POLO, Leonardo Menschliche Gefühle. Trad. Susanne Grünsfeld Konferenz – Piura, 1998 des Dr. Leonardo Polo, doctor honoris causa und besuchender Professor der Universität Piura. Die wichtigste Frage des menschlichen Lebens ist es zu erfahren unter welchen Kriterien es sich seinem eigenen Ende und seinem Schicksal zuneigt. Daher müssen die dynamischen Gesuche des Menschen, die Fähigkeiten ein Ziel zu erreichen, sowie der Umgang mit den Schwierigkeiten und Hindernissen, die sich ihm in den Weg stellen, untersucht werden. Das menschliche Verhalten sollte rational sein, oder anders gesagt sich an der Vernunft orientieren. Außerdem sollte es dem Diktat der Tugend und des Willens gehorchen. Dieses aber, um es in in einer möglichen Art und Weise auszudrücken muss mit den Gefühlen verbunden werden. Obwohl eine Verbindung der Gefühle mit der Intelligenz und dem Willen besteht, können diese nicht genau verortet werden. Einigen Psychologen zufolge begünstigen die positiven Gefühle, insbesondere die tiefen Gefühle eine Aktivität und hemmen sie, wenn sie negativ sind. Andererseits sind die Gefühle in zwei Typen unterteilt: die tiefen und dauerhaften Gefühle, oder die oberflächlichen, variablen und mit anderen austauschbaren Gefühle. Andere Psychologen behaupten, dass die Gefühle die Verbindung des menschlichen Subjekts mit den spirituellen Fakultäten bilden, aber dies sei komplizierter. Die Gefühle sind etwas wie die Vorhersager bestimmter gewisser Richtungen des Denkens, oder von gewissen Zügen des Verhaltens, die sie begleiten. Sollte diese vage und etwas amorphe Ansicht akzeptiert werden, nach welcher es einen klaren Wechsel zwischen den Gefühlen, den intelligenten Handlungen und dem Willen gibt, muss hinzugefügt werden, dass es tiefere Gefühle gibt und welche, die vom derzeitigen Gesundheitsstatus, körperlichen Umständen und Lebensunfällen abhängig sind. Die Bedeutsamkeit der Gefühle besteht vor allem in ihrer Beziehung zur Intelligenz und dem Willen und nicht nur in ihrer Bedeutung als eigene Vorhersager, sondern als Ableitungen des aktiven menschlichen Seins. Dennoch sind in unserer Epoche die spirituellen Fähigkeiten des Menschen, die Intelligenz und der Wille immer noch weitgehend ungeachtet. Daher hat sich der Relativismus ausgeweitet, besser gesagt, die Meinung, die die Studien der Wahrheit und auch die Kontrolle des Willens verneint. Daraus erschließt sich, dass in unserem Zeitalter ein höherer Wert auf die Gefühle gelegt wird und es wird bemerkt, dass sie als das Einzige, nach den Zweifeln an der Intelligenz und an dem freien Willen übrig bleiben. In dieser Situation ist der Unterschied zwischen den tiefen Gefühlen und den oberflächlichen stark abgeschwächt. Beim Zweifeln an der intellektuellen Kapazität des Menschen und beim Verwerfen der Bestimmung des Willens zu höherem Gut, stellt sich ebenfalls eine höhere Instanz als die des Menschen in Frage, woraus ein religiöser Agnostizismus entsteht. Dieser beängstigende Misskredit des Sinnes des Lebens veranlasst dazu die unmittelbaren Erlebnisse, insbesondere die sentimentalen Erlebnisse mehr in den Vordergrund zu rücken. Der Weg zum Aufschwung der Gefühle Es ist erforderlich sich an der Doktrin zur Theorie der ethischen Gefühle aus Großbritannien zu orientieren, genauer gesagt aus Schottland, während des 18 Jahrhunderts bis hin in den ersten Teil des 19ten Jahrhunderts. Es wird auf diese Doktrin hingewiesen, da die schottischen Philosophen bemerkten, dass sich Gefühle nicht ersetzen lassen und ebenfalls behaupteten sie, dass die Gefühle, obzwar sie tiefschürfend seien, abgeschwächt werden können. Sie sind dominant in dem Sinne, dass sie den Menschen auf eine negative Art beeinflussen und steuern können. Diese Autoren wollen die Gefühlswelt genauer beleuchten, da sie darin eine ethische Relevanz, nämlich die der Philanthropie sehen. Die Philanthropie ist das Gefühl, das den Bezug zu den Übrigen impliziert, den Menschen anweist andere mit Wohlwollen entgegenzutreten und liebenswürdig zu ihnen zu sein. Da all dies als positiv angesehen werden kann, erscheint es als leite die Philanthropie den Menschen gradlinig in eine Richtung. Dennoch entstand unter den