Factsheet 1 Das Wassermolekül

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Wasser aus der Sicht der Chemie
Das Wassermolekül
Factsheet
1
Einführung
Die Summenformel von Wasser H 2O wurde vom italienischen Wissenschaftler Cannizzarro 1860
bestimmt. Sie bedeutet, dass ein Wasserteilchen aus einem Sauerstoffatom, welches mit zwei
Wasserstoffatomen verbunden ist, besteht. Da mehrere Elemente in der Substanz enthalten sind, ist
Wasser eine Verbindung.
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Die Elemente von Wasser
Wasserstoff ist das einfachste, älteste und im Weltall häufigste aller chemischen Elemente. 93% aller
Atome des Sonnensystems sind Wasserstoffatome. Da Wasserstoff die kleinste Atommasse besitzt,
entspricht dieser Anteil "nur" 75% der gesamten Masse. Auf der Erde ist der Massenanteil vo n
Wasserstoff viel geringer: 0,12% (auf die Erd-Gesamtmasse bezogen). Während im All Wasserstoff
meist in reiner Form vorliegt, ist der irdische Wasserstoff fast immer mit weiteren Elementen
verbunden. Von keinem anderen Element gibt es so viele Verbindung en: die häufigste und
bekannteste ist das Wasser.
In einem vereinfachten Modell besteht ein Atom aus einem Kern und Elektronen, welche sich um den
Kern herum bewegen. Der Kern ist aus positiv geladenen Protonen und elektrisch neutralen
Neutronen aufgebaut und macht fast die Gesamtmasse des Atoms aus. Elektronen sind in Schalen
angeordnet, wobei die äusserste für die chemischen Eigenschaften des Atoms zentral ist. Sie wird als
Valenzschale bezeichnet und enthält entsprechend die Valenzelektronen. Alle andere n Elektronen
befinden sich in den inneren Schalen.
Ein Wasserstoffatom besteht aus einem im Kern enthaltenen Proton und einem einzigen
Valenzelektron. Es gibt noch zwei zusätzliche natürliche Isotope von Wasserstoff (Tabelle 1 -1).
Isotope sind Atome desselben Elements - also mit der gleichen Kernladungszahl (Anzahl der Protonen
im Atomkern) - die sich aber in der Anzahl der Neutronen unterscheiden. Isotope unterscheiden sich
nur in ihrer Masse aber nicht in ihren chemischen Eigenschaften. Isotope eines Elem ents haben
folglich die gleiche Kernladungszahl, aber unterschiedliche Massenzahlen (Anzahl der Neutronen und
Protonen im Atomkern). Um deutlich zu machen, dass man nicht nur von einem Atom oder Element,
sondern von einem bestimmten Isotop spricht, gibt man die Massenzahl A normalerweise als
hochgestellten Index vor dem Elementsymbol X (oder Elementnamen) an. Die Kernladungszahl Z wird
manchmal ebenfalls links vom Symbol angegeben, allerdings tiefgestellt:
Massenzahl
A Symbol des Elements
ZX
Kernladungszahl
Beispiel: 16 O (häufigstes Isotop von Sauerstoff: acht Protonen, acht Elektronen und acht Neutronen)
8
Die Angabe der Kernladungszahl ist jedoch nicht nötig, weil diese Information schon im Symbol des
Elements enthalten ist: Das chemische Symbol O bedeutet acht Protonen. Deswegen wird ein Isotop
fast immer ohne die Kernladungszahl dargestellt, d.h.
16
O.
Tabelle 1-1. Isotope des Wasserstoffs mit Ihrer natürlichen Häufigkeit
Name
Symbol
Wasserstoff
(Protium)
1
Kernladungszahl Massenzahl Neutronen
Häufigkeit
H
1
1
0
99,985%
Deuterium
2
H (D)
1
2
1
0,015%
Tritium
3
H (T)
1
3
2
Spuren (~ 10–15%)
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Die Lewis-Struktur des Wasserstoffatoms lautet:
H·
In einer Lewis-Struktur werden die Valenzelektronen entweder durch einen Punkt (für ein ungepaartes
Elektron) oder durch einen Strich (für ein Elektronenpaar) sinnbildlich dargestellt. Mit dem chemischen
Symbol werden alle weiteren Teilchen (Protonen, Neutronen und innere Elektronen) in der Lewis Struktur symbolisiert.
