1 Friedrich W. Stallberg Endstation Einsamkeit? Überlegungen zur Risikobewertung und Gefahrenabwehr – 1.Fassung Ich freue mich aufrichtig, Ihnen heute hier zu begegnen und mich am selbstbestimmten Altern zu beteiligen. Nicht nur Freude, sondern auch Last, vielleicht sogar mehr das letztere, ist es aber, über die moderne Alterseinsamkeit, ihre Besonderheiten, Hintergründe und Leidtragenden zu sprechen. Das hat einerseits mit dem Schmerzhaften zu tun, was das Phänomen Einsamkeit grundsätzlich vor allem auszeichnet. Das liegt aber auch daran, daß mir während der Erarbeitung des Themas ständig eigene Erfahrungen mit Situationen des Verlassen- und Ausgeschlossenseins im Alter – zum Teil sogar erstmals - in den Sinn kamen. Ich mußte an Familienangehörige denken, die ihre letzten Lebensjahre im aufgezwungenen oder selbst aufgesuchten inneren Exil verbracht haben und auch an befreundete Menschen, die durch überwältigende Verlusterfahrungen in tiefe Einsamkeit geraten sind. Und natürlich haben sich auch meine eigenen Einsamkeitsempfindungen mitunter lähmend bemerkbar gemacht. Meine Absicht hier ist zu zeigen, daß Alterseinsamkeit von Verbreitung und Folgen her schon jetzt ein fortgeschrittenes soziales Problem darstellt und von uns gar nicht genug gewürdigt werden kann. Damit vertrete ich allerdings eine noch abweichende Meinung und tue mich entsprechend schwer mit der Beweisführung. Wissenschaftlich ist es offenkundig die klare Mehrheitsposition, Einsamkeit im höheren Lebensalter für wenig verbreitet und zumeist nur zeitweilig auftretend zu halten. Sofern man sie in den einschlägigen Altenberichten und Altersstudien als Störfaktor für subjektives Wohlbefinden in Betracht zieht, wundert man sich erfreut darüber, wie erfolgreich sie trotz häufig feststellbaren Alleinseins bis hin zur Isolation vermieden wird. Gegenteilige Annahmen gelten als unzeitgemäßer Pessimismus. Die Rede ist in diesem 2 Zusammenhang von einem bloßen Einsamkeitsmythos. Wird Einsamkeit nun doch hier und da entdeckt, gilt sie als ein auf benachteiligte Hochaltrige beschränktes Randproblem, das sich unabgrenzbar mit anderen leidvollen Realitäten wie Pflegebedürftigkeit und Ausgrenzung verbindet. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung gibt es noch keine verläßliche Anerkennung des Problems Einsamkeit im Alter. Ganz im Gegenteil erzeugt es kaum einmal Nachrichten, Debatten oder Beschlüsse. Gelegentlich allerdings wird das Schweigen in alarmierender Form durchbrochen. Dies geschieht etwa als Verallgemeinerung skandalöser Vereinsamungsfälle (siehe zuletzt die Schlagzeile in der Online-Ausgabe der WAZ vom 8. August 2012 : „Tote in Hagen. Einsamkeit im Alter nimmt in den nächsten Jahren zu“) oder auch als wissenschaftsjournalistische Berichterstattung über bedrohliche Forschungsergebnisse. Ich nehme an, das niedrige Maß an Würdigung des Themas Einsamkeit hat weniger mit fehlenden Fakten als mit den Eigenschaften der Einsamkeit selbst zu tun. Ob nun im öffentlichen Diskurs oder im Alltagsleben – für uns alle ist offenbar das Sprechen über diese mit so großem Unbehagen verbunden, daß wir es vorziehen, zu sagen, „ich fühle mich allein gelassen“, „ausgeschlossen“ oder „vernachlässigt“. Wir erinnern uns an schmerzhafte