Text und Begründung - beim Kanton Aargau

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GROSSER RAT
WORTPROTOKOLL
26. Sitzung vom 25. März 2014 von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr (Art. 0391-0419)
Vorsitzender:
Thierry Burkart, Baden
Protokollführung:
Rahel Ommerli-Peyer, Ratssekretärin
Präsenz:
Anwesend 136 Mitglieder
Abwesend mit Entschuldigung 4 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Fabian Hauser, Birmenstorf; Daniel Hölzle,
Brittnau; Sukhwant Singh-Stocker, Möhlin; Dr. Theo Voegtli, Böttstein
Die Protokolle der 14. bis 21. Sitzung wurden vom Büro genehmigt.
Behandelte Traktanden
Seite
0391 Mitteilungen
975
0392 Roland Aeschimann, EVP, Reinach; Mitglied des Grossen Rats; Rücktritt
975
0393 Motion Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim (Sprecherin), Hans Dössegger, SVP, Seon,
Ruedi Weber, Grüne, Menziken, und Antoinette Eckert, FDP, Wettingen, vom 25. März 2014
betreffend Littering; Einreichung und schriftliche Begründung
976
0394 Motion Richard Plüss, SVP, Lupfig, vom 25. März 2014 betreffend Umsetzung der §§ 26 und
28 des Aargauischen Waldgesetzes und damit verbunden eine kantonale Regelung der
Forstrevieraufgaben und Forstrevierbeiträge sowie Forstrevierentschädigungen zwischen
Kanton und Gemeinden; Einreichung und schriftliche Begründung
977
0395 Postulat Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 25. März 2014 betreffend Überprüfung und ev.
Anpassung des Merkblattes für die Erteilung von Sonderbewilligungen bei volkstümlichen
Anlässen, z. B. bei Fasnachts-Umzügen; Einreichung und schriftliche Begründung
977
0396 Postulat Herbert Strebel, CVP, Muri (Sprecher), und Andrea Moll-Reutercrona, FDP, Sins,
vom 25. März 2014 betreffend Erweiterung der touristischen Signalisation auf den
Autobahnen, die auf das Freiamt hinweisen; Einreichung und schriftliche Begründung
978
0397 Auftrag der Fraktion der Grünen vom 25. März 2014 betreffend Erneuerung Gründungsvertrag
der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK); Einreichung und schriftliche Begründung
979
0398 Interpellation der BDP-Fraktion vom 25. März 2014 betreffend Gefahr der Freilassung von
"Tobi B." wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeit; Einreichung und schriftliche
Begründung; Antrag auf dringliche Behandlung; Ablehnung
980
0399 Interpellation der BDP-Fraktion vom 25. März 2014 betreffend räumliche Zusammenlegung
KAPO und REPOL Bremgarten; Einreichung und schriftliche Begründung
982
973
0400 Interpellation der Fraktionen der SP und der FDP vom 25. März 2014 betreffend
Auslagerungsstrategie von Aufgaben des Kantons Aargau; Einreichung und schriftliche
Begründung
983
0401 Interpellation Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim, vom 25. März 2014 betreffend
Sterbebegleitung; Einreichung und schriftliche Begründung
984
0402 Interpellation Martin Christen, SP, Spreitenbach, vom 25. März 2014 betreffend Altlasten der
AKWs Beznau 1 und 2 auf dem Grund des Atlantiks; Einreichung und schriftliche Begründung
985
0403 Interpellation Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli, vom 25. März 2014 betreffend China-Reise
von Schulleitungsmitgliedern der Kantonsschule Wohlen und weitere Auslandreisen;
Einreichung und schriftliche Begründung
986
0404 Interpellation Silvan Hilfiker, FDP, Oberlunkhofen, vom 17. September 2013 betreffend
Attraktivität des Kantons Aargau für Neugründungen von Unternehmen; Beantwortung;
Erledigung
987
0405 Interpellation Ralf Bucher, CVP, Mühlau, vom 19. November 2013 betreffend Anrechenbarkeit
des in einem Einzelunternehmen investierten Eigenkapitals für die Anspruchsberechtigung bei
der Prämienverbilligung und den Bezug von Ausbildungsbeiträgen; Beantwortung; Erledigung
991
0406 Interpellation der Fraktion der Grünen vom 17. September 2013 betreffend Umsetzung
revidiertes Bundesgesetz über die Raumplanung und zum Kapitel Siedlung im Richtplan des
Kantons Aargau; Beantwortung; Erledigung
992
0407 Bettina Bärtschi, Ehrendingen; Ersatzrichterin am Spezialverwaltungsgericht; Wahl
993
0408 Antonia Fischer, Baden, Ersatzrichterin am Handelsgericht (Stellv. Präsident); Wahl
994
0409 Viktor Egloff, Würenlos, Verwaltungsrichter; Wahl
994
0410 Viktor Egloff, Würenlos, Oberrichter und Verwaltungsrichter; Inpflichtnahme
995
0411 Postulat der Fraktion der Grünen vom 19. November 2013 betreffend Fremdsprachenunterricht an der Primarschule; Überweisung an den Regierungsrat und gleichzeitige
Abschreibung
995
0412 Interpellation der SP-Fraktion vom 3. Dezember 2013 betreffend Kommunikation rund um die
Diskussion des Standortskonzepts und des Finanzierungskonzepts der Sek-II-Stufe;
Beantwortung und Erledigung
999
0413 Einbürgerungen 2014; 1. Serie; Kenntnisnahme
1001
0414 Einbürgerungen; Einbürgerungsdossier 15010; Beschlussfassung
1002
0415 Motion der SP-Fraktion vom 26. November 2013 betreffend Abschaffung des "Tanzverbots"
vor christlichen Feiertagen im Kanton Aargau; Ablehnung
1002
0416 Interpellation der SP-Fraktion vom 26. November 2013 betreffend Mindestlöhne im Kanton
Aargau; Beantwortung und Erledigung
1009
0417 Interpellation der FDP-Fraktion vom 12. November 2013 betreffend
Verbesserungsmöglichkeiten bei den Familiengerichten; Beantwortung und Erledigung
1012
0418 Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG);
Änderung; Eintreten, Detailberatung und Gesamtabstimmung
1016
0419 Einführung einer Liste der säumigen Versicherten; Einführungsgesetz zum Bundesgesetz
über die Krankenversicherung (EG KVG); Änderung; 1. Beratung; Beginn der Eintretensdiskussion
1024
974
0391 Mitteilungen
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie zur 26. Sitzung der Legislaturperiode 2013/2016.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass am Grossratsgebäude die Fahne des Kantons Schwyz gehisst
wurde. Dies, weil heute die Ratsleitung des Kantons Schwyz zu Besuch kommt. Die Delegation unter
der Leitung von Frau Kantonsratspräsidentin Doris Kälin wird uns heute Nachmittag zwischen 14.00
und 15.00 Uhr auf der Tribüne die Ehre erweisen.
Die vereinigte Bundesversammlung hat am 19. März 2014 Frau Oberrichterin Daniela Viscione, Wettingen, SVP, mit 191 von 192 gültigen Stimmen als nebenamtliche Richterin am Bundesgericht gewählt. Namens des Grossen Rats gratuliere ich Frau Viscione herzlich zur verantwortungsvollen,
neuen Aufgabe!
Die Traktandenliste wird stillschweigend genehmigt.
Regierungsrätliche Vernehmlassung an Bundesbehörden:
1. Revision des Bundesgesetzes über die Informationssysteme des Bundes im Bereich Sport
(IBSG); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Sport vom 13. März 2014
2. Änderung der Verordnung über die Reduktion der C02-Emissionen (C02-Verordnung); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Umwelt vom 13. März 2014
3. Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR); Vernehmlassung zuhanden der Oberzolldirektion vom 13.
März 2014
4. Massnahmen zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit (Unternehmenssteuerreform
III); Vernehmlassung zuhanden der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 18. März 2014
5. 11.449 Parlamentarische Initiative; Publikation von Erwachsenenschutzmassnahmen; Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für Justiz vom 19. März 2014
6. Bundesgesetz über die Revision der Quellenbesteuerung des Erwerbseinkommens; Vernehmlassung zuhanden der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 19. März 2014
7. Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesschutz); Vernehmlassung zuhanden
des Bundesamts für Justiz vom 19. März 2014
8. Änderung des Zivilgesetzbuches (Adoption); Vernehmlassung zuhanden des Bundesamts für
Justiz vom 19. März 2014
Die Staatskanzlei stellt auf Verlangen die Vernehmlassungen samt den Unterlagen des Bundes zur
Verfügung. Die Vernehmlassungen können auch im Internet (www.ag.ch) abgerufen werden.
0392 Roland Aeschimann, EVP, Reinach; Mitglied des Grossen Rats; Rücktritt
Vorsitzender: Es liegt mir ein Rücktrittsschreiben vor. Erlauben Sie mir, es Ihnen vorzulesen:
"Am 23. August 2011 trat ich in die Nachfolge des kurze Zeit später verstorbenen Hansruedi Mettler.
Nach knapp drei Jahren im Grossen Rat lege ich heute dieses Amt ab.
Eine berufliche Neuorientierung im vergangenen Jahr und das Erleben von persönlichen Grenzen
haben mich zu diesem Schritt bewogen.
Als Mitglied der Gesundheitskommission durfte ich in dieser Zeit viele wichtige Geschäfte mittragen.
Die wertvollen Kontakte in der Kommission habe ich sehr geschätzt und ich danke für die fruchtbare
Zusammenarbeit.
25. März 2014
Art.-Nr. 0391-0392
975
Mein Dank geht auch an alle anderen Ratsmitglieder, die Mitglieder des Regierungsrates, den Parlamentsdienst und die Mitarbeitenden des Kantons, denen ich in der Arbeit des Grossen Rates begegnen durfte. Die Beziehungen über die Parteigrenzen hinaus werde ich in guter Erinnerung bewahren.
Als abtretender Grossrat wünsche ich dem Parlament und der Regierung viel Weisheit in anstehenden Entscheidungen. Nicht zuletzt den Mut, parteistrategische Überlegungen zu Gunsten von nachhaltigen Lösungen für die Aargauerinnen, die Aargauer und den ganzen Kanton Aargau zurück zu
stellen und dabei viel Freude und Bestätigung in Ihrem Amt zu erleben.
"Bhüet Euch Gott" und auf Wiedersehen. Roland Aeschimann, Reinach"
Roland Aeschimann ist, wie aus seinem Schreiben hervorgeht, am 23. August 2011 für die EVPFraktion in den Grossen Rat eingetreten. Per heute legt er dieses Amt nieder. Roland Aeschimann
war Mitglied in der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen, stellvertretendes Mitglied in der
Kommission für Bildung, Kultur und Sport sowie in der Geschäftsprüfungskommission. Er war ebenfalls Mitglied der Wahlaktenprüfungskommission. Lieber Herr Aeschimann, wir wünschen Ihnen alles
Gute auf Ihrem weiteren Lebensweg und danken Ihnen für Ihren Einsatz zugunsten des Kantons
Aargau.
0393 Motion Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim (Sprecherin), Hans Dössegger, SVP, Seon,
Ruedi Weber, Grüne, Menziken, und Antoinette Eckert, FDP, Wettingen, vom 25. März 2014
betreffend Littering; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim, Hans Dössegger, SVP, Seon, Ruedi Weber, Grüne,
Menziken, Antoinette Eckert, FDP, Wettingen, und 32 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird
folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird beauftragt, einen Massnahmenkatalog zur Bekämpfung von Littering auszuarbeiten und dem Grossen Rat eine gesetzliche Regelung für die Umsetzung vorzulegen.
Begründung:
Weder die schon getroffenen Massnahmen auf kommunaler wie auch auf kantonaler Ebene zur Bekämpfung von Littering zeigen den gewünschten Erfolg. Die in ein Postulat umgewandelte Motion
Hans Dössegger, SVP, Seon vom 1. Juni 2010 zum gleichen Thema entfaltete nicht die gewünschte
Wirkung, da sie ohne konkrete Massnahmen abgeschrieben wurde.
Entlang von Strassen, auf öffentlichen Plätzen, im Landwirtschaftsland mit zum Teil üblen Folgen für
die Tiere, die diesen Abfall fressen, nach Grossveranstaltungen auf dem Gelände und in dessen
Umgebung, auf Rastplätzen, in Schularealen, bei Waldhütten, auf Bahnhöfen, in Zügen und in Bussen, rund um viele Schnellimbissgeschäfte (Liste der durch Abfälle verunreinigten Orte ist nicht abschliessend) zeigt sich Littering in einem Ausmass, welches nicht mehr toleriert werden kann.
Die hohen Kosten, die durch Littering, respektive durch die Beseitigung dieser Abfälle entstehen,
erfordern Massnahmen, die diese gedankenlos verursachten Ausgaben reduzieren. Nur längerfristig
wirksame und griffige Massnahmen gegen Littering werden positive Resultate im öffentlichen Raum
zeigen und auch zu einer Kostenreduktion für die Beseitigung der entsprechenden Abfälle führen.
Die Sensibilisierung für das Thema Littering und die Bereitschaft eigenverantwortlich zu handeln,
scheint in der Bevölkerung noch zu wenig verankert zu sein, ja leider sogar abzunehmen.
25. März 2014
Art.-Nr. 0393
976
0394 Motion Richard Plüss, SVP, Lupfig, vom 25. März 2014 betreffend Umsetzung der §§ 26
und 28 des Aargauischen Waldgesetzes und damit verbunden eine kantonale Regelung der
Forstrevieraufgaben und Forstrevierbeiträge sowie Forstrevierentschädigungen zwischen
Kanton und Gemeinden; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Richard Plüss, SVP, Lupfig, und 36 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Motion
eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, mit den zuständigen Fachverbänden (Aarg. Waldwirtschaftsverband / Gemeindeammännervereinigung / Aarg. Försterverband / und Abteilung Wald) eine Arbeitsgruppe einzusetzen, welche die Forstrevieraufgaben und die damit verbundenen Forstrevierentschädigungen zwischen Kanton und Gemeinden neu regelt.
Begründung:
Auf ein vom Grossen Rat überwiesenes Postulat (GR 10.78) hat der Regierungsrat die Forstrevieraufgaben und Forstrevierentschädigungen analysiert. Es wurde ein externes Fachbüro eingesetzt.
Diese Analyse zeigte deutlich auf, dass viele Forstrevieraufgaben (zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit)
nicht oder nur ungenügend entschädigt werden.
Obwohl sich der Regierungsrat bewusst war, dass es neue Lösungen und Regelungen in diesem
Bereich braucht, sind paradoxerweise im Zusammenhang mit den geplanten Sparmassnahmen Finanzkürzungen vorgesehen, von welchen der Regierungsrat nicht abweichen will.
Er zitiert in der Beantwortung der Interpellation (GR 14.10) den Paragraphen 26 des Aargauer Waldgesetzes, welcher auch vorsieht, dass die Gemeinden im Bereich der Forstrevieraufgaben in Pflicht
genommen werden können.
Im kantonalen Richtplan ist folgendes nachzulesen: "Als grossflächiger naturnaher Lebensraum trägt
der Wald entscheidend bei zu einer abwechslungsreichen Landschaft sowie zur Förderung und Erhaltung der Artenvielfalt… Als unverzichtbare Ausgleichsfläche zu den übrigen intensiv genutzten
Flächen erbringt er vielfältige Schutz- und Wohlfahrtsleistungen. Der Wald und seine Verteilung tragen wesentlich zur Standort- und Wohnqualität im Aargau bei."
Diese Feststellungen haben bereits heute grosse Auswirkungen auf das Waldeigentum. Über 41
Millionen Mal halten sich Aargauerinnen und Aargauer pro Jahr im Wald auf. Mit der geplanten Bevölkerungszunahme wird dieser Wert auf knapp 50 Millionen ansteigen. Es ist nicht Aufgabe von ein
paar wenigen Waldeigentümern diese Freizeitarena zu finanzieren. Wenn wir den Aargauer Wald
betreuungs- und kontrollmässig nicht verludern lassen wollen, braucht es zwingend neue Regelungen bezüglich Aufgaben und Abgeltung der Revieraufgaben.
Es kann nicht sein, dass jede Gemeinde in den Revieraufgaben seine Indikatoren selber definieren
muss und es grosse Unterschiede von Forstrevier zu Forstrevier in diesem Hoheitsbereich gibt.
Deshalb braucht es zwingend eine Koordination auf kantonaler Ebene und eine Projektausarbeitung
in Zusammenarbeit der aufgeführten Fachverbände, welche möglichst schnell in Angriff genommen
werden muss.
0395 Postulat Theres Lepori, CVP, Berikon, vom 25. März 2014 betreffend Überprüfung und
ev. Anpassung des Merkblattes für die Erteilung von Sonderbewilligungen bei volkstümlichen
Anlässen, z. B. bei Fasnachts-Umzügen; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Teres Lepori, CVP, Berikon, und 9 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat
eingereicht:
25. März 2014
Art.-Nr. 0394-0395
977
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, das Merkblatt des Strassenverkehrsamtes des Kantons Aargau
auf Aktualität und Tauglichkeit zu prüfen und allenfalls an die Umsetzbarkeit bzw. Realität anzupassen.
Begründung:
Aus dem heute gültigen Aargauer Merkblatt beachte man unter "Kontrollpunkte für die Betriebssicherheitskontrolle" den Hinweis, dass zum Schutz der Zuschauer (vor allem kleine Kinder) Zugfahrzeuge und Anhänger seitwärts, vorn und hinten der Fahrzeugkombination bis 20 cm über dem Boden mit festem Material zu verkleiden seien. Freie Räder sind nicht erlaubt. Der Raum zwischen
Zugwagen und Anhänger ist mit elastischen Materialien z. B. mit dicken Gummiseilen zu sichern.
Bei allem Respekt vor Gefahren, bedeutet dies das Ende der Fasnachts-Umzüge im Kanton Aargau.
Ein "Traditionsgut", das alljährlich Jung und Alt – die Aktiven wie auch die Zuschauer – kultur- und
sprachübergreifend erfreut. Der Kanton Zürich z. B. kennt keine solchen unrealistischen Vorschriften.
Zudem ist zu bemerken, dass diese Traktoren im Arbeitseinsatz für Landwirte stehen und können
daher nicht für die Zeit von ca. 5 Wochen während der Fasnachts-Zeit mit einer solchen "Verpackung" stillstehen. Wie gesagt, bei allem Respekt vor Gefahren, muss in diesem Zusammenhang
auch erwähnt sein, dass an den Umzügen ausnahmslos in langsamstem Schritt-Tempo gefahren
wird. Die Organisatoren sind zudem verpflichtet, an kritischen Stellen Absperrungen anzubringen
und kleine Kinder stehen immer in Begleitung von Erwachsenen am Strassenrand.
Aus all diesen Argumenten drängt sich eine Überprüfung des Merkblattes auf Zweckmässigkeit auf,
die verlangte Massnahme wird kaum eingehalten.
0396 Postulat Herbert Strebel, CVP, Muri (Sprecher), und Andrea Moll-Reutercrona, FDP, Sins,
vom 25. März 2014 betreffend Erweiterung der touristischen Signalisation auf den Autobahnen, die auf das Freiamt hinweisen; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Herbert Strebel, CVP, Muri, Andrea Moll-Reutercrona, FDP, Sins, und 19 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, das bestehende Konzept der touristischen Autobahnsignalisation, mit Hinweis auf das Freiamt, zu erweitern. Es fehlen touristische Signalisationen entlang der
Autobahnen die auf das Freiamt hinweisen.
Begründung:
Der südlichste Teil des Kantons Aargau, das Freiamt, grenzt an die Kantone Zürich, Zug und Luzern.
Die Autobahn A1 durchquert den Kanton und die beiden Autobahnen A4 und A14 grenzen an das
Freiamt.
Der Kanton Aargau rühmt sich zu Recht als Kulturkanton, dessen Stärke die kulturelle und regionale
Vielfalt ist. Er lässt sich dies auch etwas kosten und unterstützt diverse kulturelle Projekte und Institutionen.
Das flächenmässig grosse Freiamt hat sehr viele touristische Sehenswürdigkeiten, die zu besuchen
sich lohnen. Deshalb muss auch darauf hingewiesen werden. So befinden sich zwei der neun
Leuchttürme im Bezirk Muri (alte Kirche Boswil und Muri Kultur). In Muri steht die national und international bekannte Klosteranlage mit dem einzigartigen barocken Oktogon. Wohlen beherbergt das
letztes Jahr neueröffnete einzige Strohmuseum der Schweiz. Und jederzeit ein Besuch wert ist das
Habsburgerstädtchen Bremgarten mit seiner wundervollen Altstadt, der überdachten Brücke und
25. März 2014
Art.-Nr. 0396
978
dem international bekannten Christkindlimarkt, der jährlich tausende von Besuchern anzieht. Erwähnenswert ist auch der grösste Fluss-Naturschutzraum des Kantons Aargau mit dem Flachsee in der
Reussebene und die vielen Wandermöglichkeiten entlang der Reuss und dem Freiämterweg.
Aber auch viele kleinere Kulturangebote leben davon, dass diese bei möglichst vielen Menschen
bekannt sind und besucht werden. Das geht aber nur, wenn an wichtigen Durchfahrtsachsen darauf
aufmerksam gemacht wird.
Auf der A1 könnte in Mägenwil, auf der A4 in Affoltern a. A, und auf der A14 in Gisikon auf die vielen
touristischen Sehenswürdigkeiten im Freiamt aufmerksam gemacht werden.
Wir fordern den Kanton auf, beim ASTRA vorstellig zu werden, damit das bestehende Konzept erweitert werden kann.
0397 Auftrag der Fraktion der Grünen vom 25. März 2014 betreffend Erneuerung Gründungsvertrag der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK); Einreichung und schriftliche Begründung
Von der Fraktion der Grünen und 38 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgender Auftrag
eingereicht:
Text:
1. Der NOK-Vertrag muss der heutigen Situation angepasst werden.
2. Der Regierungsrat wird verpflichtet, Verhandlungen mit den Vertragspartnern aufzunehmen.
3. Der Regierungsrat hat innert 3 Jahren dem Grossen Rat einen erneuerten Konkordatsvertrag
vorzulegen.
Begründung:
Grundlage der Zusammenarbeit der AXPO mit den acht Gründerkantonen der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG, NOK, ist der Gründungsvertrag von 1914. Dass dieses Vertragswerk in die
Jahre gekommen ist, verraten schon Regelungen wie die Konzessionserteilung bei "Anlagen mit
10'000 Pferdestärken und mehr" oder der Hinweis auf die von "der grossherzoglichen Regierung
erteilten Konzession". Während in § 2 die Zahl der Verwaltungsräte auf 25 festgesetzt wird – heute
sind es 13 – verbietet § 3 den Kantonen, die Aktien zu veräussern, "ausgenommen die Abgabe der
Pflichtaktien an die Vertreter im Verwaltungsrat (!). Schliesslich kann auf die Forderung, es sei nach
Gründung der NOK "sofort mit dem Bau des Kraftwerks Eglisau zu beginnen" heute, 93 Jahre nach
Inbetriebnahme des Kraftwerks, getrost verzichtet werden.
Gravierender aber ist die Bestimmung, der zufolge "sich die Kantone verpflichten, die gesamte elektrische Energie von den Nordostschweizerischen Kraftwerken zu beziehen". Dies ist mit der heutigen
Energiepolitik und dem sich öffnenden Strommarkt ebenso wenig vereinbar wie die Tatsache, dass
jegliche Regelungen zu den Stromprodukten, zum Netz, zu Dienstleistungen und Handel fehlen.
Die Axpo selbst schreibt in ihrem Geschäftsbericht 2012/13: "Der ökonomische und politische Wandel im Energiesektor erfordert von Axpo eine rasche Anpassung des Geschäftsmodells. Es wird fortan nicht nur die Produktion und den Handel von Strom, sondern auch innovative Dienstleistungen im
Energiemanagement berücksichtigen müssen. Diese strategische Neuausrichtung stellt auch an den
Verwaltungsrat der Axpo neue Anforderungen. Insbesondere Aktivitäten, die der Gesellschaft den
verantwortungsbewussten Umgang mit Energie näherbringen, müssen realisiert werden. Als Folge
der politisch initiierten Energiewende sollte Axpo dieses Engagement deutlicher als bisher in ihrem
Geschäftsmodell verankern. Die AXPO sollte ihr Engagement in der Forschung über neuartige und
effizientere Technologien zur Energieumwandlung ausbauen und klarer und ausführlicher als bisher
dokumentieren."
Nach 100 Jahren und einem völlig veränderten regulatorischen und wirtschaftlichen Umfeld ist der
NOK-Gründungsvertrag so zu erneuern, dass er wieder eine taugliche Basis für die zukünftige Aus-
25. März 2014
Art.-Nr. 0397
979
richtung der Axpo wird. Der NOK-Gründungsvertrag vom 1. Juli 1914 entspricht in keiner Art und
Weise mehr den Anforderungen für die zukünftige Energiepolitik. Die übergeordnete Gesetzgebung
hat die meisten Bestimmungen des Gründungsvertrages aufgehoben. Es braucht deshalb ein erneuertes Konkordat um den Anforderungen an die zukünftige Energieversorgung zu genügen.
Begründung und Ziele für einen erneuerten NOK-Gründungsvertrag
1. Die Axpo muss sich im geöffneten Markt positionieren, unabhängig davon, ob ein Energieabkommen zwischen der EU und der Schweiz zustande kommt oder nicht. Die Schweiz ist in den
EU-weit liberalisierten Strommarkt eingebunden und muss ihre Eigentümerstrategie auf dieses
Umfeld abstimmen.
2. Die finanziellen und wirtschaftlichen Risiken und die Verpflichtungen der Eigentümerkantone
müssen überschaubar werden. Die Axpo muss deshalb ihre Strategie und ihre Konzernstruktur
so ausrichten, dass sowohl ihr wie auch den Eigentümerkantonen keine unverhältnismässigen
Risiken erwachsen.
3. Der Vertrag leistet einen Beitrag zur Umsetzung der in der kantonalen Energiepolitik angestrebten Ziele und Aufträge.
4. Die Aufgabenbereiche zwischen Axpo und kantonalen Verteilwerken sind zu klären und zu bereinigen: Produktion, Handel, Versorgung, Dienstleistungen.
5. Die Axpo soll diejenigen Geschäftszweige zurückfahren oder abstossen, die mit hohen wirtschaftlichen und finanziellen Risiken verbunden sind oder keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit der Eigentümerkantone leisten.
6. Die Axpo soll sich fokussieren auf: bestehende Wasserkraft, neue erneuerbare Energien, Speicherung von Wasserkraft, Bereitstellung von Vorhalteleistung und den internationalen Handel mit
Elektrizität.
7. Die Unternehmensstrategie der Axpo orientiert sich an der Energiestrategie 2050 des Bundes.
0398 Interpellation der BDP-Fraktion vom 25. März 2014 betreffend Gefahr der Freilassung von
"Tobi B." wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeit; Einreichung und schriftliche Begründung; Antrag auf dringliche Behandlung; Ablehnung
Von der BDP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
In der Presse wurde ausführlich über den Fall "Tobi B." berichtet. "Tobi B." wurde gemäss Jugendstrafrecht verurteilt wegen eines grausamen Mordes. Er hat seine Haftstrafe abgesessen. Da er laut
Gutachten eine Gefahr für die Öffentlichkeit bleibt, hat das Gericht einen fürsorgerischen Freiheitsentzug verhängt. Das Bundesgericht kam in seinem Urteil vom November 2013 zum Schluss, dass
die JVA Lenzburg, wo "Tobi B." zurzeit einsitzt, nicht der richtige Ort sei für eine Therapie. Gleichzeitig wird berichtet, dass das Therapieangebot zu klein sei, um "Tobi B." möglichst lang dauernd zu
platzieren und die Gesellschaft vor allfälligen weiteren Straftaten zu schützen. Anscheinend verbleibe
dem Familiengericht noch zwei Monate Zeit um einen Therapieplatz in einer geschlossenen Einrichtung zu finden. Würde der Platz nicht gefunden, müsse er in die Freiheit entlassen werden.
Fälle wie "Tobi B.", "Carlos" und weitere zeigen auf, dass das Jugendstrafrecht für Extremtäter keine
griffige Handhabe kennt; ein unhaltbarer Zustand, der aber nur auf nationaler Ebene über eine Gesetzesrevision gelöst werden kann. Das wird im besten Fall noch viele Jahre dauern. Gleichzeitig
laufen die Therapiekosten für bestimmte Tätertypen mit einer geringen Erfolgswahrscheinlichkeit
völlig aus dem Ruder und erzeugen ein negatives Bild vom ganzen Justiz- und Betreuungsapparat.
