Zwei Beispiele mit Teil- bzw. Komplettbearbeitung eines journalistischen Textes zum Thema Sprachwandel Die Beispiele enthalten beide Aufgaben: 1. Textanalyse mit Analyse der Argumentationsstruktur und der sprachlichen Mittel 2. Die Erörterung der Frage, ob die deutsche Sprache Rettung nötig habe Die Erörterung folgt im Aufbau der Ping-Pong-Struktur. Das Material enthält eine Erklärung dieser Struktur. Viel Erfolg beim Üben! Analyse der Argumentationsstrategie und der verwendeten sprachlichen Mittel in der Glosse „Das wär‘ doch gelollt!“ Ist die deutsche Sprache durch Anglizismen oder Wortneuschöpfungen vom Verfall bedroht? In der Glosse „Das wär‘ doch gelollt“, erschienen am 13.12.2008 in der Süddeutschen Zeitung, vertritt der Journalist Jens Bisky sehr eindeutig die Position, dass die Sprache vor allem durch Gedankenlosigkeit und Nachlässigkeit beeinträchtigt werde. Er zeigt auf, dass er in fremdsprachlichen Einflüssen und der Existenz neu geschaffener Wörter keinerlei Bedrohung sieht. Im Folgenden werde ich die Argumentationsstrategie Biskys darlegen und seinen Einsatz sprachlicher Mittel analysieren. Im Text diskutiertes Thema, Einstieg, Titel, Textsorte, Erscheinungsdatum, Kurzzusammenfassung der Position des Autors, Bisky gibt seinem Text einen humorvollen Titel. „Das wär‘ doch gelollt“ greift die Wortneuschöpfung „lollen“ auf, die Bisky später in seinem Text als Beispiel dafür erläutert, dass neue Kommunikationswege wie das Schreiben von SMS aufgrund der Zeichenbegrenzung zu Abkürzungen führen und diese Abkürzungen wiederum Grundlage für neu geschaffene Wörter werden können (Z. 51-59). Humorvoll ist der Titel auch, weil er auf die Redensart „Das wäre doch gelacht“ zurückgreift. Mag das Wort „lollen“ dem Leser unbekannt sein, so erschließt er aus dem Zusammenhang den Sinn dieses Titels, der die Zuversicht ausdrückt etwas zu schaffen, in diesem Fall mit den Veränderungen der Sprache umzugehen. Inhaltliche u. sprachliche Analyse des Titels Die Aufmerksamkeit des Lesers sucht Bisky durch zwei bekannte Beispiele für Anglizismen zu gewinnen: Der „Service Point“ der Deutschen Bahn und die Bezeichnung „Lifestyle Club“. Bisky argumentiert, dass die Weltläufigkeit, die diese Wortwahl nahelegt, nicht die Fähigkeit beinhalte, Englisch sprechen zu können. Aus seiner Sicht sollte man sich nicht weiter mit dem Phänomen der Anglizismen befassen, ihnen höchstens mit Verachtung und Spott begegnen, wenn sie nicht halten, was sie versprechen. Er bringt sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass die Sprachschützer das ganz anders sehen. Als Beispiel für die Sprachschützer und wahrscheinlich aktuellen Analyse des Teasers / Earopeners überleitender Satz Beispiele Position des Autors Verhalten der Sprachschützer Anlass für seinen Text nennt Bisky Vertreter der CDU, die in zweierlei Hinsicht die Sprache schützen wollen, nämlich gegen Anglizismen vorgehen und Gesetzestexte verständlicher formulieren. Diese Verknüpfung von Kritik an zwei unterschiedlichen Sprachphänomenen nimmt Bisky als Steilvorlage für seine Argumentation gerne an, wobei er in einem Seitenhieb überhaupt staatliches Eingreifen in Sprachwandelprozesse anzweifelt. Als Beispiel für viel Unheil, das dadurch angerichtet wurde, nennt er die Rechtschreibreform. Im folgenden Absatz benennt Bisky, wo er sprachlichen Verbesserungsbedarf sieht in Ergänzung zur Forderung nach einer verständlicheren Sprache in Gesetzestexten, nämlich in politischen Debatten ohne rhetorische Brillanz. Er ergänzt, dass der Verfall