Nichtraucher

Werbung
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später
Auflage 1 mit Stand vom 1. November 2000
Ich rauche gern
oder: Der erste Monat ist geschafft
Falls ich doch mal wieder rauchen sollte, Motto der Sylter Kuh:
‚Was kümmert mich das Geschwätz von Gestern!‘
1
Rauchfrei in den Mai
Mitte März 2000 begann im Magazin Stern eine Serie, die das Aufhören vom Rauchen bzw. das zukünftige
Nichtrauchen unterstützen soll.
Mein Kommentar dazu:
Ist ja schön – Das schaffe ich nie – Ich will ja gar nicht – Ich rauche gern - ...
Dazu kam ein Wettbewerb (Zitat Stern):
‚Rauchfrei in den Mai‘
Quit and Win ist im Grunde ein nie endender Wettbewerb, bei dem jeder garantiert gewinnt, und zwar
soviel, wie er nicht für Zigaretten ausgibt. Das kann sich jetzt täglich jeder auf einen Klick und Blick in der
"Hall of Fame" anschauen. Das ist gleichzeitig ein Service für die Rückfälligen: Die können nun täglich
sehen, was ihnen durch die Lappen gegangen ist, seit sie ein einziges Mal einer Verlangens-Attacke
nachgegeben haben.
Auf der Internetseite vom Stern (http://www.stern.de/magazin/nrtagebuch/) habe ich dann auch mal
geschaut; und ich verweise wieder auf den Punkt ‚Mein Kommentar dazu‘ von oben.
Zwischenzeitlich habe ich mich auch in der ‚Hall of Fame‘ eingetragen. Dazu mehr im Kapitel ‚Geld‘.
Also, wie man schon merkt, mit dem Mai hat es natürlich nicht geklappt, obwohl ich im Frühjahr mit einer
starken Bronchitis zu kämpfen hatte.
Da war nur der Zwang von Außen da, nicht der eigene Wille von Innen.
Weniger rauchen
Der Versuch, weniger zu rauchen – den ich mehrmals mittels Strichlisten versuchte - war nicht nur zum
Scheitern verurteilt, sondern auch die schlimmste Art von Folter. Er scheiterte daran, dass man irrtümlich
meint, dass weniger rauchen auch weniger Lust darauf bedeutet. Das Gegenteil war der Fall. Man schaute
ständig auf die Uhr, ob man schon darf; und richtete seinen Zeitablauf (Mahlzeiten etc.) nur noch nach
dieser Strichliste. Als ich dann zu Schummeln anfing, stellte ich das mit der Liste immer wieder ein.
Was ich aber machte: Ich rauchte mit Genuss und Aufmerksamkeit. Also nicht neben einer Tätigkeit,
sondern bewusst und mit voller Konzentration ohne möglichst jeglicher Ablenkung. Also kein Zeitungslesen,
kein Telefonieren etc.
2
Kur
Überraschend schnell wurde von der BFA eine Kur bewilligt. Und zwar vom 7. bis 28. September. Ziel war
die Nordseeklinik in Westerland auf Sylt (besser konnte es ja nicht kommen).
In diesem Rahmen riet mein Hausarzt natürlich auch zu einer Raucherentwöhnungstherapie.
Hier war mein Wille natürlich gefestigt; und ich erzählte bereits jedem vor Kurantritt, dass ich als
Nichtraucher zurückkommen werde. Am vorletzten Arbeitstag bin ich sogar in der Firma in ein Einzelbüro
gezogen, da meine Arbeitskollegin Marion wie ich eine starke Raucherin ist.
Jetzt galt es nur noch, von den täglich ca. 35 Zigaretten weg zu kommen.
Verblendet wie ich war, nahm ich nur noch so viel Zigaretten mit auf Kur, wie ich für den Anreisetag
brauchen würde. Das war natürlich eine ganz falsche Denke!
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 1 von 12
Nichtraucher
Das ist natürlich ein sehr negatives Wort. Drückt doch die Vorsilbe ‚Nicht‘ immer etwas Schlechtes,
Unvollkommendes aus. Ich nenne da zum Beispiel: Nichtschwimmer, Nichttänzer...
In einem Buch habe ich das Wort ‚Freiatmer‘ gelesen. So ein blödes Wort. Das kennt selbst der Duden nicht.
Patientenaufnahme (Do 07.09.00)
Mein Stationsarzt hatte frei und so wurde ich von der Dermatologie aufgenommen. Es war ein junger Arzt
der sich freute, dass ich mich für eine Nichtrauchertherapie entschied. ‚Wir haben vor Kurzen an einer
Weiterbildung teilgenommen. Sie erhalten von und jegliche Unterstützung in Hinsicht auf Zyban, Pflaster und
Psychologie.‘ Ich solle ruhig noch ein paar Tage weiter rauchen.
Das war an einem Donnerstagabend, dem Anreisetag. Jörn raucht weiter.
Kurplan (Fr 08.09.00)
Diesen erhielt ich Freitagabend. Dort war auch vermerkt eine dreimalige Teilnahme an einer
Nichtrauchertherapie. Der erste Termin war natürlich erst in einer Woche. Jörn raucht weiter. Gut dass es in
der Westerländer Friedrichstraße ein Tabakladen gab, der meine Zigarettensorte führte.
Besuch bei Stationsarzt Frau Eyting(Mo 11.09.00)
Ich besuchte die erste Stationsarzt-Sprechstunde. Man gab mir ein entsprechendes Merkblatt. In dem stand,
dass man sich an den Stationspsychologen wenden sollte, der das Nichtraucherwerden in die Wege leitet
und begleiten würde. Sprechstunde war Dienstag früh. Jörn raucht weiter.
Psychologe Frau Neumann (Di 12.09.00)
Dienstag dann da gewesen. Das von mir vorgelegte Merkblatt dieser Kurklinik über das
Rauchentwöhnungsprogramm war überhaupt nicht bekannt. Ich wurde verwiesen an die im Kurplan
vermerkte Nichtrauchertherapie. Jörn raucht weiter.
Chefarztvisite (Mi 13.09.00)
Von meinen Nicht-Nichtraucherproblemen erzählt. Chefarzt verdonnerte die Stationsärztin dazu, mir auf
Klinikkosten schnellstmöglichst Zyban zu verabreichen. Jörn raucht weiter.
Zwischendurch:
Wir waren nunmehr 4 Personen an dem 107er-Tisch im Klinik-Speisesaal. Margrit und Heide, sowie ein Typ
aus Augsburg, der gleich an zweiten Tag ein Rezept für Zyban bekam. Heide ist Gelegenheits- bzw.
