshalb, uns ein wenig von dem stofflichen Bild zu lösen und den geistigen
Hintergrund des in uns wirkenden Gesetzes zu erkennen.
DAS HERZ: EIN ABBILD DES GRALS
In der Gralsbotschaft von Abd-ruTshin wird unter anderem auch erklärt, was unter dem
Heiligen Gral zu verstehen ist. Er sei, so heißt es dort (Vortrag "Der Heilige Gral"), nicht die
Abendmahlschale, in der das Blut Christi gesammelt wurde. Diese Deutung sei nur
entstanden, weil man eben Heiligstes, das es auf Erden gab, mit dem Heiligen Gral in
Verbindung brachte. Tatsächlich befinde sich die Gralsburg an der Spitze der - begrenzten Schöpfung; sie stelle, teils zum einen, teils zum anderen gehörig, die Verbindung zum
ewigen Strahlungsbereich des Allmächtigen her, und durch sie, über den Heiligen Gral, in
dem es "ununterbrochen wallt und wogt wie rotes Blut", ergießt sich immer wieder aufs
neue die lebenserhaltende Gotteskraft bis in die fernsten Weiten der Schöpfung.
Müssen wir nicht, wenn wir es recht überlegen, zugeben: Unser Herz hat innerhalb unseres
Körpers - vergröbert - eine ähnliche Stellung. Es verbindet den ins Unendliche weisenden
Lungenkreislauf mit der begrenzten Schöpfung des Körpers und dessen Kreislauf. Auch im
Herzen ist ein ständiges Wogen und Wallen, mit jeder seiner Bewegungen treibt es den
nährenden Blutstrom hinaus in den Kosmos unseres Leibes, dessen Erschauern wir noch im
Pulsschlag fühlen können. Nun wissen wir schon aus der ParzivalSage, daß alles Lebendige
welken, verdorren und sterben müßte, wenn der Segensstrom aus dem Grale ausbliebe.
Erginge es unserem Körper nicht ebenso, würde der Blutstrom nur zögernd fließen oder
letztlich versiegen? Ist nicht jeder Schlag unseres Herzens eine erneute Ausgießung heiliger,
lebenspendender Kraft? Eine Kreislaufstörung, ein Kreislaufversagen, ein Herzinfarkt was
sind sie für die betroffenen Teile anderes als Unterbrechung der Verbindung zur Quelle des
Lebens?
Auch im Abbild setzt gerade im Herzen das unbegreifliche Wunder des Lebens ein. Denn
erst sein abwechselndes Zusammenziehen und Erweitern bewegt das Blut, hält den Kreislauf
in Gang. Was aber veranlaßt das Herz zu seinem Schlagen? Hier stehen wir vor dem
Unergründlichen: Was immer wir erkennen, begreifen können, sei es der Schlag unseres
Herzens, der Strom unseres Blutes, seien es chemische Vorgänge verschiedenster Art, sie
alle sind nur Bewegung, nichts als Bewegung. Diese Bewegung aber ist ihrerseits nur
sichtbare Auswirkung einer außerhalb unserer selbst, ja außerhalb aller Schöpfungen
seienden Ursache, die allein "das Leben" ist, weil nur sie es in sich trägt. Das Herz nun ist
es, das die Verbindung zu ihr hält, das ihre Kraft für uns in jedem Erdenaugenblicke
sichtbar, fühlbar macht.
Und wie sind wir doch den Gesetzen dieser Urkraft eingeordnet! Rund 72 mal in der Minute
schlägt unser Herz, das ist 103.680ma1 am Tag. 103.680 aber ist 4ma1 25.920, das ist jene
Anzahl von Jahren, die die Sonne benötigt, um einmal den Tierkreis zu umwandern. Man
nennt diese Zeit das "kosmische Jahr". Im Verlaufe eines einzigen Tages hat unser kleines,
hastiges Menschenherz gleichsam vier kosmische Jahre lang geschlagen. Über das Herz aber
steuern wir auch den uns anvertrauten Kosmos unseres Körpers, prägen wir ihm unser
Empfinden auf. Sinnenhaft werden unsere Seelenregungen am Herzen fühlbar, wird das
Strömen des Blutes dadurch gedrosselt oder erleichtert. So krampft sich im Leid "das Herz
zusammen", so macht die Freude "das Herz uns leicht". Unsere Sprache hat nicht gelogen:
Wir öffnen oder verschließen uns der erhaltenden Kraft durch die Art dessen, was uns
zuinnerst bewegt. Wunder über Wunder begibt sich um das menschliche Herz.
MENSCH UND MACHBARKEIT
Welchen weltentiefen Sturz bedeutet es, wenn wir uns nun wieder dem Ausgangspunkt
unserer Betrachtung zuwenden: der Tatsache, daß sein Herz nicht mehr allein dem
Einzelmenschen gehören soll, daß es vielleicht in fremder Brust einmal schlagen kann.
Es hat doch alles so "harmlos" begonnen mit der Ubertragung von Haut, Knochen, der
Hornhaut, der Niere - jetzt wurde eben auch das Herz mit erfaßt. Aber ist damit das Ende
solcher Vorgehensweisen erreicht? Schon vertauscht man die Köpfe von Hunden und Affen,
schon züchtet man doppelköpfige Monstren. Auch diese entartete Wissenschaft leitet die
Rechtfertigung für ihre Versuche und das damit verbundene Leid der geschändeten Kreatur
von der künftigen Anwendbarkeit auf den Menschen ab. Schon finden wir etwa bei Gordon
Rattrey Taylor ("Die biologische Zeitbombe", S. Fischer Verlag) Sätze wie diesen: "Die
Aufgaben der technologischen Zivilisation erfordern Hände mit Fingern, die einen Knopf
drücken. Es erscheint daher logisch (!), Affen mit menschlichen Abfallhänden auszurüsten.
Wenn dann vielleicht auch weniger hochstehende Tiere wie Hunde sich für solche Aufgaben
geeignet erweisen sollten, könnte man diese Tiere mit menschlichen Armen und sogar mit
Füßen versehen. "
Der gleiche Autor scheut nicht davor zurück, die Vision der Kreuzung von Menschen und
Tieren, der mechanisierten Menschen, ja sogar von in Maschinen eingebauten menschlichen
Gehirnen als erstrebenswerte Forschungsziele hinzustellen und daran die zynische
Feststellung zu knüpfen: "Eines Tages wird es vielleicht unmöglich sein zu unterscheiden,
ob man zu mechanisierten Menschen oder zu humanisierten Maschinen spricht. Und man
wird nur mit Schwierigkeiten wissen, wer man selber ist. "
Wenngleich uns auch die unverrückbare Ordnung der Schöpfung von der Verwirklichung
solchen Wahnsinns schützt - ist es nicht entsetzlich genug, daß dergleichen überhaupt
gedacht wird, daß Menschen auf dieses Ziel hinarbeiten?
Diese Entwicklung zwingt uns gebieterisch zur Frage: Sind wir, die wir meinen, eigene, vom
anderen verschiedene Persönlichkeiten zu sein, wirklich nicht mehr als die Summe unserer
körperlichen Teile, die Stück für Stück immer mehr für Allgemeingut gehalten werden?
Der Streit um die Zweiheit von Geist und Körper reicht bis in unsere Tage. Mehr denn
anderswo gilt hier das Goethewort: "Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nie erjagen. " Aber
immer weniger wird uns erlaubt, diese Frage einfach beiseite zu schieben, uns hinter der
vermeintlichen Unmöglichkeit ihrer Lösung zu verschanzen. Selbst der Gehirnforscher und
Nobelpreisträger Sir John Eccles bekennt sich zu der Überzeugung, " daß es etwas gibt, was
ich den übernatürlichen Ursprung meines einmaligen, sich seiner selbst bewußten Geistes
oder meiner einmaligen Individualität oder Seele nennen möchte" (Eccles/Zeier: "Gehirn
und Geist", Kindler Verlag).
