IP/01/502 Brüssel, den 3. April 2001 Kommission schlägt Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern vor Die Europäische Kommission billigte heute einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten der EU. Danach wären alle Mitgliedstaaten verpflichtet, Asylbewerbern ein Mindestmaß an Unterstützung zu gewähren, um ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen zu bieten; dies beinhaltet auch spezielle Hilfe für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Der Vorschlag enthält außerdem gemeinsame Regeln, die den Missbrauch des Asylsystems verhindern sollen. "Mit diesem Vorschlag kommt die Kommission der Forderung der Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfeltreffen in Tampere nach einer gemeinsamen Asylund Einwanderungspolitik der EU nach", so das für Justiz und Inneres zuständige Kommissionsmitglied António Vitorino bei der Vorstellung des Richtlinienvorschlags. Mindestmaß an Unterstützung sowie spezielle Hilfe für Personen mit besonderen Bedürfnissen Der Vorschlag zielt darauf ab, einheitliche Bedingungen für die rechtliche Stellung von Asylbewerbern sowie für die ihnen und ihren Familien zu gewährende Unterstützung für die Zeit der Antragsprüfung durch die einzelstaatlichen Behörden festzulegen. Er stützt sich auf den Grundsatz, dass Asylbewerbern menschenwürdige Lebensbedingungen geboten werden müssen. Nach dem Vorschlag ist Asylbewerbern unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Menschenrechtstraditionen der Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Unterstützung zu gewähren. Der Zugang zum Arbeitsmarkt darf ihnen sechs Monate nach Antragstellung nicht mehr verwehrt werden. Für Personen mit besonderen Bedürfnissen (unbegleitete Kinder, Folteropfer, Schwangere) gelten spezielle Bestimmungen. Insgesamt sollen die Mitgliedstaaten zu einheitlichem Handeln gebracht werden, um die Vergleichbarkeit der einzelstaatlichen Regelungen sicherzustellen. Verhinderung des Missbrauchs des Asylsystems Der Vorschlag enthält eine Reihe von Maßnahmen, die einen Missbrauch des Aufnahmesystems durch Personen verhindern sollen, die keinen Anspruch auf die vorgesehenen Leistungen haben. Die Mitgliedstaaten können Asylbewerber auffordern, sich an den Kosten für die Aufnahme (Unterkunft, medizinische Versorgung usw.) zu beteiligen, sofern sie dazu in der Lage sind. Ferner dürfen die Mitgliedstaaten die Unterstützung einschränken oder zurückziehen, wenn die Umstände dies rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn: - sich gezeigt hat, dass der Asylbewerber nicht ernsthaft an seinem Asylverfahren interessiert ist (und zum Beispiel nicht zu der persönlichen Anhörung über seinen Antrag erscheint); - das Verhalten des Asylbewerbers die weitere Gewährung der Aufnahme nicht sinnvoll erscheinen lässt (zum Beispiel wenn der Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen ist). Der Vorschlag steht in engem Zusammenhang mit dem asylpolitischen Kommissionsvorschlag betreffend gemeinsame Normen für Asylverfahren (siehe "Hintergrund"). Ein effizientes und gerechtes Asylverfahren wird eine zügige Antragsprüfung ermöglichen, wodurch sich der Zeitraum der Aufnahmegewährung, insbesondere im Falle unzulässiger und offensichtlich unbegründeter Anträge, verkürzt. Hintergrund Dieser legislative Vorschlag der Kommission ist eng verknüpft mit dem Vorschlag für eine Richtlinie über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, der von der Kommission im September 2000 angenommen wurde und derzeit im Rat erörtert wird. Der Anzeiger der Fortschritte bei der Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union, der am 24. März 2000 von der Kommission angenommen und anschließend vom Rat gebilligt wurde, sah bereits die Ausarbeitung eines solchen Vorschlags vor. Bekräftigt wurde diese Absicht in der "Mitteilung für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird", die am 22. November 2001 verabschiedet wurde. Der Vorschlag orientiert sich unmittelbar an den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, der am 15./16. Oktober 1999 auf seiner Sondertagung in Tampere übereinkam, auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem hinzuwirken, das auf kurze Sicht "gemeinsame Mindestbedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern" umfassen sollte. Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Er gilt nicht für Dänemark, das sich nicht an Maßnahmen im Rahmen von Titel IV des EG-Vertrags beteiligt. Gemäß den Bestimmungen des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands betreffend Titel IV werden diese Mitgliedstaaten mitteilen, ob sie sich an der Annahme des Richtlinienvorschlags beteiligen möchten. Im Dezember 1999 gab die Kommission eine Studie über "Rechtsrahmen und Verwaltungspraxis in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern, Vertriebenen und anderen internationalen Schutz suchenden Personen" in Auftrag, die Anfang November 2000 vorlag. Im Juni 2000 unterbreitete die französische Delegation ein Diskussionspapier über die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern, dem im Dezember die Annahme von Schlussfolgerungen durch den Rat folgte. Ende Juli 2000 veröffentlichte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) eine wichtige Studie zu demselben Thema. Im Dezember 2000 hielt die Kommission es für angebracht, die Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Diskussionspapiers zu dem künftigen Gemeinschaftsinstrument betreffend die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in der Europäischen Union bilateral zu konsultieren. Zusätzlich zu den Mitgliedstaaten hörte die Kommission insbesondere den UNHCR und mehrere einschlägige Nichtregierungsorganisationen. 2 Die Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember, die Studie über die Aufnahmebedingungen sowie die schriftlichen und mündlichen Bemerkungen zu dem Diskussionspapier der Kommission bildeten die Grundlage für die Ausarbeitung dieses Vorschlags. Ebenfalls berücksichtigt wurden die UNHCR-Studie, der Vierte Bericht des dänischen Flüchtlingsrates über die rechtlichen und sozialen Bedingungen für Asylbewerber und Flüchtlinge in westeuropäischen Ländern sowie die geltenden nicht bindenden Rechtsakte (Soft Law), vor allem die Entschließung des Rates von 1997 betreffend unbegleitete minderjährige Staatsangehörige dritter Länder. Beachtet wurde auch der Entwurf einer Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern, der 1995 vom spanischen Vorsitz vorgelegt, aber nie gebilligt wurde. 3