Fall 3 - Lösungsskizze Schwerpunkte des Falles: Meinungsfreiheit, Drittwirkung von Grundrechten. Hinweise zum Fall: Der Fall ist dem Lüth-Urteil nachgebildet (BVerfGE 7, 198 ff.). Vergleiche dazu Schulze-Fielitz, Jura 2008, 52 ff. Als Grundlage für die Lösungsskizze diente der Fall „Cruisaders“ von Herrn Prof. Dr. Andreas von Arnauld. Zur Vertiefung: Augsberg/Viellechner, Die Drittwirkung der Grundrechte als Aufbauproblem, JuS 2008, 406 ff.; Epping/Lenz, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG), Jura 2007, 881 ff.; Guckelberger, Die Drittwirkung der Grundrechte, JuS 2003, 1151 ff.; Nolte/Tams, Grundfälle zu Art. 5 I 1 GG, JuS 2004, 111 ff., 199 ff., 294 ff. Aktuell: BVerfG, Beschluss v. 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08 („Wunsiedel“), NJW 2010, 47 ff.; aufbereitet für das Studium von Hufen, JuS 2010, 558; lesenswerte Urteilsbesprechung von Lepsius, Jura 2010, 527 ff. (Im Wunsiedelbeschluss geht es um die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere um den Begriff des allgemeinen Gesetzes und eine Ausnahme von diesem Erfordernis für propagandistische Gutheißungen des Nationalsozialismus.). Lösung V kann Verfassungsbeschwerde erheben. Sie hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit Die Verfassungsbeschwerde müsste gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG zulässig sein. I. Beschwerdefähigkeit V ist als natürliche Person Träger von Grundrechten und damit „jedermann“ im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG. Er ist somit beschwerdefähig. II. Beschwerdegegenstand Es müsste ein tauglicher Beschwerdegegenstand vorliegen. Dies ist nach Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. § 90 I BVerfGG jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt. Der Begriff der „öffentlichen Gewalt“ umfasst Maßnahmen aller grundrechtsgebundenen Gewalten i.S.v. 1 Art. 1 III GG und ist daher weiter als derjenige in Art. 19 IV GG. Hier liegt ein letztinstanzliches zivilgerichtliches Urteil als Akt der öffentlichen Gewalt (Judikative) vor. Dieses ist zulässiger Beschwerdegegenstand gem. § 90 Abs. 1 BVerfGG. III. Beschwerdebefugnis Gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG müsste V behaupten, in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. Dies setzt voraus, dass nach dem Vorbringen des V eine Verletzung von Grundrechten als möglich erscheint und V selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist. 1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung Die Grundrechtsverletzung müsste als möglich erscheinen. Möglich ist eine Grundrechtsverletzung immer dann, wenn sie nach keiner Betrachtungsweise offensichtlich ausgeschlossen ist. a) Bedeutung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr Die Verletzung von Grundrechten wäre zunächst ausgeschlossen, wenn die Gerichte gar nicht verpflichtet waren, bei der Entscheidungsfindung auf Grundrechte des V Rücksicht zu nehmen. V wendet sich hier gegen das Urteil eines Zivilgerichts, das angerufen war, um einen Rechtsstreit zwischen Bürgern zu entscheiden. Insofern ist fraglich, ob das Gericht Grundrechte, die eigentlich das Verhältnis zwischen Bürgern und dem Staat bestimmen, bei der Entscheidung beachten musste. Dazu müssten Grundrechte im Privatrechtsverkehr überhaupt von Bedeutung sein. Abgesehen von ausdrücklichen Anordnungen, etwa in Art. 9 III 2 GG, ist diese Frage umstritten und wird unter dem Schlagwort der „Dritt- oder Horizontalwirkung der Grundrechte“ diskutiert. Zunächst ließe sich mit Blick auf die ursprüngliche, primäre Funktion der Grundrechte als staatsgerichtete Abwehrrechte vertreten, dass Grundrechte im Privatrechtsverkehr keinerlei Bedeutung haben. Dann hätten die Gerichte auch nicht auf Grundrechte des V achten müssen. Eine Grundrechtsverletzung ist nach diesem Ansatz somit nicht möglich. Das Bundesarbeitsgericht (BAGE 1, 185, 191 ff.) vertrat dagegen früher eine andere Extremposition, nämlich, dass den Grundrechten im Privatrechtsverkehr unmittelbare Wirkung zukomme. Danach seien Grundrechte nicht mehr nur Abwehrrechte gegen den Staat. Sie seien vielmehr eine Verkörperung von Höchstwerten, die das gesamte 2 