Wenn Gordon Rattrey Taylor in dem schon genannten Buche die Meinung äußert: "Der
Körper ist nur eine Maschine, die wir fahren", so ist ihm damit das Zugeständnis entschlüpft, daß unser eigentliches Ich nicht mit diesem Körper gleichzusetzen ist, und Sir
Charles Sherrington, der als einer der bedeutendsten Neurologen unseres Jahrhunderts gilt,
räumte ein: "Daß unser Wesen aus zwei fundamentalen Elementen bestehen soll, hat -wie
ich glaube keine größere Unwahrscheinlichkeit für sich als die Ansicht, es bestehe nur aus
einem solchen Element. Wir müssen wohl davon ausgehen, daß die Beziehung zwischen
Geist und Körper ein immer noch ungelöstes Problem ist. "
Das ist ein sehr einsichtsvolles Wort, es genügt vollauf für diese Betrachtung. Es würde
erfordern, daß wir darnach handeln. Die Rechtsordnung kennt den Grundsatz "Im Zweifel
zugunsten des Angeklagten"; er soll uns davor bewahren, aus mangelnder Kenntnis Unrecht
zu tun. Hier in der Medizin aber begibt sich das Ungeheuerliche: Ohne jegliche Scheu vor
dem Zweifel experimentieren wir an dem uns zugänglichen Teil einer - zumindest nicht
ausschließbaren - viel weiter reichenden menschlichen Ganzheit herum.
AN DER SCHWELLE DES TODES
Ein Eingriff wie die Herztransplantation ist ein Balanceakt auf schmalem Grat: innerhalb
weniger Minuten nach dem Stillstand des Spenderherzens muß die Entnahme erfolgen. Hier
muß sich doch die Frage stellen: Ist der Mensch, dessen Herz noch vor Minuten den Dienst
versah, wirklich schon tot? Wir werden solcherart gezwungen, über das Wesen des Todes
nachzudenken. Was aber wissen die Menschen wirklich davon? Wie einfach war es doch
früher einmal gewesen: Das Herz stand still, die Atmung setzte aus, folglich war der Mensch
tot. Inzwischen hat man erkennen müssen, daß selbst "klinisch Tote" wieder ins Leben
zurückkehren können. Professor Nissen sagte in der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft":
"Der scharfe, eindeutige Übergang vom Lehen zum Tod ist mit den modernen Erkenntnissen
von Medizin, Biologie und Technik wieder unscharf und problematisch geworden. Wie bei
den antiken Griechen stößt der Lebensnachen diesseits des Lebens an und legt einen
dunklen, unüberschauharen Weg zurück. "
Der Mensch erscheint für die Wissenschaft also wie ein Eisberg: nur der kleinste Teil ist
sichtbar, das meiste liegt im Verborgenen. Doch so wie bei einem Eisberg müssen wir auch
hier versuchen, den Verlauf jenseits des Sichtbaren zu ergründen, wenn wir nicht
Schiffbruch erleiden wollen.
Nach unserem Sprachgebrauch tragen wir die "sterbliche Hülle" eines Abgeschiedenen also nicht diesen selbst - zu Grabe. Mag dies für viele auch zu einer sinnentleerten Redensart
geworden sein, so steckt in solchen Bildern oft ein verlorenes Wissen.
In den Schilderungen derer, die sich mit dem Phänomen des Todes befaßten, findet sich seit
urdenklichen Zeiten die wiederkehrende Behauptung von einem gleichsam verfeinerten
Menschenbild. Solche nebelhaften Körper wurden wiederholt erschaut, sie liegen dem
Begriff des "Gespenstes" zugrunde. Es wäre zu bequem, sie einfach in das Gebiet des
Okkulten abzuschieben und damit aus allen Erwägungen auszuklammern. Wenn "okkult"
alles ist, vor dem wir die Augen verschließen, dann wäre für den Vogel Strauß jeder Gegner
"okkult", vor dem er den Kopf im Sande versteckt. Ist aber schlechthin "okkult", was wir mit
unseren Sinnen nicht wahrnehmen können, dann waren Magnetismus, Elektrizität,
Wellenlehre, Plasmaphysik durchwegs Erscheinungen der okkulten Welt, ehe wir die Mittel
zu ihrer Entdeckung fanden. Die Grenze ist also ständig fließend.
Nach der Begriffsbestimmung des Lexikons ist Okkultismus "die Lehre von den noch
verborgenen Dingen, richtiger das Bestreben, Verborgenes unwissenschaftlich zu
erforschen und aufzuklären ". Nehmen wir diesen Begriff also nicht zum Vorwand, verschanzen wir uns nicht hinter dem Wort "okkult" wie hinter einem Rolladen, der das Licht
hindern soll, zu uns zu dringen. Geben wir zu, daß es dem Menschen unangenehm ist, an die
einzig feststehende Tatsache seines Erdendaseins, den Tod, gemahnt zu werden und daß er
deshalb - auch aus Scheu vor der Verantwortung zumeist gar nicht erfahren will, was
jenseits dieser Schwelle liegen mag.
Die stets gleichbleibenden Hinweise auf verfeinerte Körperformen sollten uns also
zumindest zu denken geben. Schon oft hat der Mensch erfahren müssen, daß alte, belächelte
Vorstellungen und Mythen sich als richtig erwiesen haben. Selbst wenn man den Zweiflern
weitergehend entgegenkommen wollte, so müßte man sagen: Die Wahrscheinlichkeit, daß es
auch beim Menschen - wie bei der Materie - hinter der äußeren Erscheinungsform "noch
etwas gibt", ist zumindest um nichts geringer als jene des Gegenteils. Wäre man daher nicht
verpflichtet, dies wenigstens in die Überlegungen einzubeziehen?
Wir wissen doch, daß jedes Ding seine eigene Strahlung hat. Strahlung ist das Wesen
unseres Sehens, auf Strahlung beruht die Photographie. Die Natur aber macht bekanntlich
keine Sprünge, eines reiht sich bruchlos ans andere. Als sinnfälligster Ausdruck dieses
Naturgesetzes kann uns der Regenbogen erscheinen. Denn das Licht, aus dem alles und jedes wird, geht - muß es sein Geheimnis enthüllen - fließend in vielerlei Zwischenstufen von
einer Farbe zur anderen über. Und gerade im körperlichen Bereich erleben wir doch bei der
Bluttransfusion, bei der noch zu behandelnden Reaktion der AntiKörper, daß sich nur
Ähnliches miteinander verbinden kann. Es widerspricht daher keinem Erfahrungsbild, wenn
unser Erdenkörper eines ihm ähnlichen, etwas verfeinerten Mittlers bedarf, um so
Erdenfernes wie den Geist durch Strahlung an sich binden und halten zu können.
Im Schlafe wird nun diese Strahlungsverbindung gelockert. Die Lebensfunktionen und die
Körpertemperatur sind herabgesetzt, was zwangsläufig auch seine veränderte Ausstrahlung
bewirkt. Ähnlich ist es bei Krankheit und erst recht in Agonie. Und hat der Kreislauf aufgehört, ist also der Tod eingetreten, so beginnt die Körpertemperatur unaufhaltsam zu
sinken, der Leichnam wird kalt und erstarrt. Wer will daran zweifeln, daß die Ausstrahlung
dieses erkaltenden Körpers sich ständig verändert, immer schwächer und kraftloser wird?