Auf der Erde ist Sauerstoff mit einem Massenanteil von
50,5% das häufigste Element der Erdhülle, im
Synthese
Weltall hat es "nur" 0,8%, damit ist es aber immer noch das dritthäufigste Element. Wie für Wasserstoff gibt es drei stabile natürliche Isotope des Sauerstoffs (Tabelle 1-2).
Tabelle 1-2. Isotope des Sauerstoffs mit Ihrer natürlichen Häufigkeit
Symbol
Kernladungszahl Massenzahl Neutronen
Häufigkeit
16
O
8
16
8
99,76%
17
O
8
17
9
0,037%
18
O
8
18
10
0,20%
Mit zwei Elektronenpaaren und zwei freien Elektronen sieht die Lewis-Struktur eines Sauerstoffatoms
wie folgt aus:
·O·
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Die Bindungen im Wasser
Im Gegensatz zu Helium- oder Neonatomen, sind Einzelatome von Wasserstoff und Sauerstoff nicht
stabil. Helium und Synthese
Neon gehören zu den Edelgasen und sind dank ihrer vollständigen Valenzschale
sehr reaktionsträge. Um stabiler zu werden, neigen andere Elemente dazu, die
Elektronenkonfiguration eines Edelgases anzustreben. Diese Regel ist als Oktett- oder Edelgasregel
bekannt. Um dieses Ziel zu erreichen, binden sich Nichtmetalle (wie Wasserstoff und Sauerstoff)
zusammen und teilen ihre Elektronen: Jedes freie Elektron des Sauerstoffatoms bildet ein bindendes
Elektronenpaar mit dem freien Elektron eines Wasserstoffatoms. Diese Elektronenpaare verknüpfen
die Atome miteinander und werden daher als Bindungen bezeichnet, was mit einem Strich in der
Lewis-Struktur des Wassermoleküls dargestellt wird:
H·
·O·
·H
O
H
H
Bindungen
Synthese
Die Elektronen der Bindungen werden von
den beiden Atomen geteilt und werden daher den beiden
Synthese
zugeordnet. Aus diesem Grund werden solche Bindungen als "kovalent" bezeichnet.
Synthese
Synthese
In einem Wassermolekül hat Sauerstoff
mit vier
Elektronenpaaren - zwei bindenden und zwei nicht
bindenden - die gleiche Elektronenkonfiguration wie Neon (acht Elektronen in der Valenzschale).
Jedes Wasserstoffatom verfügt über ein Elektronenpaar und besitzt somit die gleiche
Elektronenkonfiguration wie Helium (zwei Elektronen in der Valenzschale). Die Summenformel von
Wasser H2O kann jetzt erklärt werden: mit dieser Zusammensetzung haben beide Elemente die
Elektronenkonfiguration eines Edelgases erreicht und sind folglich sehr stabil geworden.
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Die Struktur des Wassermoleküls
Um die genaue Geometrie eines Wassermoleküls zu erklären, werden Elektronenpaare der
Vereinfachung halber als negativ geladene Elektronenwolken betrachtet. Zwei gleich geladene
Teilchen stossen sich ab. Entsprechend stossen sich Elektronenwolken ab.
Im Sauerstoffatom müssen sich vier solcher Elektronenwolken - zwei bindende und zwei nicht
bindende – in der Valenzschale anordnen. Um die Abstossungskräfte zu minimieren sollen diese vier
Elektronenwolken mit dem grössten Abstand zueinander angeordnet sein. Welche geometrische
Anordnung ergibt sich daraus (Abb. 1-1)?
Abb. 1-1. Geometrische Anordnung der vier Elektronenwolken um das Sauerstoffatom.
