Netzwerk für kritische Auseinandersetzung mit Pränataldiagnostik Stellungnahme zur Debatte über die geplante Änderung im Schadenersatzrecht Justizministerin Bandion-Ortner hat in einer Pressekonferenz am 16. Dezember 2010 einen Entwurf zur Änderung des Schadenersatzrechtes vorgelegt, mit dem sichergestellt werden soll, dass aus dem Umstand der Geburt eines (behinderten) Kindes in Zukunft keine Schadenersatzansprüche seitens der Mutter/der Eltern geltend gemacht werden können. PRENET ist ein Netzwerk aus vielen Organisationen und Einzelpersonen (mit sehr unterschiedlichen weltanschaulichen Hintergründen), das sich seit Jahren kritisch mit dem Thema Pränataldiagnostik und der damit verbundenen gesellschaftlichen Problematik auseinandersetzt. Zur aktuellen Thematik nehmen wir wie folgt Stellung: Wir begrüßen die geplante Änderung des Schadenersatzrechts. Damit wird aus unserer Sicht eine implizite Diskriminierung von Frauen und Männern mit Behinderung erfreulicherweise abgestellt. Der OGH hat in seiner bisherigen Rechtssprechung in Zusammenhang mit der Geburt von unerwünschten Kindern zwischen solchen ohne bzw. mit Behinderung unterschieden. So hat er in einem Urteil aus dem Jahr 2006 (Ob 101/06f) eine Schadenersatzklage abgewiesen, die sich auf die unerwünschte Geburt eines nichtbehinderten Kindes, das trotz vorgenommener Vasektomie zur Welt gekommen ist, bezogen hat. In seiner Begründung berief sich der OGH unter anderem auf Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, der die Achtung des Kindes als Person und damit seinen Eigenwert schützt. Im Gegensatz dazu hat der OGH in zumindest zwei Fällen (5Ob165/05h) und (5Ob148/07m) nach der unerwünschten Geburt eines behinderten Kindes – aufgrund fehlerhafter oder mangelhafter Aufklärung im Rahmen der pränatalen Diagnostik – Schadenersatz zugesprochen. Viele Frauen und Männer mit Behinderung(en) sowie viele Eltern von behinderten Kindern empfinden diese Form der Diskriminierung als skandalös und untragbar. Wir unterstützen die politische Forderung nach der allen Familien, denen aufgrund eines behinderten Kindes Mehraufwendungen entstehen, diese im Sinne einer gleichberechtigten Lebensführung abgegolten werden. Finanzielle Unterstützung für den mit der Betreuung eines behinderten Kindes entstehenden Mehraufwand über das Schadenersatzrecht abdecken zu müssen, stellt in unseren Augen eine doppelte Diskriminierung dar. Denn: Um aus dem Titel Schadenersatz finanzielle Unterstützung für die Betreuung eines behinderten Kindes zu erhalten, müssen Eltern behaupten, dass sie ein behindertes Kind auf alle Fälle abgetrieben hätten. Dies stellt eine Ungleichbehandlung gegenüber jenen Eltern dar, die sich bewusst gegen einen Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der eugenischen Indikation entscheiden oder jenen, bei deren Kindern die Behinderung perinatal, also während der Geburt (was übrigens bei den meisten Behinderungen der Fall ist) bzw. postnatal entsteht. Ärzte bleiben weiterhin verpflichtet, zur Beratung oder Behandlung übernommene Personen gewissenhaft zu betreuen. Prenet verweist in dem Zusammenhang auf das Ärztegesetz und das ABGB. Prenet tritt für eine umfassende und ganzheitliche Betreuung der schwangeren Frau ein, wie im dazu formulierten Positionspapier des Netzwerks nachzulesen ist. Die medizinische Betreuung kann nur ein Teil davon sein. Als solcher muss die medizinische Betreuung natürlich gewissenhaft und fachgerecht durchgeführt werden. Frauen müssen sich darauf verlassen können. Wir verweisen zum einen auf das Ärztegesetz §49(1), wo es heißt: „Ein Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer www. prenet.at, email: [email protected] c/o Nanaya, 1070 Wien, Zollergasse 37,. Tel.: 01 523 17 11 Fortbildungsprogramme fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards, insbesondere aufgrund des Gesundheitsqualitätsgesetzes (GQG), BGBl. I Nr. 179/2004, das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.“ Zum anderen erinnern wir an das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, wo in § 1299 nachzulesen ist: „Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennet; oder wer ohne Noth freywillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den nothwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewußt; oder, bey gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können; so fällt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last.“ Wir verweisen darauf, dass es keine Garantie für ein gesundes bzw. nicht behindertes Kind gibt. Sowohl die Informationen über Risken und Chancen von Pränataldiagnostik wie auch die Beratung von schwangeren Frauen und deren Partnern müssen dringend verbessert werden. Ein wesentliches Problem im Zusammenhang mit der Materie ist aus Sicht von PRENET der exzessive Einsatz von pränataldiagnostischen Verfahren während der Schwangerschaft, durch die die (falsche) Sicherheit suggeriert wird, ein gesundes bzw. nicht behindertes Kind könne garantiert werden. Dies führt letztlich dazu, dass Schwangerschaft nicht mehr als natürlicher biologischer Vorgang erlebt, sondern zu einer risikobehafteten Krankheit wird und nur mehr angstvoll erlebt werden kann. PRENET fordert eine verbesserte Information und Beratung bei Pränataldiagnostik, damit Frauen bzw. Paare sich rechtzeitig informieren und möglichst selbstbestimmt entscheiden können. PRENET verweist außerdem darauf, dass Pränataldiagnostik keine exakte Auskunft über die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes geben kann. Sie kann eine geringe Zahl von Abweichungen entdecken, eine Garantie für ein gesundes bzw. nicht behindertes Kind ist sie nicht. Nähere Informationen zu PRENET sowie unsere Positionspapiere zum Thema eugenische Indikation und Schwangerenvorsorge finden Sie unter www.prenet.at. Rückfragen: Mag. Helene Göschka, Sprecherin von Prenet, 0680/20 72 944 www. prenet.at, email: [email protected] c/o Nanaya, 1070 Wien, Zollergasse 37,. Tel.: 01 523 17 11