Berufliche Entwicklung und Weiterbildung in ländlichen

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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
NAT/650
Berufliche Entwicklung und
Weiterbildung in ländlichen
Gebieten
Brüssel, den 13. Mai 2015
ZWEITER REVIDIERTER VORENTWURF EINER
STELLUNGNAHME
der Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz
zum Thema
Berufliche Entwicklung und Weiterbildung in ländlichen Gebieten
(Initiativstellungnahme)
_____________
Berichterstatter: Brendan Burns
Mitberichterstatter: Pavel Trantina
_____________
Mitglieder der Studiengruppe "Berufliche Entwicklung und Weiterbildung in ländlichen
Gebieten"
der Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz
NB:
Dieses Dokument wird in der Sitzung am 18. Mai 2015 um 14.30 Uhr erörtert.
Weitergabe an die Übersetzung: 7. Mai 2015
Verwaltungsrätin: Stella Brozek-Everaert
NAT/650 – EESC-2014-06815-00-02-APA-TRA (EN) 1/12
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DE
Studiengruppe:
Berufliche Entwicklung und
Weiterbildung in ländlichen
Gebieten
Vorsitzende:
Frau Agudo i Bataller (ES-II)
Berichterstatter:
Mitberichterstatter:
Herr Burns (UK-I)
Herr Trantina (CZ-III)
Mitglieder:
die Damen und Herren
Boland (IE-III)
Espuny Moyano (ES-I)
Kliś (PL-I)
Preidiene (LT-II)
Soares (PT-II)
Willems (LU-III)
Sachverständige(r):
NAT/650 – EESC-2014-06815-00-02-APA-TRA (EN) 2/12
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 10. Juli 2014 gemäß Artikel 29
Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:
Berufliche Entwicklung und Weiterbildung in ländlichen Gebieten
(Initiativstellungnahme).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung,
Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am ... an. Berichterstatter war Brendan Burns,
Mitberichterstatter war Pavel Trantina.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner ... Plenartagung am ... (Sitzung vom ...) mit ... gegen ...
Stimmen bei ... Enthaltungen folgende Stellungnahme:
*
*
*
1.
Empfehlungen
1.1
Ausgehend von der Feststellung, dass die EU keine direkte Zuständigkeit im Bereich der
allgemeinen und beruflichen Bildung hat und dass die Bildungssysteme der Mitgliedstaaten
unterschiedlich sind, möchte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ein
gemeinsames europäisches Problem ansprechen, das die Berufsbildung in ländlichen und
abgelegenen Gebieten Europas betrifft und welches auf europäischer, nationaler und
regionaler Ebene angegangen werden muss.
1.2
Erforderlich ist eine neue, europaweite Agenda, welche die europäischen Institutionen und
nationalen Regierungen zusammen mit Unternehmen, Gewerkschaften und anderen
Organisationen der Zivilgesellschaft veranlasst, enger zusammenzuarbeiten, damit die
Berufsbildung lokal verfügbar ist, und zwar zu Zeiten und an Orten, die sowohl für die
Lernenden/Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber zweckmäßig sind.
1.3
Schulen, Zentren für technische Ausbildung und Universitäten dürfen Kleinst- und
Kleinunternehmen nicht als Kleinversionen von Großunternehmen ansehen. Diese Annahme
hat sich als falsch erwiesen und ist einer der Hauptgründe dafür, dass es ein Missverhältnis
zwischen den von der Bildung vermittelten und den vom Arbeitsmarkt verlangten
Qualifikationen gibt.
1.4
Branchenbezogene Qualifikationsräte müssen auf der Grundlage empirischer Daten über die
tatsächlich in den Unternehmen auszuführenden Aufgaben neue Berufsbildungsstandards und
Berufsqualifikationen für Kleinst- und Kleinunternehmen konzipieren. Ländliche Kleinst- und
Kleinunternehmen müssen aktiv insbesondere an der Festlegung von Standards im Bereich
der Berufsbildung und der Berufsqualifikationen beteiligt werden.