Von den Bindekräften gelöst, strebt dann der Geist als einzig lebendiger Teil in seiner
verfeinerten Umhüllung von diesem Erdenkörper weg, ähnlich einem Luftballon, dessen
Leichtigkeit ihn steigen läßt, wenn die Hand ihn nicht mehr hält. Bei vielen hochstehenden
alten Völkern sowie bei den Naturvölkern gibt es genaue Vorschriften über die Zeit, die
zwischen dem Tode eines Menschen, der Beisetzung und gar der Zerstörung seines Leibes,
zumeist durch Feuer, vergehen muß. Diese Frist erstreckt sich mitunter auf mehrere
Wochen, ja, sogar Monate. Das erscheint bemerkenswert, denn gerade jene Völker, die ihr
Leben den Gesetzen der Natur eingeordnet haben, wissen manchmal mehr als der so
"moderne" westliche Mensch, für den nicht existiert, was er nicht kennt. In der Beachtung
derart bestimmter Fristen steckt jedenfalls die Kenntnis davon, daß der Vorgang des SichAblösens des eigentlichen Menschen vom Erdenkörper, wie alles im Naturgeschehen,
allmählich erfolgt, seine Zeit benötigt. Diese Zeit wird um so länger sein, je mehr der
Menschengeist, seiner eigenen Beschaffenheit entgegenwirkend, sich an den Erdenkörper
anzuklammern sucht. Da heute der Großteil der Menschen unserer Zonen seine Ziele
vorwiegend im Irdischen sieht, kann angenommen werden, daß die Trennung vom
Erdenkörper meist nur zögernd vor sich gehen kann.
DER GEIST SPÜRT DEN "TOTEN KÖRPER“
Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zurück zur Organverpflanzung. Nur wenig
Minuten stehen nach dem Aussetzen des Kreislaufs für eine Entnahme zur Verfügung. In
dieser Zeit ist in keinem Falle schon die Lösung des Geistes in seiner zarteren Hülle von
dem Erdenkörper erfolgt. Gerade der Umstand, daß die Zellen erst nachher abzusterben
beginnen und eben dies noch nicht eingetreten sein darf, beweist, daß ein zwar nicht mehr in
Funktion befindliches, aber doch noch belebtes Organ entnommen werden muß, um
anderweitig seinen Zweck noch erfüllen zu können. Selbst der nicht zimperliche Gordon
Rattrey Taylor spricht in diesem Zusammenhang von "Kannibalen Methoden".
Mit dem ärztlicherseits festgestellten Tod ist ja erst jener Augenblick erreicht, ab welchem
die stofflich faßbaren Bewegungsvorgänge im Erdenkörper zum Ende gelangen. Verbunden
aber ist der Geist noch immer damit und spürt mehr oder weniger stark einen solchen
Eingriff. Die Wissenschaft aber hält sich nicht einmal diese "Möglichkeit" vor Augen: Sind
die Behauptungen über den Vorgang des Todes richtig - und nichts außer menschlichem
Eigensinn spricht dagegen - so werden noch fühlenden Menschen die Herzen entnommen.
Die vielgerühmten Helden der Medizin besitzen, so betrachtet, eine peinliche Ähnlichkeit
mit den Priestern des Quetzalcoatl und Tetzcatlipoca. Jene opferten die zuckenden
Menschenherzen den Göttern, diese dem Moloch blindwütiger Wissenschaft.
RETTUNG VON MENSCHENLEBEN?
Nun mag man vielleicht einwenden: Was wiegt das alles gegenüber der Rettung eines
Menschenlebens? Aber kann die Sorge um dieses Leben überhaupt noch ernst genommen
werden von einer Menschheit, die den millionenfachen Tod für sich bereithält und schon
den Eintritt ins Erdenleben chemisch "vermint"?
Nur wenige von den Patienten, denen fremde Herzen eingepflanzt wurden, haben für längere
Zeit überlebt. Ursache dessen ist vor allem, daß der Körper das fremde Organ wieder
abstoßen möchte. Das scheint mir das erfreulichste Ergebnis auf diesem Gebiete zu sein. Es
zeigt, daß der Mensch nicht beliebig vermengt werden kann. Unser ureigenstes Wesen findet
sich nicht nur in unserem geistigen Ich, es ist jedem Tropfen unseres Blutes, jeder Zelle
unseres Körpers eingeschrieben. Schon die Alten wußten dies: Es ist der unaustauschbare,
unterschiedliche Geist, der sich den ihm gemäßen Körper bildet. Haben wir das
unverwechselbare Merkmal jedes Menschen im Fingerabdruck nicht schon längst erkannt?
Wissen wir nicht, daß nur sehr ähnliches Blut übertragen werden kann? Weshalb denn
wohl?
Keinem Automechaniker käme es in den Sinn, in einen Mercedes einen VW-Motor
einzubauen. Er wird nicht nur die Marke, sondern auch Modell und Typ, beachten und bedacht sein, das rechte Ersatzteil zu nehmen. Nur beim Menschen, meint man, spiele dies
keine Rolle. Und wenn die Natur sich gegen eine solche Vergewaltigung aufbäumt, so
knüppelt man sie zum zweiten Male nieder. Mit chemischen Mitteln bekämpft man die
Abwehrreaktion, zwingt man den Körper, etwas anzunehmen, was er nicht haben will. Ein
solcher "Sieg" über die Natur gilt dann als wissenschaftliche Großtat.
Doch auch für den Patienten selbst ist dieser "Erfolg" sehr fragwürdig. Der Mercedes mit
dem VW-Motor, mag er auch recht und schlecht fahren, wird eben doch kein Mercedes
mehr sein. Und wenn die Persönlichkeit unseres eigenen Ichs in der Anordnung des
"genetischen Codes" jeder Zelle unseres Körpers eingeprägt ist, so geraten Geist und Körper
in Widerspruch, wenn der Geist, um des fremden Organes willen, nicht mehr den ihm
entsprechenden Körper bilden darf. Ehe der Kugelschreiber erfunden wurde, galt es als
Grundsatz, man solle eine Füllfeder nicht verborgen. Die von einer Person geformte Feder
könnte in fremder Hand Schaden leiden, es sei denn, der neue Benützer würde seiner Schrift,
die Ausdruck der Persönlichkeit ist, Gewalt antun, nur um die fremde Feder zu schonen.
Genau das aber erzwingt man, indem man die Abwehrkräfte bekämpft.
Die Frage nach dem Wert der Organverpflanzung mündet in die Frage nach dem Sinn des
Lebens. Besteht er nur in der größtmöglichen Verlängerung irdischen Genusses? Der
Menschengeist ist es, dem das Erdenleben die Entwicklungsmöglichkeit bietet.
Die geistige Eigenpersönlichkeit des Menschen muß dadurch zu immer klarerem
Bewußtsein gelangen, um durch immer bessere Erkenntnis der Schöpfungsgesetze in ihrer
Art dem Ganzen stets nützlicher werden zu können. Wird dem Geiste aber nicht erlaubt, er
selber zu sein, so kann er diesem Ziele nicht näherkommen.
Wie will nun die Wissenschaft beurteilen, was, nicht nur im Sinne irrender "Humanität",
sondern wirklich dem Menschen nützt? Im Grunde ist sie doch ahnungslos: Sie weiß nicht,
was eigentlich "Leben" ist; sie weiß nicht, was beim Tode geschieht; sie weiß nicht, wozu er
sein Dasein führt. Dennoch aber wagt sie es, an diesem Geschöpf, dessen Wesen und
Zweckbestimmung sie gar nicht kennt, zu experimentieren. Sie erweist sich damit im
Grunde als verantwortungslos.
Mag es auch in letzter Zeit um die Herzverpflanzung wieder recht still geworden sein, mag
auch das "Kunstherz" sie schließlich ersetzen, so ist und bleibt sie doch ein besonders
bemerkenswertes Beispiel einer viel weiter reichenden Entartung.
