Die Berechnung der Löslichkeit von Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden und -oxiden und ihre Veranschaulichung in logarithmischen Diagrammen Fritz Scholz*, Heike Kahlert Institut für Biochemie, Universität Greifswald, Felix-Hausdorff-Str. 4, 17487 Greifswald, Deutschland * Korrespondenzautor Schlagwörter: Löslichkeit, Metallhydroxide, Metall-oxid-hydroxide, Metalloxide Zusammenfassung Das Ziel dieses Texts ist es zu zeigen, wie man die Löslichkeit ( S ) von Metallhydroxiden, oxid-hydroxiden, und -oxiden als Funktionen des pH-Wertes der Lösungen berechnet und Graphen der Funktionen von lg S f pH konstruiert. Es werden nur die kationischen und anionischen Formen der Metallaquaionen berücksichtigt, d.h., Fremdliganden bleiben unberücksichtigt. Anwendungen dieser Graphen für die Trennung von Metallionen durch konsekutive Fällungen werden diskutiert. Einführung Metallionen bilden eine Vielzahl von festen Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden und -oxiden. n In Lösungen können Metallionen als einfache Aquaionen M OH 2 x vorliegen und auch als Anionen oder Kationen mit O 2 , OH und/oder H 2 O als Liganden (siehe Tabelle 1). Die große Vielfalt an Verbindungen von nackten Metallionen mit O 2 , OH und/oder H 2 O kann recht leicht verstanden werden, wenn man zwei Eigenschaften der Metallionen betrachtet: ihre Ladung und ihren Radius. Je größer die positive Ladung der nackten Metallionen und je kleiner ihr Ionenradius ist, desto stärker werden die Elektronen der Liganden vom Metallion angezogen. Diese Polarisierung schwächt die Bindung zwischen Sauerstoff und Wasserstoff der Liganden OH und H 2 O , wodurch die Protonen desto leichter abgegeben werden. So ist es leicht verständlich, dass die Brønsted-Säurestärke der Metallaquaionen und auch die Neigung zu nachfolgenden Kondensationsreaktionen mit steigender Ladung und kleiner werdendem Radius zunehmen [1]. Tabelle 1: Feste Metallhydroxide, -oxid-hydroxide, -oxide und ionische Formen mit O 2 , OH und/oder H 2 O als Liganden Hydroxide OxidHydroxide Oxide Chemische Formel Cd(OH) 2 Mineralname Chemischer Name Cadmium- hydroxid Mg(OH)2 Brucit Magnesiumhydroxid -FeO(OH) Goethit -AlO(OH) Böhmit Eisen(III)-oxidhydroxid Aluminium-oxidhydroxid -Fe2O3 Hämatit Eisen(III)-oxid Fe3O 4 Magnetit Eisen(II, III)-oxid Calcium-hydroxid Ca(OH)2 Kationen Fe OH 2 6 3 Al13O4 OH 24 H 2O 12 Bi9 OH 21 7 6 Eisen(III)-hexaqua Kation Aluminium-isopoly Kation Wismut-isopoly Kation Anionen Pb OH 4 MnO4 2 W12O39 6 Tetrahydroxoplumbat Permanganate Metawolframat In dem folgenden Text wird gezeigt, wie man die pH-Anhängigkeit der Löslichkeit von Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden, und -oxiden berechnen und graphisch darstellen kann. Die pH-Anhängigkeit der Löslichkeit von Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden und oxiden Das thermodynamische Löslichkeitsprodukt eines Metallhydroxids M OH n definiert man auf der Basis des chemischen Gleichgewichts M OH n solidus Mn nOH (Gl. 1) In dieser Reaktion sind die Metallionen natürlich hydratisiert und man sollte korrekt schreiben: M OH n solidus + xH2O M OH2 x n nOH (Gl. 2) Das macht man jedoch nur selten, weil man voraussetzt, dass in wässrigen Lösungen die Metallionen M n hydratisiert vorliegen. Mit dem Massenwirkungsgesetz ergibt sich die Gleichgewichtskonstante