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1.5
Weiterbildungsmaßnahmen für ländliche Unternehmen müssen vor Ort und unter Nutzung
von IKT und anderer Breitbanddienste stattfinden. Der allgemeine Zugang zu mobilen und
festen Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen in ländlichen und abgelegenen Gebieten ist als
"grundlegende Infrastruktur" zu betrachten. Das EU-Wettbewerbsrecht darf dem Ausbau
schneller Breitbandnetze in ländlichen Gebieten durch nationale und regionale Regierungen
nicht im Wege stehen.
1.6
Die Abwanderung aus entlegenen Gebieten in Klein- und Großstädte ist ein ernstes Problem
in ganz Europa. Dieses Problems müssen sich nationale und regionale Regierungen
annehmen. Die Chancen, die sich in ländlichen, abgelegenen, Berg- und Inselgebieten
eröffnen, müssen erkannt werden. Diese Gebiete brauchen Unterstützung, damit Menschen
dort wohnen bleiben und wieder dorthin ziehen. Bei aller Fokussierung auf die zunehmende
Verstädterung und die Ausbreitung der Vororte dürfen sie nicht vernachlässigt werden.
1.7
Kleinst- und Kleinunternehmen müssen ermutigt werden, sich in die Bildung und die
regionale Entwicklung einzubringen. Universitäten, Fachschulen und allgemeinbildende
Schulen müssen einsehen, dass die Zusammenarbeit mit kleinen Unternehmen vielleicht ein
langwieriges Unterfangen ist, dass Kleinst-, Familien- und Kleinbetriebe aber mit der Zeit die
vielfältigen, dauerhaften Arbeitsplätze schaffen, die auf dem Lande gebraucht werden.
1.8
Staatliche Stellen der nationalen und lokalen Ebene müssen darüber hinaus erkennen, dass die
Unterstützung von Kleinst-, Familien- und Kleinunternehmen in ländlichen und abgelegenen
Gegenden eine sinnvolle langfristige Investition ist, die dazu beitragen wird, die
Abwanderung zu stoppen, Klein- und Großstädte als Zentren der Dienstleistungserbringung
zu entlasten, ländlichen Gemeinwesen wieder zu wirtschaftlicher Nachhaltigkeit zu verhelfen
und die ländliche Umwelt zu schützen.
1.9
Die langfristige finanzielle Unterstützung örtlicher Gruppen durch nationale/regionale
Regierungen wird hilfreich für die Koordinierung der Ermittlung und Erfüllung des örtlichen
Bedarfs sein. Eine solche Unterstützung wird auch helfen, Bevölkerungsgruppen unmittelbar
in die Lösung der Migrationsprobleme einzubinden.
2.
Hintergrund
2.1
Zweck dieser Stellungnahme ist es, die Notwendigkeit einer Verbesserung der Systeme für
Berufsbildung und ständige berufliche Weiterbildung in ländlichen und abgelegenen Gebieten
aufzuzeigen.
2.2
Auf die Probleme, die mit der Berufsausbildung und der kontinuierlichen beruflichen
Weiterbildung in ländlichen, abgelegenen Gebieten verbunden sind, hat der EWSA in einer
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Reihe von Stellungnahmen1 zum Thema Landwirtschaft und in öffentlichen Anhörungen
hingewiesen, ohne dass Lösungen zutage kamen. Diese Stellungnahme enthält eine
eingehende Analyse der Fragestellungen und gibt Antworten auf die Hauptfragen.
2.3
Die ländlichen Gebiete in der EU sind in struktureller Hinsicht sehr unterschiedlich. Neben
sehr wohlhabenden Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit und solidem Wachstum
verdichten sich in anderen Gebieten wirtschaftliche Problemlagen, Abwanderung und
Bevölkerungsalterung. Auch sind die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten nicht immer in
akzeptabler räumlicher Nähe. Es besteht die Gefahr einer zunehmenden Abkopplung von
sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen und infrastrukturellen Standards2.
