1) Kultur= Triebopfer

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Wochen-AA: Textanalyse/Freud-Primärliteratur
In den vorgesehenen 3 Arbeitsstunden sind folgende Fragen zu
beantworten, bzw. die entsprechenden Erklärungen anzubieten. Am
Schluss die Ergebnisse im Forum bitte hochladen. Eine repräsentative
Auswahl wird benotet. Versuch eine prägnante Antwort zu geben.
1) Kultur = Triebopfer. Erkläre dies.
2) Was wird in kultureller Hinsicht durch die Verinnerlichung
(Internalisierung) von Zwang (Ver- und Gebote) erreicht?
kulturbegriff3
4) Welche Funktion spielt Kultur, die von religiösen Motiven getragen wird?
5) Wie definiert Freud "Recht"?
6) Kläre folgenden Satz ab: "Einerseits widersetzt sich die Liebe den Interessen der Kultur,
andererseits bedroht die Kultur die Liebe mit empfindlichen Einschränkungen".
7) Hat nach Freud die Familie oder die Gesellschaft einen höheren kulturellen Wert? Begründe!
8) Erläutere den Begriff "zielgehemmt", was nach Freud einen wesentlichen Baustein unserer
Kultur ausmacht, und bringe Beispiele.
9) Was hält Freud von der kommunistischen Idee einer Abschaffung des Eigentums und der
völligen Liberalisierung des Sexuallebens?
10) "Der Kulturmensch hat für ein Stück Glücksmöglichkeit ein Stück Sicherheit
eingetauscht". Erläutere.
11) Wieso könnte man diesen Text von Freud als Spiegelung einer europäischen Krisenstimmung
interpretieren?
1) Kultur= Triebopfer. Erkläre dies.
Zum Zusammenleben: alle müssen Opfer bringen => Kultur muss gegen jeden einzelnen
verteidigt werden. Durch Kultur Entstandenes braucht eine Regelung; muss gegen feindselige
Regungen des Menschen alles was zur Bekämpfung der Natur und zur Erzeugung von Gütern
dient beschützen.
Negative Aspekt der Kultur: Für die Kultur muss der Mensch Opfer bringen, er muss seine
Triebe einschränken, er muss auf gewisse Freiheiten verzichten. Die Triebe des Menschen
fallen der Kultur zum Opfer, da sie durch sie stark eingeschränkt werden.
=>Goldenes Zeitalter: kein Zwang und Triebunterdrückung(=> Zufriedenheit)
ABER: Ist das realisierbar?
Kultur baut ja auf Zwang und Triebverzicht auf! (Ohne Zwang arbeitet niemand)
Ursprünglich: Zweck der Kultur=> Beherrschung der Natur zur Gewinnung von Lebensgütern
Nun: Schwergewicht wird von Materiellen aufs Seelische verlagert.
2) Was wird in kultureller Hinsicht durch die Verinnerlichung
(Internalisierung) von Zwang (Ver- und Gebote) erreicht?
Durch die Internalisierung von Zwang erreicht man:
- Das Über- Ich des Menschen hat den Zwang unter seinen Geboten aufgenommen.
- =>Somit kann das Über- Ich neu erstarken.
- Die äußeren Gesetze werden nun zu eigenen, man erkennt sie an und empfindet sie für
richtig.
- Wenn ein Kulturgegner den Zwang verinnerlicht wird er zum Kulturträger.
- Je mehr Menschen den Zwang verinnerlicht haben, desto gesicherter ist ein Kultur,
äußere Zwangmittel könnten entbehrt werden, da nun alle diesen Zwang als richtig
empfinden. Seit Jahrhunderten gibt es aber das Problem, dass nicht alle dieselben
Werte verinnerlicht haben.
Auch kann man von Unterdrücken nicht verlangen, dass sie etwas verinnerlichen, das
ihnen selbst schaden würde, oder wodurch „bevorzugte Klassen“ noch mehr Nutzen
ziehen würden.
3) Welche Anthropologie steckt hinter dem freudschen
Kulturbegriff? Teilst du ein solches Menschenbild? Was spricht
gegen ein solches Menschenverständnis?
Freud hat sich vor seinen Forschungen zur Kultur intensiv mit der Psychoanalyse beschäftigt.
Durch die Kultur wird der Mensch gezwungen seine Triebe einzuschränken.
Freud will sagen, dass der Mensch ohne die Kultur seinen Trieben freien Lauf ließe, wodurch
sein Verhalten dann eher dem eines Tieres als dem eines „zivilisierten“ Menschen gliche. Ein
seiner Psychoanalyse hat der unter anderem auch das Unterbewusstsein des Menschen
untersucht und sich auch mit dem Sexualleben des Menschen beschäftigt. Er ist dadurch zum
Schluss gekommen, das der Mensch von seinen Trieben zuviel geleiten wird, dass das ES im
Mensch oftmals Überhand nimmt und dass wir es nur durch die Kultur „unterdrücken“
können.