schottischen Autoren eine pessimistische Bewertung dieses Gefühls. Nachdem die Bedeutung der Philanthropie aufgestellt wurde, begriffen die Autoren, dass es unmöglich sei sich allein auf sie zu verlassen, da die Philanthropie in den menschlichen Beziehungen nicht bewahrt werden kann, sondern sogar die Wege zu negativen Gefühlen eröffnet, die sie verschwimmen lassen. Zu den schottischen Moralisten gehören David Hume, ein sehr bekannter und einflussreicher Philosoph und Adam Smith, bedeutend für seine Begründung der klassischen Nationalökonomie. Diese beiden behaupten, dass die Philanthropie von einem anderen Gefühl ersetzt wird, nämlich dem der Eitelkeit. Der wohlwollende Philosoph kennt den Sinn der eigenen Eitelkeit und da er von den Übrigen respektiert wird, wandelt sich dieser in Ruhmsucht um. Die Philanthropie wandelt sich in Eitelkeit um und diese Eitelkeit in ein weiteres stets negativeres Gefühl, nämlich die Missgunst. Der Eitle endet darin missgünstig zu werden. Demnach ist die Basis menschlicher Beziehungen in der Philanthropie ein gescheitertes Konzept, denn es tritt am Ende immer die Ruhmsucht in den Vordergrund, das heißt der Wunsch nach eigenem Wohlbefinden wird genährt durch selbstbezogenes Wohlwollen. Außerdem folgt aus dem Vergleich der menschlichen Subjekte miteinander und untereinander der Neid, der ein Zusammenleben unmöglich macht. Der Neid ist ein derart negatives Gefühl, dass er sogar bis zur Tötung führt, wie im Beispiel von Kain und Abel. Die Eifersucht, die Kain gegenüber Abel hegte, brachte ihn dazu den ersten in der Bibel aufgezeichneten Mord zu begehen. Als Gott sich Kain zuwandte und nach Abel fragte, antwortete dieser „Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“. In dieser Reaktion zeigt sich, dass die Geschwisterliebe unter Brüdern, eine der höchsten Formen der Philanthropie, in Kain durch ein vollständig anderes Gefühl ersetzt wurde. Sollte dies denn so sein, ist die Bestrebung das Leben in einer hochgestellten und ehrlichen Form zu leben, mit nur positiven Gefühlen in Bezug auf die Aufrechterhaltung einer menschlichen Pluralität nicht möglich. Würden alle Menschen vorgeben Philanthropen zu sein, würde der folgende soziale Wirkungsgrad ganz und gar negativ sein. Daher ist der ethische Wirkungsgrad der positiven Gefühle unwirksam, nicht nur das, sondern auch gegensätzlich: er verwandelt sich in seinen Gegensatz. An dieser Stelle lässt sich schlussfolgern, dass es nicht möglich ist sich auf seine Gefühle zu verlassen, da je stärker die Gefühle sind, desto mehr modifizieren sie sich gemäß einer dialektischen Dynamik. Deswegen begutachtet Adam Smith in seinem Werk zur Theorie der ethischen Gefühle, dass die Philanthropie einzig und allein in einer sehr abgestuften Art und Weise überleben kann. Wenn zum Beispiel von einem Bekannten der Vater gestorben ist, wird ein philanthropischer Freund seine Anteilnahme ausdrücken, indem er sein Trauergefühl mit ihm teilt. Trotzdem ist das Gefühl der Trauer bei ihm logischerweise deutlich geringer als dasjenige des Waisen. Daraus schließt Smith, dass derjenige dessen Vater gestorben ist in seiner Äußerung des Schmerzes bescheiden sein muss, da er nicht beabsichtigt, dass sein Freund den gleichen Schmerz in der gleichen Intensität durchleidet. Zusammengefasst, um philanthropisch zu leben, muss der eigene Schmerz gemäßigt geäußert werden und derjenige, der direkt betroffen ist, kann seinen tiefsten Schmerz nicht rauslassen, ohne seine eigene Darlegung des Schmerzes demjenigen gegenüber, der ihm seine philanthropische Sympathie entgegenbringt zu äußern. Also geht die Philanthropie abgesehen davon, dass sie sich in Eitelkeit und Neid umwandelt, zu sozialer Kälte über. Wenn der Freund nicht ausreichend Schmerz für den Tod des Vaters des anderen ausdrückt, muss dieser Andere sich dessen bewusst werden, dass auch seine Äußerung des Schmerzes gemäßigter sein muss. Letztendlich muss die soziale Demonstration der Gefühle sehr fein und schwach sein, was einer Charakterveränderung der Engländer gleicht, denn daher ist die sentimentale schottische Sittenlehre durch etwas, das sich emotionale Kälte nennt, ersetzt worden. Sollte jemand