2.4
Die Zukunftsfähigkeit benachteiligter, ländlicher, entlegener Gebiete sowie von Berg- und
Inselregionen in Europa ist ein Thema, das vielen Politikern, Gewerkschaftern,
Umweltschützern, Arbeitgebern, Wirtschaftswissenschaftlern und Bürgern Anlass zu großer
Sorge gibt. Das Hauptproblem besteht darin, dass diese Gebiete in der Gesellschaft nicht das
gebührende Ansehen haben und die Menschen mit steigendem Lebensstandard zu einem
Wegzug in die Städte neigten. Dies hat dazu geführt, dass viele ländliche und abgelegene
Gebiete inzwischen stark unterbevölkert und wirtschaftlich nicht mehr lebensfähig sind.
2.5
Die ländlichen und abgelegenen Gebiete Europas sind unsere wichtigsten Lieferanten von
Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Außerdem bieten sie den Raum, den die Gesellschaft
braucht, um rauszukommen, sich zu erholen und wieder zu sich zu finden, sowohl physisch
als auch emotional, doch ohne die Menschen, die die Höfe, Wälder, Steinbrüche, Hotels,
Kunstgewerbe- und Handwerksbetriebe bewirtschaften, wird es viele dieser Güter und
Dienstleistungen in ländlichen, abgelegenen Gebieten und Berg- und Inselregionen nicht
mehr geben.
2.6
Die Menschen zur Rückkehr in diese ländlichen, abgelegenen Gebiete zu bewegen, ist
grundlegend, doch dazu müssen erst die wirtschaftlichen und sozialen Fragen angegangen
werden, durch die die Bewohner dieser Gebiete so sehr Nachteil sind.
2.7
Die Fähigkeit der Unternehmen, an diesen schwierigen Standorten tätig zu sein, ist wichtig,
weil ohne die Arbeitsplätze und den Wohlstand, den die Unternehmen schaffen, die
Menschen lieber dorthin ziehen werden, wo sie Arbeit finden und Chancen für sich sehen.
Arbeitgeber können aber keine Unternehmen auf- und ausbauen ohne kompetentes, gut
ausgebildetes Personal, und das setzt eine enge Zusammenarbeit mit örtlichen Schulen,
Fachschulen und Universitäten voraus.
2.8
Schulen: Vermittlung von Grundfertigkeiten, Lesen, Schreiben, Sozialverhalten usw.
1
2
NAT/530 Landwirtschaft und Handwerk, NAT/615 Für eine ausgewogenere Entwicklung der Regionen in der EU, NAT/500 Die
Zukunft der Junglandwirte in Europa, NAT/540 Die Rolle der Frau in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum, NAT/309
Landwirtschaft in Gebieten mit bestimmten naturbedingten Nachteilen, NAT/204 Stadtnahe Landwirtschaft.
NAT/530 Landwirtschaft und Handwerk, Ziffer 3.3.
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2.9
Ausbildungszentren für technische Berufe (TTC) und ähnliche Einrichtungen: Vermittlung
beruflicher Qualifikationen, Aufbau von Kenntnissen und Fertigkeiten, die die
Lernenden/Beschäftigten zur Ausführung der Tätigkeiten befähigen, die in der von ihnen
gewählten Branche verlangt werden. Diese Zentren müssen sowohl Vollzeit- als auch
Teilzeitkurse anbieten; die Schüler sollten die Möglichkeit haben, Kurse auf Vollzeitbasis
oder berufsbegleitend zu besuchen.
2.10
Universitäten: Raum für akademisches Lernen, das Studierenden/Beschäftigten fundierte
Kenntnisse vermittelt und sie damit in die Lage versetzt, komplexeren Aufgaben zu erledigen
und ihr Wissen zum Nutzen ihres Arbeitgebers zur Verbesserung der Produkte, der
Dienstleistungen und der Leitung des Unternehmens einzusetzen und so die Lebensfähigkeit,
Effizienz und Rentabilität des Unternehmens zu verbessern.