Unterdessen besteht in dreifacher Hinsicht Handlungsbedarf:
25. März 2014
Art.-Nr. 0398
980
1. Der aktuelle Fall "Tobi B." bedarf einer für den Täter und die Gesellschaft unmissverständlichen
Lösung: Er muss gemäss Urteil eingesperrt bleiben.
2. Seine vormalige Wohngemeinde darf nicht durch die zu erwartenden Unterbringungs- und Therapiekosten in Millionenhöhe bestraft werden.
3. Beide Aufgaben bedürfen einer Lösung, welche für aktuelle und künftige Täter angewendet werden kann.
Die BDP-Fraktion bittet deshalb den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
• Hat der Kanton eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, dass der Fall "Tobi B." innert zwei Monaten
urteilskonform gelöst wird? Wenn ja, in welcher Form? Wie kann der Kanton in einem solchen Fall
den Schutz der Bevölkerung sicherstellen?
• Bestehen Pläne, um künftig hochsicherheitsgerechte und kostengünstige Einrichtungen für derart
gelagerte Fälle zu installieren? Oder bestehende zu erweitern?
• Wie stellt sich der Kanton Aargau dazu, dass die Wohngemeinde alleine die Kosten für den fürsorgerischen Freiheitsentzug für den Fall "Tobi B." finanzieren muss?
• Besteht eine Möglichkeit, dass Kanton und Gemeinden einen Fonds bilden, aus dem die Unterbringung von solchen Personen finanziert wird, um eine einzelne Gemeinde finanziell zu schützen?
• Wie stellt sich der Kanton dazu, Therapien von wahrscheinlich untherapierbaren Straftätern verfassungskonform neu bzw. realistisch zu beurteilen und ggf. dauerhaft oder temporär auszusetzen?
Vorsitzender: Im Anschluss an die Begründung der Dringlichkeit besteht die Möglichkeit auf Gegenvoten. Anschliessend werde ich die Präsenz ermitteln und die Abstimmung durchführen. Ich weise
Sie darauf hin, dass gemäss § 74 GO für eine Dringlichkeit eine Zustimmung von zwei Dritteln benötigt wird.
Maya Bally Frehner, BDP, Hendschiken: Wir haben die Interpellation bezüglich "gefahrlose Freilassung von "Tobi B." wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeit" an die Fraktionspräsidenten geschickt. Deshalb verzichte ich auf die Inhaltsangaben über den Fall; über diesen konnte in der Presse genügend gelesen werden.
Gemäss den Informationen könnte es nun aber tatsächlich passieren, dass Tobi B. in zwei Monaten
freikommt, sollte das Familiengericht für ihn keine gemäss Bundesgerichtsentscheid adäquate Unterbringung finden. Diese zwei Monate sind es, die uns zur Dringlichkeit veranlasst haben. Aufgrund
dieses Sachverhalts und dieses terminlichen Drucks von zwei Monaten sieht die BDP umgehenden
Handlungsbedarf und verlangt Antworten auf Fragen in den Themenbereichen der Einflussnahme
des Kantons, der Zukunftspläne und der Kostenübernahme.
Die BDP geht davon aus, dass Sie alle hier im Saal die Sicherheit haben möchten, dass ein solcher
Täter nicht aufgrund mangelnder Unterbringungsmöglichkeiten auf freien Fuss kommt und so eine
Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen würde.
Deshalb bitten wir Sie, der Dringlichkeit dieser Interpellation zuzustimmen.
Gertrud Häseli, Grüne, Wittnau: Die Grünen bestreiten die Dringlichkeit. Der Inhalt der Interpellation
wird nicht in Kürze beantwortet werden können. Es braucht eine längere Zeit, um all diese Fragen zu
klären.
Wir sind überzeugt, dass wir uns in falscher Sicherheit wiegen, wenn mit dem Wegsperren von einzelnen Personen unsere Sicherheit erhöht werden soll. Wir leben mit einem gewissen Risiko und wir
können das hier und heute nicht ändern. Wir müssen die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen möglichst gut gestalten. Wir sehen diesen Zweck aber mit dem vorgelegten Vorgehen als nicht erfüllt.
25. März 2014
Art.-Nr. 0398
981
Vorsitzender: Gemäss Präsenzerhebung sind 133 Ratsmitglieder anwesend. Daraus ergibt sich ein
Quorum von 89.
Abstimmung
Der Antrag auf Dringlichkeit wird von 68 Ratsmitgliedern unterstützt. Der Antrag ist somit abgelehnt.
0399 Interpellation der BDP-Fraktion vom 25. März 2014 betreffend räumliche Zusammenlegung KAPO und REPOL Bremgarten; Einreichung und schriftliche Begründung
Von der BDP-Fraktion wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Der Generalsekretär des DVI, Hanspeter Fricker, teilte dem Stadtrat Bremgarten und der Presse mit,
dass ein seit langem angedachter gemeinsamer Umzug von KAPO und REPOL Bremgarten in ein
neues Gebäude am Bahnhof Bremgarten nun doch nicht zustande komme. (BBA, 17.3.2013) Die
REPOL wird aus Platzmangel ihren bisherigen Standort im Bremgarter Rathaus definitiv verlassen;
die KAPO (domiziliert im "Haberhaus", direkt gegenüber dem Rathaus) wollte es bis vor kurzer Zeit
auch. Das Anliegen des Umzugs war bei der KAPO schon fast abschlussreif.
Damals waren aber die Mietkosten für die noch im Bau befindliche Liegenschaft am Bahnhof weder
marktüblich noch anständig. Unterdessen ist der angebotene Mietzins auf ein akzeptables Mass
gesunken.
Die KAPO hat wohl etwas vorschnell 150'000 Franken in die verbesserte Sicherheit in der Altstadtliegenschaft "Haberhaus" investiert. Die grundsätzlichen baulichen Probleme der KAPO Bremgarten
sind dadurch aber nicht gelöst worden:
1. Eine bessere, direktere, schnellere Kommunikation zwischen KAPO und REPOL wird weiterhin
nicht möglich sein. Und das auf Jahrzehnte hinaus nicht.
2. Die lediglich drei Parkplätze mitten auf dem Rathausplatz in der Altstadt behindern die künftige
Entwicklung der KAPO immer mehr. Es gibt in Bremgartens verkehrsberuhigter Altstadt einfach
keine Erweiterungsmöglichkeit: Ein Fahrzeug mehr und die KAPO wüsste nicht, wohin damit.
3. Synergien wie gemeinsame Versammlungsräume, gemeinsame Verhörräume, gemeinsame Garderoben und Duschen, ein gemeinsamer Schalter für KAPO und REPOL usw. wird es mit dem Alleingang des DVI nie geben. In der Bahnhofliegenschaft wären sie spruchreif gewesen.
4. Die Ausfahrt der Polizeiautos durch die Altstadt ist ein Dauerärgernis – vor allem für die Polizei
selber. Die Gassen sind schmal und ein einziges (verkehrswidrig) abgestelltes Privatauto oder ein
Lieferwagen blockieren dann schon mal den gesamten Ausfahrtsverkehr. So etwas gäbe es am
Bahnhof nicht.
Der Effekt, die 150'000 Franken Investitionen der KAPO im Haberhaus durch das Verbleiben in der
Altstadt zu sichern, relativiert sich dadurch. Wahrscheinlich kehrt er sich schnell ins Gegenteil um
und künftige Entscheidungsträger werden von einer verpassten Chance sprechen. Eine verpasste
Chance, die offenbar auch in den Medien und in der Bevölkerung diskutiert wird.
Die BDP-Fraktion bittet deshalb den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
• Gedenkt der Regierungsrat, auf diese vorschnelle und wenig durchdachte Entscheidung zurückzukommen? Die aktuelle Situation mit dem erst in Planung befindlichem Auszug der REPOL in
die Bahnhofsliegenschaft würde dies noch zulassen.
25. März 2014
Art.-Nr. 0399
982
• Welche Einsparungsmöglichkeit in Relation zu den ungenutzten Synergien sieht der Regierungsrat bei einem Verbleib der KAPO im Haberhaus? Oder gibt es sie mittel- und langfristig gar nicht?
• Wie sieht der Regierungsrat die Möglichkeit, den KAPO-Standort Bremgarten dem künftigen Bevölkerungswachstum in dieser Region anzupassen? Oder gibt es keine Möglichkeit mehr, weil
das Haberhaus vollständig belegt ist und die Zahl der Parkplätze nicht vergrössert werden kann?
• Wie stellt sich der Regierungsrat zu folgender Aussage des DVI-Generalsekretärs (AZ
19.3.2014): Was spricht eigentlich aus Kantonssicht gegen gemeinsame Polizeiposten? "Gar
nichts", widerspricht Hanspeter Fricker. Bestes Beispiel dafür sei der Posten Rheinfelden, und in
Lenzburg sei ebenfalls ein gemeinsamer Posten beschlossen worden.
0400 Interpellation der Fraktionen der SP und der FDP vom 25. März 2014 betreffend Auslagerungsstrategie von Aufgaben des Kantons Aargau; Einreichung und schriftliche Begründung
Von den Fraktionen der SP und der FDP wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Der Kanton lagert in verschiedenen Bereichen staatliche Aufgaben aus. Angesichts der vielen Leistungen, die nicht im herkömmlichen Sinn als Verwaltungsaufgaben benennt werden können und der
zunehmenden Anzahl von Aufgabenstellungen, die eine Schnittstellenfunktion haben, verschiedene
Departemente betreffen oder denen ein gemischtwirtschaftliches Konzept zugrunde liegt spricht
nichts grundsätzlich gegen solche Auslagerungen, resp. sie können sachlich durchaus sinnvoll sein.
Gründe für die Auslagerung von Aufgaben werden folgende genannt:
• Keine Aufgabe der zentralen Verwaltung im engeren Sinn.
• Die Unabhängigkeit von der Verwaltung hat Vorteile für die Zielerreichung.
• Dient der effizienteren und flexibleren Bereitstellung von Dienstleistungen für klar definierte Zielgruppen.
• Ermöglicht eine effiziente und effektive Handhabung von Schnittstellen.
• Schafft optimale Rahmenbedingungen und Zusammenarbeitsmöglichkeiten von verschiedenen
öffentlichen und privaten Organisationen oder Interessengruppen (public-public; public- private).
Entscheidend ist jedoch, dass der Kanton je nach ausgelagerter Aufgabe seine Steuerungs- und
Aufsichtsfunktion wahrnehmen kann und auch tatsächlich wahrnimmt. Die Gründe für die verschiedenen Auslagerungsentscheide des Regierungsrates sind wohl sehr unterschiedlich. Eine departementsübergreifende Gesamt-Strategie ist jedoch nicht ersichtlich. Auch werden einmal ausgelagerte
Aufgaben ohne ersichtlichen und zwingenden Grund wieder in die Verwaltung zurückgeholt. Es fehlt
eine stringente Gesamt-Strategie.
In der laufenden Diskussion um knappe Finanzen, ausgelöst durch die Leistungsanalyse, sind nun
Aus-, Um- und Wiedereingliederungen von Aufgaben vorgesehen. Ob sie wirklich den gewünschten
Spareffekt und die geforderte Kostentransparenz bringen, ist mehr als fraglich. Aus diesen Gründen
bitten wir um die Beantwortung der folgenden Fragen:
1. Hat der Regierungsrat eine Gesamt-Strategie für die Auslagerungen von Aufgaben?
2. Hat der Regierungsrat insbesondere Entscheide gefällt,
a) welche Aufgaben mit welcher Begründung auslagerbar sind und
b) nach welchen Kriterien eine Auslagerung zu beurteilen ist?
c) Ob, unter welchen Rahmenbedingungen, zu welchem Zeitpunkt eine öffentliche Ausschreibung erfolgen muss?
25. März 2014
Art.-Nr. 0400
983
3.
Hat der Regierungsrat eine Gesamt-Strategie für die Aufsicht und das Controlling der ausgelagerten Aufgaben?
4.
Hast der Regierungsrat insbesondere definiert
a) nach welchen standardisierten Kriterien und Massstäben die Leistungsverträge aufgebaut
sind?
b) Wie das fachliche Knowhow für die Aufsichtspflicht und das Controlling in der Verwaltung sichergestellt ist?
Wie gewährleistet der Regierungsrat, dass die verschiedenen Rahmenverträge und Leistungsvereinbarungen, die mit den Organisationen/Unternehmen abgeschlossen werden, einer Gesamtstrategie entsprechen?
Nach welchen Kriterien wird der Erfolg der Auslagerung beurteilt?
Nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob eine Rückführung in die Verwaltung angebracht ist?
5.
6.
7.
Sowohl der Bund wie einige Kantone haben den Klärungsbedarf in diesen Fragestellungen, insbesondere auch zu Haftungsfragen, erkannt und teilweise gesetzliche Bestimmungen erlassen.
8.
9.
Wie gedenkt der Regierungsrat zu handeln, um Klarheit, Transparenz und Sicherheit sowohl für
die Öffentlichkeit als auch für die effektive und effiziente Aufgabenerfüllung durch die Organisationen/Unternehmen zu schaffen?
Hat der Regierungsrat Abklärungen bezüglich der vermehrt geforderten Mehrwertsteuer-Pflicht
von staatlichen Dienstleistungen getroffen?
Zusätzlich interessieren die Beurteilungen zur Gewährung der Rechtssicherheit Art. 35 Abs. 2 der
schweizerischen Bundeverfassung: „Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte
gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen").
10. Wie stellt der Regierungsrat die Umsetzung dieses Artikels sicher?
0401 Interpellation Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim, vom 25. März 2014 betreffend Sterbebegleitung; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Beatrice Beck-Matti, SP, Schafisheim, und 20 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Die meisten Menschen möchten am liebsten zu Hause sterben, in ihrem gewohnten Umfeld, liebevoll, menschlich und medizinisch kompetent betreut.
Die Verankerung der Palliative Care im Pflegegesetz hat im Bereich der stationären Pflege und der
Ausbildung von Pflegefachleuten positive Wirkung entfaltet und führt zu einer sensibleren Betreuung
von Sterbenden allgemein in den Spitälern und in den Institutionen der Langzeitpflege, speziell in
den Sterbehospizen.
Fragen stellen sich vor allem im Bereich der ambulanten Palliative Care.
Ich bitte daher den Regierungsrat folgende Fragen zu beantworten:
1. Welche Rechtsgrundlagen müssten aus Sicht des Regierungsrats geschaffen werden, damit
Menschen, die zu Hause sterben möchten, Beistand von professionellen Sterbebegleiterinnen
und Sterbebegleitern in Anspruch nehmen können?
2. Wie müsste eine Aus-und Weiterbildung zum Sterbebegleiter, zur Sterbebegleiterin gestaltet
sein, um Qualitätsstandards dieses Bereichs zu genügen?
25. März 2014
Art.-Nr. 0401
984
3. Wer würde zu einer Ausbildung zur Sterbebegleiterin, zum Sterbebegleiter für den Einsatz im
ambulanten Bereich zugelassen?
4. Wer hätte die Kosten dieser sehr spezifischen Pflegeleistung zu tragen?
5. Welche Entlohnung wäre aus Sicht des Regierungsrats für einen ausgebildeten Sterbebegleiter,
eine ausgebildete Sterbebegleiterin angemessen?
0402 Interpellation Martin Christen, SP, Spreitenbach, vom 25. März 2014 betreffend Altlasten
der AKWs Beznau 1 und 2 auf dem Grund des Atlantiks; Einreichung und schriftliche Begründung
Von Martin Christen, SP, Spreitenbach, und 25 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgende
Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Vor rund einem Jahr wurde in den Medien letztmals auf den in den Weltmeeren versenkten radioaktiven Atommüll hingewiesen: Allein im Ärmelkanal sollen mindestens 28'500 Fässer atomarer Abfälle
vor sich hin rosten.
Auch die Schweiz hat sich gemäss Angaben der IAEO (International Atomic Energy Agency) zwischen 1969 und 1983 an dieser kostengünstigen "Beseitigung" des nuklearen Abfalls beteiligt: 7420
Fässer mit einem Gesamtgewicht von 5321 Tonnen schwach- und mittelradioaktiven Materials wurden an mindestens drei Standorten im Atlantik versenkt. Mit einem Anteil von rund 10 % des gesamten in den Weltmeeren entsorgten radioaktiven Sondermülls steht die Schweiz hinter Grossbritannien
an zweiter Stelle der Atomstrom produzierenden Nationen.
Mit Beznau 1 und 2 verfügt unser Kanton über zwei Uralt-AKWs, die den grössten Teil der damals im
Meer versenkten schweizerischen atomaren Abfälle produziert haben. Unser Kanton trägt damit eine
Mitverantwortung an dieser skandalösen, unverantwortlichen und unentschuldbaren Meeresverschmutzung, die für Jahrtausende eine Bedrohung für das Leben im und am Atlantik darstellt.
In diesem Zusammenhang bitte ich den Regierungsrat, die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Wie viele Fässer atomarer Abfälle (Gesamtgewicht?) wurden insgesamt von den AKWs Beznau 1
und 2 wann und wo im Atlantik versenkt?
2. Wie setzte sich dieses radioaktive Material zusammen? Trifft es zu, dass ausschliesslich
schwach- und mittelradioaktive Abfälle auf diese Weise "entsorgt" wurden? Kann ausgeschlossen
werden, dass teilweise auch hochradioaktives Material dabei war? Kann ebenfalls ausgeschlossen werden, dass die Betreiber von Beznau 1 und 2 radioaktive Abfälle in anderen Meeren, z. B.
im Mittelmeer, verklappen liessen?
3. Ist bekannt, in welchem Zustand sich die vor Jahrzehnten im Meer versenkten Fässer heute befinden? Welche Gefahren können für welche Zeiträume von ihnen ausgehen?
4. Wann wurde in unserem Kanton auf Regierungsebene erstmals von dieser Art des "Verschwindenlassens" atomaren Mülls Kenntnis genommen? Unterstützten die damaligen Regierungsräte diese billigste Form der "Endlagerung"?
5. Wie hoch waren die damaligen Gesamtkosten der Atommüll-Versenkung? Mit welchen Totalkosten müsste heute für die nach heutigem Wissensstand "sachgerechte" Entsorgung dieses atomaren Abfalls gerechnet werden?
6. Wie beurteilt der Regierungsrat aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung der Erfahrungen
mit der Sondermülldeponie Kölliken die damalige "aus-den-Augen-aus-dem-Sinn"-Strategie der
AKW- Betreiber?
25. März 2014
Art.-Nr. 0402
985
7. Wie beurteilt der Regierungsrat die damaligen Aktionen von Greenpeace, die schliesslich zu einem Verklappungsverbot geführt haben? Wäre es denkbar, dass ohne den mutigen Einsatz dieser Umweltorganisation noch heute radioaktive Abfälle aus Beznau 1 und 2 auf dem Meeresgrund
endgelagert würden? – Weshalb sind Spenden an diese Umweltorganisation in unserem Energiekanton nicht von den Steuern abziehbar?
8.
Ist der Regierungsrat bereit, sich dafür einzusetzen, dass die Betreiber von Beznau 1 und 2 auf
eigene Kosten abklären lassen,
a) in welchem Zustand sich die von den Aargauer AKWs im Meer versenkten Fässer befinden,
b) welche mittel- und langfristigen Gefahren sie für das maritime Leben und die Fischerei darstellen,
c) unter welchen Umständen und mit welchen Kostenfolgen eine Bergung sowie die nach heutigem Wissensstand sachgerechte Endlagerung dieser Aargauer Atommüllfässer möglich
ist?
9. Ist der Regierungsrat bereit, sich für die Bergung und die möglichst sichere Endlagerung dieser
Atommüll-Fässer einzusetzen?
10. Wo genau lagern die von Beznau 1 und 2 seit 1961 produzierten schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfälle, die nicht im Meer versenkt wurden?
0403 Interpellation Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli, vom 25. März 2014 betreffend ChinaReise von Schulleitungsmitgliedern der Kantonsschule Wohlen und weitere Auslandreisen;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Andreas Glarner, SVP, Oberwil-Lieli, wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
Vom 18. bis am 29. März 2014 nehmen die beiden Prorektoren (Mitglieder der Schulleitung) der Kantonsschule Wohlen während ihrer Arbeitszeit an einer Informationsreise der schweizerischen Weiterbildungszentrale teil. – Angestellte von verschiedenen aargauischen Kantonsschulen pflegen seit
einigen Jahren, Auslandreisen (u. a. nach Asien) zu "Ausbildungs-" und "lnformations-Zwecken" zu
unternehmen.
Ich stelle dem Regierungsrat die folgenden Fragen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Wie viele Angestellte des Kantons Aargau nehmen an der aktuellen China-Reise teil?
Welches ist der Zweck dieser Reise?
Wie hoch sind die Kosten dieser Reise?
Wer trägt die Kosten?
Welchen Konti der Staatsrechnung werden solche Exkursionen belastet?
Welche anderen Auslandreisen haben Angestellte von kantonalen Schulen in den letzten fünf
Jahren unternommen? Antworten mit folgenden Angaben erbeten:
a) Welche Schule?
b) Zeitraum der Reisen?
c) Kosten?
d) Zahler?
e) Grösse der Delegationen?
f) Ziel?
g) Zielerreichung?
7. Welchen Sinn sieht der Regierungsrat hinter solchen Reisen in ferne Länder und Kontinente?
25. März 2014
Art.-Nr. 0403
986
8. Lassen sich solche Exkursionen vor dem Gebot des haushälterischen Umgangs mit Steuergeldern und der sog. "Entlastungsmassnahmen" rechtfertigen?
9. Welches ist der praktische Nutzen solcher Reisen?
10. Warum werden diese Reisen nicht in den Ferien veranstaltet?
11. Gibt es verwaltungsinterne Richtlinien, welche die zunehmenden Reise-Aktivitäten der aargauischen Lehrpersonen regeln?
0404 Interpellation Silvan Hilfiker, FDP, Oberlunkhofen, vom 17. September 2013 betreffend
Attraktivität des Kantons Aargau für Neugründungen von Unternehmen; Beantwortung; Erledigung
(vgl. Art. 0201)
Mit Datum vom 4. Dezember 2013 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Vorbemerkung
Nachdem der Kanton Aargau in den Jahren 2007–2010 rückläufige Gründungsquoten gehabt hat,
sind im Jahr 2011 die Zahlen der Neugründungen wieder angestiegen (+ 9 % gegenüber 2010). In
der ganzen Schweiz hingegen haben die Gründungen im Jahr 2011 um durchschnittlich 5 % abgenommen.1 Für das Jahr 2012 sind die Zahlen beim Bundesamt für Statistik noch nicht verfügbar.
In den Erhebungen der Wirtschaftsinformations-Agentur Bisnode (vormals Dun & Bradstreet) werden
alle Neueintragungen (inklusive Abspaltungen, Fusionen, Umwandlungen) im Handelsregister verglichen. Diese Erhebung zeigt für die Jahre 2012 und 2011 für den Kanton Aargau einen konstanten
Trend (+ 0 %), gegenüber einer Abnahme um 1 % für die ganze Schweiz.2 Positiv ist die Entwicklung
für die ersten neun Monate im 2013. Im Kanton Aargau ist in diesem Zeitraum die Anzahl der Neueintragungen gegenüber derselben Zeitspanne im Vorjahr um 9 % angestiegen (Schweiz + 3 %). 3
In beiden Erhebungen (Bundesamts für Statistik und Bisnode) weist der Kanton Aargau bei den aktuellsten Daten lediglich gegenüber den Kantonen Zürich, Waadt, Genf, Bern und Tessin geringere
Zahlen von Firmen-Neueintragungen auf. Diese Kantone profitieren von Universitäten und insbesondere der ETH/EPFL, welche viele Spin-offs generieren. Grosse Zentren weisen zudem eine hohe
Gründungsdynamik aus, was auch mit einem ausgeprägten Dienstleistungssektor (persönliche und
unternehmensbezogene Dienstleistungen) in den Städten im Zusammenhang steht.
Die Dynamik der Neugründungen ist ebenfalls abhängig von arbeitsmarktlichen Rahmenbedingungen: Sind attraktive Arbeitsplätze vorhanden und ist die Arbeitslosenquote tief, werden weniger neue
Firmen gegründet.
Zur Frage 1: "Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass sich die Neugründungen im Kanton Aargau
im Vergleich zur Schweiz unterdurchschnittlich entwickeln? Wie wird dies begründet und sind Massnahmen zur Trendumkehr geplant?"
Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat im Jahr 2011 in ihrer durch die kantonale Standortförderung begleiteten Studie "Das Gründungsgeschehen und Support-Aktivitäten für Start-ups in
der Nordwestschweiz" auf eine rückläufige Tendenz im Gründungsgeschehen hingewiesen (Basis
Jahre 2001–2009).
Als Reaktion auf die Erkenntnisse der Studie wurde von der FHNW mit Unterstützung der kantonalen
Standortförderung das Projekt "SwissUpStart" lanciert. Das Projekt hat zum Ziel, das (Jung-) UnterQuelle: Bundesamt für Statistik – Neu gegründete Unternehmen nach Kantonen,
(http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/02/blank/data.html)
2
Quelle: Bisnode – Studie Firmenkonkurse und Gründungen, 22. Januar 2013, (http://www.bisnode.ch/data/docs/download/2360/de/Konkurseund-Gruendungen-im-2012-DE.pdf)
3
Quelle: Bisnode – Studie Firmenkonkurse und Gründungen, 21. Oktober 2013, (http://www.bisnode.ch/data/docs/download/2906/de/KonkurseNeugruendungen-Sept-2013-DE.pdf)
1
25. März 2014
Art.-Nr. 0404
987
nehmertum zu fördern. SwissUpStart ist dieses Jahr gestartet und über 100 Teilnehmende haben
ihre Businesspläne eingereicht. Der Kanton unterstützt das Programm während drei Jahren mit insgesamt Fr. 472'000.– aus dem Swisslos-Fonds.
Die Unterstützung von Jungunternehmen ist ein wichtiger Bestandteil im Aufgabengebiet der kantonalen Standortförderung. In den letzten Jahren wurde das Angebot in diesem Bereich kontinuierlich
und bedarfsgerecht ausgebaut (vgl. dazu Antwort zur Frage 2).
Zur Frage 2: "Neugründungen tragen wesentlich zur Innovationskraft eines Standortkantons bei und
schaffen Arbeitsplätze. Aargau Services befasst sich u. a. mit Neugründungen. Wie wird dieses Angebot im Vergleich zu den umliegenden Kantonen Basel, Bern, Luzern, Solothurn, Zürich und Zug
beurteilt?"
Die Standortförderung bietet für Jungunternehmen eine vielseitige Unterstützung an. Dazu zählen
Erstberatung bei Gründungs- und Bewilligungsfragen, Beurteilung des Businessplans, Unterstützung
bei der Finanzierung durch Vermittlung von Kontakten zu Finanzinstituten, Forschungsgeldern, Business Angels und Venture Capital. Interessierte erhalten Informationen zu Steuer- und Versicherungsfragen sowie über verfügbare Gewerbeflächen. Halbjährlich wird das Neuunternehmer/innen-Forum
Aargau organisiert. Die Standortförderung unterstützt das Coaching-Angebot für Jungunternehmen
von GENILEM Aargau, die monatlichen Gründungskurse in Aarau des Instituts für Jungunternehmen, den Kurs "Ich mache mich selbständig!" der Start-net GmbH oder STARTUPS.ch. Ebenfalls hat
sich die kantonale Standortförderung zusammen mit dem Kanton Zürich als Herausgeber der Publikation "Gründen3" engagiert. Dabei handelt es sich um eine Anleitung zur Firmengründung, die in der
ganzen Deutschschweiz zur Anwendung kommt. Durch die verschiedenen Aktivitäten und Kooperationen hat sich die kantonale Standortförderung ein breites Netzwerk im Start-up-Bereich aufgebaut.
Im Rahmen der Standortförderungsinitiative Hightech Aargau wird auch der Technopark Aargau,
welcher eine wichtige Rolle in der Jungunternehmerförderung spielt, weiter gestärkt. Zusätzlich können Start-up vom Hightech Zentrum profitieren, in dem sie einfachen Zugang zu Beratungsleistungen
rund um die Innovationsförderung haben.
Das Angebot der umliegenden Kantone im Vergleich:
Basel
Jungunternehmen werden beim Technologiepark Basel und beim Business Parc Reinach (BaselLandschaft) beratend und mit Infrastruktur unterstützt. Weitere Support-Stellen sind
i-net innovation networks mit Veranstaltungen und Businessplan-Seminaren sowie BaselArea.
