Nachhaltiger Regenwald WWF schützt gemeinsam mit den Regierungen Zentralafrikas den Regenwald Von Roland Knauer Feuchte Wärme schmiegt sich an den Körper, Baumwollhose und –Hemd kleben permanent am Körper. Durch nasse Blätter und dornige Lianen wühlt sich eine kleine Gruppe aus fünf oder sechs Weißen mit ebenso vielen afrikanischen Führern und Trägern durch den Regenwald. Leichte Leinenschuhe und Gummistiefel plätschern durch einen kleinen Bach, mit einem schmatzenden Geräusch lösen sich Füße aus dem tiefen Schlamm, zu dem Waldelefanten den Urwald-Boden zertreten haben. Kaum ein Sonnenstrahl dringt durch das dichte Blätterdach der Bäume auf den Boden. Plötzlich ein durchdringendes Kreischen, ein grauer Schatten bricht unmittelbar vor der Gruppe durch das Unterholz, flieht vor den Eindringlingen in sein Revier. Nach zwei, drei Sekunden ist der Spuk vorbei. ”Gorilla” erklärt Robinson Ngneguen, der als Wildhüter das Reservat Lobeke in Kamerun betreut. Die Gruppe hat also einen mächtigen Silberrücken, ein einsames GorillaMännchen überrascht, erschrocken flüchtet der Menschenaffe im dichten Wald. Bongo-Antilopen und Schimpansen, Rotbüffel und etliche Vogel-Arten, Flachland-Gorillas und natürlich die scheuen Waldelefanten leben in diesem Regenwald in Zentralafrika, den nur der Amazonas-Urwald an Größe übertrifft. In Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik, in Gabun und Kongo- Brazzaville, in Äquatorialguinea und in der Demokratischen Republik Kongo aber bevölkern jeden Quadratkilometer Regenwald erheblich mehr Großtiere als in Südamerika. Diese Konzentration an Tieren verleitet nicht nur die Staatsoberhäupter der zentralafrikanischen Staaten zu der Aussage, hier fände man das ”Paradies auf Erden”. Auch die Naturschützer vom World Wide Fund for Nature (WWF) engagieren sich kräftig in der Region und haben in der Hauptstadt Kameruns Yaoundé sogar ein Gipfeltreffen der Staatschefs der Länder der Region initiiert, auf dem sich alle Länder zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Regenwaldes und der Schaffung von großräumigen Schutzgebieten verpflichtet haben. Etliche dieser Reservate wie DzanghaSangha in der Zentralafrikanischen Republik, Dzanga-Ndoki und Odzala in Kongo-Brazzaville, Minkebe in Gabun und Lobeke in Kamerun existieren bereits. Kamerun hat obendrein anläßlich des Gipfeltreffens zum Waldschutz mit den Gebieten Nki und Boumba-Bek im Südosten weitere 4300 Quadratkilometer und damit fast die doppelte Fläche des Saarlandes als Welterbe der Menschheit ausgewiesen. Schrill kreischen Vögel in diesen Urwaldgebieten, keckern eifrig. Winzige Fliegen umsurren die kleine Gruppe, die schweißüberströmt in der dumpfen Schwüle der Trockenzeit durch den Regenwald stapft. Zehn, manchmal fünfzehn Meter greifen die Brettwurzeln vieler Urwaldriesen quer über den winzigen Weg, den Waldelefanten und Pygmäen hier im Reservat Lobeke im äußersten Südosten Kameruns offen halten. Die Menschen steigen über umgestürzte Baumriesen, bücken sich unter Lianen durch, platschen durch kleine Bäche und erreichen schließlich eine kleine, vielleicht hundert mal hundert Meter große Lichtung im ansonsten dichten Regenwald. Palmen säumen das Grasland, Antilopen ducken sich ins hohe Gras, Marabus stolzieren über einen sich windenden Bach. Am Rande der Lichtung hat der WWF in mühsamer Arbeit auf Stelzen eine Beobachtungsplattform