der in Gl. 1 formulierten Reaktion: K sol, M OH ac ,M n acn,OH (Gl. 3) n Da M OH n in Form einer festen Phase vorliegt (Index: solidus), ist die Molenbruchaktivität ( a f ,M OH ) dieser Verbindung gleich 1, die Gleichung 3 enthält nur die n Konzentrationsaktivitäten ( ac,Mn und ac ,OH ). Es ist sehr bemerkenswert, dass die Löslichkeitsprodukte der festen Phasen unabhängig davon sind, ob es Hydroxide, OxidHydroxide oder Oxide sind. Das sieht man, wenn anstelle von M OH n das Oxid MOn /2 die sich auflösende Phase ist und man noch Wasser als Reaktionspartner dazu nehmen muss: n MO n /2 H 2 O M n nOH (Gl. 4) 2 Auch hier ist die Molenbruchaktivität des Wassers ( a f ,H 2O ) gleich 1, weil man bei geringen Löslichkeiten die wässrige Phase als reine Phase ansehen kann. Deshalb gilt Gl. 3 auch für den Fall von Oxiden. Für ein Metall-oxid-hydroxid MOm 2 OH nm , welches sich aus dem Hydroxid M OH n nach der Reaktion M OH n MO m 2 OH n m + m H 2O 2 (Gl. 5) bildet, kann man das folgende Gleichgewicht der Löslichkeit formulieren: MO m 2 OH n m m H 2O 2 M n nOH (Gl. 6) Auch hier beschreibt die Gleichung 3 das Löslichkeitsprodukt. Die Gleichungen 1, 4 und 6 zeigen, dass die Löslichkeitsgleichgewichte von Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden und -oxiden immer die Metallionen und Hydroxidionen enthalten. Das ist so, weil das Oxidion ( O 2 ) eine so starke Brønsted-Base ist, dass es in Wasser nicht existieren kann. Die Löslichkeit von Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden und -oxiden wird durch zwei Reaktionswege stark beeinflusst: (a) Durch die Bildung von Hydroxidionen als primärem Reaktionsprodukt besteht eine starke pH-Anhängigkeit, da Hydroxidionen an der Autoprotolyse des Wassers beteiligt sind: 2H 2 O H 3O + OH (Gl. 7) Das solvatisierte Proton wird hier mit der Formel H 3O beschrieben, obgleich bekannt ist, dass komplexere Hydrate wie H 5 O 2 , H 7 O3 und H 9 O 4 auch vorliegen. (ii) Eine weitere pH-Abhängigkeit ergibt sich daraus, dass Metallaquaionen prinzipiell selbst als Brønsted-Säuren reagieren können: M OH 2 x n + H 2O M OH 2 x 1 OH n 1 M OH 2 x 1 OH + H 2O n 1 + H 3O M OH 2 x 2 OH 2 n 2 (Gl. 8) + H 3O (Gl. 9) usw. Die in solchen Protolysereaktionen gebildeten Hydroxokomplexe neigen zu Kondensationsreaktionen wie diesen: M OH 2 x 1 OH n 1 + M OH 2 x 1 OH H 2 O x 1 M O M OH 2 x 1 2 n 2 n 1 (Gl. 10) + H 2O Metallhydroxokomplexe mit mehr als einem Hydroxidliganden bilden mehr oder weniger hochkondensierte Produkte (mit verschiedenen Sauerstoffbrücken [2]), und schließlich sogar feste Phasen, d.h. Metallhydroxide, -oxid-hydroxide oder sogar -oxide, die häufig noch Wasser enthalten. Die Triebkraft für diese Kondensationsreaktionen ist der der Entropiegewinn durch die Freisetzung von Wasser. Einige Metallationen, wie z. B. Wolframat WO 24 und Molybdat MoO24 , sind bekannt für die Bildung wohldefinierter Isopolyanionen, wie Metawolframat W12 O39 und Paramolybdat Mo7 O 24 . 