Referat Paulo Freire

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Die Befreiung der Gesellschaft (Paulo Freire)
Paulo Freire
Biographie
▪ * 19.9.1921 in Recife / Brasilien
- Recife ist die Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco, eine der ärmsten Regionen
Brasilien
- Er wuchs in kleinbürgerlicher Umgebung auf und erfuhr Armut und Hunger am
eigenen Leib
▪ seine Lebenseinstellung: "Meine Sache ist die Sache der Armen dieser Erde. Sie sollten
wissen, dass ich mich für die Revolution entschieden habe."
▪ studierte zunächst Jura und wurde Rechtsanwalt
- Nach nur einem Jahr gab er diesen Beruf auf und wechselte zur Pädagogik, als ihm
bewusst wurde, "dass das Recht, das er studiert hatte, das Recht der Eigentümer gegen
die, die nichts haben war."
▪ 1946 Tätigkeit in der Abteilung für Erziehung und Kultur im Sozialdienst der Industrie
- unter anderem als Direktor für den Bundesstaat Pernambuco;
auf Grund der Erfahrungen aus dieser Zeit entwickelte er die Grundideen einer
befreienden Pädagogik
▪ 1959 Promotion an der Universität von Recife mit einer Dissertation über das Unterrichten
von Erwachsenen Analphabeten
- Professor für Geschichte und Philosophie der Pädagogik
▪ Entwicklung einer Alphabetisierungsmethode: In nur 40 Stunden kann ein Erwachsener
alphabetisiert werden. 1962 Leiter eines Programms zur Alphabetisierung von
Erwachsenen im Nordosten von Brasilien
▪ nach Militärputsch 1964 im Exil in Chile
▪ Tätigkeit im Ökumenischen Rat der Kirche
- Tätigkeit als Berater für Bildungsfragen in den Entwicklungsländern beim Ökumenischen
Weltkirchenrat in Genf
▪ Lehre an der Universität von Campinas und an der katholischen Universität von Sao Paulo
▪ † 2.5.1997 in Sao Paulo / Brasilien
Humanisierung und Enthumanisierung

Humanisierung als Zentralproblem des Menschen
- zur Humanisierung gehört auch die Enthumanisierung
- nur Humanisierung ist des Menschen wahre Berufung
- Humanisierung wird zerstört durch: Ungerechtigkeit / Ausbeutung
Unterdrückung / Gewalt der Unterdrücker

Konsequenz:
Verlangen der Unterdrückten nach Freiheit /
Gerechtigkeit; Kampf ihre verlorene
Menschlichkeit wiederzugewinnen
- Enthumanisierung ist folglich Ergebnis einer ungerechten Ordnung, die in den
Unterdrückern eine Gewalt erzeugt, durch die auch die Unterdrücker selbst
enthumanisiert werden:
Unterdrücker
→
Gewalt
enthumanisiert
→
Unterdrückten
-
deshalb: Unterdrückten dürfen bei ihrem Versuch, ihre Menschlichkeit
wiederzugewinnen nicht selbst wieder Unterdrücker der Unterdrücker werden,
sondern müssen versuchen die Menschlichkeit beider wieder herzustellen
= Akt der Liebe
- es entsteht der „neue Mensch“, der weder der Unterdrücker noch der
Unterdrückte ist, sondern der Mensch im Prozess der Befreiung
- Parole: „Freiheit wird nur im Kampf errungen, sie wird uns nicht geschenkt“
- Hindernis am Kampf um Freiheit:
Unterdrücker fürchten sich vor Freiheit, denn Vertreibung des Unterdrückers
bedeutet Autonomie und Verantwortung
Konflikt / Dilemma des Unterdrückten:


Vertreibung des Unterdrückers
Ertragen des Unterdrückers
=
=
Freiheit aber auch Autonomie und Verantwortung vorgeschriebenes Verhalten; muss sich
keiner neuen Struktur anpassen
 zentrales Problem: können die Unterdrückten an der Entwicklung einer Pädagogik für sie
selbst als gespaltene Wesen mitwirken?
- ja, sie müssen sogar zu den Entwicklern dieser Pädagogik gehören, denn wenn
sie wirklich befreiend sein soll, kann sie sich nicht von den Unterdrückten
distanzieren und ein Modell zur Nacheiferung ist sinnlos; im Kampf um die
Erlösung müssen die Unterdrückten ihr eigenes Vorbild sein
- allerdings nur möglich, wenn sie bereit sind Autonomie und Verantwortung zu
übernehmen!
Subjektivismus – Objektivismus