Bern
Die Plattform www.innobe.ch dient als Anlaufstelle für Jungunternehmen im Kanton Bern. Es werden
kostenlose Gründer- und Innovationsberatungen angeboten. Speziell zu erwähnen ist der Messebonus, der von der Standortförderung Bern gewährt werden kann und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als auch Jungunternehmen zugut kommt.
Luzern
Die Wirtschaftsförderung Luzern ist im Aufbau eines Angebots für Jungunternehmer. Dazu gehören
Beratung, Informationsvermittlung und Vernetzung. Das konkrete Angebot wird momentan noch
ausgearbeitet. Die Erstberatung erfolgt für die Jungunternehmen kostenlos, eine weiterführende
Begleitung wird von Netzwerkpartnern erbracht und ist kostenpflichtig. Informationen unter
www.luzern-business.ch.
Solothurn
Die Wirtschaftsförderung ist Anlaufstelle für Start-up. Erstberatungen werden vom Verein Gründerzentrum Kanton Solothurn und vom Business Parc Reinach durchgeführt.
25. März 2014
Art.-Nr. 0404
988
Zürich
Insbesondere die Stadt Zürich verfügt über eine sehr aktive Jungunternehmer-Szene. Koordiniert
werden die Aktivitäten vom Startzentrum Zürich sowie von der Standortförderung Kanton Zürich, Amt
für Wirtschaft und Arbeit. Das Startzentrum bietet kostenlose Beratung und Events.
Zug
Die Kontaktstelle Wirtschaft Zug in der Volkswirtschaftsdirektion ist Anlaufstelle für Jungunternehmen
und Start-up.
Fazit
Das Angebot für Jungunternehmen im Kanton Aargau wurde in den letzten Jahren weiter ausgebaut
und befindet sich heute auf einem hohen, konkurrenzfähigen Niveau. Dies belegen auch Beurteilungen von externen Experten.
Simon May, Mitglied der Geschäftsleitung beim Institut für Jungunternehmen 4.
"Der Kanton Aargau zählt meiner Meinung nach heute zu einem der aktivsten Kantone in der Unterstützung von
Firmengründer/innen. Die kantonale Wirtschaftsförderung Aargau Services engagiert sich mittels diverser Aktivitäten wie kostenlose Gründerkurse, Neuunternehmer Foren, Kontaktvermittlungen, Immobiliensuche oder kostenlosen Erstberatungen inkl. Businessplan-Feedback."
BHP Hanser und Partner AG, Unternehmensberatung 5.
"Wo gewünscht, versucht Aargau Services die Start-up durch die Vermittlung von Kontakten in das Aargauer
Wirtschaftsnetzwerk mit interessanten Geschäfts- oder Gesprächspartner in Verbindung zu bringen. Neugründer
werden durch Schulungen und Informationen unterstützt. Bei Bedarf werden auch persönliche Anliegen bearbeitet oder Kontakte zur Unterstützung des Gründungsprozesses hergestellt. Im Bereich der Unternehmensneugründungen wird das Angebot an Informationen, konkreten Hilfsmitteln und Unterstützungsmassnahmen von
öffentlicher und privater Seite als ausreichend betrachtet."
Zur Frage 3: "Gemäss Bundesamt für Statistik liegt die Überlebensquote von Unternehmen im Kanton Aargau im 1. Jahr (gegründete Unternehmen im Jahr 2007) bei 77.9 %, was im Vergleich zum
schweizerischen Schnitt und den umliegenden Kantonen unterdurchschnittlich ist. Welche Massnahmen werden ergriffen, um diese Überlebensquote im Kanton Aargau zu optimieren?"
Eine interne Erhebung6 bei den Projekten der kantonalen Standortförderung zeigt, dass die Überlebensquote bei erfolgreich begleiteten Neugründungen in den letzten Jahren stark gestiegen ist
(2008: 53 %, 2009: 78 %, 2010: 80 %, 2011: 95 %).
Als Anlaufstelle für (Jung-)Unternehmen im Kanton unterhält die kantonale Standortförderung eine
Service-Line für KMU. Diese hilft bei den verschiedensten Anfragen und Problemstellungen. Bei der
Beratung von Jungunternehmen wird auf die Risiken hingewiesen und es werden Hilfestellungen,
insbesondere im Bereich der Finanzierung, angeboten.
Als Massnahme zur besseren Betreuung und zur Steigerung der Überlebensquote bei Start-up arbeitet der Kanton Aargau mit dem Verein GENILEM Aargau zusammen und unterstützt GENILEM Aargau seit 2010 mit einem jährlichen Beitrag von Fr. 20'000.– (beziehungsweise Fr. 15'000.– in den
Jahren 2011 und 2012). Innovative Neugründungen, welche einen Selektionsprozess durchlaufen,
erhalten kostenlos einen erfahrenen Coach für maximal drei Jahre. Dieser unterstützt die jungen
Unternehmerinnen und Unternehmer während dieser kritischen Jahre je nach ihren individuellen
Bedürfnissen zum Beispiel bei betriebswirtschaftlichen oder technischen Fragen und setzt auch sein
persönliches Netzwerk ein. Der Kurs "Ich mache mich selbständig!" hilft Gründungswilligen dabei, die
richtige Entscheidung für oder gegen eine Unternehmensgründung zu treffen und die Publikation
"Gründen3", enthält hilfreiche Tipps für Firmengründerinnen und Firmengründer. Beide Massnahmen
helfen das Ausfall- beziehungsweise Abbruchsrisiko bei Jungunternehmen zu reduzieren.
4
E-Mail vom 11. Oktober 2013 an Stv. Leiterin Kommunikationsdienst des Departements Volkswirtschaft und Inneres
Bericht "Standortmarketing Aargau – Evaluation Aargau Services", BHP Hanser und Partner AG, 28. April 2011, Seite 30
6
Diplomarbeit "Nachhaltiger Erfolg von Jungunternehmen", Luca Rüegger (Praktikant bei Aargau Services), 13. April 2013
5
25. März 2014
Art.-Nr. 0404
989
Zur Frage 4: "Im Kanton Aargau besteht auch für neugegründete Unternehmen eine Mindeststeuer
von CHF 500 pro Jahr. Dies führt dazu, dass z. B. eine GmbH mit einem Kapital von CHF 20'000 in
den ersten fünf Jahren ohne Gewinn über 10 % des Kapitals für Steuern aufzuwenden hat. Wie hoch
belaufen sich die Steuereinnahmen von neugegründeten Unternehmen, welche keinen Gewinn erwirtschaften in den Jahren 2010, 2011 und 2012 im Kanton Aargau?"
Die Mindeststeuer beträgt derzeit für Kapitalgesellschaften Fr. 820.– (Kantons- und Gemeindesteuern). Damit soll sichergestellt werden, dass alle juristischen Personen zumindest
einen kleinen Beitrag an die Infrastrukturkosten des Gemeinwesens leisten. Von den im Kanton Aargau jährlich neugegründeten Unternehmen bezahlen im ersten Jahr jeweils rund 70 % lediglich die
Mindeststeuer. Für den Kanton ergaben sich daraus in den Jahren 2010 und 2011 jeweils Einnahmen von rund Fr. 300'000.–, für die Gemeinden von Fr. 130'000.–. Für das Jahr 2012 ist zurzeit noch
keine aussagekräftige Zahl verfügbar, da noch zu wenige Steuererklärungen eingegangen sind.
Zur Frage 5: "Welche Partnerschaften werden geprüft, um den Kanton Aargau mit zukunftsgerichteten Massnahmen für Neugründungen attraktiver zu machen? Besteht eine Strategie, wie bestehende
Partnerschaften entwickelt und neue Partnerschaften evaluiert werden?"
Die Strategie zur Jungunternehmer-Förderung der kantonalen Standortförderung basiert auf drei
Pfeilern:
1. Informationsvermittlung und Bereitstellung von geeigneten Instrumenten wie zum Beispiel Checklisten, Vorlagen und Gründungsleitfäden. Dazu zählt auch die Beantwortung von Fragen per Telefon und Mail, insbesondere in den Bereichen Gründung, Rechtsformen, Bewilligungen, Finanzierung, Versicherungen und Steuern.
2. Persönliche Beratung auf Basis eines existierenden Businessplans und aktive Projekt-begleitung.
Dazu zählt auch die Vermittlung von geeigneten Kontakten und Partnern aus dem Jungunternehmer-Netzwerk wie Technopark, Hightech Zentrum, Institut für Jungunternehmen, Startups.ch,
Finanzierungspartner, Treuhänder, usw.
3. Weiterentwicklung der Förderungs-Instrumente und Rahmenbedingungen. Dazu zählen auch die
Evaluation und Pflege geeigneter Partnerschaften und Kooperationen wie beispielsweise der Aufbau des Business Angels Netzwerk Aargau seit 2010.
Die bestehenden Partnerschaften und Kooperationen wurden bereits erwähnt (vgl. Beantwortung zur
Frage 2). Diese sind nach Ansicht des Regierungsrats bedarfsgerecht und zweckmässig. Ein Ausbau
der bestehenden Massnahmen für Neugründungen von Unternehmen ist angesichts der angespannten Situation der Kantonsfinanzen nicht geplant. Als Schlussbemerkung gilt es zu bedenken, dass
nicht alle entscheidenden Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Zentrumsdynamik der Grossstädte für eine positive Start-up-Entwicklung kurz- bis mittelfristig und mit kantonalen Massnahmen
direkt beeinflussbar sind. Ebenfalls einen grossen Einfluss haben die verschiedenen VentureCapitalists, welche grösstenteils in den grösseren städtischen (Finanz-) Zentren wie Zürich, Basel,
Genf oder Zug zuhause sind. Eine Sogwirkung geht auch von Hochschul- und Universitätsstandorten
wie zum Beispiel Lausanne aus.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'930.–.
Mit Datum vom 20. Februar 2014 hat sich Silvan Hilfiker, FDP, Oberlunkhofen, gemäss § 84 Abs. 2
GO schriftlich von der Antwort des Regierungsrats teilweise befriedigt erklärt. Das Geschäft ist somit
erledigt.
25. März 2014
Art.-Nr. 0404
990
0405 Interpellation Ralf Bucher, CVP, Mühlau, vom 19. November 2013 betreffend Anrechenbarkeit des in einem Einzelunternehmen investierten Eigenkapitals für die Anspruchsberechtigung bei der Prämienverbilligung und den Bezug von Ausbildungsbeiträgen; Beantwortung;
Erledigung
(vgl. Art. 0260)
Mit Datum vom 22. Januar 2014 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Zur Frage 1: "Kann sich der Regierungsrat in der nächsten Revision des EG KVG vorstellen, in der
oben erwähnten Richtung § 16 so anzupassen, dass das in den Unternehmungen gebundene Vermögen nicht dem massgebenden Einkommen angerechnet wird?"
Für den Vollzug der Prämienverbilligung sind die Kantone zuständig. Sie legen den Kreis der Begünstigten, die Höhe der staatlichen Verbilligung, das Verfahren und die Auszahlungsmodalitäten
fest. Jedes kantonale Prämienverbilligungssystem ist für sich ein Unikum, welches auf der kantonsspezifischen Situation beruht. Direkte Vergleiche sind daher nur schwer möglich, nicht zuletzt auch
durch die unterschiedlichen massgebenden Einkommen für die Prämienverbilligung. Diese unterscheiden sich einerseits durch die kantonalen Steuersysteme und andererseits durch die kantonalen
Anspruchsvoraussetzungen. Einzige Gemeinsamkeit: In allen Kantonen setzt sich das massgebende
Einkommen aus einem Einkommens- und einem Vermögensteil zusammen.
Im Kanton Aargau wird heute bei der Berechnung des massgebenden Einkommens 20 % des steuerbaren Vermögens zum steuerbaren Einkommen dazugezählt. Ein Vergleich mit den erwähnten
Kantonen Bern, Zug und Luzern ergibt folgendes Resultat: Im Kanton Bern werden 5 % des Vermögens berücksichtigt, indes 5 % des Reinvermögens. Auch im Kanton Zug wird das Reinvermögen
herangezogen und zwar mit 10 %. Der Kanton Luzern stellt wie der Kanton Aargau auf das steuerbare Vermögen ab und berücksichtigt zur Berechnung des massgebenden Einkommens seit dem
1. Januar 2013 neu einen Vermögensanteil von 15 %.
Derzeit wird das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG)
totalrevidiert. Geplante Inkraftsetzung des totalrevidierten Gesetzes ist der Sommer 2016. Der Regierungsrat ist bereit, die Frage der Berücksichtigung des Vermögens für Einzelunternehmungen in
diesem Zusammenhang zu prüfen.
Zur Frage 2: "Kann sich der Regierungsrat vorstellen, die Stipendienverordnung (§ 22) ebenfalls auf
die gleiche Weise anzupassen oder den entsprechenden Artikel gar zu streichen, um nicht das gebundene Vermögen zum Stolperstein werden zu lassen?"
Die Verordnung über Ausbildungsbeiträge (Stipendienverordnung, StipV) wird derzeit revidiert. Geplante Inkraftsetzung der revidierten Verordnung ist der 1. August 2014. Der Regierungsrat ist bereit,
die Frage der Berücksichtigung des Vermögens für Einzelunternehmungen in diesem Zusammenhang zu prüfen.
Zur Frage 3: "Falls dies wie vorgeschlagen umgesetzt würde, was für Kostenfolgen hätten diese
Änderungen und wie könnten die zusätzlichen Ausgaben am sozialverträglichsten eingespart werden
(Richtprämie, Prämiengrenze?), so dass die Änderungen aufwandneutral wären?"
Der Regierungsrat ist bereit, sofern die Änderung wie vorgeschlagen umgesetzt wird, eine mögliche
aufwandneutrale Änderung im Rahmen der Totalrevision des EG KVG aufzuzeigen.
25. März 2014
Art.-Nr. 0405
991
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'038.–.
Mit Datum vom 16. Februar 2014 hat sich Ralf Bucher, CVP, Mühlau, gemäss § 84 Abs. 2 GO
schriftlich von der Antwort des Regierungsrats befriedigt erklärt. Das Geschäft ist somit erledigt.
0406 Interpellation der Fraktion der Grünen vom 17. September 2013 betreffend Umsetzung
revidiertes Bundesgesetz über die Raumplanung und zum Kapitel Siedlung im Richtplan des
Kantons Aargau; Beantwortung; Erledigung
(vgl. Art. 0198)
Mit Datum vom 6. November 2013 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Grundsätzliches
Richtplanvorlagen sind gemäss Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen (Baugesetz, BauG) in
Zusammenarbeit mit den regionalen Planungsverbänden zu erstellen.
§ 9 Abs. 1 BauG
Der Regierungsrat erstellt die Entwürfe zu den kantonalen Richtplänen in Zusammenarbeit mit
den regionalen Planungsverbänden. Er unterbreitet sie den Gemeinden zur Vernehmlassung.
Richtplan, Kapitel G 6, Planungsgrundsatz A
"Der Regierungsrat arbeitet mit den Regionalplanungsverbänden zusammen…"
Für die neu zu erarbeitende Gesamtlösung zum Siedlungsgebiet als Kernaufgabe der Umsetzung
des Raumplanungsgesetzes hat der Grosse Rat diese Zusammenarbeit zusätzlich hervorgehoben
und in den Auftrag an den Regierungsrat als Pflicht aufgenommen:
Richtplan, Kapitel S 1.2, Beschluss 1.1
"Der Regierungsrat wird beauftragt, zum Siedlungsgebiet eine neue Gesamtlösung in Zusammenarbeit mit den
Gemeinden und Regionalplanungsverbänden zu erarbeiten, (…)."
Richtplan, Kapitel S 2.2, Beschluss 1.1
"Der Regierungsrat legt innert 3 Jahren dem Grossen Rat eine Vorlage zur Festsetzung von wichtigen Siedlungsbegrenzungslinien im Richtplan in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Regionalplanungsverbänden
vor."
Die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den Regionalplanungsverbänden bei der Erarbeitung
der neuen Gesamtlösung Siedlungsgebiet sowie der eng damit zusammenhängenden Siedlungsbegrenzungslinien wurde im Rahmen der Präsidentenkonferenz der Regionalplanungsverbände diskutiert und einvernehmlich festgelegt. Die Präsidentenkonferenz hat an der Sitzung vom 22. März 2012
die Bildung einer Begleitgruppe beschlossen und die Regionalplanungspräsidenten Hansueli Bühler
(Fricktal Regio), Markus Dieth (Baden Regio), Hans-Ruedi Hottiger (zofingenregio) und Josef Nogara
(Oberes Freiamt) als Mitglieder gewählt. Als zusätzliche Vertretung der Gemeinden wurde der Aargauische Bauverwalterverband angefragt, welcher Andreas Müller in die Begleitgruppe delegierte.
Die Begleitgruppe informiert die Präsidentenkonferenz der Regionalplanungsverbände an den ordentlichen Sitzungen über den Stand der Arbeiten.
Zur Frage 1: "Welche Gremien wurden für die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes
(Abstimmung vom 3. März 2013) formell und informell geschaffen bzw. konsultiert?"
25. März 2014
Art.-Nr. 0406
992
Für die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Regionalplanungsverbänden bei der Erarbeitung
von Vorschlägen zur Umsetzung des Bundesgesetzes über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG), speziell der Kernaufgabe einer neuen Gesamtlösung zum Siedlungsgebiet im Richtplan,
wurde einzig das einleitend erörterte Begleitgremium geschaffen.
Über die laufenden Arbeiten und geplanten Verfahren wurden und werden auch in Zukunft situationsgerecht nach Bedarf die bestehenden Gremien





Konsultationsgremium Kanton – Gemeinden (KKG)
Fachausschuss Departement Bau, Verkehr und Umwelt
Vorstand der Gemeindeammänner-Vereinigung des Kantons Aargau
Präsidentenkonferenz der Regionalplanungsverbände und die
Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung (UBV) des Grossen Rats
informiert und konsultiert.
Zur Frage 2: "Trifft es zu, dass der Regierungsrat für diesen Zweck ein besonderes, konsultatives
Gremium geschaffen bzw. einberufen hat?"
a. Falls ja: Wer ist in diesem Gremium vertreten und nach welchen Kriterien wurde es zusammengesetzt?"
Siehe grundsätzliche Bemerkungen und Antwort zur Frage 1.
Zur Frage 3: "Zu den Vorstandsmitgliedern aller Regionalplanungsverbände: Welchen Parteien gehören diese Mitglieder prozentual an?"
Diese Frage ist identisch mit Frage 5 der vom Regierungsrat am 1. Mai 2013 beantworteten "(13.30)
Interpellation der GLP-Fraktion vom 5. März 2013 betreffend Umsetzung des Raumplanungsgesetzes und der Rolle der Regionalplanungsverbände". Nachstehend wird die unverändert zutreffende
Antwort vom 5. März 2013 wiederholt:
"Über die parteiliche Zusammensetzung der Repla-Organe besteht keine Statistik. Die Gemeinden bestimmen
die kommunalen Vertretungen in den Organen der Replas. Diese Delegierten vertreten in den Replas die Interessen der Gemeinden. Die Parteizugehörigkeit steht erfahrungsgemäss nicht im Vordergrund. In der Praxis
fallen die regionalen Koordinationsergebnisse in aller Regel sachbezogen und ohne erkennbare parteipolitische
Wertung aus."
Zur Frage 4: "Wie würdigt der Regierungsrat diese parteipolitische Zusammensetzung?"
Siehe Antwort zur Frage 3.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 868.–.
Mit Datum vom 4. März 2014 hat sich namens der Interpellantin Irène Kälin, Grüne, Lenzburg, gemäss § 84 Abs. 2 GO schriftlich von der Antwort des Regierungsrats befriedigt erklärt. Das Geschäft
ist somit erledigt.
0407 Bettina Bärtschi, Ehrendingen; Ersatzrichterin am Spezialverwaltungsgericht; Wahl
Der Rat behandelt den Bericht und Antrag des Büros vom 11. März 2014 für die Wahl einer nebenamtlichen Richterin oder eines nebenamtlichen Richters am Spezialverwaltungsgericht (Abteilung
Kausalabgaben und Enteignungen) für den Rest der Legislaturperiode 2013–2018.
25. März 2014
Art.-Nr. 0407
993
Das Büro unterbreitet dem Ratsplenum die folgenden Wahlvorschläge:
Bettina Bärtschi, Ehrendingen oder
Bruno Wehrli, Biberstein
Keine Wortmeldungen.
Wahlergebnisse
Ausgeteilte Wahlzettel 136, eingegangene Wahlzettel 135, davon leer und ungültig 7, gültige Wahlzettel 128, absolutes Mehr 65
Stimmen hat erhalten und ist gewählt:
• Bettina Bärtschi, Ehrendingen
76 Stimmen
Weiter haben Stimmen erhalten:
Bruno Wehrli, Biberstein
Vereinzelte
50 Stimmen
2 Stimmen
0408 Antonia Fischer, Baden, Ersatzrichterin am Handelsgericht (Stellv. Präsident); Wahl
Der Rat behandelt den Bericht und Antrag des Büros vom 11. März 2014 für die Wahl einer Ersatzrichterin oder eines Ersatzrichters am Handelsgericht für den Rest der Legislaturperiode 2013–2018.
Das Büro unterbreitet dem Ratsplenum die folgenden Wahlvorschläge:
Antonia Fischer, Baden oder
Stefan Pfister, Zofingen
Keine Wortmeldungen.
Wahlergebnisse
Ausgeteilte Wahlzettel 136, eingegangene Wahlzettel 135, davon leer und ungültig 2, gültige Wahlzettel 133, absolutes Mehr 67
Stimmen hat erhalten und ist gewählt:
• Antonia Fischer, Baden
Weiter haben Stimmen erhalten:
Stefan Pfister, Zofingen
Vereinzelte
101 Stimmen
29 Stimmen
3 Stimmen
0409 Viktor Egloff, Würenlos, Verwaltungsrichter; Wahl
Der Rat behandelt den Bericht und Antrag des Büros vom 11. März 2014, wonach Viktor Egloff, Würenlos, als Verwaltungsrichter für die restliche Amtsdauer bis 31. Dezember 2018 zu wählen sei.
Gleichzeitig wird stille Wahl gemäss § 62a der Geschäftsordnung beantragt.
Keine Wortmeldungen.
25. März 2014
Art.-Nr. 0408-0409
994
Abstimmung (Antrag auf stille Wahl)
Der Antrag auf stille Wahl wird mit 135 gegen 0 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
Für die restliche Amtsdauer bis 31. Dezember 2018 wird als Verwaltungsrichter gewählt:
• Viktor Egloff, Würenlos
0410 Viktor Egloff, Würenlos, Oberrichter und Verwaltungsrichter; Inpflichtnahme
Viktor Egloff, Würenlos, wurde durch den Grossen Rat an der Sitzung vom 4. März 2014 als Oberrichter und an der heutigen Morgensitzung als Verwaltungsrichter gewählt.
Als Oberrichter und als Verwaltungsrichter wird in Pflicht genommen:
• Viktor Egloff, Würenlos
0411 Postulat der Fraktion der Grünen vom 19. November 2013 betreffend Fremdsprachenunterricht an der Primarschule; Überweisung an den Regierungsrat und gleichzeitige Abschreibung
(vgl. Art. 0258)
Mit Datum vom 19. Februar 2014 erklärt sich der Regierungsrat bereit, das Postulat entgegenzunehmen und beantragt mit folgender Begründung die gleichzeitige Abschreibung:
Der Fremdsprachenunterricht steht seit geraumer Zeit im Zentrum der bildungspolitischen Debatte.
Für alle Kantone sind aber die Bestimmungen zum Fremdsprachenunterricht in der Bundesverfassung und im Sprachengesetz verbindlich. Die Harmonisierung der Ziele der Bildungsstufen – und
damit auch die Harmonisierung der Ziele für den Fremdsprachenunterricht – ist ein Verfassungsauftrag (Art. 62 Abs. 4 Bundesverfassung; SR 101). Konkretisiert wird diese Verfassungsnorm im Bundesgesetz über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften
(Sprachengesetz, SpG) vom 5. Oktober 2007 (SR 441.1) dahin gehend, dass die Schülerinnen und
Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache verfügen müssen (Art. 15 Abs. 3 SpG).
Der Regierungsrat nimmt die gesamtschweizerische Diskussion rund um die Umsetzung der Sprachenstrategie ernst und hat deshalb im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2014–2017 eine Evaluation
des Englischunterrichts an der Primarschule bis ins Jahr 2015 als einen Entwicklungsschwerpunkt
(310E10) aufgeführt. Das Konzept zur Durchführung dieser Erhebung liegt bereits vor, die Erhebung
soll im Jahr 2015 stattfinden. Die Evaluation wird den Lernstand der Schülerinnen und Schüler in der
sechsten Klasse der Primarschule in den vier Kompetenzbereichen (Hören, Lesen, Sprechen,
Schreiben) des Fremdsprachenunterrichts und in Bezug auf die Lehrplanziele aufzeigen. Weiter richtet die Evaluation einen Fokus auf die Wirkung des Englischunterrichts und der eingesetzten Lehrmittel.
Mit den Leistungstests Check S2 und Check S3 welche ab 2016 obligatorisch an der Oberstufe eingesetzt werden, liegt dannzumal ein weiteres Instrument vor, mit dem man zuverlässig bestimmte
Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler unter anderem auch in den Fremdsprachen ausweisen
25. März 2014
Art.-Nr. 0410-0411
995
kann. Damit werden Hinweise zum Lernstand der Lernenden am Ende der beiden letzten Schuljahre
geliefert.
Auch die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat eine Überprüfung der Erreichung der nationalen Bildungsziele in den Jahren 2014–2017 beschlossen. Im Frühjahr
2017 werden gesamtschweizerische Tests zur Schulsprache und zur ersten Fremdsprache mit einer
Schüler-Stichprobe am Ende der Primarstufe folgen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Mehrheit der Kantone mit einer repräsentativen Stichprobe beteiligen wird. Das wird Aussagen zur Erreichung der Bildungsziele auf kantonaler Ebene erlauben.
Mit diesen Instrumenten werden vertiefte Aussagen zur Effektivität des Englischunterrichts sowohl
auf kantonaler wie auch nationaler Ebene vorliegen.
Zur aktuellen Situation im Kanton Aargau
Im Kanton Aargau wurde im Schuljahr 2008/09 Englisch als Erweiterungsfach an allen 3. Klassen
der Primarschule flächendeckend eingeführt. Die Einführung verlief problemlos, da die wichtigen
Erfahrungen aus der zweijährigen Pilotphase genutzt werden konnten. Der Erfolg des Projekts Englisch an der Primarschule ist auch auf die positive Einstellung, die hohe Motivation und das fachliche
Know-how der Lehrpersonen zurückzuführen, was sich in einer hohen Unterrichtsqualität im Fach
Englisch niederschlägt. Eine wichtige Rolle kommt auch den eingesetzten Lehrmitteln zu. Mit Lehrmitteln, welche den aktuellen Erkenntnisstand der Sprachforschung in moderner Didaktik berücksichtigen, konnten Freude und Neugier der jungen Lernenden an der englischen Sprache geweckt und
erhalten werden.
Ebenso wurde einer qualitativ hochwertigen Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen eine zentrale
Bedeutung beigemessen. Neben bezahlten Sprachkursen, Sprachaufenthalten und Didaktik Ausbildung durch den Kanton, waren die sogenannten "Praxisgruppen" Teil des Erfolgs der Englischeinführung im Kanton Aargau. Sie boten den Englisch unterrichtenden Lehrpersonen Gelegenheit zum
Erfahrungsaustausch und mit gegenseitiger Unterstützung zur Weiterentwicklung ihres Fremdsprachenunterrichts.
Um die Qualität des Englischunterrichts zu untersuchen, sind bereits Untersuchungen vorgenommen
worden. Im Jahr 2008 wurde durch die Pädagogische Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) eine Lernstandserhebung durchgeführt. 748 Schülerinnen und Schüler der Pilotklassen wurden im Lese- und Hörverstehen getestet. Zusätzlich wurden weitere 52 Schülerinnen
oder Schüler in 14 verschiedenen Schulen vertieft im Bereich des Sprechens getestet. Mit Hilfe eines
Fragebogens wurden gleichzeitig Informationen über die Motivation der Schülerinnen und Schüler
und über ihre Sicht auf den Unterricht erhoben. Im Jahr 2011 haben 20 Klassen und im Jahr 2012
198 Klassen beziehungsweise 3'093 Schülerinnen und Schüler freiwillig am Check 5 Englisch teilgenommen. Getestet wurden die Schülerinnen und Schüler im Lese- und Hörverstehen, Schreiben und
in einem Sprechanlass. Die vom aargauischen Englisch-Lehrplan vorgegebenen Lernziele am Ende
der 4. Klasse wurden erreicht.