6 6 Jetzt wollen wir die Löslichkeit von Metallhydroxiden, -oxid-hydroxiden und -oxiden als Funktion des pH-Wertes beschreiben; zunächst unter Vernachlässigung aller möglichen Reaktionen der Metallaquaionen. Das bedeutet zunächst, dass sich die Löslichkeitsgleichgewichte eingestellt haben und der Gleichgewichts-pH-Wert bekannt ist: Weil die Löslichkeiten von M OH n , MOn /2 , und MOm 2 OH nm alle mit der Gleichung (3) beschrieben werden können und wir vereinfachend molare Konzentrationen an Stelle von Aktivitäten verwenden, lässt sich schreiben: n K sol, M OH cM n cOH (Gl. 11). n Es ist zu beachten, dass die Löslichkeitsprodukte dann eine Einheit haben (z. B. moln 1L ( n 1) für M OH n , MOn /2 , und MOm 2 OH nm ). Für Metallhydroxide, -oxid-hydroxide und – oxide gibt die Löslichkeit S die Anzahl Mole der festen Verbindung an, die sich in einem Liter gesättigter Lösung befinden. Sie berechnet sich nach: SM OH cMn (Gl. 12) SMOn/2 cMn (Gl. 13) n SMOm 2 OH n m cMn (Gl. 14) Für Metallhydroxide, -oxid-hydroxide und –oxide, die mehr als ein Metallion pro Formeleinheit enthalten, ergibt sich: M z OH n : 1 S M z OH cM n n z (Gl. 15) M z O n /2 : 1 SM z On/2 cMn z (Gl. 16) Mz Om 2 OH nm SM z Om 2 OH nm 1 cMn z (Gl. 17) Wir können jetzt die pH-Abhängigkeit der Löslichkeit von M OH n durch Substitution von cM n in der Gleichung (12) durch den Ausdruck K sol, M OH n cOH n aus Gleichung (11) erhalten. Dann folgt: S M OH K sol, M OH (Gl. 18) n n cOH n Substituiert man cOH durch KW aus der Autoprotolyse von Wasser cH O 3 K W cH O cOH (Eq. 19) 3 erhält man: SM OH Ksol, M OH n K n W n cHn O (Eq. 20) 3 Die folgende Umformung sind leicht verständlich: lg SM OH lg K sol, M OH lg K Wn lg cHn O n n (Gl. 21) 3 lg SM OH lg Ksol, M OH n lg K W n lg cH O (Gl. 22) lg SM OH lg Ksol, M OH npK W npH (Gl. 23) n n n 3 n Gleichung (23) beschreibt die lineare pH-Abhängigkeit von lg SM OH . Für MOn /2 und n MOm 2 OH nm kann man schreiben: lg SMOn/2 lg Ksol, MOn/2 npK W npH lg SMOm 2 OH nm lg Ksol, MOm 2 OH n m npK W npH (Gl. 24) (Gl. 25) Tabelle 2 gibt die spezifischen Formen der Gleichungen (23), (24), und (25) für einige spezielle Stöchiometrien von Verbindungen. Tabelle 2: Gleichungen der pH-Abhängigkeit von Metallhydroxiden und Metalloxiden bestimmter Stöchiometrien der Verbindungen. Für pK W wurde der Wert 14,0 angenommen (exakt ist es 13,99 bei 25 °C und einem Druck von 0,1 MPa; für andere Bedinguzngen siehe [3]). Chemische Formel M(OH) 2 Gleichung, die log S als Funktion des pH-Wertes beschreibt lg SM OH lg Ksol, M OH 2pK W 2pH 2 2 lg SM OH lg Ksol, M OH 28,0 2pH 2 M(OH)3 lg SM OH lg K 3 2 M OH 3 sol 3pK W 3pH M OH 3 42,0 3pH lg SM OH lg Ksol 3 M(OH) 4 lg SM OH lg Ksol, M OH 4pK W 4pH 4 4 lg SM OH lg Ksol, M OH 56,0 4pH 4 MO 4 lg S MO lg K sol, MO 2pK W 2pH lg SMO lg Ksol, MO 28, 0 2pH MO(OH) lg SMOOH lg Ksol, MOOH 3pKW 3pH lg SMO OH lg Ksol, MOOH 42,0 3pH MO2 lg SMO2 lg Ksol, MO2 4pK W 4pH lg SMO2 lg Ksol, MO2 56, 0 4pH M2O3 lg SM2O3 lg 0.5 lg Ksol, M2O3 6pK W 6pH lg SM2O3 lg 0.5 lg Ksol, M2O3 84, 0 6pH In Tabelle 3 ist eine Zusammenstellung von Löslichkeitsprodukten von Metallhydroxiden, oxid-hydroxiden und -oxiden gegeben. Tabelle 3: Löslichkeitsprodukte (gegeben als pKsol lg Ksol ) von Metallhydroxiden, -oxidhydroxiden und -oxiden [4] bei 25 °C. Es sei hier noch angemerkt, dass die Löslichkeitsprodukte auch von der Ionenstärke der Lösungen abhängen; ein Fakt der in diesem Text jedoch vernachlässigt wurde. M(OH) 2 pK sol Ca(OH)2 5,19 Ba(OH)2 3,6 Mg(OH)2 11,15 16,2 -Zn(OH)2 Zn(OH)2 (amorph) 15,52 -Cd(OH) 2 14,35 Cu(OH) 2 19,32 Fe(OH)2 15,1 Co(OH) 2 14,9 [5] Ni(OH)2 15,2 Mn(OH)2 12,8 Ce(OH)3 23,2 Ga(OH)3 37 In(OH)3 36,9 Fe(OH)3 38,8 Pu(OH)4 47,3 Th(OH)4 Ti(OH) 4 44,7 53,1 -FeO(OH) -AlO(OH) 