keine Objektivität ohne Subjektivität
- keines kann ohne das andere existieren, und sie können auch niemals
voneinander getrennt werden
Objektivismus = Welt ohne Menschen
Subjektivismus = Menschen ohne Welt
 nicht möglich, denn Welt und Mensch existieren nur in ständiger Beziehung
aufeinander; deshalb wird die ständige dialektische Beziehung zwischen
Subjektivität und Objektivität propagiert
(theoretisches Beispiel)
praktisches Beispiel hierfür in seiner Pädagogik:
Unterdrückte müssen sich als Subjekt der Wirklichkeit kritisch stellen, sie
objektivieren und an ihr arbeiten; eine bloße Wahrnehmung der Wirklichkeit, der
kein kritischer Eingriff folgt wird zu keiner Verwandlung der objektiven
Wirklichkeit führen
Der Unterdrücker

Das Bewusstsein des Unterdrückers neigt dazu, alles um sich herum in ein Objekt
seiner Herrschaft zu verwandeln (Erde, Eigentum, Produktion, Schöpfung der
Menschen, Zeit = Objekte, die ihm zur Verfügung stehen; durch die Objektivierung
verwandelt der Unterdrücker den Menschen von etwas Beseeltem zu einer Seelenlosen
Kreatur)
- streng materialistische Konzept der Existenz
- Geld und Profit = primäres Ziel
- Sein = Haben
- wenn andere nicht mehr haben, dann liegt es an ihrer Dummheit oder Faulheit
und daran, dass die keinen Mut haben Risiken einzugehen
Der Humanist

hat Vertrauen in das Volk (unverzichtbare Vorbedingung für einen revolutionären
Wandel)
- erlaubt kein zwiespältiges Verhalten
- muss mit dem Volk kämpfen
Die Unterdrückten

Selbsterniedrigung
- fühlen sich zu nichts nutze, wissen nichts, sind unfähig etwas zu lernen, krank,
faul, unproduktiv  haben die Vorwürfe der Herrschenden verinnerlicht
- beharren selbst darauf, dass es zwischen ihnen und den Tieren keinen
Unterschied gibt, außer, dass die Tiere frei sind
„Der Landarbeiter fühlt sich dem Boss unterlegen, weil der Boss der einzige zu sein
scheint, der die Dinge kennt und weiß, wie man den Laden schmeißt.“ (Landarbeiter
bei einem Interview)
„Der Landarbeiter ist ein Abhängiger. Er kann nicht sagen, was er will. Ehe er seine
Abhängigkeit, entdeckt leidet er.“ (Interview mit einem Landarbeiter)
-
kritischer und befreiender Dialog, der Aktion voraussetzt, muss mit den
Unterdrückten auf allen Stufen ihres Kampfes um Befreiung geführt werden
 an die Stelle des Monologs / Schlagworte muss Dialog treten
 denkende Teilnahme der Unterdrückten am Akt der Befreiung wichtig!
sonst sind sie Objekte, die zu einer manipulierbaren Masse verwandelt
werden
Das „Bankiers-Konzept“
- Der Schüler-Lehrer-Widerspruch -
Schüler