Genussraucherin. Raucht so um 5 Zigis – meistens abends. Hat meine West-Rollies probiert und ist
umgestiegen. Hat gleichzeitig ausfindig gemacht, dass es diese auch im Sparmarkt direkt gegenüber der
Klinik gibt. Alle die und noch ein paar andere kennen mein aktuelles Problem und meine Unmut. Jörn raucht
weiter. Aber nicht so viel wie in Berlin. Man musste ja immer die Klinik verlassen. Also die unüberlegten Zigis
fielen somit weg. Es passierte schon, dass ich morgens um sechs (manchmal auch früher) vor dem Kliniktor
stand.
Nichtrauchertherapie 1 (Do 14.09.00)
Heute Nachmittag erstes Treffen von 3 Terminen. Name des Therapeut ist mir leider nicht mehr bekannt.
Treffen dauert ca. 50 Minuten. Wir sind 7 Personen. Darunter auch der Tischnachbar aus Augsburg. Die Zeit
geht damit drauf, dass wir berichten sollen, seit wann wir rauchen, wie viel wir rauchen, wann wir rauchen,
warum wir nicht mehr rauchen wollen, wie wir uns das vorstellen, ob wir es schon Mal versucht haben, etc.,
etc. Der Therapeut war sehr erstaunt, dass in der Klinik mit Zyban und Niko-Pflastern gearbeitet wird. Von
Hilfsmitteln jeglicher Art hielt er überhaupt nichts. Auch nicht von Akupunktur oder Büchern. Aber wie man
sich das Rauchen abgewöhnen sollte, das verriet er nicht. Ich glaube, der Therapeut hat noch nie eine
Zigaretten aus der Nähe gesehen. Seine Vorstellungen von der Sucht des Rauchens entsprachen fast
keiner Meinung der Teilnehmer. Er drückte uns zum Schluss zwei Broschüren in die Hand. Ich war nicht
besonders motiviert, mit dem Rauchen aufzuhören – insbesondere wusste ich immer noch nicht, wie man
das anstellt. Jörn raucht weiter.
Die Broschüren:
In der einen (vom Bundesministerium vom April 88) war nur zu das lesen, was man bereits aus anderen
Medien kannte. Nichts Neues, was einem motivieren oder helfen könnte. Dafür aber ein paar lustige Sachen.
Als Erfolg für das Nichtrauchen soll man sich Genusswünsche gönnen. Die Aufzählung enthielt Tätigkeiten,
die man so wie so gerne macht – oder nie im Leben machen würde. Als Genuss wurde unter Anderem
vorgeschlagen: Das Zimmer umräumen, aufräumen - und Sachen, die bisher eher zum Rauchen animierten.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 2 von 12
Das andere war ein fotokopierter Auszug aus dem Buch ‚Wir gewöhnen uns das Rauchen ab‘. (Ob das
Fotokopieren wohl erlaubt ist?) Hier waren etliche Fragebögen die man hätte führen müsse als man den
Entschluss fasste, mit dem Rauchen aufzuhören. Und außerdem Gehirnwäsche-Sprüche wie ‚Ich bin
willensstark‘ – ‚Rauchen ist ganz gleichgültig‘ – ‚Ich erreiche mein Ziel‘ – blablabla...
Zwischendurch:
Konsum sehr stark gesenkt, manchmal nur 5 Zigis. Fing an nur noch geschnorrte zu rauchen. Gut dass
Heide auf meine Sorte umgestiegen ist. Aber der Sinn war es ja wohl nicht. Immer wieder Mal eine der
letzten letzen Zigi geraucht.
Habe nachgefragt, wo das Zyban bleibt. Zitat Stationsärztin: ‚Wir sind hier auf einer Insel, dass geht nicht so
schnell wie auf dem Festland.‘ Jörn raucht weiter.
Oberarzt-Visite (Di 19.09.00)
Endlich Zyban bekommen. Stelle später fest, dass der Beipackzettel fehlt. Auf meine Nachfrage bekomme
ich die Antwort: ‚Das ist ein neues Medikament, die Ärztin muss ihn erst lesen.‘ Jörn raucht weiter.
Nichtrauchertherapie 2 (Di 19.09.00)
Von den 7 Leuten heute nur noch 3 anwesend. Sollen erzählen ob wir schon nicht mehr rauchen. Ich bringe
den Inhalt der Broschüren als Thema auf den Tisch. Therapeut tut erstaunt über den Inhalt. Außerdem
bemängle ich den Inhalt der Therapietreffen: ‚Habe mir da etwas Anderes vorgestellt – Etwas, was man
alleine nicht durchführen kann.‘ Nach weiterem Wortaustausch sagt der Therapeut zu mir: ‚Da kann ich
ihnen wohl nicht helfen.‘ Jörn ist sauer. Jörn raucht weiter.
Besuch bei Stationsarzt Frau Eyting (Do 21.09.00)
Da die Stationsärztin ab morgen in Urlaub ist, soll ich ihr heute sagen, wann ich mit dem Rauchen
aufzuhören gedenke: ‚3. Oktober 2000!‘ Jörn raucht weiter. Bekam übrigens endlich den Beipackzettel.
Nichtrauchertherapie 3 (D0 21.09.00)
Da mir nicht geholfen werden kann, habe ich auf den Besuch verzichtet. Suche lieber Trost mit Worten in der
Kneipe Sylter Welle. Jörn raucht weiter.
Arztbesuch bei Dermatologie (Mo 25.09.00)
Heute ging ich noch mal zum Arzt der mich aufgenommen hatte und ließ meinen Frust los. Bekam hier ein
Pflaster-Rezept für die Zeit nach der Kur.
Oberarztvisite (Di 26.09.00)
Nichts Berichtenswertes.
Entlassungsgespräch mit Ärztin der unteren Station (Mi 27.09.00)
‚Mir ham se als jeheilt entlassen.‘ Zyban-Rezept bekommen und Rauchverzichtstag bestätigt.
Kurende
Abends in der Kneipe Sylter Welle noch mal kräftig gepafft und mit meinen zwei Weibern
Abschiedsgeschenke ausgetauscht. Darunter auch eine der vielen nicht gerauchten Zigaretten – nett
verpackt.
Nach drei Wochen Kur raucht Jörn immer noch. Welch vertane Zeit in Sachen Gesundheit!
3
Zyban und Nicotinell-Pflaster
Original-Zitat Stern:
Denn auch Zyban ist keine Wunderpille. Sobald der körperliche Entzug nach zwei oder drei Wochen
vorbei ist, beginnt der psychische Entzug. Und gegen den hilft Zyban nicht. Gegen den hilft nur der
eigene Wille und das Erkennen und Abwettern von Verlangensattacken.