Das Verlangen, die Welt um uns zu ergründen, ist dem Menschen tief eingewurzelt. Die
Entdeckungen, die wir machen dürfen, sollten uns dahin führen, die Weisheit des Schöpfers
immer besser verstehen zu lernen, um in bewußter Einordnung zu geistigem Aufstieg zu
gelangen. Wir dürfen die Naturgesetze nützen, nicht aber sie zu verändern oder gar zu
verbessern suchen. Bei Gordon Rattrey Taylor finden wir die banale Feststellung: "In einer
menschlichen Gesellschaft sind so gut wie alle Einzelgebiete miteinander verknüpft, so daß
man nicht irgend etwas ändern kann, ohne auch andere Bereiche zu treffen. "
Ja, gilt das für die Natur etwa nicht? Wie ein Kind im Ameisenhaufen stochern wir in dem
feinstens abgestimmten Ablauf des Naturgeschehens herum und haben in uns und um uns
seine Ordnung gestört. Dann wundern wir uns, wenn die gepeinigte Natur zurückschlägt und
wir aus der Wirrnis selbstgeschaffener Probleme keinen Ausweg mehr finden.
ZUG DER LEMMINGE
Im Norden gibt es Tiere, die Lemminge, die aus ungeklärter Ursache plötzlich als ganzes
Rudel dem Abgrund zurennen und sich unaufhaltsam zu Tode stürzen. Es hat den Anschein,
als wäre die Menschheit im Begriffe, es ihnen gleichzutun. Denn wir allein waren und sind
es, die uns selbst und unser künftiges Leben auf dieser Erde in Frage stellen und nun die
Rückwirkung dessen erfahren:
Wir zerstören die natürlichen Grundlagen unseres Daseins, wir fordern Enthemmung,
nehmen Rauschgift, wir manipulieren unsere Körper und unsere Gefühle und träumen
davon, die Geschöpfe "umzumontieren". Wir beugen uns dem Götzen technischer Fertigkeit
und bringen uns selbst ihm zum Opfer dar. Wir fliegen zum Mond, nicht weil wir wüßten,
was wir dort sollen, sondern weil es so herrlich den Dünkel nährt, der selbstgefällig sich
blähen kann: Seht her, wer ich bin! Seht her, was ich kann! Bald ist mir, dem Menschen,
nichts mehr unmöglich!
Doch nicht Hochmut, sondern Demut tut uns not.
Die Menschheit von heute gleicht dem Schüler im "Faust", der nicht erkennt, daß er den
Teufel zum Lehrmeister hat.
Wie dieser Schüler lesen wir mit stolzgeschwollener Brust, was der Lehrer ins Stammbuch
schrieb: " Eritis sicut Deus" - Ihr werdet sein wie Gott! Aber wir überhören die Worte, die
Mephisto im Hintergrund dazu murmelt:
"Folg' nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange!
Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!" ·
Mag man die Organtransplantation ans ethischen oder weltanschaulichen Gründen auch in
Frage stellen, medizinisch betrachtet steht oftmals doch die Faszination des Machbaren im
Vordergrnnd. Doch jener Weg, den man derzeit zugunsten einer sündhaft teuren
Apparatemedizin geht, wird wohl irgendwann als unfinanzierbar in einer Sackgasse enden.
Richard FUCHS hat recherchiert, was die Transplantationsmedizin tatsächlich kostet.
"Das gesunde Geschäft mit den kranken Kassen" zählt mit 470 Milliarden Mark
Jahresumsatz in Deutschland zu den stärksten Wirtschaftszweigen und liegt im europäischen
Vergleich ganz vorne. Noch teurer und ineffizienter zugleich, mit einer Finanzierung in
Höhe von etwa 14 Prozent des "Bruttosozialproduktes" (das ist der Wert aller im Inland
erzeugten Güter und Dienstleistungen), ist das Gesundheitswesen in den USA, wo trotz der
weltweit höchsten Ausgaben nur etwa 37 Prozent der Menschen krankenversichert sind und
so an der medizinischen Versorgung partizipieren.
Geld allein bietet keine Garantie für Gesundheit. Daß mit niedrigeren Ausgaben im
Gesundheitswesen ein besserer Gesundhcitszustand der Bevölkerung erzielt werden kann,
beweisen andere Länder mit der höchsten Lebenserwartung ihrer Bevölkerung, wie
beispielsweise Italien oder Japan.
Hierzulande haben gesundheitliche Schädigungen, die durch ärztliches Handeln bzw. durch
Nebenwirkungen von Medikamenten verursacht wurden, ein beträchtliches Ausmaß erreicht.
Bei rund 25 Prozent aller Paticnten, die zum Beispiel als Folge einer Niereninsuffizienz
dialyseabhängig werden, ging ein jahrelanger Schmerzmittelmißbrauch voraus, natürlich mit
einem hohen Anteil an Selbstmedikation. Eine Dialysebehandlung wäre in etwa 50 Prozent
aller Fälle vermeidbar oder erst viel später erforderlich, wenn auf Schmerzmittel verzichtet
würde, diätetische Maßnahmen beachtet, der Lebenswandel geändert und Nierenschäden
von Ärzten rechtzeitig erkannt und behandelt würden. Weil dies aber vielfach nicht
geschieht, ist die Zahl der Dialysepflichtigen in Deutschland auf 47.000 angestiegen, mit
einer jährlichen Steigerungsrate von sieben Prozent. Die Kosten für Dialyse und
Organtransplantationen betragen in Deutschland ca. 4,7 Milliarden Mark! Der Gewinner
dieser Fehlentwicklung ist in jedem Fall die Pharmaindustrie.
Bis Ende 1995 hatte jedes deutsche Transplantationszentrum seine eigenen
Abrechnungsmodalitäten. Selbst den einzelnen Verwaltungen war nur selten klar, welche
Umsätze mit Transplantationen getätigt wurden oder wieviel eine Transplantation kostet.
Diese Beliebigkeit sollte mit der Einführung der sogenannten "Fallpauschale" am 1.1.1996
ein Ende haben, denn bis dahin war die Datenlage in den einzelnen Transplantationszentren
zur Ermittlung der durchschnittlichen Kosten für eine Transplantation völlig unzureichend:
Von insgesamt 34 Zentren waren nur etwa fünf in der Lage, Zahlen zu liefern. Und auch
Krankenkassen waren diesbezüglich überfordert. Das Bundesministerium für Gesundheit
schätzte die Kosten für Organtransplantationen im Jahr 1995 auf insgesamt 400 Millionen
Mark. Prof. Broelsch aus Hamburg nannte auf einer Tagung in Düsseldorf Umsätze von 10
bis 20 Millionen Mark pro Transplantationszentrum. Diese Angabe erscheint aber, was etwa
die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf angeht, stark untertrieben. Denn wie hoch eine
Rechnung ausfallen kann, zeigt folgender Fall:
Am 8.12.1992 entschloß sich Gerhard E. aufgrund einer Leberzirrhose zu einer
Lebertransplantation in der Universitätsklinik in Hamburg-Eppendorf - wie damals noch
üblich, völlig uninformiert über die Begleitumstände und mögliche Folgen des Eingriffs. Die
breite öffentliche Diskussion darüber, daß lebensfrische Organe nur von noch Lebenden
entnommen werden können, hatte noch nicht stattgefunden. Und eine Aufklärung über die
Nebenwirkungen der Transplantation, wie sie sonst bei Medikamenten für jeden
Beipackzettel vorgeschrieben ist, fehlte - sie fehlt zum Teil auch heute noch.
Nach zwei Wochen Martyrium auf der Intensivstation starb Gerhard E. am 23.12.1992 nach
einer zunächst erfolgreich verlaufenen Operation. Er wurde innerhalb von zehn Tagen
dreimal operiert - das letzte Mal, als er bereits im Sterben lag. Doch die Folgen einer
Schimmelpilz-Verseuchung (Aspergillus fumigatus) auf der Intensivstation waren tödlich.
Das Hamburger Abendblatt vom 5. 1. 1993) berichtete dazu: "Nach Einschätzung der
Eppendorfer Arzte ist der Aspergillus fumigatus überall anzutreffen. Diese Verbreitung sei
für jede Klinik ein Problem, das nicht zu lösen sei. Eine Qualitätskontrolle in der klinischen
Medizin von seiten der Krankenkassen gibt es nicht."