Lehrer
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
der Lehrer lehrt, die Schüler werden belehrt
der Lehrer weiß alles, die Schüler wissen nichts
der Lehrer denkt, über die Schüler wird gedacht
der Lehrer redet, die Schüler hören brav zu
der Lehrer züchtigt, die Schüler werden gezüchtigt
der Lehrer wählt aus und setzt seine Wahl durch, die Schüler stimmen ihm zu
der Lehrer handelt, die Schüler haben die Illusion zu handeln durch das Handeln des
Lehrers
h) der Lehrer wählt den Lehrplan aus, die Schüler passen sich ihm an
i) der Lehrer ist das Subjekt, die Schüler die Objekte
-
-
-
charakteristisch für die Ideologie der Unterdrückung:
es wird unterschieden zwischen den Unwissenden und den Wissenden
unterschieden
der Lehrer redet von der Wirklichkeit, als wäre sie bewegungslos, statisch und
voraussagbar
seine Aufgabe besteht darin, sie mit Inhalten zu „füllen“ (Inhalte sind von der
Wirklichkeit völlig losgelöst, ohne Verbindung zu dem Größeren Ganzen;
Beispiel: „Hauptstadt von Deutschland ist Berlin...- was bedeutet
Hauptstadt?“)
Konsequenz: - Schüler lernen mitgeteilten Inhalt mechanisch auswendig
(Schüler werden zu „Containern“ gemacht)
- je vollständiger der Lehrer „füllt“, desto besser lehrt er
- je williger die „Container“ das „Füllen“ zulassen, desto
bessere Schüler sind sie
- statt zu kommunizieren, hält der Lehrer Monologe
Problem: - ohne eigenes Forschen, ohne Praxis können Menschen nicht
wahrhaft Menschen sein
- Wissen entsteht nur durch Erfindung / Neuerfindung
- je mehr die Schüler damit beschäftigt sind, das Gelernte zu
stapeln, umso weniger entwickeln sie ein kritisches
Bewusstsein, das entstehen würde, wenn sie als Verwandler
dieser Welt eingreifen würden
⇒ Freire sieht genau hierin das zentrale Problem
seine Lösung für den Lehrer-Schüler-Widerspruch:
- Dialog* zwischen Lehrer und Schüler Voraussetzung
- Versöhnung der Pole des Widerspruchs, so dass beide gleichzeitig Schüler und
Lehrer werden: Lehrer und Schüler belehren sich im Dialog gegenseitig
⇒ Autorität wird abgeschafft
- an Stelle des Bankiers-Konzept muss der Mensch als bewusstes Wesen treten,
der sich kritisch mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Welt auseinander
setzt
- der Revolutionär muss die Wirklichkeit mit allen Menschen zusammen
verwandeln, kein Anführer gibt ein fertiges Konzept zur Nachahmung vor
Der Dialog
Wort = Handeln = Praxis
↙
Reflexion
↘
Aktion
▪ Verzicht auf Aktion = Verbalismus
▪ Verzicht auf Reflexion = Aktionismus
-
-
-
das Wesen des Dialogs macht das Wort aus
im Wort begegnet man zwei Dimensionen: der „Reflexion“ und der „Aktion“
beide Dimensionen stehen in so starker Interaktion, dass wenn auch nur eins
von beiden teilweise geopfert wird, das andere unmittelbar darunter leidet
es gibt kein Wort, das nicht gleichzeitig Praxis ist; ein wirkliches Wort sagen
heißt daher die Welt verändern
ein unechtes Wort (das durch das Auseinanderreißen der Elemente entsteht),
kann die Welt nicht verändern
Veränderung ohne Aktion gibt es nicht
Menschen wachsen nicht im Schweigen, sondern im Wort, in der Arbeit, in der
Aktion-Reflexion
jeder Mensch hat das das gleiche Recht auf einen Dialog; keiner darf dem
anderen das Wort verbieten; jemandem das Wort zu verbieten bedeutet
Entmenschlichung
Dialog gründet auf Liebe; der echte Revolutionär wird von dem starken
Gefühl der Liebe geleitet (Gleichstellung Aller)
Dialog erfordert intensiven Glauben an den Menschen (an seine Macht Neues
zu schaffen, an seine Berufung voller Mensch zu sein)
Vertrauen wird im Dialog entwickelt
Paulo Freire (zusammenfassend):
„Weil Dialog Begegnung zwischen Menschen ist, die die Welt benennen, darf er
keine Situation bilden, in der einige Menschen auf Kosten anderer die Welt
benennen. Vielmehr ist er ein Akt der Schöpfung. Er darf nicht als handliches
Instrument zur Beherrschung der Menschen durch andere dienen. Die Herrschaft,
die der Dialog impliziert, ist die Beherrschung der Welt durch die im Dialog
Befindlichen. Er ist die Eroberung der Welt um der Befreiung der Menschen
willen.“
(ganz im Gegensatz zum Menschen, der einen Dialog führen kann, steht das Tier…
Überleitung zu einem kleinen Exkurs: Vergleich Mensch Tier)

⇎
- kann sich nicht von seiner Aktivität lösen
und ist somit unfähig darauf zu
reflektieren / kann sein Handeln
nicht objektivieren
- kann sich keine Ziele setzen
- in einer bestimmten Weise zu handeln liegt
nicht beim Tier, sondern bei seiner Art
- Tiere sind „Wesen in sich selbst“

