Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss NAT/665 Das Paris-Protokoll Brüssel, den 19. Juni 2015 STELLUNGNAHME der Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Umweltschutz zum Thema Das Paris-Protokoll - Ein Blueprint zur Bekämpfung des globalen Klimawandels nach 2020 COM(2015) 81 final _____________ Berichterstatter: Lutz Ribbe _____________ Verwaltungsrätin: Frau Brożek-Everaert NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 1/16 Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu DE Die Europäische Kommission beschloss am 25. März 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 Absatz 2 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: Das Paris-Protokoll - Ein Blueprint zur Bekämpfung des globalen Klimawandels nach 2020 COM(2015) 81 final. Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. Juni 2015 an. Berichterstatter war Lutz Ribbe. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner … Plenartagung am … (Sitzung vom …) mit … gegen … Stimmen bei … Enthaltungen folgende Stellungnahme: * * * 1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen 1.1 Der EWSA erwartet von den Verhandlungsparteien der COP 21, dass diese endlich ein ambitiöses und faires Abkommen mit verbindlichem Charakter beschließen. Die hierzu von der Kommission vorgelegte Verhandlungsposition wird – abgesehen von marginalen Ausnahmen – inhaltlich voll unterstützt. Kritisiert wird allerdings, dass die EU die zentrale Rolle, die die Zivilgesellschaft in diesem Prozess spielen muss, scheinbar immer noch nicht voll begriffen hat. 1.2 Ausnahmslos alle Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention müssen Verantwortung übernehmen, um das eigentliche Ziel, nämlich "die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene 1 Störung des Klimasystems verhindert wird", zu erreichen. Nur dann kann noch größerer Schaden an Mensch, Umwelt und zukünftigen Generationen abgewendet werden. 1.3 Der Grundsatz einer gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung ist richtig. Für die meisten Staaten gilt es, rasch in einen Transformationsprozess einzutreten, der weg von fossilen Energien hin zu hoher Ressourcen- und Energieeffizienz sowie erneuerbaren Energien (EE) führt. Jene Staaten, die heute kaum zur Klimabelastung beitragen, müssen 1 D.h. vom Menschen verursachte. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 2/16 unterstützt werden, direkt den Weg in eine "low carbon economy" zu gehen. Hier tun sich gerade für innovative europäische Unternehmen große Chancen auf, die dabei politische Unterstützung erfahren müssen. 1.4 Auf der COP 21 wird somit kein klassisches Umweltthema verhandelt, es soll vielmehr die Basis einer neuen globalen "low carbon economy" hergestellt werden. 1.5 Solche Prozesse brauchen Vorreiter. Europa hat diese Rolle über viele Jahre erfolgreich eingenommen. Von einem Alleingang Europas in Klimaschutzbemühungen kann nun allerdings nicht mehr gesprochen werden. Mittlerweile investieren viele andere Wirtschaftsblöcke massiv in den Transformationsprozess und in grüne Technologien, ohne dass sie eine aktivere Rolle im COP-Verhandlungsprozess einnehmen würden. Unabhängig vom Verhandlungsausgang in Paris: real hat der Kampf um Zukunftsmärkte bei grünen Technologien, die für den Klimaschutz wichtig sind, längst begonnen, und diesem Kampf wird sich Europa stellen müssen, mit oder ohne COP-21-Ergebnissen. 1.6 Wichtige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die zu "carbon leakage" bzw. "low carbon leakage" führen können, werden nicht im Rahmen der COP verhandelt. Deshalb ist es notwendig, auch außerhalb des UNFCCC-Verhandlungsprozesses die Klimaschutzfragen mit ihren wirtschaftspolitischen Konsequenzen stets im Auge zu haben. Die EU muss sich auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass z.B. marktwirtschaftliche Mechanismen geschaffen werden, die dazu beitragen, dass die produktbezogenen Emissionen bei globalen Handelsfragen berücksichtigt werden. 1.7 Der EWSA gibt zu bedenken, dass nicht – hoffentlich – ambitiöse Ergebnisse der COP 21, sondern erst deren konsequente Umsetzung unser Klima retten würden. Umgesetzt werden diese nicht von Politikern. Diese müssen zwar die richtigen Rahmenbedingungen setzen, die Umsetzung erfolgt aber durch die Zivilgesellschaft. Die Beschlüsse brauchen deshalb gesellschaftlich breite Akzeptanz und Unterstützung von Unternehmen, Gewerkschaften und allen anderen Teilen der Zivilgesellschaft. 1.8 Die vielfältigen Rollen der Zivilgesellschaft (s. Ziffer 6) werden auf der COP leider nur absolut am Rande diskutiert, und die EU hat auch keine erkennbaren Initiativen ergriffen, dies zu ändern. Die vorgelegte Mitteilung enthält absolut keine konkreten Hinweise, welche Rolle die Zivilgesellschaft spielen soll. Die neue Klimapolitik kann und darf nicht "von oben" verordnet werden, sondern muss auf breiter Zustimmung bei allen Beteiligten fußen und "von unten" umgesetzt werden. Der EWSA empfiehlt der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament (EP), endlich in einen intensiven und strukturierten Dialog einzutreten, um die grundsätzliche Bereitschaft der Gesellschaft, neue Strukturen zu entwickeln, nicht zu verspielen. Die bisherige reale Politik der EU ist diesbezüglich sehr enttäuschend. