Redeanalyse – Beispiel Berlinrede John F. Kennedys am 26.6

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Klausurvorbereitung:
Willy Brandt Rede
Analyse in Tabelle:
Inhalt + Art der Rede (politisch, Gelegenheitsrede..)/ ER (emotionales Redeziel)/ rhetorische Mittel,
Redestrategien, Worthäufungen
Klausur: 9.11. 2009 Angela Merkel
HA: Stellen Sie sich eine Übersicht zu den historischen Hintergründen des 9.11. in Deutschland zusammen.
Redeanalyse – Beispiel
Berlinrede John F. Kennedys am 26.6. 1963 vor dem Schöneberger Rathaus
Seit 1945 war die Stadt Berlin in einen Ost- und einen Westsektor aufgeteilt, sie wurde
zum Symbol des Ost-West-Konflikts. Zwischen den Staaten demokratischkapitalistischer Ausrichtung und dem Staatenbund um die Sowjetunion entstand eine
Blockbildung. Man bekämpfte einander auf politischer, ökonomischer,
propagandistischer und sozialer Ebene. In der eben zwischen diesen beiden Blöcken
aufgeteilten Stadt Berlin wurde die weltweite Blockbildung deutlich, besonders durch
den Mauerbau im August 1961. Seither schien die Teilung der Stadt endgültiger
geworden zu sein.
Für die entsprechend komplexe und vielseitige Stadtgeschichte Berlins ist sicherlich der
Besuch des US-Präsidenten John F. Kennedy und seine Rede an die Bevölkerung WestBerlins im Jahr 1963 ein herausragendes Ereignis. Der dabei geäußerte Satz des
Präsidenten, „Ich bin ein Berliner.“, ist seither wohl jedem Deutschen ein Begriff. Vor
einer beeindruckenden Menschenmenge hielt Kennedy seine Rede vor dem Amtssitz
des damaligen Berliner Bürgermeisters Willy Brandt, der gleichfalls anwesend war, wie
auch der amtierende Bundeskanzler Konrad Adenauer. Die Rede wurde zugleich über
Rundfunk und Fernsehen in das gesamte westdeutsche Bundesgebiet übertragen und
sicherlich auch im Osten Berlins und Deutschlands publiziert. In seiner Rede drückt
Kennedy nun seine Verbundenheit zu den Westberlinern aus und hebt ihren
Widerstandwillen gegen den Kommunismus hervor. Dabei wertet Kennedy die
westlichen Demokratien auf und im Gegensatz dazu den Kommunismus durch
verschiedene Beispiele für sein Wirken, unter anderem durch das Beispiel des
Mauerbaus, ab.
Um nun im Folgenden den Auszug aus der Rede Kennedys genauer analysieren zu
können, werde ich die wesentlichsten Aussagen zunächst in groben Zügen
zusammenfassen: Im Proömium der Rede begrüßt der US-Präsident die Bürger Berlins,
den regierenden Bürgermeister und den Bundeskanzler (sowie auch den US-General
Clay). Er spricht in diesem Teil der Bevölkerung West-Berlins seinen Respekt aus und
würdigt deren Leistung im Einsatz für die Demokratie. Unverhohlen kritisiert er den
Kommunismus bereits an dieser Stelle, der die Situation der Stadt zu verantworten
habe. Hier anschließend fordert Kennedy in der narratio und argumentatio seiner Rede
dazu auf, nach Berlin zu kommen, um sich über den wahren Charakter des
Kommunismus zu informieren. Erneut unterstreicht Kennedy den Widerstandsgeist der
Westberliner und er spricht in diesem Zusammenhang besonders ihre Verbundenheit
mit dem amerikanischen Volk an. Seiner zunächst allgemeiner gehaltenen Kritik des
kommunistischen Systems folgt eine eindrückliche Schilderung der Auswirkungen des
kommunistischen Wirkens auf die Stadt Berlin am Beispiel des Mauerbaus und seiner
Folgen. Im Epilog betont der US-Präsident dann die Bedeutung der Freiheit und ihre
Voraussetzungen. West-Berlin nehme in diesem Zusammenhang für Europa und
Deutschland eine Vorbildfunktion ein. Kennedy appelliert daher durch die
Wiederholung seines bekannten Ausspruches „Ich bin ein Berliner“, ihren Widerstand
nicht aufzugeben, er äußert die vage Hoffnung auf Einheit und bestärkt die Zuhörer in
ihrem Tun durch seine abschließende Identifikation mit der Stadt.
Angesichts dieses Überblicks über den Gang der Argumentation erscheint die Rede
Kennedys zunächst als eine typische politische Rede, welche im Hauptteil durch einen
antithetischen Aufbau charakterisiert ist. Doch dient dieser Aufbau im vorliegenden
Beispiel einem anderen Zweck. Zunächst begrüßt der Präsident die Bürger der Stadt:
„Meine Berliner und Berlinerinnen [...]“ (Z.1). Das Pronomen fällt hier sofort in den
Blick. Gleich im Einstieg nimmt Kennedy damit einerseits die Mehrzahl der
Zuhörerschaft und zugleich die Leidtragenden der Situation in den Blick, aber er hebt
sie außerdem auf eine Stufe mit seiner eigenen Person und der Position, welche er inne
hat. Erst im zweiten Schritt erwähnt er dann die bedeutenden Persönlichkeiten des
politischen Lebens Westdeutschlands, die auch anwesend waren, wie Willy Brandt und
Konrad Adenauer. Beide Persönlichkeiten, die ja vom Volk in ihre Stellung gewählt
wurden, bekrönt er zudem mit dem Adjektiv „hervorragend“ (Z. 2+4).