Gemeinschaftsleben bestimmen. Ein neuerer Begründungsansatz (Lücke, JZ 1999, 377 ff.) entnimmt Art. 19 III GG eine unmittelbare Wirkung von Grundrechten. Danach umfasse die dort vorgesehene „Geltung“ auch die Grundrechtsverpflichtung; und zwar umfassend auch für natürliche Personen, da es keinen sachlichen Grund gebe die Grundrechtsbindung lediglich auf juristische Personen zu beziehen. Nach diesen Ansätzen hätten die Zivilgerichte die Grundrechte des V bei der Entscheidungsfindung schon deswegen berücksichtigen müssen, weil V und die X-GmbH als Private den Grundrechten auch verpflichtet sind. Die herrschende Auffassung dagegen geht von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus: Diese sind zwar primär Abwehrrechte gegen den Staat, strahlen aber als Elemente einer objektiven Werteordnung durch Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, die insoweit als Einfallstore dienen, in das Privatrecht aus. Mit dem Begriff der „guten Sitten“ wird in § 826 BGB auf einen unbestimmten Rechtsbegriff abgestellt, zu dessen Ausfüllung auf die Werteordnung des Grundgesetzes zurückgegriffen werden muss. Danach waren von dem Gericht Grundrechte des V bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. „Im Privatrechtsverkehr entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidung durch das Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (…). Der Staat hat auch insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzungen durch andere zu bewahren (…). Den Gerichten obliegt es, diesen grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung des Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren.“ (BVerfGE 103, 89 [100]) Gegen das Bundesarbeitsgericht sprechen zunächst Art. 1 III GG und ein Umkehrschluss aus Art. 9 III 2 GG. In Art. 1 III GG kommt eine fundamentale Unterscheidung zum Ausdruck: „Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden.“ 1 Die Grundrechte legen – als vorstaatliche Rechte verstanden – dem Staat Rechtfertigungspflichten auf, während der Bürger grundsätzlich in seinem Tun frei ist.2 Ihm können durch den Gesetzgeber (rechtfertigungsbedürftige) rechtliche Schranken auferlegt werden. Damit sind Grundrechte ihrem Wesen nach schon gar nicht unmittelbar auf das Verhältnis zwischen Bürgern anwendbar. Vielmehr stünde eine mit der Grundrechtsbindung einhergehende Rechtfertigungspflicht den durch die Grundrechten geschützten Freiheitsräumen des Bürgers diametral entgegen: Grundrechtliche Freiheit ist die Freiheit von Rechtfertigungszwängen. Im Fraport-Fall formuliert das Bundesverfassungsgericht eindringlich: „Art. 1 Abs. 3 GG liegt dabei eine elementare Unterscheidung zugrunde: Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden. Der Bürger 1 2 BVerfG, U. v. 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 (Fraport), Rn. 48. Pieroth/Schlink, Rn. 44. 3 findet durch die Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. Er und die von ihm gegründeten Vereinigungen und Einrichtungen können ihr Handeln nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit gestalten, ohne hierfür grundsätzlich rechenschaftspflichtig zu sein. Ihre Inpflichtnahme durch die Rechtsordnung ist von vornherein relativ und - insbesondere nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit - prinzipiell begrenzt. Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck freier subjektiver Überzeugungen in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und werden dementsprechend von der Verfassung umfassend an die Grundrechte gebunden.“ Gegen die Annahme, dass Grundrechte im Privatrechtsverkehr keinerlei Bedeutung hätten, spricht die Funktion der Grundrechte als Elemente einer objektiven Werteordnung. „Dieses Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muß als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten; Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von ihm Richtlinien und Impulse. So beeinflußt es selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden.“ 3 Deshalb hat der (selbst gemäß Art. 1 III GG unmittelbar gebundene Richter4) die Grundrechte bei der Anwendung von privatrechtlichen Generalklauseln zu berücksichtigen. Hinweis: An dieser Stelle gilt es, sich noch einmal den Unterschied zwischen „unmittelbarer Grundrechtsgeltung im Privatrecht“ und „mittelbarer Drittwirkung“ zu vergegenwärtigen. Bei unmittelbarer Grundrechtsgeltung könnte Privatperson A von Privatperson B ein bestimmtes Verhalten unmittelbar wegen eines Grundrechts verlangen. Im Falle der mittelbaren Drittwirkung stützt A sein Verlangen jedoch nicht direkt auf das Grundrecht, sondern auf eine zivilrechtliche Vorschrift, bei deren Auslegung die Bedeutung des Grundrechts zu berücksichtigen ist. Dogmatisch ist die „mittelbare Drittwirkung“ daher letztlich ein Fall der grundrechtskonformen Auslegung einfachen Gesetzesrechts. Unmittelbar kommen Grundrechte dagegen nur zur Anwendung, wenn auf einer Seite der Staat privatrechtlich handelt (vgl. Pieroth/Schlink, Rn. 185 ff., Einzelheiten strittig). Vor diesem Hintergrund erscheint nicht ausgeschlossen, also möglich, dass das Gericht bei der Auslegung der Generalklausel des § 826 BGB – also des Begriffs der „Sittenwidrigkeit“ – die Bedeutung und Tragweite der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als Element einer objektiven Werteordnung nicht ausreichend berücksichtigt hat. b) Anspruch auf Einhaltung der objektiven Werteordnung BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth. Insofern ist der Begriff der „mittelbaren Drittwirkung“ missverständlich. „Mittelbar“ ist die Drittwirkung allein für die Privaten. Vgl. Epping, Rn. 333; Michael/Morlok, Rn. 484. 3 4 4 Nach der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung sind die Grundrechte im Rahmen der Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln zu berücksichtigen, da sie Teil der objektiven Werteordnung des GG sind. Im Rahmen der Beschwerdebefugnis der Verfassungsbeschwerde ist jedoch eine subjektive Rechtsverletzung (§ 90 I BVerfGG: „seiner Grundrechte“) zu behaupten. Dass die „objektive Werteordnung“ solche subjektiven Rechte verleiht, ist zumindest nicht selbstverständlich. Allerdings ist der Bezug auf den Einzelnen den Grundrechten auch als objektive Werte immanent. Zudem wäre eine Drittwirkung ohne Durchsetzungsmacht des Einzelnen kaum effektiv.5 Die Rspr. des BVerfG hat daher die objektive mittelbare Grundrechtswirkung mit einer subjektiven Komponente versehen. Danach hat jeder Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass der Zivilrichter bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln den objektiven Gehalt der Grundrechte auch berücksichtigt. Kommt der Zivilrichter dem nicht nach, hat er mit seinem Urteil Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt. Eine Verletzung des V in seiner Meinungsfreiheit ist daher möglich, so dass er beschwerdebefugt ist. 2. selbst, gegenwärtig, unmittelbar betroffen Als Adressat des Urteils ist V selbst und unmittelbar betroffen. Das rechtskräftige Urteil verpflichtet den V dauerhaft zur Unterlassung; somit ist er auch gegenwärtig betroffen. IV. Rechtswegerschöpfung / Form und Frist Den Rechtsweg hat V in Einklang mit § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft. V müsste für eine Verfassungsbeschwerde die Form- und Begründungsvorschriften der §§ 23 Abs. 1, 92 BVerfGG beachten, ebenso die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG. VI. Ergebnis zu A. Eine Verfassungsbeschwerde des V wäre bei Beachtung der Form-/Fristvorschriften zulässig. B. Begründetheit Die Verfassungsbeschwerde wäre auch begründet, wenn das Urteil den V in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verletzt. 5 So in Bezug auf Schutzpflichten Augsberg/Viellechner, JuS 2008, 406 (411). 5 I. Prüfungsmaßstab Im Rahmen der Prüfung letztinstanzlicher Gerichtsurteile stellt sich die Frage nach dem Prüfungsmaßstab des BVerfG. Es geht insoweit um die Abgrenzung der Verfassungsgerichtsbarkeit zur einfachen Gerichtsbarkeit. Einerseits stellt nach dem ElfesUrteil des BVerfG jedes fehlerhafte Urteil eine rügefähige Verletzung von Art. 2 I GG dar, weil es nicht mehr von der gesetzlichen Grundlage gedeckt ist. Jeder Gesetzesverstoß wäre danach auch ein Grundrechtsverstoß. Das wird jedoch der Verfassungsbeschwerde als außerordentlichem Rechtsbehelf nicht gerecht: Das BVerfG ist keine „Superrevisionsinstanz“. Es beschränkt sich daher auf die Überprüfung von Verletzungen „spezifischen Verfassungsrechts“ und prüft nicht, ob die Urteile mit einfachem Recht übereinstimmen; dies bleibt den Fachgerichten vorbehalten. Das BVerfG kontrolliert nur, ob „Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind“ (sog. Hecksche Formel). Die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts ist in folgenden Fallgruppen anzunehmen: 1. 