in diesem Bereich mit Anglizismen nichts zu tun habe. Bisky formuliert eine These, in der er Sprachschützern eine große Inhaltsleere unterstellt. Eigentlich hätten Sprachschützer nichts zu sagen. Er illustriert diese These durch Beispiele, die die Versuche der Sprachschützer englische durch deutsche Ausdrücke zu ersetzen, als Scheinprobleme lächerlich machen. Im Anschluss führt Bisky seine These aus, dass die Anglizismen ihre Berechtigung in der deutschen Sprache haben, weil sie etwas ganz Anderes bezeichnen als ihre vermeintlichen deutschen Entsprechungen. Er zeigt dieses an drei Beispielen und kommt später, im vorletzten, Absatz nochmals darauf zurück, dass der fremdsprachliche Einfluss auf das Deutsche eine größere Ausdrucksvielfalt liefere, auch wenn es Schwierigkeiten gebe, die neuen Wörter ganz ins grammatische System aufzunehmen. Dieses existiere jedoch genauso im Umgang mit deutschen Wortneuschöpfungen. Beispiel für Sprachschützer Ein Argument der Sprachschützer greift er auf, um diesem sofort zu widersprechen. Diese behaupten nämlich, dass ältere Menschen vieles nicht mehr verstehen würden. Bisky lässt das Bild vom nicht mehr lernenden alten Menschen jedoch nicht gelten. Gegenthese der Sprachschützer Er vertritt die These, dass neue Wörter die deutsche Sprache sehr bereichern würden. Nun erläutert er die Entstehung des Wortes „lollen“ und erklärt die neuen Medien mit zunehmendem Kommunikationsfluss dafür verantwortlich, dass es derartige sprachliche Neuerungen gebe, die er durchaus positiv bewertet, fühlt er sich doch durch neue an sehr altmodische Wörter erinnert. Wdh. einer These Bisky kommt jedoch noch einmal auf die Anglizismen und die deutsche Sprache zurück. Dieses Mal bezeichnet er die deutsche Sprache als stark, weil die Anglizismen immer noch als solche identifiziert würden. Argument, weshalb Anglizismen für die deutsche Sprache zu verkraften sind Diesen Vorzug kann er den Sprachveränderungsprozessen, die er anprangert, nicht attestieren. Er zählt allerhand inhaltsleere Sprachhülsen, also Floskeln, auf, die sich in Büchern und Zeitschriften verbreiten ebenso wie lexikalisierte Fehler. Sie deuten für ihn auf Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit hin und darin sieht Bisky das eigentliche Problem im Umgang mit Sprache. Eigene Kritik am Sprachwandel: Argument, weshalb Floskeln für die deutsche Sprache nicht zu verkraften sind Vorgehensweise in der Argumentation: Verknüpfung zweier Phänomene Beispiel Eigene Forderungen Abgrenzung von der Frage nach Anglizismen Beispiele für absurdes Handeln der Sprachschützer Fazit aus den Ausführungen Entkräftung Entfaltung eines Beispiels für Wortneuschöpfungen durch neue Medien. Bezug zum Titel Auf sehr unterhaltsame Weise entfaltet Bisky seine Position, dass Anglizismen harmlos und bereichernd sind, Floskeln aber der eigentliche Gegenstand der Sprachkritik sein sollten. Er geht vor allem so vor, dass er die Argumente der Gegenposition aufgreift und sie durch einfache kurze Anfragen in ihrer Logik widerlegt oder lächerlich macht. Immer wieder rechnet er mit einem gebildeten Leserpublikum, das kurze Anspielungen auf die Rechtschreibreform (Z.12) oder die von ihm beklagten sprachlichen Missstände (Z.80-83) versteht, ohne dass er fachlich analysieren und darstellen würde, was er da eigentlich beklagt. Hier rechnet er mit dem Einverständnis seiner Leser, ohne argumentativ überzeugend zu sein. Zusammenfassung der Analyse der Argumentationsstruktur Im Folgenden werde ich besonders anhand einer Analyse