Gerhard E. (bzw. seiner Versicherung) wurden folgende Kosten in Rechnung gestellt: Klinik
224.509,70 DM
Internist 5.765,50 DM
Chirurg 29.620,20 DM
Anästhesist 18.148,03 DM
II. Anästhesist 7.018,80 DM
an Labore, andere Ärzte 44.937,77 DM
Summe 330.000,00 DM
Für den Fall, daß Gerhard E. überlebt hätte, wäre die Rechnung noch höher ausgefallen:
Übertrag 330.000,00 DM
Sonderaufwand Intensivstation 56.000,00 DM
Krankentransport. und Flug 5.500,00 DM
Pflegesatz nur 3 Wochen 14.720,00 DM
406.220, 00 DM
Dazu wären Arztkosten für drei Wochen Überwachung, die Kosten für die Reha-Klinik und
für die Medikamente (ca. 15.000 DM jährlich!) gekommen.
Die Jahresbilanz an Lebertransplantationen in Hamburg lag damals bei 80 - jedenfalls ein
lukratives Geschäft für Professoren, Kliniken und Pharmaindustrie. Geht man davon aus,
daß alleine in der Hamburger Universitätsklinik in der Folgezeit ca. 100 Lebertransplantationen mit einem durchschnittlichen finanziellen Aufwand von 400.000 Mark stattfanden,
würde sich alleine aus diesem Geschäft cin Umsatz von 40 Millionen Mark ergeben.
Prof. Manns rechnete im "Deutschen Arzteblatt" (12.6.1992) vor, daß in Zukunft "mit einer
Bedarfszahl von 6.000 bis 7.000 Lebertransplantationen im Jahr in Deutschland gerechnet
werden muß". Damals wurden 450 registriert. Um den wachsenden Bedarf an Lebern etwas
besser decken zu können, ist man dazu übergegangen, die sogenannte "Splitleber" zu
verpflanzen. Diese Methode erlaubt es, eine Leber zu halbieren, um mit den zwei Teilen
auch zwei Patienten versorgen zu können. Gleichzeitig verdoppeln sich die Fallpauschalen.
Das "Geschäft mit dem Skalpell" '' scheint auch in Zukunft ein "guter Schnitt" zu sein. Denn
durch die Bedarfsweckung auf der einen und das knappe Angebot auf der anderen Seite
entstand eine erhöhte Nachfrage nach Organen. Und so wird - laut Prof. Land, München das
Organ "zum begehrten Besitz". Mit der Verknappung des "Ersatzteillagers Mensch" ist
darum gutes Geld zu verdienen: Für die Transplanteure, für die Transplantationszentren und
die Pharmaindustrie. Darum wird auch schon über die Frage diskutiert, wer denn Anspruch
auf den Besitz menschlicher Organe haben könne. Darf sich der Chirurg das Organ wegen
der zu erwartenden Wertschöpfung aneignen und es "bewirtschaften"? Soll es das Krankenhaus oder die Krankenkasse als Kostenträger und mit ihr die Solidargemeinschaft
besitzen? Entscheiden die Distributions-Zentralen über die Zuteilung? Oder gehört das
Organ in die "öffentliche Hand"?
Eines läßt sich schon jetzt absehen: Die Zahl der Organempfänger in der Warteschleife wird
sich vergrößern zum Beispiel wegen des Alkohol-, Nikotin- und Tablettenmißbrauchs,
infolge ungesunder Lebensweise, aber auch durch die Fehlleistungen der Medizin. Der
belgische Forscher Marc E. de Broe, Antwerpen, berichtete im Oktober 1996 auf einem
Nephrologie-Kongreß über eine Studie, die er verfaßt hatte: Er hatte mehr als 200 durch
Schmerzmittel geschädigte Nierenkranke aus 15 Ländern untersucht. Bis auf sieben
gestanden alle die jahrelange Einnahme von Kombinationsschmerzmitteln ein (FAZ,
16.10.96): Mischpräparate, die häufig als nützlich und harmlos angepriesen werden, verursachen oft genug gerade das, was man zu beheben versucht, und gelten als besonders
nierenschädigend. "Effiziente" Mittel, um Leber und Niere zu schädigen, sind zudem die
altbekannten Drogen ebenso wie neue "Kreationen" - ob sie nun "Ecstasy" oder anders
heißen. In den USA finden inzwischen auch Schlankheitspillen, sogenannte "Appetitzügler",
einen rasenden Absatz. Sie enthalten stimulierende Substanzen vom Amphetamintyp. Als
Dealer treten dabei diesmal nicht die Drogenhändler auf, sondern Fitness-Clubs, Modegeschäfte und Schönheitsfarmen. Die Schädigungen vollziehen sich in einem schleichenden
Prozeß, dessen Folgen nicht gleich überblickt werden. Wenn aber der Schaden entstanden
ist, nehmen das Anspruchsdenken und der Wunsch nach "Reparatur" zu.
Um die Kosten von Organtransplantationen durchschaubarer zu machen, sind seit dem
1.1.1996 "Fallpauschalen" eingeführt. Sie umfassen pauschal alle Kosten während des
Krankenhausaufenthaltes, können lt. Transplantationsgesetz in medizinisch begründeten
Einzelfällen aber auch überschritten werden. Diese Pauschalen wurden 1995 in einer
"Nacht-und-Nebel-Aktion" ` wie Theo Riegel vom Verband der Angestellten-Krankenkassen (vdak) sagte - ohne Mitsprachemöglichkeit der Spitzenverbände der
Krankenkassen errechnet und vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt. Sie sollen
nun, da sie offenbar zu hoch berechnet wurden, und wenn es nach dem Willen der Krankenkassen geht, wieder um zehn bis zwölf Prozent reduziert werden. Ab 1998 ist den
Kassenverbänden gesetzlich eine größere Einflußnahme bei den Krankenhaus-Ausgaben zugestanden. Das heißt, die Verbände müssen mit ihrem Verhandlungspartner, der Deutschen
Krankenhausgesellschaft, Konditionen aushandeln; wenn es zu keiner Einigung kommt,
entscheidet eine Bundesschiedsstelle.
Die Ermittlung der "Fallpauschalen" bei Organtransplantationen ist jedenfalls das Ergebnis
eines Forschungsprojekts, das das Bundesministerium für Gesundheit drei Unternehmensberatungs-Gesellschaften in Auftrag gegeben hat: dem Projektteam der "DKI Deutsches Krankenhausmanagement Beratungs- und Forschungsgesellschaft mbH", der
"GEBERA - Gesellschaft für betriebswirtschaftliche Beratung mbH" und dem Projektteam
"IfG - Institut für Gesundheitsökonomik". Für die Erhebung und Auswertung der Zahlen war
das Basisjahr 1993 maßgebend. Die Arbeit erwies sich als schwierig, da selbst in den
wenigen Kliniken, die bereitwillig kooperierten, die Datenlage zu mangelhaft war, um eine
Kalkulation mit der gewünschten Differenzierung durchzuführen. Bei Lebertransplantatio-
nen differierten die Fallkosten zwischen 151.210 und 195.910 DM, bei
Nierentransplantationen lagen sie zwischen 79.352 und 105.401 DM und bei
Knochenmarktransplantationen zwischen 164.774 und 331.697 DM. Als Mittelwert wurden
folgende Fallpauschalen (in DM) errechnet und beschlossen:
Nierentransplantation 106.909,
Primäre Herztransplant. 101.376,
Sekundäre Herztransplant. 113.234,
Lebertransplantation (Leberzirrhose) 193.061,
Lebertransplantation (Leberzirrhose u. Hepatitis) 237.347,
Lunge 145.700,
Bauchspeicheldrüse 98.500
Diese Zahlen sprechen für sich. Aber wo endet die Sackgasse für die Apparate- und
Biomedizin, die europaweit immer noch einseitig gefördert wird?