Freud hat ein sehr negatives Menschenbild, dass der Mensch ohne Kultur seinen Trieben
freien Lauf ließe mag durchaus sein, jedoch dass der Mensch einen Ersatz für seine
eingeschränkten Triebe in der Kultur (im unseren Sinne gebraucht, also Literatur, Kunst,...)
sucht, würde ich nicht sagen.
Durch die Tatsache, dass der Mensch den Schritt vom „Urmenschen“ der nur durch seine
animalische Triebe geleiten wird zu einem „vernünftig handelnden“ Menschen geschafft hat,
beweist, dass er sich selbst für die Kultur entschieden hat. Der heutige Mensch würde, glaube
ich, niemals seine Kultur wieder gegen den „Naturzustand“ tauschen, wo er seinen Treiben
freien Lauf lassen kann. Wir haben gelernt unsere Triebe in unsere Gesellschaft zu
integrieren.
4) Welche Funktion spielt Kultur, die von religiösen Motiven
getragen wird?
Ein kleines Kinder fürchtet zwar seine Eltern, aber sucht auch wiederum in seiner infantilen
Hilflosigkeit Schutz bei ihnen.
Auch der Mensch sucht in seiner Hilflosigkeit nach einem Schutz und gibt den Naturkräften
Vatercharakter, er macht sie zu Göttern.
Die Götter sollen:
- Schrecken der Natur bannen
- Versöhnung mit dem Schicksal
Diese beiden Punkte würden auch in den Aufgabenbereich der Kultur fallen, hingegen finden
die Menschen in der Kultur keinen Schutz gegen die Kultur selbst. Deshalb wird den Göttern
noch eine 3. Aufgabe zugesprochen, nämlich
- Entschädigung für die Entbehren, die durch Kultur entstanden sind
Religiöse Vorstellung ist dadurch hervorgegangen: Notwendigkeit sich gegen die erdrückende
Übermacht der Natur zu verteidigen. Drang, Unvollkommenheit der Kultur zu korrigieren
5) Wie definiert Freud "Recht"?
Das menschliche Zusammenleben ist nur dadurch gegeben, dass die Mehrheit stärker ist als
jeder einzelne gegen jeden einzelnen.
Die Macht der Gemeinschaft stellt sich der Macht des einzelnen entgegen.
Jeder hat ein „Recht“ auf die Macht des einzelnen, dies wird jedoch oft als „rohe Gewalt“
verurteilt.
Ersetzung der Macht des Einzelnen durch die Gemeinschaft ist ein entscheidender kultureller
Schritt. Wichtig dabei ist:
 dass Mitglieder Befriedigungsmöglichkeiten beschränken
 Gerechtigkeit ( Versicherung, dass Rechtsordnung nicht zugunsten eines einzelnen
durchbrochen wird)
 Recht soll nicht Willensausdruck einer kleinen Gemeinschaft sein, welche sich zu
andere Gemeinschaften als gewalttätiges Individuum verhält.
Recht =>
- alle haben durch Triebopfer beigetragen,
- keiner darf zum Opfer roher Gewalt werden
6) Kläre folgenden Satz ab:
“Einerseits widersetzt sich die Liebe den Interessen der Kultur,
anderseits bedroht die Kultur die Liebe mit empfindlichen
Einschränkungen“
Individuelle Freiheit = kein Kulturgut; richtet sich gegen Formen und Ansprüche der Kultur
oder gegen Kultur überhaupt.
Mensch wird wohl immer seinen Anspruch auf individuelle Freiheit gegen den Willen der
Masse verteidigen.
Freud fragt sich: Ist Ausgleich zwischen kulturellen und individuellen Massenansprüchen
findbar? Nein denn :
Oft entsprechen unsere „Neigungen“ nicht den Interessen der Kultur, unsere individuellen
Vorhaben/Taten/Freiheiten werden von ihr abgelehnt. Die Kultur kränkt daher jedes
Individuum durch Auferlegung verschiedenster Einschränkungen für die „Freiheit“ des
Menschen.
Die Triebe des Menschen widersetzten sich den Interessen der Kultur, die Kultur will ihre
Interessen verteidigen und schränkt die Triebe so ein, dass sie wieder mit der Kultur
deckungsgleich sind.
7) Hat nach Freud die Familie oder die Gesellschaft einen höheren
kulturellen Wert? Begründe!
Für Freud ist die Familie die ursprünglichste und älteste Art des Zusammenlebens. Er erkennt
den Konflikt zwischen Familie und einer größeren Gemeinschaft:
Die Familie wehrt sich gegen ihre Ablösung durch das kulturelle Zusammenleben.
Sie will das Individuum nicht freigeben, denn je größer der Zusammenhalt in der Familie ist,
desto schwieriger ist der Eintritt in den größeren Lebenskreis.
