Erziehung Artikel aus Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Erziehung Wortgeschichte und Begriffsabgrenzung Das Wort „erziehen“ geht auf ahd. irziohan („herausziehen“) zurück und nimmt unter dem Vorbild des Wortes educare (lateinisch für „großziehen“, „ernähren“, „erziehen“) bald die Lehnbedeutung „jemandes Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern“ an. Die Begriffe „Erziehung“, „Bildung“ und „Sozialisation“ liegen eng benachbart; sie sauber voneinander zu unterscheiden, ist nicht trivial. Eine genaue Bestandsaufnahme aller Konnotate der drei Begriffe haben 2008 Wolfgang Hörner, Barbara Drinck und Solvejg Jobst versucht. Der vom deutschen Idealismus geprägte Begriff „Bildung“ bezieht sich danach stärker als „Erziehung“ auf die Kognition; die ausdrücklich normativen Komponenten von „Erziehung“ fehlen und die Eigentätigkeit des sich bildenden Individuums steht im Vordergrund, wodurch der Begriff ein Element von Emanzipation erhält. Eine Unterscheidung zwischen „Erziehung“ und „Sozialisation“ hat Friedhelm Neidhardt vorgenommen, für den Erstere ein normatives Konzept ist, in dem bestimmte ideale pädagogische Vorstellungen umgesetzt werden, während Letztere als Sammelbegriff alle faktischen Bedingungen des Hineinwachsens in eine Gesellschaft bezeichnet. Nicht selbstverständlich ist weiterhin die Unterscheidung von „Erziehung“ und „Pädagogik“. Noch Kant hat beide Ausdrücke meist synonym verwendet, und manche Autoren folgen ihm darin bis heute. Die Mehrzahl der Autoren versteht unter „Pädagogik“ jedoch nicht die Erziehung selbst, sondern das Nachdenken über Erziehung. Geschichte der Erziehung → Hauptartikel: Geschichte der Pädagogik Die Erziehung war in der westlichen Welt bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem vom Christentum geprägt, wobei das Ideal der christlichen Erziehung der gläubige Mensch war. Der mittelalterlichen Scholastik ist es zu verdanken, dass in die christliche Pädagogik auch aristotelisches Gedankengut einging. Die Aufklärung, der Neuhumanismus und der deutsche Idealismus führten vom 17. Jahrhundert an zur Entstehung einer säkularisierten bürgerlichen Erziehungsphilosophie, deren Ideal der gebildete, aufgeklärte Mensch war, der gleichzeitig ein nützliches Mitglied der Gesellschaft ist. In einer zweiten, von Jean-Jacques Rousseau ausgehenden Traditionslinie entstanden seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Strömungen der Reformpädagogik, die sich gegen Lebensfremdheit und Autoritarismus wandten und ihre Pädagogik vom Kinde her zu entwickeln versuchten. Der Nationalsozialismus brachte im 20. Jahrhundert keine eigenständige Erziehungsphilosophie hervor, der systematische Missbrauch, den dieses Regime mit Erziehung trieb, hatte im deutschen Sprachraum nach 1945 jedoch eine langwierige Diskreditierung von Autorität zur Folge. Diese kam insbesondere in den pädagogischen Diskursen der 68er-Bewegung und der Außerparlamentarischen Opposition zum Ausdruck, prägt den gesellschaftlichen Erziehungsdiskurs in Deutschland und Österreich jedoch bis heute. In den Vereinigten Staaten dagegen, wo für einen vergleichbaren Autoritätsdiskurs die historischen Voraussetzungen fehlten, entstanden in den 1990er Jahren Ansätze zu einer modernen Charaktererziehung, die die Ideale der bürgerlichen Erziehung mit Einsichten der aktuellen psychologischen Forschung und den gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu vereinbaren sucht. Soziologische Perspektive In seiner pädagogischen Hauptschrift, L’éducation morale (postum, 1923), hat der französische Soziologe Émile Durkheim Erziehung als „methodische Sozialisation“ bestimmt. Document1 Erziehung sei diejenige Teilmenge der Sozialisationsvorgänge, die das Kompetenzgefälle zwischen den Erwachsenen und der jüngeren Generation aufheben soll. Erziehung mache den Menschen zum sozialen Geschöpf und diene der Bestandssicherung des sozialen Systems, in dem sie stattfindet. Als eine Tätigkeit, die von pädagogischen Normen geleitet wird, sei sie allerdings keine urmenschliche Gegebenheit, sondern setze historisch erst zu einem Zeitpunkt ein, an dem die Erziehung über Religion und Familie allein nicht mehr ausgereicht habe. Niklas Luhmann, der ebenfalls eine Reihe von Schriften zur Pädagogik veröffentlicht hat, begriff Erziehung als selbstreferentielles System und gelangte über diesen systemtheoretischen Ansatz zu der für Pädagogen irritierenden Einsicht, dass absichtsvolles Erziehen eher Glückssache als eine Selbstverständlichkeit sei. Psychologische Perspektive Mit Heinz Walter Krohne und Michael Hock unterscheidet man zwischen Erziehungskonzepten und Erziehungsstilen. Während Erziehungskonzepte Bündel von Einstellungen, Zielen und Überzeugungen sind, bezeichnet der Ausdruck „Erziehungsstil“ die individuellen Verhaltenstendenzen von Eltern und Erziehern. Beispiele für Erziehungskonzepte sind eine leistungs- oder bildungsorientierte, emanzipatorische, antiautoritäre oder christliche Erziehung. Unterschiedliche Erziehungsstile dagegen zeichnen sich durch unterschiedlich hohe Niveaus von Autorität, Responsivität und Empathie aus. Der Erziehungsstil kann sich ‒ der individuellen emotionalen und sozialen Kompetenz und dem Temperament des Erziehenden entsprechend ‒ von Person zu Person stark unterscheiden, ist beim Einzelnen aber meist recht stabil. Pädagogische Perspektive Von erziehungswissenschaftlicher Seite aus ist „Erziehung“ folgendermaßen definiert worden: „Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten.“ – WOLFGANG BREZINKA: Metatheorie der Erziehung: Eine Einführung in die Grundlagen der Erziehungswissenschaft, 1978, S. 45 Rechtliche Perspektive Deutschland Das Erziehungsrecht der Eltern über ihre Kinder ist in Deutschland Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz festgeschrieben: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Während das deutsche Jugendwohlfahrtsgesetz eine Reihe von 'Maßnahmen' vorsah, gab es ab 1990 einen Paradigmenwechsel insofern, als das neue Jugendhilferecht im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe (KJHG)) den Sorgeberechtigten in der Regel (freiwillige) Angebote und Leistungen als Rechtsanspruch zur Verfügung stellen wollte - das sind die Hilfen zur Erziehung gemäß der §§ 27 bis 41 SGB VIII. Nur im § 13 Abs. 3 SGB VIII, Kontext: Maßnahmen Schule-Beruf und in den § 42 SGB VIII (Inobhutnahme) wird von 'Maßnahmen' gesprochen. Im Juli 2000 wurde vom deutschen Bundestag das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung verabschiedet. Document1