2.11
Neben diesen akademischen Einrichtungen müssen die Unternehmen auch interne
Schulungen anbieten, in denen der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer für berufliche Aufgaben
schult, die spezifisch für das Unternehmen sind, z.B. für spezielle Geräte, besondere
Kundenanforderungen, spezifische Beschränkungen, unter denen das Unternehmen arbeitet,
oder für die Spezialisierung von Dienstleistungen oder der Produktion. Ausbildungszentren
für technische Berufe sollten mit Arbeitgebern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass
mit den internen Schulungen des Arbeitgebers Leistungspunkte für eine Berufsqualifikation
(Vocational Qualifications/VQ), lebenslanges Lernen (Lifelong Learning/LLL) oder eine
berufliche Fortbildung (Continual Professional Development/CPD) angerechnet werden
können.
2.11.1 Der Zugang zur Berufsbildung ist grundlegend für den Aufbau einer kompetenten
Arbeitnehmerschaft. Leider befinden sich die meisten Berufsbildungseinrichtungen in
Ballungsgebieten; Schüler und Arbeitnehmer aus ländlichen und entlegenen Gegenden sind
hier benachteiligt, da sie bis zu diesen Zentren weit fahren müssen. In den meisten Fällen
verursacht dies Mehrkosten und erhebliche Unannehmlichkeiten, insbesondere bei der
Teilnahme an Kurzlehrgängen oder berufsbegleitenden Kursen.
2.11.2 Diese Trennung zwischen Wohn- und Ausbildungsort ist für viele Auszubildende,
insbesondere bei berufsbegleitenden Kursen, ein Hindernis, das viele junge Leute dazu
bewegt, in größere Städte zu ziehen.
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2.11.3 Vor die Wahl gestellt, ob


sie an einem Ort leben wollen, an dem sie wenige oder gar keine Aussichten auf einen
Aufstieg haben, oder ob
sie in eine größere Stadt ziehen wollen, in der es Arbeit und bessere gesellschaftliche
Möglichkeiten gibt,
werden sich die meisten jungen Menschen für die Stadt entscheiden.
2.12
Mit dem Wegzug dieser jungen Menschen aus ländlichen Orten beginnt häufig eine
wirtschaftliche und gesellschaftliche Abwärtsspirale, die sich immer schneller dreht, je mehr
Menschen wegziehen. Durch den Bevölkerungsrückgang ist vor Ort weniger Geld im Umlauf,
was örtliche Unternehmen, Geschäfte und Verkehrsverbindungen in ihrem Bestand gefährdet.
Die Lage verschärft sich noch weiter, wenn schließlich auch medizinische Dienste, Banken,
Schulen und andere Einrichtungen schließen.
2.13
Um die Abwanderung zu verlangsamen, wurden verschiedene Bildungsprogramme
entwickelt. Leider basieren viele dieser Programme auf "städtischen Lösungen", die für
ländliche Gebiete nicht anwendbar sind.

So wichtig die berufliche Aus- und Fortbildung für den langfristigen Bestand von
Unternehmen und örtlichen Gruppen in ländlichen und abgelegenen Gebieten auch ist, so
ist dies doch ein Problem, das lokal gelöst werden muss, weil die EU im Bereich der
allgemeinen und beruflichen Bildung keine direkte Zuständigkeit besitzt.

In Europa sind die Bildungssysteme von Land zu Land so unterschiedlich (in einigen
zentral organisiert, in anderen föderalistisch mit Zuständigkeit der Regionen), dass eine
"europäische Lösung" kaum vorstellbar ist. Aber auch wenn die Lösungen verschieden
sein mögen, lohnt es doch, gemeinsame Probleme zu ermitteln und einige gemeinsame
Lösungswege aufzuzeigen, so dass ein gegenseitiges Lernen von bewährten Verfahren
möglich ist.
3.
