Weltklimaverhandlungen 2015

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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
NAT/665
Verhandlungen 2015
Globaler Klimawandel
Brüssel, den 20. März 2015
ARBEITSDOKUMENT
der Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz
zum Thema
Weltklimaverhandlungen 2015 (COP 21): Die Rolle der Zivilgesellschaft und deren
Erwartungen
(Initiativstellungnahme)
_____________
Berichterstatter: Lutz RIBBE
_____________
Mitglieder der Studiengruppe "Weltklimaverhandlungen 2015 (COP 21): Die Rolle der
Zivilgesellschaft und deren Erwartungen"
der Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz
NB:
Dieses Dokument wird in der Sitzung am Freitag, den 27. März 2015, um 9.30 Uhr erörtert.
Weitergabe an die Übersetzung: 13. März 2015
Verwaltungsrätin: Frau BROZEK-EVERAERT
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Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu
DE
Studiengruppe:
Weltklimaverhandlungen 2015
(COP 21): Die Rolle der
Zivilgesellschaft und deren
Erwartungen
Vorsitzender:
Ribbe Lutz (DE-III)
Berichterstatter:
Reale Maurizio (IT-I)
Mitglieder:
die Damen und Herren
Back Stefan (SE-I)
Caño Aguilar Isabel (ES-II)
Le Nouail Marlière An (FR-II)
Nilsson Staffan (SE-III)
Pintér Michal (SK-I) (Art. 62 GO für Herrn
Šarmír)
Vidan Toni (HR-III)
Wilms Hans-Joachim (DE-II)
Sachverständiger:
Herr Hubert Weiger (für den Berichterstatter)
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Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 22. Januar 2015, gemäß Artikel 29
Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:
Weltklimaverhandlungen 2015 (COP 21): Die Rolle der Zivilgesellschaft und deren
Erwartungen
(Initiativstellungnahme).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung,
Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am ... an. Berichterstatter war Lutz RIBBE.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner … Plenartagung am … (Sitzung vom …) mit … gegen …
Stimmen bei … Enthaltungen folgende Stellungnahme:
*
*
1.
*
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Werden nach der ersten Studiengruppensitzung verfasst.
2.
Hintergrund
2.1
Vor 23 Jahren, im Mai 1992, wurde in New York die Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen ("United Nations Framework Convention on Climate Change", kurz UNFCCC)
verabschiedet. In Artikel 2 wird ihr Ziel beschrieben, nämlich die anthropogene Störung des
Klimasystems zu verhindern, die globale Erwärmung zu verlangsamen sowie eventuelle
Folgen zu mildern.
2.2
Im selben Jahr, auf der "Rio-Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und
Entwicklung (UNCED)", wurde die Konvention von 154 Staaten unterschrieben. Sie trat im
März 1994 in Kraft; mittlerweile umfasst die Konvention 196 Vertragsstaaten.
2.3
Diese treffen sich jährlich zu den sog. "UN-Weltklimagipfeln", der Konferenz der
Vertragsstaaten ("Conference of Parties", abgekürzt: COP). Bisher wurden keine Maßnahmen
beschlossen, die ausreichen würden, um die Ziele der Konvention auch nur annähernd zu
erreichen. Bislang gibt es nur – durch das auf der COP 3 in Kyoto beschlossene "KyotoProtokoll" – verbindliche Ziele für Emissionshöchstmengen für Industrieländer; das KyotoProtokoll wurde aber bekanntlich nur von einem Teil der Industrieländer ratifiziert.
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3.
Die 21. Vertragsstaatenkonferenz in Paris
3.1
Im Dezember 2015 wird in Paris die 21. COP stattfinden. Dem Versprechen nach sollen
dort – endlich – in Form eines "global deal" die notwendigen, ambitiösen, fairen und
verbindlichen Beschlüsse für alle 196 Vertragsstaaten gefasst werden. Diese sollen dann im
Jahr 2020 in Kraft treten.