2. Das Fachgericht hat nicht erkannt, dass Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte einschlägig sein Die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts kommt in folgenden Fallgruppen könnten. in Betracht: Das Fachgericht hat die Bedeutung einschlägiger Grundrechte oder grundrechtsgleicher Rechte grundsätzlich verkannt, indemFachgericht es 1. Das hat nicht erkannt, dass grundrechtsgleiche Rechte einschlägig sein a. eine grundsätzlich falsche Gewichtung vorgenommen hatkönnten. oder Grundrechte oder 2. Das Fachgericht hat diebestimmt Bedeutung den Umfang des Schutzbereiches falsch hat. einschlägiger Grundrechte oder grundrechtsgleicher Rechte grundsätzlich verkannt, indem es Die Entscheidung des Fachgerichts ist objektiv willkürlich (Willkürverbot, Art. 3 I GG). o Eine grundsätzlich falsche Gewichtung vorgenommen hat oder Das der Entscheidung zugrunde liegende Gesetz ist verfassungswidrig. o Den Umfang des Schutzbereiches falsch bestimmt hat. Durch das fachgerichtliche Verfahren selbst wurden (Justiz-)Grundrechte verletzt. 3. Die Entscheidung ist objektiv willkürlich (Maßstab: Art 3 Abs. 1 GG). b. 3. 4. 5. 4. Das zugrunde liegende Gesetz ist verfassungswidrig. Die Fallgruppen 1-3 betreffen den Urteilsinhalt. Dem dritten Fall liegt letztlich ein Trick zugrunde: Unter dem 5. Durch das fachgerichtliche Verfahren selbst wurden (Justiz-) Grundrechte „vorgeschobenen Prüfungsmaßstab“ (Schlaich/Korioth, Rn. 300) des Art. 3 I GG nimmt das verletzt. Bundesverfassungsgericht eine Notkompetenz bei offenbaren Unrichtigkeiten in Anspruch (hierzu und zu den Die Fallgruppen Urteilsinhalt. dritten Fall liegt anderen Fallgruppen: Schlaich/Korioth, Rn. 1-3 286betreffen ff. bzw.). den In den FallgruppenDem 3 und 5 vollzieht das letztlich ein Trick zugrunde: Unter dem „vorgeschobenen Prüfungsmaßstab“ Bundesverfassungsgericht (Schlaich/Korioth, nicht die fachgerichtliche sondern ihm die Rn. Entscheidung 300) desnach, Art. 3 macht I GG nimmt das Notkompetenz beiSchlaich/Korioth, offenbaren Unrichtigkeiten Verfahrensleitung oder dasBundesverfassungsgericht Urteil selbst zum Vorwurfeine (zu dieser Fallgruppe Rn. 321 ff.).in Anspruch (hierzu und zu den anderen Fallgruppen: Schlaich/Korioth, Rn. 286 Die Fallgruppen 1 und 2 betreffen die bisher in der Arbeitsgemeinschaft behandelten Fälle. Auch Fallgruppe 4 ff.). In den Fallgruppen 3 und 5 vollzieht das Bundesverfassungsgericht nicht die lässt sich regelmäßig unproblematisch im bisher bekannt Schema Die Fallgruppen und 5insind fachgerichtliche Überprüfung anhandbehandeln. von Grundrechten nach 3(wie denin anderen Fallgruppen), macht ihm die Verfahrensleistung oder das Urteil eine Prüfung des jeweiligen Grundrechts – Art. 3 sondern I GG oder Justizgrundrechte – zu integrieren. selbst zum Vorwurf (zu dieser Fallgruppe Schlaich/Korioth, Rn. 321 ff.). Die Fallgruppen 1, 2, 4 und 5 lassen sich daher anhand des üblichen Schemas zur Prüfung von Grundrechten behandeln; in der Fallgruppe 3 ist die Prüfung in Art. 3 I GG zu integrieren. Weil aber in der Sache die Vertretbarkeit einer Auslegung des zugrunde liegenden einfachen Rechts Thema ist, wird diese Konstellation eher nicht Gegenstand einer Grundrechtsklausur werden. 6 II. Verletzung in Art. 5 I 1 GG Möglich wäre eine Verletzung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. 1. Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG Zunächst müsste der Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet sein. a. persönlicher Schutzbereich Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ist ein „Jedermannsrecht“ und sein persönlicher Schutzbereich für V somit eröffnet. b. sachlicher Schutzbereich Zweifelhaft ist aber, ob die Äußerungen des V vom sachlichen Schutzbereich dieses Grundrechts erfasst sind. Eine Meinung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ist jede wertende Stellungnahme. Kennzeichnend ist ein Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen der geistigen Auseinandersetzung. Die Aussagen des V enthalten eine Wertung hinsichtlich der Person des C und dessen Verhalten sowie darüber, wie das Publikum hierauf zu reagieren habe. Es handelt sich bei den Aussagen des V damit um eine Meinung in diesem Sinne. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt u.a. die Kundgabe und Verbreitung der Meinung in Wort und Schrift, so dass sowohl Aufruf als auch Flugblattaktion als Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu betrachten sind. Allerdings schützt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG die freie Meinungsäußerung um eines freien Diskurses, eines freien Austausches und Kampfes der Meinungen willen. V will mit seinem Boykottaufruf dagegen gerade verhindern, dass die Zuschauer sich mit dem Schaffen von C auseinandersetzen. Insofern könnten Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu einer einengenden Auslegung des Schutzbereiches verpflichten. Hier ist jedoch zu beachten, dass V mit dem Boykottaufruf niemanden zwingt, dem neuen Film von C fernzubleiben. Es bleibt der freien Entscheidung jedes Einzelnen überlassen, ob er sich den Film ansehen will oder nicht. Außerdem steht es der X-GmbH und C frei, den Aufruf zu erwidern und somit einen Meinungsaustausch zu beginnen. Damit ist die Äußerung des V vom Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst. 7 Hinweis: Ob ein Boykottaufruf von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ein „einfacher“ Boykottaufruf – wie hier – ist von der Meinungsfreiheit umfasst, da er gerade den Prozess der Meinungsbildung fördert (BVerfGE 7, 198 – Lüth). Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind jedoch erreicht, wenn sich der Boykottaufruf solcher Mittel bedient, die den Angesprochenen die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidungen in voller innerer Freiheit zu treffen. Ein Boykottaufruf verbunden mit der Ausübung wirtschaftlichen Drucks, der für den Betroffenen infolge der wirtschaftlichen Machtstellung des anderen Teils schwere Nachteile bewirkt, ist nicht auf den Prozess der Meinungsbildung gerichtet. Er ist daher nicht mehr vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst. Dieser Unterscheidung liegen zwei wichtige BVerfG-Urteile zugrunde, die unbedingt geläufig sein sollten. Das Lüth-Urteil (BVerfGE 7, 198) betraf folgenden Sachverhalt: Der Hamburger Senatsdirektor Lüth hatte zum Boykott eines Films von Veit Harlan aufgerufen, weil dieser in der Nazizeit als Regisseur des antisemitischen Propagandafilms „Jud Süß“ bekannt geworden war. Im Blinkfüer-Urteil (BVerfGE 25, 256) war der Boykottaufruf mit wirtschaftlichem Druck verbunden und fiel daher nicht mehr in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit: Der Axel-Springer-Verlag hatte dazu aufgerufen, keine Zeitschriften mehr zu verkaufen, die das ostzonale Fernsehprogramm abdruckten und damit gedroht, Zeitungshändlern ansonsten die eigenen (marktbeherrschenden) Produkte vorzuenthalten. Die Blinkfüer enthielt das Fernsehprogramm der DDR. 2. Eingriff Es müsste weiter ein Eingriff vorliegen. Eingriff ist nach dem modernen Begriffsverständnis jede dem Staat zurechenbare Grundrechtsbeeinträchtigung. Die Beeinträchtigung des V wird zwar eigentlich durch die X-GmbH bewirkt. Jedoch hat das Gericht wegen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte die Pflicht, den Grundrechten des V im Rahmen der Auslegung Geltung zu verschaffen (s.o.). Das Gericht hat V zur Unterlassung verurteilt und ihm damit eine in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallende Tätigkeit unmöglich gemacht. Darin liegt eine vorhersehbare Grundrechtsbeeinträchtigung. Hier ist Vorsicht geboten! Die Darstellung der Drittwirkung im üblichen Schema entspricht der üblichen Praxis jedenfalls in Verurteilungssituationen. Jedenfalls ist aber die Mittelbarkeit der Beeinträchtigung herauszustellen. Das BVerfG formuliert im Lüth-Urteil: „So führt der vom Landgericht angenommene bürgerlich rechtliche Anspruch der Klägerinnen durch das Urteil des Gerichts zu einem die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers beschränkenden Ausspruch der öffentlichen Gewalt.