41,5 34,02 HgO PbO red 25,44 15,3 SnO ZnO 26,2 16,66 UO2 56,2 ZrO2 SnO 2 54,1 64,4 PbO 2 64 Fe 2 O3 42,75 Sb 2O3 17,66 M(OH)3 M(OH) 4 MO(OH) MO MO2 M2O3 Ausgewählte graphische Darstellungen des Logarithmus der Löslichkeit als Funktion des pH-Wertes In der Abbildung 1 sind die Abhängigkeiten von lg S von Mg(OH)2 , Ca(OH)2 und Ba(OH)2 als Funktion des Gleichgewichts-pH-Wertes der Lösungen eingezeichnet. Abbildung 2 zeigt zusätzlich noch die Fällungszonen für den Fall einer Lösung, die 102 mol L1 an Mg 2 , Ca 2 und Ba 2 enthält. In dieser Lösung beginnt die Fällung von Mg(OH)2 bei pH = 9,43, die Fällung von Ca(OH)2 bei pH = 12,41, und die von Ba(OH)2 bei pH= 13,2. Aus der Abbildung 2 ergeben sich zwei wichtige Erkenntnisse: (a) Es ist theoretisch möglich, reines Mg(OH)2 abzuscheiden, ohne dass Ca(OH)2 und Ba(OH)2 mitgefällt werden. (b) Die Fällung von Ca(OH)2 wird unvermeidlich auch Mg(OH)2 enthalten: bei beginnender Ca(OH)2 Fällung enthält die Lösung noch 1,1 10‒8 mol L‒1 Mg 2 . Beendet man die Ca(OH)2 Fällung bei pH-Werten kurz vor Beginn der Ba(OH)2 Fällung, so enthält sie noch 2,82 10‒10 mol L‒1 Mg 2 . Das bedeutet, dass das gefällte Ca(OH)2 noch 8,6 10‒5 % (w/w) Mg(OH)2 enthält. Diese Betrachtung ist nur korrekt im Rahmen der einfachen Löslichkeitsgleichgewichte, die wir hier betrachten. Die Realität sieht allerdings anders aus, weil das Phänomen der MITFÄLLUNG dazu führen wird, dass bereits Spuren von Ca 2 und Ba 2 gemeinsam mit dem Mg(OH)2 ausfallen werden. Eine Mitfällung kann im Ergebnis der folgenden 3 Prozess erfolgen: (a) Bildung von Mischkristallen (festen Lösungen), (b) Adsorption von Ionen an der großen Oberfläche des Niederschlags, und (c) durch Okklusion von Lösung im Niederschlag. Mischkristalle (feste Lösungen) können sich bilden, wenn die Radien zweier Metallionen M1n und M n weniger als 15% voneinander 2 abweichen. Diese Regel trägt den Namen von William Hume-Rothery, der sie zuerst formulierte [6]. In solch einem Fall können die Kationen M n 2 mit zufälliger Verteilung durch die Kationen M1n im Kationengitter substituiert werden. Analog können zwei Anionen A1n und A n einen Mischkristall (eine feste Lösung) mit ein und demselben Kation bilden. 2 Natürlich ist es auch möglich, dass sowohl die Kationen- als auch die Anionenpositionen gemischt besetzt werden, so z.B. im Falle von Metallhexacynometallaten [7]. Die Bildung von Mischkristallen ist ein thermodynamisches Phänomen und man kann sie mit Hilfe von Gleichgewichtskonstanten beschreiben. In vielen Systemen treten auch Mischungslücken auf, ganz ähnlich wie bei Flüssigkeiten. Ein schönes Beispiel für die Bildung von Mischkristallen ist K ClO4 x MnO4 1 x , d.h. der Ersatz von Perchlorationen durch Permanganationen im Fall des schwerlöslichen Kaliumperchlorats [8]. Die Mischkristalle zeigen mit zunehmendem Gehalt an Permanaganationen eine zunehmende rosa Färbung (siehe Abbildung 3). Bis hier wurden die Löslichkeitsgleichgewichte ohne Berücksichtigung der Kinetik der Fällung und Aiflösung betrachtet, d.h. es wurde vorausgesetzt, dass sich die Gleicgewichte unendlich schnell einstellen. Das ist natürlich ein stark vereinfachtes Herangehen: insbesondere die Ausfällung kann verzögert erfolgen, weil sie die Bildung einer neuen (festen) Phase betrifft. In solchen Fällen können leicht übersättigte Lösungen entstehen. Die “Keimbildungs- und Keimwachstumskinetik” der Fällungen ist ein kompliziertes Thema der chemischen Kinetk und muss in einem separate Text behandelt werden. pH 0 2 4 6 8 10 12 14 0 -2 -4 lg S -6 Mg(OH)2 -8 Ca(OH)2 Ba(OH)2 -10 -12 -14 Abbildung 1: Abhängigkeiten von lg S von Mg(OH)2 , Ca(OH)2 und Ba(OH)2 vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen. pHMg(OH) Anfang pHCa(OH) Anfang 2 2 pHBa(OH) Anfang 2 pH 8 10 12 14 0 -2 -4 lg S -6 -8 -10 -12 -14 Mg(OH)2 Ca(OH)2 Ba(OH)2 Abbildung 2: Abhängigkeiten von lg S von Mg(OH)2 , Ca(OH)2 und Ba(OH)2 vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen und Angabe der Fällungszonen für eine Lösung, die 10‒2 mol L‒1 Mg 2 , Ca 2 und Ba 2 enthält. Abbildung 3: Mischkristalle von K ClO4 1 x MnO4 x . Von links nach rechts: x = 0,0000; 0,0004; 0,0030 und 0,0100) pH 0 2 4 6 8 10 12 14 0 Ni(OH)2 Fe(OH)2 -2 Co(OH)2 -4 pH -6 lg S 6 7 8 0 -8 -10 lg S -1 -2 -12 -3 -14 -4 Abbildung 4: Abhängigkeiten von lg S von Ni(OH)2 , Fe(OH)2 und Co(OH)2 vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen. In Abbildung 4 wird die Abhängigkeit von lg S der Hydroxide Ni(OH)2 , Fe(OH)2 und Co(OH) 2 als Funktion des Gleichgewichts-pH-Wertes der Lösungen dargestellt. Wegen der großen Ähnlichkeit der Löslichkeitsprodukte dieser Verbindungen (vergleiche die Werte in Tabelle 3) liegen die Graphen so nahe beieinander (siehe den vergrößerten Bereich in der Abbildung), dass eine Trennung der Ionen durch Hydroxidfällung unmöglich ist. pH 0 2 4 6 8 10 12 14 0 -5 lg S -10 -15 -20 Fe(OH)3 Cr(OH)3 Ce(OH)3 -25 Abbildung 5: Abhängigkeiten von lg S von Fe(OH)3 , Cr(OH)3 und Ce(OH)3 vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen. In Abbildung 5 wird die Abhängigkeiten von lg S von Fe(OH)3 , Cr(OH)3 und Ce(OH)3 vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen gezeigt. Hier ist die Separation der Geraden wesentlich besser und eine Trennung der Ionen durch Hydroxidfällung erscheint möglich, wenn keine Mitfällung auftritt. In Abbildung 6 werden die Abhängigkeiten von lg S von Fe(OH)2 , Fe(OH)3 und α-FeO(OH) (Goethit) vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen gezeigt. Es ist deutlich, dass Goethit die geringste Löslichkeit besitzt und so ist es nicht überraschend, dass Goethit ein sehr stabiles Produkt der Oxidation von Eisen(II)-ionen in der Umwelt ist [9] (siehe Abbildung 7). Wo immer Eisen(II)-aquaionen aerobe Bereiche erreichen, z.B. wenn Grundwasser durch Kapillarkräfte im Boden aufsteigt, werden sie zu Fe(III)-aquaionen oxidiert, die dann zu Hydroxo-Komplexen protolysieren, welche schließlich kondensieren und dann u.a. oft Goethit bilden. Weitere Dehydratation kann zur Bildung von Fe 2 O3 führen. Seit die Photosynthese auf der Erde begann Sauerstoff zu bilden, wurden etwa 58 % allen jemals gebildeten Sauerstoffs zur Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) verbraucht (weitere 38 % wurden bei der Bildung von Sulfat gebunden), sodass nur 4 % übrig blieben, die jetzt in der Erdatmosphäre enthalten sind. Das ist ein überzeugendes Argument für die Wichtigkeit des Elements Eisen für die Herausbildung der Erdatmosphäre. pH 0 2 4 6 8 10 12 14 0 -2 -4 lg S -6 -8 -10 -12 -14 -FeO(OH) Fe(OH)2 Fe(OH)3 -16 Abbildung 6: Abhängigkeiten von lg S von Fe(OH)2 , Fe(OH)3 und α-FeO(OH) (Goethit) vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösungen. Abbildung 