Das chemische Gleichgewicht - Fachdidaktik Chemie ETH

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Chemisches Gleichgewicht S. 1
Fachdidaktik Chemie ETH
Das chemische Gleichgewicht
Vorwort: Am Anfang den Schülerinnen erklären, dass wir zuerst ein Konzept kennen lernen und
erst nachher sehen werden, wie wichtig es ist und wo es Anwendung findet.
Viele Reaktionen sind umkehrbar
Kohlendioxid und Kohlensäure
Kohlendioxid reagiert mit Wasser zu Kohlensäure:
CO2(g) + H2O(l)
H2CO3(aq)
Dabei handelt es sich um eine umkehrbare Reaktion: Wenn man Kohlendioxid in eine Flasche mit
Wasser presst, entsteht Kohlensäure. Wenn ein Glas Wasser mit Kohlensäure herumsteht, enthält
es bald keine Kohlensäure mehr, weil bei der Rückreaktion Kohlensäure zu Kohlendioxid und
Wasser wird und Kohlendioxid entweicht.
In einer geschlossenen Flasche gibt es immer beides, Kohlendioxid und Kohlensäure. Dabei hat
sich gezeigt, dass es ständig CO2-Moleküle gibt, die zu H2CO3 werden und H2CO3-Moleküle, die
sich in CO2 und Wasser verwandeln.
Anfangszustand:
Kohlendioxid wird
in eine
Wasserflasche
gegeben
Nach einiger Zeit
ändert sich das
Verhältnis von CO2
und H2CO3 nicht
mehr.
Die Flasche wird kurz
geöffnet. Das Zischen
verrät das CO2. Ein
Teil des CO2 entweicht. Folge: Kohlensäure wird zu CO2.
Die Flasche wird verschlossen. Wenn man wartet nimmt
der Druck nicht mehr zu und
auch die Konzentration von
Kohlensäure ändert sich
nicht mehr.
Je mehr CO2-Moleküle in der Gasphase umherfliegen, desto mehr kommen mit Wasser in Kontakt
und werden zu Kohlensäure. Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt von der Konzentration ab:
vhin = khin · [CO2] · [H2O]
Auch die Geschwindigkeit der Rückreaktion hängt von der Konzentration ab. Je mehr Kohlensäure
vorhanden sind, desto mehr Moleküle werden zerfallen und CO 2 bilden: vrück = krück · [H2CO3]
Das Verhältnis von CO2 und Kohlensäure ändert sich nicht mehr, wenn die beiden
Geschwindigkeiten gleich gross sind. Man sagt, dass ein chemisches Gleichgewicht erreicht ist.
vhin = vrück
khin · [CO2] · [H2O] = krück · [H2CO3]
khin
[H2CO3]
K = ——– = ——————
krück
[CO2] · [H2O]
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Chemisches Gleichgewicht S. 2
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Die Geschwindigkeitskonstanten khin und krück müssen gemessen werden. Da khin und krück für die
Reaktion von CO2 und Wasser bestimmte Werte sind, ergibt sich im Gleichgewicht immer dasselbe
Verhältnis der Konzentrationen.
Die Vorgänge auf Teilchenebene
Bild 1: Start
Bild 2
Bild 3
Bild 4
Aufgabe: Vergleichen Sie Bild 2 mit Bild 4.
In dynamischen Gleichgewichten läuft ständig etwas und trotzdem ändert sich nichts.
Bsp. aus dem Alltag
1. Ein Bankkonto ist im dynamischen Gleichgewicht, wenn ...
2. Die Bevölkerung eines Landes hat ein Gleichgewicht erreicht, wenn ...
3. Mein Körpergewicht befindet sich im Gleichgewicht, wenn ...
Weshalb diskutieren wir das Gleichgewicht?
Viele Schülerinnen und Schüler können das Gesagte zwar nachvollziehen, sehen aber nicht ein,
wohin diese Überlegungen führen. Was nützt es, wenn sich in chemischen Reaktionen ein
Konzentrations-Verhältnis ergibt, dessen Grösse man nicht kennt?
Wie in der Grundlagenforschung brauchen wir etwas Geduld. Zuerst müssen wir das Phänomen
verstehen, bis sich wichtige Anwendungen ergeben.