In Abbildung 1-1 ist die Geometrie angegeben, die den grössten Abstand der vier Elektronenwolken
zueinander erlaubt: Jede Elektronenwolke befindet sich auf der Spitze eines Tetraeders mit dem
Atomkern genau im Zentrum. Zwei Elektronenwolken sind nicht bindend (freie Elektronenpaare) und
zwei bindend (kovalente Bindungen): Jedes Wasserstoffatom befindet sich auf einer Spitze des
Tetraeders:
Die gewinkelte Struktur resultiert aus der tetraedrischen Anordnung der vier Elektronenpaare. Die
Anwesenheit der beiden freien Elektronenpaare ist für die Struktur des Wassermoleküls entscheidend:
Ohne diese wäre das Molekül linear, was dem Wasser ganz andere physikalische und chemische
Eigenschaften verschaffen würde!
Die Abstossungskräfte zwischen zwei freien Elektronenpaaren sind grösser als zwischen einem freien
Elektronenpaar und einem bindenden Elektronenpaar, die selber grösser als zwischen zwei bindenden
Elektronenpaaren sind. Aus diesem Grund ist der Bindungswinkel im Wasser mit 104,5° leicht kleiner
als in einem regulären Tetraeder (109,5°):
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Die Polarität des Wassermoleküls
Im Wasser sind Atome durch kovalente Bindungen verknüpft. Die zwei Elektronen der Bindungen
gehören sowohl dem Wasserstoffatom als auch dem Sauerstoffatom, jedoch nicht zu gleichen Teilen.
Manche Elemente ziehen Elektronen stärker an sich als andere. Die Fähigkeit, Elektronen in einer
Verbindung an sich zu ziehen, wird mit der Elektronegativität (EN abgekürzt) beschrieben. Ein Element
mit einer hohen Elektronegativität verfügt über eine starke Anziehungskraft auf Elektronen, während
ein Element mit geringer Elektronegativität leicht Elektronen an andere, elektronegativere Atome
abgibt. Ausser den Edelgasen, besitzt jedes Element eine bestimmte Elektronegativität (Abb. 1-2).
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H
He
2,1
Li
Be
B
C
N
O
F
1,0
1,6
2,0
2,6
3,0
3,5
4,0
Na Mg
Al
Si
P
S
Cl
0,93 1,3
1,6
1,9
2,2
2,6
3,2
K
Ca Sc
Ti
V
1,5
1,6
Y
Zr
Nb Mo Tc
0,82 0,95 1,2
1,3
1,6
0,82 1,0
Rb
Sr
1,4
Cr Mn Fe Co
Ni
Cu Zn Ga Ge As Se
Br
1,7
1,9
1,9
3,0
1,6
2,2
1,9
1,8
1,8
2,0
Ru Rh Pd Ag Cd
In
Sn Sb
Te
I
2,2
1,8
2,0
2,4
2,0
2,7
Cs Ba La
Hf
Ta
W
Re Os
0,79 0,89 1,1
1,3
1,5
2,4
1,9
Fr
2,2
1,9
2,3
1,7
1,7
2,2
2,6
2,2
1,9
Ir
Pt
Au Hg
Tl
Pb
Bi
Po
At
2,2
2,3
2,5
2,0
2,3
2,0
2,0
2,2
2,0
Ne
Ar
Kr
Xe
Rn
Ra Ac Unq Unp Unh
0,70 0,90 1,1
Abb. 1-2. Elektronegativität der Elemente (nach Pauling).
Im Periodensystem steigt die Elektronegativität von links nach rechts, und von unten nach oben. Mit
einem Wert von 4,0 besitzt Fluor (oben rechts) die grösste Elektronegativität, mit 0,70 besitzt Francium
(unten links) die kleinste. Die Elektronegativität eines Elements ist grundsätzlich eine Kombination drei
seiner Eigenschaften:
1. Die Atomgrösse (Atomradius): Innerhalb einer Gruppe (von oben nach unten) werden die
Atome immer grösser, weil sie immer mehr Elektronenschale besitzen. Innerhalb einer Periode
(von links nach rechts) werden die Atome immer kleiner, weil die positive Ladung im Kern
zunimmt und daher eine grössere Anziehungskraft auf die Elektronenschalen ausübt, was eine
Kontraktion der Schalen in Richtung des Kerns zur Folge hat.