Die Sicht der Kleinbetriebe
3.1
Die Art der Beschäftigung in Kleinst- und Kleinbetrieben wird von Bildungseinrichtungen,
die Ausbildung anbieten, nicht immer richtig erfasst. Die meisten Berufsbildungskurse sind
auf die Bedürfnisse von Großunternehmen hin konzipiert, in denen der Arbeitsplatz in eine
Struktur aus verschiedenen Abteilungen und Führungskräften eingegliedert ist und die
Arbeitnehmer eingestellt werden, um einen bestimmten "Job" zu erlernen. Diese auf die
industrielle Massenproduktion zugeschnittene Form von Arbeit beruht darauf, dass jeder
genau festgelegte Aufgaben hat und Verfahren durchführt, die sich leicht bewerten lassen,
sowie darauf, dass es Befähigungsnachweise gibt, die für diesen "Job" qualifizieren.
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3.2
Im Gegensatz dazu brauchen die meisten Kleinst- und Kleinbetriebe Beschäftige, die weitaus
vielseitiger und flexibler sind. Statt eine einzelne, speziellen Tätigkeit auszuführen, müssen
diese Arbeitnehmer in sehr kleinen, häufig aus nicht mehr als drei Personen bestehenden
Teams arbeiten, die alle im Betrieb anfallenden Aufgaben kollektiv erledigen müssen.
Auszubildende in Kleinst- und Kleinbetrieben müssen daher Arbeitsaufgaben erlernen, die in
größeren Unternehmen von Beschäftigten mit mehreren verschiedenen Stellenbezeichnungen
erledigt werden würden.
3.3
Außerdem ist da noch die spezielle Frage der Familienbetriebe, in denen jüngere
Familienangehörige oft Triebkräfte für Wandel sind. Diese jungen Studierenden werden also
"potenzielle Führungskräfte" ebenso wie Auszubildende. In einem Familienbetrieb beginnt
die Ausbildung der nächsten Generation von Arbeitgebern in einer wesentlich früheren Phase
als bei einem Angestellten in einem größeren Unternehmen.
3.4
Der Hauptgrund für das 'Qualifikationsmissverhältnis' zwischen Bildung und Beschäftigung
ist das Verkennen der grundlegenden Unterschiede zwischen großen Industrieunternehmen,
die sich selbst nach dem hierarchischen Muster "planen, managen, überwachen" organisieren,
und den meisten Kleinst-, Klein- und Familienbetrieben, die stärker kundenzentriert sind und
deren Betriebsabläufe auf dem Muster "kaufen, produzieren und verkaufen" basieren.
3.5
Viele Kleinst- und Kleinbetriebe sind auch in einem gänzlich anderen Markt tätig, der
innovative Lösungen für oft komplizierte Probleme erfordert. So braucht ein kleiner Betrieb,
der mit Mechanik zu tun hat, die praktischen Fertigkeiten "reparieren und wiederherstellen".
Das ist anders als bei vielen größeren Unternehmen, die nicht reparieren, sondern alte
Baugruppen aus- und neue einbauen. In diesem einfachen Beispiel sind in dem Kleinbetrieb
Beschäftigte mit zusätzlichen Fähigkeiten nötig, welche in einem größeren Unternehmen mit
einer ganz anderen Arbeitsstelle verbunden wären. Das ist der Grund, weshalb so viele
europäische Kleinst- und Kleinbetriebe mit den derzeitigen Berufsbildungsmaßnahmen und
Berufsqualifikationen, die für ihre Branche entwickelt wurden, nichts anfangen können.
3.6
Dieses Problem tritt nicht nur in technisch-mechanischen Wirtschaftszweigen auf. Ähnliche
Probleme im Zusammenhang mit Verfahrensabläufen und Qualifikationen wurden von
Kleinstbetrieben, kleinen und mittleren Unternehmen in Bereichen wie Ingenieurwesen,
Architektur, Landwirtschaft, Baugewerbe, Forstwirtschaft und einer Vielzahl anderer
Branchen festgestellt.
4.