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 3/16 2. Hintergrund 2.1 Vor 23 Jahren, im Mai 1992, wurde in New York die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, kurz UNFCCC) verabschiedet. In Artikel 2 wird ihr Ziel beschrieben, nämlich "die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene 2 Störung des Klimasystems verhindert wird" sowie eventuelle Folgen zu mildern. 2.2 Noch im selben Jahr wurde sie auf der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) von 154 Staaten unterschrieben. Sie trat im März 1994 in Kraft; mittlerweile umfasst die Konvention 196 Vertragsparteien. 2.3 Diese treffen sich jährlich zu den sog. UN-Weltklimagipfeln, der Konferenz der Vertragsparteien (Conference of Parties, abgekürzt: COP). Bisher wurden keine Maßnahmen beschlossen, die ausreichen würden, um die Ziele der Konvention auch nur annähernd zu erreichen: Bislang gibt es nur – durch das auf der COP 3 in Kyoto beschlossene "KyotoProtokoll" – verbindliche Ziele für Emissionshöchstmengen für Industrieländer; das KyotoProtokoll wurde aber bekanntlich nur von einem Teil der Industrieländer ratifiziert. 2.4 Es besteht mittlerweile aber Einigkeit darüber, dass es nach nunmehr 21 Verhandlungsjahren, in denen die globalen Emissionen um fast 50% weiter angestiegen sind (von 30,8 Mrd. t CO2-Äquivalent in 1992 auf 43,4 Mrd. t in 2011) 3 und die negativen Folgen der anthropogenen Klimaveränderungen immer deutlicher werden, höchste Zeit ist zu handeln. 2.5 Nahezu alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass es immer noch möglich ist, den Temperaturanstieg entsprechend zu begrenzen. Dazu ist es notwendig, sehr schnell mit der Umsetzung entsprechend ambitiöser Maßnahmen zu beginnen: Die Studien zeigen zwar auch, dass das Ziel theoretisch auch noch später erreicht werden kann, dann aber zu unverhältnismäßig höheren Kosten und unter Inkaufnahme von massiven Schädigungen, von denen Millionen von Menschen und die Wirtschaft gleichermaßen betroffen wären. 2.6 Die Klimarahmenkonvention definiert nicht, was "gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems" genau bedeutet. Auf der COP 16 (im Jahr 2010) haben sich die Vertragsparteien politisch darauf verständigt, den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius (ggf. sogar 1,5 Grad) gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen, ohne allerdings eine wissenschaftliche Grundlage dafür anzuführen, dass mit dieser politischen Verständigung das Ziel auch erreicht wird. 2 3 D.h. vom Menschen verursachte. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/311924/umfrage/treibhausgasemissionen-weltweit/. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 4/16 2.7 Der EWSA weist alle Beteiligten – Politiker wie Zivilgesellschaft – ausdrücklich darauf hin, dass Störungen mit gravierenden Folgen schon heute, weit unterhalb einer 2-GradErwärmung, deutlich erkennbar sind. Die 2-Grad-Grenze kann also kein Ziel in dem Sinne sein, das man zu erreichen gedenkt, sondern das möglichst maximal zu unterbieten ist. 3. Die COP 21 in Paris 3.1 Im Dezember 2015 wird in Paris die 21. COP stattfinden. Dem Versprechen nach sollen dort – endlich – in Form eines "global deal" die notwendigen, ambitiösen, fairen und verbindlichen Beschlüsse für alle 196 Vertragsparteien gefasst werden. Diese sollen im Jahr 2020 in Kraft treten. 3.2 Die angestrebten Beschlüsse betreffen u.a.: a) die Bekämpfung des Klimawandels; die Vertragsparteien haben sich verpflichtet, dem UNFCCC-Sekretariat bis Ende März 2015 ihre nationalen Emissionsminderungsziele (Intended Nationally Determined Contributions (=INDC)) anzuzeigen, die ambitiös sein und über bisherige Anstrengungen hinausgehen sollen. Die Summe dieser INDC soll ausreichend sein, um den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad zu halten. Ein Synthesebericht, ob dies auch erreicht wird, soll bis zum 1. November 2015 vorliegen; b) Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel; c) Finanzregelungen, was die Bekämpfung, die Anpassung und den Schadensausgleich ("loss and damage") angeht; hierbei geht es u.a. um die Frage, wie bis zum Jahr 2020 die zugesagten 100 Mrd. USD pro Jahr a) aufgebracht und b) unter welchen Kriterien und mit welchen Vorgaben sie verteilt werden; d) Fragen des Transfers von Technologien (unter Berücksichtigung von "geistigem Eigentum"); e) Vorschriften zur Überwachung der Vereinbarung, u.a. zu Messung, Berichterstattung, Überwachung/Transparenz etc.4 und – besonders wichtig – f) den rechtlichen Rahmen der Vereinbarung, also: die Verbindlichkeit der Beschlüsse. 