- Mensch ist das einzige Wesen, das
sein Handeln und sich selbst
reflektieren kann
- Entscheidungen und Ziele verfolgt
der Mensch selbst
- seine Existenz ist historisch
- Menschen verwandeln ihre Welt
permanent
- er existiert in dialektischem Verhältnis
zwischen seinen Grenzen und
seinen Freiheiten
⇓
- Tiere „animalisieren“ ihre Strukturen
Menschen überwinden „Grenzsituationen“
nicht und können sie demnach auch
(Grenzlinien, die Sein vom Mehr-Sein trennt)
nicht „entanimalisieren“; sie sind
sowohl im Zoo als auch in der freien
Wildbahn animalisch
- Tiere leben nur in der Gegenwart
- der Mensch gliedert die Zeit in drei
Dimensionen: Vergangenheit
(für sie gibt es kein „Heute oder
⇒
Gegenwart
„Morgen“ – sie sind ahistorisch)
Zukunft
⇓
im ständigen Prozess kommen epochale
Einheiten zustande
„thematisches Universum“
Hoffnungen
Ideen
Werte
Epoche
Konzepte
Herausforderungen
- epochalen Einheiten sind keine geschlossene Zeitperioden
- sie sind untereinander durch die Dynamik historischer Veränderung verbunden
- eine Epoche wird durch einen Komplex von Ideen, Konzepten, Hoffnungen,
Zweifeln, Werten, Herausforderungen gekennzeichnet, die dialektisch mit
ihrem jeweiligen Gegensatz verkehren
- diese Themen implizieren gegensätzliche Themen
- Gesamtkomplex interagierender Themen = „thematisches Universum“
- Auch Menschen nehmen widersprüchliche Positionen zu den Themen ein
(Erhaltung / Veränderung der Strukturen)
„Generative Themen“
-
generative Themen sind konzentrierte Kreise, die sich vom Allgemeinen zum
Besonderen bewegen; sie sind nur innerhalb des Mensch-Welt-Verhältnisses
erfassbar, denn Themen existieren im Menschen, in seinen Beziehungen mit
der Welt, im Hinblick auf konkrete Tatsachen
⇒
-
die gleiche konkrete Tatsache kann unterschiedliche Komplexe generativer
Themen in verschiedenen epochalen Untereinheiten erzeugen
weiteste epochale Einheit: universell (kontinental, regional, national) mit
verschiedenen Untereinheiten
Fundamentalthema / generatives Thema Freires Pädagogik:
Herrschaft ⇎ Befreiung
-
Herrschaft zieht als Gegensatz das Ziel der Befreiung mit sich
um die Vermenschlichung zu erreichen (was die Eliminierung
entmenschlichender Unterdrückung voraussetzt), ist es absolut notwendig, die
-
Grenzsituationen, in denen Menschen zu Dingen reduziert werden, zu
überwinden
im Allgemeinen fühlt ein unterdrücktes Bewusstsein, das die Grenzsituation
noch nicht in seiner Gesamtheit erfasst hat, die hemmende Macht, die für
Grenzsituationen typisch ist
⇓
Folge:
wenn Menschen kritisches Verständnis ihrer Wirklichkeit fehlt, sie nur in
Fragmenten begreifen und nicht als aufeinander wirkende Elemente sehen,
erkennen sie die Wirklichkeit nicht
⇓
Problemlösung:
Menschen müssen den Zusammenhang verstehen, um die einzelnen Elemente
voneinander trennen zu können, zu isolieren und mit Hilfe der Analyse zu einer
klaren Auffassung des Ganzen kommen
⇓
- Auffassung und Verständnis werden zurecht gerückt
- Untersuchung des generativen Themas durch Kommunikation
- kritisches Denken über Welt
-
-
-
auf allen Stufen dieses Prozess äußern Menschen ihre Sicht der Welt
(fatalistisch, dynamisch, statisch), begegnet man ihren generativen Themen
eine Gruppe, die ein generatives Thema nicht konkret zum Ausdruck bringt,
(was die Nichtexistenz von Themen bedeuten könnte) legt im Gegenteil ein
sehr dramatisches Thema nahe: das Thema des Schweigens; dies lässt auf eine
Struktur der Stummheit im Angesicht der überwältigenden Macht der
Grenzsituation schließen
Untersuchung einer Thematik schließt die Untersuchung des Denkens der
Leute ein (Menschen, die untereinander die Wirklichkeit versuchen
herauszufinden / zu ergründen)
Im Gegensatz zur Bankiers-Methode der Erziehung (Schüler/Container zu
„füllen“), wird der Programminhalt der problemformulierenden Methode
(dialogisch) durch das Bild des Schülers, in der sich seine generativen Themen
finden, aufgebaut und organisiert
→ Inhalt erneuert und verändert sich permanent
Analphabetisierung
Definition Kultur:
- Kultur ist das, was Menschen einer Welt, die sie selbst nicht gemacht haben,
hinzufügen