3.2
Die angestrebten Beschlüsse betreffen unter anderem …






die Bekämpfung des Klimawandels; die Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, dem
UNFCCC-Sekretariat bis Ende März 2015 ihre nationalen Emissionsminderungsziele
anzuzeigen, die ambitiös sein und über bisherige Anstrengungen hinaus gehen sollen. Die
Summe dieser nationalen Minderungsziele soll ausreichend sein, um den globalen
Temperaturanstieg auf unter 2 Grad zu halten. Ein Synthesebericht, ob dies mit den
national vorgeschlagenen Maßnahmen auch wirklich erreicht werden kann, soll bis zum
1. November 2015 vorgelegt werden;
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel;
Finanzregelungen, was die Bekämpfung, die Anpassung und den Schadensausgleich
("loss and damage") angeht; hierbei geht es u.a. um die Frage, wie die zugesagten
100 Mrd. USD pro Jahr a) aufgebracht und b) unter welchen Kriterien und mit welchen
Vorgaben sie verteilt werden;
Fragen des Transfers von Technologien (unter Berücksichtigung von "geistigem
Eigentum");
Vorschriften zur Überwachung der Vereinbarung, u.a. zu Messung, Berichterstattung,
Überwachung/Transparenz etc.1 und – besonders wichtig –
den rechtlichen Rahmen der Vereinbarung, also: die Verbindlichkeit der Beschlüsse.
3.3
Auch soll vereinbart werden, wie der Zeitraum zwischen der Beschlussfassung im Dezember
2015 und dem Inkrafttreten der verbindlichen Maßnahmen im Jahr 2020 mit konkreten
Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden soll ("pre-2020 action").
3.4
Die Vorteile eines rechtlich-verbindlichen Abkommens wären u.a.:



1
es gäbe ein klares politisches Signal aller Regierungen an die Wirtschaft, Investoren, aber
auch an die Öffentlichkeit, dass eine "low carbon economy" das gemeinsame Ziel der
gesamten Weltgemeinschaft ist;
Transparenz und Verantwortlichkeit wären klar benannt; und
Investitionsmittel für notwendige Maßnahmen würden verfügbar werden, es würde also
eine direkte Verbindung in die reale Wirtschaft hergestellt.
Schon heute sind die Vertragsstaaten verpflichtet, regelmäßige Berichte zu veröffentlichen, die Auskunft über die aktuellen
Treibhausgasemissionen und Trends enthalten müssen.
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3.5
Es herrscht unter den Vertragsstaaten Einvernehmen darüber, dass der Grundsatz einer
gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung gilt; d.h. dass alle Vertragsstaaten, egal
ob sie viel oder wenig zur Klimabelastung beitragen, Verantwortung übernehmen müssen.
Wobei der genaue Umfang von mehreren, durchaus verschiedenen Faktoren wie z.B. dem
historischen sowie dem derzeitigen Emissionsniveau, der Wirtschaftskraft, der Betroffenheit
etc. abhängig gemacht werden soll.
4.
Die Erwartungen der europäischen Zivilgesellschaft an die COP 21
4.1
Der EWSA ruft alle Verhandlungsparteien auf, in Paris endlich ein verbindliches Abkommen
zu verabschieden: Nach nunmehr 21 Verhandlungsjahren, in denen die globalen Emissionen
um fast 50% weiter angestiegen (von 30,8 Mrd. t CO2-Äquivalent in 1992 auf 43,4 Mrd. t in
2011)2 und die negativen Folgen der anthropogenen Klimaveränderungen immer deutlicher
geworden sind, ist es höchste Zeit zu handeln.
4.2
Nahezu alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass es noch möglich ist, den
Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu ist es notwendig, sehr schnell
mit der Umsetzung entsprechend ambitiöser Maßnahmen zu beginnen. Die Studien zeigen
zwar auch, dass das Ziel theoretisch auch noch später erreicht werden kann, dann aber zu
unverhältnismäßig höheren Kosten und unter Inkaufnahme von massiven Schädigungen, von
denen Millionen von Menschen und die Wirtschaft gleichermaßen betroffen wären.
4.3
Der EWSA weist alle Beteiligten – Politiker wie Zivilgesellschaft – noch einmal ausdrücklich
auf die ursprünglichen Ziele der Klimarahmenkonvention hin. Im Text wird nicht von einem
2-Grad-Ziel gesprochen, sondern davon, "anthropogene Störungen des Klimas … zu
verhindern". Störungen mit gravierenden Folgen sind schon heute, weit unterhalb einer
2-Grad-Erwärmung, deutlich erkennbar. Das 2-Grad-Ziel kann also kein Ziel in dem Sinne
sein, das man zu erreichen gedenkt, sondern das möglichst maximal zu unterbieten ist.