Hauptbestrebung der Kultur ist aber, die Menschen zu größeren Einheit, als die Familie es ist,
zusammenzuschließen und somit hat für Freud die Gesellschaft einen höheren kulturellen
Wert als die Familie.
8) Erläutere den Begriff "zielgehemmt", was nach Freud einen
wesentlichen Baustein unserer Kultur ausmacht, und bringe Beispiele.
Die Kultur setzt den Trieben (Sexual- Aggressionstrieben) der Menschen Schranken.
Laut Freud bietet sie aber auch einen Ersatz für die „Entbehrungen/Opfer“ des Menschen.
Der Mensch soll auf „zielgehemmte Liebesbeziehungen“ gelenkt werden, wobei seinen
natürlichen Trieben geistige Ersatzobjekte geboten werden mit denen er sich auch
identifizieren kann. Beispiele dafür wären viele geistige Bereiche, Literatur, Theater, Oper,
Kunst, Freizeitgestaltung und vieles mehr. Durch sie kann eine Hemmung des Auslebens
eines Triebes (Sexualtrieb) verursacht werden = „Zielhemmung“
9) Was hält Freud von der kommunistischen Idee einer Abschaffung
des Eigentums und der völligen Liberalisierung des Sexuallebens?
Kommunisten glaubten Lösung gefunden zu haben:
Durch Besitz von privaten Gütern wir Mensch nur zur „Misshandlung“ verleiten.
=> Aufhebung allen Privatbesitzes=> keine Feindseeligkeiten=> allgemein Befriedigung
Freud: Kommunismus ist nur haltlose Illusion, da man der menschlichen Aggressionslust
zwar ein starkes, aber nicht das Stärkste Werkzeug genommen hat.
Ohne dingliche Güter bleibt noch das Vorrecht auf sexuelle Beziehungen=> Quelle der
heftigsten Feindseligkeiten.
Hebt man dieses durch völlige Befeiung der Sexuallebens auf, so wird auch die Familie
beseitigt (=Keimzelle der Kultur) => wahrscheinlich unvorhersehbare schlimme Folgen
10) "Der Kulturmensch hat für ein Stück Glücksmöglichkeit ein
Stück Sicherheit eingetauscht". Erläutere.
Der Urmensch hatte keine Triebeinschränkungen, aber die Sicherheit das Glück lange zu
genießen war gering. Er war vielen Gefahren ausgesetzt, und konnte seine „Freiheiten“ nicht
genießen und nutzen.
Der Kulturmensch hat Stück Glücksmöglichkeit gegen ein Stück Sicherheit eingetauscht, was
soviel bedeutet wie: Der Mensch muss nun auf einige Freiheiten, die der Urmensch besessen
hat verzichten, um Mitglied in einer Kultur zu sein. Die Kultur gibt ihm dafür Sicherheiten,
die er ohne sie nicht hätte. Durch die Kultur wurde die Sicherheit des Menschen enorm
gesteigert, er muss zwar einige Beschränkungen hinnehmen, jedoch könnte er ohne die Kultur
diese Beschränkungen, die er ohne sie nicht haben würde, gar nicht vollkommen ausnützen.
11) Wieso könnte man diesen Text von Freud als Spiegelung einer
europäischen Krisenstimmung interpretieren?
Dieser Text von Sigmund Freud stammt aus der Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg. Da er
in Wien lebte, erlebte er den 1. Weltkrieg und seine Folgen aus der Perspektive der Verlierer
mit. Er erlebte hautnah wie durch den Krieg viele Kunstwerke und ein großer Teil der Kultur
zerstört wurden.
Sigmund Freud musste als 3-jähriger mit seiner Familie vor antisemitischen Ausschreitungen2
aus Freiberg nach Leipzig fliehen (kurz darauf ließ sie sich in Wien nieder).
Seit Beginn des 1. Weltkrieges widmete sich Freud weniger den klinischen Beobachtungen;
vielmehr konzentrierte er sich darauf, mit Hilfe seiner Theorien, Religion, Mythologie, die
Künste, die Literatur sowie vor allem Kultur und Gesellschaft zu untersuchen.
Freud ist ein Kriegsgegner, was er folgendermaßen begründet:
 Die Verschiedenheit der Völker und Rassen, die bis jetzt noch nicht überwunden
werden konnte, hat sich nur noch vergrößert.
 Die Wissenschaft und Kunst wurden dadurch stark geprägt=> z.B. unter Hitler wurden
viele Juden aus Europa vertrieben, ihnen wurde ein Berufsverbot auferlegt und ihre
Werke wurden oftmals vernichtet.
 Durch den Krieg wurde den Trieben des Menschen freier Lauf gelassen.
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Ursula Paoli, Bruneck am 22.Dezember 2004
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"Freud, Sigmund."Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2001. © 1993-2000 Microsoft Corporation. Alle Rechte
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