Modellvorstellung
Der Holzapfelkrieg
Eine Bildergeschichte von R. E. Dickerson & I. Geis, Chemie - eine lebendige und anschauliche
Einführung, Verlag Chemie, Weinheim, S. 321f. (1981)
Bild 1:
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
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Chemisches Gleichgewicht S. 3
Bild 2:
Bild 3:
Bild 4:
Bild 5:
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Chemisches Gleichgewicht S. 4
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Fragen
1. Wie geht die Geschichte weiter? Überlegen Sie wie Bild 5 aussehen wird.
2. Warum kann der Junge seinen Garten nie ganz leeren?
3. Warum ist die Zahl der Äpfel in den Gärten verschieden?
4. Was hat die Geschichte mit dem chemischen Gleichgewicht zu tun?
Auswertung
Am Ende stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein: Der Junge und der Mann werfen in
derselben Zeit die gleiche Zahl Äpfel. Wie ist das möglich?
Modellexperiment
Wasser wird mit unterschiedlich dicken Glasrohren zwischen den beiden Messzylindern
ausgetauscht
(W. Asselborn et al. (Hrsg.), Chemie heute SII,
Schroedel, Braunschweig, 2009)
Erkenntnisse:
 Gleichgewicht bedeutet nicht gleich grosse Konzentration von Edukt und Produkt
 Der Anfangszustand beeinflusst die Gleichgewichtslage nicht
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
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Chemisches Gleichgewicht S. 5
Erfahrung beim Einsatz im Unterricht:
 Problem: das System ist weit weg von chem. Reaktionen
 Die Schülerinnen und Schüler, die den Holzapfelkrieg nicht durchschauen, verstehen auch
nicht, warum sich hier ein Gleichgewichtszustand einstellt
Das Massenwirkungsgesetz
Die Reaktion von Wasserstoff H2 und Iod I2 wurde besonders gut untersucht. Werden die beiden
Substanzen gemischt und erhitzt, so reagieren sie nicht vollständig zu Iodwasserstoff HI. Ein Teil
der Edukte bleibt übrig, weil sich ein dynamisches Gleichgewicht einstellt, wie es in der Abbildung
von Dickerson und Geis zu sehen ist (R. E. Dickerson & I. Geis, Chemie - eine lebendige und
anschauliche Einführung, Verlag Chemie, Weinheim, S. 328, 1981):
In einem Gefäss von 10 Litern werden Iod und Wasserstoff bei Raumtemperatur gemischt:
Damit die Substanzen miteinander reagieren, wird die Mischung auf 450 °C erhitzt. Nach einigen
Stunden stellt sich ein Gleichgewicht ein. Die Zusammensetzung ändert sich jetzt nicht mehr. Eine
Messung ergibt, dass 0,22 mol H2, 0,22 mol I2 und 1,56 mol HI vorliegen.
In der Reaktionsgleichung ist die Analogie mit dem Holzapfelkrieg besser zu erkennen als in der
Abbildung mit den Gasmolekülen.
H2 + I2
2 HI
Links stehen die Edukte, die den Äpfeln auf der Seite des Alten entsprechen. Rechts findet man
die Produkte, die Äpfel im Garten des Jungen.
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Chemisches Gleichgewicht S. 6
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Die Reaktionsgeschwindigkeiten hängen von den Konzentrationen ab:
Für die Hinreaktion ist vhin = khin · [H2] · [I2]
Für die Rückreaktion ist vrück = krück · [HI]2
Ein Gleichgewicht stellt sich ein, wenn die Hin- und Rückreaktion gleich schnell sind:
vhin = vrück
khin · [H2] · [I2] = krück · [HI]2
khin
[HI]2
K = ——– = ————–
krück
[H2] · [I2]
Die Gesetzmässigkeit des konstanten Konzentrationsverhältnis von Produkten und Edukten in
einem Gleichgewicht wurde 1867 von den Norwegern Guldberg und Waage entdeckt und als
Massenwirkungsgesetz bezeichnet, weil Konzentrationen damals noch als wirksame Massen
bezeichnet wurden.
Es bietet sich an, die Gleichgewichtskonstante auszurechnen. Das Gleichgewicht liegt rechts.
Erklären Sie was mit dieser Sprechweise gemeint ist.
An dieser Stelle sollten die Schüler einige Aufgaben lösen, damit sie andere Reaktionen kennen
lernen und sich aktiv mit dem Konzept des dynamischen Gleichgewichts auseinandersetzen.
Auf Partialdruck und Kp gehe ich im Unterricht nicht ein.
Experimente
Eisen(III)- und Rhodanid-Ionen reagieren miteinander
Fe3+(aq) + 3 SCN-(aq)
Fe(SCN)3(aq)
Die Edukte sind farblos, das Fe(SCN)3 rostrot.
(Reaktionsgleichung gemäss M. Stieger, Elemente, Klett und Balmer, Zug, S. 197 (2007) .