4.4
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das 2-Grad-Ziel nur erreicht werden
kann, wenn jeder auf der Erde lebende Mensch im Durchschnitt nicht mehr als 2 t CO2Äquivalent pro Jahr emittieren würde. In Europa (Durchschnitt rund 9 t CO2Äquivalent/Einwohner und Jahr) würde dieser Wert erst mit der Umsetzung des 2050-Ziels
(minus 80-95% CO2-Reduktion) erreicht. China (derzeit ca. 6 t CO2-Äquivalent/Einwohner
und Jahr) müsste seinen aktuellen pro-Kopf-Ausstoß dritteln, noch stärker z.B. die USA
(derzeit 16,5 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) oder der derzeitige "Weltspitzenreiter"
Katar (mit 40 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr). Hingegen können entsprechende
Reduktionen von Staaten wie Mali (0,04 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) oder Ruanda
(0,06 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) nicht erwartet werden. Für diese Staaten gilt es
allerdings, direkt den Weg in eine "low carbon economy" zu gehen. Insofern sind die
2
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/311924/umfrage/treibhausgasemissionen-weltweit/.
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Verantwortlichkeiten hinsichtlich Bekämpfung und Anpassung in der Tat unterschiedlich
(s. Absatz xxx).
4.5
Auf der COP 21 gilt es, einen Konsens darüber herzustellen, im Sinne einer Vorsorgepolitik
"heute" ambitiöse, weitreichende Entscheidungen für "morgen" zu treffen. Diese
Entscheidungen werden die Basis für das wirtschaftliche und soziale Handeln künftiger
Generationen sein; und sie werden helfen das Leid derer zu lindern, die schon heute unter den
Folgen des Klimawandels leiden.
4.6
Auf der COP 21 wird somit kein klassisches Umweltthema verhandelt, es soll vielmehr die
Basis einer neuen globalen "low carbon economy" hergestellt werden.
4.7
Der EWSA begrüßt den Grundsatz der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung.
Gemeinsam heißt, dass alle 196 eine Verantwortung tragen müssen. Niemand darf sich dieser
Verantwortung entziehen oder – was in der Vergangenheit teilweise geschehen ist – nach dem
Motto verfahren: Wir sind nur bereit Verantwortung zu übernehmen, wenn wir dafür bezahlt
werden. Differenziert heißt, dass allerdings sehr wohl eine Solidarität dahingehend notwendig
ist, gerade den Entwicklungsländern beim Aufbau einer klimaschonenden "grünen"
Wirtschaft besonders zu helfen und sie zu befähigen, mit den Klimaschädigungen, von denen
sie häufig am intensivsten betroffen sind, klarzukommen.
4.8
Die Beschlüsse, die notwendig sind, um die Ziele der Klimarahmenkonvention zu erreichen,
werden "heute" besonders in den entwickelten Staaten nicht nur zu "win-win-Situationen"
führen. Deshalb wird zu Recht auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die COP-Beschlüsse
soweit irgend möglich mit kurzfristigen nationalen bzw. branchenbezogenen (WirtschaftsInteressen) vereinbar zu machen.
4.9
Das wird nicht immer gelingen, denn es ist offensichtlich, dass es Wirtschaftsbereiche geben
wird, die im neuen System einer "low carbon economy" keine bzw. eine wesentlich geringere
Rolle spielen werden, die also zu den "Verlierern" des notwendigen Strukturwandels gehören.
Niemandem wäre damit gedient, diese Tatsache zu verschleiern. Vielmehr haben diese
Wirtschaftsbereiche und die betroffenen Personen und Regionen ein Recht darauf zu erfahren,
wie die Politik diesen Wandel möglichst ohne Brüche und sozialverträglich gestalten will.
Diese Schwierigkeiten dürfen allerdings auch kein Anlass sein, heute nicht zu handeln. Denn
heute zu handeln, die Transformation in eine "low carbon economy" zu fördern, ist billiger,
als später Schäden zu reparieren3.
4.10
Der EWSA verweist hier auf seine Sondierungsstellungnahme "Bewertung der EU-Strategie
für nachhaltige Entwicklung"4, in der ausdrücklich auf die Probleme hingewiesen wird, kurz-,
3
4
Ggf. Hinweis auf World Resource Institute-Studie, Better Growth Better Climate, The New Climate Economy Report.