3.3 Auch soll vereinbart werden, wie der Zeitraum zwischen der Beschlussfassung im Dezember 2015 und dem Inkrafttreten der verbindlichen Maßnahmen im Jahr 2020 mit konkreten Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden soll ("pre-2020 action"). 3.4 Die Regierungen werden sich erstmals damit befassen, wie die klimapolitischen Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Der EWSA befürwortet aktuelle Verweise auf die Notwendigkeit, die Menschenrechte zu wahren und einen gerechten Wandel herbeizuführen, in dessen Rahmen beim Übergang zu einer Niedrigemissionswirtschaft menschenwürdige Arbeit und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze entstehen. 4 Schon heute sind die Vertragsparteien verpflichtet, regelmäßige Berichte zu veröffentlichen, die Auskunft über die aktuellen Treibhausgasemissionen und Trends enthalten müssen. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 5/16 3.5 Die EU hat ihre Positionen und Erwartungen zur COP 21 in der Mitteilung Das ParisProtokoll – Ein Blueprint zur Bekämpfung des globalen Klimawandels nach 2020 5 zusammengefasst. Sie schlägt u.a. vor, die Vereinbarungen dadurch verbindlich zu machen, dass das Übereinkommen von Paris als Protokoll zur Klimarahmenkonvention verabschiedet wird. Es soll "in Kraft treten, sobald es von Staaten, die gemeinsam für insgesamt 80% der aktuellen weltweiten Emissionen verantwortlich sind, ratifiziert wurde". 3.6 Es herrscht unter den Vertragsparteien Einvernehmen darüber, dass der Grundsatz einer gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung gilt; d.h. dass alle Vertragsparteien, egal ob sie viel oder wenig zur Klimabelastung beitragen, Verantwortung übernehmen müssen. Wobei der genaue Umfang von mehreren, durchaus verschiedenen Faktoren wie z.B. dem historischen sowie dem derzeitigen Emissionsniveau, der Wirtschaftskraft, der Betroffenheit etc. abhängig gemacht werden soll. 4. Die Erwartungen der europäischen Zivilgesellschaft an die COP 21 Verhandlungen 4.1 Der EWSA ruft alle Verhandlungsparteien auf, in Paris endlich ein rechtlich verbindliches Abkommen zu verabschieden. Er unterstützt mit Nachdruck die in der Kommissionsmitteilung COM(2015) 81 final festgelegte Verhandlungsposition der EU. 4.2 Auf der COP 21 gilt es einen Konsens darüber herzustellen, im Sinne einer Vorsorgepolitik heute ambitiöse, weitreichende Entscheidungen für morgen zu treffen. Diese Entscheidungen werden die Basis für das wirtschaftliche und soziale Handeln künftiger Generationen sein; und sie werden helfen das Leid derer zu lindern, die schon heute unter den Folgen des Klimawandels leiden. 4.3 Auf der COP 21 wird somit kein klassisches Umweltthema verhandelt, es soll vielmehr die Basis einer neuen globalen "low carbon economy" hergestellt werden. 4.4 Der EWSA begrüßt den Grundsatz der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung. Jede Vertragspartei muss ihre Verantwortung erkennen und darf sich dieser nicht mehr entziehen, sich hinter anderen Staaten "verstecken" oder – was in der Vergangenheit teilweise geschehen ist – nach dem Motto verfahren: Wir sind nur bereit Verantwortung zu übernehmen, wenn wir dafür bezahlt werden. Bekämpfung des Klimawandels 4.5 5 Der EWSA weist darauf hin, dass ein global ausreichendes Emissionsniveau nur erreicht werden kann, wenn jeder auf der Erde lebende Mensch im Durchschnitt nicht mehr als 2 t CO2-Äquivalent pro Jahr emittieren würde. COM(2015) 81 final vom 25.2.2015. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 6/16 4.5.1 In Europa (Durchschnitt rund 9 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) würde dieser Wert erst mit der Umsetzung des 2050-Ziels (80-95% CO2-Reduktion in Europa) erreicht. China (derzeit ca. 6 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) müsste seinen aktuellen pro-KopfAusstoß dritteln, noch stärker z.B. die USA (derzeit 16,5 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) oder der derzeitige "Weltspitzenreiter" Katar (mit 40 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr). 4.5.2 Hingegen können Reduktionen von Staaten wie Mali (0,04 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) oder Ruanda (0,06 t CO2-Äquivalent/Einwohner und Jahr) nicht erwartet werden. Insofern geht der EWSA nicht völlig mit einer Aussage der Kommission konform, nämlich dass "alle Staaten ihre Treibhausgasemissionen erheblich und anhaltend senken" müssen. Für diese Staaten gilt es allerdings, direkt den Weg in eine "low carbon economy" zu gehen. Insofern sind die klimapolitischen Verantwortlichkeiten hinsichtlich Bekämpfung und Anpassung in der Tat gemeinsam, aber unterschiedlich. Diese Staaten benötigen dringende Unterstützung, was zugleich viele Kooperationsmöglichkeiten für innovative Unternehmen eröffnet. Europäische Unternehmen, die (noch) 40% aller Patente an grünen Technologien halten, könnten davon besonders profitieren. 