Jeder, der es mit Zyban versuchen will, sollte dies wissen: Über die Klippe des körperlichen Entzuges, an
der die meisten scheitern, hilft Zyban vielen hinweg. Doch die Klippen des seelischen Entzuges, das
Verlangensgefühl und die darin lauernden Attacken, muss jeder aus eigener Kraft meistern. Weil da aber
viele scheitern, liegt auch bei Zyban-Aufhörern die dauerhafte Erfolgsquote bei nur 30 Prozent. "Nur"
oder "immerhin": 30 Prozent ist die höchste Quote unter den seriös untersuchten Aufhörhilfen.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 3 von 12
Zeitschrift Test 9/2000:
Zyban – Nutzen fraglich ... In den USA ergaben Studien eine eher kurzfristige Erfolgsquote von mehr als
30 Prozent, insbesondere auch in Kombination mit Nikotinpflaster. Der Dämpfer: Bei kritischer Sicht
bestehe zum Beispiel nach einem Jahr kein Unterschied mehr zu Placebos und anderen
Entwöhnungsmethoden. In Deutschland wird zur zurückhaltenden Verordnung geraten, nachdem aus
Kanada gelegentliche Krampfanfälle, Erregungszustände und Sehstörungen bekannt wurden, so im
Zusammenhang mit Alkohol...
(Mein Kommentar zu diesem Bericht: Welcher Depp nimmt Zyban ein Jahr lang und steht ständig unter
Alkohol??)
Diese Zitate kann ich nicht bestätigen. Ich habe Zyban ja nun doch verschrieben bekommen und konnte in
dieser Hinsicht anfangs keine Nebenwirkungen (später doch) oder Entzugserscheinungen feststellen.
Und was macht Zyban nun wirklich?
Erklären wir es mal so, als spräche ich mit einem Dreijährigen.
Von Natur aus wird im Gehirn ein Stoff gebildet, der ein Wohlbefinden stimuliert. Die Wirkstoffe der Zigarette
übernehmen dies und das Gehirn stellt die zur Verfügungstellung dieses Wohlstoffes ein. Zyban sorgt nun
dafür, dass dieser Stoff wieder selbst gebildet wird.
Nicotinell:
Am ersten Nichtrauchertag klebte ich mir auch ein Nikotinpflaster mittlerer Stärke. Die nächsten beiden Tage
habe ich schlicht vergessen, neue Pflaster zu kleben – und das war es dann mit den Nikotin-Pflastern. Die
liegen jetzt in der Küche herum.
Nebenwirkungen:
Noch mal zu den Nebenwirkungen von Zyban. Die stellen sich doch ein, aber anders als vermutet.
Am 23. Oktober bekam ich einen merkwürdigen Ausschlag und Juckreiz genau an den Körperstellen, wo
man sich sonst irgendwelche Filzläuse oder Ähnliches beim Geschlechtsverkehr holt. Große Panik, dieweil
ich in dieser Hinsicht gerade ein schönes Wochenende hinter mir hatte. Was tun? Praxiszeiten vom Hautarzt
rausgesucht, aber am Nachmittag waren die Symptome fast wieder abgeklungen. Wäre ich mal trotzdem
zum Hautarzt gegangen. Spät am Abend waren etliche weitere Körperpartien von roten juckenden Stellen –
auch am Ellenbogen, am Knie und am Fußspann – bedeckt. Kaum zum Aushalten. Also dann am Dienstag
zum Arzt. Keine Tiere sondern Quaddeln. Vorher nie diesen Ausdruck gehört. Einwandfrei eine
Tablettenallergie – eine allergische Reaktion. Was hilft’s, Zyban vorzeitig abgesetzt, etwas Allergiekum
genommen, und weg war der Spuk.
Trotz dem vorzeitigen Einstellen der Zyban-Einnahme geht es mir weiterhin gut. Es traten bis jetzt keine
Entzugserscheinungen auf.
Was soll ich nur mit den ganzen Tabletten und Pflastern machen?
4
Rauchverzichtstag
Gemäss Beipackzettel von Zyban soll man sich zu Beginn der Therapie einen Tag innerhalb der ersten zwei
Behandlungswochen festlegen, an dem man mit dem Rauchen aufhören will.
Ich wählte den 3. Oktober. Den Tag kann man sich auch nach Jahren noch merken, da es der ‚Tag der
Deutschen Einheit‘ ist. Ich konnte mich aber nicht entscheiden, ob dieser Tag der letzte Rauchertag oder der
erste Nichtrauchertag sein sollte. Da schwankte ich ganz schön und ließ mir so zu sagen ein Hintertürchen
offen.
Kommentar der Stationsärztin: ‚Da sind Sie ja nicht mehr da, das können wir ja nicht überprüfen!‘ – Na und,
können solche Augen lügen?
Und da beschloss ich, ab heute nicht mehr zu Rauchen.
Das war an einem Samstagmorgen, mit Datum 30. September.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 4 von 12
Ich erste Prüfung war bereits am Nachmittag/Abend. Ich war bei Wolfgang zu einer Geburtstagsfeier
eingeladen, bei der auch Raucher anwesend waren. Und siehe da, ich sagte mir ‚ohne Rauch geht’s auch‘.
Die erste schwere Klippe war umschifft.
Lieber gleich am Anfang solche Herausforderungen – und man weiß wo man steht mit dem inneren Willen.
An die Leute des 107er-Tisch (das war der Tisch im Speisesaal in der Nordseeklinik) schrieb ich am 3.
Oktober eine Postkarte mit folgendem Inhalt und großer Schrift:
‚Mein Vorhaben, am 3. Oktober meine letzte Zigarette zu Rauchen, habe ich leider nicht eingehalten –
Schade!‘ Und dann weiter in etwas kleinerer Schrift: ‚Nein, denn die letzte Zigaretten hatte ich bereits am
29. September geraucht.‘
5
Entzug
‚Zu behaupten, es ginge mir gut, wäre geprahlt.‘
‚Ich habe zwei schlaflose Nächte hinter mir und nächtliche Wadenkrämpfe, gegen die Gemüsebrühe hilft.
Am vergangenen Donnerstag haben mir zeitweise die Hände gezittert.‘
‚Das alles hat inzwischen nachgelassen. Geblieben sind nächtliche Schweißausbrüche, Nervosität,
Reizbarkeit. Ich fürchte auch um meine weiße Weste bei der Flensburger Verkehrssünderkartei: Ich, sonst
ein disziplinierter Autofahrer, erschrecke plötzlich, weil in den Kurven die Reifen quietschen. Ich fahre
dermaßen rasant, dass ich ständig den Tacho im Auge haben muss. Außerdem bin ich extrem
geräuschempfindlich.‘
Das sagen viele, die in der ersten Phase des Entwöhnens sind. Bei mir in der Firma sind es zwei weitere
Kolleginnen und ein Kollege.
Ich bin einer der wenigen Glücklichen, die damit keine Probleme haben. Derartige Entzugserscheinungen
habe ich bis jetzt nicht kennen gelernt. Hoffentlich kommen die nicht mehr.
Das Einzige was ich kenne, ist der Gewohnheitsgriff (der Reflex), nach einer bestimmten Tätigkeit zur
Zigarette zu greifen. Sei es nach dem Aufstehen, nach dem Essen, nach der Beendigung einer Arbeit, nach
dem Nachhausekommen etc.