NAT/229 vom 28.4.2004, Ziffer 8.1.
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mittel- und langfristige Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Er bedauert, dass die
EU die damaligen Anregungen nicht aufgegriffen hat.
Die Rolle der EU im globalen Klimaschutz
4.11
Der EWSA ist sich im Klaren darüber, dass es noch keineswegs sicher ist, dass es den
Befürwortern eines stringenten COP 21 Abkommens gelingt, unter insgesamt
196 Vertragsparteien mit sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen, teilweise extrem
unterschiedlichen politischen Ausrichtungen und kulturellen Hintergründen eine solche
"Solidarität für zukünftige Generationen" herzustellen.
4.12
Schon die Verhandlungen über das Klima- und Energiepaket 2030 der EU, die quasi eine
"COP" auf EU-Ebene gewesen sind, haben gezeigt, dass es selbst auf EU-Ebene kaum bzw.
nur unter extremen Schwierigkeiten gelingt, das umzusetzen, was bei der COP 21 angestrebt
wird, nämlich klare nationale Verantwortlichkeiten zu schaffen. So bedauert der EWSA, dass
für den Ausbau der Erneuerbaren Energien ab 2020 keine national verbindlichen Zielwerte
mehr festgelegt sind, was das Erreichen des europäischen Gesamtziels und die "Zuteilung"
von Verantwortung erschweren dürfte5.
4.13
Gerade deshalb ist es so wichtig, in den Verhandlungen, aber auch durch eine aktive Politik
neben den Verhandlungen, Vertrauen dahingehend aufzubauen, dass eine ambitiöse
Klimaschutzpolitik nicht etwa dazu etabliert wird, um sich gegenüber anderen Nationen oder
Wirtschaftskreisen wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.
4.14
Der EWSA unterstützt die Verhandlungsposition der EU6 und fordert mit ihr, dass durch ein
rechtlich verbindliches Abkommen global ein "level playing field" geschaffen wird. Wobei
dem EWSA auch klar ist, dass die "rechtliche Verbindlichkeit" auf UN-Ebene etwas anders
gesehen werden muss als beispielsweise innerhalb der EU selbst; denn die UN verfügen nicht
über reale Sanktionsmechanismen.
Die EU sollte weiter glaubwürdig und mit positivem Beispiel global vorangehen. Ohne
"Vorreiter" und "Motoren" geht es bei solchen Verhandlungsprozessen nicht. Positiv ist zu
beobachten, dass mittlerweile viele Maßnahmen, die zuerst in der EU eingeführt wurden und
die durchaus nicht unumstritten waren, nun von anderen Nationen übernommen wurden. Als
Beispiel können die Fördermaßnahmen bei Erneuerbaren Energien, aber auch das
Emissionshandelssystem genannt werden; von Letzterem wird nun z.T. sogar in China
Gebrauch gemacht.
5
6
Siehe NAT/636, Ziffern 1.2 und 3.3.
Hinweis auf die entsprechende KOM-Mitteilung vom 25. Februar 2015, Das Paris-Protokoll – Ein Blueprint zur Bekämpfung des
globalen Klimawandels nach 2020.
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4.15
Der EWSA würdigt in diesem Zusammenhang, dass die neue EU-Außenbeauftragte,
Frederica Mogherini, mit dem "Climate Diplomacy Action Plan"7 Klimaschutzfragen in ihrer
Außenpolitik intensiv anspricht. Auch die Aussage von Kommissionspräsident Juncker, die
EU weltweit zur Nummer 1 bei Erneuerbaren Energien machen zu wollen, und zwar nicht
nur, weil es dem Klimaschutz dient, sondern weil damit Arbeitsplätze geschaffen und die
Energieversorgungssicherheit gefördert wird, ist ein wichtiges und richtiges Signal.
4.16
Die EU hat somit global einiges vorzuweisen: kein Wirtschaftsraum der Welt emittiert
beispielsweise pro GDP-Einheit weniger Treibhausgase als die EU. Das hat sehr viel mit den
technischen Errungenschaften und somit mit der Innovationskraft europäischer Unternehmen
zu tun, die aus einer vergleichsweise stringenten Umweltschutzgesetzgebung der EU
entsprungen sind. Doch Europa hat auch noch viele Aufgaben vor sich: die angestrebten CO2Reduktionswerte von 80-95% bis 2050 werden sich nicht allein mit technischen Innovationen
erreichen lassen, es werden auch strukturelle Veränderungen notwendig werden, z.B. in
Bereichen wie der Landwirtschaft, dem Wärmebereich im Energiesektor oder dem
Verkehrswesen.