Die Sicht der ländlichen Wirtschaft
4.1
Kleinst- und Kleinbetriebe in ländlichen oder abgelegenen Gegenden stellt es vor
Schwierigkeiten, wenn Beschäftigte technische Ausbildungszentren besuchen müssen, die
weit vom Ort der Beschäftigung entfernt sind. Bei einer zu langen Fahrzeit zu einem
Ausbildungszentrum werden viele Kleinst- und Kleinarbeitgeber zu der Ansicht gelangen,
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dass die Schulung in einem Fachzentrum Zeitverschwendung sei, weil der Lernende mehr
Zeit für Fahrerei und im Unterricht verbringe als bei seiner Arbeit.
4.2
Um das Problem der Entfernung von Ausbildungszentren zu umgehen, arbeiten viele
Arbeitgeber lokal in einem informellen Rahmen zusammen, indem sie die Schulung der
Arbeitnehmer gemeinsam durchführen. Jeder Betrieb schult dann jemanden in einer
bestimmten speziellen Aufgabe. Zwar kommt dieser Ansatz für eine pragmatische
Berufsausbildung dem unmittelbaren Bedarf der Arbeitgeber entgegen, der Arbeitnehmer
erhält aber auf diese Weise keine anerkannte Berufsqualifikation für die informell erworbenen
Kenntnisse.
4.3
Lebenslanges Lernen (LLL) und die Validierung von Kenntnissen und Qualifikationen, die
durch diese nichtformalen und informellen Lernmethoden3 erworben wurden, sind nützlich
für sich weiterentwickelnde und neue Technologien einführende Unternehmen. Viele
Lehrmaterialien für LLL sind online verfügbar in Form von branchenspezifischen
Schulungsvideos, Handbüchern, Online-Demonstrationen und eLearning-Kursen und
weiteren Programmen des Online-Fernunterrichts. Leider haben Arbeitnehmer und
Arbeitgeber in ländlichen, abgelegenen Orten häufig wegen sehr langsamer
Breitbandverbindungen (zwischen 0,4 und 1,5 Mbit/s) keinen Zugang dazu4.
4.4
Die Nichtzugänglichkeit dieser Möglichkeiten wirkt folglich wie ein Hemmschuh auf die
Entwicklung von Unternehmen in ländlichen, abgelegenen Orten und vermindert das
Beschäftigungspotenzial. Die Entfernung zu Ausbildungseinrichtungen spielt möglicherweise
eine geringere Rolle, wenn die Kurse von hoher Qualität sind und wenn sich Fahrten
arrangieren lassen und Fahrtkosten erstattet werden, aber dies geht an den Hauptproblemen,
vor denen die meisten Lernenden stehen, vorbei.
4.5
Die Einführung des Systems der dualen Berufsausbildung in manchen europäischen Ländern,
in denen Berufsschulunterricht und praktische Ausbildung miteinander verbunden werden,
damit der Auszubildende umfassend ausgebildet ist, wird von den Arbeitgebern begrüßt.
Leider nützt das Erfordernis des Unterrichtsbesuchs an zentralen Orten denjenigen nicht, die
durch die Entfernung gehandicapt sind.
5.
Der Gemeinschaftseffekt
5.1
Damit ländliche Gemeinden überleben können, müssen örtliche Einrichtungen für den
gemeinsamen guten Zweck eingesetzt werden. Wenn ein Beamter sagt, die örtliche Schule
dürfe nicht für Erwachsenenbildung genutzt werden, weil dies in die Zuständigkeit einer
anderen staatlichen Stelle falle oder weil sich der Versicherungsschutz nicht auf erwachsene
Lernende erstrecke, verdeutlicht dies die Art von Hindernissen, die örtliche Initiativen, die auf
3
4
Der EWSA arbeitet gegenwärtig an einer Initiativstellungnahme zu diesem Thema.
SOC/493 Die Bildung in Europa öffnen.
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einen festgestellten Bedarf eingehen, abwürgen können. Um diese Probleme zu überwinden,
müssen die kommunalen Behörden und die Initiatoren von Projekten, einschließlich der
Organisationen der Zivilgesellschaft, enger zusammenarbeiten und den Schwierigkeiten
stärker auf den Grund gehen.