4.5.3 Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die genannten Emissionsdaten nicht die großen Unterschiede widerspiegeln, die es innerhalb der sozialen Schichten der Staaten gibt, und dass es Fakt ist, dass die CO2-Emissionen, die bei der Produktion entstehen, den Ländern zugerechnet werden, in denen produziert wird, nicht jenen, in denen die Produkte verwendet werden. Wäre es umgekehrt, so stünde beispielsweise China mit seiner Treibhausbilanz wesentlich besser und Deutschland schlechter dar6. 4.6 Der EWSA sieht in der Erstellung nationaler Emissionsminderungsziele (INDC) einen zentralen Bestandteil des COP-21-Prozesses. Die dramatischen zeitlichen Verzögerungen bei der Einreichung der INDC beim UNFCCC-Sekretariat7 ist ein ganz schlechtes Zeichen. 4.7 Der EWSA ist sich im Klaren darüber, dass es noch keineswegs sicher ist, dass es den Befürwortern eines stringenten COP-21-Abkommens gelingt, unter 196 Vertragsparteien mit sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen, teilweise extrem unterschiedlichen politischen Ausrichtungen und kulturellen Hintergründen eine solche "Solidarität für zukünftige Generationen"8 herzustellen. 4.8 Schon die Verhandlungen über das Klima- und Energiepaket 2030 der EU, die quasi eine "COP" auf EU-Ebene gewesen sind, haben gezeigt, dass es selbst auf EU-Ebene kaum 6 7 8 Universität Maryland, siehe: www.tagesschau.de/ausland/klimaindex104.html. Die INDC sollten bis Ende März 2015 eingereicht sein. Mit Stand vom 17.5.15 hatten lediglich die Schweiz, die EU, Norwegen, Mexiko, die USA, Gabon, Russland, Lichtenstein, Andorra und Canada ihre INDC eingereicht. See: http://www.futurejustice.org/. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 7/16 gelingt, das umzusetzen, was bei der COP 21 angestrebt wird, nämlich klare nationale Verantwortlichkeiten zu schaffen. So bedauert der EWSA, dass im Rahmen des "EU Energieund Klimapakets 2030" keine national verbindlichen Zielwerte mehr festgelegt sind, was das Erreichen des europäischen Gesamtziels und die "Zuteilung" von Verantwortung erschweren dürfte 9 . Die Festlegung nationaler Emissionsminderungsziele (INDC) für die EU-Mitgliedstaaten wäre ein Signal in die richtige Richtung für die COP-Verhandlungen. Anpassung an den Klimawandel, Finanzregelungen und Technologietransfer 4.9 Differenzierte Verantwortung heißt auch, dass eine Solidarität dahingehend notwendig ist, gerade den weniger entwickelten und finanzschwachen Ländern beim Aufbau einer klimaschonenden "grünen" Wirtschaft besonders zu helfen und sie zu befähigen, mit den Klimaschädigungen, von denen sie häufig am intensivsten betroffen sind, klarzukommen. 4.10 Deshalb kommt den Finanzfragen und dem Technologietransfer eine wichtige Rolle zu. Schon einmal wurden die weniger entwickelten Staaten bitter enttäuscht, denn die einst versprochenen "Entwicklungshilfegelder" (0,7% BIP) sind längst nicht in dem versprochenen Umfang geflossen wie versprochen; dies darf sich nicht noch einmal wiederholen. Rechtliche Verbindlichkeit und Überwachung der Vereinbarung 4.11 Der EWSA unterstützt die Aussage der EU, dass die rechtliche Verbindlichkeit des Abkommens die entscheidende Grundlage für ein globales "level playing field" und die Umsetzung der notwendigen Beschlüsse ist. 4.12 Die Vorteile eines rechtlich-verbindlichen Abkommens wären u.a.: 4.13 9 es gäbe ein klares politisches Signal aller Regierungen an die Wirtschaft, Investoren, aber auch an die Öffentlichkeit, dass eine "low carbon economy" das gemeinsame Ziel der gesamten Weltgemeinschaft ist; es würde einen langfristigen und vorhersehbaren Rahmen schaffen, der Investitionen in Emissionsreduktions- und Klimaanpassungstechnologien kosteneffizient fördert; Transparenz und Verantwortlichkeit wären klar benannt und Investitionsmittel für notwendige Maßnahmen würden verfügbar werden, es würde also eine direkte Verbindung in die reale Wirtschaft hergestellt. Die Zivilgesellschaft erwartet, dass ihren Forderungen nach einem gerechten Übergang ("just transition") unter Berücksichtigung der Menschen- und Arbeitsnehmerrechte, einschl. Schadensausgleich ("loss and damage"), und Fragen in Verbindung mit der Anpassung an den Siehe EWSA-Stellungnahme "Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030" (NAT/636), Ziffer 1.2 und 3.3. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 8/16 Klimawandel, insbesondere in den ärmsten Ländern, in dem neuen Weltklimaübereinkommen Rechnung getragen wird. 4.14 Die Umsetzung der Beschlüsse muss zwingend transparent und überprüfbar sein, und Staaten, die sich nicht an Beschlüsse halten, sollten die Vorteile, die das Abkommen bieten wird, nicht weiter in Anspruch nehmen dürfen. 