5.
Der Verhandlungsverlauf der COPs der letzten Jahre – und die reale Wirklichkeit
abseits der Verhandlungen
5.1
Der EWSA verfolgt die Klimaverhandlungen seit vielen Jahren. Er ist sich der extremen
Bedeutung eines positiven Abschlusses in Paris bewusst, weist aber gleichzeitig darauf hin,
dass nicht Beschlüsse an sich, sondern nur die Umsetzung realer Maßnahmen das Klima
retten können.
5.2
Die Staatengemeinschaft täte sich in Paris sicher leichter, einen Konsens herzustellen, wären
beispielsweise die gemeinsamen Beschlüsse der "Rio+20-Konferenz" umgesetzt bzw. auf
dem Weg der Umsetzung, nämlich die "schädlichen und ineffizienten Subventionen für fossile
Brennstoffe, die verschwenderischen Verbrauch fördern und die nachhaltige Entwicklung
untergraben, stufenweise zu beseitigen" 8 . Schon damals gab es die Erkenntnis, dass
marktwirtschaftliche Instrumente (z.B. Kohlenstoffbesteuerung, Emissionshandelssysteme
etc.) genutzt werden sollten, was der EWSA für zielführend hält9.
5.3
Die COP 20 in Lima hat die positive Rolle, die die EU bisher sowohl beim Klimaschutz als
auch bei den COPs seit Jahren spielt, noch einmal bestätigt. Europa wird als Vorreiter im
Klimaschutz und als glaubwürdiger Verhandlungspartner anerkannt und akzeptiert. Doch
damit allein ist weder dem Weltklima gedient noch löst dies die offenen Fragen wie z.B. die,
ob eine solche Vorreiterrolle nun letztlich positive oder negative Wirkungen auf die
europäische Wirtschaft haben wird oder nicht.
7
8
9
Quelle angeben.
S. Textziffer 225 der Abschlusserklärung.
Siehe NAT/620, Ziffern 1.3, 1.7, 1.8.
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5.4
Die "Stimmung" auf den COPs hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Waren noch
vor wenigen Jahren regelrechte Blockaden von wichtigen Nationen wie den USA, Kanada,
China, Indien und Brasilien10 – um nur einige zu nennen – zu erkennen, so ist zu beobachten,
dass auch in diesen Staaten mittlerweile die Erkenntnis zum Tragen kommt, dass eine Abkehr
von fossilen Energieträgern (als Hauptverursacher der Treibhausgasbelastung aus den
Industrienationen) notwendig ist. D.h. aber noch nicht, dass die genannten Staaten nun zu
Motoren der Klimaschutzverhandlungen würden.
5.5
Für Europa als bisheriger "Frontrunner" ist es wichtig zu beobachten, welche Entwicklungen
sich abseits der "Welt der COP-Verhandlungen" in der "Welt der realen wirtschaftlichen
Entwicklung" vollziehen. Dazu ein paar Beispiele:
5.6
10
11
12

Auf der COP 20 in Lima haben China und Kalifornien ein Abkommen unterzeichnet, das
eine enge Zusammenarbeit dieser mächtigen Wirtschaftsblöcke in Fragen der
Erneuerbaren Energien, der Elektromobilität und bei Energieeffizienzfragen vorsieht.
Entsprechende strategische Kooperationsabkommen mit Europa gibt es nicht.

China und die USA führen mittlerweile die Liste der Staaten mit den höchsten
Investitionen in Erneuerbare Energien seit einigen Jahren an. In 2013 wurden in China
54,2 Mrd. USD, in den USA 33,9 Mrd. USD und in Japan 28,6 Mrd. USD in Erneuerbare
Energien investiert. Auf Rang 4 und 5 folgen UK (12,1 Mrd. USD) und Deutschland
(9,9 Mrd. USD). Besonders in Deutschland und Italien sind die entsprechenden
Investitionen stark zurück gegangen.11

In China, dessen Kohleverbrauch in 2014 trotz BIP-Steigerung gegenüber 2013 um 2%
zurückgegangen ist, wird mittlerweile mehr Strom aus Wind denn aus Atomkraftwerken
hergestellt. Auch hat die installierte Kapazität von Photovoltaikanlagen dort die der
Atomkraftwerke überholt.

