Il Trovatore „Der Troubadour“, eine der schönsten Verdi-Opern, steht trotzdem nicht allzu häufig auf den Spielplänen. Warum nicht? Diese Oper sei „ganz einfach zu besetzen“, meinte Enrico Caruso. „Man braucht nur die vier besten Sänger der Welt.“ Da hat Tenor-Star natürlich ein bisschen übertrieben (Caruso war Italiener!), aber klar ist: Es geht nur mit erstklassigen Kräften. Und mit einem exzellent geleiteten Orchester, denn das Orchester spielt – musikalisch gesehen – die eigentliche Hauptrolle. Wie großartig Musiktheater-Aufführungen des Landestheaters Detmold klingen (und szenisch wirken) können, weiß das südwestfälische Publikum spätestens seit der grandios verdichteten „Carmen“ oder Verdis hartem Meisterwerk „Macbeth“ in der aktuellen Spielzeit - oder seit den beiden poetischen „Zauberflöte“-Vorstellungen Anfang 2011. Am Pult damals wie heute: Erich Wächter, ein kluger, erfahrener, höchst engagierter Kapellmeister in des Wortes allerfeinster Bedeutung! Verdi hat in „Il Trovatore“ alle klassischen Elemente der italienischen Oper verdichtet – Arien, Duette, Terzette und Ensembles – und integriert sie in einem visionären Gesamtzusammenhang. Das Kollektiv bestimmt das Temperament der Musik. So ist zum Beispiel der Zigeunerchor mit den Amboss-Schlägen eine der mitreißenden Chornummern Verdis, denn soziales Milieu und die realistische Welt der Arbeit prägen den Ton dieser Musik. Entsetzliches ist geschehen, noch bevor die Geschichte beginnt. Man hat eine unschuldige Mutter als Hexe verbrannt. Und deren Tochter wirft irrtümlich ihren eigenen Sohn auf den Scheiterhaufen statt des entführten Grafenkindes. Wenn der Vorhang sich hebt, stehen sich zwei Brüder, die einander nie kennengelernt haben, als tödliche Rivalen auf dem Schlachtfeld und in der Liebe gegenüber. Verdis Meisterwerk bildet das Herzstück der ‚trilogia popolare‘ zwischen „Rigoletto“ und „La Traviata“. Die Musik des „Trovatore“ schildert im flackernden ‚brio‘ eines expressiven Belcanto flammende Leidenschaften wie Liebe, Eifersucht, Rachsucht und Hass. Im Streit verfeinden sich Manrico und Graf Luna, erst zu spät erkennend, dass sie durch Blutsbande Brüder sind. Gemeinsam ist ihnen nur die Liebe zu Leonora, sodass sich der gesellschaftliche Konflikt der beiden in der Rivalitat der Liebe wiederholt. In das Geschehen weben sich immer wieder Anspielungen auf Manricos rätselhaftes Schicksal, das ihm einst durch eine Zigeunerin widerfuhr: Der junge Knabe wurde angeblich von der Magierin mit einem Zauber belegt, die deswegen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Aus Rache raubte deren Tochter, Azucena, den Jungen, um ihn seinerseits zu verbrennen; sie stieß in einem Anflug von Irrsinn versehentlich aber ihren eigenen Sohn ins Feuer und behielt Manrico bei sich. Musikalische Leitung: Erich Wächter Inszenierung: Dirk Schmeding Pressestimme Lippische Landes-Zeitung zu IL TROVATORE „[...] Eine zentrale Stärke der Detmolder Inszenierung ist die Konsequenz, mit der Regisseur Dirk Schmeding den überall lauernden Steilvorlagen zur Romantisierung des Stoffes aus dem Weg geht. Dabei wird er unterstützt von Susanne Ellinghaus, die in ihrem Bühnenbild überwiegend mit Andeutungen arbeitet. Ein paar Trümmer etwa, die auf ein verlassenes Schlachtfeld verweisen - und nur gelegentlich ein Glanzpunkt: leuchtende Kreuze, die sich in der Klosterszene aus dem Bühnenhimmel aufs Geschehen senken. Genauso behutsam und pointiert setzt Schmeding seine Akzente. Ganz bewusst drosselt das Regie-Team Druck und Tempo, um so einen Kontrapunkt zur ungeheuerlichen Handlung und Verdis gefühlsgeladener Musik zu setzen. Und um den Blick auf das zu lenken, was ihnen wichtig ist: die vom Leben, von ihren Gewalterfahrungen traumatisierten Figuren. Vier Menschen stehen im Zentrum. Aneinander gekettet durch einen initialen Akt brutaler Gewalt hassen und begehren sie einander, werden getrieben von Rachedurst und leidenschaftlicher Liebe. Der Erfolg eines "Trovatore" steht und fällt mit der Besetzung dieser Rollen. Und das Detmolder Quartett ist eine Traumbesetzung. Allen voran Evelyn Krahe, die die zutiefst beunruhigende Zerrissenheit der Zigeunerin Azucena zwischen Mutter- und Kindesliebe höchst authentisch und mit ihrem farbenreichen Mezzo zum Leben erweckt. Emmanuel di Villarosa ist mit der Strahlkraft seines großen Tenors und dem stets in stimmiger Dosis eingesetzten Temperament ein Troubadour, wie er im Buche steht. Als seine Leonore glänzt Marianne Kienbaum-Nasrawi, in Spiel und Stimmfarbe kunstvoll changierend zwischen Liebe und Leid. James Tolksdorf gibt einen gesanglich gewohnt starken Grafen Luna, der darstellerisch in seiner Bösartigkeit subtil, fast leise daherkommt. Erst im Schlussbild treffen alle vier Protagonisten aufeinander. Und hier greift der wohl stärkste Regie-Einfall Schmedings. Er lässt in blutbefleckte Schürzen gekleidete Henkers-Mägde einen Gefangenen nach dem anderen von der Bühne führen, der Hinrichtung entgegen. Zurück bleiben Azucena und Manrico, dazu kommen Leonore und der Graf von Luna: Bühne frei für einen letzten Akt der gegenseitigen seelischen und körperlichen Zerstörung. Den finalen. Welches Schicksal mag schlimmer sein - der Tod auf dem Scheiterhaufen oder die qualvolle Zerfleischung durch einander auf Gedeih und Verderb ausgelieferte Mitmenschen? In solchen Momenten kommt die Inszenierung berührend nahe und öffnet den Blick auf die unheilvolle Wirkung von Gewalt - damals wie heute, ausgelöst durch Angst vor dem Fremden, im Krieg sowie im gesellschaftlichen und persönlichen Alltag. Die Mittel mögen sich geändert haben, aber Gewalt ist nicht - ist niemals - von gestern. Zum überzeugenden Gesamtbild trägt eine weitere Traumbesetzung bei: Der Chor des Landestheaters (Einstudierung: Marbod Kaiser) in großer Besetzung, der es versteht, eindrucksvolle Klangwände zu errichten, aber auch in Pianissimo-Passagen nichts von seiner Durchsetzungskraft einbüßt. Das Orchester unter Generalmusikdirektor Erich Wächter agiert mit hörbarer Spielfreude und lotet die vielfarbigen Emotionen des Verdi'schen Werkes gekonnt aus. Aber die Musiker nehmen sich auch an den richtigen Stellen zurück und arbeiten den Akteuren auf der Bühne akkurat die Einsätze zu.“