die Geschichte Englands heranziehen, kann er erfahren, dass die Engländer im 16. und 17. Jahrhundert leidenschaftlich waren. Jedoch führt die Idee, dass die Moral in den Gefühlen basiert letztendlich zur Gefühlskälte. Deswegen gibt es auch eine Art Konflikt zwischen der Verhaltensweise und den eigenen inneren Gefühlen. Es ist allgemein bekannt, dass im England des 19. Jahrhunderts die viktorianische Moral einen Mangel an Demonstration der Gefühle implizierte. Aufgrund dieses Konfliktes zwischen dem eigentlichen inneren Gefühlsleben und der Verhaltensweise, entsteht die Annahme, dass die tiefen Gefühle keine Richtlinie für das menschliche Verhalten darstellen. Zu dieser Schlussfolgerung sollte Adam Smith noch eine andere zufügen. Tatsächlich, wenn die Philanthropie nicht die Basis vom Zusammenleben und auch nicht vom menschlichen Verhalten ist, muss sie augenblicklich ersetzt werden, um zugleich auch dem Neid Einhalt zu gebieten. Dies bedeutet, dass das menschliche Verhalten ausschließlich vom eigenen Interesse geleitet werden sollte. Daraus erschließt sich die Theorie der freien Marktwirtschaft, ein von Adam Smith geprägter Begriff. Es erscheint nützlich das soziale Leben dementsprechend zu organisieren, dass die Gefühle nicht in Betracht gezogen werden und durch die Gesetze der Marktwirtschaft ersetzt werden. Nur so kann die soziale Harmonie erreicht werden. Zusammengefasst beinhaltet die Theorie der freien Marktwirtschaft die Überzeugung von Adam Smith, dass es unmöglich sei, dass das soziale Leben auf den Gefühlen basiert. Die berühmte „unsichtbare Hand“ von Smith kann also nur verstanden werden, wenn diese Hand keinerlei Gefühl ist. Dennoch wird heutzutage stets an die Gefühle appelliert, da diese als das Lebenswichtigste und das Innerste das im Menschen existiert, angesehen werden. Sollte der Mensch sich von den Gefühlen leiten lassen, kommt dies daher, dass sie das Einzige sind das nach dem Scheitern der Intelligenz und des Willens bleibt. Auf die sentimentale Moral folgt also die heutige viktorianische Moral mit der emotionalen Kälte; der kaufmännischen Bourgeoisie. Nach dieser enthält die aktuelle Sentimentalität nur noch, dass der Mensch sich nach dem was ihm gefällt richtet und das was ihm missfällt vermeidet. Dies ist die hedonistische Moral, die auf der Suche nach dem, was gefällt basiert. Diese Art der Sittenlehre führt jedoch zu einer Verringerung der Ziele, denn bloß das Erreichen der angenehmen Ziele ist nicht das höchste Objektiv. Wenn die Philanthropie in der emotionalen Kälte und der Berechnung des eigenen Interesses endet, ist die Genussmoral im Grunde genommen eine äußerst niedrige Verhaltensrichtlinie. Mit diesem kann die anfängliche Frage beantwortet werden. Die hedonistische Moral macht es dem Menschen unmöglich eine höhere, intimere Lebensform als die Zuwendung zu sich selbst zu finden. Sich lediglich von den Gefühlen leiten zu lassen führt zu einem oberflächlichen Leben, das von den höheren Zielen wegführt. Die Konsequenz daraus ist eine Konsumgesellschaft, die sich nach den sensibelsten Gefühlen, wie zum Beispiel diejenigen mit Relation zum Essen oder dem sexuellen Verlangen zu tun haben. Diese Gefühle werden von der altertümlichen Philosophie Leidenschaften der Seele genannt. Sie sind oberflächliche Begebenheiten des menschlichen Lebens, sogar bis zu dem Punkt, an dem sie den Ethos eliminieren. Ethik kommt von Ethos, so wie Moral von mos (mos und Ethos bedeuten quasi das gleiche in der griechischen und lateinischen Sprache). Die Reklameanzeigen im Fernsehen zeigen ganz besonders das Angenehme und das Missfallende. Es wird ein gutes Auto gezeigt, oder ein gutes Bier. Also, wenn das wichtigste im Leben die unbeständigen Emotionen sind, die das Bier, oder das Auswählen zwischen Whiskey und Gin einschließen, geht die vitale Tiefe verloren und es wird unmöglich, dass der Mensch zu sich selbst findet. Nach dieser kurzen Geschichte der Gefühle im modernen Zeitalter und dem Enden dieser Geschichte in der Konsumgesellschaft, zu welcher die Industrieländer gehören, ist die einzige mögliche Konsequenz, dass wir uns nicht mit dieser abfinden können. Wir können nicht das Ideal