5.2
Staatliche Stellen könnten die Gelegenheit zur Dezentralisierung von Dienstleistungen in
ländliche Gebiete nutzen, wovon die dortige Bevölkerung profitieren würde. Es gibt
Beispiele, dass die Verlagerung oder neue Schaffung von Fachhochschulen (und sogar
Universitäten) in ländlichen, abgelegenen Gebieten äußerst erfolgreich ist (wie z.B. die
Korsika-Universität Pasquale Paoli).
5.3
In der Anhörung zum Thema "Berufliche Entwicklung und Weiterbildung in ländlichen
Gebieten"5 wurde in mehreren Präsentationen darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass die
verschiedenen Gruppen von Landbewohnern ihre Probleme anpacken und nach eigenen
passenden Lösungen suchen. Diese Bekundungen warfen auch andere, damit verbundene
Fragen auf und machten deutlich, dass die Verbesserung der Berufsbildung Teil eines viel
weiter gefassten Programms sein muss, mit dem mehrere Probleme der Landbewohner
gleichzeitig angegangen werden.
5.4
Die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten ist von entscheidender Bedeutung. Damit
berufsbildende Maßnahmen an diesen Orten stattfinden, müssen alle örtlichen Unternehmen,
die Schule, das Schulpersonal, die Lernenden (und potenziellen Arbeitnehmer) und ihre
Familien, die Arbeitslosen, die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Freiwillige und die
langfristigen Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung Berücksichtigung finden. Als wichtiger
Aspekt wurde insbesondere festgehalten, dass die Menschen vor Ort selbst Verantwortung
übernehmen und einige unter ihnen zu einem "Schrittmacher" (Anführer) des Wandels
werden, damit die Dorfgemeinschaft ihre "eigenen" Lösungen finden kann.
5.5
Wenn es nur einige wenige treibende Kräfte gibt und nicht die Gemeinschaft als Ganze
mobilisiert wird, könne dies auch dazu führen, dass ein Projekt scheitere, wenn "der
Schrittmacher" den Ort verlasse oder verlassen müsse. Als weiteres Problem, das es zu lösen
gilt, wurde festgehalten, dass für eine langfristige Unterstützung dieser Gemeinschaften durch
finanzielle Mittel und Infrastruktur politische Entschlossenheit auf kommunaler, regionaler
und nationaler Ebene notwendig ist.
5.6
Es wurde festgestellt, dass die Nutzung mobiler und fester Breitbandnetze eine wichtige
Stütze für die Entwicklung von Berufsbildungsmaßnahmen ist, insbesondere für den Ausbau
von IKT-Kenntnissen, die sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld zunehmend an
Bedeutung gewinnen. IT-Kenntnisse und Computerkompetenz braucht man für eine Vielzahl
von Geräten und für den Zugang zu Dienstleistungen. Diese Fähigkeiten sind inzwischen
zentraler Bestandteil des wirtschaftlichen und sozialen Lebens aller und sollten daher in allen
5
Am 28. Januar 2015 im EWSA in Brüssel.
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Phasen und Formen der Bildung, von der Grundschule bis hin zur Erwachsenenbildung,
abgedeckt sein6. Auch den Besonderheiten der örtlichen Bevölkerung bezüglich Alter,
Bildungsstand und Einkommensniveau muss bei den Maßnahmen Rechnung getragen
werden.
5.7
Der allgemeine Zugang zu Hochgeschwindigkeits-Breitbanddiensten ist deshalb von
entscheidender Bedeutung für den sozialen und territorialen Zusammenhalt. Die Pläne, Mittel
aus den Strukturfonds und dem Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums verstärkt für
den Ausbau einer wirtschaftlich tragfähigen Breitbandinfrastruktur einzusetzen, sind daher zu
begrüßen. Ebenso wichtig ist es aber, dass diese Investitionen der Bevölkerung nutzen in
Form hochwertiger Dienstleistungen (z.B. medizinische Versorgung, Zugang zu kommunalen
Behördendiensten usw.) sowie durch eine deutliche Kostenreduzierung für alle Endnutzer.