Die im Postulat erhobene Kritik, ein früher Beginn einer Fremdsprache führe nicht zu höheren Kompetenzen, stimmt so nicht. Einerseits belegen die oben erwähnten Erhebungen, dass die gemäss
Englisch-Lehrplan definierten Lernziele erreicht werden. Im Vordergrund der neuen methodisch-didaktischen Ausrichtung des Englischunterrichts steht der Erwerb der mündlichen Kompetenzen
(Hörverstehen und Sprechen). Andererseits zielt der moderne Fremdsprachenunterricht dahin, dass
auf der Primarstufe die Lernenden sich elementare Fertigkeiten aneignen und auf der Oberstufe zu
einer selbstständigen Verwendung der englischen Sprache befähigt werden. Je älter die Lernenden
werden und die nötige kognitive Entwicklungsstufe erreicht haben, desto grösser ist der Lernzuwachs (Kompetenzerweiterung).
Der Regierungsrat ist überzeugt, dass es sinnvoll ist, eine Fremdsprache frühzeitig stufengerecht zu
lernen. Auch die anderen Kantone der Schweiz teilen diese Ansicht. Bis zur Einführung des Eng-
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Art.-Nr. 0411
996
lischunterrichts im Schuljahr 2008/09 war der Kanton Aargau der einzige Kanton, der keinen Fremdsprachenunterricht an der Primarschule angeboten hatte.
Die oben erwähnten Evaluationen wie auch die Hinweise aus den Leistungstests Checks und den
Tests im Rahmen des Bildungsmonitorings Schweiz werden vertiefte Antworten zur Effektivität respektive zu den erreichten Kompetenzen in der Fremdsprache Englisch der Schülerinnen und Schülern liefern.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'664.50.
Kathrin Fricker, Grüne, Baden: Wir sind mit der Abschreibung aus folgenden Gründen nicht einverstanden: Die Antwort des Regierungsrats bezieht sich auf die Wirkung, respektive den Erfolg des
Englischunterrichts an der Primarschule. Das heisst, die Bildungsziele werden erreicht. Das ist natürlich positiv. Allerdings geht man gemeinhin davon aus, dass ein Unterricht zu einem Ergebnis führt.
Wir bestreiten auch nicht, dass die Einführung des Englischunterrichts auf der Primarschulstufe sorgfältig erfolgte und die fachliche Kompetenz der Lehrpersonen vergleichsweise hoch ist.
Die Ausführungen in der regierungsrätlichen Antwort – und deshalb auch die Begründung für die
Abschreibung des Postulats – gehen aber am Kern des Postulats vorbei. Es geht um die Frage, wo
man im Bildungswesen sparen könnte, ohne an Qualität zu verlieren. Das Postulat weist so auf
Sparmöglichkeiten hin. Die Frage ist nicht, ob der Englischunterricht an der Primarschule Wirkung
zeigt. Es geht darum, ob am Ende der obligatorischen Schulzeit bei den Lernenden ein quantifizierbarer, also deutlich merkbarer, Zuwachs an Kompetenz in der englischen Sprache zu registrieren ist.
Um diese Frage zu beantworten, ist der Hinweis auf die Erreichung der im Lehrplan vorgegebenen
Lernziele nach drei Jahren Unterricht nicht hilfreich. Vielmehr muss man bei den übernehmenden
Schulen, wie KV und Gymnasien, abklären, ob diese einen signifikanten Kompetenzzuwachs im
Fach Englisch im Vergleich zu früher feststellen können. Die These im Postulat geht davon aus, dass
die Lernenden am Ende des neunten Schuljahres dasselbe Niveau erreichen, auch wenn sie zum
Beispiel erst ein oder zwei Jahre später mit dem Englischunterricht beginnen würden. Das Sparpotenzial wäre jedenfalls erheblich.
Wir möchten nochmals betonen: Die Begründung der Abschreibung geht klar am Kern des Postulats
vorbei. Deshalb halten wir am Postulat fest und empfehlen Ihnen, es auch zu unterstützen.
Vorsitzender: Die Postulantin erklärt sich mit der Entgegennahme einverstanden, nicht aber mit der
gleichzeitigen Abschreibung.
Martin Christen, SP, Spreitenbach: Ich unterstütze die Überweisung des Postulats, aber auch den
Antrag, dass man das Postulat nicht abschreibt.
Ich bin Englischlehrer an der Bezirksschule. Ich kann bestätigen, dass ich und andere Lehrpersonen,
die Englisch unterrichten, die gleichen Erfahrungen gemacht haben, wie sie im vorliegenden Postulat
erwähnt werden.
Die Antworten des Regierungsrats sind meines Erachtens beschönigend, insbesondere bringt die
Ausrichtung auf den Erwerb der mündlichen Kompetenzen auch grosse Nachteile mit sich. Diese
Zielsetzung ist garantiert zu einseitig und verkennt völlig, dass die Kinder im Primarschulalter nicht
nur möglichst richtig sprechen, sondern gleichzeitig auch möglichst richtig schreiben möchten. Sie
sind auch im Deutschunterricht daran, die Rechtschreiberegeln zu erlernen und möglichst fehlerlos
schreiben zu lernen. Für viele Kinder hat das fatale Konsequenzen. Da sie die englische Sprache
wie Vorschulkinder zwar mit viel Spass, Freude und Motivation erlernen, prägen sie sich unter Umständen Wörter und Satzbilder ein, die nichts mit der Realität zu tun haben. Weil sie die englische
Sprache, ähnlich wie "native speakers", erst im Schulalter erwerben, werden Rechtschreibung und
Grammatik für viele von ihnen zu einem grossen Problem – eben dann, wenn sie in die Oberstufe
kommen. Wer in der Primarschule in Bezug auf Rechtschreibung und Grammatik ständig Falsches
und grammatikalisch nicht Korrektes eingeübt hat, bringt das an der Oberstufe kaum mehr weg. Das
bedeutet, dass viele – vielleicht ein Drittel der Klassen – durch dieses Frühenglisch im Schriftlichen
nicht gefördert werden. Sie werden im Gegenteil daran gehindert – auch in Bezug auf Orthographie
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Art.-Nr. 0411
997
und Grammatik – Fortschritte zu erzielen, wie man es sich von Schülerinnen und Schülern ohne
Vorkenntnisse gewöhnt war.
Ich bin sicher nicht gegen das Frühenglisch, aber man darf gerade bei der englischen Sprache, bei
der Gesprochenes und Geschriebenes oft weit auseinanderliegen, Rechtschreibung und Grammatik
nicht vernachlässigen. Das rächt sich in der Oberstufe.
Die Folgen sind, dass die Leistungsunterschiede innerhalb einer Klasse nicht nur wie früher gross,
sondern geradezu gewaltig geworden sind. Meines Erachtens müssen die Lernziele an der Primarschule überprüft und angepasst werden.
Deshalb finde ich, dass das Postulat nicht abgeschrieben werden darf.
Alex Hürzeler, Regierungsrat, SVP: Wie von den Votanten erklärt, ist die Entgegennahme des Postulats absolut nicht bestritten, der Regierungsrat nimmt dieses entgegen.
Inhaltlich wird ausgeführt, dass es durchaus angezeigt ist, dass nun eine Evaluation erfolgt. Im Entwicklungsschwerpunkt innerhalb des Aufgaben- und Finanzplans (AFP) ist festgehalten, dass eine
fundierte Evaluation über die Einführung des Englischunterrichts im Kanton Aargau durchzuführen
ist. Das ist der einzige – und auch richtige – Grund seitens des Regierungsrats, zu beantragen, das
Postulat zwar entgegenzunehmen, es aber gleichzeitig abzuschreiben. Selbstverständlich muss
auch die Wirkung des Frühenglischunterrichts in der Oberstufe überprüft werden. Wenn nun aber
anschliessend gleichzeitig noch die Wirkung an der Sekundarstufe II überprüft werden muss, sind wir
zu früh. Denn diejenigen, welche im Jahre 2008 mit dem Frühenglisch begonnen haben, sind zurzeit
immer noch in der Volksschule. Die Wirkung an der Sekundarstufe II kann somit heute noch gar nicht
überprüft werden. Deshalb ist der Zeitpunkt, den wir im Zusammenhang mit dem AFP 2015 – mit
dem Entwicklungsschwerpunkt – erwähnt haben, gut, wobei er noch nicht abschliessend sein kann,
weil auch dann noch keine Resultate aus der Sekundarstufe II vorliegen werden. Wir werden aber
diese Evaluation im Jahre 2015 vornehmen.
Ich kämpfe heute nicht explizit darum, dieses Geschäft abzuschreiben oder nicht. Aber wir haben
Ihnen heute, und auch vorgängig mit der Antwort, aufgezeigt, dass wir die Wirkung des Englischunterrichts überprüfen und Ihnen das Ergebnis vorlegen werden.
Noch eine abschliessende Bemerkung: Ich bin etwas überrascht. Ich höre neue Töne aus dem Aargauer Parlament – vor allem aus politisch völlig unerwarteter Richtung – über die Einführung von
Frühfremdsprachen in der Primarschule. Die Euphorie scheint im Aargauer Parlament etwas verflogen zu sein. Ich kann Ihnen bestätigen, dass diese Diskussion auch national – nicht nur im Kanton
Aargau – stattfindet. Eventuell mit ausgelöst durch andere Eingriffe ins Schulsystem, die gerade
auch uns im Kanton Aargau betreffen: Ich denke an 6/3 (der Wechsel auf 6 Jahre Primarstufe und 3
Jahre Oberstufe) oder an die zurzeit laufenden Thematiken mit dem Lehrplan 21. Ich betone jedoch:
Nicht der Lehrplan 21 schreibt vor, dass zwei Frühfremdsprachen im Primarschulunterricht erteilt
werden sollen, es ist eine nationale Regelung seitens der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), die nun auch vom Bundesrat gemäss Verfassung so proklamiert
wird. Es ist aber noch nicht alles ausdiskutiert. Im Moment hält sich der Kanton Aargau an diese
geltenden Vorgaben. Wir haben zurzeit das Frühenglisch in der dritten Klasse, das Frühfranzösisch
ab der fünften Primarschulklasse ist jedoch im Kanton Aargau – wie Sie wissen – noch nicht eingeführt. Wir sind also einer der ganz wenigen Kantone, welche die nationalen Vorgaben mit zwei
Fremdsprachen – in der dritten und fünften Klasse beginnend – noch nicht einhalten. Es ist nicht so,
dass der Kanton Aargau hier ein Vorreiter wäre – im Gegenteil, er hinkt ziemlich hinter her.
Wird nun aber national die Euphorie über die Fremdsprachen im Primarschulunterricht etwas gebremst und sollte die nationale Diskussion diesbezüglich in den nächsten Jahren noch eine Veränderung erleben, wird der Kanton Aargau diese sicher auch aufnehmen.
Um das Frühenglisch, das im Kanton Aargau eingeführt und – zumindest bei den Kindern – beliebt
ist, sorgfältig auf die Wirkung überprüfen zu können, nehmen wir das Postulat entgegen.
Sie entscheiden, ob Sie das Postulat nun abschreiben wollen oder ob Sie es im Zusammenhang mit
den Jahresberichtserstattungen weiterhin auf der Pendenzenliste haben wollen.
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Vorsitzender: Das Postulat bleibt unbestritten. Es wird stillschweigend an den Regierungsrat überwiesen.
Abstimmung
Die gleichzeitige Abschreibung des Postulats wird mit 94 gegen 39 Stimmen beschlossen und das
Geschäft gleichzeitig als erledigt von der Kontrolle abgeschrieben.
0412 Interpellation der SP-Fraktion vom 3. Dezember 2013 betreffend Kommunikation rund um
die Diskussion des Standortskonzepts und des Finanzierungskonzepts der Sek-II-Stufe; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0298)
Mit Datum vom 12. Februar 2014 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Vorbemerkungen
Wie im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2014–2017 im Aufgabenbereich 320 'Berufsbildung und
Mittelschule' aufgezeigt, führt das Departement Bildung, Kultur und Sport zwei Projekte zur Sekundarstufe II, "Standort- und Raumkonzept Sekundarstufe II" (Entwicklungsschwerpunkt 320E003) und
"Steuerung und Finanzierung der subventionierten (nichtkantonalen öffentlichen) Berufsfachschulen"
(Entwicklungsschwerpunkt 320E004). Diese Projekte wurden vom Regierungsrat im Jahr 2011 beauftragt. Sie werden unter Einhaltung der ordentlichen Meinungsfindungs- und Rechtssetzungsprozesse und daher mit dem Einbezug der interessierten und betroffenen Personengruppen und Institutionen geführt. Da für beide Projekte im laufenden Jahr je eine Anhörung vorgesehen ist, können
noch gar keine Entscheide gefallen sein. Denn Anhörungen haben den Entscheiden vorauszugehen.
Das Regionaljournal Aargau Solothurn hat am 2. Dezember 2013 unter dem Titel "Raumprobleme an
Aargauer Kantis und Berufsschulen" einen Artikel veröffentlicht und zwei Audiobeiträge aufgeschaltet. Unter anderem ging es um die Frage, ob die Wirtschafts- und Informatikmittelschulen weiterhin
an den Kantonsschulen in Baden und Aarau angesiedelt sein sollen, oder ob sie an Berufsfachschulen verschoben werden sollen. Zu dieser Frage haben sich in einem Interview der Präsident des
Mittelschullehrerverbands, Thomas Dittrich, und der Rektor der Berufsschule Baden, Ruedi Siegrist,
geäussert. Im Artikel auf der Homepage des Regionaljournal konnte man wörtlich lesen: "Für die
Bildungsverwaltung des Kantons ist klar: Man kann zwei Fliegen mit einer Klappe treffen, wenn man
die IMS und die WMS von den Kantis in die leeren Berufsfachschulen zügelt. Die Kantis hätten wieder Platz, die Berufsschulen wären besser ausgelastet."
Der für den Artikel zuständige Journalist hatte aber keinen Kontakt mit der "Bildungsverwaltung"
aufgenommen und weder das Departement Bildung, Kultur und Sport noch die zuständige Abteilung
Berufsbildung und Mittelschule haben in dieser Frage Stellung genommen. Das Regionaljournal hat
nach einer Intervention des Kommunikationsdiensts des Departements Bildung, Kultur und Sport den
Artikel zumindest dahingehend geändert, dass klar ist, dass diese Frage im Rahmen des Projekts
Standort- und Raumkonzept Sekundarstufe II zu diskutieren sei, zum jetzigen Zeitpunkt aber noch
nichts entschieden ist. Wo die Wirtschaftsmittelschule (WMS)/Informatikmittelschule (IMS) gemäss
neuem Standort- und Raumkonzept angesiedelt werden sollen, soll im Rahmen des ordentlichen
politischen Prozesses, in welchen die betroffenen Anspruchsgruppen einbezogen werden, geklärt
werden. Dabei sollen Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten sachlich aufgezeigt werden.
Die Kommunikation zu einem allfälligen Entscheid des Regierungsrats beziehungsweise des Grossen Rats wird auf dem ordentlichen Weg erfolgen.
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Zur Frage 1: "Ist es üblich, dass Massnahmen von solch weitreichender Tragweite über die Verwaltung und nicht über den Regierungsrat kommuniziert werden?"
Nein, das ist nicht üblich und ist so auch nicht geschehen (vgl. Einleitung).
Zur Frage 2: "Wer hat Kenntnis der versprochenen Varianten, wurden alle in der gleichen Tiefe abgeklärt?"
Es liegen zurzeit keine Varianten vor. Bevor diese erarbeitet werden, sollen Grundsatzfragen, wie
etwa die Positionierung der WMS/IMS geklärt werden. Dies wird im Rahmen einer Anhörung geschehen, in der neben dieser Frage auch andere wichtige Fragestellungen in Bezug auf das Standort- und Raumkonzept Sekundarstufe II der Öffentlichkeit unterbreitet werden.
Zur Frage 3: " Warum wurden der Arbeitsgruppe keine Varianten zur Diskussion vorgelegt?"
Vgl. Antwort zur Frage 2
Zur Frage 4: Warum ist die Meinung der Betroffenen nicht erwünscht?"
Die Betroffenen sind seit Beginn des Projekts einbezogen worden. Es gibt eine breit zusammengesetzte Begleitgruppe (vgl. Frage 5), in den Rektorenkonferenzen wurde und wird laufend informiert
und diskutiert. Unter der Leitung des Departementsvorstehers erfolgte am 9. September 2013 ein
Diskussionsforum mit den Präsidien der Schulvorstände und den Rektorinnen und Rektoren. Ende
Februar findet wiederum unter der Leitung des Departementsvorstehers ein Workshop zur Vorbereitung der Anhörung statt, zu dem Vertreterinnen und Vertreter der Schulen, der Gemeinden, des Gewerbes, des Handels und der Politik eingeladen sind. Die Anhörung wird allen Betroffenen die Möglichkeit geben, sich einzubringen.
Zur Frage 5: "Warum wurde bis dato in der Arbeitsgruppe primär informiert und nicht diskutiert?"
Es gibt zu beiden Projekten "Standort- und Raumkonzept Sekundarstufe II" und "Steuerung und Finanzierung der subventionierten Berufsfachschulen" je eine Begleitgruppe sowie weitere Diskussionsforen (siehe Antwort zur Frage 4). In den Sitzungen der Begleitgruppen finden Diskussionen statt.
Ausserdem werden auch die Rektorenkonferenzen von der Abteilung regelmässig mit relevanten
Informationen bedient, können sich in wichtigen Fragen einbringen und kennen die Abläufe und
Termine.
Die Frage der Positionierung der WMS/IMS wird kontrovers diskutiert. Die beiden Rektorenkonferenzen (Mittelschulen und Berufsbildung) haben diesbezüglich eine unterschiedliche Haltung. Das spiegelt sich auch in diversen Aussagen, welche in den Medien bereits veröffentlich wurden. Da eine
allfällige Verschiebung der WMS/IMS an die Berufsfachschulen eine Änderung des Mittelschuldekrets bedingt und somit in der Kompetenz des Grossen Rats liegt, wird diese Frage im ordentlichen Rechtssetzungsprozess breit erörtert werden.
Zur Frage 6: "Ist bei der Kommunikation des Finanzierungskonzepts das gleiche undemokratische
Vorgehen vorgesehen?"
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1000
Das Vorgehen ist beim Projekt "Standort- und Raumkonzept Sekundarstufe II" sowie beim Projekt
"Steuerung und Finanzierung der subventionierten Berufsfachschulen" demokratisch und entspricht
dem Üblichen. Die Anhörung zu "Steuerung und Finanzierung der subventionierten Berufsfachschulen" startet im 2. Quartal 2014. Alle relevanten Anspruchsgruppen können sich einbringen, bevor die
Botschaft an den Grossen Rat geht. Da dieses Geschäft Gesetzesänderungen vorsieht, besteht
nach dem allfälligen Beschluss des Grossen Rats (voraussichtlich im 3. Quartal 2015) die Möglichkeit des Referendums, was zu einer Volksabstimmung führen würde.
Zur Frage 7: "Wie weit wird sichergestellt, dass persönliche Befangenheiten transparent aufgezeigt
werden?"
Die beiden Projekte sind umfassend und komplex. Die einzelnen Interessen der verschiedenen Akteure sind sehr unterschiedlich und teilweise gegenläufig. Im politischen Prozess werden diese unterschiedlichen Interessenslagen dargelegt und gegeneinander aufgewogen.
Zur Frage 8: "Wie will das Departement BKS in Zukunft sicher stellen, dass fair, transparent und
wertschätzend mit Betroffenen umgegangen wird?"
Dem Departement Bildung, Kultur und Sport ist es ein Anliegen, dass mit allen Betroffenen ein fairer,
transparenter und wertschätzender Umgang gepflegt wird und erwartet dasselbe von der Gegenseite. Die Mittel- und Berufsfachschulen haben kurz nach der Ausstrahlung der Interviews von der zuständigen Abteilung ein Schreiben erhalten, das die Sachlage klar aufzeigt. Der Departementsvorsteher hat kurz darauf im Rahmen einer Veranstaltung mit allen Schulen der Sekundarstufe II persönlich noch einmal aufgezeigt, dass zum jetzigen Zeitpunkt in der Frage WMS/IMS keine Entscheidungen gefällt worden sind.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 868.–.
Kathrin Scholl-Debrunner, SP, Lenzburg: Im Jahre 2011 erteilte der Grosse Rat dem Departement
Bildung, Kultur und Sport den Auftrag, ein Standort- und Raumkonzept zu erstellen, mit der Auflage,
dies bis zum Jahre 2012 ausgearbeitet zu haben. Es sei hier angemerkt, dass die Kommission schon
damals dachte, diese Zeit würde ganz sicher ausreichen. Wir schreiben jetzt das Jahr 2014 und sind
keinen Schritt weiter.
Was man nicht wahrhaben will, das will man nicht hören. Unter Einbezug von Betroffenen und Anspruchsgruppen, denke ich, versteht das Departement etwas anderes als die Betroffenen selber. In
verschiedenen Zusammensetzungen wurde immer wieder über das Gleiche informiert. Was aber in
dieser Zeit – seit 2011 – erarbeitet wurde, welche Vor- und Nachteile vorliegen, wurde in keiner Weise, in keiner Gruppierung, in keiner Anhörung und in keinem Workshop dargelegt.
Die SP bedauert es sehr, dass – notabene klar in einer heiklen Fragestellung – keine zielführende,
auf Fakten basierende Diskussion möglich ist. Wir sind mit der Antwort nicht zufrieden.
Vorsitzender: Kathrin Scholl-Debrunner erklärt sich im Namen der Interpellantin von der Antwort des
Regierungsrats nicht befriedigt. Das Geschäft ist erledigt.
0413 Einbürgerungen 2014; 1. Serie; Kenntnisnahme
Gemäss schriftlicher Mitteilung hat die Einbürgerungskommission (EBK) an ihrer Sitzung vom
27. Februar 2014 gestützt auf § 27 Abs. 1 des Gesetzes über das Kantons- und Gemeindebürger-
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Art.-Nr. 0413
1001
recht (KBüG) die Einbürgerung von 339 ausländischen Staatsangehörigen und die Ablehnung der
Gesuche von 10 ausländischen Staatsangehörigen beschlossen.
Keine Wortmeldungen.
Kenntnisnahme.
0414 Einbürgerungen; Einbürgerungsdossier 15010; Beschlussfassung
Der Grosse Rat behandelt den Bericht und Antrag der Einbürgerungskommission (EBK) vom
27. Februar 2014 zum Einbürgerungsdossier Nr. 15010. Die Kommission beantragt, die Einbürgerung für das Gesuch Nr. 15010 zu beschliessen. Es referiert Kommissionspräsident, Andreas A.
Glarner, Oberwil-Lieli.
Andreas A. Glarner, SVP, Oberwil-Lieli, Präsident der Einbürgerungskommission (EBK): Sie konnten
die Vorgeschichte zu diesem Geschäft dem Kommissionsbericht (gelb) entnehmen. Die Einbürgerungskommission hat sich in allen bisher stattgefundenen Sitzungen mit diesem Fall befasst. Sie hat
den Kandidaten auch zu einer Besprechung eingeladen – sie hatte aufgrund von verschiedenen
Hinweisen auch Anlass dazu.
Jetzt bei der Beurteilung kam die Einbürgerungskommission zum Schluss, dass dem Einbürgerungsgesuch zugestimmt werden kann. Der Gesuchsteller erfüllt die Einbürgerungskriterien betreffend strafrechtlicher Leumund. Sein Privatauszug aus dem Strafregister ist seit Ende 2010 blank und
der VOSTRA-Auszug des Gesuchstellers enthält seit dem Mai 2013 keine Einträge mehr. Der Einbürgerungsentscheid der Gemeinde verstösst weder gegen das Gesetz noch gegen die Praxis der
Kommission. Schliesslich konnten dem Gesuchsteller letztendlich keine einbürgerungsrelevanten
Vorkommnisse seit dem Gemeindebeschluss nachgewiesen werden. Die schriftliche Stellungnahme
betreffend eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Gesuchsteller sowie auch die geäusserten
Anschuldigungen im erwähnten Protestschreiben konnten mit den zusätzlich vorgenommenen Abklärungen, wie auch im Rahmen der Anhörung, nicht erhärtet werden, zumal gegen den Gesuchsteller
keine Strafanzeige erhoben wurde. Den getroffenen Abklärungen sowie der Anhörung sind keine
Sachverhalte zu entnehmen, welche die Ablehnung des Gesuchs rechtfertigen würden.
Die Einbürgerungskommission hat dem Einbürgerungsgesuch Nr. 15010 in der Gesamtwürdigung
deshalb einstimmig zugestimmt.
Allgemeine Aussprache
Keine Wortmeldungen.
Abstimmung
Der Kommissionsantrag wird mit 76 gegen 35 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
Für das Gesuch Nr. 15010 wird Einbürgerung beschlossen.
0415 Motion der SP-Fraktion vom 26. November 2013 betreffend Abschaffung des "Tanzverbots" vor christlichen Feiertagen im Kanton Aargau; Ablehnung
(vgl. Art. 0277)
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Art.-Nr. 0414-0415
1002
Mit Datum vom 19. Februar 2014 beantragt der Regierungsrat, die Motion mit folgender Begründung
abzulehnen, beziehungsweise er erklärt sich bereit, sie als Postulat entgegenzunehmen:
1.
Die Motion verlangt, die geltenden Einschränkungen der Öffnungszeiten von Gastwirtschaftsbetrieben an bestimmten christlichen Feiertagen aufzuheben. Gastwirtschaftsbetriebe sind von Montag
bis Freitag in der Zeit zwischen 00.15 Uhr und 05.00 Uhr, am Samstag zwischen 02.00 Uhr und
05.00 Uhr und an Sonn- sowie Feiertagen zwischen 02.00 Uhr und 07.00 Uhr geschlossen zu halten
(§ 4 Abs. 1 Gesetz über das Gastgewerbe und den Kleinhandel mit alkoholartigen Getränken [Gastgewerbegesetz, GGG] vom 25. November 1997). Der Gemeinderat kann nach Massgabe der Bauund Umweltschutzgesetzgebung andere Öffnungszeiten bewilligen, so zum Beispiel für lokale Anlässe generelle Freinächte (§ 4 Abs. 2 lit. c GGG).
An Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, am
Weihnachtstag sowie am jeweils darauf folgenden Tag sind die Gastwirtschaftsbetriebe demgegenüber bereits um 00.15 Uhr zu schliessen (§ 4 Abs. 3 GGG). Diese Bestimmung bezweckt somit den
Schutz der christlichen Feiertage, in dem an diesen Tagen mit Tagesbeginn (00.15 Uhr) sowie nach
Tagesende (eine Viertelstunde nach Mitternacht) der Gastwirtschaftsbetrieb eingestellt werden
muss. Die Bewilligung einer Verlängerung der Öffnungszeiten an diesen christlichen Feiertagen
durch den Gemeinderat ist nach geltendem Recht nicht möglich. § 4 Abs. 3 GGG gilt ausnahmslos.
Insofern ist es irreführend, in der Motion von der Abschaffung des "Tanzverbots" zu sprechen. Das
Tanzen an christlichen Feiertagen ist im Kanton Aargau nicht mehr verboten: Das Tanzverbot wurde
bereits mit dem Gastgewerbegesetz vom 25. November 1997 abgeschafft.
2.
In vielen Kantonen sind die Öffnungszeiten von Gastwirtschaftsbetrieben an Feiertagen keinen Einschränkungen unterworfen (unter anderem in den Kantonen Bern, Basel-Landschaft, Freiburg, Tessin, Zürich). Es gibt aber auch Kantone, in welchen die Öffnungszeiten von Gastwirtschaftsbetrieben
an Feiertagen eingeschränkt sind (etwa in den Kantonen Solothurn, Kanton Luzern und Kanton
Thurgau).
3.
Die Motion verlangt die Aufhebung von § 4 Abs. 3 GGG. Damit wären die in dieser Bestimmung aufgeführten christlichen Feiertage wie gewöhnliche Sonn- und Feiertage zu handhaben: Gastwirtschaftsbetriebe dürften grundsätzlich bis um 02.00 Uhr geöffnet bleiben. Dasselbe Ziel wie die vorliegende Motion verfolgt auch die Aargauische Volksinitiative "Weg mit dem Tanzverbot!", die sich im
Unterschriftenstadium befindet: Sie verlangt ebenfalls die Aufhebung von § 4 Abs. 3 GGG.
