Erweiterte Argumentation1 Geltungsansprüche Wann immer eine Sache, ein Sachverhalt, ein soziales Problem etc. im Leben strittig ist und sich Menschen miteinander darüber auseinandersetzen, diskutieren und streiten, geht es im Kern um die Frage, ob und wie weit das, was jemand behauptet, Geltung beanspruchen kann. Dabei können zwei verschiedene Geltungsansprüche unterschieden werden, die sich mit jeweils unterschiedlichen Arten von Aussagen verbinden. Wer Aussagen mit dem Anspruch auf Wahrheit macht, stellt damit Tatsachenbehauptungen auf, wer Aussagen mit dem Anspruch normativer Richtigkeit formuliert, äußert im Allgemeinen Werturteile. Tatsachenbehauptungen beziehen sich auf gegenwärtige, zukünftige oder vergangene tatsächliche Gegebenheiten oder Eigenschaften von Dingen oder Sachverhalten: o die messbar sind o die mit “objektiven” Kriterien erklärt bzw. begründet werden können o die im Zusammenhang mit anderen Sachverhalten begründet oder erklärt werden können. o Meist dominiert das Verb »ist«: Budapest ist 1400 km entfernt von Berlin. o Wer eine Tatsache behauptet, erhebt zwar den Geltungsanspruch auf Wahrheit, doch bedeutet dies nicht, dass das, was behauptet ist, auch tatsächlich wahr ist. Erweiterte Argumentation – der Fünfsatz 1 Nach: http://teachsam.de/. Argumentation, die in Struktur und Umfang über die einfache Begründung einer Behauptung (These) durch ein Argument hinausgeht (⟶ einfache Argumentation) [nach Folkers (1977, 54) verändert und ergänzt] umfasst Elemente zur Stützung des Argumentes (⟶ Beweis, Beispiel) und ggf. aus der Argumentation gezogene Schlussfolgerung(en) Das Argumentationsschema benutzt eine Auswahl von Bindewörtern (Konjun-ktionen) wie “weil”, “denn”, “wie” und “daher” um bestimmte Erweiterungsstufen der Argumentation zu signalisieren. Als Signalwörter erfüllen die Konjunktionen im vorstehenden Schema vor allem den Zweck, die Elemente einer Argumentation genau zu kennzeichnen und beim Schreib- bzw. Formulierungs-prozess zu helfen. Argumente stützen – ein Beispiel Als Begründung eines Arguments kann der Beweis in den gleichen Formen erscheinen, wie ein unmittelbares Basisargument. Dazu eignen sich vor allem: o nachweisbare Tatsachen und überprüfbare Erfahrungen o allgemein anerkannte Werte, Normen oder Regeln o Aussagen anerkannter Personen, Persönlichkeiten oder Autoritäten o anerkannte logische Denkmuster Kampfhunde müssen stets an der Leine geführt werden, weil die Hunde sonst leicht aus der Kontrolle ihrer Besitzer geraten. Denn Kampfhunde können eine derart große Aggressivität auf einen vermeintlichen Feind entwickeln, dass sie auf Befehle ihres Besitzers nicht mehr reagieren. So haben die letzten Beispiele von Attacken solcher Hunde in Deutschland, wobei sogar ein kleines Kind zu Tode gekommen ist, gezeigt, dass derartige Hunde im Blutrausch nicht mehr zu bändigen sind. Daher ist ein gesetzlicher Leinenzwang unbedingt erforderlich. Foto: AP, Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,74591,00.html Stützungen stehen stets in einem engen Bezug zum Argument. Allerdings kommt es häufig vor, dass neue Argumente zur Stützung herangezogen werden. In einem solchen Fall wird zwar eine Aussage gemacht, die im thematischen Zusammenhang mit einer vorher geäußerten Behauptung und und deren Begründung steht, doch führt die Stützung den Gedanken bzw. die Sinnrichtung des zuvor