Verlassenheitserfahrungen, werden mit unkontrollierbaren Zukunftsrisiken konfrontiert, ziehen unsere vermeintliche Beziehungsfülle in Zweifel oder spüren Überforderung und Schuld angesichts (zum Glück seltener) Einsamkeitsklagen anderer. Es gibt also für Betroffene wie für wissenschaftliche Beobachter gute Tabuisierungsgründe. Das Unerwünschte, ja Schmerzhafte an der Einsamkeit wird uns jetzt weiter begleiten, wenn ich zu klären versuche, worin deren Besonderheiten im einzelnen bestehen. Nach dieser Ab- und Eingrenzung werde ich dann die These begründen, daß wir in einer Gesellschaft mit sich ständig vergrößernden strukturellen, kulturellen und individuellen Einsamkeitsrisiken leben. Nach den Risiken geht es um die tatsächlichen Betroffenheiten: was sagen uns die verfügbaren empirischen Daten zu Ausmaß und Verteilung von Alterseinsamkeit und wie sieht es mit ihrer Verläßlichkeit aus? Wenn es nun stimmen sollte, daß Einsamkeit zu einem äußerst ernst zu nehmenden Altersproblem aufgestiegen ist, ist es nur ein guter Schluß, noch ein paar 3 Minuten über Einsamkeitsprävention zu sprechen. Wie kann sie vonstatten gehen, und was gibt es an Ansätzen und Vorschlägen? I. Was ist überhaupt Einsamkeit? 9 Thesen zur Kennzeichnung Kurzgefaßt läßt sich das Phänomen Einsamkeit als „gescheitertes Alleinsein“, „gefühlter Mangel an sozialen Beziehungen“ oder „quälendes Bewußtsein eines inneren Abstands zu anderen Menschen“ umschreiben. Im einzelnen bedeutet das folgendes: 1) Einsamkeit ist ein negatives Gefühl, eine problematische Lagebeurteilung, zu der wir widerstrebend gelangen. Diese bezieht sich vorrangig auf schmerzhaft erfahrenen Mangel – Mangel an Kontakt mit uns bedeutsamen anderen (emotionale Einsamkeit), Mangel an Beziehungsqualität (Einsamkeit des leeren Miteinanders), Mangel an sozialer Integration und Mangel an Chancen, neue Kontakte zu knüpfen (als soziale Einsamkeit geltend). 2) Als Problememotion ist Einsamkeit aber weit mehr. Sie umfaßt eine Vielfalt von Fall zu Fall unterschiedlich vorhandener und unterschiedlich miteinander vermischter Gefühle – sämtlich belastender Art. Stets empfinden wir Verlassenheit, häufig Traurigkeit, Angst, Ohnmacht, Scham, Ärger, Selbstmitleid, Sehnsucht, Neid. Allerdings wird Einsamkeit nur zum geringeren Teil vollständig ausgebildet auftreten. In vielen Erlebensfällen mögen die Bewertung der Kontaktsituation und die bewußte Identifizierung der Empfindung ausbleiben, die Gefühle dafür aber um so intensiver sein. 3) Einsamkeit steht vom Entstehen her in enger Beziehung zu Alleinsein/Alleinleben und Isolation als „Unterstützern“, ist aber etwas anderes und muß diese Zustände nicht emotional begleiten. Während Alleinsein, beschreibend gemeint, die Zeit umfaßt, die eine Person ohne Kontakt mit anderen verbringt (wobei dieser privater Natur sein und sich außerhalb des eigenen Haushalts ereignen sollte), wird mit dem Begriff 4 4) 5) 6) 7) soziale Isolation die Anzahl der Kontakte einer Person als unter einem wünschenswerten Minimum liegend bewertet. Unterschiedlich verstanden wird das Verhältnis von Einsamkeit und Vereinsamung. Vereinsamung kann Einsamkeit als chronischen oder gar endgültigen Gefühlszustand , also nicht nur vorübergehende