Die Anleitung finden Sie in der Versuchsammlung der Kantonsschule Freudenberg auf
http://fdchemie.pbworks.com/w/page/47971610/Experimentierkurs)
Empfehlung: Reaktionsgleichung vereinfachen
Fe3+(aq) + SCN-(aq)
Amadeus Bärtsch
FeSCN2+(aq)
16. April 2016
Chemisches Gleichgewicht S. 7
Fachdidaktik Chemie ETH
Welche zentralen Erkenntnisse können mit diesem Experiment demonstriert werden?
 Im chemischen Gleichgewicht sind immer noch alle Substanzen vorhanden
 Wird die Konzentration einer Substanz verändert, werden alle Konzentrationen verändert so,
dass die Gleichgewichtskonstante eingehalten wird.
Veresterung mit Wasserabscheider
(siehe Arbeitsblatt von Renato Galli, Praktikumslehrer an der Kantonsschule Zürcher Oberland
in Wetzikon, http://fdchemie.pbworks.com/w/page/52263492/Chemisches Gleichgewicht)
CH3COOH + CH3(CH2)4OH
CH3COO(CH2)4CH3 + H2O
Einige Tropfen konzentrierte Schwefelsäure dienen als Katalysator
Alternativen ohne Toluol:
 Wie Toluol bildet auch Cyclohexan ein Azeotrop mit Wasser. Vorteil: Cyclohexan besitzt einen
tieferen Siedepunkt und verdampft zuerst aus dem Reaktionsgemisch
 Essigsäure und Pentanol; kein Lösungsmittel.
Edukte und Produkte verdampfen. Im Wasserabscheider wird das Wasser aus dem
Gleichgewicht entfernt. Der Ester hat einen angenehmen Geruch.
 Ameisensäure und Methanol. Ester abdestillieren. Kein Wasserabscheider
Erkenntnis: In diesem Experiment sehen wir, dass sich die Auseinandersetzung mit dem
Gleichgewicht gelohnt hat: Edukte können vollständig umgesetzt werden
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Fachdidaktik Chemie ETH
Chemisches Gleichgewicht S. 8
Das Prinzip von Le Châtelier
"Das Prinzip des kleinsten Zwangs" fasst alle Beobachtungen zusammen:
Werden Temperatur, Druck oder Konzentration verändert, verschiebt sich ein chemisches
Gleichgewicht so, dass die Änderung abgeschwächt wird.
(formuliert nach Klemens Koch, Fachdidaktik Chemie, Universität Bern)
oder:
Übt man auf ein im Gleichgewicht befindliches System einen Zwang aus, verschiebt sich das
Gleichgewicht so, dass die Folgen des Zwanges vermindert werden.
(Markus Stieger, Elemente, Grundlagen der Chemie für Schweizer Maturitätsschulen, Klett und
Balmer, Zug, S. 201, 2007)
Henry Louis Le Châtelier (1888)
Bemerkung: Das Wort "verschieben" ist gefährlich und muss gut erklärt werden
Vorgehen
Das Prinzip von Le Châtelier ist eine wichtige und sinnvolle Merkhilfe. Es ist aber kein Gesetz, weil
die Verschiebung des Gleichgewichts nicht mit physikalisch-chemischen Argumenten begründet
wird. Weil die Schülerinnen den Einfluss einer Konzentrationsänderung auf das Gleichgewicht
bereits kennen, kann jetzt gezeigt werden, dass das Prinzip von Le Châtelier plausibel ist, weil es
zu demselben Resultat führt. Anschliessend kann der Einfluss von Temperatur- und
Druckänderungen auf Gleichgewichte auf der Basis von Le Châtelier diskutiert werden.
Wenn die Konzentration ändert
Die Häufigkeit der Zusammenstösse erklärt, wie Konzentrationsänderungen chemische
Gleichgewichte beeinflussen. Das Prinzip des kleinsten Zwangs kommt zum selben Ergebnis. Es
beschreibt den Einfluss folgendermassen:
(Markus Stieger, Elemente, Grundlagen der Chemie für Schweizer Maturitätsschulen, Klett und
Balmer, Zug, S. 198, 2007)
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Chemisches Gleichgewicht S. 9
Fachdidaktik Chemie ETH
Die Beobachtungen mit dem Holzapfelkrieg deuten
1. Ein Gärtner leert eine Schubkarre voll Äpfel in den Garten des Jungen. Welche Folgen haben
diese Äpfel auf den Ausgang des Holzapfelkriegs?