geäußerten Arguments nicht konsequent fort. Ein Beispiel verdeutlicht diesen Sachverhalt: Rowdies, die die Sportarenen stets mit Kriegsschauplätzen verwechseln, kann nicht allein mit aller Härte des Gesetzes begegnet werden, weil der Abschreckungseffekt vergleichsweise gering ist. Denn solche Hooligans nutzen jede Gelegenheit, um ihre Aggressionen an anderen auszulassen. Stützt der mit “denn“ fortgeführte Beweis in diesem Fall das Argument, bei dem es inhaltlich um den Abschreckungseffekt geht? Rowdies, die die Sportarenen stets mit Kriegsschauplätzen verwechseln, kann nicht allein mit aller Härte des Gesetzes begegnet werden, weil der Abschreckungseffekt vergleichsweise gering ist. Denn das Strafmaß für solche Delikte wie Körperverletzung, schwere Körperverletzung oder Nötigung ist im Allgemeinen zu gering, um gewaltbereitete Rowdies von weiteren Straftaten dieser Art abzuschrecken. So hat man z.B. bei einem Fußballbundesliga-Verein aus dem Ruhrgebiet festgestellt, dass die überwiegende Mehrheit solcherart vorbestrafter Personen dennoch weiterhin in gewalttätige Auseinandersetzungen in und um das Stadion verstrickt bleiben. Daher müssen weitere Maßnahmen zur Gewaltprävention hinzukommen. Übung Die nachfolgenden Beispiele zur erweiterten Argumentation sind fehlerhaft und damit nicht schlüssig. a. Untersuchen Sie die vorstehenden Argumentationen auf der Basis des Modells der erweiterten Argumentation (s. oben) b. Welche Fehler können Sie erkennen? c. Verbessern Sie die Verständlichkeit der vorstehenden Argumentation dadurch, dass sie die Argumentationsstrukturen klarer herausarbeiten. 1. Übermäßiges Sonnenbaden ist gefährlich, weil dadurch die Haut geschädigt wird. Denn gerade im Urlaub neigen die Menschen dazu sich zu lange ungeschützt in der Sonne aufzuhalten, weil sie schnell braun werden wollen. So braucht man nur einmal einen Blick auf die Strände Italiens im Sommer zu werfen, um zu sehen wie viele Menschen knallrot in der Sonne liegen. Daher muss man sich auf alle Fälle vor dem Sonnenbad mit Sonnencreme einreiben. 2. Witze auf Kosten anderer zu machen ist eine Abwertung solcher Personen, weil sie der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Denn wer solche Witze auf Kosten anderer macht, hat meist eigene Probleme von denen er ablenken will. So lenken Witze über Blondinen letzten Endes nur davon ab, dass die größten Dummheiten eigentlich immer von Männern gemacht werden. Daher sollte man sich genauer überlegen, warum man eigentlich derartige Witze macht. 3. Die Wachsamkeit der jungen Menschen gegenüber AIDS hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen, weil es kaum mehr Kampagnen gegen AIDS gibt. Denn die Jugendlichen benutzen heute offenkundig immer weniger Kondome beim Geschlechtsverkehr, weil sie das Risiko unterschätzen und mitunter auch bewusst mit Risiken spielen. Eine neue Untersuchung hat in diesem Zusammenhang z. B. festgestellt, dass Jugendliche von heute viel risikofreudiger sind als ihre Eltern, was sich in allen Bereichen (z. B. Extremsportarten, Raserei auf den Straßen, aber auch AIDS zeigt). Daher sollte den Jugendlichen gezeigt, welche Risiken sie eingehen. 