2. Die Ionisierungenergie: Diese Grösse gibt an, wie viel Energie nötig ist, um ein Elektron "e -"
aus dem Element "E" zu entfernen: E → E + + eElemente, welche sich links und unten im Periodensystem befinden, können am leichtesten
ionisiert werden; Oben rechts befinden sich die Elemente, die sich am schwersten ionisieren
lassen.
3. Die Elektronenaffinität: Diese Grösse gibt an, wie viel Energie gebraucht oder freigesetzt wird,
um ein Elektron "e-" zum Element "E" hinzuzufügen: E + e- → EElemente, welche sich rechts und oben im Periodensystem befinden, nehmen am leichtes ten
ein zusätzliches Elektron auf; Unten links befinden sich die Elemente, die am schwersten ein
zusätzliches Elektron annehmen.
Da die Elektronegativität eine Kombination dieser drei Eigenschaften ist, versteht man warum Fluor
(oben rechts) die grösste Elektronegativität hat: Fluor ist klein, lässt sich schwer ionisieren aber nimmt
gerne ein zusätzliches Elektron auf.
Wenn zwei Atome gleicher Elektronegativität eine Bindung bilden, verteilen sich die Elektronen
regelmässig (homogen) zwischen den beiden Atomen:
H
H
unpolare Bindung
Wenn zwei Atome unterschiedlicher Elektronegativität (EN) eine Bindung bilden, verteilen sich die
Elektronen unregelmässig (heterogen) zwischen den beiden Atomen:
Die Delokalisierung der Elektronen - was als Polarisation bezeichnet wird - in Richtung des
Sauerstoffs führt zu Partialladungen: Eine negative (mit - sinnbildlich dargestellt) auf dem Atom mit
der grössten Elektronegativität und eine positive (+) auf dem Atom mit der kleinsten
Elektronegativität. In einem Wassermolekül sind zwei solche polarisierten Bindungen beinhaltet. Die
partiellen Ladungen sehen folgenderweise aus:
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+

-
O
H
+
H
Damit ein ganzes Molekül selber polar ist, ist die Anwesenheit einer (mehrerer) polarer (polaren)
Bindung(en) notwendig. Diese Bedingung(en) allein(e) reicht (reichen) jedoch nicht aus! Ein Molekül
wird im Ganzen nur polar sein, wenn die Partialladungen sich nicht ausgleichen. Auch wenn der
Begriff "Schwerpunkt" fachlich falsch ist, kann man vereinfacht sagen, dass sich in einem polaren
Molekül der "Schwerpunkt" der positiven Partialladungen nicht am gleichen Ort befinden darf, wie
jener der negativen Partialladungen. Sonst ist das Molekül unpolar, wie zum Beispiel in der
Verbindung Berylliumchlorid BeCl2. Dieses Molekül enthält zwei polare Bindungen. Im Gegensatz zu
Sauerstoff besitzt das Berylliumatom kein freies Elektronenpaar. Die beste Anordnung der zwei
Elektronenpaare (Bindungen) um ihre Abstossungskräfte zu minimieren, ist ein 180° Bindungswinkel,
was eine lineare Struktur des Moleküls zur Folge hat:
-
++
-
Cl
Be
Cl
180°
Wegen der linearen Struktur befindet sich der Schwerpunkt der positiven Partialladungen genau am
gleichen Ort, wie der der negativen Partialladungen (auf dem Berylliumatom).
Weil das Wassermolekül eine gewinkelte Struktur hat, befindet sich der Schwerpunkt der positiven
Partialladungen (zwischen den beiden Wasserstoffatomen) nicht am gleichen Ort, wie jener der
negativen Partialladungen (auf dem Sauerstoffatom):
Folglich ist eine Seite des Wassermoleküls ständig negativ und die andere positiv geladen, was als
Dipol bezeichnet wird. Schematisch wird ein Dipol wie ein Wassermolekül durch ein Oval mit zwei
entgegengesetzten Partialladungen dargestellt (Siehe oben).
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