7: Kleine Goethit-Knöllchen vom Ufer des Schwielowsees bei Potsdam, Deutschland. Die Durchmesser variieren im Bereich von 1 bis 6 mm. (Wir danken Herrn PD Dr. Harm Wulff für die rötgendiffraktometrische Analyse.) Löslichkeitsgleichgewichte unter Einbeziehung von Komplexbildung pH 2 4 6 8 10 12 14 0 -2 -2 -4 -4 -6 -6 -8 -8 -10 -10 -12 -12 -14 -14 lg S lg ci 0 0 [Al(OH2)5(OH)]2 [Al(OH2)4(OH)2] [Al(OH2)3(OH)3]0 [Al(OH2)2(OH)4] [Al(OH2)6]3 lg S(Al(OH)3) Abbildung 8: Abhängigkeit von lg S des Hydroxids Al(OH)3solidus vom GleichgewichtspH-Wert der Lösungen unter Berücksichtigung der Bildung von Aluminiumhydroxokomplexen. Auf der linken Abszisse sind die Logarithmen der Gleichgewichtskonzentrationen der einzelnen Spezies abgetragen In Abbildung 8 ist die Abhängigkeit von lg S des Hydroxids Al(OH)3solidus vom Gleichgewichts-pH-Wert der Lösung unter Berücksichtigung der Bildung von Aluminiumhydroxokomplexen gegeben. Die Funktion lg cAl3 f pH ist als grüne Linie eingezeichnet. Diese Linie erhält man, wenn man annimmt, dass nur schwerlösliches Al(OH)3solidus im Gleichgewicht mit Al3 -Ionen, d. h mit Al OH 2 6 Berechnung erfolgt nach der oben dargelegten Theorie: Al OH Al3 3OH 3 solidus c Al3 lg c Al3 c3 (Gl. 27) Ksol, Al(OH) c3 3 solidus H O 3 3 Kw OH vorliegt. Die (Gl. 26) Ksol, Al(OH) c 3 c3 Al 3 solidus OH Ksol, Al(OH) 3 solidus 3 lg Ksol, Al(OH) 3pKw 3pH 3 solidus (Gl. 28) (Gl. 29) Die grüne Linie in Abbildung 8 repräsentiert die Gleichung 29, d.h. die Löslichkeit von Al(OH)3solidus unter Vernachlässigung der Bildung aller möglicher Hydroxokomplexe. Wenn man die Bildung der Hydroxokomplexe berücksichtigen will, benötigt man dafür ihre Stabilitätskonstanten. Die Bildung von Hydroxokomplexen kann man entweder als Ergebnis einer Säure-Base-Reaktion der Aquakomplexe verstehen, oder aber als Komplexbildungsreaktion mit dem Liganden Hydroxidion. Man kann also schreiben: Al OH 2 6 3 Al OH 2 5 OH + H 2O 2 + H 3O (Gl. 30) Mit der Säurekonstante (unter Verwendung von Konzentrationen anstelle der Aktivitäten) K S, Al OH 2 6 c Al OH 2 5 OH 3 c 2 Al OH 2 6 cH O 3 (Gl. 31) 3 Alternativ kann man auch formulieren: Al OH 2 6 3 + OH Al OH 2 5 OH 2 + H 2O (Gl. 32) Mit der Stabilitätskonstante K stab, Al OH 2 5 OH 2 c Al OH 2 5 OH c Al OH 2 6 3 2 cOH (Gl. 33) Zwischen der Säurekonstante und der Stabilitätskonstante besteht die folgende Beziehung: K K S, Al OH 2 6 3 stab, Al OH 2 5 OH 2 cH O cOH K W 3 (Gl. 34) ( K W ist die Autoprotolysekonstante des Wassers). In der Literatur ist es üblich, nur eine dieser beiden Konstanten anzugeben. Es ist auch üblich, die Reaktion ohne das Hydratwasser zu schreiben: Al3 OH Al(OH)2 (Gl. 35) Die dazugehörige Stabilitätskonstante wird K11 genannt, da ein Metallion und ein HydroxidIon den Komplex bildet. Die Konzentration des Komplexes Al(OH)2 im Gleichgewicht mit Al(OH)3solidus kann wie folgt berechnet werden: K11 c Al(OH)2 c 3 c Al OH 6,17 109 L mol1 (bei 25 °C) , [10] (Gl. 36) Daraus folgt: c K11c c Ksol, Al(OH) c3 Ksol, Al(OH) c2 3 solidus H O K 3 solidus H O W K 3 3 K11 (Gl. 38) 11 3 2 c KW K W H O Al(OH)2 Al(OH)2 c (Gl. 37) Al3 OH 3 und schließlich lg c Al(OH)2 lg K11 lg Ksol, Al(OH) 2pKW 2pH 3 solidus (Gl. 39). Die schwarze Linie in Abbildung 8 zeigt die Abhängigkeit von lg c Al(OH)2 vom pH-Wert. Die Konzentration des Komplexes Al(OH) 2 