Aber das hat sich eigentlich auch sehr schnell gelegt. Heute nach einem Monat nur noch ganz selten zu
beobachten.
Ich gehe in der Firma nach dem Essen mit meinen Kollegen auch weiter in die Raucherecke, verkehre weiter
mit Rauchern und verbiete auch das Rauchen in meiner Wohnung nicht.
Wenn man damit Probleme hat, in der Nähe von rauchenden Personen zu sein, so ist doch das
Nichtrauchen ein einziger Stress, der vielleicht schädlicher ist als das Weiterrauchen.
Die Betonung liegt hier aber auf zeitweilig – nicht auf ständig. Wieder mit einem Rauchen(-in) in einem Büro
zu sitzen, das würde mich 100-prozentig wieder zum Rauchen animieren.
6
Verlust
Je länger ich nun nicht mehr rauchte, kam das Gefühl, mir fehle etwas. Einen oder zwei Züge nur, und das
Gefühl des Fehlens wäre weg. Natürlich weiß ich ganz genau, was nach dem ersten Zug kommt.
Es gibt auch Augenblicke, da fühle ich mich rundum wohl. Bis mir plötzlich einfällt, wie leicht es ist, rückfällig
zu werden.
Der Trick bei der Abwehr der Sucht-Anfälle ist, sie bewusst als Anfälle zu registrieren. Bei mir geht das so:
Plötzlich ist das Gefühl da, eine rauchen zu müssen. ‚Aha,‘ sage ich mir dann, ‚klarer Fall von einer
Verlangens-Attacke. Die wird jetzt abgeschmettert.‘ Solche Attacken dauern nur ein paar Minuten und sind
dann wieder vorbei. Ich wettere sie bereits seit vier Wochen erfolgreich ab! Gummibärchen bereithalten oder
Pfefferminz oder Kaugummi oder Karotten, Trockenpflaumen, Kohlrabi oder weiß der Teufel was: Alle
Hilfsmittel sind erlaubt außer einem: Zigaretten.
Bei vielen anderen werdenden Nichtrauchern kommt die Rückfallgefahr verstärkt am Wochenende. Bisher
war das bei mir anders: Am Wochenende null Probleme, während der Arbeit immer noch Probleme, aber mit
stark abnehmender Tendenz. Einer der Gründe dafür dürfte sein, dass ich einerseits auf Arbeit am
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 5 von 12
häufigsten geraucht habe, andererseits, dass ich am Wochenende oder zu Hause stets wenig geraucht
habe.
Nichtrauchen ist kein Verlust! Jawohl! Nichtrauchen ist ein Gewinn! Aber es ist der Verlust einer Gewohnheit.
Einer ganz, ganz schlechten Gewohnheit!
Jawohl, einer ganz, ganz schlechten Gewohnheit! Deshalb habe ich ja aufgehört. Aber Gewohnheit ist, wie
das Wort schon sagt, Gewohnheit - egal ob gut oder schlecht. Die wird man nur durch Entwöhnung los. Und
das dauert. Je länger ich nicht rauche, so mein Kalkül, desto geringer das Verlustgefühl. Das wird bei mir
entscheidend sein: diesem Verlustgefühl dauerhaft zu widerstehen.
Würde ich Zigarettenqualm reflexartig als Gestank empfinden, wäre ich ein Jünger von Allen Carr. Dann
hätte die Gehirnwäsche, die er in seinem Buch ‚Endlich Nichtraucher‘ anbietet, bei mir gewirkt. Dann wäre
meine Überzeugung von der Ekelhaftigkeit der Zigaretten derart übermächtig, dass ich einen Geruch, den
ich zwanzig Jahre lang mochte (aber mehr und mehr auch hasste), von einem Tag auf den anderen als
Gestank empfinde. Schön wär's gewesen und hätte mir das Aufhören erheblich erleichtert.
Tatsächlich aber halte ich noch immer gern die Nase hin, wenn sich nach dem Essen in der Kantine jemand
am Tisch eine ansteckt. Wenn sich solche Treffen mit Rauchern aber hinziehen und die Luft immer
rauchhaltiger wird, dann fängt es nicht reflexartig, sondern allmählich an, mir zu stinken. Als ich noch
geraucht habe, war das nicht so. Da hatte ich nur ein theoretisches Verständnis dafür, wenn die
Nichtraucher - natürlich völlig chancenlos - um rauchfreie Treffs baten.
Bei meiner Geruchstoleranz ist mir aber Folgendes aufgefallen: Zigarettenrauch stinkt mir ganz gewaltig,
wenn ich im Stress oder nicht gut drauf bin. Stress war früher einer meiner Hauptanlässe zum Rauchen.
Nicht gut Draufsein auch. Wenn ich jetzt nicht gut drauf bin, passiert es mir immer häufiger, dass ich mich
vor Zigaretten ekle. Sowohl vor denen, die in meiner Umgebung geraucht werden als auch vor derjenigen,
die zu rauchen ich mir vorstelle. Vor der ekle ich mich ganz besonders.
Ob das die allmähliche Verwandlung vom Raucher zum Nichtraucher ist? Dann hätte, wie ich hier einmal in
meinem Anfangsstadium geschrieben habe, meine eigene Gehirnwäsche zu wirken begonnen und ich
würde wie Allen Carr: Endlich Nichtraucher.
Ablenken, abwarten, aussitzen, daran denken, dass beim Rückfall nur die ersten Züge wirklich wirken und
dann das ganze Elend von vorn beginnt - so halte ich mich über Wasser. Und das immer besser.
Entwöhnung wird langsam zur Gewöhnung. Die Entwöhnung, in der ich mich nach 20 Raucherjahren
befinde, wird mehr und mehr zu einer Gewöhnung. Ich gewöhne mich daran, nicht mehr zu rauchen.
7
Gewicht
Jedes Mal zeigt meine Waage einen Tick mehr als sie eigentlich soll.
Das ist das Los des werdenden Nichtrauchers. Aber die Leute sagen, etwas mehr Gewicht steht mir ganz
gut. Im Gesicht mag das ja sein, aber der Bauch wächst auch mit.
Ob es wirklich vom Nichtrauchen kommt. Es gibt doch jetzt bereits die leckeren Weihnachtssachen. Und
besonders die Dominosteine lachen mich immer so an.
Na ja, man muss etwas Sport treiben. Wie das geht, habe ich ja auf Kur gelernt.
Außerdem habe ich mir in den letzten Wochen einen Beutel Äpfel, eine Schale Karotten und Kohlrabi zum
Knabbern für Zwischendurch gekauft. Wenn das kein guter Anfang ist.
(Anmerkung: War auch das einzige Mal.)
Fressanfälle im Allgemeinen sind ausgeblieben, aber ich habe schon immer gerne genascht.
So schwer scheint Nikotin und Teer gar nicht zu sein. Jetzt wo ich diese Stoffe nicht mehr zu mir nehme,
müsste ich doch eigentlich abnehmen, oder?