4.15 Der EWSA weist darauf hin, dass der Vorschlag der Kommission, durch regelmäßige Überprüfungen für Dynamik zu sorgen, stringentere Klimaschutzzusagen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten und sich ändernder Verantwortlichkeiten ermöglichen könnte. Erwartungen an die Rolle der EU im globalen Klimaschutz 4.16 Die EU hat sich in den letzten Jahren in Klimaschutzfragen global einen guten Ruf erworben. Der EWSA hält es für wichtig, nicht nur bei den COP-Verhandlungen, aber auch durch eine aktive Politik abseits dieser Verhandlungen weiter Vertrauen dahingehend aufzubauen, dass eine ambitiöse Klimaschutzpolitik nicht etwa dazu etabliert wird, um sich gegenüber anderen Nationen oder Wirtschaftskreisen wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. 4.17 Die EU sollte weiter glaubwürdig und mit positivem Beispiel global vorangehen: Ohne "Vorreiter" und "Motoren" in Politik und Wirtschaft geht es bei solchen Verhandlungs- und Veränderungsprozessen nicht. Es ist wichtig zu betonen, dass die EU diese Vorreiterrolle nur dann glaubhaft spielen kann, wenn bewiesen wird, dass Klimaschutzpolitik und wirtschaftlich positive Entwicklung Hand in Hand gehen. 4.18 Positiv ist zu beobachten, dass mittlerweile viele Maßnahmen, die zuerst in der EU eingeführt wurden und die durchaus nicht unumstritten waren, nun von anderen Nationen übernommen wurden. Als Beispiel können die Fördermaßnahmen bei erneuerbaren Energien, aber auch das Emissionshandelssystem genannt werden; von Letzterem wird nun z.T. sogar in China Gebrauch gemacht. 4.19 Der EWSA würdigt, dass die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, mit dem "Climate Diplomacy Action Plan"10 Klimaschutzfragen in ihrer Außenpolitik intensiv anspricht. Auch die Aussage von Kommissionspräsident Juncker, die EU weltweit zur Nummer 1 bei erneuerbaren Energien machen zu wollen, und zwar nicht nur, weil es dem Klimaschutz dient, sondern weil damit Arbeitsplätze geschaffen und die Energieversorgungssicherheit gefördert wird, ist ein wichtiges und richtiges Signal. 4.20 Die EU hat somit global einiges vorzuweisen, sie hat u.a. gezeigt, dass Wirtschaftswachstum vom Emissionsanstieg entkoppelt werden kann. Kein Wirtschaftsraum der Welt emittiert 10 Erörtert auf der Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) am 19. Januar 2015, Dok. 5411/15. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 9/16 beispielsweise pro GDP-Einheit weniger Treibhausgase als die EU, viele europäische Unternehmen sind "frontrunner", was Energie- und Ressourceneffizienz angeht. Das hat viel mit den technischen Errungenschaften und somit mit der Innovationskraft europäischer Unternehmen zu tun, die einer vergleichsweise stringenten Umweltschutzgesetzgebung der EU entsprungen sind. 4.21 Doch Europa hat auch noch viele Aufgaben vor sich: die angestrebten CO2-Reduktionswerte von 80-95% bis 2050 werden sich nicht allein mit technischen Innovationen erreichen lassen. Das zeigt sich z.B. im Verkehrsbereich, wo Innovation im Bereich von Abgastechnik schlichtweg durch die Zunahme an Fahrzeugen und Fahrwegen zumindest teilweise wieder kompensiert wurde. Es werden folglich auch strukturelle Veränderungen notwendig werden, d.h. es bedarf einer viel stärkeren Kohärenz zwischen der Klimapolitik und anderen Politikbereichen als bisher. 5. Der Verhandlungsverlauf der COP der letzten Jahre – und die reale Wirklichkeit abseits der Verhandlungen 5.1 Der EWSA verfolgt die Klimaverhandlungen seit vielen Jahren. Er ist sich der extremen Bedeutung eines positiven Abschlusses in Paris bewusst, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass nicht Beschlüsse an sich, sondern nur die Umsetzung realer Maßnahmen das Klima retten können. 5.2 Die Staatengemeinschaft täte sich in Paris sicher leichter, einen Konsens herzustellen, wären beispielsweise die gemeinsamen Beschlüsse der Rio+20-Konferenz umgesetzt bzw. auf dem Weg der Umsetzung, nämlich die "schädlichen und ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe, die verschwenderischen Verbrauch fördern und die nachhaltige Entwicklung untergraben, stufenweise zu beseitigen" 11 . Schon damals gab es die Erkenntnis, dass marktwirtschaftliche Instrumente (z.B. Kohlenstoffbesteuerung, Emissionshandelssysteme etc.) genutzt werden sollten, was der EWSA für zielführend hält12. 5.3 Zwischen politischen Versprechungen und Umsetzungen klaffen aber riesige Lücken, die das Vertrauen der Zivilgesellschaft in globale politische Verständigungen erschüttern. Paris darf diese Enttäuschungen nicht noch verstärken, sondern muss eine Kehrtwende herbeiführen. 11 12 Siehe Textziffer 225 der Abschlusserklärung. Siehe EWSA-Stellungnahme "Marktwirtschaftliche Instrumente zur Förderung einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft in der EU" (NAT/620), ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 1, Ziffer 1.3, 1.7, 1.8. