Wahrscheinlichkeitsrechnung 1. Überblick (Stochastik) Unter der Stochastik versteht man ein Teilgebiet der Mathematik und sie ist der Oberbegriff für die Gebiete Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Die mathematische Stochastik beschäftigt sich mit der Beschreibung und Untersuchung von Zufallsexperimenten. Solche Zufallsexperimente sind zum Beispiel das Würfeln, ein Münzwurf oder auch die Reflexion oder Absorption eines Photons. Derartige Experimente werden durch Daten dokumentiert. Für die Analyse der Daten stellt die Statistik geeignete Modelle bereit. Somit kann man mit Hilfe der Stochastik etwa die Wahrscheinlichkeit für Lottogewinne berechnen oder die Größe der Unsicherheit bei Messungen bestimmen. Wir konzentrieren uns im folgendem auf die Wahrscheinlichkeitstheorie. Wichtige Begriffe sind hierfür: Ereignisraum Zufallsvariable Wahrscheinlichkeitsverteilung 2. Ereignisraum Zufallsexperiment/Ergebnisraum/Elementarereignisse Ein Zufallsexperiment ist ein beliebig oft und gleichartig wiederholbarer Vorgang mit mindestens zwei verschiedenen Ergebnissen, bei dem der Ausgang ungewiss ist. Die Menge der möglichen Ergebnisse nennen wir Ergebnisraum und bezeichnen diese Menge mit Ω. Beim Würfeln würde also gelten Ω={1;2;3;4;5;6}. Die Teilmengen von Ω werden als Ereignisse bezeichnet. Ereignisse mit nur einem Element entsprechen den Ergebnissen des Zufallsexperiments und werden Elementarereignisse genannt. A⊆Ω sei ein Ereignis, also zum Beispiel A={1;3} ⊆Ω ,das Ereignis, das man einen 1er oder 3er würfelt. Falls bei der Durchführung des Zufallsexperiments ein Ergebnis ω∈ A geliefert wird, es wird also beispielsweise eine 3 gewürfelt, so sagen wir, das Ereignis A ist eingetreten. ∅ ist das unmögliche Ereignis und Ω das sichere Ereignis. Wahrscheinlichkeitsraum Beim Wahrscheinlichkeitsraum handelt sich um ein mathematisches Modell zur Beschreibung von Zufallsexperimenten. Hierbei werden die verschiedenen möglichen Ausgänge des Experiments zu einer Menge zusammengefasst. Gewissen Teilmengen dieser Ergebnismenge können dann Zahlen zwischen 0 und 1 zugeordnet werden, die als Wahrscheinlichkeiten interpretiert werden. Ein Wahrscheinlichkeitsraum ist also ein Ereignisraum, auf dem zusätzlich ein Wahrscheinlichkeitsmaß gegeben ist. 3. LAPLACE- Experiment Ein Zufallsexperiment, das endlich viele gleich wahrscheinliche Ergebnisse ω1, . . . , ωn besitzt, heißt Laplace-Experiment. Es ist also Ω ={ω1, . . . , ωn}. Der Laplace-Raum(Ω, P(Ω), P) wird definiert durch p: Ω→[0,1] mit p(ωi) =1/n für alle1≤i≤n. Für ein Ereignis A⊆ Ω gilt: 𝐏(𝐀) = 𝐀𝐧𝐳𝐚𝐡𝐥 𝐚𝐥𝐥𝐞𝐫 𝛚𝐢 ∈ 𝐀 𝐀𝐧𝐳𝐚𝐡𝐥 𝐚𝐥𝐥𝐞𝐫 𝛚𝐣 ∈ Ω Das heißt, ein Zufallsexperiment, bei dem jedes der n Ereignisse mit der gleichen Wahrscheinlichkeit 1/n auftritt, heißt LAPLACE‘sches (Zufalls-)experiment. Das zugehörige Zufallsgerät heißt LAPLCE-Geräte (Münzwurf, Würfel) 4. Zufallsvariable In der Stochastik ist eine Zufallsvariable oder Zufallsgröße eine Variable, deren Wert vom Zufall abhängig ist. Eine Zufallsvariable lässt sich formal als Funktion beschreiben, die den Ergebnissen eines Zufallsexperiments Werte (so genannte Realisierungen) zuordnet. Zufallsvariablen X=X(ω) sind also Abbildungen auf dem Wahrscheinlichkeitsraum. 5. Wahrscheinlichkeitsverteilung Wahrscheinlichkeitsverteilungen werden in der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik verwendet, um anzugeben, wie sich die Wahrscheinlichkeiten auf die möglichen Zufallsergebnisse verteilen. Sie erfassen beziehungsweise quantifizieren den Zufall in einem stochastischen Vorgang. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung ist in der Wahrscheinlichkeitsrechnung das theoretische Pendant zur Häufigkeitsverteilung, die in der deskriptiven Statistik aus Messwerten erstellt wird. Man unterscheidet zwischen diskreten Verteilungen und stetigen (kontinuierlichen) Verteilungen, wobei sich diskrete Verteilungen auf eine endliche oder abzählbare Menge konzentrieren. Stetige Verteilungen, erstrecken sich über größere Bereiche und bei ihnen haben einzelne Punkte die Wahrscheinlichkeit 0. Beispiele für diskrete Verteilungen sind die Binomialverteilung und die Hypergeometrische Verteilung, die die Anzahl der Erfolge beim Ziehen aus einer Urne mit beziehungsweise ohne Zurücklegen beschreiben. Ein weiteres Beispiel für eine stetige Verteilung ist die Poisson-Verteilung, die sich aus der Binomialverteilung ergibt, wenn man die Erfolgswahrscheinlichkeit immer weiter reduziert und gleichzeitig die Anzahl der Ziehungen um denselben Faktor erhöht. Die Normalverteilung ist hingegen ein prototypischer Vertreter von stetigen Verteilungen. Ihre Wahrscheinlichkeitsdichte beziehungsweise deren Graph wird auch Gauß-Funktion, Gauß-Kurve, Gauß-Glocke oder Glockenkurve genannt. Mittels Normalverteilung lassen sich viele reale Situationen näherungsweise beschreiben und sie hat nützliche mathematische Eigenschaften. Nun betrachten wir die Reflexion und die Absorption genauer. Bei der Reflexion gibt es genau zwei mögliche Ereignisse. Entweder das Photon wird reflektiert oder es wird transmittiert. Wir können diesen beiden Ereignissen zwei Zahlen als Messwerte zuordnen, etwa -½für Reflexion oder ½ für Transmission. Die Funktion X, welche diese Zuordnung trifft nennen wir, wie oben erwähnt, Zufallsvariable. Zum Beispiel X:{reflektiert, transmittiert} →{-½,½} Hier liegt eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung vor. Bei der Absorption in einem homogenen Medium nimmt die Intensität, laut dem LambertBeerschen Gesetz, mit zunehmender Eindringtiefe exponentiell ab. Hierbei haben wir eine kontinuierliche Wahrscheinlichkeitsverteilung. Für genauere Informationen zur Reflexion und Absorption siehe Seiten 105-111 des Skriptums „Prinzipien der Modernen Physik: Spezielle Relativitätstheorie und Quantentheorie für Lehramtskandidaten„ von Univ.-Prof. Dr. Romano Rupp. Abrufbar unter: http://fun.univie.ac.at/teaching/learning-materials/ra-rupp/ Betrachtet man die Wahrscheinlichkeitsdicht auf einem Intervall [a,b], so erhält man durch das Integral über diese Wahrscheinlichkeitsdichte mit den Grenzen a und b, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zufallsvariable Werte zwischen a und b annimmt. Nun kommen wir zu einer Auswahl an Verteilungen, die euch bereits aus der Schule zumindest ansatzweise bekannt sein sollten. 7. Binomialverteilung: Ein Experiment, bestehend aus einer Folge von n Teilversuchen, bei dem jeder Teilversuch genau zwei mögliche Versuchsausgänge besitzt und jeder Versuch unter genau den gleichen Voraussetzungen abläuft, heißt n-stufiges Bernoulli-Experiment oder Bernoulli-Kette. Die ist vergleichbar mit dem Ziehen von Murmeln aus einer Urne mit Zurücklegen. Eine Zufallsvariable X heißt binomialverteilt mit den Parametern n und p, wenn gilt: n P(X = k) = ( ) ∗ pk ∗ qn−k k n… Anzahl der Versuchsfolgen p….Wahrscheinlichkeit das gewünschtes Ereignis eintritt k…Anzahl des Eintretens des gewünschten Ereignisses q….Gegenwahrscheinlichkeit Erwartungswert: E(X) = μ = n ∗ p Varianz: V(X) = σ² = n ∗ p ∗ q Wobei σ die Standardabweichung darstellt. 