- Kultur ist damit das Ergebnis menschlicher Arbeit, einer Anstrengung, zu
erschaffen und neu zu erschaffen
- die Demokratisierung der Kultur schließt das Erlernen des Lesens und
Schreibens als Schlüssel zur Welt der schriftlichen Kommunikation mit ein
- von diesem Ausgangspunkt aus sollte der Analphabet seine alte Verhaltensweise verändern,
in dem er sich selbst als Gestalter der kulturellen Welt entdeckt und merkt, dass er auch über
einen schöpferischen und neu erschaffenden Antrieb verfügt (wie eine Person, die Lesen und
Schreiben kann)
→ Bsp.: das Werk eines Dichters / Philosophen ist genauso Teil der Kultur, wie die
Volkslieder des Landarbeiters
-
-
-
-
um den Begriff „Kultur“ den Analphabeten verständlich zu machen, wurde
dieser in seine grundlegenden Aspekte aufgeteilt; diese Aufgliederung wurde
in zehn existentielle Situationen kodiert (= bildlich dargestellt; von dem
zeitgenössischen Künstler Francisco Brenand gemalt); jedes Bild enthielt eine
Anzahl von Elementen, die von den Gruppenmitgliedern mit Hilfe eines
Koordinators „dekodiert“ werden mussten
→ rege Beteiligung!
die Teilnehmer beginnen, Kultur als systematische Gewinnung von
menschlicher Erfahrung zu diskutieren und entdecken, dass in einer
alphabetisierten Kultur diese Gewinnung nicht auf mündliche Überlieferung
beschränkt ist, wie im Fall der analphabetischen Kultur
→ der Analphabet nimmt kritisch wahr, dass es notwendig ist, lesen und
schreiben zu lernen und bereitet sich selbst darauf vor; er wird damit ein
selbstständiger Lernender
Bildung zu erlangen bedeutet mehr als mechanisch die Lese- und
Schreibtechnik zu beherrschen; es bedeutet viel mehr diese Technik mit
Bewusstsein zu beherrschen: zu verstehen, was man liest und zu schreiben,
was man versteht (= graphisches Kommunizieren)
Bildung besteht nicht darin, Sätze, Wörter, Silben – leblose Gegenstände ohne
Beziehungen zum existentiellen Universum – zu wiederhole, sonder sie ist eine
schöpferische Haltung, eine Selbstveränderung
⇓
für die Rolle des Erzieher fundamental wichtig:
mit den Analphabeten in einem Dialog über konkrete Situationen einzutreten und
ihnen ganz einfach die Instrumente anbieten, mit denen er sich selbst Lesen und
Schreiben beibringen kann
Freires Analphabetisierungsmethode
Phasen der Alphabetisierung:
1. Phase
Untersuchung des Wortschatzes der Gruppe (Wörter mit großer existentieller
Bedeutung / emotionalem Gehalt und typische Redeweisen)
2. Phase:
Auswahl der „generativen Wörter“ aus dem untersuchten Wortschatz
Kriterien hierbei: - Viele Phoneme (Laute)
- phonetische Schwierigkeiten
- größtmögliche Einbettung des Wortes in eine gegebene
soziale, kulturelle, politische Wirklichkeit
3. Phase:
Erarbeitung der „Kodierung“ (= Darstellung einer typischen existentiellen
Situation der Gruppe; kodierten Situationsprobleme müssen mit dem Koordinator
dekodiert werden kritisches Bewusstsein und Lesen / Schreiben lernen
gleichzeitig:
generativen Wörter werden in die Kodierung eingesetzt und nach ihrer
phonetischen Schwierigkeit gegliedert (ein generatives Wort kann die ganze
Situation umfassen oder nur auf eines der enthaltenen Elemente hinweisen)
4. Phase:
Ausarbeitung von Arbeitsplänen, die nur als Hilfen für Koordinatoren dienen
sollen, nicht als Vorschrift
5. Phase:
Nachdem alle relevanten Aspekte besprochen sind, erscheint ein Bild des
Schlüsselwortes mit seinen semantischen Gliedern, also zunächst FAVELA und
dann in Silben aufgegliedert FA-VE-LA. Schritt für Schritt werden schließlich die
phonemischen Gruppen gezeigt, hier also FA-FE-FI-FO-FU, dann VA-VE-VIVO-VU und LA-LE-LI-LO-LU. Ist dies geschehen, bildet die Gruppe mit den
vorhandenen Silben neue Wörter.
Freire berichtet über das mit dieser (hier vereinfacht dargestellten) Technik erzielte
Ergebnis wie folgt: "Im Allgemeinen konnten wir nach einer Zeit von sechs
Wochen oder zwei Monaten eine Gruppe von 25 Personen so entlassen, dass sie
die Zeitung lesen, Notizen und einfache Briefe schreiben und Probleme von
lokalem und nationalem Interesse diskutieren konnten"
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