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 10/16 5.4 Für Europa ist es aber auch wichtig zu beobachten, welche Entwicklungen sich abseits der "Welt der COP-Verhandlungen" in der "Welt der realen wirtschaftlichen Entwicklung" vollziehen. Dazu ein paar Beispiele: Auf der COP 20 in Lima haben China und Kalifornien ein Abkommen unterzeichnet, das eine enge Zusammenarbeit dieser mächtigen Wirtschaftsblöcke in Fragen der erneuerbaren Energien, der Elektromobilität und bei Energieeffizienzfragen vorsieht. Entsprechende strategische Kooperationsabkommen mit Europa gibt es nicht. China und die USA führen mittlerweile die Liste der Staaten mit den höchsten Investitionen in erneuerbare Energien seit einigen Jahren an. Im Jahr 2013 wurden in China 54,2 Mrd. USD, in den USA 33,9 Mrd. USD und in Japan 28,6 Mrd. USD in erneuerbare Energien investiert. Auf Rang 4 und 5 folgen das Vereinigte Königreich (12,1 Mrd. USD) und Deutschland (9,9 Mrd. USD). Besonders in Deutschland und Italien sind die entsprechenden Investitionen stark zurückgegangen13. Globale Wettbewerbsfähigkeit, "carbon leakage" und/oder "low carbon leakage" 5.5 Die Beschlüsse, die notwendig sind, um die Ziele der Klimarahmenkonvention zu erreichen, werden heute nicht nur zu "win-win-Situationen" führen. Deshalb wird zu Recht auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die COP-Beschlüsse soweit irgend möglich mit kurzfristigen nationalen bzw. branchenbezogenen (Wirtschafts-) Interessen vereinbar zu machen. 5.6 Das wird nicht immer gelingen, denn es ist offensichtlich, dass es Wirtschaftsbereiche geben wird, die im neuen System einer "low carbon economy" keine bzw. eine wesentlich geringere Rolle spielen werden, die also zu den "Verlierern" des notwendigen Strukturwandels gehören. Vielmehr haben diese Wirtschaftsbereiche und die betroffenen Personen und Regionen ein Recht darauf zu erfahren, wie die Politik diesen Wandel möglichst ohne Brüche und sozialverträglich gestalten will. Denn heute zu handeln, die Transformation in eine "low carbon economy" zu fördern, ist billiger, als später Schäden zu reparieren14. 5.7 Die Frage der Erschließung von Zukunftsmärkten, z.B. bei Erneuerbare-Energien- bzw. Effizienz-Technologien, ist für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Europas von herausragender Bedeutung. Natürlich sind jene Stimmen, die in Europa z.B. vor "carbon leakage" warnen, die fordern, nicht im europäischen Alleingang zu schnell voranzugehen, ernst zu nehmen. 5.8 Doch es gibt keinen europäischen Alleingang mehr, es gibt vielmehr einen globalen Wettbewerb! Deshalb muss nun auch "low carbon leakage" angesprochen werden; also die 13 14 DE: 30,6 Mrd. USD (2011) über 22,8 Mrd. USD (2012) auf nunmehr 9,9 Mrd. USD (2013). Italien: 28,0 Mrd. USD (2011, damals Rang 4 weltweit) über 14,7 Mrd. USD (2012) auf nunmehr 3,6 Mrd. EUR (2013, nun weltweit Rang 10). Hinweis auf World Resource Institute-Studie: Better Growth Better Climate, The New Climate Economy Report. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 11/16 Gefahr, dass die bisherige technologische und somit wirtschaftliche Führerschaft Europas, z.B. bei erneuerbaren Energien, verloren gehen könnte. 5.9 Und das kann sehr schnell geschehen. Im Bereich der erneuerbaren Energien ist zu beobachten, dass Europa bei der Batteriespeichertechnologie den Anschluss verloren hat. Bei der Elektromobilität haben China und Kalifornien die Führerschaft übernommen, die weltweit billigsten PV-Panel werden in China hergestellt; und dass ist kaum auf Lohndumping zurückzuführen. 5.10 Die weltweit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen stellen europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb vor bedeutende Herausforderungen. Sektoren wie Stahl, Papier und Chemie, wo es besondere globale Verflechtungen gibt, sind nach wie vor wirtschaftlich wichtig. In der EU ist die Klimabelastung durch die verarbeitende Industrie aufgrund der technologischen Entwicklung zwischen 1990 und 2012 um 31% zurückgegangen15. 5.11 Es ist unwahrscheinlich, dass die Rolle dieser Industriesektoren bis 2050 vollkommen durch neue "grüne" Industriezweige ersetzt werden kann. Es würde weder der europäischen Wirtschaft noch dem globalen Klima dienlich sein, wenn Produktionsverlagerungen dieser Industrien in Länder außerhalb der EU forciert würden, ohne dass es global zu Emissionsrückgängen käme. 5.12 Das Ausmaß dieses "carbon leakage" sorgt oftmals für Diskussionsstoff. Es kann sich um eine direkte Form des "carbon leakage" handeln, indem Fabriken und Produktionsstätten als direkte Reaktion auf neue politische Maßnahmen in Nicht-EU-Länder verlagert werden, aber auch um eine indirektere Form, indem verstärkt in Nicht-EU-Ländern investiert wird, für den Moment jedoch weiterhin in der EU produziert wird. In Bezug auf die heutigen globalen Unternehmen ist aufgrund der vielen Produktionsfaktoren letzteres viel häufiger der Fall. Da die Produktion in diesen "alten Industrien" weltweit zunimmt, müssen auch für diese Industriezweige in der EU ausgewogene Anreize für die Förderung CO2-armer Technologien geschaffen werden, ohne ihre relative Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. 