aus Holz gebaut. Obenauf steht eine Holzhütte, in der man auch übernachten kann. Es empfiehlt sich, diese Gelegenheit zu nutzen. Hat man doch im Morgengrauen die besten Chancen, die großen Tiere des afrikanischen Regenwaldes auf der Lichtung zu beobachten. Waldelefanten wühlen dort zum Beispiel den Boden auf der Suche noch Mineralien um, die ihren Spurenelement-Haushalt ergänzen. Ohnehin leben in den Regenwäldern SüdostKameruns noch mehr Elefanten als Menschen. FlachlandGorillas streifen bisweilen über die Lichtung, Waldbüffel stapfen durch das Wasser, Bongo-Antilopen grasen unter Palmen, durch die der Wind rauscht. Die Jagd auf diese Tiere gefährdet den Regenwald stärker als der Holzeinschlag. Zwar verlassen täglich zwei- oder dreihundert schwere Lastwagen mit drei oder vier gewaltigen Urwaldstämmen den größten Ort im Südosten Kameruns, Yokadouma. Als der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer im Westen des Landes jüngst von der Küstenstadt Douala in die Hauptstadt Yaoundé fuhr, kamen ihm so viele Holzladungen aus dem Südosten entgegen, daß er bereits den gesamten Regenwald Kameruns abgeholzt wähnte. Allerdings kommt ein Teil der Ladung auch aus Kongo-Brazzaville und der Zentralafrikanischen Republik. WWF-Mitarbeiter Jaap Schoorl sorgt sich aber weniger um die direkten Folgen des Holzeinschlages. Denn die Holzgesellschaften schlagen auf jedem Hektar nur wenige Stämme, das Ökosystem wird nicht all zu sehr gestört. Ennino Dajelli, der Präsident der italienischen Holzgesellschaft SEFAC in Libongo und Daniel Estoup, der Chef der französischen Gesellschaft SIBAF in Kika haben einen einsichtigen Grund für die auf den ersten Blick verblüffende Bescheidenheit der Holzfäller, die auf Kahlschlag verzichten: Die Produktion ist sehr teuer. Zwar erhält ein Holzfäller nur hundert Mark im Monat, und auch das Sägewerk, ohne das niemand in Kamerun Holz schlagen darf, ist vergleichsweise billig. Aber der Bau eines Kilometers Urwaldpiste verschlingt 17000 Mark. Die Holzfäller-Gesellschaften aber müssen oft mehrere Hundert Kilometer Straßen zur Erschließung ihres Gebietes bauen. In der Trockenzeit braucht ein mit bis zu 3000 Mark im Monat für afrikanische Verhältnisse extrem gut bezahlter Fahrer eine Woche, um eine Ladung Holz aus Libongo oder Kika bis zum Hafen von Douala zu bringen. In der Regenzeit kann die Fahrt auch schon mal einen Monat dauern. Das alles summiert sich zu riesigen Kosten, zweihundert Mark kostet der Transport von einem einzigen Kubikmeter Holz an die Küste. Da lohnt es sich wirklich, nur die Stämme zu fällen, die das meiste Geld bringen. Und davon gibt es auf jedem Hektar Regenwald eben nur zwei oder drei Bäume. Aus rein wirtschaftlichen Gründen haben die Gesellschaften also bereits von sich aus eine Art nachhaltiger Forstwirtschaft im Südosten Kameruns eingeführt. Deshalb haben die Naturschützer des WWF mit den Holzfällern auch kaum Probleme und wollen langfristig mit ihnen auch zusammenarbeiten. Indirekt aber stören die Gesellschaften doch das Regenwald-Biotop. Locken sie doch viele Menschen in die Region. 