ausgewählter sprachlicher Mittel zeigen, dass Bisky vor allem mit Mitteln der humorvollen Ironie und Zuspitzung seine Position darlegt. Überleitung zur Analyse der sprachlichen Mittel mit einer Hypothese Im zweiten Absatz (Z.7-10) spricht Bisky von denjenigen, die zwar Anglizismen benutzen, jedoch nicht auf Englisch kommunizieren können, als „Hochstaplern“, er spricht von ihrem Wortgebrauch als „Etikettenschwindel“, vom „Fanatismus“ mit dem die Sprachwächter reagieren, von „Spott“ und Verachtung“, den die Sprachwächter eigentlich verdient hätten. Bisky schreibt mit Begriffen aus einem Wortfeld der Kriminalität und Betrügerei. Es sind drastische Begriffe, die in ihrer Dramatik schon in einem Widerspruch zu dem Gegenstand der Sprachkritik stehen und die Aussagen auf diese Weise ironisieren. Ausgewähltes Beispiel für die Sprachanalyse Wortfeldbetrachtung Sehr ernsthaft berichtet er zunächst von den Anstrengungen des Vereins Deutsche Sprache e.V. Anglizismen durch deutsche Wörter zu ersetzen. Er zählt Beispiele auf, deren Absurdität spätestens deutlich wird, wenn er für den längst etablierten Anglizismus „Slogan“ das Wort „Spruch“ als deutsche Alternative anführt, zugleich aber die weiteren Vorschläge „Knacksatz“ und „Kaufkitzel“ zitiert. Er schließt diese Ausführungen mit dem Fazit: „Ein Königreich für solche Sorgen.“ Diese Redewendung bringt nach den genannten Beispielen nachvollziehbar auf den Punkt, für wie unsinnig und nutzlos Bisky die Tätigkeit der Sprachwächter hält. Auffällig ist auch die Alliteration: Knacksatz – Kaufkitzel – Königreich (Z.34-36). Diese und die Lautmalerei in diesen Wörtern führen dazu, dass man sie als Beispiele auf keinen Fall ernst nimmt. Ein letztes Beispiel aus meiner Analyse der sprachlichen Mittel möchte ich anführen, um zu verdeutlichen wie humorvoll und pointiert Bisky seine Position ausdrückt. In den Zeilen 55 – 59 schreibt er „Dass in einer Welt rasend wachsenden Reiseverkehrs, ständigen Austauschs, hemmungsloser Kommunikation Mischformen auftauchen, Unreines gehäuft auftritt, ist doch wohl selbstverständlich.“ Hier fällt zum einen auf, mit welch drastischen Adjektiven Bisky aktuelle Entwicklungen in Bezug auf neue Medien und Globalisierung beschreibt. Er scheint damit den Sprachgebrauch und die Einstellung der Sprachschützer zu imitieren, ihre Position indirekt aufzugreifen. Überraschend sind dann die Formulierungen „Mischform“ und „etwas Unreines“. Dieses sind alles andere als Zweites ausgewähltes Beispiel für die Sprachanalyse Nicht ernst zu nehmende Wortneuschöpfungen der Sprachschützer Mittel der Alliteration und Redewendung, um die Lächerlichkeit zu unterstreichen Drittes ausgewähltes Beispiel für die Sprachanalyse Autor nutzt die Worte der Sprachschützer für seine eigene Analyse und gibt die Worte so der Lächerlichkeit preis sprachwissenschaftliche Fachbegriffe, sondern es sind Ausdrücke, die ganz fehl am Platz wirken, an Rassismus denken lassen. Bisky unterstellt mit diesen Formulierungen den Sprachschützern, dass „Reinhaltung“ der deutschen Sprache ihr eigentliches Ziel sei. Den Einfluss von außen – in diesem Beispiel nicht durch Anglizismen, sondern durch Veränderung der medialen Wirklichkeit und Kommunikationswege – brandmarkt Bisky als Verunreinigung, was an nationalistische Abgrenzungsbestrebungen erinnert und an Deutschtümelei. Biskys eigentliche Aussage lautet, dass mit den neuen Medien Veränderungen der Sprache einhergehen. Seine Wortwahl bedient die Klischees der Sprachschützer, denen er nicht widerspricht, sondern