Universität Trier SS: 2009 FBI: Philosophie Proseminar: Kants Prolegomena Dozent: Thomas Hoffmann, M.A. Protokollantin: Kathrin Baltes Protokoll zur Sitzung am 05.05.2009 Zu Beginn der Sitzung wird noch einmal auf den bereits in der letzten Sitzung besprochenen Unterschied zwischen synthetischen und analytischen Urteilen eingegangen. Die Dringlichkeit dieser erneuten kurzen Besprechung ergibt sich aus dem Hinweis von Herrn Hoffmann, dass eine bestimmte Art der synthetischen Urteile – nämlich synthetische Urteile a priori - für die weitere Betrachtung und für die gesamte „Kritik der reinen Vernunft“ von enormer Wichtigkeit sind. „An den synthetischen Urteilen a priori hängt für Kant das Schicksal der Metaphysik“ ,wie es Herr Hoffmann vorausgreifend formuliert. Synthetische und analytische Urteile (S.59/60) Die grundlegende Frage, die mit Blick auf die synthetisch-analytisch-Unterscheidung an jedes Urteil gestellt werden muss, lautet: Kommt in diesem Urteil dem Subjekt durch ein Prädikat eine inhaltliche Erweiterung zu (synthetische Urteile), oder nicht (analytische Urteile)? Beispiel: „Die Kugel ist rund“ ist ein analytisches Urteil, weil eine Kugel dann eine Kugel ist, wenn sie auch rund ist. Hier wird also das Prädikat aus dem Subjekt unmittelbar herausgezogen. „Die Kugel ist grün“ ist dagegen ein synthetisches Urteil, weil zum Begriff der Kugel, das „grün-sein“ nicht unmittelbar dazugehört. Hier wird das Subjekt also inhaltlich erweitert. Nach Kant liefern nur synthetische Urteile im eigentlichen Sinne Erkenntnisgewinn. Denn nur in synthetischen Urteilen wird dem Subjektsbegriff etwas in ihm nicht schon unmittelbar gedachtes, sondern grundlegend Neues hinzugefügt. Erfahrungsurteile (S.60/61) „Erfahrungsurteile, als solche, sind insgesamt synthetisch.“ (Kant, S.61) Erfahrungsurteile können nicht analytischer Natur sein, denn um ein analytisches Urteil zu fassen, darf ich gar nicht aus meinem Begriff hinausgehen. Ich darf ihm also kein Prädikat hinzufügen, das ihm nicht immanent ist, sondern das ich durch Erfahrung gewonnen habe. Alle Urteile, die das Subjekt erweitern, die ihm also ein durch Erfahrung gewonnenes Prädikat zuschreiben, sind deswegen per definitionem synthetisch. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung Begriff – Urteil. Denn hier könnte folgender Einwand vorgebracht werden: „auch analytische Urteile sind nicht frei von Erfahrung und kommen durch Synthesis zu Stande. Um über den Begriff Körper ein Urteil fällen zu können, muss ich doch erfahren haben, dass der Körper ausgedehnt ist, dass er undurchdringlich ist usw.“ Aber der Begriff Körper kann dann ohne die Prädikate „undurchdringlich, ausgedehnt“ nicht mehr gedacht werden. Die Notwendigkeit und Gültigkeit dieses (eben analytischen) Urteils steht a priori fest, das kann keine Erfahrung lehren. Satz des Widerspruchs (S.60) Auf Seite 60 erwähnt Kant den sog. Satz des Widerspruchs. Dieser besagt: „ Keinem Dinge kommt ein Prädikat zu, welches ihm widerspricht.“ (S. 225, Kritik der reinen Vernunft, reclam Ausgabe, B190/A151). Alle analytischen Urteile beruhen auf diesem Satz. Beispiel: Das Urteil „Ein Körper ist nicht ausgedehnt“ enthält einen inneren Widerspruch. Dem Begriff des Körpers hängt das Ausgedehnt-Sein per definitionem an. Etwas das nicht ausgedehnt ist, ist auch kein Körper. Analytische Urteile können also mit Berechtigung genau dann gefasst werden, wenn das Prädikat nach dem Satz des Widerspruchs aus dem Subjekt des Urteils gezogen wurde. Synthetische Urteile dagegen erhalten ihre Berechtigung aus der Erfahrung. Nur durch das Hilfsmittel Erfahrung kann das Urteil „ der Körper ist schwer“ zu Stande kommen. Zusammenfassung: Analytische Urteile Synthetische Urteile A priori Sind möglich ? A posteriori Sind nicht möglich Sind möglich Möglichkeit synthetischer Urteile a priori (S. 61/62) Die Frage, die sich den vorangegangen Betrachtungen anschließt ist die Folgende: „Wie kann herausgefunden werden, ob ein synthetisches Urteil a priori gerechtfertigt ist?“ Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass die Erfahrung als Hilfsmittel ausfällt, denn im Fokus der Betrachtung stehen synthetische Urteile a priori. Es gibt also keine Möglichkeit, diese Urteile empirisch zu überprüfen. Beispiel: „Alles was geschieht, hat eine Ursache.“ Worauf kann dieses Urteil gegründet werden? In der Aussage oder dem Tatbestand „alles was geschieht“ wird die Ursache nicht notwendig mitgedacht. Sie ist ein Prinzip, das hinter dem Geschehen vermutet wird, also etwas, dass das ursprüngliche Urteil („etwas geschieht“) erweitert. Die Frage, die sich nun anschließt, ist die Grundfrage der „Kritik der reinen Vernunft“: Wie kann ich a priori von einem Subjekt A zu einem Prädikat B fortschreiten, ohne analytische Urteile zu formulieren oder auf Erfahrung zurückzugreifen? Oder: „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?“ Diese Frage kann als die grundlegende Fragestellung der Kritik der reinen Vernunft betrachtet werden, weil Kant hier versucht herauszufinden, ob Metaphysik als Wissenschaft möglich ist. Die Metaphysik aber hängt für Kant davon ab, ob synthetische Urteile a priori möglich sind. Mathematische Urteile (S.63) Mathematische Urteile sind entgegen weitläufiger Auffassungen für Kant synthetisch und nicht analytisch. Beispiel: 7+5=12 Kant argumentiert, dass in der Aussage „7+5“ die 12 nicht mitgedacht ist. Zwar wird hier die Vereinigung zweier Zahlen gedacht, nicht aber welche Zahl dies ist. Selbst bei Zergliederung bis ins kleinste Detail, wird die 12 niemals auftauchen. Das müsste aber, würde es sich um analytische Urteile handeln, der Fall sein. Der Zusatz „=12“ ist also erweiternd und macht dieses Urteil damit zu einem synthetischen (weil für Kant Anschauung hinzukommen muss). Auch diese Stelle ist umstritten und wird von einigen KommilitonInnen angezweifelt. Die Frage ist, ob dieses Beispiel wirklich berechtigt und sinnvoll ist. Es wurde der Einwand vorgebracht, dass im Begriff der „Summe“ das „Ergebnis“ eigentlich automatisch mitgedacht werde.