8. Hypergeometrische Verteilung: Die hypergeometrische Verteilung ist Vergleichbar mit dem Ziehen von Murmeln aus einer Urne ohne Zurücklegen. Für eine Urne mit N Kugeln, wobei es M rote und N-M weiße gibt, gilt: M N−M ( )∗( ) k n−k P(X = k) = N ( ) n Erwartungswert: E(X) = μ = n ∗ M N Varianz: V(X) = σ² = n ∗ M M N−n ∗ (1 − ) ∗ N N N−1 Ist N gegenüber n sehr groß, dann spielt der Aspekt des Zurücklegens beziehungsweise des Nicht-Zurücklegens kaum eine Rolle. Wenn man aus einer Kiste mit 300 linksdrehenden Quarzkristallen und 700 rechtsdrehenden Quarzkristallen 2 zieht und nicht zurücklegt, so wirkt sich das vernachlässigbar auf die einzelnen Wahrscheinlichkeiten aus. Für n≤N/10 kann man also die hypergeometrische Verteilung durch die Binomialverteilung in guter Näherung Approximieren. Im folgenden Beispiel sollen wir eben genau diese Approximation durchführen. Beispiel: Aus einer Lieferung von 100 Transistoren, von der bekannt ist, dass 3% der Transistoren defekt sind, werden zur Probe 10 Stück entnommen. Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in der Stichprobe kein defekter Transistor beziwhungsweise genau drei defekte Transistoren gefunden werden. Berechnen Sie die Aufgabe auch durch Approximation mittels Binomialverteilung. 3% von 100 Stück sind defekt →3 defekte Transistoren sind in der gesamten Lieferung. Somit haben wir folgende Werte: N=100 , M=3 , n=10 Wenn wir die Wahrscheinlichkeit berechnen wollen, dass sich kein defekter Transistor in der Stichprobe befindet, dann ist unser k=0 und durch einsetzen die Formel für die Hypergeometrische Verteilung erhalten wir: 3 100 − 3 M N−M ) ( )∗( ) ( )∗( n−k = 0 10 − 0 ≈ 0,7265 P(X = 0) = k N 100 ( ) ( ) n 10 Es befindet sich mit 72,65%iger Wahrscheinlichkeit kein defekter Transistor in der Stichprobe. Wenn wir die Wahrscheinlichkeit berechnen wollen, dass sich genau drei defekte Transistoren in der Stichprobe befindet, dann ist unser k=3 und wir erhalten: 3 100 − 3 M N−M ) ( )∗( ) ( )∗( k n − k 3 10 − 3 P(X = 3) = = ≈ 0,00074 N 100 ( ) ( ) n 10 Es befinden sich mit 0,07%iger Wahrscheinlichkeit genau drei defekte Transistoren in der Stichprobe. Nun führen wir für dieselbe Aufgabenstellung eine Approximation der Hypergeometrischen Verteilung durch die Binomialverteilung durch. Diese Approximation dürfen wir deshalb durchführen, da die Bedingung n≤N/10 erfüllt ist. Nun ist n=10 , p=0,03 , q=1-p=0,97 Wenn wir die Wahrscheinlichkeit berechnen wollen, dass sich kein defekter Transistor in der Stichprobe befindet, dann ist unser k=0 und durch einsetzen die Formel für die Binomialverteilung erhalten wir: n 10 P(X = 0) = ( ) ∗ pk ∗ qn−k = ( ) ∗ 0,030 ∗ 0,9710−0 ≈ 0,7374 k 0 Es befindet sich mit 73,74%iger Wahrscheinlichkeit kein defekter Transistor in der Stichprobe. Wenn wir die Wahrscheinlichkeit berechnen wollen, dass sich genau drei defekte Transistoren in der Stichprobe befindet, dann ist unser k=3 und wir erhalten: n 10 P(X = 3) = ( ) ∗ pk ∗ qn−k = ( ) ∗ 0,033 ∗ 0,9710−3 ≈ 0,0026 k 3 Es befinden sich mit 0,26%iger Wahrscheinlichkeit genau drei defekte Transistoren in der Stichprobe. Da die Bedingung für die Approximation gerade noch erfüllt ist, weichen die Ergebnisse, vor allem beim der Wahrscheinlichkeit, dass man genau 3 defekte Transistoren in der Stichprobe hat, doch deutlich voneinander ab. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Approximation eben nur eine Approximation ist und genau auf die Bedingungen unter welchen man eine bestimmte Verteilung anwenden darf, zu achten ist. 9. Quellen http://fun.univie.ac.at/teaching/learning-materials/ra-rupp/ http://www.mathe-online.at/nml/materialien/SkriptumBlaha/KAP-15.pdf http://de.wikipedia.org/wiki/Wahrscheinlichkeitstheorie http://de.wikipedia.org/wiki/Stochastik http://fma2.math.uni-magdeburg.de/~mathinf/folien/stochastik_folien.pdf