denen er auf diese Art und Weise ironisch gebrochen beipflichtet. Bisky geht mit der Sprache sehr bewusst um und nimmt dem Thema und seiner Argumentationsweise so die Schwere, mehr noch, er sorgt für „echte Lacher“ und lässt den Leser nicht so schnell vergessen, um was für ein Scheingefecht es sich aus seiner Sicht beim Kampf gegen die Anglizismen handelt. Zusammenfassung der Analyse der sprachlichen Mittel Bisky lässt keinen Zweifel an seiner abwertenden Haltung Sprachschützern gegenüber, ohne jedoch gleichgültig gegenüber der Sprache zu sein. Hat die deutsche Sprache Rettung nötig? Was ist überhaupt mit Rettung gemeint und wie kann sie funktionieren? Diese Frage ist Gegenstand meiner Erörterung. Überleitung zur Erörterung / Einstimmung auf den Sachverhalt Sprachschützer wollen dafür sorgen, dass Menschen sich heimisch in ihrer Sprache fühlen, indem die Sprache möglichst so bleibt, wie eine bestimmte Gruppe sie als Standardsprache definiert. Dieses wollen sie, wenn nicht anders möglich, auch durch staatliche Eingriffe durchsetzen. Bisky zeigt dieses Ansinnen am Beispiel der CDU, die 2007 dafür eintrat, Gesetzestexte verständlicher zu formulieren. Dieser staatliche Eingriff ist durchaus möglich und nachvollziehbar. Hingegen ist staatliches Vorgehen gegen Anglizismen kaum vorstellbar. Könnten wir uns ein Verbot von englischen Begriffen in unserer Sprache vorstellen? Wie wird die Benutzung bestraft und wie lässt sich ein solches Vorgehen überhaupt begründen? Stellt man sich diese Frage, erscheint die Forderung sofort absurd und Bisky führt dem Leser an Beispielen die Absurdität deutlich vor Augen. Allerdings sträuben sich mir die Haare, wenn ich Wörter wie „High Performer“ oder „Low Performer“ benutzen sollte, ich in meinem Arbeitsleben eventuell sogar in diese Kategorien eingeteilt und nach ihnen bezahlt werde. Mit der englischen Sprache in der Wirtschaft wird auch eine bestimmte Weltsicht transportiert, die ich ablehne. Aus diesen Gründen würde ich diese Begriffe immer kritisch reflektieren und mit dieser Reflexion auch die Arbeitsbedingungen. Gegen jegliche Reglementierung spricht, was Sprachwissenschaftler sagen. Folgt man den Regeln des Sprachwandels, so ist dieser nicht auf Eingriffe einzelner zurückzuführen, sondern beruht auf dem eigenen Sprachgefühl und allgemeiner Zustimmung. Eine Veränderung der Sprache ist demnach ein dynamischer Prozess, der kaum durch den Einfluss Einzelner verursacht werden kann. Für die Rettung der Sprache spricht natürlich, dass es Menschen gibt die ein Abgrenzungskriterium drohen zu verlieren. Wer grammatikalisch nicht ganz korrekt spricht und bereit ist, neue Wörter in seinen Wortschatz zu integrieren, eignet sich aus Sicht dieser Menschen für bestimmte Aufgaben nicht und disqualifiziert sich wegen seiner Sprache. Besitzstandswahrer verteidigen so ihren sprachlichen Code und sprechen sich für die Rettung ihrer Sprache aus. Sprache wird dann nicht in erster Linie als Mittel gelingender Kommunikation gesehen, sondern als Mittel, um Menschen einzuschätzen und zu unterteilen. Hier komme ich auf einen wichtigen Punkt gegen Bestrebungen der Sprachrettung zu sprechen. Wer Sprachwandel – wie übrigens die Sprachwissenschaftler – als dynamischen Prozess sieht, nimmt selbst kreativ am Prozess der Sprachveränderung teil und lotet auch spielerisch die Möglichkeiten von Wortneuschöpfungen aus. Ihm kommt es auf Verständigung und Klarheit in der Sprache an und auch auf die Entdeckung neuer Denkweisen. Abschließendes Fazit fehlt noch ….