im Gleichgewicht mit Al(OH)3solidus kann wie folgt berechnet werden: Al3 2OH K12 c Al(OH)2 c Al(OH)2 c 3 c 2 Al OH Al(OH)2 (Gl. 40) 1, 0 1019 L2 mol2 (bei 25 °C) , [10] c2 Al3 OH K12c (Gl. 41) (Gl. 42) Ksol, Al(OH) c3 Ksol, Al(OH) c 2 3 solidus H O K 3 solidus H3O W K 3 (Gl. 43) c K 12 12 Al(OH)2 3 KW KW c2 H3 O lg c Al(OH)2 lg K12 lg Ksol, Al(OH) pKW pH 3 solidus (Gl. 44) Die orangene Linie in Abbildung 8 zeigt die Abhängigkeit von lg c Al(OH)2 vom pH-Wert. Die Konzentration des Komplexes Al(OH)30 im Gleichgewicht mit Al(OH)3solidus kann wie folgt berechnet werden: Al3 3OH K13 Al(OH)30 c Al(OH)30 c 3 c3 Al OH c Al(OH)30 c Al(OH)30 lg c (Gl. 45) =1,0 1027 L3 mol3 (bei 25 °C) , [10] (Gl. 46) c3 Al3 OH K13c Ksol, Al(OH) c3 3 3 solidus H O K W 3 K13 Al(OH)30 (Gl. 47) 3 KW c3 H3 O K13 Ksol, Al(OH) 3 solidus lg K13 lg Ksol, Al(OH) 3 solidus (Gl. 48) (Gl. 49) Die blaue Linie in Abbildung 8 zeigt die pH-Abhängigkeit von lg c Al(OH)30 . Es ist zu beachten, dass Al(OH)30 ein gelöster neutraler Komplex von Aluminiumionen ist, exakt handelt es sich um Al OH 2 3 OH 3 . Es ist interessant, dass die Konzentration von 0 Al(OH)30 im Gleichgewicht mit festem Al(OH)3solidus nicht vom pH abhängt, weil die Gleichungen 26 und 45 zusammengenommen auch so geschrieben werden können: Al(OH)3solidus Al(OH)30 (Gl. 50) An dieser Reaktion sind keine gelösten OH -Ionen beteiligt und damit ergibt sich auch keine pH-Abhängigkeit. Die Konzentration des Komplexes Al(OH) 4 im Gleichgewicht mit Al(OH)3solidus kann wie folgt berechnet werden: Al3 4OH K14 c Al(OH)4 c Al(OH)4 c 3 c 4 Al OH Al(OH)4 3,98 1032 L4 mol4 (bei 25 °C) , [10] c4 Al3 OH K14c (Gl. 51) (Gl. 52) (Gl. 53) Ksol, Al(OH) c3 4 3 solidus H O K KW W K K 3 (Gl. 54) c K14 14 sol, Al(OH) Al(OH)4 3 3 solidus c KW c4 H O 3 H3O lg c Al(OH)4 lg K14 lg Ksol, Al(OH) pKW pH 3 solidus (Gl. 55) Die violette Linie in Abbildung 8 zeigt die pH-Abhängigkeit von lg c Al(OH)4 Die Gesamtlöslichkeit von Al(OH)3solidus . ist die Summe der Konzentrationen aller Spezies (aller gelöster Formen des Aluminiums): lg SAl(OH) lg c 3 c c c c Al Al(OH)2 Al(OH)2 Al(OH)30 Al(OH) 4 3 solidus (Gl. 56) lg SAl(OH) lg Ksol, Al(OH) 3 solidus 3 solidus c3 c2 c KW HO H O H O lg 3 K11 3 K12 3 K13 K14 3 2 KW c KW KW H 3O (Gl. 57) Abbildung 8 illustriert sehr schön, wie die Gesamlöslichkeit als Funktion des pH durch die 3 Spezies mit der größten Löslichkeit bestimmt wird, d.h. von Al OH 2 6 bei Ph-Werten unter 4, von Al OH 2 3 OH 3 bei pH-Werten um 8, und von Al(OH) 4 bei pH-Werten oberhalb 10. Das bedeutet, dass die Gleichung (29) eine gute Näherung für pH-Werte kleiner 4 und Gleichung (55) eine gute Näherung für pH-Werte größer 10 ist. 0 Die dicke blaue Kurve in Abbildung 8 zeigt lg SAl(OH) in Abhängigkeit vom pH-Wert 3 solidus unter Berücksichtigung der Bildung von Hydroxokomplexen. Obgleich Abbildung 8 schon recht kompliziert aussieht, ist sie wahrscheinlich noch recht weit von der Realität entfernt. Diese Abbildung wurde nur aus didaktischen Gründen konstruiert. Wollte man die Realität besser abbilden, wären mindestens die folgenden Komplexe noch zu berücksichtigen: Al2 OH 2 , Al3 OH 4 und Al13 OH 32 . Die Natur der Aluminiumhydroxokomplexe ist bis 4 5 7 heute nicht vollständig aufgeklärt, nicht zu sprechen von der Bestimmung der einzelnen Stabilitätskonstanten. Eine übliche Methode zum Studium