5.13 Industrie und Handel in der EU müssen mit daran arbeiten, ihren Beitrag zur Verringerung der Klimabelastung durch ihre Unternehmen im Einklang mit dem Ziel von minus 80-95% bis 2050 zu leisten. Der Fahrplan zur Erreichung dieses Ziels könnte allerdings je nach Sektor und Unternehmen unterschiedlich sein. Industrie und Handel in der EU können durch die Entwicklung, Herstellung und Ausfuhr von Erzeugnissen und Dienstleistungen andere Länder in ihren Bemühungen zur Emissionsreduktion unterstützen. Sofern dies bei einer geringeren Klimabelastung in Europa als in anderen Regionen geschieht, könnten kurzfristig sogar höhere Gesamtemissionen erlaubt werden, ohne jedoch das europäische Reduktionsziel im 15 Europäische Umweltagentur: Jährliches Treibhausgasinventar der Europäischen Gemeinschaft 1990-2012 und Inventarbericht 2014. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 12/16 Horizont 2050 in Frage zu stellen. Es sollte daher geprüft werden, ob spezifische EU-Fahrpläne für jeden einzelnen Industriesektor zweckdienlich sind. 5.14 Die beschriebenen Probleme von "carbon leakage" bzw. "low carbon leakage" sind nicht Teil der COP-21-Verhandlungen. Deshalb muss sich die EU auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass z.B. marktwirtschaftliche Mechanismen geschaffen werden, die z.B. produktbezogene Emissionen bei globalen Handelsfragen berücksichtigen. Es sind weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionsverlagerungen erforderlich, beispielsweise der preisliche Grenzausgleich auf den Kohlenstoffgehalt von exportierten und importierten Gütern (Border Carbon Adjustments, BCA), um gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten. Bei BCA wird der Preis importierter Güter an der Grenze auf der Grundlage ihres Klimagasgehalts erhöht. Modellen einer neueren Studie zufolge können BCA Emissionsverlagerungen in betroffenen Branchen erheblich mindern16. 5.15 BCA in ihrer derzeit geplanten Form werden von einigen der wichtigsten Handelspartner der EU nicht gutgeheißen. Darüber muss im Rahmen der WTO verhandelt werden. Das WTO-Abkommen ermöglicht die Prüfung solcher "nicht handelsbezogenen Anliegen". Allerdings sollte nicht unterschätzt werden, wie schwierig sich dies ohne eine internationale Vereinbarung über eine Bepreisung der CO2-Emissionen gestalten würde. Dem kann durch konzeptionelle Verbesserungen von BCA begegnet werden. Schlussendlich sind angemessen konzipierte BCA keine Anti-Dumping-Maßnahme, sondern dienen der Förderung eines weltweiten nachhaltigen Klimaschutzes17. 5.16 Konkret bedeutet dies, dass z.B. bei den TTIP- bzw. CETA-Verhandlungen entsprechende Mechanismen vorgesehen werden sollten. Was würde ein (teilweises) Scheitern der Verhandlungen bedeuten? 5.17 16 17 Der EWSA möchte mit diesen Ausführungen zum Ausdruck bringen, dass selbst ein Scheitern bzw. ein teilweises Scheitern der COP-21-Verhandlungen, so bedauerlich dies wäre, zwar ein herber Rückschlag wäre, aber keinesfalls das "Aus" von Klimaschutzaktivitäten bedeutet. Die Klarheit und Berechenbarkeit, die ein verbindliches Abkommen mit sich bringen würde und die für die Wirtschaft wie für die Gesellschaft allgemein unbedingt wünschenswert wäre und die neue Impulse setzen würde, wäre nicht gegeben. Real hat der Kampf um Zukunftsmärkte bei grünen Technologien indes längst begonnen, und diesem Kampf wird sich Europa stellen müssen, mit oder ohne COP-21Ergebnisse. Siehe EWSA-Stellungnahme "Marktwirtschaftliche Instrumente zur Förderung einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft in der EU" (NAT/620), ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 1, Ziffer 3.5. Ebd. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 13/16 5.18 Der Weg in die "low carbon economy" ist bekanntlich nicht allein mit dem Argument des Klimaschutzes zu begründen. Die beginnende Knappheit der fossilen Energien, das Thema Energiesicherheit und die Tatsache, dass mit EE-Technologien in vielen Bereichen bereits billiger Energie produziert wird als mit konventionellen Energieträgern, zeichnet den unumkehrbaren Weg vor. 6. Die Rolle der Zivilgesellschaft 6.1 So wie der EWSA die Positionen der Kommission in ihrer Mitteilung zum Paris-Protokoll unterstützt, so unverständlich findet er es auf der anderen Seite, dass die Mitteilung jegliche Strategie dazu vermissen lässt, wie die Kommission ihre Positionen sowie die später anstehende Umsetzung der Beschlüsse mit der Zivilgesellschaft kommunizieren bzw. organisieren will. Für den EWSA steht die Kommission eindeutig in einer Bringschuld, zu ihrer klimapolitischen Strategie in einen strukturierten Dialog mit der Zivilgesellschaft und insbesondere mit den sie repräsentierenden institutionellen Gremien einzutreten. 6.2 Der Zivilgesellschaft kommen mindestens drei wichtige Rollen zu. Zum einen muss sie dazu beitragen, den politischen Verhandlungsprozess zu begleiten und gesellschaftlichen Druck ausüben, damit die o.g. verbindlichen Beschlüsse gefasst werden. 