1973 lebten gerade einmal fünfzehn Siedler in Kika, berichtet Daniel Estoup von der Firma SIBAF, heute hat der Ort sechstausend Einwohner, die alle von der Gesellschaft abhängig sind. SIBAF finanziert den Kindergarten, die Schule und das Krankenhaus. Dabei benötigt eine Holzverarbeitungs-Gesellschaft gar nicht so viele Arbeiter, gerade einmal tausend Beschäftigte stehen zum Beispiel bei Ennino Dajelli von der Firma SEFAC im Raum Libongo in Lohn und Brot. Vom Einkommen jedes Mannes aber lebt eine ganze Großfamilie, die im Durchschnitt zehn Mitglieder zählt. Indirekt aber belasten diese Menschen den Regenwald enorm, weil sie so gut wie keine Haustiere haben. Um an tierisches Protein zu gelangen, sind sie daher auf Bushmeat angewiesen, wie Wild in Zentralafrika genannt wird. Aus diesem Grund sind viele Jäger unterwegs, um Antilopen und andere Tiere zu schießen. Da die meisten Tiere aber in den Reservaten leben, jagen sie dort natürlich besonders gern. Kommt ihnen ein Waldelefant oder ein Gorilla vor die Flinte, schießen sie auch diese geschützten und gefährdeten Arten. Ist doch Gorilla-Fleisch in Zentralafrika ähnlich begehrt wie bei uns gutes Rindfleisch. Und ein Kilogramm Elefantenfleisch bringt sechs Mark. Bei einem normalen Monatseinkommen von hundert Mark im Monat ist die Jagd oder die Wilderei daher ein äußerst lukratives Geschäft. Vor allem wenn die Wilderer die gefährdeten Elefanten, Schimpansen oder Gorillas schießen, gefährden sie natürlich die Ziele des Naturschutzes gravierend. Deshalb versucht der WWF zumindest den Export von Bushmeat in die Städte im Westen zu verhindern. Es gibt bereits Kontakte zu den Holzgesellschaften, die ihren Fahrern verbieten sollen, Fleisch zusätzlich zum Holz aufzuladen, um es im Westen teuer zu verkaufen. Im Gegenteil, Fleisch sollte in den Regenwald transportiert werden, um dort die Menschen mit tierischem Protein zu versorgen, meint WWFMitarbeiter Jaap Schoorl. Wenn die Holzgesellschaften die Löhne erhöhen, können sich die Arbeiter solches Fleisch auch leisten. Der WWF hat auch zwanzig Wildhüter eingestellt, die das Lobeke-Reservat am Sangha-Fluß im Südosten Kameruns überwachen. Obwohl sie eine militärische Ausbildung haben, ist die direkte Überwältigung von Wilderern nicht die wichtigste Aufgabe, erzählt Charlotte Lambo Mazigue, die einzige Frau unter den Wildhütern. Wichtiger ist es vielmehr, in den Dörfern die Bevölkerung über die Auswirkung der starken Bejagung aufzuklären. Die Menschen sollen verstehen, daß sie sich mit der Wilderei am Ende selbst schaden, wenn sich kein Wild mehr findet. So könnten sie zu einer nachhaltigen Form der Jagd bewegt werden, bei der nicht mehr Tiere geschossen werden, als nachwachsen. Nur wenn die Menschen stolz auf ihre Natur sind, werden sie auch bereit sein, sie zu schützen. Allzu schwer fällt den Wildhütern die Aufklärung nicht, schließlich spüren die Jäger bereits die Auswirkungen ihres Tuns am eigenen Leib: Während sie früher problemlos in der unmittelbaren Umgebung ihrer Dörfer jagen konnten, ist dort inzwischen das Wild sehr selten und scheu geworden. Jetzt müssen sie einige Stunden in den Wald laufen, bevor sie mit Aussicht auf Erfolg die Jagd beginnen können. Um die Versorgung mit Fleisch sicher zu stellen, verkaufen die Wildhüter von Wilderern beschlagnahmtes Fleisch billig in den Dörfern. Auf Dauer werden die Menschen den Naturschutz jedoch nicht akzeptieren, wenn sie ”nur” stolz auf ihre Region sind. Sie müssen auch Geld verdienen. Zwar finden bereits heute einige Menschen Anstellung als Wildhüter, von denen der WWF gerade dreißig zusätzliche eingestellt hat. Langfristig aber müssen andere Einnahmequellen