Für einen allgemeinen Zugang zu Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen in Kleinstädten
und Dörfern sind darüber hinaus auch öffentliche Bereiche mit kostenlosem WLAN-Zugang
von Bedeutung.
5.8
Die Bereitstellung von beruflicher Aus- und Weiterbildung in ländlichen und entlegenen
Gebieten ist eine komplexe Angelegenheit, die einen integrierten, von der örtlichen
Bevölkerung betriebenen Ansatz erfordert. Finanzielle Unterstützung sollte daher keine rein
kommerzielle Grundlage haben. Wichtig ist daher der Zugang zu Mitteln, die z.B. im Rahmen
von LEADER und CLLD zur Verfügung stehen. Dies würde die Arbeit lokaler
Aktionsgruppen (LAG), örtlicher Vereine und der Zivilgesellschaft erleichtern, denn sie
würden einen dauerhaften Rahmen für Betrieb, Finanzierung, Beteiligung und Hilfe erhalten.
5.9
Organisationen der Zivilgesellschaft (OZG) sollten ermuntert werden, über bewährte
Verfahren und innovative Ansätze gegen die Isolation ländlicher Gebiete zu informieren7.
Ihre Vertreter sollten die Möglichkeit haben, in der Verwaltungsstruktur derjenigen
europäischen Fonds, die für die Entwicklung des ländlichen Raums von Bedeutung sind
(ELER, ESIF), eine aktive Rolle zu übernehmen, an der Aufsicht über Beiräte auf nationaler
Ebene mitzuwirken und lokale Gruppen sowie schutzbedürftige Teile der Bevölkerung in die
Konzeption und Umsetzung von Projekten einzubeziehen. Im Bereich der Weiterbildung ist
die Grundtvig-Idee (entstanden in Dänemark, dann in einigen Ländern sehr erfolgreich
übernommen) besonders vorbildlich. Zugleich sollten die OZG-Vertreter die Europäische
Kommission über unangemessene Praktiken der Mitgliedstaaten informieren, um
sicherzustellen, dass die Regierungen ihrer Verpflichtung nachkommen, eine Vielzahl von
Interessenträgern (insbesondere auf lokaler Ebene) in die Konzipierung, Umsetzung und
Bewertung europäischer Programme einzubeziehen.
6
7
TEN/557 "Für eine florierende datengesteuerte Wirtschaft".
Wie etwa das Volonteurope-Projekt gegen die Isolation von Bürgern in ländlichen
http://www.volonteurope.eu/wp-content/uploads/2014/12/Briefing-Rural-Isolation-Final-Layout.pdf.
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Gebieten
in
Europa
5.10
Der EWSA fordert, dass die "Jugendgarantie" der EU zur Förderung der Aus- und
Weiterbildung der jungen Generation in ländlichen Räumen genutzt wird. EU-Förderungen
sollten besonders darauf gerichtet sein, wie erfolgreiche und innovative Erfahrungen
beschleunigt übertragen und in die Praxis umgesetzt werden können.
6.
Weitere Bemerkungen
6.1
Diese Stellungnahme behandelt ein sehr vielschichtiges Thema, das unter zahlreichen
Aspekten viel eingehender hätte erörtert werden können, etwa in Fragen wie Verkehr,
ländlicher Wohnungsbau, medizinische Versorgung und soziale Dienstleistungen, Förderung
ländlicher Unternehmen durch steuerliche Anreize, Entwicklung des Tourismus und viele
weitere Anregungen, die in Diskussionen und während der Anhörung zur Sprache kamen.
6.2
Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass diese Fragen nicht alle in einer einzigen
Stellungnahme erörtert werden können. Daher wäre es empfehlenswert, sie in künftigen
Stellungnahmen aufzugreifen.
_____________
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