Getrenntheit, meinen, andererseits aber auch eher den Prozeß, in welchem Stück für Stück oder schlagartig existentiell bedeutsame Beziehungen und Teilhaberollen verloren gehen. Einsamkeit ist ein zutiefst soziales Phänomen. Sie gründet sich auf vererbte Bedürfnisse und kulturelle Forderungen nach Geselligkeit, Austausch, Bindung und Zusammenleben. Wir wollen und sollen zugehörig und integriert sein. Einsamkeit soziologisch gesehen bedeutet demgegenüber eine Beeinträchtigung sozialer Teilhabe wie auch die Aufforderung, unsere defekte soziale Einbindung wiederherzustellen. Einsamkeit gilt als Stigma, d.h. als etwas, was den Betroffenen bei Offenbarwerden herabsetzt, ihm als Scheitern angelastet wird, vorsorgliche Distanz begründet. Um nun Ansehen und Selbstwert zu schützen, wird die erfahrene Einsamkeit verschwiegen und geleugnet. Erst Situationen großer innerer Not bewegen zu Klage und Hilferuf. Einsamkeit ist Leiden an einer als kalt erlebten sozialen Umwelt, die sich nicht öffnet, sich ablehnend zeigt, ihre Verantwortlichkeit leugnet, individuelle Verluste zur Normalität erklärt, auf Rückzug gleichgültig reagiert oder Anpassungs- und Zufriedenheitsdruck ausübt. Dem Einsamen werden, so jedenfalls seine Sicht, belohnende Kontakte verweigert, persönliche Fragen, Bestätigung, Anteilnahme, Mitgefühl, Geborgenheit, Trost vorenthalten. Dauerhafter Einsamkeitsschmerz kann verschiedene problematische Folgen für die Betroffenen und die ihnen verbliebenen Netzwerke hervorrufen. Teils nachgewiesen, teils nur angenommen sind Tendenzen zu Meidung, Absonderung und Rückzug, Negativität im Sinne von Verbitterung, Pessimismus und Selbstabwertung, Depressivität, Selbstschädigung, Suchtverhalten, Suizidalität. Gerade im Internetzeitalter besonders verbreitet könnte ein Ausweichen in parasoziale Beziehungen (Online-Beziehungen, Bindung an Haustiere etc.) sein. Naheliegend erscheinen ferner das Verbleiben in eigentlich 5 unbefriedigenden Beziehungen und ein überzogenes Bemühen um Sympathie, Konformität und Anerkennung. 8) Einsamkeitskarrieren haben aber nicht nur soziale Konsequenzen. In den Blickpunkt getreten sind neuerdings die gesundheitsschädigenden Effekte. Der Risikofaktor Einsamkeit oder im weiteren Sinne Isolation wird auf einer gleichen Stufe mit Übergewicht, Rauchen und Bewegungsarmut gesehen. Beziehungs- und Bindungsmangel kann demnach hohen Blutdruck, Schlafprobleme, ein schwächeres Immunsystem, nachlassende kognitive Fähigkeiten (speziell im Alter) einen höheren Stresshormonspiegel u.a. begünstigen. 9) Bei all dem Leidenspotential mag es widersinnig erscheinen, der Emotion Einsamkeit auch einen (eingeschränkten) sozialen Nutzen zuzuschreiben. Dieser besteht aber darin, daß zum einen die Angst vor dem Schicksal des Einsamen uns zu einem guten Umgang mit den verfügbaren Beziehungen und Bindungen motivieren kann, zum anderen der einsetzende Einsamkeitsschmerz unser Bedürfnis nach Integration zu stärken vermag und uns für neue stützende und schützende Kontakte öffnet. Auch kann er uns signalisieren, wie wir uns in den gerade vorhandenen Beziehungen wirklich fühlen. II. Risiko Alterseinsamkeit: Förderliche Bedingungen Einsamkeit als belastende Emotion alter Menschen kann sich erst dann erfolgreich ausbreiten