Sobald die Grenze von plus zwei Kilo überschritten wird, muss ich mir etwas einfallen lassen. Auf
Feierabend-Bierchen kann ich nicht verzichten, denn die gibt es bei mir so wie so nicht.
8
Geld
Ich werde pro Tag im Schnitt um 5,00 DM reicher bzw. weniger arm.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 6 von 12
Warum nur 5,00 DM bei 33 bis 35 Zigaretten? Weil ich bereits seit Jahren nicht mehr diese teuren Zigaretten
rauche, sondern die fiskalisch gesehenen Zigarren; d.h., die West-Light-Rollies mit Original West-Tabak und
mit dem braunen Tabakblatt. Die Schachtel mit 19 Zigis kostet nur 2,70 DM.
Daher kann ich leider nicht mehr einsparen.
Viele sagen, das gesparte Geld solle ich bei Seite legen, und mir irgendwann davon etwas Tolles leisten.
Finde ich Quatsch. Ob das Geld nun in einer Sparbüchse liegt oder ich es nicht von der Bank abhole. Und
was Tolles geleistet habe ich mir bisher immer schon, auch mit qualmender Kippe im Mund. Ich weiß ja bald
gar nicht mehr, wohin ich noch reisen soll. Meine Traum-Fernziele habe ich alle schon besucht.
Ich habe auch die Zigis nie Päckchenweise gekauft. Nicht nur, dass es die Marke die ich in den letzten
Jahren geraucht hatte, nicht überall gab – sondern auch vorher schon immer Stangenweise. Mir wäre es ein
Greuel gewesen feststellen zu müssen, dass die Zigis nicht reichen und man noch mal außer Haus muss.
Oder an irgend einen Automaten, bei dem – falls man überhaupt passenden Geld hat – dies auch noch
stecken bleibt.
Andere sagten immer, wenn sie massenweise Zigaretten hätten, würden sie mehr rauchen. So ein Quatsch.
Wenn ich zwei oder drei Fernseher in der Wohnung habe, sehe ich auch nicht mehr fern. Wenn ich
Bohnenkaffee im Sechserpack kaufe, trinke ich auch nicht mehr Kaffee. Wenn ich eine BVG-Monatskarte
habe, fahre ich auch nicht mehr mit dem Bus als sonst. Wenn ich mehr Zeit habe, gehe ich auch nicht länger
Arbeiten. Wenn ich an drei statt an einem Eisstand vorbei komme, schlecke ich auch nicht mehr Eis...
Man müsste mal ausrechnen, wie viel Geld ich, Zinsen und Zinseszinsen mitgerechnet, in meinem Leben
verqualmt habe. (Nicht vergessen, habe erst mit 29 Jahren angefangen; also 21 Jahre Raucher.)
Eigentlich spare ich im Moment ja noch nicht. Die Packung Zyban für 14 Tage kostet 86,00 DM. Das sind
172,00 DM (die erste Packung hatte ich von der Klinik). Eine Packung Nicotinell mit 14 Pflastern kostete
70,00 DM. Das sind somit 242,00 DM. Das entspricht Zigaretten für 50 Tage.
Falls natürlich meine Krankenkasse die Sachen übernimmt (ich bin privat versichert – die gesetzlichen
Kassen machen das nicht) bin ich natürlich schon in der Sparzone.
Also pro Monat habe ich 150,00 DM verraucht.
Wo ist mein Geld nur geblieben, wo, wo, wo? (Song von Helga Hahnemann).
Wie viele Zigis ich seit Ende September nicht geraucht habe kann man im Internet erkennen in der 'Hall of
Fame': (http://www.stern.de/magazin/nrtagebuch/hof/index.php?start=&sort=datum) BAAR,JÖRN
9
Toleranz
Es gibt sehr viele Bürger in unserer Republik und in der ganzen Welt (egal ob sie mal Raucher waren oder
nie geraucht haben), die eine fast schon krankhafte Intoleranz gegenüber den Rauchern zeigen.
Hoffentlich werde ich nie so gnadenlos intolerant.
Obwohl es sicherlich manche Leute gibt, bei denen Toleranz überhaupt nicht angebracht ist.
Bis jetzt bin ich auf dem richtigen Weg und werde es auch bleiben. Ich habe meine weiter-rauchenden
Freunde und Bekannte nicht verstoßen - ebenso wie ich auch zu rauchenden Zeiten Kontakte zu
Nichtrauchern unterhielt.
Hand aufs Herz; sind die Raucher nicht tolerante Menschen? Hier könnten jetzt die allseits bekannten
Floskeln kommen...
Aber ist es bei Treffen und Feiern in der Raucherecke nicht schon immer etwas geselliger, interessanter und
voller gewesen, als in den Nichtrauchersälen?!
Darf ich da an die Busfahrt anlässlich meines 50 Geburtstages erinnern? Wo war da die Stimmung – da wo
der Qualm war.
Rauchen und Rauchenlassen – das ist Toleranz.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 7 von 12
10
Zeit
Jedem frisch praktizierenden Nichtraucher geht es ähnlich: Erst zählt man die Stunden, dann die Tage, dann
- da bin ich jetzt fast drüber hinweg - die Wochen.
Um die Monate zu zählen, muss man wohl mindestens zwei schaffen.
Aber ich kann bereits sagen ‚Ich bin im 2. Monat' – hört sich doch besser an als ‚in der 5. Woche'.
Also der 30. September lag ja im ersten Monat, der Oktober war der zweite, und jetzt Anfang November ist
der dritte Monat – Schon 3 Monate rauchfrei (so kann man es auch drehen).
Durchhalten ist jetzt nicht mehr das Problem. Die Qual des Entzuges ist vorbei bzw. nie so groß existent
gewesen. Womit ich jetzt noch als Folge des Nichtrauchens zu kämpfen habe, wird wohl das Gewicht sein.
Das Rückfallrisiko scheint von Tag zu Tag zu sinken, wenn ich es mir möglichst deutlich vor Augen halte.
Die Verlangens-Attacken nehmen ab. Mit dem Verlust-Gefühl komme ich klar.
Ich hoffe bis zum 29. September 2001 durchzukommen. Dann habe ich ein Jahr rum und bin erst dann
statistisch gesehen ein Nichtraucher.
Fühle ich mich bereits als Nichtraucher? Nein! Ich bin stolz auf meine rauchfreie Zeit. Aber Nichtraucher bin
ich nicht nur statistisch noch lange nicht - auch im Kopf und in der Seele bin ich es noch nicht. Aber ich rede
es mir immer ein. Das hilf ein wenig über den Berg. (Ob mir der Herr Under hilft?)
11
Wenn Raucher aufhören
Quelle: Berliner Morgenpost im September 2000.
20 Minuten nach dem Genuss der letzten Zigarette beginnt im Körper eine Jahre andauernde Umstellung.
Allerdings werden alle Verbesserungen zu Nichte gemacht, wenn man auch nur eine Zigarette täglich
raucht.