Für das Forschungsprogramm in diesem Bereich standen in den Jahren 1994 bis 1998 336
Millionen Ecu zur Verfügung; für das Forschungsprogramm Biotechnologie standen 630
Millionen Ecu bereit (Europa Forum, Informationen aus dem Europäischen Parlament, Nr.
11/94, 14.18. November).
Wie lange werden wir uns das noch leisten müssen?
DIE WÜRDE DES MENSCHEN UND DER GUTE TOD
Nicht jeden leitet ein gelinder Gang Unmerklich in das stille Reich der Schatten. Gewaltsam
schmerzlich reißt Zerstörung oft Durch Höllenqualen in die Ruhe hin.
Johann Wolfgang von GOETHE, Natürliche Tochter" "
Früher starben die meisten Menschen im trauten Kreis ihrer Angehörigen. Man schloß
den"guten Bruder Tod" nicht aus und fürchtete auch nicht seine Nähe in den eigenen vier
Wänden.
Sterben - das galt als eine letzte, besonders lebensnahe Spanne Erdenzeit, die reichlich
Gelegenheit zur seelischen Einkehr bot. Vergeben statt verurteilen, lösen statt belasten,
hoffen statt zu klagen. Die letzte Gewißheit des Abscheidenmüssens läßt oftmals die Würde
des Menschseins erblühen: Wer wollte in diesen letzten Erdenaugenblicken nicht das Beste
in sich suchen? Wer kramte nicht, wenn die Illusion der eigenen Wichtigkeit verwischt, in
Gedanken nach all dem, was es an unvergänglichen Werten zu erringen gab in den Jahren
des Lernendürfens? Wer fühlte nicht die Schuld in sich brennen versäumter Gelegenheiten
wegen? Wer wäre nun kein demütig Hoffender, bitter Bereuender, sich nur noch nach Leben
Sehnender?
Der gute Tod, die friedvolle Zeit des Sterbens, der gelinde Gang hinüber, er kann Augen
öffnen, Herzen erwärmen und Wunden heilen. Er birgt alle Kraft und alles Licht des Lebens,
aber er duldet keine Nebensächlichkeiten mehr.
Sterben - das ist die hohe Zeit des Lernens und Erkennens, vielleicht auch: des befreiten
Aufatmens.
Früher reichte man, so es an der Zeit war, dem guten Bruder Tod die Hand, bald unter
bitteren Tränen, bald in größter Hilflosigkeit, aber manchmal wohl auch in freudiger
Dankbarkeit dafür, daß jede Zeit des Sterbens den Hinübergehenden, aber auch die noch
Hierbleibenden, näher hin zum Leben rückt und des Schöpfers Allgegenwart erfahrbarer
macht.
Leben dürfen, und noch dazu herzlich leben dürfen: brauchen wir die Momente des
Innehaltens und Bangens, um dieses wunderbarste aller Gottgeschenke ahnend als solches
zu erkennen, es der dumpfen Selbstverständlichkeit zu entreißen?
Das einzige, an das alle Menschen ohne Ausnahme glauben, ist der Tod! Ein jeder ist von
seinem Eintreten überzeugt. Es ist eine der wenigen Tatsachen, über die keinerlei Streit und
keinerlei Unwissenheit herrschen.
Obwohl alle Menschen von Kindheit an damit rechnen, einmal sterben zu müssen, sucht
doch die Mehrzahl den Gedanken daran immer abzuwehren. Viele werden sogar heftig,
wenn in ihrer Gegenwart einmal davon gesprochen wird. Andere wieder vermeiden es
sorgfältig, Friedhöfe auf zusuchen, gehen Begräbnissen aus dem Wege und suchen jeden
Eindruck möglichst schnell wieder zu verwischen, wenn sie doch einmal einem Trauerzuge
auf der Straße begegnen.
Dabei drückt sie immer eine geheime Angst, daß sie einmal plötzlich von dem Tode
überrascht werden könnten. Unbestimmte Furcht hält sie davon ab, mit ernsten Gedanken
an diese unverrückbare Tatsache heranzutreten.
Es gibt kaum ein zweites Vorkommnis, das bei seiner Unumgänglichkeit immer wieder in
Gedanken so zur Seite geschoben wird, wie der Tod. Kaum aber auch einen so
bedeutungsvollen Vorgang im irdischen Leben, außer der Geburt. Es ist doch auffallend,
daß sich der Mensch gerade mit dem Anfang und dem Ende seines Erdenseins so wenig
beschäftigen will, während er allen anderen Vorgängen, sogar ganz nebensächlichen
Dingen, eine tiefe Bedeutung beizulegen sucht.
Er forscht und grübelt über alles Zwischengeschehen mehr als über das, was ihm über alles
Aufklärung bringen würde: der Anfang und das Ende seines Erdenlaufes. Tod und Geburt
sind ja so eng verbunden, weil eines die Folge des anderen ist. (. . . )
Der Vorgang des Todes selbst ist nichts weiter als die Geburt in die feinstoffliche Welt.
Ähnlich dem Vorgange der Geburt in die grobstoffliche Welt. Der feinstoffliche Körper ist
mit dem grobstofflichen Körper nach der Lösung eine Zeitlang wie durch eine Nabelschnur
verbunden, die um so weniger fest ist, je höher der also in die feinstoffliche Welt Geborene
seine Seele schon in dem Erdensein nach der feinstofflichen Welt hin entwickelt hat.
Je mehr er sich selbst durch sein Wollen an die Erde kettete, also an das Grobstoffliche, und
so von dem Fortleben in der feinstofflichen Welt nichts wissen wollte, desto fester gefügt
wird durch dieses sein eigenes Wollen auch diese Schnur sein, die ihn an den
grobstofflichen Körper bindet, und damit auch sein feinstofflicher Körper, dessen er als
Gewand des Geistes in der feinstofflichen Welt bedarf.
Je dichter aber sein feinstofflicher Körper ist, desto schwerer ist er nach den üblichen
Gesetzen, und desto dunkler muß er auch erscheinen. Er wird sich durch diese große
Ähnlichkeit und nahe Verwandtschaft mit allem Grobstofflichen auch sehr schwer von dem
grobstofflichen Körper lösen, so daß es vorkommt, daß ein solcher auch die letzten
grobstofflich-körperlichen Schmerzen noch mitfühlen muß, sowie den ganzen Zerfall in der
Verwesung. Bei Verbrennung bleibt er ebenfalls nicht unempfindlich.
Anders mit den Menschen, die den Aufstieg zu allem Edleren schon in dem Erdensein
begannen. Weil diese die Überzeugung des Schrittes in die feinstoffliche Welt lebendig in
sich tragen, ist die Loslösung auch viel leichter. Der feinstoffliche Körper und mit ihm die
Verbindungsschnur ist nicht dicht, und dieser Unterschied in ihrer gegenseitigen Fremdheit
mit dem grobstofflichen Körper läßt die Loslösung auch sehr schnell erfolgen, so daß der
feinstoffliche Körper während des ganzen sogenannten Todeskampfes oder der letzten
Muskelzuckungen des grobstofflichen Körpers schon lange neben diesem steht, wenn
überhaupt von einem Todeskampfe bei normalem Sterben eines solchen Menschen
gesprochen werden kann. Der lose, undichte Zustand des Verbindungsstranges läßt den
danebenstehenden feinstofflichen Menschen keinerlei Schmerzen mitempfinden, da dieser
leichte Verbindungsstrang in seinem undichten Zustande keinen Schmerzleiter vom
Grobstofflichen zum Feinstofflichen abgeben kann. (...)
Die bei einem Sterbenden weilenden Menschen aber seien gewarnt, daß sie nicht in lautes
Klagen ausbrechen.