“ Eine andere Auffassung ist freilich vertretbar: Man kann die mittelbare Drittwirkung auch in der Verurteilungssituation als einen Unterfall der Schutzpflichten begreifen und das Zivilurteil daher immer am Untermaßverbot prüfen (so Epping, Rn. 346, 359). Man kann mit guten Gründen daran zweifeln, ob ein Zivilrechtsurteil einen Eingriff darstellt. Jedenfalls zwingendes Zivilrecht (inkl. § 826 BGB) stellt aber auf gesetzlicher Ebene einen Eingriff dar (Pieroth/Schlink, Rn. 193; zu § 826: Dreier, in: ders., Rn. 99 vor Art. 1 GG; a.A. Epping, Rn. 350 ff.). Dieser Eingriffscharakter ginge in einer Schutzpflichtenprüfung unter. Insbesondere käme in dieser Prüfung die Frage, ob es sich bei § 826 BGB um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 II GG handelt, überhaupt nicht vor. Allenfalls wäre der Eingriffsaufbau also im Rahmen vertraglicher Beziehungen zu überdenken. 8 Üblich ist in der Verurteilungskonstellation die Eingriffsprüfung, in der Klagabweisungskonstellation wohl die Schutzpflichtenprüfung (vgl. auch Michael/Morlok, Rn. 484; zur Prüfung von Schutzpflichten im Allgemeinen Epping, Rn. 137). Denn in einer Konstellation, in der die Klage (möglicherweise grundrechtswidrig) abgewiesen wurde und daher der Kläger Verfassungsbeschwerde erhebt, ist es ohnehin ungleich schwieriger von einem Eingriff zu sprechen (ablehnend Epping, Rn. 346; Augsberg/Viellechner, JuS 2008, 406, 408 halten es aber für möglich). Dennoch sollte ein Eingriff angeprüft und für diese Konstellation abgelehnt werden (Epping, Rn. 359). Alle verschiedenen Aufbauvarianten wägen Augsberg/Viellechner, JuS 2008, 406 ff. ab. Wichtig: Selbstverständlich darf auch in einer Drittwirkungsklausur kein Wort zum Aufbau verloren werden. 3. Rechtfertigung Der Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein. Dies wäre der Fall, wenn das Zivilgericht eine verfassungskonforme gesetzliche Grundlage im Einzelfall verfassungskonform angewandt hätte. a. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes Die Rechtsgrundlage des Urteils, § 826 BGB, müsste verfassungsgemäß sein. aa. Übereinstimmung mit der Schrankenregelung des Art. 5 II GG Dazu müsste er zunächst der Schrankenregelung des Art. 5 II GG genügen. Die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG sind dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG unterstellt. Vorliegend kommt allein die Tatbestandsalternative der „allgemeinen Gesetze“ in Frage, da das Urteil zugunsten der X-GmbH ergangen ist und insoweit nicht der Schutz der Ehre von C bezweckt wurde. § 826 BGB als maßgebliche Gesetzesnorm müsste demnach ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG sein. Fraglich ist zunächst die Definition der „allgemeinen Gesetze“. Bei unbefangenem Herangehen an den Wortlaut „allgemeine Gesetze“ könnte man auf die Idee kommen, dass damit Gesetze gemeint sind, die für alle gelten. Dass diese Überlegung unrichtig ist, zeigt die geschriebene Schrankenregelung des Verbots des Einzelfallgesetzes in Art. 19 I 1 GG. Ein solches Begriffsverständnis würde über einfache Schrankenanforderungen also nicht hinausgehen. So hat dann die sog. Abwägungslehre versucht, „allgemeine Gesetze“ als solche zu deuten, die den Schutz eines Rechtsguts verfolgen, welches im Vergleich mit der Meinungsfreiheit einem höheren Allgemeininteresse dient. Diese Abwägung der verfolgten Interessen ist 9 jedoch nichts anderes als eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche ohnehin vorzunehmen ist. Dies spricht gegen diesen Ansatz. Ein weiterer Ansatz ist die sog. Sonderrechtslehre. Danach sind „allgemeine Gesetze“ solche, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit an sich richten bzw. sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richten. Dieser Ansatz ist „umgehungsanfällig“, da der Gesetzgeber durch gezielte Verfolgung bestimmter an sich rechtfertigungsfähiger Gesetzesziele scheinbar unbeabsichtigt bestimmte Meinungen verbieten könnte. Da