und zum bedeutsamen Risiko im individuellen Erlebensalltag werden, wenn bestimmte, für modernisierte Gesellschaften typische Bedingungen auftreten. Deren Kern besteht darin, daß immer mehr Gesellschaftsmitglieder ein hohes Lebensalter bis hin zur Hochbetagtheit erreichen, dabei aber vielfach Kontaktchancen, Zugehörigkeit und Mobilität einbüßen und dies, orientiert an neuen Normen und Perspektiven des Alters, als schmerzhafte Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit erfahren. Einen Überblick über „risikoschaffende“ Bedingungen auf den Ebenen Sozialstruktur, Kultur und Individuum gebe ich im folgenden: Sozialstrukturelle Bedingungen Verlängerung der Lebensphase Alter 6 Zunahme der Hochbetagten und Langlebigen Singularisierung: relativ hoher Verbreitungsgrad des Alleinlebens im Alter Entfamilialisierung: Erosion des familialen Netzwerkpotentials in Form abnehmender Paarbildung, fehlender Kinder und Enkel, starker Scheidungszunahme Zunehmende Altersarmut Zunehmende Entberuflichung des höheren Alters mit entsprechenden Kontaktverlusten Routinisierung und emotionale Verflachung alt gewordener Paarbeziehungen Zunehmende Risiken von Krankheit, Behinderung, Mobilitätseinschränkung Wandel der Kommunikationsformen Kulturelle Bedingungen Hohe Wertschätzung von Zugehörigkeit und Kontaktfreudigkeit (Sei aktiv! Suche Anschluß! Nutze die Segnungen der Alterskultur!) Entwicklung höherer Ansprüche an Kommunikation und Teilhabe Verfall traditioneller Sinngebungen und Legitimationen mit „Einsamkeitsschutz“ Autoritätsverlust der „Sozialfigur“ Großvater/Großmutter Individuelle Bedingungen Defizite in Art und Qualität des sozialen Netzwerkes Verlust langjähriger Bezugspersonen Niedriges Maß von Kontrolle der eigenen Lebenssituation Problematischer Gesundheitszustand Schwierigkeiten in der Verarbeitung von typischen Problemen des Altwerdens 7 III. Die Verbreitung von Alterseinsamkeit in Deutschland – Daten, Zusammenhänge, Interpretation 1) Untersuchungen im Überblick Ich habe anfangs schon auf die sehr begrenzte Forschungsaktivität zur Alterseinsamkeit hingewiesen. Es gibt noch kaum spezielle empirische Untersuchungen. Es fehlt darüber hinaus denen, die vorliegen, an theoretischer Fundierung wie auch an methodologischer Offenheit (wie es sich in der einschlägigen Beschränkung auf Befragungen mittels Einsamkeitsskalen zeigt). Nutzen wir dennoch die verfügbaren Befund: Reuband (2008) unternahm 1999 eine postalische Befragung in Berlin, an der 932 Personen über 70 teilnahmen. 24% der Befragten gaben an, sich manchmal oder häufig einsam zu fühlen. 16% teilten ein depressives Erleben in stärkerer Form mit. Dabei sind Frauen etwas häufiger depressiv gestimmt als Männer, schlechter Gebildete häufiger als besser Gebildete und Personen mit niedrigem Einkommen eher als solche mit höherem. Bannewitz (2009) führte eine Analyse der einsamkeitsrelevanten Daten des (vorletzten) Alterssurveys von 2002 durch. Einsamkeit wird durch die DJGEinsamkeitsskala gemessen, die nicht direkt nach der empfundenen Einsamkeit, sondern nach gefühlten sozialen Mängeln und nach der Bedürfnisbefriedigung fragt. Ergebnis: Im Alterssurvey sind 9,5% der älteren Menschen von emotionaler Einsamkeit betroffen, dagegen 16,7% von sozialer Einsamkeit. Zusammenhänge: Weniger soziale Beziehungen mehr Einsamkeit, mindestens genau so wichtig ist aber die Beziehungsqualität Ressourcen: Bildung und Einkommen haben keine Effekte, lediglich der Gesundheitszustand zeigt einen, nur schwachen Einfluß 8 Rosenmayr und Kolland (2002) haben 60 bis 75jährige in Wien befragt. 