Durch den zu stark gezeigten Trennungsschmerz kann der in Loslösung begriffene oder
vielleicht schon danebenstehende feinstoffliche Mensch ergriffen werden, es also hören oder
fühlen. Erwacht dadurch in ihm das Mitleid oder der Wunsch, noch Trostes Worte zu sagen,
so bindet ihn dieses Verlangen wieder fester mit dem Bedürfnis, sich den schmerzerfüllt
Klagenden verständlich bemerkbar zu machen.
Irdisch verständlich machen kann er sich nur unter Zuhilfenahme des Gehirnes. Das
Bestreben aber zieht die enge Verbindung mit dem grobstofflichen Körper nach sich,
bedingt sie, und deshalb kommt als Folge, daß nicht nur ein noch in Loslösung begriffener
feinstofflicher Körper sich wieder enger mit dem grobstofflichen Körper vereinigt, sondern
daß auch ein bereits danebenstehender losgelöster feinstofflicher Mensch nochmals
zurückgezogen wird in den grobstofflichen Körper. Endergebnis ist die Wiederempfindung
aller Schmerzen, deren er schon enthoben war.
Die erneute Loslösung erfolgt dann weit schwerer, sie kann sogar einige Tage anhalten.
Dann entsteht der sogenannte verlängerte Todeskampf, der für den sich Lösenwollenden
wirklich schmerzhaft und schwer wird.
Diese Bindung kann leicht eintreten, solange der grobstoffliche Körper noch nicht ganz
erkaltet ist und der Verbindungsstrang besteht, der oft erst nach vielen Wochen zerreißt.
Also eine unnötige Qual für den Hinübergehenden, eine Rücksichtslosigkeit und Roheit der
Umstehenden.
Deshalb soll in einem Sterbezimmer unbedingte Ruhe herrschen, ein der bedeutungsvollen
Stunde entsprechender würdiger Ernst! Personen, die sich nicht beherrschen können, sollten
gewaltsam entfernt werden, auch wenn es die nächsten Angehörigen sind.
ABD-R U-SHIN (aus dem Vortrag "Der Tod"; "Im Lichte der Wahrheit - Gralsbotschaft")
Wir sollten dem guten Bruder Tod wieder Einlaß gewähren in unsere Gedankenwelt, denn
wir haben die hohe Zeit des Sterbens zu einem kurzen, unliebsamen Moment
herabgewürdigt, dem jeder auszuweichen sucht.
Es wird heute im Krankenhaus gestorben, unvorbereitet, ohne Fürsorge, allein. Sterben ist
keine Zeitspanne intensiven Lebens, sondern jener Endpunkt, ab dem der Monitor keine
Gehirntätigkeit mehr zeigt. Nicht um den Menschen geht es, sondern um die
Körperfunktion.
Erst auf dieser lebensfernen, aber gesellschaftlich akzeptierten Grundlage konnte der
Gedanke an Organtransplantationen erfolgreich keimen. Niemals kann es dabei wirklich darum gehen, " Leben zu schenken ", dazu ist uns Menschen gar nicht die Macht gegeben. Wir
können nur in seine Auswirkungen hineinpfuschen. Transplantationen dienen dem Leben
nicht.
Sanft bereitet die Natur jeden Menschen im Fortschreiten seines Erdenlebens auf das
Hinübergehen vor. Im Alter zwingen Körper und Temperament zur Vollendung jener Verinnerlichung, zu jener Annäherung an ein nicht mehr physisches Leben, mit der wir der Zeit
des Sterbens und zuletzt des Hinübergehens freudig und gereift entgegensehen dürften.
Wir aber verdrängen das Altern ebenso wie den Tod. Wir lassen Falten glätten und meiden
Friedhöfe, wir stürzen uns in ein vermeintliches Leben, das vielfach besser als ungesunder
Amoklauf beschrieben wäre und opfern für eine lebensfern errichtete Scheinwelt auch noch
unsere Sterbenden.
Es ist erfreulich, wenn Transplantationskritiker ethische Fragen aufwerfen und die Achtung
der Würde jedes Menschen einfordern. Vielleicht treibt sie das Ahnen, wieviel Menschsein
wir schon verloren haben.
Werner HUEMER
STUTTGARTER LEITFADEN
Kritische Fragen zur Organentnahme
Mit dem "Stuttgarter Leitfaden" wandten sich im Jahr 1997 Dr. med. Ingrid AckermannGröger (Arztin), Gottfried Rudolph (Theologe und Privatdozent), Dieter Emmerling
(Theologe) und Dr. phil. Jens Heisterkamp (Publizist) an die Öffentlichkeit. Ihr Ziel war und ist - es, kritische Fragen zur Organentnahme aufzuwerfen und zu einer
Bewußtseinsbildung in der Öffentlichkeit beizutragen. So zum Beispiel die Fragen:
Wie verändert die Organtransplantation das Seelenleben des Empfäners? Wenn das
Hirntodkriterium kein sicheres Todeszeichen ist: Was geschieht in der Zeit, während ein
Mensch maschinell in einem Zustand zwischen Leben und Tod gehalten wird? Wo wird ein
Organempfänger darüber informiert, daß er den Rest seines Lebens ständig medizinisch
überwacht werden muß und daß er ständig nebenwirkungsreiche Medikamente einnehmen
muß? Was, wenn dem Empfänger bewußt wird, daß die Organe, die er erhielt, einem noch
Lebenden entnommen wurden?
Der "Stuttgarter Leitfaden", den bereits eine ganze Reihe von Medizinern, Pädagogen,
Theologen und Publizisten unterstützt haben, wirft aber nicht nur wichtige Fragen auf,
sondern bietet auch ein umfangreiches Literatur- und Zeitschriftenverzeichnis sowie
Kontaktadressen.
Der Leitfaden ist gegen DM 3,-in Briefmarken erhältlich bei: Dr. Ingrid Ackermann-Grüger,
Werastraße 53, 70190 Stuttgart. Spendenkonto: 500 015 020, Frankfurter Volksbank, BLZ
501 900 00. ·
LITERATUR IUM THEMA
Elisabeth Wellendorf:"Mit dem Herzen eines anderen leben? Die seelischen Folgen der
Organtransplantation" (Kreuz-Verlag, 1993) Ilse Gutjahr/Mathias Jung: "Sterben auf Bestellung - Fakten zur Organentnahme" (emuVerlag, 1997)
Gisela Lermann: " Ungeteilt sterben - Kritische Stimmen zur Transplantationsmedizin" (Lermann-Verlag, 1996)
Richard Fuchs: "Tod bei Bedarf - Das Mordsgeschäft mit Organtransplantationen" (Ullstein-Report, 1996)
Frank Schadt:"Hirntod-Tod des Menschen?" (Info 3-Verlag, 1995)
Gisela Wuttke (Hrsg.): "Organspende Kritische Ansichten zur Transplantationsmedizin"
(Göttingen, 1993)
Johannes Hoff/Jürgen in der Schmitten: "Wann ist der Mensch tot? Organverpflanzung und
Hirntodkriterium" (Reinbeck 1994)
Zum Thema "Hirntod" hat Frank Schadt im Eigenverlag eine informative Schrift veröffentlicht: "Von der Unmöglichkeit der Gleichsetzung des Hirntodes mit dem Tod des Menschen
". Sie enthält auch wichtige Anmerkungen zum Transplantationsgesetz und eine Tafel zur
Bestimmung der qualitativen Differenz zwischen dem "Hirntod-Status" und dem
"Leichenstatus".