20 Minuten: Blutdruck sinkt auf Normal. Pulsschlag sinkt auf Normal. Die Temperatur in Händen und Füßen
klettert auf Normal.
8 Stunden: Der Kohlenmonoxid-Spiegel im Blut sinkt auf Normal. Der Sauerstoffspiegel klettert auf Normal.
24 Stunden: Das Herzanfall-Risiko sinkt.
48 Stunden: Nervenenden wachsen wieder. Geruchs- und Geschmackssinn werden gestärkt.
2 Wochen bis 3 Monate: Verbesserter Blutkreislauf. Bewegung fällt leichter. Lungenfunktion steigert sich
um bis zu 30 Prozent.
1 bis 9 Monate: Husten, Atemwegserkrankung, Erschöpfung und Atemnot gehen zurück. In den Bronchien
wachsen neue Flimmerhärchen, die Schleim abführen und das Infektionsrisiko mindern. Die körperliche
Energie nimmt zu.
1 Jahr: Das Risiko einer Erkrankung der Herzkranzgefäße halbiert sich.
5 Jahre: Das Lungenkrebs-Risiko eines ehemaligen Durchschnittsrauchers (1 Packung täglich) halbiert sich.
Das Schlaganfall-Risiko ist so niedrig wie bei einem Nichtraucher. Das Risiko von Mund-, Rachen- oder
Speiseröhrenkrebs halbiert sich.
10 Jahre: Lungenkrebsrisiko so niedrig wie bei Nichtrauchern. Zellen im Vorkrebsstadium werden ersetzt.
Alle weiteren Krebs-Risiken sinken.
15 Jahre: Das Risiko einer Erkrankung der Herzkranzgefäße ist so niedrig wie bei einem Nichtraucher.
Na klasse, in 15 Jahren bin ich 65 und Rentner.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 8 von 12
12
Carr
Das Buch ‚Endlich Nichtraucher‘ von Allen Carr ist bei werdenden Nichtrauchern und denen, die sich das
vornehmen, in aller Munde.
Buch-Zitat: ‚Ohne Rauch geht’s auch. Machen wir uns nichts vor: Mit dem Rauchen aufzuhören ist
schnell gesagt, aber nur schwer in die Tat umzusetzen. Doch hier ist endlich die Wunderkur, auf die alle
Raucher gewartet haben. Allen Carr hat eine verblüffend einfache Methode gefunden, wie man innerhalb
nur weniger Wochen und ohne Schockbehandlung zum Nichtraucher wird. Der einfache Weg, mit dem
Rauchen Schluss zu machen.‘
Ich habe mir das Buch der Klinik-Bücherei ausgeliehen – ohne zu wissen, dass es das berühmte Carr-Buch
ist – es dann noch in Westerland gekauft, und bin zur Zeit auf Seite 105 von 187. Also, ob mich das Buch
zum Nichtraucher gemacht hätte – das kann ich nicht sagen. Ich rauche nicht mehr, bin aber mit dem Buch
noch nicht fertig. Ich muss ganz schön aufpassen. Denn das Buch soll man als Raucher lesen, und erst am
Ende Nichtraucher sein.
Ja, der Autor schreibt ganz am Anfang, man solle erst dann aufhören, wenn man es ganz zu Ende gelesen
hat. Deshalb haben Millionen Raucher das Buch zwar angefangen, haben es aber nie zu Ende gelesen.
Zitat Stern:
Ich beneide alle Ex-Raucher, die sich die schönen Erinnerungen ausreden (oder ausreden lassen)
können. Das ist die Klientel von Allen Carr. Ich kann mir diese Erinnerungen nicht schlechtreden.
Deshalb kann ich mit Allen Carrs Buch "Endlich Nichtraucher" nichts anfangen. Und genau wegen
dieser nicht ausgerotteten, nicht ausgeredeten Sehnsucht erklärt Allen Carr alle Versuche, der
Nikotinsucht mit Willenskraft und Verstand zu entkommen, von vornherein für gescheitert.
Ich habe inzwischen mehrere Aufhör-Bücher gelesen. In keinem habe ich einen deutlichen Hinweis auf
diese diffuse Periode der Rauchentwöhnung gefunden, in der viele von uns jetzt hängen. Beim
Gespräch mit Allen Carr hat mir aber gedämmert, dass es diese Phase gibt, und zwar nicht zu knapp.
Allen Carr vertritt bekanntlich die These, wer es nach der Lektüre seines Buches "Endlich Nichtraucher"
mit dem Aufhören nicht schafft, der müsse in einen seiner "Easy-Way"-Kurse. Ein solcher Kurs, sechs
Stunden lang, kostet 590 Mark. Das ist ein strammer Preis. Wer es trotz des teuren Kurses noch immer
nicht schafft mit dem Aufhören, für den gibt es eine "Geld-zurück-Garantie". Die allerdings ist begrenzt
auf die ersten drei Monate nach dem Kurs. Wer innerhalb dieser Frist sein Geld zurück haben möchte,
muss - kostenlos - an einem Nachkurs teilnehmen und - falls wieder rückfällig - an einem weiteren
Nachkurs und - falls immer noch rückfällig - an noch einem Nachkurs. So versuchen die Easy-WayManager, ihre unsicheren Kunden über die rückzahlungspflichtige Drei-Monats-Frist hinweg zu hieven.
Dass Allen Carr bzw. seine Kursleiter diesen Aufwand betreiben, zeigt, dass die Rückfallgefahr in den
ersten drei Monaten enorm groß ist. Was jenseits dieser ersten drei Monate passiert, darüber erfahren
wir bei Carr nichts. Ab dann gibt es kein Geld zurück. Und der Meister weigert sich, die Rückfallquote
seiner Methode wissenschaftlich objektiv messen zu lassen (im Gegensatz zu den Herstellern von
Nikotin-Kaugummis, Nikotin-Pflastern, Zyban usw.).
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 9 von 12
Das Interview aus Stern Nr. 18: ‚Bestie im Kopf‘ - Interview: Jürgen Steinhoff
TITEL - Jetzt startet die große Gesundheitsaktion - Schluss mit dem Rauchen - So geht's: Ex-Raucher
berichten, wie sie es geschafft haben Tipps von Bestseller-Autor Allen Carr / Der englische Bestseller-Autor
und Nichtraucher-Guru Allen Carr über seine Methode, andere Menschen dauerhaft von der Zigarette zu
erlösen.