Der Finanzinvestor Warren Buffet strukturiert seine Beteiligungen an
Energieunternehmen komplett um, reduziert seine Anteile an Unternehmen, die mit
fossiler Energie arbeiten12, und investiert massiv in Erneuerbare Energie.
Diese abseits der COP-Verhandlungen zu beobachtenden Entwicklungen sind für die Frage
der Erschließung von Zukunftsmärkten (z.B. bei Erneuerbarer-Energie-Technologien) von
herausragender Bedeutung. Natürlich sind jene Stimmen, die in Europa z.B. vor "carbon
Diese 5 Nationen waren in 2014 für 50% aller CO2-Emissionen verantwortlich!
DE: 30,6 Mrd. USD (2011) über 22,8 Mrd. USD (2012) auf nunmehr 9,9 Mrd. USD (2013). Italien: 28,0 Mrd. USD (2011,
damals Rang 4 weltweit) über 14,7 Mrd. USD (2012) auf nunmehr 3,6 Mrd. EUR (2013, nun weltweit Rang 10).
http://www.n-tv.de/wirtschaft/Buffett-steigt-bei-Exxon-aus-article14535111.html.
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leakage" warnen, die fordern, nicht im europäischen Alleingang zu schnell voranzugehen,
ernst zu nehmen.
5.7
Doch mittlerweile gibt es keinen europäischen Alleingang mehr, es gibt vielmehr einen
globalen Wettbewerb. Deshalb muss mittlerweile auch die Gefahr von "low carbon leakage"
angesprochen werden; also die Gefahr, dass die bisherige technologische und somit
wirtschaftliche Führerschaft Europas, z.B. bei Erneuerbaren Energien, verloren gehen könnte.
5.8
Wie schnell eine solche technologische Führerschaft verloren gehen kann, hat z.B. in der ITBranche Nokia schmerzhaft erfahren müssen. Im Bereich der Erneuerbaren Energien ist zu
beobachten, dass Europa bei der Batteriespeichertechnologie den Anschluss verloren hat. Bei
der Elektromobilität haben China und Kalifornien die Führerschaft übernommen, die weltweit
billigsten PV-Panel werden in China hergestellt; und dass ist kaum auf Lohndumping
zurückzuführen.
Was würde ein (teilweises) Scheitern der Verhandlungen bedeuten?
5.9
Der EWSA möchte damit zum Ausdruck bringen, dass selbst ein Scheitern bzw. ein
teilweises Scheitern der COP-21-Verhandlungen, so bedauerlich dies wäre, zwar ein herber
Rückschlag wäre, aber keinesfalls das "Aus" von Klimaschutzaktivitäten bedeutet. Die
Klarheit und Berechenbarkeit, die ein verbindliches Abkommen mit sich bringen würde und
die für die Wirtschaft wie für die Gesellschaft allgemein unbedingt wünschenswert wäre und
die neue Impulse setzen würde, wäre nicht gegeben. Aber: real hat der Kampf um
Zukunftsmärkte bei "grünen Technologien", die für den Klimaschutz wichtig sind, längst
begonnen, und diesem Kampf wird sich Europa stellen müssen, mit oder ohne COP-21Ergebnisse.
5.10
Der Weg in die "low carbon economy" ist bekanntlich nicht allein mit dem Argument des
Klimaschutzes zu begründen. Die beginnende Knappheit der fossilen Energien, das Thema
Energiesicherheit und die Tatsache, dass mit Erneuerbaren Energietechnologien in vielen
Bereichen bereits billiger Energie produziert wird als mit konventionellen Energieträgern,
zeichnet den unumkehrbaren Weg vor.
6.
Die Rolle der Zivilgesellschaft
6.1
Der Zivilgesellschaft kommen zwei wichtige Rollen zu. Zum einen muss sie dazu beitragen,
den politischen Verhandlungsprozess zu begleiten und gesellschaftlichen Druck ausüben,
damit die o.g. verbindlichen Beschlüsse gefasst werden.
6.1.1
Die COPs haben gezeigt, dass sich längst nicht mehr "nur" Umweltschützer, sondern auch
entwicklungspolitische Gruppen, Frauenorganisationen oder die Vertreter indigener Völker –
um nur einige "stakeholder" zu nennen – für einen stringenten Klimaschutz einsetzen.