diese Lehren isoliert betrachtet Schwächen aufweisen, hat das BVerfG sie im Lüth-Urteil zusammengefasst (sog. Kombinationsformel) und versteht unter allgemeinen Gesetzen solche, die sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich noch gegen bestimmte Meinungen richten sowie dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen. § 826 BGB dient ganz allgemein dem Schutz vor vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigungen, gleich ob diese durch eine Äußerung oder auf andere Weise bewirkt werden. Er schützt zudem das Vermögen, das auch ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung anderweitig Schutz genießt. Es sind also beide „Komponenten“ der Kombinationsformel des BVerfG erfüllt. Danach liegt dem Eingriff mit § 826 BGB ein allgemeines Gesetz zugrunde. bb. Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes im Übrigen § 826 BGB ist verfassungsgemäß. Als eine der zentralen Vorschriften des BGB hat er durch jahrzehntelange Rechtsprechung Konturen erhalten, die nicht im Widerspruch zum Grundgesetz stehen. Insbesondere kann er aufgrund seiner Offenheit auch grundrechtskonform im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden. b. Verfassungsmäßigkeit der Einzelentscheidung Die richterliche Einzelentscheidung auf Grundlage des § 826 BGB müsste schließlich einen verhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht des V aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG darstellen. Das wäre dann nicht der Fall, wenn das Fachgericht bei seiner Gesetzesauslegung die Bedeutung der Meinungsfreiheit grundsätzlich verkannt hat. Im Lüth-Urteil hat das BVerfG die konstituierende Bedeutung der freien Meinungsäußerung für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft betont. Wegen der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts darf aus der Anwendung der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG nicht eine vollständige Beschränkung der Meinungsfreiheit folgen. Vielmehr muss jede Einschränkung der 10 Meinungsfreiheit ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG betrachtet werden (sog. Wechselwirkungslehre). Anmerkung: Die Wechselwirkungslehre verbindet den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung des Gesetzesrechts (d.h. hier also im Lichte der Meinungsfreiheit) mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Grundrechtseingriffen. Dies macht die Wechselwirkungslehre in der Falllösung nur schwer handhabbar. Sie kann jedoch grds. auf drei Ebenen eine Rolle spielen: (1) auf der Sinn- bzw. Deutungsebene. Bei mehrdeutigen Äußerungen, sind diese grds. wohlwollend im Sinne der Meinungsfreiheit auszulegen. (2) Auf der Normauslegungsebene ist eine im Rahmen der Tatbestandsmerkmale der betreffenden Gesetze vorzunehmende Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und andererseits des Rechtsguts, in dessen Interesse sie eingeschränkt worden ist vorzunehmen. (3) Schließlich betrifft die Normanwendungsebene die Gewichtung der Beeinträchtigung, die dem entgegenstehenden Rechtsgut auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite droht. Dabei sind alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen. Die dritte Ebene ist inzwischen in der Verhältnismäßigkeit aufgegangen. Vgl. zum Ganzen Epping, Rn. 243 ff. oder Pieroth/Schlink, Rn. 640 f. Es ist also zu fragen, ob bei der Auslegung des Gesetzes – auf der Normauslegungsebene – das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht genügend berücksichtigt und dadurch spezifisches Verfassungsrecht (s.o.) verletzt wurde. Dabei ist zwischen der vollkommenen Nichtbeachtung der Grundrechtsrelevanz (aa.) und der grundsätzlichen Verkennung der Grundrechte (bb.) zu unterscheiden. aa. Nichtbeachtung Möglich ist nach dem Sachverhalt schon die vollkommene Nichtbeachtung der Grundrechtsrelevanz. Allerdings fehlen dazu jegliche Angaben. bb. grundsätzliche Verkennung Jedenfalls könnte das Gericht die Bedeutung der Grundrechte im konkreten Fall verkannt haben. Der Aufruf des V ist vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit gedeckt (s.o.). Fraglich ist, von welchem Gewicht die durch das Urteil erfolgte Beeinträchtigung ist und in