Die einen verehren ihn als Nichtraucher-Guru, die anderen halten ihn für einen Scharlatan mit
Geschäftssinn: Der Brite Allen Carr war Wirtschaftsprüfer, ehe er 1984 seine eigentliche Mission entdeckte:
Menschen zu helfen, von der Zigarette loszukommen. Bis 1983 hatte Carr fast drei Jahrzehnte lang täglich
zwischen 60 und 100 Zigaretten geraucht. Seine Botschaft lautet: Es ist ein Vergnügen, nicht mehr zu
rauchen. Die Sucht sei nicht wirklich ein Problem körperlicher Abhängigkeit, sondern Ergebnis einer
Gehirnwäsche. Allein in Deutschland verkaufte der 1934 in England geborene Carr sein Buch "Endlich
Nichtraucher" ("Easy way")* 1,8 Millionen Mal. Seine begleitenden Kurse werden unter anderem in Berlin,
Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, München, Stuttgart, Nürnberg und Bielefeld angeboten.
stern: Herr Carr, seit wann rauchen Sie nicht mehr?
Carr: Am 15. Juli 1983 habe ich aufgehört. An schlechten Tagen rauchte ich hundert Zigaretten, nie aber
unter drei Schachteln pro Tag.
stern: Bei dieser Menge kann man natürlich nicht mehr von Genuss sprechen.
Carr: Und schon haben Sie den zentralen Punkt angesprochen. Es gibt keinen Genuss. Seit ich Menschen
behandele, seit dem 1. Januar 1984, erkläre ich, dass Rauchen nichts mit Genuss zu tun hat. Es ist wie mit
zu engen Schuhen: Der Genuss ist, sie endlich ausziehen zu können. Raucher erzählen mir, sie rauchten,
wenn sie Langeweile hätten, oder in Situationen, in denen sie sich konzentrieren müssten. Das sind aber
komplette Gegensätze. Dasselbe gilt für das Paar Entspannung und Stress. Wie, bitte, kann eine Zigarette
genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie noch eine halbe Stunde zuvor bewirkt hat?
stern: So rational denkt doch kein Raucher, er denkt in emotionalen Kategorien. In Ihrem Buch ist die Rede
von zwei Biestern, von dem kleinen Biest, damit ist die körperliche Abhängigkeit gemeint, und dem großen
Biest, damit ist offenbar die psychische Abhängigkeit gemeint.
Carr: Ja, und das kleine Biest heißt so, weil es eine schwache Abhängigkeit symbolisiert. Wieder ein
Vergleich: Wenn man Hunger hat, verspürt man keinen Schmerz; trotzdem knurrt der Magen. Wenn man
aber nicht essen kann, bekommt man Panik und Angst. Wenn man dann den Hunger stillt, fühlt man sich
entspannt und gut, die Panik ist verschwunden. Beim Nikotin ist es ähnlich, es ist kein körperlicher Schmerz,
es ist einfach ein leeres Gefühl, oder dieses Gefühl, etwas mit den Händen tun zu wollen. Es ist das Gefühl,
ich brauche eine Zigarette.
Raucher glauben, sie litten unter Entzugserscheinungen, wenn sie aufhörten. Aber erst das Rauchen
entwickelt ja diesen Hunger nach Nikotin, den der Raucher ein Leben lang hat. Das große Biest symbolisiert
das kopfgesteuerte Gefühl, die Gewohnheit. Raucher haben das Gefühl, sie könnten ohne Zigarette nicht
telefonieren, ihnen schmeckte kein Essen mit Freunden, sie hätten keinen Spaß mehr an geselligen
Runden, kurz: Sie glauben, sie könnten ohne die Krücke das Leben nicht bewältigen.
stern: Mit Ihrer Meinung stehen Sie im Gegensatz zur deutschen Suchtforschung. Die besagt, dass die
körperliche Abhängigkeit von Nikotin groß ist - stärker als von Heroin und Alkohol.
Carr: Stimmt nicht. Es wurde herausgefunden, dass Leute, die heroinabhängig waren und im Gefängnis
nicht an den Stoff gekommen sind, keine schlimmen Entzugserscheinungen haben. Ähnlich ist es beim
Raucher. Nach acht Stunden Schlaf wacht er ja nicht auf, weil körperliche Entzugserscheinungen Panik
verursachen. Panik verursacht nur die Angst, ohne Zigarette den Rest des Lebens verbringen zu müssen.
stern: Die deutsche Suchtforschung irrt also?
Carr: Ja.
stern: Die Wirkung meines ersten Lungenzuges mit 15 Jahren habe ich nie vergessen und immer, wenn ich
längere Zeit nicht geraucht habe und der Wunsch kommt, dann sehne ich mich nach diesem Gefühl. Und
das kriege ich nicht aus meinem Kopf. Offenbar bin ich zu der Erleuchtung nicht fähig, von der Sie in Ihrem
Buch schreiben: der Erleuchtung, wieder frei zu sein. Was sagen Sie jemandem wie mir, der das Rauchen
eben auch genossen hat?
Carr: Der Genuss ist doch eigentlich nur das Beenden eines störenden Zustands. So, als ob man seine
Hand in kochendes Wasser hält und sie dann endlich wieder herausnehmen kann. Aber niemand würde
doch freiwillig seine Hand in heißes Wasser halten, um in den Genuss zu kommen, damit wieder
aufzuhören. Die Zigarette verursacht keinen Genuss, sondern sie verursacht dieses leere Gefühl. Die zweite
Zigarette bringt einen wieder da hin, wo man vorher war, aber sie beendet das Gefühl nicht, sondern sie
verursacht dann wieder die neue Leere.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 10 von 12
stern: Lassen wir das mal, ich komme nicht über diesen Punkt hinweg. Wenn man diese Erleuchtung nicht
erwischt, was mir nicht gelingt...
Carr: Ich kann Ihnen nicht beweisen, dass es eben kein Genuss wäre, wenn Sie jetzt eine Zigarette
anzünden würden. Sie wollen einen Beweis, weil sie ihre Freiheit noch nicht gefunden haben. Bei Ihnen ist
immer noch ein kleines Stückchen dieser großen Bestie im Kopf. Sie glauben immer noch, dass Sie ein
Opfer gebracht haben.
stern: Wann geht das weg? Ich rauche jetzt fünf Wochen nicht.
Carr: Es geht einfach dadurch weg, dass man wirklich erkennt, dass man nichts aufgegeben hat.
stern: Wie soll ich mich meiner Frau gegenüber verhalten? Meine Frau ist Raucherin, ich liebe sie, und ich
liebe sie auch weiter, wenn sie weiter raucht.
Carr: Sie müssen ihr einfach nur erzählen, wie schön es ist, frei zu sein.
stern: Sie raucht drei oder vier Zigaretten am Tag. Und möchte darauf nicht verzichten.
Carr: Es ist ziemlich schwer, sie zu überzeugen, weil das Problem bei Gelegenheitsrauchern ist, dass sie
aufgrund ihres geringen Konsums den Genuss "erst recht" spüren. Wenn Sie zwischen Montag und Sonntag
nur einmal essen, ist das das Tollste der ganzen Woche.
stern: Was mache ich mit meiner Stammkneipe? Da rauchen alle, ich habe da auch immer geraucht. Und
plötzlich sind das alles Blödmänner, und ich bin der einzige Kluge?