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6.1.2
Besonders aber ist mittlerweile das Engagement der (globalen) Gewerkschaftsbewegung
sowie vieler Wirtschaftskreise und Unternehmen zu würdigen, genannt sei hier z.B. die Arbeit
der ITUC und des World Business Council for Sustainable Development. Es wird anerkannt,
dass eine ressourceneffiziente und klimaschonende Wirtschaftsweise neue wirtschaftliche
Entwicklungschancen eröffnet. Die COP 20 in Lima war diesbezüglich eine eindrucksvolle
"Demonstration" beider Seiten, sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Eine
Demonstration, die den verantwortlichen Politikern zeigt, dass eine sehr breite
Gesellschaftsschicht mehr will, als bisher verhandelt wurde.
6.1.3
Und auch bei den Kommunen und in den Regionen haben Klimaschutzaktivitäten eine völlig
neue Dimension erreicht. Auch dort wird anerkannt, dass nicht nur eine Notwendigkeit
besteht, weitere Schäden von bestimmten Regionen und den dort lebenden und
wirtschaftenden Menschen abzuwenden, sondern sich Chancen zum Aufbau neuer
Wertschöpfungsketten auftun, die genutzt werden sollten.
6.2
Die zweite Rolle der Zivilgesellschaft liegt darin, aktiv an der Umsetzung der
Klimaschutzbeschlüsse mitzuwirken. Die Politik muss sich hier strategisch neu aufstellen und
sich um eine viel intensivere Einbeziehung bemühen.
6.2.1
Der EWSA hat z.B. in seiner Untersuchung zur Frage, wie die Zivilgesellschaft bei der
Umsetzung der europäischen Richtlinie "Erneuerbare Energien" eingebunden ist bzw.
eingebunden sein sollte, sehr dezidiert erfahren, dass breite Kreise der Zivilgesellschaft, inkl.
viele KMU, sich eine direkte Beteiligung, z.B. in Form von Bürgerenergieprojekten,
wünschen, um von den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten in ihren Regionen selbst
profitieren zu können.
6.2.2
Der Ausschuss hatte darauf hingewiesen, dass das neue, auf Erneuerbaren Energien
beruhende Energiezeitalter eher auf dezentralen Strukturen fußen wird, und dass es beim
Umbau des jetzigen Systems nicht nur um technische Fragen gehen wird, sondern auch
darum, Akzeptanz zu schaffen, indem partizipatorische Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen
werden. Der Erfolg z.B. der "Energiewende" in Dänemark und Deutschland beruht ja
geradezu darauf, dass sich Privatbürger, Landwirte, Gemeinden, Genossenschaften und
kleinere Unternehmen an der Energieproduktion beteiligen und daraus auch wirtschaftlich
Nutzen ziehen.
6.3
Auf der COP 21 wird es in den Verhandlungen weniger um solche strategischen Fragen
gehen. Umso wichtiger ist es, dass sich die politisch Verantwortlichen außerhalb des COPProzesses mit der Zivilgesellschaft abstimmen und entsprechende Strategien entwickeln.
6.4
Der Ausschuss bedauert, dass weder im Rahmen des Energie- und Klimapakets 2030 der EU
noch der jüngst präsentierten Vorschläge zur Europäischen Energieunion hierzu Hinweise
gegeben werden. Die Zivilgesellschaft wünscht sich ausdrücklich eine Verbindung von neuer
Energiepolitik und regionaler Entwicklung, berichtet aber von Rahmenbedingungen, die sich
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diesbezüglich eher verschlechtern denn verbessern. In keinem Mitgliedstaat, und auch nicht
auf europäischer Ebene, ist eine entsprechende Strategie erkennbar.
6.5
Der EWSA verweist auf seinen entsprechenden Abschlussbericht und empfiehlt der EUKommission, dem Rat und dem EP, hier in einen intensiven Dialog einzutreten, um die
grundsätzliche Bereitschaft der Gesellschaft, neue Strukturen zu entwickeln, nicht zu
verspielen. Die neue Klimapolitik kann und darf nicht "von oben" verordnet werden, sondern
muss auf breiter Zustimmung bei allen Beteiligten fußen und "von unten" umgesetzt werden.
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