solcher Systeme ist die Titration 3 der Aquakomplexe, z.B. von Al OH 2 6 , mit Hydroxidionen unter Registrierung des pHWertes als Funktion der zugesetzten Menge an Hydroxidionen. Diese Titrationskurven simuliert man [11] dann mit Hilfe eines Reaktionsmodells und unter Variation der Säurekonstanten und Stabilitätskonstanten. In manchen Fällen, so z. B. bei Al13 OH 32 , 7 nimmt man die Bildung von Ionen im Reaktionsschema an, die man in festen Verbindungen isolieren konnte und deren Struktur man durch Röntgenbeugung genau kennt. In anderen Fällen kennt man die Aluminium-Ionen aus Messungen mit der 27 Al -KernmagnetischenResonanzspektrometrie. Ein ernstes Problem bei solchen Titrationen ist der Umstand, dass manche Kondensationsreaktionen sehr langsam ablaufen und man eventuell nicht den Gleichgewichtszustand erreicht. Ein anderes Problem ist, dass viele Spezies nur in äußerst geringen Konzentrationen auftreten und deshalb nur einen sehr geringen Einfluss auf die Titrationskurven haben. Oft können verschiedenen Reaktionsschemata an die experimentellen Titrationskurven angepasst werden und es ist schwer zwischen ihnen eine Entscheidung zu treffen. Hier soll es genügen, die Studierenden auf diese Probleme aufmerksam zu machen (siehe auch die Publikationen [12] und [13]). Ziel dieser Arbeit ist es, dass Studierende das Herangehen an solche Löslichkeitsberechnungen verstehen, damit sie darauf vorbereitet sind, später in ihrem Berufsleben analoge Probleme zu lösen. In der Publikation [9] wird das Eisen(III)-hydroxidsystem diskutiert, ganz ähnlich der Darstellung in Abbildung 8. Dabei wird die Bildung von Eisen(III)-Mineralien, wie beispielsweise Goethit, Hämatit, Lepidocrocit, Magnetit (das gemischte Fe(II), Fe(III)-oxid Fe3O 4 ), als Ergebnis von SäureBase-Reaktion der Aquaionen und nachfolgender Kondensationsreaktionen erklärt. Das ist ein exzellentes Beispiel für die Bedeutung der hier betrachteten Berechnungen. Wenn Redoxgleichgewichte mit den Löslichkeitsgleichgewichten gekoppelt sind, muss man diese berücksichtigen. Das muss einem weiteren Text vorbehalten bleiben. Als weiterführende Literatur empfehlen wir die Bücher von Butler [14] und Šůcha, Kotrlý [15]. References 1 Tytko KH (1979) Chemie in unserer Zeit 13:184-194 Lopes L, de Laat J, Legube B (2002) Inorg Chem 41:2505-2517 3 Bandura AV, Lvov SN (2006) J Phys Chem Ref Data 35:15-30 4 Kotrlý S, Šůcha L (1985) Handbook of chemical equilibria in analytical chemistry. Ellis Horwood Ltd, Chichester 5 Harris DC (2002) Lehrbuch der quantitativen Analyse. Springer, Berlin 6 Raynor GV (1969) Biogr Mems Fell R Soc 15:109-139 7 Widmann A, Kahlert H, Petrovic-Prelevic I, Wulff H, Yakhmi JV, Bagkar N, Scholz F (2002) Inorg Chem 42:5706‒5715 8 Johnson GK (1979) J Chem Educ 56:618-619 9 Jolivet J-P, Chanéac C, Tronc E (2004) Chem Commun 481-487 10 Martell AE, Motekaitis RJ (1988) Determination and use of stability constants. VCH, Weinheim 11 Sabatini A, Vacca A, Gans P (1992) Coord Chem Rev 120:389-405 12 Brown PL, Sylva RN, Batley GE, Ellis J (1985) J Chem Soc, Dalton Trans 1967-1970 13 Perry CC, Shafran KL (2001) J Inorg Biochem 87:115-124 14 Butler JN (1998) Ionic equilibrium. Solubility and pH calculations. Wiley & Sons, New York 15 Šůcha L, Kotrlý S, (1972) Solution equilibria in analytical chemistry. Van Nostrand Reinhold, New York 2