Carr: So ist es, und das Schlimme ist, dass die Raucher das wissen. Das Rauchen ist eine Art Tauziehen,
auf der einen Seite steht die Angst vor den Gesundheitsrisiken, auf der anderen Seite ist das Rauchen mein
Freund und meine Stütze. Dahinter versteckt sich die Angst, die bange Frage, wie ich mein Leben ohne
Zigarette wirklich genießen, wie ich den Stress bewältigen kann.
stern: In der stern-Redaktion sind auch sehr viele Raucher und fast alle kennen dieses Buch. Ich kenne nur
einen bei uns, der stark geraucht hat, und der ausschließlich aufgrund dieses Buches aufgehört hat. Nur
einen.
Carr: Nur einer?
stern: Ja.
Carr: Diese Leuten müssen zu den Kursen kommen.
stern: Wem das Buch nicht hilft, der muss zum Kurs?
Carr: Ja. Ein Buch kann man nicht fragen. Ist die Angst vor dem Aufhören noch da, schmeißen die meisten
Leute das Buch, nachdem sie die Hälfte gelesen haben, weg. Sitzen die Leute im Kurs, fragen sie nach,
bekommen Antworten und erkennen schließlich, dass wir ihnen nichts weggenommen haben, sondern ganz
im Gegenteil, dass sie etwas bekommen haben, nämlich Selbstvertrauen und Gesundheit.
stern: Und die Kursteilnehmer dürfen während des gesamten Kurses rauchen?
Carr: Wir möchten, dass sie rauchen. Sie sollen sich völlig konzentrieren und sich nicht schon gedanklich
mit irgendwelchen Entzugsbefürchtungen beschäftigen oder Argumente suchen, warum man nicht aufhören
sollte.
stern: Was mich im Moment am wirkungsvollsten davon abhält, zu rauchen, sind die Begleiterscheinungen
des Entzugs.
Carr: Ich mache mir da Sorgen, das ist natürlich typisch Willenskraftmethode. Das ist völlig gegenläufig zu
meiner Methode.
stern: Die Willenskraftmethode ist gerade bei uns strammen Deutschen beliebt.
Carr: Es ist eine männliche Methode. Mit Willenskraft aufzuhören ist das Schwierigste auf der ganzen Welt.
Und die meisten, die so aufgehört haben, haben ab und an immer noch das Gefühl, eine Zigarette zu
vermissen. Die Gefahr ist nicht das Rauchen selbst, sondern der Gedanke, jetzt eine haben zu können. Eine
zu wollen. Das schließe ich bei meiner Methode aus.
stern: Alle gängigen Entwöhnungshilfen sind medizinisch auf ihren Erfolg getestet, egal, ob Nikotinpflaster
oder Nikotinkaugummi. Ihre Methode aber nicht. Ihre Kurse kosten immerhin 590 Mark.
Carr: Wenn Sie jemanden von seiner Heroinsucht befreien wollen, empfehlen Sie dann, Heroin zu nehmen,
um von der Heroinsucht frei zu werden? Keiner der wissenschaftlichen Experten der WeltGesundheitsorganisation konnte mir auf der WHO-Konferenz in Peking eine Erklärung geben. Für Ärzte ist
es natürlich sehr leicht, einfach eine Pille zu verschreiben, die wissen ja auch nicht, was sie sonst machen
sollen.
stern: Sie bezweifeln, dass es gültige medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gibt?
Carr: Welche denn? Und was ist die Basis? Dass Menschen ein Jahr oder mehrere nicht geraucht haben
und sich abmühen? Wir haben Leute in unseren Kursen, die haben zehn Jahre nicht geraucht, und kommen,
weil sie vom Kopf her endlich frei sein wollen. Das ist das Kriterium: Frei sein und sich wohlfühlen.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 11 von 12
... oder: Der zweite Monat ist geschafft
Motto der Sylter Kuh:
Mit dem Rauchen aufzuhören ist gar nicht schwer – aber das Nicht-Wieder-Anfangen!
4
Rauchfrei in den Mai
Der Mai ist vorbei.
5
Kur
Vorbei ist vorbei.
6
Zyban und Nicotinell-Pflaster
Eigentlich hatte ich ja eine riesige Angst vor dem Absetzten von Zyban. Dachte, die Sucht-Gier kommt sofort wieder. Wie
allgemein bekannt (und zur Erheiterung beigetragen) musste ich ja Zyban von einem zum anderen Tag absetzen – und
es gab keine Probleme.
4
Rauchverzichtstag
Es gab zwar den Rauchverzichtstag. Aber wenn ich es heute betrachte: Ich habe auf nichts verzichtet!
5
Entzug
Keine körperlichen Gebrechen oder so.
Nur manchmal ertappe ich mich beim Gedanken eine Zigarette zu inhalieren.
Aber ich sage dann einfach ‚Jörnilein – lass das sein‘ – und schon fehlt dem Bundesfinanzminister ein Sponsor.
6
Verlust
Auf Grund der Tatsache, dass ich nicht mehr rauche, hat mir Niemand die Freundschaft gekündigt.
7
Gewicht
Die überschrittenen 80 kg habe ich leicht abgefedert.
Habe mir – glaube ich – noch nie im Leben so viele Äpfel und Obst freiwillig gekauft.
Aufpassen ist weiter angesagt.
8
Geld
Hilfe, ich ertrinke im Geld!
Immerhin waren das (in den exakt zwei Monaten) 2170 gesparte Zigaretten. Das sind etwas über
300,00 DM. Ach hätte ich doch früher mehr und teurer geraucht; dann hätte ich jetzt noch mehr Geld.
9
Toleranz
Viele Leser haben mich in der schweren Zeit ermutigt. Es gab für die aufgeschriebene Story auch viel Anerkennung,
Kleinigkeiten und eine Flasche Sekt.
Einige Leser kamen über drei Seiten nicht hinaus: ‚Kannst du mir nicht erzählen, was da steht?!‘ – ‚Mein Gott, das sind ja
10 Seiten!‘. Andere wiederum warteten gespannt auf eine Fortsetzung.
10
Zeit
Das ist ja nun so ne Sache. Zwei Monate sind geschafft – Oder vier??? Im September ja schon nicht mehr geraucht,
Oktober und November – und jetzt Dezember. (Jeder fälscht sich die Statistik wie er sie braucht.)
11
Wenn Raucher aufhören
... da gibt es auch manche Neider.
12
Carr
Habe das Buch immer noch nicht zu Ende gelesen. Habe aber jetzt Jemanden getroffen, der es auf Grund dieses
Buches geschafft hat, mit dem Rauchen aufzuhören.
13
Ende
Es gibt nichts Witziges in dieser Ausgabe. Der Alltag hat mich wieder. Ich freue mich und bin stolz auf mich und mein
Eon.
Ich rauche gern – Jörni (50) als werdender Nichtraucher ab 30. September 2000 und später – Seite 12 von 12
Herunterladen