6.2.1 Verhandlungen – wie die COP – sind ja nur deshalb nötig, weil es innerhalb der Staatengemeinschaft unterschiedliche Auffassungen über Dringlichkeit, Umfang, Finanzierung, Verantwortlichkeit etc. gibt. Wäre man sich einig, bräuchte man nicht zu verhandeln. Auch innerhalb der Zivilgesellschaft gab (und gibt) es entsprechend unterschiedliche Positionen. Doch die letzten COP haben indes gezeigt, dass es längst nicht mehr "nur" Umweltschützer, entwicklungspolitische Gruppen, Frauenorganisationen oder die Vertreter indigener Völker – um nur einige "Stakeholder" zu nennen – sind, die sich für einen stringenten Klimaschutz einsetzen, sondern dass eine ganz breite globale zivilgesellschaftliche Bewegung entstanden ist. 6.2.2 Besonders zu würdigen ist seit vielen Jahren das intensive Engagement der (globalen) Gewerkschaftsbewegung sowie vieler Wirtschaftskreise und Unternehmen, genannt sei hier z.B. die Arbeit des IGB und des World Business Council for Sustainable Development. Es wird anerkannt, dass eine ressourceneffiziente und klimaschonende Wirtschaftsweise neue wirtschaftliche Entwicklungschancen eröffnet. 6.2.3 Die COP 20 in Lima war diesbezüglich eine eindrucksvolle "Demonstration" beider Seiten, sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer, aber auch der gesamten Zivilgesellschaft, die den verantwortlichen Politikern zeigt, dass sehr breite Gesellschaftsschichten mehr wollen, als politisch bisher verhandelt wurde. 6.2.4 Auch in den Kommunen und den Regionen haben Klimaschutzaktivitäten eine völlig neue Dimension erreicht. Auch dort wird anerkannt, dass nicht nur eine Notwendigkeit besteht, NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 14/16 weitere Schäden von bestimmten Regionen und den dort lebenden und wirtschaftenden Menschen abzuwenden, sondern sich Chancen zum Aufbau neuer Wertschöpfungsketten auftun, die genutzt werden sollten. 6.3 Die zweite Rolle der Zivilgesellschaft liegt darin, aktiv an der Umsetzung der Klimaschutzbeschlüsse mitzuwirken. Die Politik muss sich hier nach Auffassung des EWSA strategisch völlig neu aufstellen, eine solche Mitwirkung möglich machen und sich um eine viel intensivere Einbeziehung bemühen. 6.3.1 Der EWSA hat z.B. in seiner Untersuchung zur Frage, wie die Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie eingebunden ist, sehr dezidiert erfahren, dass sich breite Kreise der Zivilgesellschaft, inkl. viele KMU, eine direkte Beteiligung, z.B. in Form von Bürgerenergieprojekten, wünschen, um von den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten in ihren Regionen selbst profitieren zu können. 6.3.2 Der Erfolg z.B. der "Energiewende" in Dänemark und Deutschland beruht ja geradezu darauf, dass sich Privatbürger, Landwirte, Gemeinden, Genossenschaften und kleinere Unternehmen an der Energieproduktion beteiligen und daraus auch wirtschaftlich Nutzen ziehen, doch die entsprechenden Beteiligungsmöglichkeiten werden von der Kommission eher systematisch verschlechtert, denn verbessert. 6.4 Drittens kann die Zivilgesellschaft neben der Überwachung des Prozesses und der Unterstützung für die Umsetzung der Beschlüsse auch zur Verbreitung bewährter Verfahren und von Fachwissen in Verbindung mit positiven Entwicklungen in den Unternehmen beitragen. Ein besonderer Schwerpunkt sollte auf die wirtschaftlichen Bereiche gelegt werden, über die die weit verbreitete falsche Annahme herrscht, dass sie untätig bleiben und die Emissionen einfach weitersteigen lassen – beispielsweise Verkehr oder industrielle Verfahren. Politische Entscheidungen können wirksamer sein, wenn die Anreize auf dem Wissen über aktuelle oder künftige Entwicklungen in Technologie und Unternehmensmodellen beruhen. Die Zivilgesellschaft kann diese Rolle durch die Veranstaltung von Konferenzen und die Förderung des Informationsaustausches ausüben, die von der starken Unterstützung durch den privaten Sektor, nicht zuletzt in den EUMitgliedstaaten zeugen. 6.5 Auf der COP 21 wird die strategische Rolle der Zivilgesellschaft so gut wie nicht angesprochen. Umso wichtiger ist es, dass sich die politisch Verantwortlichen außerhalb des COP-Prozesses mit der Zivilgesellschaft abstimmen und entsprechende Strategien entwickeln. 6.6 Die EU hat hier einen enormen Nachholbedarf. Der Ausschuss bedauert beispielsweise, dass weder im "Energie- und Klimapaket 2030 der EU" noch im Vorschlag zur Europäischen Energieunion konkrete Ideen zur Einbeziehung der Zivilgesellschaft gegeben werden. NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 15/16 6.7 Der EWSA empfiehlt der Kommission, dem Rat und dem EP, hier endlich in einen intensiven und strukturierten Dialog einzutreten, um die grundsätzliche Bereitschaft der Gesellschaft, neue Strukturen zu entwickeln, nicht zu verspielen. Die neue Klimapolitik kann und darf nicht "von oben" verordnet werden, sondern muss auf breiter Zustimmung bei allen Beteiligten fußen und "von unten" umgesetzt werden. Brüssel, den 4. Juni 2015 Die Vorsitzende der Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz Dilyana Slavova _____________ NAT/665 – EESC-2015-00580-00-00-AS-TRA (EN) 16/16