Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss REX/445 Für ein ILOÜbereinkommen gegen geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz Brüssel, den 10. August 2015 Informationsvermerk 510. Plenartagung Stellungnahme des Europäischen Wirtsschafts- und Sozialausschusses zum Thema Für ein ILOÜbereinkommen gegen geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz STELLUNGNAHME: EESC-2015-01969-00-00-AS-TRA 1. Verfahren Rechtsgrundlage: Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung Beschluss des Plenums: 19. Februar 2015 Zuständig: Fachgruppe Außenbeziehungen Vorsitzender der Fachgruppe: José María Zufiaur (ES-II) Arbeiten der 16. Juli 2015 Studiengruppe: Für ein ILO-Übereinkommen gegen geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz Vorsitzende: Vladimíra Drbalová (CS-I) Berichterstatterin: Béatrice Ouin (FR-II) Regelung der Fachgruppe: Mitglieder: Philippe de Buck (BE-I) Marija Hanzevacki (HR-II) Mette Kindberg (DK-III) Antonio Longo (IT-III) Judy McKnight (UK-II) Cristian Pirvulescu (RO-III) Jolanta Plakwicz (PO-III) Madi Sharma (UK-I) Xavier Verboven (BE-II) STELLUNGNAHME von der Fachgruppe Außenbeziehungen am 16. Juli 2015 mit 85 bei 1 Gegenstimme und 5 Enthaltungen ANGENOMMEN EESC-2015-01969-00-00-NISP-TRA (EN) 1/3 Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu DE Sachverständige Chidi King (für die Berichterstatterin) Zoe Lanara-Tzotze (für die Gruppe II) 2. Hintergrund Die Gruppe der Arbeitnehmer in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat sich für einen Vorschlag für die neue ILO-Norm betreffend die geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz ausgesprochen (Übereinkommen und Empfehlung). In seiner Sitzung im November 2015 wird der Verwaltungsrat der ILO darüber befinden, ob dieser Punkt auf die Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz (höchstes Beschluss fassendes und Normen setzendes Gremium der ILO) für die Jahre 2017-2018 gesetzt werden soll. In diesem Zusammenhang wäre die EWSA-Stellungnahme ein Beitrag der europäischen Zivilgesellschaft, einschließlich der Arbeitnehmervertreter, zur Debatte der ILO über die Notwendigkeit einer neuen Arbeitsnorm. In der Vergangenheit hat der EWSA mit seinen Stellungnahmen bereits zu den ILO-Debatten über neue Normen in den Bereichen Hausangestellte und Verbot von Zwangsarbeit beigetragen. Eine eventuelle neue ILO-Arbeitsnorm über das Verbot und die Vorbeugung geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz wäre ein wichtiger Bestandteil der derzeitigen ILO-Initiative für Frauen am Arbeitsplatz, die zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Nichtdiskriminierung beiträgt. 3. Wesentlicher Inhalt der Stellungnahme des Ausschusses Der EWSA und die europäischen Sozialpartner verfolgen aufmerksam eine in der ILO (insbesondere im Verwaltungsrat) geführte Debatte darüber, ob die Erörterung einer internationalen Norm über geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz auf die Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz (dem Entscheidungsgremium der ILO) gesetzt werden soll. Der EWSA unterstützt diesen Vorschlag und fordert die Mitgliedstaaten und die europäischen Sozialpartner auf, dasselbe zu tun. Mit ihrer dreigliedrigen Struktur (Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) spielt die ILO bei der Verbesserung der Situation der Arbeitnehmer und der Funktionsweise von Unternehmen auf der internationalen Bühne eine wesentliche Rolle. Die EU ist nicht Mitglied der ILO, aber die EU-Mitgliedstaaten gehören ihr an, ebenso wie die europäischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen. Der EWSA ruft sie auf, die europäischen Werte und den europäischen Besitzstand unter Berücksichtigung des globalen Umfelds auf der internationalen Ebene bekannt zu machen. Der EWSA ist der Auffassung, dass geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz ein Hindernis für menschenwürdige Arbeit und ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte sowie eine Verletzung der Würde und der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Arbeitnehmer ist. Sie ist auch das Ergebnis einer ungleichen Machtverteilung zwischen Frauen und Männern und leistet dieser Ungleichheit am Arbeitsplatz noch mehr Vorschub. Darüber hinaus hat geschlechtsspezifische Gewalt auch negative Auswirkungen auf die Produktivität und die Geschäftstätigkeit der Arbeitnehmer und somit ganz allgemein auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und Wachstum. Deshalb liegt es nach Ansicht des EWSA im Interesse der Gesellschaft, diese Gewalt zu bekämpfen, wo immer sie auftritt, und sie vom Arbeitsplatz zu verbannen. EESC-2015-01969-00-00-NISP-TRA (EN) 2/3 Im Hinblick auf die Debatte und die anstehenden Entscheidungen im ILO-Verwaltungsrat ruft der EWSA die EU-Mitgliedstaaten, die im Rahmen der Richtlinie 2002/73/EG (zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen) bereits über Instrumente zur Bekämpfung der Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen und der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz verfügen, auf, in der ILO mit einer Stimme zu sprechen. Der EWSA erinnert auch daran, dass die europäischen Sozialpartner 2007 eine Rahmenvereinbarung zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz unterzeichnet haben, die dazu führen sollte, dass sie in der Debatte über diesen Entwurf einer internationalen Arbeitsnorm im Schulterschluss auftreten. Eine ILO-Norm zu geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz käme nach Ansicht des EWSA der Gesellschaft, dem sozialen Dialog, dem Arbeitsumfeld und den Beziehungen am Arbeitsplatz zugute, wenn sie folgendes gewährleisten würde: Festlegung einer gemeinsamen Definition geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz, Beteiligung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an der Konsultation zum neuen Rahmen, Präzisierung ihrer Verantwortlichkeiten bei der Vorbeugung, Bekämpfung und Wiedergutmachung geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz, Unterstützung der Arbeitgeber bei der Ausarbeitung personalpolitischer Maßnahmen, einschließlich Schulungen, und Festlegung von Verfahren für die Einreichung von Beschwerden und Anmeldung von Ansprüchen sowie für deren Prüfung. Der EWSA betont, dass eine neue ILO-Norm dazu beitragen würde, die Ziele der Agenda für menschenwürdige Arbeit zu erreichen, die Schutzbedürftigkeit der Menschen gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu reduzieren und ihre finanzielle Abhängigkeit und ihre Produktivität am Arbeitsplatz zu stärken. Für die Arbeitnehmer und die Gesellschaft ließen sich dadurch die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz verbessern und Einsparungen zu erzielen, da häusliche Gewalt und Gewalt am Arbeitsplatz in puncto Gesundheitsversorgung, Gerichtsverfahren, Verdienstausfällen und Krankenvergütung Kosten in Millionenhöhe verursachen. In seiner Stellungnahme unterbreitet der EWSA konkrete Vorschläge zum Inhalt einer neuen ILONorm. _____________ EESC-2015-01969-00-00-NISP-TRA (EN) 3/3