Der Regierungsrat hielt bereits in seiner Antwort auf die Interpellation von Ulrich Jehle, Etzgen, vom
15. Januar 2002 betreffend Auslegung und Durchsetzung von § 4 Abs. 3 GGG fest, dass sich mittelfristig die Frage stellen werde, ob die Regelung von § 4 Abs. 3 GGG "heute noch dem Willen der
Mehrheit der Stimmbevölkerung entspricht oder ob im Rahmen einer ersten Revision des Gastgewerbegesetzes eine offenere Lösung getroffen werden soll, die den Gemeinden mehr Handlungsspielraum belässt."
Christliche Feiertage wie der Ostersonntag oder der Weihnachtstag haben in grossen Teilen der
Bevölkerung nach wie vor einen besonderen Stellenwert. Andere Feiertage wie der Eidgenössische
Dank-, Buss- und Bettag haben demgegenüber an Bekanntheit und somit wohl auch an Bedeutung
eingebüsst. Viele Menschen nutzen die Feiertage im Jahresablauf als Auszeiten, die der Erholung
und Entspannung dienen. Die Einschränkung der Betriebszeiten der Gastwirtschaftsbetriebe an den
christlichen Feiertagen und am jeweils darauf folgenden Tag stellen – wie im Motionstext dargestellt
wird – allerdings für viele eine unnötige Beeinträchtigung dar. Die geltende Regelung von § 4 Abs. 3
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Art.-Nr. 0415
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GGG verunmöglicht es ihnen, Kultur-, Konzert- oder andere Lokale länger als bis 00.15 Uhr zu besuchen. Nach Auffassung des Regierungsrats ist es daher an der Zeit, die Regelung der Betriebszeiten
an christlichen Feiertagen zu überdenken. Mit Rücksicht auf diejenigen, denen Ruhe und Besinnung
an diesen Tagen ein Anliegen ist, kann die Lösung aus Sicht des Regierungsrats jedoch nicht in der
Streichung von § 4 Abs. 3 GGG liegen.
Vielmehr soll der Gemeinderat, der mit den örtlichen Gepflogenheiten bestens betraut ist, künftig
auch an christlichen Feiertagen im Einzelfall eine Verlängerung der Öffnungszeiten von Gastwirtschaftsbetrieben bewilligen können. Damit erhalten die Gemeinden Freiraum für örtlich angepasste
Lösungen. In diesem Sinne ist der Regierungsrat bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen.
Das eidgenössische Parlament berät zurzeit die Totalrevision des Alkoholgesetzes. Infolgedessen
werden verschiedene Änderungen des aargauischen Gastgewerbegesetzes nötig. Im Rahmen dieser Revision ist der Regierungsrat bereit, den aufgezeigten Lösungsvorschlag umzusetzen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 927.–.
Vorsitzender: Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass am 26. November 2013 durch die JUSO eine
Petition mit 837 Unterschriften "zur Abschaffung des Tanzverbotes" eingereicht wurde.
Dieter Egli, SP, Windisch: Im Namen der SP-Fraktion danke ich dem Regierungsrat für die Beantwortung unserer Motion und für die Entgegennahme als Postulat. Damit können wir uns allerdings
nicht einverstanden erklären. Wir beantragen die Überweisung als Motion.
Wenn wir mit unserer Motion die Einschränkung der Öffnungszeiten an christlichen Feiertagen aufheben wollen, geht es uns nicht darum, diese Feiertage irgendwie zu degradieren oder gar abschaffen zu wollen. Ich persönlich stehe voll hinter den christlichen Werten und ich achte auch diese Feiertage als christliche Feiertage. Ich achte deren christliche Tradition und auch das besondere Ruhebedürfnis, das viele Menschen mit diesen Tagen verbinden. Ich kann aber auch das Bedürfnis vieler – vor allem junger – Menschen nachvollziehen, diese arbeitsfreien Tage auf ihre ganz eigene,
eben auch entspannende, kreative und gewinnbringende Weise zu nutzen, nämlich zum Besuch von
kulturellen Veranstaltungen oder einfach nur, um mit Kolleginnen und Kollegen zusammen zu sein.
Und dass es bei einem Konzert oder auch einfach bei einem Treffen schnell einmal spät werden
kann, das wissen wir alle.
Kurz und mit anderen Worten: Wir finden, dass die Einschränkung der Öffnungszeiten an christlichen
Feiertagen zwar historisch nachvollziehbar, aber heute nicht mehr zeitgemäss ist. Der Regierungsrat
gibt uns in seiner Beantwortung unserer Motion recht. Er stellt selbst die zutreffende Frage, ob diese
Regelung heute noch dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung entspricht. Der Regierungsrat nennt
dazu auch noch zwei Aspekte, welche für die Abschaffung der Einschränkung sprechen. So wurde
die Regelung unter anderem in unseren Nachbarkantonen Zürich, Baselland oder Bern bereits abgeschafft. Ob der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag – im Gegensatz vielleicht zu Ostern und
Weihnachten – von der Mehrheit der hier Anwesenden wirklich als christlicher Feiertag gelebt wird,
da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher.
Natürlich könnte man gegen unser Anliegen auch Aspekte des Lärmschutzes oder der Arbeitssituation von Mitarbeitenden in Gastronomiebetrieben vorbringen. Aber Lärmprobleme gibt es bekanntlich
nicht erst um zwei Uhr früh und das Problem vom erhöhten Druck in der Arbeitswelt konnten wir bisher auch mit der Einschränkung an diesen fünf Tagen im Jahr nicht lösen.
Seien Sie gewiss: Wir wollen keine 24-Stunden-Gesellschaft! Für faire Arbeitsbedingungen, gegen
übermässigen Lärm, gegen Vandalismus und gegen Littering setzen wir uns an christlichen Feiertagen und auch an allen anderen Tagen des Jahres ein. Wer aber an einem arbeitsfreien Tag in der
Nacht feiern möchte, soll dies tun dürfen, und wer vor allem Kultur geniessen und anbieten will, soll
dies ebenfalls tun dürfen – so liberal dürfen und wollen wir gerne sein.
Unser Anliegen ist also berechtigt und wird eigentlich auch vom Regierungsrat gestützt. Umso enttäuschter sind wir natürlich, dass der Regierungsrat nicht den Mut hat, konsequent zu handeln und
die Beschränkung der Öffnungszeiten um jeweils knapp zwei Stunden an fünf Tagen im Jahr aufzu-
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heben. Stattdessen spielt er den Ball einmal mehr den Gemeinden zu: Sie sollen es richten und entscheiden.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, was das bedeutet: Es wird ungerechte Situationen geben. Es wird Diskussionen geben, wo geöffnet werden soll und wo nicht und es wird alljährlich
einen christlichen oder eben einen nichtchristlichen Run geben auf diejenigen Orte, die dann eben
geöffnet haben dürfen – mit den üblichen Nebenwirkungen. Und man wird ganz sicher nach einiger
Zeit nach einer einheitlichen kantonalen Regelung rufen.
Diese moderne und kantonal einheitliche Regelung können wir heute schon haben. Beauftragen wir
doch heute den Regierungsrat damit. Wenn wir das nicht tun, so könnte es gut sein, dass angesichts
einer anstehenden Volksinitiative diese Diskussion schon bald öffentlich geführt wird – und ob die
dann christlicher sein wird als heute, das kann ich Ihnen nicht garantieren. Ich danke Ihnen für die
Unterstützung.
Martin Lerch, EDU, Rothrist: Wie der Regierungsrat festgestellt hat, ist der Text der Motion irreführend. Das Tanzverbot wurde längstens abgeschafft. Weiter stellt der Regierungsrat richtigerweise
fest, dass die christlichen Feiertage in unserer Bevölkerung nach wie vor einen grossen Stellenwert
haben. Das ganze Jahr hindurch – mit wenigen Ausnahmen – können die Lokale an den Wochenenden bis 02.00 Uhr offen halten. Warum nun ausgerechnet an den wenigen christlichen Feiertagen die
Öffnungszeiten auch verlängert werden sollen, ist unverständlich, sind doch während des ganzen
Jahres genügend Gelegenheiten vorhanden. Mit dieser Einschränkung steht der Kanton Aargau
nicht alleine da. Auch andere Kantone kennen eine diesbezügliche Regelung. Dies hat wohl nichts
zu tun mit der vermeintlichen Verunmöglichung der Kultur- und Konzertveranstaltungen. Es kann ja
nicht sein, dass wegen einiger weniger Tage im Jahr, an welchen die Lokale bereits um 00.15 Uhr
schliessen, die Zufriedenheit oder Wertigkeit unserer Gesellschaft verschlechtert werden soll. Nein,
das kann nicht der Grund sein. Ich bin überzeugt, dass es den Motionären nicht um diese ein bis
zwei Stunden längeren Öffnungszeiten der Lokale geht, sondern um Aushebelung und bewusstes
Missachten der christlichen Werte in unserem Land. Dagegen wird sich die EDU wehren. Ich danke
Ihnen, wenn Sie die Entgegennahme dieser Motion auch ablehnen.
Kathrin Fricker, Grüne, Baden: Die Grünen unterstützen die Motion der SP. Wir sind der Meinung,
dass christliche Feiertage keinen besonderen Schutz vor Lärm von Gaststätten und Kulturlokalen
benötigen. Für Ruhe und Besinnung ist schon durch die Lärmschutzverordnung (LSV) und die Vollzugshilfe cercle bruit mehr als ausreichend gesorgt. Dies zeigt sich zum Beispiel in Zofingen, wo es
dem Verein Ochskultur im Ochsen aufgrund der LSV und des cercle bruit nicht mehr möglich ist, ein
normales Kulturprogramm anzubieten – sei dies nun an christlichen Feiertagen oder an einem normalen Wochenende. Die Beizen sind am Wochenende voll, die Kirchen leer. Insofern scheint das
Bedürfnis sicher da zu sein, sich auch an besonders christlichen Feiertagen zu vergnügen, während
das Bedürfnis nach Ruhe und Besinnung doch eher gering scheint. Es ist fraglich, ob überhaupt jemand etwas mitbekommt, wenn § 4 Abs. 3 GGG gestrichen wird, liegt doch der betroffene Zeitraum
in unchristlicher Zeit. Und die nach Ruhe und Besinnung Orientierten werden sich von dem bisschen
mehr Lärm beim Schlafen kaum stören lassen. Ob die Nachtschwärmer das an Feiertagen morgendliche Kirchengeläut als Ruhe und Besinnung einstufen, kann man andererseits sicher auch bezweifeln. Es ist ein Geben und Nehmen von beiden Seiten. Der Regierungsrat will den Gemeinden die
Kompetenz geben, die Öffnungszeiten allenfalls auszudehnen. Somit sind die Gastwirte gezwungen,
jeweils eine Einzelbewilligung einzuholen. Wir halten dies für eine bürokratische Hürde, die es nicht
braucht. Wie eingangs betont, ist die Bevölkerung durch die LSV und cercle bruit das ganze Jahr
ausreichend vor Lärm durch Gastwirtschaften und Kulturlokale geschützt. Wir unterstützen die Motion der SP und bitten Sie, dies auch zu tun.
Rolf Haller, EDU, Zetzwil: Die SP reichte am 26. November des vergangenen Jahres eine Motion
betreffend Abschaffung des Tanzverbots vor christlichen Feiertagen ein. Bei genauerer Betrachtung
kommt diese Motion 16 Jahre zu spät, denn das Tanzverbot wurde schon längst abgeschafft. Ich
frage mich also, wo wohl der wahre Grund dieses Vorstosses liegen mag. Angeblich werden die
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Kultur- und Konzertlokale an den betroffenen paar Tagen in der Programmgestaltung stark beeinträchtigt. Das ist ja schon unglaublich, dass die armen Veranstalter genau an diesen wenigen Abenden im Jahr ihr gewünschtes Programm nicht anbieten können und dadurch stark beeinträchtigt sind.
Eine etwas gar fadenscheinige und nicht stichhaltige Begründung. Seien Sie doch einfach mal ehrlich, liebe SP, es geht doch einzig und alleine darum, dass Ihnen die abendländischen, christlichen
Werte ein Dorn im Auge sind – genau darin liegt doch der Grund Ihrer Motion. Sie möchten am liebsten alles, was irgendwie mit unserer Kultur und unseren bewährten christlichen Werten zusammenhängt, abschaffen. Dagegen werden sich sowohl die EDU, wie auch ihre Vertreter entschieden zur
Wehr setzen. Ich bitte Sie hier im Saal, ein Zeichen zu setzen und diesem Vorstoss eine Abfuhr zu
erteilen.
Benjamin Brander, SVP, Muri: Persönlich hätte ich mit einem Tanzverbot kein Problem. Denn ich
selbst bin darin nicht besonders geübt und begabt und lasse es gerne bleiben. Aber wie bereits gehört, geht es gar nicht darum. Es geht mehr um die verlängerten Öffnungszeiten an diesen christlichen Tagen. Genau hier überrascht mich die SP: Ausgerechnet die Partei, die sich gegen Sonntagsverkäufe, verlängerte Ladenöffnungszeiten, usw. wehrt. Ich bin guter Hoffnung, dass diese Partei
etwas zur Besinnung gekommen ist und jetzt auch liberalere Töne anschlagen wird. Ich hoffe, das
bleibt auch in Zukunft so.
Wie Rolf Haller bereits gesagt hat, scheint es hier, dass effektiv die christlichen Werte untergraben
werden sollen. Dies finden wir sehr stossend und nehmen es mit Bedenken zur Kenntnis.
Wie gesagt: Die SVP kann den Vorstoss aus liberalen und wirtschaftlichen Gründen grossmehrheitlich als Postulat übernehmen. Eine gewisse Anpassung macht je nach Region, Stadt oder Land Sinn.
Wir wollen dem nicht entgegenstehen. Für uns ist es wichtig, dass die Gemeinden autonom darüber
entscheiden können und die Regelungen, die ihre Gemeinde betrifft, selbst bestimmen können. Dies,
weil Baden und Aarau eine andere Bevölkerungsstruktur aufweisen und die Leute nicht dieselben
Bedürfnisse haben, wie die Bewohner von kleineren Gemeinden wie Bettwil, Boswil oder Buttwil.
Aus diesem Grund unterstützen wir die Übernahme als Postulat, nicht aber als Motion.
Franz Hollinger, CVP, Brugg: Die CVP-Fraktion lehnt die Überweisung dieses Vorstosses sowohl als
Motion als auch in der Form eines Postulates ab.
Dies aus folgenden Gründen: Die aargauische Kantonsverfassung kennt das System der anerkannten Landeskirchen. Damit bewegt man sich in der Mitte zwischen einem sogenannten Staatskirchentum einerseits und der Trennung von Kirche und Staat andererseits. Staat und Kirche stehen also
nicht einfach unverbunden nebeneinander, sondern der Staat bekennt sich zu den anerkannten Landeskirchen. Dies tut er mit Recht, denn jede Gesellschaft braucht auch ethische Werte, welche der
Staat allein nicht vermitteln kann. Diese Verbindlichkeiten haben auch heute – oder heute mehr denn
je – ihre Bedeutung. Ihr Ersatz durch irgendwelche Beliebigkeiten ist kein in die Zukunft gerichteter
Schritt.
Was in diesem Vorstoss als liberal daherkommt, ist es in Tat und Wahrheit nicht – im Gegenteil.
Wenn ausgeführt wird, dass genau an diesen wenigen Tagen im Jahr viele Menschen ihr oftmals
verlängertes Wochenende feiern wollen, wird ausgeblendet, dass ein Mehrfaches an Betroffenen
genau an diesen wenigen Tagen im Jahr einmal seine Ruhe möchte und dies zu Recht. Denn es
sind genau diese Tage, an denen man von jedermann erwarten kann, dass die 24-StundenSpassgesellschaft auch einmal zur Ruhe kommt. Vergessen wird ein weiterer Aspekt, nämlich derjenige des Personals, weshalb auch der Absender dieses Vorstosses erstaunt. Ist es nicht insbesondere die SP, welche sich aus Gründen des Schutzes des Personals gegen längere Ladenöffnungszeiten einsetzt? Haben nicht auch die Angestellten von Restaurants, Bars, Klubs und dergleichen ein
Anrecht darauf, an hohen Feiertagen nicht bis in alle Nacht arbeiten zu müssen? Ganz zu schweigen
von der Polizei und den lärmgeplagten Anwohnern.
Mit seiner unverbindlichen Antwort stiehlt sich der Regierungsrat aus der Verantwortung. Weshalb
scheut er sich davor, eine klare Haltung einzunehmen? Irgendwie macht es den Anschein, dass die
einleitend erwähnte Beliebigkeit bereits unseren Regierungsrat erreicht hat. Dies sieht man insbe-
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sondere daran, dass er das Ganze auf die Gemeinden abschieben will, weil der Gemeinderat mit
den örtlichen Gepflogenheiten bestens betraut – gemeint ist wohl bestens vertraut – sei. Man wird
den Regierungsrat zu gegebener Zeit an diesen Satz erinnern dürfen, wenn er gemäss seinen eigenen Gepflogenheiten eine flächendeckende Regelung anstrebt, obwohl da irgendwo auch noch Gemeinderäte wären.
Zum Schluss darf daran erinnert werden, dass die einst als moderne Errungenschaft gefeierte Aufhebung der Polizeistunde heute nüchterner und realistischer betrachtet wird. Zum Teil denkt man
sogar an deren Wiedereinführung. Unter diesen Umständen muss eine Überweisung dieses Vorstosses als zusätzlich verfehlt bezeichnet werden.
Die CVP-Fraktion lehnt diesen Vorstoss – wie gesagt – als Motion und auch als Postulat ab und bittet Sie, dies auch zu tun.
Vorsitzender: Da die Motionärin mit der Überweisung als Postulat nicht einverstanden ist, kann gemäss § 82 GO über diese Option nicht abgestimmt werden. Wir haben somit die Situation, dass die
Überweisung als Motion verlangt wird. Andererseits wurde seitens der CVP-Fraktion, vertreten durch
Grossrat Franz Hollinger, gerade eben die Ablehnung beantragt.
Jeanine Glarner, FDP, Möriken-Wildegg: Das Gastgewerbegesetz des Kantons Aargau aus dem
Jahre 1861 verlangt noch im Jahre 2014 die Schliessung der Gastwirtschaftsbetriebe an hohen
christlichen Feiertagen zu einer christlichen Zeit.
Es ist schon verwunderlich, wie sich ein Gesetz über 150 Jahre lang unverändert halten kann – ein
Gesetz, das geschaffen wurde, als sich der Aktionsradius der Menschen noch vornehmlich auf das
eigene Dorf beschränkte und der Dorfpfarrer jeweils seine 100 Schäfchen am Sonntagmorgen zur
Predigt in der Kirche empfing. Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Der Aktionsradius hat sich
längst über den Dorfrand hinausbewegt. Die Gesellschaft hat sich verändert und mit ihr soll sich
auch unsere Gesetzgebung verändern: im Grundsatz für die Freiheit! Dafür stehen wir Liberalen ein.
Es braucht keine besondere Regelung für Öffnungszeiten an hohen christlichen Feiertagen. Es ist an
der Zeit, diesen "alten Zopf" abzuschneiden und gerade solche Aufgaben aus gesetzlichen Bestimmungen nicht an die Gemeinden zu delegieren, sondern gänzlich zu eliminieren. Alles andere ist
unnötige Bürokratie. Und wir sollten nicht ausser Acht lassen, dass heute die jungen Leute einfach
nach Zürich oder Bern gehen und ihr Geld dort ausgeben.
Etwas erstaunt – und da halte ich es wie Benjamin Brander – bin ich über die Adressatin dieser Forderung, die SP. Erst gerade im letzten Jahr konnten wir das Geschrei bei der Abstimmung zur Anpassung des längst überholten Arbeitsgesetzes hören. Die Bratwürste wolltet Ihr nicht legalisieren
und was ist jetzt mit dem Barkeeper, der an Weihnachten länger arbeiten muss? Ich nehme an, Ihr
trinkt einfach lieber Cocktails, als dass Ihr Bratwürste esst. Was jetzt, liebe Sozialdemokraten? Wir
Freisinnigen sind konsequent liberal. Wir Freisinnigen unterstützen deshalb die Motion grossmehrheitlich. Ich persönlich hoffe, dass ich meine künftigen Geburtstage an Karfreitag oder Ostersonntag
nicht mehr zu Hause in die Nacht hinein feiern muss, sondern vielleicht in einem aargauischen
Gastwirtschaftsbetrieb.
Lilian Studer, EVP, Wettingen: Die EVP lehnt den Vorstoss auch ab.
Aus unserer Sicht kann § 4 Abs. 3 des Gastgewerbegesetzes (GGG) diskutiert werden. Doch haben
wir eine Motion vor uns, die wir als EVP so nicht überweisen können, da sie die Aufhebung des § 4
Abs. 3 GGG verlangt und die Diskussion nicht offenlässt. Man kann sich streiten, an welchen Tagen
dieses "Tanzverbot" – darüber haben wir jetzt schon einiges gehört – noch gelten soll. Ein gewisses
Verständnis – wie anfangs erwähnt – ist seitens der EVP vorhanden, das gilt beispielsweise für den
Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Dass an Weihnachten, Karfreitag und Ostersonntag noch
spezielle Schliessungszeiten gelten sollten, dafür bitten wir in unserem Land doch um Verständnis.
Dies sind besondere Tage der Besinnung und der Feierlichkeiten. Ich denke, jeder hier drin kann
dies bestätigen, insbesondere eben auch das Gewerbe oder der Detailhandel, die mit diesen Tagen
viel Geld verdienen; aber auch an diejenigen unter uns, für die diese Tage von grosser Bedeutung
sind – oder eben nicht – und die diese freien Tage geniessen.
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Als EVP hätten wir allenfalls ein Postulat unterstützen können, obwohl wir nur eine restriktive Umsetzung unterstützt hätten. Die Motion lehnen wir aber klar ab und bitten Sie, dasselbe zu tun.
Dr. Urs Hofmann, Landstatthalter, SP: Wie mehrere Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben,
geht es heute nicht um die Frage, was man in den Gaststätten tun kann – ob tanzen, trinken oder
sonstige Tätigkeiten – sondern, wie lange man dies an welchen Abenden tun darf. Diese Frage stellte sich im Grundsatz auch bei der Totalrevision des Gastgewerbegesetzes Mitte der 90er-Jahre. Das
heutige Gastgewerbegesetz stammt vom 25. November 1997, nicht 1897. Damals entschied sich der
Gesetzgeber für eine Ausweitung der Öffnungszeiten. Traditionellerweise kannten wir im Kanton
Aargau die Polizeistunde um Mitternacht oder um 00.15 Uhr und die Gemeinderäte hatten traditionellerweise die Möglichkeit, an bestimmten Abenden, bei bestimmten Festivitäten oder nach einer lang
dauernden Gemeindeversammlung Freinacht auszurufen und längere Öffnungszeiten zu bewilligen.
Die neue Regelung geht dahin, dass von Montag bis Freitag die Gaststätten um 00.15 Uhr zu
schliessen haben, am Samstag, am Sonntag und an Feiertagen können sie ohne spezielle Bewilligung bis 02.00 Uhr offen halten. Die Gemeinderäte haben schon heute die Möglichkeit, längere Öffnungszeiten nach den Vorgaben der Bau- und Umweltschutzgesetzgebung zu bewilligen. In den
Städten – in Aarau, in Baden und auch in anderen Ortschaften – ist dies auch gang und gäbe. Dort
können Lokalitäten bis um drei oder um vier Uhr geöffnet bleiben.
Die Einschränkung in § 4 Abs. 3 wurde aus dem alten Gesetz übernommen, so wie wir auch in anderen Bereichen lokalen Gegebenheiten mit christlichem Hintergrund Rechnung tragen. Das sind diese
Öffnungszeiten an hohen Feiertagen, die auch in die neue Gesetzgebung übernommen wurden,
weshalb an diesen Tagen der Grundsatz der Schliessung um 00.15 Uhr festgeschrieben ist.
Der Regierungsrat ist der Meinung, dass diese Regelung überarbeitet werden soll. Er ist deshalb
bereit, die Motion als Postulat zu übernehmen und bei der ohnehin anstehenden Revision des Gastgewerbegesetzes im Zusammenhang mit der Neuordnung der Alkoholgesetzgebung auf Bundesebene einen neuen Vorschlag zu unterbreiten. Er ist aber der Ansicht, dass es nicht sinnvoll ist und
auch nicht den aargauischen Gepflogenheiten entspricht, eine völlige Liberalisierung vorzusehen,
wie es mit einer generellen Offenhaltung bis morgens um 02.00 Uhr der Fall wäre. Es soll weiterhin
regional und kommunal entschieden werden können, ob auch an diesen hohen christlichen Feiertagen der Grundsatz einer Öffnung bis Mitternacht gelten oder ob zusätzlich die Möglichkeit gewährt
werden soll, die Gaststätten bis um 02.00 Uhr – oder auch länger – offen zu halten.
Diese Möglichkeit der lokalen Einflussnahme entspricht auch dem Grundsatz, den wir in der Arbeitsgesetzgebung bei der Festlegung der christlichen Feiertage befolgt haben. Dort haben wir in einzelnen Bezirken – oder wie in Rheinfelden sogar in einzelnen Gemeinden – unterschiedliche Feiertage.
Das funktioniert und wurde vom Grossen Rat ohne Widerspruch so beschlossen, um den lokalen
Empfindlichkeiten und Gepflogenheiten Rechnung zu tragen.
Der Regierungsrat ist der Meinung, dass dies an hohen Feiertagen auch bezüglich der Offenhaltung
der Gaststätten ein gangbarer Weg ist, der nicht zu einem Wirrwarr und Tohuwabohu führen wird,
sondern der die Möglichkeit gibt, in Gemeinden, in denen die Ruhe an diesen hohen Feiertagen noch
ein besonderer Wert darstellt, es bei der normalen Schliessung um 00.15 Uhr zu belassen und in
denjenigen Gemeinden, in denen effektiv ein begründetes Bedürfnis nach der Offenhaltung der
Gaststätten bis um 02.00 oder 03.00 Uhr besteht, diese auch länger offen halten können.
Welche Regelung schliesslich getroffen wird, wäre im Rahmen der Neuordnung des Gastgewerbegesetzes Sache des Grossen Rats. Der Regierungsrat würde Ihnen bei einer Überweisung als Postulat entsprechende Vorschläge unterbreiten. Die definitive Regelung würde in Ihren Händen liegen.
Wird auf der Überweisung als Motion beharrt, wird der Regierungsrat einen Vorschlag unterbreiten,
welcher der Motion entspricht, also mit Streichung dieses Absatzes. Wenn die Motion nicht überwiesen wird, bleibt es in diesem Bereich bei der bestehenden Regelung.
In diesem Sinne empfehle ich Ihnen, im Sinne des regierungsrätlichen Antrags, die Motion als Postulat zu überweisen und bitte die Antragsteller, ihren Antrag auf Überweisung als Motion zurückzuziehen.
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Vorsitzender: Die Zustimmung der Motionärin liegt nicht vor. Gemäss § 82 GO kann die Motion daher nicht als Postulat überwiesen werden.
Abstimmung
Die Überweisung der Motion wird mit 86 gegen 43 Stimmen abgelehnt.
0416 Interpellation der SP-Fraktion vom 26. November 2013 betreffend Mindestlöhne im Kanton Aargau; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0280)
Mit Datum vom 19. Februar 2014 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Zur Frage 1: "Führt das Volkswirtschaftsdepartement eine Statistik zu den Tieflohnempfänger/innen
im Kanton Aargau?"
Das Departement Volkswirtschaft und Inneres führt keine solche Statistik. Auch Statistik Aargau verfügt nicht über die gewünschten Daten. Eine vom Bundesamt für Statistik (BFS) erstellte statistische
Auswertung, basierend auf der Lohnstrukturerhebung, betrifft die vorliegenden Fragen nur rudimentär und bezieht sich nicht nur auf den Kanton Aargau, sondern auf die gesamte Grossregion Nordwestschweiz. Kantonsspezifische Auswertungen der BFS-Statistiken sind mangels einer genügenden Anzahl Stichproben häufig nicht repräsentativ.
Zur Frage 2: "Wenn ja: Wie sieht die statistische Verteilung dieser Personen nach Alter, Geschlecht
und Branche sowie Lohnhöhe aus?"