19% gaben an, sich einsam zu fühlen. Einflußfaktoren: Besonders einsamkeitsanfällig sind Menschen in Einpersonenhaushalten Wer viel krank ist, fühlt sich mehr als doppelt so häufig einsam wie eher Gesunde Bei seltenen Familienkontakten tritt das Einsamkeitsgefühl doppelt so häufig auf gegenüber Personen mit regelmäßigem Kontakt Einsamkeit wird durch fehlende Pläne und Zielsetzungen gefördert Zusätzliche Daten: Der Wohlfahrtssurvey von 1998 ermittelt 27% der über 70jährigen in Westdeutschland und sogar 38% in Ostdeutschland als einsamkeitsbetroffen. In der 2007 erschienenen Altersstudie Thüringen stimmten 22% der Befragten über 60 der Frage nach Einsamkeitsgefühlen zu. 2) Bewertung Es spricht einiges dafür, daß Einsamkeit im Alter noch erheblich weiter verbreitet ist als es die genannten Befunde aussagen. Das hat einmal methodische Gründe: Kranke sowie auch Personen in der stationären Pflege und andere alte Menschen am gesellschaftlichen Rand werden von der befragenden Forschung kaum erreicht. Des weiteren hindern aber die soziale Unerwünschtheit von Einsamkeit, Selbstwertprobleme und eine Art Gewöhnung an den Mangel nicht selten daran, diesen auch im Antwortverhalten einzuräumen. Wenigstens als methodische Ergänzung erforderlich wären etwa qualitative Interviews mit potentiell einsamen Menschen wie auch die beobachtende Würdigung von Kontakthäufigkeit und – qualität. Auch ohne das „wahre“ Ausmaß zu kennen, ist aber davon auszugehen, daß gegenwärtig mehrere Millionen Menschen in Deutschland (sowie ihre jeweiligen Umwelten) von Alterseinsamkeit betroffen sind. Viele andere – oder eigentlich wir alle – sind darüber hinaus der existentiellen Natur des Gefühlszustands wegen potentielles Opfer von Einsamkeit. Es gibt also keinerlei 9 Berechtigung dafür, Einsamkeit im Alter nicht als bedeutsames soziales Problem anzuerkennen. IV. Zum Ende: Einsamkeitsprävention 1) Alterseinsamkeit wird ganz im Sinne ihrer geringen Beachtung nur vereinzelt als Anlaß spezieller Präventionsaktivitäten eingestuft. Grundsätzlich wäre es aber angemessen, auf Lebenslagen und Lebensweisen, Werte und Normen, Verhaltensmuster und innere Haltungen gezielt einzuwirken, um problematische Einsamkeit zu bekämpfen, d.h. die Wirksamkeit erkannter Risiken zu verringern und Schutzfaktoren zu unterstützen. 2) Neuerdings finden sich in der gerontologischen Diskussion aber erste Ansatzpunkte. So bestimmt Tesch-Römer (2012) die Bekämpfung von Einsamkeit (allerdings nur im sehr hohen Alter) als einen wichtigen Bereich der Investitionen in aktives Altern. Einsamkeit gilt bezeichnenderweise als Zustand, welcher der Optimierung von Gesundheit, Integration und Partizipation im Wege steht. Als Interventionen zu ihrer Verringerung werden vorgeschlagen: die Verbesserung der Gelegenheitsstrukturen für soziale Kontakte, die Bereitstellung sozialer Unterstützung, die Stärkung sozialer Fertigkeiten und die Erhöhung