4. Wer an seinem Arbeitsplatz von seinen Kollegen gemobbt wird, sollte diese auf Schadenersatz verklagen können, weil ihm dadurch berufliche und soziale Nachteile entstehen, die er nicht zu verantworten hat. Denn Mobbing ist mittlerweile zu einer regelrechten Plage geworden. Da wird in Betrieben z. B. hinter dem Rücken der gemobbten Mitarbeiter getuschelt und es kommt sogar vor, dass Arbeitsergebnisse bewusst verfälscht werden. Daher plädiere ich eindeutig dafür den Schutz für die Mobbing-Opfer zu verstärken. Grundtypen der Argumente (der antiken Rhetorik) auf Erfahrung basierendes Argument – Argumentum a posteriori Argument, das sich aus rein logischen Überlegungen ergibt – Argumentum a priori Argument, das nicht auf die Sache, sondern auf den Menschen abzielt – Argumentum ad hominem, ad personam Argument, das sich auf “glanzvolle Namen”, auf sogenannte Autoritäten beruft Argument, das auf die Gefühle (oft Vorurteile) der breiten Masse abzielt. Ein Fünfsatz-Schema – Übungen 1. Satz Standpunkt kurz und deutlich Warum spreche ich? sagen 2. Satz Begründung anführen Was ist der Fall? 3. Satz Beispiele bringen Was müsste (stattdessen) sein? 4. Satz Schlussfolgerung ziehen Wie lässt sich das erreichen? Aufforderung zur Aktivität Was können wir tun? 5. Satz Mögliche Fünfsatzkombinationen 1. entspricht der gängigen Rede- und Aufsatzgliederung in Einleitung, Hauptteil, Schluss Dabei ist zu beachten, daaa die drei Denkschritte im Mittelteil gleichgewichtig nebengeordnet sind. Beim Planen ist der fünfte Satz zuerst zu fassen, beim Sprechen ist er natürlich der letzte. 2. die "Kette" bringt im Unterschied dazu eine streng chronologische oder logische Abhängigkeit der Glieder. 1. Ich meine, der Vorschlag x ist gefährlich 2. wir müssen überlegen, ob nicht ... 3. mir scheint der bessere Weg, wenn ... 4. dann nämlich können wir ... 5. wir haben zu entscheiden, ob ... 3. baut dialektisch auf 1. dem Referenten möchte ich danken für eine Menge neuer Einsichten ... 2. unter anderem hat er gesagt ... 3. dagegen ist aber auch zu halten, daß ... 4. vergleicht man beide Ansichten, dann, ... 5. aus diesem Grunde schlage ich vor .. 4. geht vom Allgemeinen zum Besonderen 1. gemeinhin sieht man die Sache so ... 2. aus unserer Erfahrung aber ... 3. denn erstens ... 4. außerdem zweitens ... 5. folglich ... 5. vergleicht zwei Positionen 1. die A-Partei hat folgenden Standpunkt ... 2. sie begründet ihn mit ... 3. die B-Partei vertritt den entgegengesetzten Standpunkt ... 4. sie begründet ihn mit ... 5. ich kann mich für keinen von beiden entschließen, sondern ... 6. versucht einen Kompromiss 1. A behauptete ... 2. B widersprach mit dem Hinweis auf ... 3. mir scheint, die beiden treffen sich in einem Punkt 4. hier liegt vielleicht die Lösung, denn ... 5. wir sollten in dieser Richtung weiterdenken 7. klammert eine (z. B. die allgemeine) Ansicht aus, z. B.: 1. wir reden schon eine Weile über ... 2. bislang drehte sich alles um ... 3. dabei wurde übersehen, daß ... 4. gerade dies scheint mir aber besonders wichtig, weil ... 5. ich stelle den Antrag .. Quelle: http://www.politikundunterricht.de/1_98/puu981s.htm Übung Verfassen Sie einen Überzeugungsvortrag, der a. schriftlich ausformuliert ist b. eines dieser Fünfsatz-Strukturmuster berücksichtigt c. von rhetorischen Mitteln Gebrauch macht und d. nicht länger als 90 Sekunden dauert. Wählen Sie eines dieser Themen: i. Schafft den Zoo ab! ii. Brauchen wir 30 Fernsehprogramme? iii. Die Olympischen Spiele gehören ins Werbefernsehen. iv. Schluss mit dem Fleischessen. v. Wir brauchen mehr Fahrradwege.