Siehe hierzu Antwort zur Frage 1.
Zur Frage 3: "Mit welchen zusätzlichen Steuereinnahmen könnte der Kanton Aargau rechnen, wenn
niemand weniger als 22 Franken pro Stunde verdienen würde?"
Es stehen keine statistisch auswertbaren Daten zur Verfügung, die eine einigermassen verlässliche Schätzung der zusätzlichen Steuereinnahmen ermöglichen. Die Höhe der zusätzlichen Steuereinnahmen hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab: Von der Anzahl der betroffenen Erwerbstätigen, vom Ausmass der Teilzeitbeschäftigung, von der aktuellen Abweichung der Stundenlöhne von den Fr. 22.–, die Basis für einen Monatslohn von Fr. 4'000.– sind, sowie von der Tarifstufe
(abhängig vom Zivilstand und dem Einkommen des Partners, sofern verheiratet).
Zur Frage 4: "Stellt der Kanton Aargau sicher, dass er keine öffentlichen Aufträge an Unternehmen
vergibt, welche sich nicht an ein Minimum von 22 Franken pro Stunde halten? Wenn ja, wie? Wenn
nein, wieso nicht?"
Sinn und Zweck des kantonalen Submissionsdekrets ist es, einen wirksamen Wettbewerb zu fördern
(§ 1 Submissionsdekret, SubmD). Eine Vergabe an Unternehmen, die einen bestimmten Mindestlohn
bezahlen, ist im geltenden Submissionsdekret nicht vorgesehen. Die Vergabe ist vielmehr generell
an die Einhaltung der Bestimmungen über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen geknüpft, dazu
gehört namentlich auch die Zahlung der gemäss Gesamtarbeitsvertrag vorgeschriebenen bezie-
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hungsweise branchenüblichen Mindestlöhne. Gemäss § 3 SubmD vergibt die Vergabestelle einen
Auftrag nur an Anbietende, welche die am Ort der Leistung massgeblichen Bestimmungen über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen einhalten, Frau und Mann, insbesondere hinsichtlich Lohn,
gleich behandeln sowie die schweizerischen und aargauischen oder mit diesen gleichwertige Umweltschutzvorschriften einhalten. Die Vergabestelle ist berechtigt, die Einhaltung dieser Bestimmungen zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen. Auf Verlangen haben die Anbietenden deren Einhaltung zu bestätigen oder nachzuweisen.
In der Beantwortung des (11.129) Postulats der SP-Fraktion vom 29. März 2011 betreffend anständige Mindestlöhne hielt der Regierungsrat in seiner Antwort vom 15. Juni 2011 folgendes fest:
"Im Rahmen der Umsetzung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit ist es Aufgabe der tripartiten Kommission zu kontrollieren, ob die ortsüblichen Löhne bezahlt werden. Für diese
Kontrolle werden die Branche, Beruf und, soweit möglich, pro Region ortsüblichen Löhne erhoben.
Werden Verstösse festgestellt, werden die entsprechenden Unternehmen gemahnt. Nun kann es
nicht angehen, dass die gleiche öffentliche Hand im einen Fall, in dem sie als Kontrollbehörde der
flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit auftritt, die Durchsetzung der ortsüblichen
Löhne verlangt, im anderen Fall, in dem sie als Bestellerin auftritt, dieses Lohnniveau bei den Anbietern nicht durchsetzen kann. Diesbezüglich scheint zurzeit keine genügende gesetzliche Grundlage
im Submissionsdekret zu bestehen. Dieses verlangt lediglich, dass die am Ort der Leistung massgeblichen Bestimmungen über Arbeitsbedingungen einzuhalten seien. Den Charakter einer Bestimmung kommen jedoch nur Lohnregelungen in Gesamt- oder Normalarbeitsverträgen zu, der Ortsüblichkeit des Lohnniveaus kommt kein Normcharakter zu."
Gestützt auf diese Überlegungen erklärte sich der Regierungsrat bereit, unter dem Titel "ortsübliche
Löhne" das Postulat entgegenzunehmen und einen allfälligen Revisionsbedarf des Submissionsdekrets zu prüfen. Das Postulat wurde jedoch vom Grossen Rat abgelehnt respektive nicht überwiesen.
Zur Frage 5: "Welche Massnahmen kehrt der Kanton Aargau vor, damit kein Lohndumping betrieben
wird? Wie viele Lohnkontrollen werden in den Betrieben durchgeführt?"
Sowohl die Tripartite Kommission für den Vollzug der flankierenden Massnahmen und des Arbeitslosenversicherungsrechts (TPK) als auch das Inspektorat des Amts für Migration und Integration sind
im Kanton Aargau für spezifische Fragestellungen betreffend Lohndumping zuständig.
Die TPK hat gemäss Art. 360b Abs. 3 des Obligationenrechts (OR) die Aufgabe, den kantonalen
Arbeitsmarkt zu beobachten. Hierzu erteilt sie dem Inspektorat des Amts für Migration und Integration jährlich mehrere branchenspezifische Aufträge zur Durchführung von Lohnerhebungen bei Aargauer Unternehmen. Zusätzlich kontrolliert das Inspektorat des Amts für Migration und Integration
eine Vielzahl von Löhnen von aus dem Ausland in den Kanton Aargau entsandten ausländischen
Dienstleistungserbringern.
Die Anzahl überprüfter Betriebe und Arbeitsverhältnisse variiert von Jahr zu Jahr und hängt insbesondere von der Branchenwahl ab. Das Inspektorat des Amts für Migration und Integration überprüfte im Jahr 2012 insgesamt 2'338 Löhne, davon knapp 1'400 bei Aargauer Betrieben. Im Jahr 2011
waren es insgesamt 3'106 Löhne, wovon ca. 1'900 bei Aargauer Betrieben.
Diese Lohnüberprüfungen beziehen sich von Gesetzes wegen ausschliesslich auf Branchen ohne
allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (ave GAV). Dies bedeutet, dass mit Ausnahme
der Branche der Hauswirtschaft, welche schweizweit mittels eines Normalarbeitsvertrags (NAV) mit
verbindlichen Mindestlöhnen geregelt ist, nur Branchen betroffen sind, für die keine verbindlichen
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Mindestlöhne gelten. Aus diesem Grund hat sich die TPK denn auch nicht an klaren Mindestlohnbeträgen, sondern an den sogenannten orts- und berufs- oder branchenüblichen Löhnen zu orientieren.
Stellt die TPK fest, dass in einem Beruf oder einer Branche die ortsüblichen Löhne wiederholt und
missbräuchlich unterboten werden, hat sie in einem ersten Schritt Verständigungsverfahren mit den
betroffenen Unternehmen durchzuführen. Führen diese nicht zum beabsichtigten Erfolg einer Lohnanhebung auf das übliche Niveau und präsentiert sich die Berufs- oder Branchensituation dadurch
insgesamt als problematisch, beantragt sie bei der zuständigen kantonalen Behörde den Erlass entsprechender verbindlicher Mindestlöhne. Da die TPK bisher keine derartige Situation festgestellt hat,
bestand auch kein Bedarf, neue Mindestlöhne zu beantragen. Hingegen führt das Inspektorat des
Amts für Migration und Integration in zahlreichen Fällen Verständigungs- und Informationsverfahren
mit betroffenen Einzelbetrieben durch und erzielt dabei insbesondere bei Entsendebetrieben mit Sitz
im Ausland eine sehr hohe, jährlich variierende Erfolgsquote (über 80 %).
Die Aufgaben der TPK dürfen in diesem Zusammenhang nicht missverstanden werden. So ist zu
beachten, dass es nicht in die Kompetenz der TPK fällt, gegen Tieflöhne beziehungsweise Tieflohnbranchen im Allgemeinen vorzugehen. Denn ist das Lohnniveau einer Branche generell tief, liegen
auch bei durchaus als gering einzustufenden Löhnen gerade keine Unterbietungen der Lohnüblichkeit, sondern (tiefe) branchenübliche Löhne vor. Vielmehr geht es darum zu verhindern, dass in einer
Branche vermehrt Löhne signifikant von der Lohnüblichkeit nach unten abweichen und die Branche
deshalb Gefahr läuft, dass das bisher übliche Lohnniveau abgleitet.
Dass der in der Interpellation genannte Betrag von Fr. 22.– pro Stunde beziehungsweise Fr. 4'000.–
pro Monat für die Aufgaben der TPK nicht als Interventionsgrenze relevant sein kann, zeigt sich zusätzlich auch darin, dass im NAV Hauswirtschaft der seit 1. Januar 2014 gültige tiefste Mindestlohn
für ungelernte Angestellte ohne Berufserfahrung bei Fr. 18.55 (kein 13. Monatslohn vorgeschrieben)
liegt. Auch verschiedene ave GAV sehen tiefere, von den Sozialpartnern ausgehandelte verbindliche
Mindestlöhne vor (zum Beispiel Reinigungsgewerbe mit Löhnen ab Fr. 18.05 [grundsätzlich zuzüglich Zuschlag für den 13. Monatslohn] oder Coiffeurgewerbe mit Fr. 3'600.– mal 12 für gelernte Arbeitnehmende). Dementsprechend ist es auch den für diese Branchen zuständigen paritätischen
Berufskommissionen verwehrt, bei Löhnen einzuschreiten, welche das GAV-Minimum einhalten.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'340.–.
Viviane Hösli, SP, Zofingen: In der Schweiz leben rund 300'000 Menschen trotz vollem Arbeitspensum knapp über der Armutsgrenze und verdienen tiefere Löhne als der vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund in der Mindestlohninitiative geforderte Lohn von 4'000 Franken. Hunderttausend
Menschen werden dabei als sogenannte Working-Poor bezeichnet und sind trotz vollem Arbeitspensum auf zusätzliche Hilfe vom Staat angewiesen. Das sind Kosten, welche wir als Allgemeinheit also
mittragen. Für die Betroffenen ist diese Situation entwürdigend und den Steuerzahlenden kommt es
teuer zu stehen. Auf diese Weise werden Arbeitgeber und deren Löhne quasi vom Staat subventioniert.
Dass von diesen Menschen auch ein Teil auf den Kanton Aargau entfällt, ist anzunehmen und wir
empfinden es als sehr bedauerlich, dass keine statistischen Daten dazu erhoben werden. Auch sollte
ausgeschlossen werden, dass Tieflöhne vom Kanton noch belohnt werden, dadurch, dass diese
Arbeitgeber aufgrund tiefer Lohnkosten Aufträge des Kantons erhalten.
Hier hat die SP-Fraktion bereits früher festgestellt, dass das Submissionsdekret eine Anpassung
bezüglich Mindestlöhne verlangt. Leider wurde dies hier abgelehnt.
Mindestlöhne sind das beste Mittel gegen Lohndumping. Wie in der Beantwortung des Regierungsrats richtig geschrieben steht, ist für diese Kontrolle die Tripartite Kommission (TPK) und das Amt für
Migration und Integration zuständig. Seit 2007 wurden bei Kontrollen der TPK etliche Branchen
überprüft, alleine in den Jahren 2012/2013 waren es über 5'000 kontrollierte Löhne. Diese Kontrollen
beziehen sich nur auf Branchen ohne allgemein erklärte Gesamtarbeitsverträge. Etwa 50 Prozent
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der Angestellten in der Schweiz sind keinem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. Lohndumping
und Tieflöhne sind in diesen Branchen weit verbreitet.
Wenn die TPK und das Amt für Migration und Integration nun also Lohnüberprüfungen durchführen
und dabei auch noch systematisch nach Branchen vorgehen, dann sehen wir keinen Grund, weshalb
diese Überprüfungen nicht statistisch erfasst werden. Dem Regierungsrat würden damit zumindest
Daten aus den hauptsächlich betroffenen Branchen vorliegen. Zusätzlich würde damit transparent
gemacht, welche Löhne die TPK und das Amt für Migration und Integration als orts- und branchenüblich erachten. Es sind Zahlen, welche publiziert werden sollten. Die SP-Fraktion erklärt sich mit der
Antwort als nicht zufrieden.
Vorsitzender: Viviane Hösli erklärt sich im Namen der Interpellantin von der Antwort des Regierungsrats nicht befriedigt. Das Geschäft ist erledigt.
0417 Interpellation der FDP-Fraktion vom 12. November 2013 betreffend Verbesserungsmöglichkeiten bei den Familiengerichten; Beantwortung und Erledigung
(vgl. Art. 0221)
Mit Datum vom 12. Februar 2014 hat der Regierungsrat die Interpellation beantwortet.
Stellungnahme des Regierungsrats
Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Kindes- und Erwachsenenschutzrecht wird von den Familiengerichten an den elf Bezirksgerichten umgesetzt. Die Familiengerichte sind Teil der Justiz. Aus
diesem Grund sind die fünf Fragen der Interpellation von der Justizleitung der Gerichte des Kantons
Aargau beantwortet worden.
Konkrete Anträge der Justizleitung für zusätzliche Mittel im Personalbereich für die Familiengerichte
liegen zurzeit nicht vor (vgl. Antwort der Justizleitung zu den Fragen 2 und 5). Der Regierungsrat
wird gemäss § 58 Abs. 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) dazu Stellung nehmen, wenn die
Justizleitung dem Grossen Rat eine Vorlage unterbreitet. Immerhin hält der Regierungsrat fest, dass
sich bei den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden der gesamten Deutschschweiz eine wesentlich höhere Geschäftsbelastung infolge des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts erkennen
lässt als ursprünglich angenommen.
Stellungnahme der Justizleitung der Gerichte Kanton Aargau
Zur Frage 1: "Wie wird die Startphase der Familiengerichte beurteilt?"
Aufgrund der guten Vorbereitung war es möglich, rechtzeitig zum Inkrafttreten des revidierten Kindes- und Erwachsenenschutzrechts per 1. Januar 2013 an allen familiengerichtlichen Abteilungen
der Bezirksgerichte mit dem neuen Personal (Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten,
Fachrichterinnen und Fachrichter, Revisorinnen und Revisoren, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter) die Arbeit aufzunehmen. Die Übertragung der rund 9'000 Massnahmen von den kommunalen
Vormundschaftsbehörden zu den Familiengerichten war mit Hilfe der dafür verwendeten StandardSoftware rechtzeitig zum Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen, und das Personal zeigte
sich den neuen gestiegenen Anforderungen des revidierten Rechts fachlich gewachsen.
Als anspruchsvoll erweist sich die gesetzliche Aufgabenteilung zwischen den Familiengerichten und
den Gemeinden, was mit laufend stattfindenden Erfahrungsaustauschen auf Bezirks- und Kantonsebene schrittweise angegangen wird. Erschwert wurde der Betrieb in der Anfangsphase dadurch,
dass sich die für die Fallübertragung von den Gemeinden an die Familiengerichte gut geeignete
Software im operativen Gerichtsbetrieb als ungeeignet erwies. Dieses Problem konnte mit dem Ent-
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scheid zur Umstellung des Geschäftsbetriebs auf die Gerichts-Software JURIS in der Zwischenzeit
behoben werden.
Unvorhersehbar war aber vor allem die generelle Geschäftsbelastung an den Familiengerichten,
welche die Prognosen in der Botschaft des Regierungsrats weit übersteigt und als Phänomen in
allen Deutschschweizer Kantonen zu beobachten ist. Dabei handelt es sich aufgrund der Beobachtungen über das gesamte erste Jahr um eine dauerhafte Entwicklung, welcher daher mit Bewilligung
zusätzlicher Stellen zu begegnen ist.
Die Vergleichbarkeit zwischen den Belastungszahlen in der (11.153) Botschaft des Regierungsrats
an den Grossen Rat vom 27. April 2011 zur Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts
und der effektiven Belastung wird dadurch erschwert, dass die Botschaft zur Hauptsache auf die
damals statistisch erhobenen jährlich neu errichteten Massnahmen abgestellte, während die effektive
Belastung sich primär aus den neu eröffneten Verfahren zur Abklärung einer Massnahme ergibt,
worüber keine frühere Erhebung existiert. Weiter ist der Hinweis wichtig, dass in der Botschaft aufgrund dieser kalkulatorischen Grundlage ein Ressourcenbedarf von 81,5 Stellen für Spruchkörper
und Sekretariat errechnet wurde, welcher Bedarf zur Vermeidung von Überkapazitäten und mangels
gesicherter Erfahrungszahlen – unter dem Vorbehalt einer späteren Korrektur nach oben – auf
70 Stellen gekürzt wurde ([11.153] Botschaft des Regierungsrats vom 27. April 2011, S. 34 f.). Bei
den Zahlenangaben zum Jahr 2013 handelt es sich im Übrigen um Hochrechnungen, da noch nicht
an allen Familiengerichten die Übertragung von der ersten Software zur Gerichtssoftware JURIS hat
abgeschlossen werden können. Im Überblick stellt sich – unter diesem Vorbehalt – der Vergleich wie
folgt dar:
Botschaft 27.04.2011
(Stand 2008/09)
Stand 01.01.2013; Datenübernahme
Bevölkerungszahl
Kanton AG
600'000
laufende Massnahmen
627'893
8'995
8'712
1'782 neu errichtete
Massnahmen
total eingegangene Geschäfte 2013
4'900
davon Verfahren auf
Errichtung oder Abänderung einer Massnahme
2013
3'050
Die hochgerechnete Totalzahl der Geschäftseingänge im Jahr 2013 ist für die Belastung insofern
nicht aussagekräftig genug, als darin auch Standardverfahren mit wenig Aufwand enthalten sind. Für
die Belastung in erster Linie ausschlaggebend ist jedoch die Zahl der Verfahren auf Errichtung oder
Abänderung einer Massnahme, Besuchs- und Obhutsstreitigkeiten sowie fürsorgerische Unterbringungen.
Die als Folge der Überlastung bestehende personelle Unterdotierung führt dazu, dass der Betrieb
sich auf die primär zu erfüllenden Aufgaben konzentrieren muss und zeitliche Verzögerungen ebenso unumgänglich sind wie der Aufschub der innert drei Jahren seit Inkrafttreten des neuen Rechts
notwendigen Massnahmenübertragung auf das neue Recht, da die dafür bewilligten befristeten Pensen für den laufenden Betrieb eingesetzt werden müssen. Zudem ist eine Personalverschiebung aus
den übrigen Geschäftsbereichen der Bezirksgerichte zu den familiengerichtlichen Abteilungen zur
Geschäftsbewältigung notwendig, was keine dauerhafte Problemlösungsstrategie darstellen kann
und sich auf die Motivation des Personals negativ auswirkt.
Als problemlos erwies sich aufgrund der einheitlich positiven Rückmeldungen aller Mitarbeitenden
der Familiengerichte die Umstellung auf die interdisziplinäre Zusammensetzung der Spruchkörper. In
qualitativer Hinsicht erfüllt das Familiengerichts-Modell die hohen Erwartungen.
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Zur Frage 2: "Welche Massnahmen zur Verfahrensbeschleunigung und zum Abbau der Pendenzen
sind vorgesehen?"
Es besteht von vornherein nur eingeschränkte Möglichkeit zur Verfahrensbeschleunigung, da das
neue Recht zur Verbesserung des Rechtsschutzes im Kindes- und Erwachsenenschutzbereich höhere Anforderungen stellt, denen grundsätzlich zu folgen ist. Als dringendste Massnahme auch zur
Verfahrensbeschleunigung, vor allem aber zum Abbau von Pendenzen, ist der personelle Ausbau
der Familiengerichte noch im Jahr 2014 unausweichlich, um zu verhindern, dass der gesamte erstinstanzliche Gerichtsbetrieb in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Justizleitung hat daher auf das Jahresende 2013 ausserordentliche Beiträge zum Abbau der hohen Gleitzeitsaldi bei Mitarbeitenden der
Familiengerichte bewilligt und per Januar 2014 ausserordentliche Mittel zur befristeten Anstellung
von Personal freigegeben, wo es am dringendsten benötigt wird. Was daneben die Optimierung der
Verfahrensabläufe anbelangt, finden dazu unter der Leitung der Kindes- und Erwachsenenschutzkammer des Obergerichts (KEKA) regelmässige Erfahrungsaustausche unter den Präsidentinnen
und Präsidenten der Familiengerichte sowie Meinungsaustausche mit den Vertretungen der Gemeindebehörden (Gemeindeammänner-Vereinigung, Verband Aargauer Gemeindeschreiberinnen
und Gemeindeschreiber, Gemeindesozialarbeiter-Konferenz) statt.
Zur Frage 3: "Welche Vereinfachungen in den Verfahren, insbesondere im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, sind möglich?"
Verfahrensvereinfachungen sind aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nur eingeschränkt möglich,
werden aber im Rahmen des Möglichen laufend vorgenommen. Zu erwähnen sind etwa die der
Standardisierung der Abläufe dienenden Vorschriften im Kreisschreiben der Kammer für Kindes- und
Erwachsenenschutz des Obergerichts (KEKA) über das Meldewesen, die Empfehlungen über das
Gebührenwesen, die Empfehlung zur Zustellung der Entscheide nur im Dispositiv, die Regelung des
Aktenaustauschs mit den Mandatsträgern sowie die Automatisierung der Abläufe im Rahmen der
Gerichtsinformatik JURIS. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Bedeutung der effizienten Zusammenarbeit mit den Gemeinden, welche nach wie vor für die immaterielle
und die materielle Sozialhilfe besorgt sind und daher im Rahmen der immateriellen Hilfe in nicht allzu
akuten Gefährdungssituationen mit unterstützender Intervention zur Entlastung der Familiengerichte
beitragen können. Sie haben zudem weiterhin dafür zu sorgen, dass genügend und qualifizierte
Mandatsträger zur Verfügung stehen.
Hinzuweisen ist weiter auch auf die von der Justizleitung der Gerichte Kanton Aargau vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen im Rahmen der Totalrevision des kantonalen Einführungsgesetzes zum
Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB), welche unter anderem insbesondere mit dem Ausbau der Einzelrichterzuständigkeit zu einer gewissen Verfahrensvereinfachung
in dafür geeigneten Fällen führen soll.
Zur Frage 4: "Sind Interventionen beim Bund geplant, um die bundesrechtlichen Vorschritten zu vereinfachen?"
Eine solche Intervention erscheint nicht opportun, da sich die Praxis zum neuen Recht zunächst
entwickeln muss und erst danach verbindliche Rückschlüsse über allfälligen Anpassungsbedarf zu
erwarten ist.
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Zur Frage 5: "Bis wann ist mit einer Normalisierung der Situation an den Familiengerichten zu rechnen?"
Bis zum Ablauf der dreijährigen Übergangsfrist ist generell von einer ausserordentlichen Belastungssituation an den Familiengerichten auszugehen, die – zusätzlich durch die am 1. Juli 2014 in Kraft
tretende Revision des Rechts über die elterliche Sorge – verschärft wird, auch wenn sich dessen
Auswirkungen zurzeit noch nicht abschätzen lassen: Nach dessen Übergangsbestimmungen kann
innert einer Übergangsfrist von einem Jahr rückwirkend auf fünf Jahre für abgeschlossene Verfahren
die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge beantragt werden. Zudem ist in Fällen problembehafteter Elternbeziehungen auch mit zusätzlichen Kindesschutzverfahren (zum Beispiel wegen
Wohnsitzwechsels eines Elternteils oder wegen strittiger Erziehungsfragen) und komplizierteren
Eheverfahren zu rechnen. Mit anhaltend hoher Zahl von Geschäftseingängen, weit über dem prognostizierten Niveau, kann von einer Normalisierung erst ausgegangen werden, wenn dieser nicht
prognostizierten Belastung mit Anpassung des Personalbestands begegnet wird. Mit dieser Prämisse ist ab Ende 2015 von Betriebsabläufen auszugehen, wie sie in der Botschaft des Regierungsrats
erwartet worden sind.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 1'517.–.
Herbert H. Scholl, FDP, Zofingen: Die Freisinnige Fraktion dankt dem Regierungsrat und der Justizleitung für die Beantwortung der in der Interpellation gestellten Fragen. Allerdings können wir uns mit
diesen Antworten nur teilweise zufrieden erklären.
Wir sehen die hohen Fallzahlen bei den Familiengerichten und das geänderte, strengere, formalisierte neue Bundesrecht. Aber wir vermissen den unbedingten Willen der Familiengerichte, dieses neue
Recht unkompliziert, pragmatisch und vor allem rasch anzuwenden und umzusetzen.
Das Bundesrecht verbietet keineswegs direkte Kontakte zwischen den Familiengerichten und den
Sozialgremien und Behörden der Gemeinden. Vieles kann im direkten Gespräch rasch geklärt werden und benötigt keinerlei Verfügungen. Wenn solche Verfügungen notwendig sein sollten, kann
man sie anschliessend rasch umsetzen, formulieren und zustellen. Direkte Abklärungen können viele
Verfahren rasch und unkompliziert beschleunigen. Wir sind auch nicht der Auffassung, dass bei Anhörung zur fürsorgerischen Unterbringung immer das gesamte Familiengericht anwesend sein muss.
Hier ist von den Delegationsmöglichkeiten vermehrt Gebrauch zu machen. Wir sehen auch Verbesserungsmöglichkeiten bei den Verschiebungen innerhalb der Spruchkörper bei den einzelnen Bezirksgerichten.
Die strengen Protokollierungsvorschriften sind in der Zwischenzeit geändert worden. Es ist nicht
mehr notwendig, dass nach Verhandlungsschluss in einer Zivil- oder Strafangelegenheit das Protokoll unterzeichnet, beziehungsweise vorher allenfalls korrigiert werden muss. Es sind nun auch Tonbandaufnahmen zulässig, womit die entsprechenden Korrekturen vom Gerichtsschreiber oder von
der Gerichtsschreiberin anschliessend vorgenommen werden können. Wir lehnen deshalb die in der
Interpellationsantwort vorgebrachte Meinung ab, es sei problematisch, solche Verschiebungen innerhalb der Bezirksgerichte als Dauerlösung zu installieren. Nein, wir fordern sie sogar und bitten
den Regierungsrat und die Justizleitung, solche geänderten Bedürfnisse jetzt besser zu untersuchen
und zu kommunizieren.
Wir wissen, dass vor den Sommerferien eine Vorlage zur Aufstockung der Personalbestände bei den
Familiengerichten in den Grossen Rat kommen wird. Wir werden diese Vorlage sehr kritisch anschauen und können uns nicht auf den Weg begeben, den diese Interpellationsbeantwortung nun
vorgezeigt hat.
Wir fordern den Regierungsrat und die Justizleitung auf, alle Beschleunigungsmöglichkeiten und
Vereinfachungen in diesem Bereich ernsthaft zu prüfen. Wir unterstützen schon heute den angeregten Vorschlag, die Einzelrichterkompetenzen bei den Familiengerichten weiter auszubauen. In diesem Sinne hoffen wir auf eine vernünftige Vorlage zu Beginn der Sommerferien.
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Vorsitzender: Herbert H. Scholl erklärt sich namens der Interpellantin von der Antwort des Regierungsrats teilweise befriedigt. Das Geschäft ist erledigt.
0418 Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen
(IDAG); Änderung; Eintreten, Detailberatung und Gesamtabstimmung
(Vorlage-Nr. 13.263-1 des Regierungsrats vom 18. Dezember 2013)
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Die Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW) hat die Botschaft 13.263 Änderung des
Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) in
1. Beratung an ihrer Sitzung vom 18. Februar 2014 im Beisein von Frau Regierungsrätin Susanne
Hochuli und den Herren Stephan Campi, Generalsekretär, Roger Lehner, Rechtsdienst DGS und
Thomas Menet, Leiter Informatik DGS, beraten.
Das sogenannte elektronische Patientendossier soll es ermöglichen, dass alle behandlungsrelevanten Daten allen behandelnden Ärztinnen und Ärzten digital zur Verfügung stehen. Der Datenaustausch soll im Rahmen von eHealth Gemeinschaften erfolgen, eine rasche Verfügbarkeit ermöglichen und letztlich auch Mehrfachuntersuchungen verhindern. Soweit ist dies unbestritten – insbesondere auch, weil Patientinnen und Patienten ebenfalls Zugriff erhalten und weil sie ein Widerspruchsrecht haben.
Allerdings erfordert die Umsetzung von eHealth die Schaffung rechtlicher Grundlagen. Die vorliegende Änderung des Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) ermöglicht es, im Rahmen von Pilotprojekten Verfahrensabläufe und IT-Anwendungen
auf deren Tauglichkeit zu prüfen. Diese Pilotprojektnorm geht über eHealth hinaus und soll weiteren
Projekten im Rahmen von E-Government dienen.