2. Im Garten des Jungen taucht ein Schwein auf, das die Äpfel frisst. Welche Folgen hat ein
fressendes Schwein im Garten des Jungen auf den Verlauf des Holzapfelkriegs?
Wenn die Temperatur ändert
Experiment:
N2O4
2 NO2
N2O4 ist farblos, Stickstoffdioxid ist braun.
Die Anleitung finden Sie in der Versuchsammlung der Kantonsschule Freudenberg unter
http://fdchemie.pbworks.com/w/page/47971610/Experimentierkurs
Eine Tabelle mit den Bindungsenergien steht am Ende des Dossiers
Ziel: Das Prinzip von Le Châtelier an einem Experiment aufzeigen
Auswertung
Variante a) von Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie
http://www.chemieunterricht.de/dc2/mwg/no2-n2o4.htm
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Fachdidaktik Chemie ETH
Chemisches Gleichgewicht S. 10
Variante b) von Andrea Lindblom
Variante c)
Variante d)
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Fachdidaktik Chemie ETH
Chemisches Gleichgewicht S. 11
Ammoniak aus den Elementen herstellen
Ammoniak ist wichtig
Aus Ammoniak werden beispielsweise Dünger, Sprengstoffe und Kunststoffe gewonnen:
Wie kann möglichst schnell viel Ammoniak hergestellt werden?
Es lohnt sich, diese Frage als Aufgabe und Zusammenfassung des ganzen Kapitels zu stellen.
Auftrag: Erklären Sie mit dem Prinzip von Le Châtelier, welche Temperatur und welcher Druck
optimal für die Synthese von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff sind?
Die Reaktionswärme kann mit Hilfe der Bindungsenergien bestimmt werden. Eine Tabelle mit den
Bindungsenergien finden Sie auf der nächsten Seite.
Geschichte
Fritz Haber (1868 - 1934): Im Frieden für die Menschheit, im Krieg fürs Vaterland
Hervorragender Film: Im Krieg fürs Vaterland (FWU, Institut für Film und Bild in Wissenschaft und
Unterricht, Grünwald, 1998). Der Film zeigt, dass eine Reaktionsgleichung den Krieg und die
Landwirtschaft beeinflusst hat.
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
Chemisches Gleichgewicht S. 12
Fachdidaktik Chemie ETH
Bindungsenergien (Durchschnittliche Werte in kJ/mol bei 25 °C)
Br
Br
193
Cl
Cl
242
N
C
305
Br
C
285
Cl
H
431
N
C
891
Br
H
366
N
H
391
F
C
489
N
N
163
C
Br
285
F
F
159
N
N
418
C
C
348
F
H
567
N
N
945
C
C
614
N
O
201
C
C
839
H
Br
366
N
O
607
C
Cl
339
H
C
413
C
F
489
H
Cl
431
O
C
358
C
H
413
H
F
567
C in CO2
803
C
N
305
H
H
436
O
C
707
C
N
891
H
I
298
O
H
463
C
O
358
H
N
391
O
N
201
O in CO2
803
H
O
463
O
N
607
O
O
146
O
O
498
C
C
Cl
O
C
707
339
I
H
298
I
I
151
O
Übung 5: Säuren & Basen
1. Entwerfen Sie eine Lernaufgabe mit beliebigen Protolysen, die den Gebrauch der S/B-Reihe
zeigt. Bitte geben Sie den Input, die Aufgaben, die Lösungen und die Erkenntnisse an. Eine
S/B-Reihe finden Sie auf S. 450 im Buch "Elemente".
oder:
Sie erklären das Auflösen von Kalk an der Wandtafel. Entwerfen Sie die Wandtafeldarstellung.
2. a) Es ist sinnvoll, wenn Sie das chemische Gleichgewicht vor den Säure-Base-Reaktionen
diskutieren. So kennen die Schüler die Gleichgewichtskonstante K, wenn Sie den pKs-Wert
einführen. Bitte erklären Sie den pKs-Wert an einem Beispiel, so dass es ein Schüler verstehen
kann und beschreiben Sie die Knackpunkte der Erklärung.
b) Kann der pKs-Wert weggelassen werden? Welche Nachteile ergeben sich?
3. Welche Erkenntnisse über Indikatoren sollen die Schülerinnen im Unterricht gewinnen?
Erwartung: Dokument von 1 bis 2 Seiten Länge, das kleiner als 2 MB ist. Am liebsten im WordFormat, im Notfall als PDF.
Abgabe bis spätestens Donnerstag, 21. April 2016, 15 Uhr per Mail an [email protected].
Amadeus Bärtsch
16. April 2016
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