vertreten viel Geld in wenig Zeit zu erlangen, um sich so schnell wie möglich zur Ruhe setzen zu können und aufzuhören zu arbeiten, indem wir nur nach der so wie die Italiener sagen dolce vita leben. Doch diese Uneinigkeit kann nur real sein, wenn sich eine geistige Stärke wiederherstellt. Der Mensch muss lernen seinen Willen auszumachen und diesen zu festigen. In der Zeit in der dieser wächst, erscheinen unverhoffte Gefühle, die zur Liebe zur Wahrheit und zum Guten leiten. Die Liebe zur Wahrheit steht der Intelligenz nahe und wird von tiefen Gefühlen begleitet, durch welche sie sich steigert und durch welche sie sich bestätigt. Derjenige, der die Wahrheit nicht liebt, ignoriert diese Gefühle, die ihm nie wiederfahren werden. Er erfährt lediglich die Emotionen, die mit der Sensibilität und dem Missbrauch zu tun haben, welche ihn letztendlich zu den Drogen führt. Die Droge als das letzte Mittel der hedonistischen Moral. Der Hedonismus wird aufgrund seiner vitalen Insuffizienz zu einer Übertreibung. Auf diese Weise erscheint eine bestimmte Dynamik, die von Sam Augustín beschrieben wird. Die hedonistische Übertreibung mit der gestanden werden kann, dass dem Menschen die sinnlichen Genüsse nicht ausreichen, aber ihn zur gleichen Zeit auch die Ausübung des Willens und der Intelligenz überfordert. Dies ist eine klare Ausgleichsleistung, die sich zum Beispiel beim übermäßigen Trinken zeigt: Am darauf folgenden Tag treten starke Kopfschmerzen auf. Sollte jemand zu viel essen, fühlt dieser sich ebenfalls schlecht. Gleichermaßen verhält es sich mit den sexuellen Beziehungen, welche, wenn sie übertrieben werden zu Erbitterung und Versachlichung führen können. Eine Person wie ein Objekt der Lust zu behandeln entspricht dementsprechend diese lediglich als eine Sache anzusehen. Die negative Konsequenz daraus die sensiblen Lüste zu übertreiben heißt Abstumpfung. Das Gefühl der Abstumpfung beeinflusst den Geist und den Körper und wird in Verbindung mit Drogen intensiver. Im Fallder Drogenabhängigkeit bedeutet die Abstumpfung, dass das Nervensystem vollständig beschädigt wird. Zusammengefasst, ist das sich von den Gefühlen leiten lassen nicht vollwertig. Weder die Philanthropie, noch die soziale Kälte, die diese ersetzt, noch der Hedonismus, der sich in den Gefühlen zentriert, sind also akzeptabel. Es sollte Rückgriff auf die Liebe zur Wahrheit und die höchsten Güter genommen werden, damit ein positiver Habitus mit der Kapazität des Guten und des Wahren wachsen kann. Auf diese Weise erscheint etwas, was letztendlich Zuneigung genannt wird. Diese Zuneigungen sind geistigere Bewegungen als die Gefühle selbst und deswegen psychosomatisch. Sie besitzen einen selbstverständlichen spirituellen Beiklang, da sie von der Wahrheit und der Bewunderung erweckt werden. Die Liebe zur Wahrheit birgt ein Gefühl, das der Hedonist nicht kennt. Die Zuneigung vereint die Wahrheit und die Schönheit. Wir bewundern und diese Bewunderung bringt uns dazu uns in der Wahrheit zu vertiefen. Eine positive Zuneigung ist stärker als die psychosomatischen Gefühle. Die Zuneigung ersetzt vorteilhaft die Philanthropie. Die wahre Würde des Menschen befindet sich in seinem Charakterwesen. Diejenige Person wird mit einer Liebe geliebt, die wahre Freude bringt. Die Freude ist eine geistige Zuneigung, die der Hedonist verkennt, da er zwar Gefallen in seinem Bier findet, aber sich nicht über dieses übermäßig freuen kann. Die Liebe ist ein Akt des Willens, der sich an der Wahrheit des anderen erfreut, denn sie besteht in der persönlichen Realität. Die Freude wird von einem positiven Gefühl begleitet, das sicherlich eines der wichtigsten nach dem Respekt ist. Laut der schottischen Moralisten, vermeidet der Respekt den Abbau von Philanthropie zu Eitelkeit und Neid. Moralisches Verhalten ist nur dann moralisch, wenn es von Intelligenz und Willen geführt ist. Die Zuneigung ist letztlich ein Gefühl, das zur Verehrung geleitet. Das Bier kann nicht verehrt werden. In der Verehrung greifen die Intelligenz und der Wille ein, die nach dem höchsten Gut streben, das am bewundernswertesten ist. Es ist ganz präzise gesagt das Wiedererlangen der Erfahrung von der Verehrung.