Die gleichzeitig vorzunehmende Änderung des Gesundheitsgesetzes dokumentiert die aktive Rolle
des Kantons Aargau in diesem Bereich. Die Kommission GSW liess sich daher vorgängig zur Behandlung der Botschaft über das Projekt eHealth des Kantons Aargau orientieren.
Die Vorteile von eHealth, beziehungsweise einem elektronischen Patientendossier, waren in der
Kommission unbestritten.
Als heikel wurde die sogenannte Delegationsnorm empfunden. Es wurde moniert, dass wir hier einen
Freipass für künftige Projekte beschliessen könnten. Die Einflussmöglichkeiten des Parlaments und
dessen Orientierung über neue Projekte und deren Verlauf wurden intensiv diskutiert. Eine Behandlung im Rahmen des Aufgaben- und Finanzplans (AFP) genügt der Kommission nicht. Sie wünschte
eine Verbesserung und stellte einen Prüfungsantrag, welcher von der Frau Gesundheitsdirektorin
entgegengenommen wurde. Ich komme bei der Behandlung der Synopse darauf zurück.
Hinterfragt wurde auch das Engagement des Kantons und ob dieses nicht zu weit gehe, ob nicht auf
eine Bundeslösung gewartet werden solle oder ob vermehrt auf Erfahrungen anderer Kantone zurückgegriffen werden könnte. Um diese Fragen beurteilen zu können, erwartet die Kommission
GSW, dass die zukünftige Organisation und die Trägerschaft des Projektes eHealth bis zur 2. Lesung bekannt sind.
Mehrfach wurde auch auf die hohe Komplexität der Materie und die riesige Herausforderung für stationäre und vor allem ambulante Leistungserbringer hingewiesen.
Richtigerweise wurde aber anerkannt, dass eHealth und das elektronische Patientendossier für eine
Strategie der integrierten Versorgung unabdingbar sind.
Schade, dass es auf Bundesebene so zögerlich vorangeht. Umso mehr wurde betont, dass bei der
Umsetzung Durchgängigkeit und Systemkompatibilität höchste Priorität haben müssen.
Eintreten war in der Kommission unbestritten.
Ich empfehle Ihnen im Namen der Kommission GSW, ebenfalls einzutreten.
Eintreten
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Vorsitzender: Stillschweigend tritt die Fraktion der EVP auf die Vorlage ein.
Eva Eliassen Vecko, Grüne, Turgi: Die Grünen treten auf das Geschäft ein und unterstützen die Gesetzesänderung, so wie sie mit der Botschaft des Regierungsrats vorliegt. Vorlagen, die dem Datenschutz unterstellt sind, sind grundsätzlich heikel. Wenn es dann noch um so persönliche Daten geht,
wie die Gesundheitsdaten von Einzelpersonen, ist die Erarbeitung eines Projekts besonders heikel
und muss mit grösster Sorgfalt vorbereitet und geprüft werden. Der Kanton Aargau hat für die Etablierung von eHealth ein vorbildliches Projekt vorgelegt, bei dem die nötige Sorgfalt beachtet wurde.
Wir haben uns bei der Gesundheitspolitischen Gesamtplanung (GGpl) in der übergeordneten Strategie für die integrierte Versorgung ausgesprochen, das heisst bessere Kommunikation, bessere Koordination und mehr Kooperation zwischen allen Beteiligten. Dies sollte beitragen zu einer besseren
Behandlungsqualität und mehr Patientensicherheit, wodurch die Betreuung effizienter wird und ein
optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis ermöglicht wird. Insofern ist die vorgelegte Botschaft über die
Änderung im IDAG zum Aufbau von eHealth und damit auf weitere Sicht der integrierten Versorgung
unabdingbar.
Dass der Kanton diese Vision der integrierten Versorgung verfolgt und sich mit der vorliegenden
Gesetzesänderung für die Umsetzung dieser Vision engagiert, erscheint uns wichtig. Dass der Kanton die Koordination übernimmt, die Bestimmungen zum Datenschutz und die Zugriffsrechte definiert, ist für uns zwingend. Die Daten sollen einzig und allein der besseren Zusammenarbeit und
Information aller Involvierten in einem Gesundheitsprozess zum Wohl des Patienten dienen.
Die Grünen treten auf das Geschäft ein, unterstützen den Antrag des Regierungsrats zur Schaffung
der Rechtsgrundlagen im IDAG und die Implementierung einer Steuerungs-, Koordinations- und Förderungsnorm im Gesundheitsgesetz.
Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau: Die Vorteile eines elektronischen Patientendossiers und seiner interprofessionellen Verfügbarkeit sind weitgehend unbestritten. Wir haben dies schon gehört. Allerdings
zeigt der dornenvolle Weg, welcher in den letzten Jahren von stationären Leistungserbringern und
auch von ambulanten Praxen geleistet wurde, wie schwierig diese Aufgabe in der Praxis zu bewältigen und umzusetzen ist. Trotzdem – oder vielmehr deshalb – erscheint es uns wichtig, zusammen
mit dem Bund die Voraussetzungen für eine koordinierte Entwicklung im Bereiche von eHealth zu
schaffen, diese zu fördern, zum Teil auch einzufordern – nämlich im stationären Bereich – und nötigenfalls gezielte personelle und auch finanzielle Unterstützung zu leisten.
Einer der Hauptvorteile von eHealth liegt in der Vernetzung zwischen ambulanten und stationären
Leistungserbringern, sprich niedergelassenen Ärzten, Apotheken und Spitälern. Diese Vernetzung ist
eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine integrierte Patientenversorgung, welche die Behandlungskette von ambulant nach stationär und auch wieder zurück nach ambulant – manchmal auch in
die Rehabilitation oder in die Pflege – reibungslos gewährleisten will. Diese Behandlungskette erhöht
die Effizienz und die Sicherheit in einem immer komplexer werdenden Umfeld und trägt damit auch
zur Kosten- und zur Qualitätskontrolle bei.
Was nicht vergessen werden darf, ist die Tatsache, dass durch die Vernetzung alleine noch nicht viel
gewonnen ist. Entscheidend ist nicht nur die Verfügbarkeit, sondern vielmehr noch die Qualität der
vorhandenen Informationen. Auch hier stehen wir vor einer gewaltigen Herausforderung, welcher wir
uns gemeinsam stellen müssen.
Zur weiteren Entwicklung von eHealth und elektronischen Patientendossiers sind Pilotprojekte unabdingbar, um die praktischen Erfahrungen sammeln und diese später in ein umfassenderes Gesetzgebungsverfahren einfliessen lassen zu können. Da es um übergeordnete Interessen auf kantonaler
und auch auf nationaler Ebene geht, ist eine Steuerung, Koordination und Förderung durch den Kanton angemessen. Konsequenterweise schiesst auch der Bund für jeden Kantonsfranken einen Bundesfranken in dieses Projekt mit ein.
Zusammenfassend tritt die SP auf die Schaffung der Rechtsgrundlagen im IDAG für Pilotprojekte im
eHealth-Bereich sowie auf die Schaffung einer Steuerungs-, Koordinations- und Förderungsnorm im
Gesundheitsgesetz ein und wird den regierungsrätlichen Antrag geschlossen unterstützen.
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Wolfgang Schibler, SVP, Bettwil: Die SVP anerkennt, dass die Rechtssicherheit für die Partner im
Gesundheitswesen wünschbar und notwendig ist. Wenn auch stationäre Leistungserbringer die Möglichkeit eines elektronischen Informationsaustausches anbieten können, so kann die Attraktivität des
stationären Gesundheitsmarktes gesteigert werden – wir haben es gehört. Der Hauptvorteil wird
dann auch in der Vernetzung liegen.
Die SVP sieht, dass eine Gesetzesanpassung im IDAG vorzunehmen ist, damit im elektronischen
Bereich Pilotprojekte mit einer maximalen Laufzeit von fünf Jahren durchgeführt werden können. Da
mit solchen Pilotprojekten, insbesondere im Bereich eHealth, aufgezeigt werden kann, welcher Nutzen und welche Synergien mit den elektronischen Patientendossiers für die ambulanten und die stationären Leistungserbringer entstehen können, unterstützen wir die Gesetzesänderung und treten
deshalb auf die Änderung der §§ 18a und 18b IDAG und 40a im Erlass GesG (Gesundheitsgesetz)
ein.
Die Bedingung ist jedoch, dass der in der Kommission GSW für die 2. Lesung besprochene Prüfungsantrag, welcher eine verstärkte Einflussnahme des Parlaments fordert, angenommen wird.
Zudem fordern auch wir – so wie die Kommission GSW – dass auf die 2. Lesung die Neuregelung
mittels Dekret geprüft werden muss.
Die SVP erwartet zudem zwingend, dass die Pilotprojekte mit der anstehenden Bundeslösung kompatibel sein werden.
Renata Siegrist-Bachmann, GLP, Zofingen: Die beiden beantragten Gesetzesänderungen im IDAG
und im Gesundheitsgesetz schaffen erst die notwendige Gesetzesgrundlage zur Prüfung komplexer
IT-Anwendungen auf ihre Praxistauglichkeit. Aus Sicht der GLP machen sie im Hinblick auf die Umsetzung des auf 2017 vorgesehenen Bundesgesetzes betreffend elektronischen Patientendossiers
Sinn. Dies vor allem, um unnötige Fehlinvestitionen zu vermeiden und um genügend Zeit zu haben,
nach der vorgesehenen Evaluation nötige Korrekturen noch vorzunehmen. Der Kanton Aargau hätte
damit bei Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes bereits erste Erfahrungen machen können. Die
Subventionen des Bundes, die in den ersten drei Jahren im selben Umfang wie die des Kantons
ausfallen sollen, würden so wohl am sinnvollsten eingesetzt. Wir würden hier also die gesetzliche
Möglichkeit schaffen, damit Pilotprojekte zur Erprobung von komplexen IT-Anwendungen im Bereich
des elektronischen Datenaustausches – wie bei eHealth oder auch bei E-Government – möglich
werden.
Trotzdem stellen sich inhaltlich ein paar Fragen: Ob diese Form des Datenaustausches dann auch in
der Praxis Akzeptanz findet, wird sich wohl erst zeigen, sollte uns aber nicht hindern, die Grundlage
dafür zu schaffen. Für ambulante Dienstleistungserbringer wird der Wechsel zum elektronischen
Patientendossier wohl eher kostspielig ausfallen und der Nutzen dürfte höchstens Gelegenheitswert
haben. Für Kliniken, stationäre Einrichtungen und Apotheken ist der Nutzen der kurzfristig abrufbaren Daten hingegen eher ersichtlich. Wünschenswert wäre aber, dass am Ende alle Leistungserbringer Mitspieler und Mitnutzer des elektronischen Systems werden, damit der Patient letztendlich auch
etwas gewinnt.
Die GLP-Fraktion tritt auf das Geschäft ein und unterstützt den Antrag des Regierungsrats zum Entwurf der beiden Gesetzesänderungen.
Andre Rotzetter, CVP, Buchs: Die CVP tritt auf das Geschäft ein und stimmt den Änderungen des
Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen IDAG geschlossen zu.
Auf 2017 tritt das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) in Kraft, in dem die
stationären Leitungserbringer im Gesundheitswesen verpflichtet werden, den Patienten den elektronischen Zugang zu ihren Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Um sich auf diese Gesetzesänderung
vorzubereiten, hat der Kanton Aargau eine Arbeitsgruppe von Vertretern aller Leistungserbringer im
Gesundheitswesen eingesetzt. Damit diese Arbeitsgruppe ihre Aufgabe erfüllen kann, braucht es
nun diese Änderungen im IDAG. Denn aktuell bestehen im Kanton Aargau, abgesehen vom Spitalbereich, keine ausreichenden Rechtsgrundlagen, welche im Sinne von eHealth eine automatisierte
Datenbearbeitung auf dem Behandlungspfad ermöglichen würden.
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Weiter muss die Rolle des Kantons im Bereich eHealth frühzeitig definiert werden. Die CVP wünscht
in diesem Geschäft nicht eine dominante Rolle des Kantons. Aber ohne eine aktive Rolle wird die
Sache scheitern. Denn eine kantonsübergreifende Kompatibilität von Systemen und Prozessen können die Leistungserbringer alleine nicht erbringen. Ohne eine koordinierende und unterstützende
Rolle geht es nicht. Es braucht aber in speziellen Fällen auch Steuerung durch den Kanton. Gerade
bei Festlegungen von Standards kann es für die Leistungserbringer von Vorteil sein, dass der Kanton
steuert. Es ist nur eine Frage der Menge.
Die eHealth Strategie kann auch ein Motor für die integrierte Versorgung im Gesundheitswesen sein.
Die CVP erhofft sich, dass die Leistungserbringer, aber auch der Kanton, diese Chance nutzen und
uns schlussendlich nicht nur virtuelle Ergebnisse präsentiert werden.
Stefan Haller, BDP, Dottikon: Für die BDP liegt es auf der Hand, dass in der heutigen Zeit die Vernetzung im Bereich der Medizin, wie auch andernorts, notwendig ist und damit natürlich auch die
Anpassungen im Bereich der Rechtsgrundlagen zu erfolgen haben. Das Thema eHealth ist dabei nur
ein Beispiel, welches entsprechend auch in weiteren Bereichen des Lebens für die Zukunft entwickelt
werden kann. Dass der Datenschutz des Individuums nicht vernachlässigt werden darf, ist unabdingbar. Ebenso wichtig und entscheidend für den Erfolg einer strukturellen Änderung ist, dass die Plattformart der Kommunikation und Identifikation so gewählt wird, dass sie möglichst lange Bestand hat
und damit breit einsetzbar ist. Dies sind jedoch Detailfragen, mit welchen wir uns hier glücklicherweise nicht direkt beschäftigen müssen.
Dennoch sind aus der Botschaft viele Hintergrundinformationen hervorgekommen, welche einen
Einblick geben, wie tief das Ganze geht.
Die BDP ist der Meinung, dass mit der vorliegenden Botschaft und den damit verbundenen Erlassänderungen die wichtigsten Eckpfeiler für den Start eines entsprechenden Pilotprojektes eHealth
gegeben sind. Die BDP tritt ein und wird den Anträgen so zustimmen.
Dr. Martina Sigg, FDP, Schinznach: Die FDP setzt auf eHealth und unterstützt daher grundsätzlich
die Absichten des Regierungsrats. Völlig unbestritten ist die Tatsache, dass eine Rechtsgrundlage
geschaffen werden muss, um die automatisierte Bearbeitung von schützenswerten Personendaten
auf dem Behandlungspfad zu ermöglichen. In der Vorlage und in der Kommissionsberatung wurde
transparent aufgezeigt, wieso diese gesetzlichen Grundlagen notwendig und wo die Schnittstellen
zum Bund mit dem neuen Rahmengesetz zu eHealth sind.
Positiv finden wir, dass der Patient/die Patientin und seine/ihre Rechte im Mittelpunkt stehen. Patient
empowerment ist auch hier das Schlüsselwort und soll gefördert werden. Der Ansatz des Kantons ist
unterstützenswert. Es geht primär um den Patienten und den Nutzen und nicht um die Elektronik
oder die Software.
Nach wie vor sind wir aber sehr skeptisch gegenüber der Beteiligung des Kantons. Diese Skepsis
liegt im Blut aller Freisinnigen. Wir verstehen einerseits, dass verhindert werden muss, dass Insellösungen entstehen. Wir sind uns auch bewusst, dass dieser attraktive Wachstumsmarkt ein Tummelfeld für viele Investoren ist. Diese wollen profitieren und denken nur in zweiter Linie an die Gemeinschaft. Wieso aber hält sich der Kanton sogar die Möglichkeit offen, Teil von Gemeinschaften zu
werden? Genügen Kontrolle und Förderung nicht, braucht es wirklich eine aktive Beteiligung.
In der Kommissionsberatung wurde uns versprochen, diese Fragen bis zur 2. Lesung zu beantworten. Deshalb werden wir jetzt diesbezüglich keine Anträge stellen. Insbesondere sind wir gespannt
darauf, wie die Trägerschaft zusammengesetzt sein soll. Solange wir dies nicht wissen, können wir
nicht definitiv über die Vorlage – und vor allem nicht über die Änderungen im Gesundheitsgesetz –
entscheiden.
Ebenso sind wir gespannt darauf, zu erfahren, welche Lösungen der Regierungsrat für den Prüfungsauftrag der Kommission vorschlagen und inwieweit der Grosse Rat in die Projekte eingebunden
wird, das heisst, wie wir mitbestimmen können. Die Verknüpfung von Daten und Abfragen ist sehr
heikel. So, wie es jetzt vorgesehen ist, könnten in einer zweijährigen Pilotphase solche Verknüpfungen nur mit Bewilligung des Regierungsrats und der Datenschützerin gemacht werden.
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Wie sicher sind unsere Daten? Können wir das Vertrauen, das der Bürger dem System entgegenbringt, rechtfertigen? Wir bilden eine grosse Wolke, eine Cloud. Wo ist diese Wolke? In der Schweiz
oder irgendwo im Ausland? Wir werden diesbezüglich in der Detailberatung zwei Prüfungsanträge
stellen.
Die FDP-Fraktion tritt auf die Vorlage ein und wird der vorgeschlagenen Gesetzesänderung in 1.
Lesung grossmehrheitlich zustimmen.
Susanne Hochuli, Regierungsrätin, Grüne: 2014 werden die eidgenössischen Räte das EPDG beraten. Das EPDG stellt die Weichen und bildet den Rahmen für eine neue Art der Kommunikation zwischen medizinischen Fachpersonen und ihren Institutionen. Erstens soll die Kommunikation digital
und standardisiert erfolgen und zweitens sollen die Patientinnen und Patienten in diese neue Art der
Kommunikation eingreifen können. Im Zentrum des neuen Bundesgesetzes steht das sogenannte
elektronische Patientendossier. Der übergeordnete Begriff für das elektronische Patientendossier ist
eHealth. Das elektronische Patientendossier ersetzt keine Systeme im Spital, in der Apotheke, beim
Hausarzt oder bei der Spitex. Das elektronische Patientendossier ist – sehr stark vereinfacht ausgedrückt – ein moderner Ersatz für die heute noch intensiv genutzten Faxgeräte bei den Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Es ersetzt das Couvert mit dem definitiven Austrittsbericht einer
stationären Einrichtung, das von der Post überbracht wird. Es macht den Botengang des Patienten
überflüssig, der mit dem provisorischen Austrittsbericht zur nächsten Konsultation zum Hausarzt
geht. Die behandlungsrelevanten Daten stehen – ob in Kurzversion oder in definitiver Version – im
elektronischen Patientendossier schon bereit, wenn der Patient die Hausarztpraxis, das Spital, die
Rehabilitationsklinik oder die Apotheke betritt. Damit ist auch gesagt, dass das elektronische Patientendossier die Art und Weise, wie die medizinischen Fachpersonen tagtäglich arbeiten und ihre Entscheidungen treffen, im Grunde nicht verändert, aber massgeblich die Art und Weise, wie sie die
Patientendaten untereinander austauschen. Treiber dieser Modernisierung der Kommunikation zwischen den Leistungserbringern im Gesundheitswesen ist aber nicht nur das neue Bundesgesetz. Es
sind auch gesundheitspolitische Richtungsentscheide des Grossen Rats, meine Damen und Herren,
die den Regierungsrat dazu bewogen haben, aktiv, innovativ und konstruktiv an der Effizienz und
Qualitätssteigerung der Leistungserbringung im Gesundheitswesen sowie an der Patientensicherheit
zu arbeiten. Die Stichworte sind hier: Gesundheitspolitische Gesamtplanung (GGpl) 2010, die finanzierbare Aargauer Gesundheitspolitik und die integrierte Versorgung. Dazu aber später.
Ich möchte zuerst den engeren Kontext rund um die aktuelle Botschaft für die Änderung des Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) herstellen.
Patientendaten sind besonders schützenswert. Darauf wurde gerade vorher von der BDP hingewiesen. Das neue Bundesgesetz zum elektronischen Patientendossier ist aber in Bezug auf den Datenschutz nur für übergeordnete Fragen zuständig. Die Kantone müssen also eigene rechtliche Grundlagen schaffen, um den Schutz dieser hochsensiblen Daten bei dieser modernen Art des Datenflusses zu garantieren. Der Datenfluss zwischen Leistungserbringern im Gesundheitswesen über das
elektronische Patientendossier erfolgt mit Hilfe eines sogenannten automatisierten Abrufverfahrens.
Dafür ist zwingend eine gesetzliche Grundlage notwendig.
Der Regierungsrat hat sich dabei für einen pragmatischen und praxisorientierten Ansatz entschieden. Im Gegensatz zum Pionierkanton Genf soll kein umfassendes eHealth-Gesetz geschaffen werden. Der Regierungsrat will mit zwei datenschutzrechtlichen Normen im IDAG den Leistungserbringern im Gesundheitswesen die Erprobung von automatisierten Abrufverfahren a) mit realen Patientendaten und b) in befristeten Pilotprojekten ermöglichen. Diese beiden Normen im IDAG lehnen sich
stark an die Pilotprojektnormen in Art. 17a des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) an.
Die neue Norm im IDAG gilt aber nicht nur für Pilotprojekte im medizinischen Kontext, die natürlich
mit den Bundesvorgaben kompatibel sein müssen – darauf hat ja Grossrat Schibler zu Recht hingewiesen. Auch im Kontext der kantonalen Verwaltung können grundsätzlich hoch sensible persönliche
Daten der Bürgerinnen und Bürger über automatisierte Abrufverfahren verwendet werden, zum Beispiel im Bereich des Bezugs von Registerdaten. Die entsprechende technische E-GovernmentInfrastruktur steht heute schon zur Verfügung. Entsprechend waren bei der Konzeption der Pilotpro-
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jektnormen im IDAG sowohl die Beauftragte für Öffentlichkeit und Datenschutz als auch die Programmleitung E-Government massgeblich involviert.
Die neue Bestimmung im IDAG setzt – wie im Übrigen auch im Kontext des elektronischen Patientendossiers – solchen Pilotprojekten ganz klare Grenzen. Namentlich müssen in den Pilotprojektverordnungen Datenschutz und Datensicherheit näher geregelt werden und die Verordnungen haben
eine maximale Geltungsdauer von fünf Jahren. Darauf wurde auch von Seiten der SVP gerade hingewiesen. Danach – nach diesen fünf Jahren – müssen die Verordnungsbestimmungen durch ein
Gesetz abgelöst oder die Pilotprojekte eingestellt werden.
Pilotprojekte in den Kantonen St. Gallen und Basel-Stadt im Kontext des elektronischen Patientendossiers zeigen heute, dass sich diese pragmatische datenschutzrechtliche Grundlage bewährt.
Befristete Pilotprojekte, die zwingend evaluiert werden müssen, liefern schlussendlich die Grundlagen dafür, die Leistungserbringung im Gesundheitswesen gezielt und nachhaltig auf die Etablierung
des elektronischen Patientendossiers vorzubereiten.
Das neue Bundesgesetz überträgt den Kantonen keine neuen Vollzugsaufgaben im Bereich eHealth.
Die Kantone bleiben grundsätzlich für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung zuständig und
damit auch für die Art und Weise, wie sie die Leistungserbringer im Gesundheitswesen an das elektronische Patientendossier heranführen. Das elektronische Patientendossier kann aber nicht mit einem einzigen Mammutprojekt geschaffen und für alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen etabliert werden. Es braucht erprobte Lösungsansätze in verschiedenen eHealth-Teilbereichen und eben
auch im Datenschutz, damit aus diesen hochkomplexen Teilbereichen von eHealth das elektronische
Patientendossier entstehen oder – wie ich ganz am Anfang stark vereinfacht gesagt habe – das Faxgerät abgelöst werden kann. Dazu eignen sich die auf der Grundlage der beiden IDAG-Normen basierenden Pilotprojekte ausgezeichnet. Die Koordination dieser Pilotprojekte übernimmt der Kanton
seit 2012 im Rahmen des Programms "eHealth Aargau 2015" aktiv. Der Bund empfiehlt in seiner
Botschaft zum EPDG den Kantonen sogar die Umsetzung eigener eHealth-Initiativen und die Schaffung eigener Rechtsgrundlagen. Dafür hat der Bund auch eine befristete Finanzhilfe beschlossen.
Die Voraussetzung dafür ist aber eine aktive ressourcenorientierte Rolle des Kantons: Jeder Kantonsfranken, der im konkreten Aufbau des elektronischen Patientendossiers eingesetzt wird, löst
einen Bundesfranken aus. Der Grosse Rat wird dabei immer zeitig informiert werden, welche Pilotprojekte dazu notwendig sind. Die Modalitäten der finanziellen Anspruchsberechtigung werden in
den entsprechenden Verordnungen zum EPDG noch festgelegt.
Das neue Bundesgesetz EPDG verankert die sogenannte doppelte Freiwilligkeit. Das elektronische
Patientendossier ist für die Patientinnen und Patienten sowie für die Leistungserbringer freiwillig. Mit
einer Ausnahme – es wurde vorher schon darauf hingewiesen: Die stationären Leistungserbringer
müssen gemäss EPDG nach einer fünfjährigen Umsetzungsfrist fähig sein, die behandlungsrelevanten Daten über das elektronische Patientendossier zur Verfügung zu stellen. Das elektronische Patientendossier ist also wegen seiner hohen Komplexität mit einem Puzzle vergleichbar – ein Puzzle
mit tausend Teilen und einem weiten wolkenlosen Himmel, der noch mit Wolken gefüllt werden
muss. Es wurde vorher schon gesagt: Wo ist denn diese Cloud? Ist sie in der Schweiz, in Europa
oder in Übersee? Wir werden bei den Prüfungsanträgen bestimmt noch darauf zu reden kommen.
Die Zusammenarbeit zwischen Kanton und Leistungserbringer soll im Sinne der Nachhaltigkeit letztlich die Frage beantworten, welcher konkrete Nutzen sich aus der Kommunikation über das elektronische Patientendossier für die tägliche Arbeit für die Leistungserbringer und für die Bürgerinnen und
Bürger ergibt. Es muss gezielt und Schritt für Schritt passieren. Niemand wird bestreiten, dass ein
Nutzen Sinn machen muss. Es wurde vorher auch aus Ihrer Reihe gesagt: Wir machen das Ganze
nicht, weil es einfach "nice to have" ist.
Die Beantwortung dieser Frage ist sehr aufwendig und braucht Zeit. Auch darum setzt sich der Regierungsrat dafür ein, dem Kanton über die Dauer des Programms "eHealth Aargau 2015" eine koordinierende, fördernde und steuernde Rolle zu geben. Der Kommissionspräsident hat darauf hingewiesen, dass das Engagement des Kantons bei der Beratung hinterfragt worden ist. Warum setzt
sich der Regierungsrat gerade heute so dezidiert dafür ein, dass eben das alt bewährte Faxgerät
durch ein modernes, vernetztes und sicheres Kommunikationsmittel ersetzt werden soll? Einerseits
zwingt das EPDG den Kanton dazu. Die Finanzhilfe des Bundes ist auf drei Jahre befristet und die
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stationären Leistungserbringer werden verpflichtet sein, das elektronische Patientendossier einzusetzen. Die berechtigte Erwartungshaltung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen des Kantons Aargau in Bezug auf die konkrete und nachhaltige Rolle des Kantons bei der Umsetzung des
EPDG spielt dabei genauso eine Rolle, wie die gesundheitspolitischen Entscheide des Grossen
Rats, die ich anfangs des Referats erwähnt habe.
Die Modernisierung in der Kommunikation im Gesundheitswesen erfolgt eben auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, dem Fortschritt in der Diagnostik, Behandlung und Pharmazie, der kantonalen und kantonsübergreifenden Versorgungsplanung, der freien Spital- und Arztwahl sowie der damit verbundenen Patientenströme in und aus dem Kanton Aargau.
Wir haben vor wenigen Monaten vor diesem Hintergrund auch das Projekt "Masterplan Integrierte
Versorgung Aargau 2014-2017" (MIVAG 17) lanciert, um die gesundheitspolitischen Ziele des Grossen Rats gezielt zu erreichen. Von Jürg Knuchel, einem Mann aus der Praxis, der das also wissen
muss, wurde darauf hingewiesen, wie wichtig die integrierte Versorgung sein muss und dass sie
ohne eHealth nicht zu haben sein wird.
Ich bin der Meinung, dass der Kanton Aargau sowohl mit dieser Norm, die Ihnen jetzt vorliegt, aber
auch mit MIVAG 17 und eHealth die Zukunft für ein gutes Gesundheitswesen vorbereitet hat.
Ich danke Ihnen für die konstruktive Eintretensdebatte. Wir werden bei den entsprechenden Paragraphen auf die Prüfungsanträge zu sprechen kommen.