welchem Verhältnis sie zu der Beeinträchtigung der X-GmbH durch die Äußerungen steht. Einerseits ist V nur verpflichtet, zukünftig derartige Äußerungen zu unterlassen. Seine Äußerungen hatten dagegen durchaus einen beträchtlichen Effekt: Laut Sachverhalt sind die Einnahmen der X-GmbH als Folge des früheren Boykottaufrufs der Jungen Union spürbar zurückgegangen. Damit steht zu erwarten, dass auch die neuerliche Aktion die wirtschaftlichen Interessen der X-GmbH in nicht bloß unerheblichem Maße beeinträchtigen und mittelbar auch der Film- bzw. Kunstfreiheit einen gewissen Schaden zufügen wird, die von einem freien und florierenden Filmmarkt lebt. 11 Auch der Filmverleiher kann sich auf die Filmfreiheit berufen (Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II, Rn. 113; Hufen, § 29, Rn. 2 f.) Ebenso ist von der Kunstfreiheit der Wirkbereich mit erfasst, so dass auch die Vermittler geschützt sind. Für im Fernsehen gezeigte Filme ist die Rundfunkfreiheit, nicht die Filmfreiheit einschlägig. Versteht man zudem die vorbehaltlose Kunstfreiheit als lex specialis zur Filmfreiheit, verbleibt für diese nur noch der in keiner Weise künstlerische Film, der nicht im Fernsehen zu sehen ist (Hufen, § 29, Rn. 4). Dementsprechend ist die Filmfreiheit in der Rspr. des BVerfG bisher ohne Bedeutung geblieben. Auf der anderen Seite ist aber zu beachten, dass die Filmfreiheit den Filmschaffenden keinen Anspruch darauf gibt, dass ihre Filme auch gesehen werden. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass V hier sogar ausdrücklich dazu aufgefordert hat, einen anderen Film zu besuchen und somit sein Aufruf nicht darauf zielte, der Filmbranche als solcher zu schaden: Die bewusste und freiwillige Entscheidung des Menschen, einen Film nicht sehen zu wollen (aus welchen Gründen auch immer), kann die Filmfreiheit nicht verletzen. V hat aber nur an die potentiellen Zuschauer appelliert und sie nicht mit Zwang vom Besuch des Films abgehalten. Was das wirtschaftliche Interesse der X-GmbH betrifft, so muss ein Unternehmen, das Filme eines bekannten und bekennenden Scientology-Mitglieds verleiht, damit rechnen, dass auch der von ihr verliehene Film in die in Europa vehement geführte Diskussion um die Scientology-Sekte hineingezogen wird. Dies hätte die X-GmbH bei ihren wirtschaftlichen Erwartungen von vornherein einkalkulieren müssen. Es muss auch beachtet werden, dass V mit seinem Aufruf keine persönlichen Ziele verfolgt, sondern aus einem Gefühl gesellschaftlicher Verantwortung heraus gehandelt hat. Die konstituierende Bedeutung der freien Meinungsäußerung für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft macht einen freien Austausch der Meinungen erforderlich, so dass Meinungsverschiedenheiten nicht mit staatlichen Verboten, sondern in allererster Linie im freien Spiel von Rede und Gegenrede auszutragen sind. Die X-GmbH hätte die Möglichkeit gehabt, mit Sachargumenten gegen den Aufruf der Jungen Union anzugehen. Betrachtet man das Unterlassungsurteil gegen V damit im Lichte der besonderen wertsetzenden Bedeutung der freien Meinungsäußerung für ein freiheitliches und demokratisches Gemeinwesen, so erscheint der durch das angegriffene Urteil bewirkte Eingriff in die Grundrechtssphäre des V als diesem nicht zumutbar. Das Urteil verkennt daher die Bedeutung der Meinungsfreiheit grundsätzlich. Teilweise wird auch in Drittwirkungsfällen einfach eine normale Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchgeführt. Das passt aber nicht ganz zur Begründung der mittelbaren Drittwirkung. Wie hier: Augsberg/Viellechner, JuS 2008, 406 (409f.). Die Drittwirkung macht deutlich, dass man Schemata nicht immer blind übernehmen sollte, sondern sie als wertvolle Hilfestellung verwenden aber stets kritisch hinterfragen sollte (vgl. schon oben zum Eingriff sowie abermals Augsberg/Viellechner, JuS 2008, 406, 414). 12 4. Zwischenergebnis V ist durch das Urteil in seiner Meinungsfreiheit verletzt. III. Ergebnis Begründetheit Eine Verfassungsbeschwerde des V wäre deswegen begründet. C. Ergebnis Eine Verfassungsbeschwerde des V gegen das Unterlassungsurteil wäre zulässig und begründet und hätte daher Aussicht auf Erfolg. 13