der Kompetenz zur Wahrnehmung sozialer Interaktionspartner und Interpretation sozialer Situationen. Kolland (2009) betont in einem anderen Zusammenhang die Notwendigkeit unaufhörlicher Beziehungsarbeit für die Herstellung und Reproduktion von sozialem Kapital und empfiehlt präventiv weiterhin die Entwicklung guter emotionaler Beziehungen zu den Kindern, die Integration in ehrenamtliche Aktivitäten und eine möglichst lange Berufstätigkeit. Von der Öffentlichkeit wird die Vermittlung des Gefühls, geschätzt und gebraucht zu werden, gefordert. 3) Ich will nun abschließend den Präventionskatalog um einige, hier und dort angelesene oder vielleicht auch selbst entwickelte Ideen erweitern. Sie beziehen sich, muß ich als Sozialwissenschaftler selbstkritisch einräumen, sämtlich nur auf das „gefährdete“ Individuum. 10 Zurückliegende Einsamkeitserfahrungen aufarbeiten Verlorene Beziehungen und Bindungen angemessen betrauern Den eigenen Beitrag zu Kontaktverfall/schwund selbstkritisch prüfen Persönliche Begegnungen als Privileg wahrnehmen und genießen Erfolgsbedingungen für Alleinsein schaffen In Beziehungen investieren: „Freunde als Altersvorsorge“ Persönliche Begegnungen als Privileg wahrnehmen und genießen Vermeintlich bedeutungslosen Kontakten Gehalt geben Erstarrte Beziehungen neu gestalten Echte Anteilnahme anerkennen, bewundern, erwidern Das Gefängnis des sich abgelehnt/mißachtet Fühlens verlassen Das eigene Einsamkeitsgefühl beobachten, annehmen, würdigen, reflektieren, verändern Sich rechtzeitig auf existentielle Grenzsituationen vorbereiten Literatur Bannwitz, J., Emotionale und soziale Einsamkeit im Alter. Eine empirische Analyse mit dem Alterssurvey 2002, Diplomarbeit Köln 2009 Cacioppo, J.T./Patrick, W., Heidelberg 2011 Einsamkeit. Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt, Dannenbeck, C., Im Alter einsam? In: Bertram, H. (Hrsg.), Das Individuum und seine Familie, Opladen 1995, 25-156 Kern, D., Einsamkeitsprävention durch Lernen im Alter, in: Forum Seniorenarbeit NRW 10/2008: Einsamkeit. Hintergründe, Diskussion und Erfahrungsberichte aus der Praxis der Seniorenarbeit Kolland, F., Einsamkeit, Fremdheit und soziale Isolation, in. Forum Seniorenarbeit NRW 10/2008: Einsamkeit. Hintergründe, Diskussion und Erfahrungsberichte aus der Praxis der Seniorenarbeit Lindenberger, U. u.a., (Hrsg.), Die Berliner Altersstudie, 3. erweiterte Auflage, Berlin 2010 Petrich, D., Einsamkeit im Alter. Notwendigkeit und (ungenutzte) Möglichkeiten sozialer Arbeit mit allein lebenden alten Menschen in unserer Gesellschaft, Diplomarbeit Jena 2011 11 Reuband, K.-H., Einsam und unglücklich im Alter? Eine empirische Studie zur Lebenssituation alter Menschen im großstädtischen Kontext, in: Groenemeye,A./Wieseler, S. (Hrsg.), Soziologie sozialer Probleme und sozialer Kontrolle. Realitäten, Repräsentationen und Politik, Wiesbaden 2008,354-374 Rosenmayr,L./Kolland, F., Altern in der Großstadt - Eine empirische Untersuchung über Einsamkeit, Bewegungsarmut und ungenutzte Kulturchancen in Wien, in: Backes, G.M./Clemens, W. (Hrsg.), Zukunft der Soziologie des Alter(n)s, Opladen 2002, 21-278 Tesch-Römer, C., Aktives Altern und Lebensqualität im Alter, in: Informationsdienst Altersfragen 39 (1), 2012, 3-11