Vorsitzender: Eintreten ist unbestritten.
Detailberatung
Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG); Änderung
I., § 18a
Zustimmung
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Die Frau Gesundheitsdirektorin hat es erwähnt: § 18a IDAG ist eigentlich eine Kopie von Art. 17a
des Bundesgesetzes über den Datenschutz.
Unter Abs. 3 wurde in der Kommission diskutiert, ob diese Regelung nicht in einem Dekret erfolgen
solle. Ein entsprechender Antrag wurde aber zugunsten des Prüfungsantrags, den ich Ihnen unter
§ 18b bekannt geben werde, zurückgezogen.
Im Übrigen war § 18a in der Kommission GSW unbestritten und wurde so genehmigt.
Titus Meier, FDP, Brugg: Ich bin davon überzeugt, das elektronische Patientendossier ist zeitgemäss
und wird Vorteile bringen. Die erwarteten und die erhofften Vorteile können aber nur dann auch zutage treten, wenn die Bürger – die Patienten – bereit sind, ihre Daten elektronisch verarbeiten zu
lassen. Damit der Bürger bereit ist, seine Daten in einem anonymen System elektronisch ablegen
und verarbeiten zu lassen, braucht er Gewissheit. Er braucht Gewissheit, dass mit seinen Daten
korrekt umgegangen wird und die Daten nicht für andere als für die im Gesetz definierten Anwendungen verwendet werden.
Aus diesem Grund haben wir zwei Prüfungsanträge formuliert, die wir heute einreichen möchten. Ich
bitte Sie bereits jetzt um Unterstützung. Es geht darum, dass im Hinblick auf die 2. Beratung Folgendes aufgezeigt wird: 1. Prüfungsantrag: "Es soll verhindert werden, dass Unbefugte auf die hinterlegten Patientendaten zugreifen können, beziehungsweise, dass die elektronisch abgelegten Patientendaten zu einem anderen als zum gesetzlich vorgesehenen Zweck verwendet werden können." Der
Bürger hat ein Anrecht darauf, dass diese Frage explizit geklärt und in einer Botschaft ausgewiesen
wird. Wir wissen nicht, was mit diesen Daten passiert. Wir wissen nicht, wie es beispielsweise bei
Firmen aussieht, die teilweise ausländische Finanzgeber haben oder in ausländischen Händen sind,
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die einer anderen Rechtsprechung unterstellt sind. Wir möchten klare Aussagen haben, wie hier die
Datensicherheit gewährleistet werden soll. Wir alle wissen, dass elektronisch abgelegte Daten deutlich weniger sicher sind, als solche, die man Zuhause auf einem Notizzettel hinterlegt – sofern man
den Notizzettel immer in Griffnähe hat und ihn nicht mit dem allgemeinen Abfall entsorgt. Wir haben
elektronische Daten und wissen in der Regel nicht, was mit diesen Daten passiert.
Zum 2. Prüfungsantrag: "Der Regierungsrat wird aufgefordert, dem Grossen Rat im Hinblick auf die
2. Beratung aufzuzeigen, wie sichergestellt werden kann, dass die Patientendaten in der Schweiz
und nicht im Ausland gespeichert werden." Wir haben gehört, dass es um Cloudlösungen und Wolken geht. Diese Wolke soll sich in der Schweiz befinden. Wolken, die im Ausland liegen, unterstehen
einem anderen Recht, als wir es in der Schweiz praktizieren. Dies ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Punkt und ein Hebel, den wir ansetzen müssen, um das Vertrauen der Patientinnen und Patienten zu erlangen, dass sie ihre Daten einem elektronischen Patientendossier anvertrauen.
In diesem Sinn bitte ich Sie, die beiden Prüfungsanträge zu unterstützen und im Hinblick auf die
2. Beratung zu überweisen.
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Beide Themen wurden in der Kommission ausgiebig diskutiert. Die entsprechenden Prüfungsanträge
wurden dort allerdings nicht gestellt, sodass auch keine Abstimmung erfolgen konnte.
Susanne Hochuli, Regierungsrätin, Grüne: Ich nehme gerne zum ersten Prüfungsantrag Stellung,
den wir so übernehmen können. Es ist natürlich richtig, dass man sich um diese hochsensiblen Daten sorgt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir auf die 2. Kommissionsberatung schon weitere Informationen vorlegen können. Im Moment wird nämlich die Konzeption zwischen Bund und Kantonen
erarbeitet, die aufzeigt, wer auf diese Daten Zugriff haben wird. Sie wird schlussendlich schweizweit
erarbeitet. Der Kanton Aargau hat den Vorteil, dass ein Mitarbeiter des Departements Gesundheit
und Soziales in dieser Arbeitsgruppe eHealth Suisse – das ist das Koordinationsorgan – einen Platz
hat und dort aktiv mitarbeitet. Wir können Sie also dann aus erster Hand bei der 2. Kommissionsberatung informieren.
Zum zweiten Antrag: Hier geht es darum, dass sichergestellt werden kann, dass die elektronischen
Patientendaten in der Schweiz und nicht im Ausland gespeichert werden. Ich nehme auch diesen
Prüfungsantrag entgegen. Zuhanden der FDP-Fraktion verweise ich auf das Sprichwort "über den
Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein". Gerade vorher hat Fraktionssprecherin Dr. Martina
Sigg darauf hingewiesen, dass dem Freisinn eine gewisse Skepsis gegenüber dem Staat im Blut
liege, wenn er sich zu stark einmischt. Ich möchte Sie deshalb darauf hinweisen, dass die Ausgestaltung und Beschaffung der hauseigenen Primärsysteme, zum Beispiel der Klinik- und Praxisinformationssysteme, unter das von der Bundesverfassung geschützte Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit der
privatrechtlich-organisierten Leistungserbringer fällt. Wenn jetzt der kantonale Gesetzgeber den Leistungserbringern beispielsweise vorschreiben möchte, wo sie die Speicherung der Daten machen
müssen – ob in der Schweiz oder in Europa – wird uns vermutlich die gesetzliche Grundlage dazu
fehlen. Aber wir können es gerne in der Arbeitsgruppe diskutieren, ob in die Grundrechte der Leistungserbringer eingegriffen werden darf oder nicht.
Ich möchte einen Hinweis auf die Firma Microsoft machen. Hier geht es um Daten, die in den Schulen gespeichert werden. Schuldaten sind ebenfalls hochsensible Daten. Die Firma Microsoft ist anscheinend der Meinung, sie könnte sich dazu bereiterklären, dass diese Daten zwar nicht in der
Schweiz, aber in Europa gelagert werden. Aber Europa ist auch sehr gross. Ich hoffe einfach, falls
wir diesen Prüfungsantrag jetzt entgegennehmen und in der Kommission diskutieren, dass dann
nicht die FDP kommt und fragt: "Was hat sich der Staat jetzt wieder unter den Nagel gerissen?" Ich
hoffe, dass man dann noch daran denkt, dass der Prüfungsantrag von ihrer Seite gekommen ist.
Abstimmung
Der Prüfungsantrag 1 wird mit 127 gegen 0 Stimmen gutgeheissen.
Der Prüfungsantrag 2 wird mit 118 gegen 6 Stimmen gutgeheissen.
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§ 18b, II., § 40a III., IV.
Zustimmung
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Ich habe Ihnen den Prüfungsantrag der Kommission zu § 18b angekündigt und verlese ihn gerne. Er
lautet wie folgt: "Bis zur 2. Lesung seien Vorschläge zur Regelung der gewünschten Einflussnahme
des Parlaments auszuarbeiten und damit Transparenz zu schaffen. Einerseits soll über den Beginn
von Pilotprojekten entschieden werden können, andererseits sollen die entsprechenden Evaluationsberichte dem Parlament zur Kenntnis gebracht werden. Ob die Regelung mittels Verordnung oder
Dekret zu erfolgen hat, ist ebenfalls zu prüfen."
Dieser Prüfungsantrag wurde in der vorliegenden Form von Frau Gesundheitsdirektorin Susanne
Hochuli entgegengenommen und von der Kommission einstimmig beschlossen. Ob er im § 18b nach
Abs. 1 oder Abs. 2 eingefügt werden soll, sofern er dann ausgearbeitet und beschlossen wurde, wird
sich in der 2. Lesung entscheiden.
Antrag gemäss Botschaft
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW): In
der Kommission GSW wurden keine abweichenden oder ergänzenden Anträge gestellt. Dem vorliegenden Antrag gemäss Botschaft auf Seite 45 wurde einstimmig zugestimmt. Ich empfehle Ihnen im
Namen der Kommission, dasselbe zu tun.
Gesamtabstimmung
Der regierungsrätliche Antrag wird mit 129 gegen 2 Stimmen gutgeheissen.
Beschluss
Der Entwurf einer Änderung des Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz
und das Archivwesen (IDAG) wird in 1. Beratung zum Beschluss erhoben.
0419 Einführung einer Liste der säumigen Versicherten; Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG); Änderung; 1. Beratung; Beginn der Eintretensdiskussion
(Vorlage Nr. 14.26-1 des Regierungsrats vom 12. Februar 2014)
Hans Dössegger, SVP, Seon, Präsident der Kommission für Gesundheit und Sozialwesen (GSW):
Die Kommission Gesundheit und Sozialwesen (GSW) hat die Botschaft 14.26 "Einführung einer Liste
der säumigen Versicherten; Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung
(EG KVG); Änderung; 1. Beratung" an ihrer Sitzung vom 25. Februar 2014 im Beisein von Frau Regierungsrätin Susanne Hochuli, Herrn Stephan Campi, Generalsekretär und Frau Barbara Hürlimann, Projektleiterin DGS, beraten.
Mit der Einführung einer Liste der säumigen Versicherten befasste sich der Grosse Rat bereits im
März 2011 und im Mai 2013 und überwies zwei Motionen, welche die Einführung einer Liste der
säumigen Zahler, im Volksmund auch "schwarze Liste" genannt, forderten. Der zweite Vorstoss verlangte zudem die Einführung bis Mitte 2014.
In der ursprünglichen Version des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung mussten säumige
Zahler mit einer Leistungssistierung rechnen. Trotzdem waren Ausstände von mehreren
100 Millionen Franken Prämien zu verzeichnen. Mit der Änderung von Art. 64a des KVG, welche auf
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den 1. Januar 2012 in Kraft trat, wurde das System der Leistungssistierung aufgehoben. Dafür wurden die Kantone verpflichtet, 85 Prozent der Gesamtforderungen zu übernehmen. Im Gegenzug
erhielten sie die Möglichkeit, Listen mit den säumigen Zahlern zu führen. Wer auf dieser Liste aufgeführt ist, muss damit wieder mit einer Leistungssistierung rechnen. Notfälle sind davon natürlich ausgenommen.
Die besagte Änderung von Art. 64a KVG ohne Säumigenliste hat die fatale Folge, dass auch ohne
Bezahlung der Ausstände uneingeschränkt Leistungen konsumiert werden können. Diese Situation
hat – vor dem Kanton Aargau – schon andere Kantone zur Einführung einer solchen Liste bewogen.
Obwohl die Einsparungen für den Kanton nicht riesig sein dürften, kann doch davon ausgegangen
werden, dass eine präventive Wirkung erreicht wird, denn viele der Säumigen könnten die Ausstände
durchaus bezahlen, sind aber aus irgendwelchen Gründen nicht zahlungswillig.
Bezüger von Ergänzungsleistung (EL) und Sozialhilfe sind im vorliegenden Entwurf ausgenommen,
ebenso Kinder und Jugendliche. Mit dem Vollzug soll die Sozialversicherungsanstalt (SVA) beauftragt werden.
In der Diskussion wurden teilweise Bedenken geäussert, dass vermehrt Patienten zu den Notfallstationen der Spitäler gehen könnten, da dort eine Aufnahmeverpflichtung besteht. Art. 41a Abs. 2 KVG
regelt zwar die Aufnahmepflicht, die Unterscheidung zwischen Notfall- und Wahlbehandlung ist aber
in der Praxis oft nicht einfach. Immerhin kann gesagt werden, dass Aufnahmepflicht nicht in jedem
Fall auch Behandlungspflicht heisst.
Eine Mehrheit der Kommission GSW sprach sich für eine schnelle Einführung aus, vor allem wegen
der erwarteten präventiven Wirkung. Teilweise wurde der Nutzen einer Liste ohne gleichzeitige Einführung eines Case Managements, wie es in der künftigen Totalrevision des EG KVG vorgesehen
ist, bezweifelt.
Als unbefriedigend wurde empfunden, dass die Krankenkassen den Kantonen nur 50 Prozent zurückzahlen müssen, wenn Forderungen aufgrund von Betreibungen doch noch bezahlt werden. Die
restlichen 35 Prozent können sie für ihre Umtriebe behalten.
Einem Nichteintretensantrag wurde in der Kommission nicht stattgegeben, Eintreten wurde mit 10
gegen 2 Stimmen, bei 12 Anwesenden, beschlossen. Ich empfehle Ihnen im Namen der Kommission
GSW, einzutreten.
Eintreten
Roland Aeschimann, EVP, Reinach: Die EVP-Fraktion ist sich bewusst, dass die Meinungen über
dieses Geschäft schon weitgehend gemacht sind. Trotzdem beantragen wir Ihnen Rückweisung des
Geschäfts bis zur Revision des Einführungsgesetzes zum Krankenversicherungsgesetz (EG KVG).
Grundsätzlich sind wir für die Einführung einer Säumigenliste, dies aber nur im Zusammenhang mit
den begleitenden Massnahmen, dem Case Management. Die Einführung zum jetzigen Zeitpunkt ist
für uns wie ein beschränkt einsatzfähiges Werkzeug. An einen präventiven Nutzen glauben wir nicht.
Zudem profitieren vor allem die Versicherer von dieser Einführung. Für den Kanton gibt es nicht viel
zu holen. Wir bitten Sie, dem Rückweisungsantrag zuzustimmen und danken Ihnen dafür.
Eva Eliassen Vecko, Grüne, Turgi: Eigentlich hatten wir vorgesehen, auf das Geschäft einzutreten.
Wir sind nämlich ebenfalls für die Einführung einer Liste der säumigen Versicherten, aber wirklich nur
derer, die zahlen können, aber nicht zahlen wollen. Alle anderen haben auf dieser Liste nichts verloren, deshalb sind wir eben immer noch der Meinung, dass die Einführung mit Case Management
zielführender ist. Es wird aufwändig, herauszufinden, wer bezahlen muss, aber nicht will, und wer
bezahlen muss und nicht kann. Ohne Case Management macht das die vom Kanton dringlich eingesetzte Stelle. Es wird nicht zu vermeiden sein, dass Leute auf dieser Liste erscheinen, die da nicht
hingehören. Die vorgezogene Liste bringt also viel unnötige Arbeit, erspart dem Kanton keine Kosten, sondern bringt Kosten mit sich. Denn der Kanton bezahlt gleichwohl 85 Prozent an die Krankenkassen, wenn – mit oder ohne Liste – die Prämien nicht bezahlt werden, beziehungsweise nicht bezahlt werden können. Wir errichten da also eine Kostenstelle, die zwar viel zu tun haben wird, einiges kosten wird, aber nicht wirklich viel mehr einbringt. Die einzigen, die von dieser vorgezogenen
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Einführung einer Säumigenliste profitieren, sind die Krankenkassen. Auch selbst waren die Krankenversicherer in der Anhörung mehrheitlich gegen die vorgezogene Einführung einer Säumigenliste.
Grund für die Ablehnung ist das schlechte Kosten-Nutzen-Verhältnis und der hohe bürokratische
Aufwand bei den Versicherern – ohne quantifizierbaren Nutzen.
Wenn man dann noch dieses Geschäft mit dem nächsten Geschäft (14.29) "Dekret über den Anspruch auf Prämienverbilligung" verbindet, ergibt das einen sich selbst erzeugenden Kreislauf. Bei
diesem Geschäft werden zusätzliche Versicherte generiert, die nicht werden bezahlen können und
die dann erfasst und abgeklärt werden müssen. Sie erzeugen Kosten bei den Gemeinden via Sozialhilfe, allenfalls auch noch die 85 Prozent beim Kanton und Kosten bei der provisorischen Erfassungsstelle der Säumigen.
Unser Verständnis von staatlichen Sparbemühungen sieht anders aus. Wir werden den Antrag ablehnen oder könnten uns vorstellen, auf den Rückweisungsantrag einzutreten.
Dr. Jürg Knuchel, SP, Aarau: Lassen Sie es mich zu Beginn gleich festhalten: Die SP lehnt eine korrekt und zielführend geführte Säumigenliste nicht grundsätzlich ab. Eine Säumigenliste, welche das
Ziel verfolgt, zahlungsfähige aber zahlungsunwillige Personen zu identifizieren, diese zur Zahlung
ihrer Ausstände zu motivieren und sie erst als Ultima Ratio auf eine Säumigenliste zu setzen. Eine
Säumigenliste, welche ohne Mahnfinger, ohne Prangergelüste und ohne ungerechtfertigte Verdächtigungen auskommt.
Aber seien wir uns bewusst, das Einsparpotenzial einer Säumigenliste ist bescheiden. Für den Kanton Aargau rechnet man mit circa 500'000 Franken pro Jahr. Diese Einsparungen ergeben sich im
Wesentlichen aus einem gezielten Case Management, welches sich auf Gemeindeebene um Personen mit ausstehenden Krankenkassenprämien kümmert und den Versicherungsschutz, wo immer
möglich, wiederherzustellen versucht.
Konkret heisst das, je kürzer die Säumigenliste, umso höher die Einsparungen. Ohne ein effizientes
Case Management ist dies kaum zu schaffen. Ein solches Case Management auf Gemeindeebene
ist zwar vorgesehen, die notwendigen Ressourcen werden jedoch erst in drei Jahren mit Inkrafttreten
des revidierten EG KVG frei. Eine vorzeitige oder gar schnellstmögliche Einführung der Säumigenliste im Dringlichkeitsverfahren führt deshalb zu einer unnötigen Kostenbelastung ohne entsprechende
Einsparungen. Wir sind erstaunt darüber, dass gerade unsere sonst so kostenbewussten bürgerlichen Ratsmitglieder mit einer solchen Forderung kommen. Wir treten zwar auf das Geschäft ein,
werden die vorzeitige Einführung einer Säumigenliste jedoch geschlossen ablehnen. Ich nehme an,
wir können uns grossmehrheitlich auch vorstellen, den Rückweisungsantrag der EVP zu unterstützen.
Clemens Hochreuter, SVP, Aarau: Die SVP-Fraktion unterstützt die Einführung der Liste der säumigen Versicherten per 1. Juli 2014. Die vorliegende Botschaft setzt die parteiübergreifenden Motionen
10.325 sowie 13.114 um. Das Ziel der Säumigenliste ist, dass versicherte Personen ihrer Verpflichtung gegenüber den Krankenkassen nachkommen und die pflichtbewussten, zahlenden Versicherten
nicht benachteiligt werden – das ist gerecht und fair. Es geht also nicht um die Anprangerung von
bedürftigen Personen, sondern um die Durchsetzung der Zahlungspflichten bei säumigen Zahlern
mit Vermögen. Gerade im Hinblick auf den auf Bundesebene – nach meiner Auffassung – falsch
legiferierten Art. 64a des KVG muss der Kanton eine Liste der säumigen Versicherten im Gesetz
verankern, damit er bei zahlungsunwilligen aber zahlungsfähigen Versicherten wenigstens ein
Druckmittel hat. Einerseits wirkt eine solche Liste präventiv und abschreckend, andererseits unterlässt man so keine Kostensenkungsmassnahme. Dem Kanton entstehen durch die säumigen Versicherten hohe Kosten, welche zu reduzieren sind. Im Jahr 2012 betrugen die Kosten rund 8 Millionen
Franken. In Zukunft rechnet der Kanton – nachzulesen in der Botschaft – mit steigenden Kosten.
Deshalb kann ein Untätigbleiben aus unserer Sicht keine valable Lösung sein. Mit der Säumigenliste
stärkt man auch die Selbstverantwortung des Einzelnen. Wer seinen Verpflichtungen gegenüber der
Versicherung nicht nachkommt, nimmt Leistungskürzungen in Kauf. Immerhin darf man festhalten,
dass in der Vergangenheit über 80 Prozent der Betreibungen erfolgreich verliefen, weshalb man
davon ausgehen kann, dass Personen auf der Säumigenliste in der Regel über das Geld für die Be-
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zahlung der Prämie verfügen. Erste Erfahrungen in den Kantonen Thurgau, Solothurn oder Luzern,
die bereits eine solche Liste eingeführt haben, bestätigen unsere Vermutung, dass sich die Zahlungsmoral verbessert.
Zudem unterstützen wir, dass auf der Säumigenliste keine Ergänzungsleistungsbezüger sowie Minderjährige aufgeführt werden. Die SVA bietet sich als Durchführungsstelle an.
Bezüglich Bezüger von Sozialhilfe bestehen bei uns zwei Unklarheiten, die wir gerne noch geklärt
hätten:
1. Hier waren bei der Vernehmlassung die Gemeinden grossmehrheitlich mit Vorbehalten dabei.
Weshalb werden die Sozialhilfebezüger nicht auf der Säumigenliste geführt? Nach meinem Verständnis ist dies der Fall, weil die vorgeschlagene Lösung die Gemeinden finanziell entlastet. Man
stelle sich folgenden Fall vor: Eine Person bezahlt die Krankenkassenprämie nicht und wird zu einem
späteren Zeitpunkt von der Sozialhilfe abhängig. Dann benötigt diese Person medizinische Hilfe.
Was ist dann die Konsequenz, wenn jemand auf der Säumigenliste steht oder eben nicht? Ich habe
es so verstanden, dass bei Personen, die auf der Liste stehen, die Gemeinden für die Behandlungskosten aufkommen. Steht man jedoch nicht auf der Liste, dann zahlt die Krankenversicherung. Wenn
dies so der Fall wäre, bitte ich Frau Gesundheitsdirektorin Hochuli, uns dies bitte so zu bestätigen.
2. Auf Seite 19 der Botschaft im drittletzten Abschnitt steht, dass eine Zweckentfremdung der für die
Prämien vorgesehenen Sozialhilfe künftig nicht mehr möglich sei, da gemäss KVG die Prämienverbilligung neu direkt an die Krankenversicherer geht und nicht mehr an den Sozialhilfebezüger, wobei
diese Prämienverbilligung bei den Sozialhilfebeziehenden den effektiven Prämien entsprechen. Ist
es wirklich so, dass bei Sozialhilfebeziehenden die Prämienverbilligung der effektiven Prämie entspricht? Aufseiten der Gemeindevertreter, die sich hier skeptisch geäussert haben, kam der Einwand, dass hier allenfalls ein Restbetrag bestehen bleibt. Ich möchte auch diese Frage gerne noch
geklärt haben.
Zum Inkrafttreten der Säumigenliste: Hier wurde uns vonseiten des Departements mitgeteilt, dass die
Einführung per 1. Juli 2014 grundsätzlich vorgenommen werden kann. Es ist kein Hindernis mehr zu
sehen. Die Dringlichkeit in der 2. Beratung, wie vom Regierungsrat in der Botschaft vorgeschlagen,
ist zu unterstützen. Ein weiterer Aufschub ist nicht angezeigt.
Theres Lepori, CVP, Berikon: Die CVP dankt dem Regierungsrat für die nun schlussendlich dringliche Ausarbeitung dieser Botschaft betreffend einer Liste der säumigen Versicherten, wie dies die
SVP, FDP und CVP in verschiedenen Vorstössen – man beachte – seit 2011 verlangt haben. Die
CVP ist sich der Komplexität bei der Umsetzung einer Säumigenliste durchaus bewusst und hat das
Pro und Kontra auch für eine sofortige Einsetzung dieser Liste intensiv diskutiert. Den Mitarbeitenden
der SVA danken wir für den Effort, den sie diesbezüglich bis zum heutigen Tag geleistet haben. Auch
nehmen wir anerkennend zur Kenntnis, dass die Informatik vorhanden, einsatz- und auch für die
Zukunft ausbaubereit ist, wenn ein Case Management und die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden ein Thema sein werden.
Mit Besorgnis beobachtet die CVP die sinkende Zahlungsmoral von Bürgerinnen und Bürgern, die
ihren Verpflichtungen willkürlich – oder eben als Protest gegen ein Versicherungsobligatorium, wie
es bei der Grundversicherung der Krankenkasse der Fall ist – nicht nachkommen.
Wichtig erscheint uns, dass Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen dieser Pflicht nicht nachkommen können, geschützt sind, das heisst im Klartext, dass Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungsempfänger nicht auf dieser Liste erscheinen werden. Auch Kinder und Jugendliche sollen vor dieser
Stigmatisierung geschützt werden. Wichtig erscheint uns auch, dass bei Abgeltung der Schulden der
Eintrag auf der Säumigenliste unmittelbar gelöscht wird. Die CVP anerkennt die Schwierigkeit oder
eben die Gefahr der eventuell erhöhten Frequenz auf den Notfallstationen, erwähnt aber auch die
Tatsache, dass Aufnahme- und Behandlungspflicht nicht identisch sind. Ebenso ist es nicht Aufgabe
der Politik, diesen Notfall zu definieren. Da mit der Säumigenliste zunehmend die Leistungsanbieter
in der Verantwortung des Inkassos stehen, wird auch dieser Druck hoffentlich das Nötige zur Langzeitwirkung einer verantwortungsbewussteren Zahlungsmoral beitragen.
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Eines möchte die CVP festhalten: Es ist unsere politische Pflicht, das Erfolgsmodell der Krankenkassen – also die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken über alle Generationen hinweg – weiterhin zu stützen und zu schützen. Es ist ein Erfolgsmodell und ermöglicht jedem Bürger, jeder Bürgerin
den Zugang zur Grundversorgung wie auch zur Spezialmedizin. Trittbrettfahrer werden keine geduldet! Die CVP stimmt dem Antrag in dieser Vorlage einstimmig zu. Die Mehrheit der CVP stimmt aber
auch der Dringlichkeit bezüglich Umsetzung zu, zumal der erste diesbezügliche Vorstoss im Jahr
2011 von den bürgerlichen Parteien eingereicht wurde. Die sechs Monate stellen unseres Erachtens
bereits einen Erfahrungswert dar.
Dr. Marcel Bruggisser, BDP, Aarau: Die BDP-Fraktion unterstützt den Beschluss zur Einführung einer Säumigenliste und wird ihm zustimmen. Dabei steht bei uns vor allem die Frage der Gerechtigkeit im Vordergrund. Es kann nicht angehen, dass Krankenkassenprämien von Leuten, welche sich
das leisten könnten, nicht bezahlt werden und sie trotzdem weiterhin Leistungen beziehen. Dies ist
auch aus Sicht der Leistungserbringer nicht nachvollziehbar. Deshalb ist auch die Dringlichkeit gerechtfertigt.
Die Vorwarnzeit, bevor jemand auf diese Liste kommt, ist aus unserer Sicht ausreichend. Es besteht
genug Zeit für den Schuldner, um zu reagieren.
Es ist für uns aber klar, dass die Liste schlussendlich nur in Kombination mit dem Case Management
die gewünschte Wirkung erzielen wird.
Es stellen sich weitere Fragen. Die Anzahl der ausstehenden Prämien ist sehr eindrücklich. Aber ob
wirklich mit jährlich 250 Betreibungen weniger gerechnet werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht sicher. Selbst im positivsten Fall würden den erwarteten 500'000 Franken Einsparung
immer noch die Kosten der dafür benötigten 200 Stellenprozente gegenüberstehen. Zumindest wissen wir aus anderen Kantonen, dass es doch einige Personen gibt, die die Prämien bezahlen, wenn
ihnen ein Eintrag auf der Säumigenliste droht.
Wir halten es für richtig, dass gewisse Personen nicht auf der Liste aufgeführt werden. Allerdings
kann man sich fragen, ob diese Aufzählung vollständig ist. Wenn man postuliert, dass Minderjährige
nicht für die Fehler ihrer Eltern geradestehen müssen, müsste man ja auch Schwangere von der
Liste ausschliessen.
Im Bestreben, die Liste möglichst handhabbar zu halten, werden wir dem Entscheid, wie er vorliegt,
zustimmen und hoffen, dass die erkannten Probleme und die Kenntnisse des Kosten-NutzenVerhältnisses dannzumal in die Totalrevision des EG KVG einfliessen werden.
Vorsitzender: Ich unterbreche an dieser Stelle die Beratung. Wir setzen sie um 14.00 Uhr fort.
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