Dem US-Präsidenten geht es bereits hier um die Gunst seiner Zuhörer und um einen
Appell an selbige; vom Antikommunismus musste diese Zuhörerschaft nicht mehr
überzeugt werden. Besonders signifikant wird das in seinem Vergleich der Berlin mit
den Bürgern Roms (Z. 6-8); in einer rhetorisch eindrucksvollen Wendung verknüpft er
diesen historischen Vergleich mit seiner auf Deutsch geäußerten Identifikationsformel:
Ich bin ein Berliner. Auf dreifache Weise grenzt er hier West-Berlin ab von der
Gegenseite und zeichnet es aus, als gleichwertigen Teil der demokratischen, westlichen
Staatengemeinschaft, als „Bruderstadt“ der USA und als geschützte „letzte Bastion“ der
Demokratie in westlichem Sinne.
Eben diesem lobenden und bestärkenden Zweck folgt dann auch der antithetische
Aufbau des Hauptteils seiner Rede. Kennedy stellt insgesamt drei gängige Argumente
vor, die die Auseinandersetzung um das „bessere“ System für die Staaten der Welt
zwischen Kommunismus und der Demokratie nach westlichem Modell prägten. In
steigernder Form nennt er das Argument, dass der Kommunismus das
Redeanalyse – Beispiel
Berlinrede John F. Kennedys am 26.6. 1963 vor dem Schöneberger Rathaus
zukunftweisendere System sei (Vgl. Z. ), dass man mit ihm zusammenarbeiten könne
(Vgl. Z. ) und dass es zumindest „wirtschaftlichen Fortschritt“ bringe (Z. ). Dieser
Klimax stellt er eine leicht variierte Anapher entgegen, die allein bekräftigt, dass
Anhänger dieser Thesen „nach Berlin kommen“ sollten (Z. ). Für eine politische Rede
wäre dies sicherlich ein schwerwiegender Mangel, denn inhaltlich wird der Gegenseite
nicht wirklich etwas geboten. Doch geht es dem US-Präsidenten offensichtlich nicht um
eine inhaltliche Diskussion der Frage, sondern darum, den Berlinern zu zeigen, dass
seine und ihre Interessen identisch sind und er ihren Einsatz gegen den Kommunismus
außerordentlich schätzt und unterstützt. Dieses Hauptanliegen zeigt sich nicht zuletzt in
der Häufigkeit des eingesetzten Adjektivs „stolz“. Immer wieder stellt er außerdem eine
Verbindung zwischen sich selbst, dem amerikanischen Volk und den Westberlinern her,
er wertet seine Zuhörerschaft durch diese Aufnahme in eine gemeinsame Gruppe auf
und hebt die gegenseitige Wertschätzung wiederholt hervor.
Wie schwierig und kritisch die Lage der Westberliner ist, wird hingegen durch die InselMetapher (Vgl, Z. ) und die Schilderungen der Folgen des Mauerbaus nicht zuletzt für
die einzelnen Familien im letzten Teil der Rede aufgezeigt. Kennedy zeigt auch hier
wieder sein Bewusstsein für die Situation der Westberliner, welcher er den Widerstand
der Bevölkerung in der belagerten Stadt (Vgl. Z.
) in kriegerischem Vokabular
gegenüber stellt. Das kommunistische System wird als menschenverachtend
beschrieben; Kennedy erörtert in personifizierender Form, dass der Bau der Berliner
Mauer der Geschichte und der Menschlichkeit ins Gesicht schlage (Vgl., Z. ). Zudem sei
sie ein Ausdruck des Versagens dieses Systems (Vgl., Z. ). Aber er honoriert auf diese
Weise vor allem den Einsatz der Westberliner. Ganz Berlin wird, pars pro toto, zum
Symbol des Widerstandes gegen dieses System auf deutschem und europäischem
Boden und zum Vorbild für die ganze Welt stilisiert.
Im Schlussteil der Rede erreicht er vermutlich mit der vagen Andeutung auf Einheit
innerhalb Europas und Deutschlands sowie damit auch Berlins seine Zuhörerschaft an
einem empfindlichen Punkt. Er schürt hier eine Hoffnung, ohne eine tatsächliche
Veränderung der Lage in Aussicht zu stellen und ruft zugleich zur Fortsetzung des
Widerstandes auf. Dass sich die Westberliner dabei der Unterstützung Amerikas sicher
sein könnten, hebt John F. Kennedy in dem rhetorisch brillanten Schluss durch die
Wiederholung der Anfangsaussage auf Deutsch „Ich bin ein Berliner“ erneut
unmissverständlich hervor (Z. ).
In Bezug auf ihre Wirkungsabsicht darf man die Rede sicherlich als gelungen
bezeichnen, doch sollte auf die schwache argumentative Basis zumindest hingewiesen
werden. Dies wird an den Variationen des immer gleichen Themenkreises um den
Mauerbau als Symbol des Versagens und die vage Hoffnung auf eine zukünftige
Wiedervereinigung erkennbar. Doch beabsichtigte der US-Präsident offensichtlich eben
nicht die Entfaltung eines ideologischen Diskurses oder Systemvergleichs sondern die
emotionale Unterstützung der Berliner in einer schwierigen Situation, deren Ausgang
keineswegs absehbar war. Knapp zwei Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs
muss der Zustand ihrer Stadt die Bevölkerung West-Berlins ungemein verunsichert
haben und zudem bereits jetzt als ebenbürtiges Gegenüber der führenden Nation USA
bezeichnet zu werden, ja als vergleichbar mit den Bürgern Roms, sollte seine Wirkung
nicht verfehlt haben.
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