gefunden werden. Das könnte zum Beispiel Naturtourismus sein, überlegt Leonard Usongo. Der Afrikaner ist im Auftrag des WWF für das Lobeke-Reservat am Sangha-Fluß zuständig und ist wohl der profilierteste Naturschützer in der Region. Bis allerdings die ersten Touristen kommen können, dürfte noch einiges Wasser den Sangha-Strom herunterfließen. Denn in der einzigen Herberge von Mambele, dem ”Guten Samariter” wird wohl kaum ein Europäer übernachten wollen. Ein Bett in einem kahlen Betonverlies, darüber ein Wellblechdach, eine Plastikplane als Fußboden, kein Tageslicht, kein Moskitonetz – so sieht das Zimmer aus. Die Toilette besteht aus zwei Backsteinen zwischen denen die Exkremente in einem Loch im Betonboden verschwinden sollen, das ganze von einer schmierigen Masse bedeckt. Und die einzige Waschmöglichkeit besteht in einer winzigen Schüssel, in die man aus einem großen Tank Wasser füllen kann. Um halb fünf früh dröhnt lautstarke Musik aus dem Kofferradio des Nachbarn, Ziegen protestieren anscheinend unmittelbar neben dem Bett gegen mangelhaftes Futter, die Dunkelheit oder eine andere Unbill. Nein, das ist nicht gerade der Luxus, den Europäer gemeinhin erwarten. Erst wenn eine Lodge mit besseren Unterkunftsmöglichkeiten direkt am Weg zur Beobachtungsplattform im Regenwald steht, können die Touristen kommen, erklärt Robinson Ngneguen flüsternd auf der Lichtung, als die Konturen der Palmen langsam aus der Dunkelheit der Nacht und dem Nebel des Morgengrauens schälen. Auch dann wird der Weg dorthin noch sehr anstrengend und matschig sein. Aber das nehmen Touristen in Kauf, wenn ihnen nach all dieser Anstrengung Waldelefanten, Gorillas oder Bongo-Antilopen vor die Linsen der Kamera laufen. Auf der anderen Seite des Flusses beweist eine Lodge in der Nähe des Dzangha-Sangha-Reservates das Prinzip. Dorthin bringt zum Beispiel Ikarus-Reisen bereits seit drei Jahren Touristen, die auch bereit sind, schwierige Bedingungen in Kauf zu nehmen. Das Geld, das sie im Regenwald lassen, verschafft etlichen Einheimischen ein gutes Einkommen. Ähnlich sollen sich auch in Kamerun die Reservate entwickeln, plant Jaap Schoorl. Wenn langfristig die Holzgesellschaften ihre bisherige eher nachhaltige Nutzung des Waldes beibehalten, könnten zwischen den Reservaten in Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik, Kongo-Brazzaville und Gabun Wanderwege entstehen, auf denen Waldelefanten und andere Arten ungestört umherziehen könnten. Das Ökosystem afrikanischer Regenwald wäre weitgehend intakt und auch die Menschen fänden ihr Auskommen. Dieses Idealbild möchten die Naturschützer des WWF erreichen. Der Weg dorthin aber wird noch weit sein, auch wenn die Staatschefs der Region sich auf dem Gipfeltreffen in Yaoundé diese Ziele feierlich auf die Fahnen geschrieben haben. Denn zwischen einer Absichtserklärung und ihrer Realisierung liegt auch in Afrika oft eine lange Durststrecke. Bildunterschriften 3-48 und 4-3 Der Holzeinschlag im Regenwald Kameruns ist derzeit noch nachhaltig 4-21, 7-42, 8-6, 8-37, 9-3 Die lokale Bevölkerung soll vom Naturschutz profitieren 5-44, 6-7 und 7-4 Auf den Lichtungen im Regenwald lassen sich Großtiere beobachten 9-37 Die Jagd gefährdet den Regenwald in Kamerun 328-151 Pygmäen jagen nachhaltig 330-258 und 330-270 Elefantenfleisch ist heiß begehrt im afrikanischen Regenwald Alle Fotos: Roland H. Knauer