Erhältlich ist die Schrift über
Verlag Frank Schadt, Sibyllenweg 18, D-46537 Dinslaken,l997 ISBN 3-00-001371-7 ·
EUROPAS GRIFF N.ACH DEN ORGANEN
In der EU gilt die Regel: Andere Länder, andere Gesetze
Wiewohl man in der Europäischen Union im Sinne einer technokratischen Gerätemedizin
weitgehend darin übereinstimmt, daß der Griff nach den menschlichen Organen zu
Transplantationszwecken künftig einen immer größeren Stellenwert einnehmen soll, stellt
sich die rechtliche Situation innerhalb der EU-Staaten derzeit noch höchst unterschiedlich
dar. Richard FUCHS gibt einen Überblick über die internationalen Regelwerke.
In neun Ländern der EU gilt das Schweigen als Zustimmung zur Organentnahme. Es war
wohl die Fraglosigkeit der Bevölkerung in Europa, die es den meisten Gesetzgebern
ermöglichte, die Widerspruchslösung (d. h. bei nicht bekannter Ablehnung wird automatisch
eine Zustimmung angenommen) gesetzlich festzuschreiben.
Im Unterschied zur Widerspruchslösung setzen die sogenannten Zustimmungslösungen eine
ausdrückliche Einverständniserklärung voraus.
Die "erweiterte Zustimmungslösung" sieht vor, daß Angehörige eines Sterbenden über eine
Transplantation nach dessen bekanntem oder mutmaßlichem Willen entscheiden. Diese
Regelung war bisher in Deutschland Praxis und wird nun mit dem deutschen Transplantationsgesetz fortgeschrieben. Die "enge Zustimmungslösung", der zufolge nur der potentielle
Organspender selbst zu Lebzeiten einer Explantation zustimmen kann, gilt derzeit nur in
Japan.
Kontaktstelle Organspende, Renate Greinert/Gisela Wuttke, Postfach, 48722 Billerbeck
Berliner Initiative für die (enge) Zustimmungslösung, Prof. Dr. Klaus-Peter Jörns,
Conradstraße 5, D-14109 Berlin
Frankfurter Appell zur Organtransplantation, Dieter Emmerling, Liebermann-Ring 54, D67459 Worms; Dr. Jens Heisterkamp, Kirchgartenstraße 1, 60439 Frankfurt
Dr. med. Paolo Bavastro, Leicender Arzt der Inneren Abteilung Filderklinik, D-70794
hilderstadt
Interessengemeinschaft Angehörige, Gerda Esser, Gluckstraße 10, D-58097 Hagen
Internationale Initiative gegen die BioethikKonvention, Ursel Fuchs; Dokumentationszentrum für Wirtschafts- und Rechtsaspekte der Organtransplantation, Richard Fuchs,
Kaiser-Wilhelm-Ring 19, D-40545 Düsseldorf Frank Schadt, Sibyllenweg 18, D-46637
Dinslaken ®
Das Transplantationsgesetz enthält im wesentlichen folgende Regelungen:
Wenn keine schriftliche Erklärung des Sterbenden vorliegt, können sich seine nächsten
Angehörigen unter Berücksichtigung seines mutmaßlichen Willens für oder gegen eine Organentnahme entscheiden. Der Angehörige kann mit dem Arzt vereinbaren, daß er seine
Erklärung innerhalb einer bestimmten vereinbarten Frist widerrufen kann. Nächste Angehörige im Sinne des Gesetzes sind in der Reihenfolge ihrer Aufzählung:
1. Ehegatten,
2. volljährige Kinder,
3. Eltern für minderjährige Kinder, 4. volljährige Geschwister,
5. Großeltern.
Der Angehörige ist allerdings nur dann zu einer Entscheidung befugt, wenn er in den letzten
zwei Jahren vor der Feststellung des "Hirntodes" des möglichen "Organspenders" zu diesem
persönliche Kontakte hatte. Bei mehreren gleichrangigen Angehörigen genügt es, wenn einer
von ihnen beteiligt wird und eine Entscheidung trifft; es ist jedoch der Widerspruch eines
jeden von ihnen zu beachten. Ist ein vorrangiger Angehöriger innerhalb angemessener Zeit
nicht erreichbar, genügt die Beteiligung und Entscheidung des nächsterreichbaren
nachrangigen Angehörigen.
Dr. jur. Helge LOYTVED
Haben Sie schon einmal einen sich bewegenden Leichnam gesehen?
Erst mit dem endgültigen Stillstand von Herz, Kreislauf und Atmung tritt der Tod eines
Menschen ein, wenn auch die übrigen Lebenserscheinungen verschwinden. Erst damit
nimmt jener Leibeszustand seinen Anfang, der sehr bald zum Absterben aller Organe, dann
auch der Gewebe und Zellen führt und in welchem allein die sicheren Todeszeichen
auftreten wie Todesflecken, Totenstarre und Verwesung. Nur dieser Zustand kann daher mit
Recht als der Tod des Menschen bezeichnet werden.
Die Möglichkeiten des zeitweisen apparativen Funktionsersatzes (HerzLungen-Maschine)
oder der Wiederbelebung ändern nicht im mindesten etwas an der Gültigkeit dieser an biologischen Fakten orientierten Todesbestimmung, sondern bestätigen diese geradezu.
Wäre der isolierte Hirntod ein "sicheres Todeszeichen", wofür er oft irreführend ausgegeben
wird, müßte er doch - und dies bei der Fülle der erwähnten Lebenserscheinungen das gleiche
anzeigen wie Totenflecken, Totenstarre und Verwesung, nämlich die Abwesenheit des
Lebens als Lebensprinzip. Diese Einordnung ist also widersprüchlich und sinnlos.
aus einer Presseerklärung der "Interessengemeinschaft Angehörige", Frank SCHADT
Verfolgt man als aufmerksamer Beobachter die Debatten um das seit der ersten
Herzverpflanzung schwelende Thema der Organentnahme, so bleibt als Schlußfolgerung nur
eine allgemeine Unkenntnis, ein Nichtwissen über die als "Krone der Schöpfung"
hervorgegangene Kreatur "Mensch" als Ganzheit festzustellen. Die Formulierung der Frage
"Wann ist der Mensch tot?" suggeriert unbewußt, vielleicht aber nicht immer ungewollt, die
Vorstellung, daß der Mensch mit dem uns sichtbaren Erdenkörper identisch sei. Dieser
Körper ist jedoch nur als materielles Erscheinungsbild, als gröbste Hülle und irdisches
Werkzeug des eigentlichen Menschen zu betrachten. Die Berichte von "Wiederbelebten",
welche sich selbst außerhalb ihres Körpers befanden, müßten in dieser Richtung doch zu
denken geben und den wahren Sachverhalt erkennen lassen.
Karl REITHMANN
Ich habe mich immer gefragt, wie es denkbar ist, den Hirntod als Sterbeprozeß zu erkennen
und gleichzeitig das Töten eines schwer hirnverletzten Menschen (Anm.: durch die
Organtransplantation) als Teil der "Nächstenliebe" zu verkaufen.
Jedoch, warum dann nicht auch die Abtreibung als Teil der Nächstenliebe verkaufen? Wir
wissen, daß die abgetriebenen Föten als lebende Gewebebank ausgeschlachtet und vermarktet werden, wie z.B. bei Alzheimerkranken, denen fötales Hirngewebe injiziert wird.
Franz VOGLER, Abtsgmünd
Der erste Schnitt in den ersten sterbenden Menschen zum Zwecke seiner Weitervernutzung
ist der Dammbruch schlechthin. Das Terrain der medizintechnischen Wissenschaft inklusive
ihrer Forschung und Praxis steht längst unter Wasser. Was immer noch gedacht und geplant
ist, sei es Klonen oder Keimbahnmanipulation, ist mit der Akzeptanz der ersten
Organverpflanzung ethisch bereits bejaht.
Maria SCHÖFER
Gralsbotschaft GmbH, Sitz Stuttgart Redaktions-Anschrift: Schuckertstraße 8, D71254 Ditzingen Tel. 07156-5096, Fax 07156-18663 Herausgeber: Jürgen Sprick
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