MCI und Komorbidität 11.6.08 Dr. I. Bopp-Kistler Leitende Ärztin Ambulante Dienste Memory-Klinik Klinik für Akutgeriatrie Stadtspital Waid, Zürich Gibt es überhaupt eine sekundäre Demenz? • • • • 1980: 20% 1988: 11% 1995: 10- <1%?? 2003: <1% Werden sekundäre Störungen früher behandelt? Verändertes Kollektiv? Verbesserte Demenzdefinition? z.B. Ausschluss Delir Verbesserter Follow-up AM Clarfield Age and Aging 2005; 34: 544-545 AM Clarfield Arch Intern Med 2003; 163: 2219-29 Gibt es überhaupt eine sekundäre Demenz? • Ist unter diesen Umständen ein breites geriatrisches Assessment überhaupt noch indiziert? • Klare Diagnose • Prognose • Komorbidität • Ursache der Funktionsstörung A. M. Clarfield Age and Aging 2005: 34; 544-545 Reversible dementia: more than 10% or less than 1% • Depression und Medikamente häufigste Ursache • Metabolische Störungen • Fokale Hirnerkrankung • Spezifische Abklärung indiziert MD Weytingh et al. J Neurol 1995; 242: 466-71 Meine Meinung: standardisierte Abklärung dennoch indiziert! Aber achte besonders auf atypische Zeichen! Gibt es überhaupt sekundäre MCI-Formen? • Die häufigste Ursache ist die Depression! • Potentiell reversible primäre Ursache bei leichter kognitiver Störung: 19% • Potentiell reversible Ko-Faktoren: 23%: insbesondere metabolische Störungen, Alkohol, Depression • viele Hydrocephaluspatienten • Eine Bildgebung lohnt sich • Höchste Rate bei subjektiver Gedächtnsisstörung: 38% A. Hejl et al: J. Neurol Neurosurg Psychiatry 2002; 73: 390-394 Gibt es überhaupt sekundäre MCI-Formen? • Es gibt nur sehr wenige sekundäre Demenzformen (<5%?) • Sekundäre Formen leichter kognitiver Störungen sind hingegen häufig. • Ursachenforschung somit bei leichten Störungen, bei subjektiven Beschwerden und insbesondere auch bei jüngeren Patienten angesagt! A. Hejl et al: J. Neurol Neurosurg Psychiatry 2002; 73: 390-394 Beispiel einer sekundären MCI-Form: der idiopathische Hydrocephalus • Keine Korrelation gefunden zwischen klinischem Outcome und Vorhandensein degenerativer Veränderungen (insb. DAT!) • Beste Prognose: sekundärer Hydrocephalus • bei idiopathischem Hydrocephalus: zu Beginn Gangapraxie und typische Trias: Gang, Inkontinenz und kognitive Störung • Auch Alzheimer- und vaskuläre Demenzpatienten können von einer Shuntoperation profitieren (bei entsprechender Klinik) RA Bech et al. Acta Neurochir 1999; 141: 633-39 prospektive Studie mit 28 Patienten MCI und Vitamin-B12-Mangel • • • • • Beim Geriatriepatient oft keine Anämie!! Meist nicht Frage der Ernährung Depression Kognitive Verlangsamung, Gedächtnisstörung Verminderung konstruktiver und visuospatialer Fähigkeiten • Halluzinationen, Psychose, Delir • Parästhesien, Verminderung Vibrationssinn, Kraftlosigkeit, Unsicherheit beim Gehen. • Antriebsminderung, Müdigkeit Eher selten Vitamin B12 deficiency neurological syndromes: correlation of clinical, MRI and cognitive evoked potential J. Kalita et al. J. Neurol 2008; 255: 353-59 • MMS pathologisch in 47%, • Evoziertes Potential in 45%: • Unter Therapie: alle Patienten Verbesserung bis Normalisierung sowohl von MMS wie auch vom Potential • Mehrheitlich leichte kognitive Störung • Meine Erfahrung: eine Substitution lohnt sich (fast) immer (ab Spiegel ≤ 260 pmol/l, insbesondere bei erhöhtem Homocystein) MCI und metabolische Störung: z.B. Diabetes mellitus • Hypertonie: RF für vaskuläre Demenz und nicht amnestisches MCI • Dyslipidämie und Hyperinsulinämie: kein RF für Demenz Alzheimertyp (DAT) • Diabetes mellitus: RF für vaskuläre Demenz und DAT RF für alle Formen des MCI! • Der einzige gefundene Risikofaktor für DAT ist der Diabetes mellitus! JA Luchsinger et al. Arch Neurol 2007; 64: 570-575 JA Luchsinger: MCI-Kongress Miami März 2008 Beispiel einer sekundären MCI-Form: Medikamente MI Ancelin et al. BMJ 2006 Non degenerative mild cognitive impairment in elderly people and use of anticholinergic drugs: longitudinal cohort study • 372 Menschen > 60 Jahre • 9.2% Anticholinergika: schlechtere Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, nonverbales Gedächtnis, Recall, visuospatiale Konstruktion, gewisse Sprachtestungen • 80% erfüllen Kriterien eines MCI (vs. 35% ohne Anticholinergika) • Aber kein erhöhtes Demenzrisiko nach 8 Jahren Meine Meinung: suche bei jedem MCI nach Medikamenten mit potentiell negativem kognitivem Nebenwirkungsprofil MCI und Depression • • • • 2220 Teilnehmer > 65 Jahre Depressive Symptome mit MCI assoziiert Vaskuläre Hirnerkrankung mit MCI assoziiert Obwohl Depression oft Ausdruck einer vaskulären Hirnerkankung ist, ist Depression unabhängig von vaskulärer Erkrankung mit MCI assoziiert. • Meine Meinung: Bei Vorliegen eines MCI muss nach einer Depression gesucht werden! DE Barnes et al. Arch Gen Psychiatry 2006; 63: 273-80 MCI und Depression • Depression als Prodromalstadium der Alzheimerdemenz oder eines MCI? • Depression als Risikofaktor der Alzheimerdemenz oder gemeinsamer Risikofaktor? (neuroendrokriner oder genetischer Risikofaktor? Hippocampusatrophie?) • Depression als Reaktion auf Alzheimerdemenz oder MCI? • Depression mit kognitiver Störung (MCI): hohes Risiko einer Demenz (nach 5 Jahren Prävalenz bis 50%) • Komorbidität mit vaskulärer Erkrankung J Clin Psychiatry, 1998 / Gerontology 2000 DE Barnes et al. Arch Gen Psychiatry 2006; 63: 273-280 M. Amore et al. Arch Gerontol Geriatr 2007; suppl 1: 22-33 MCI : Depression und Angst Predictors of progression from mild cognitive impairment to Alzheimer D. Neurology 2007; 68: 1596-1602 Studie über 3 Jahre: • MCI und Angstsymptome (zögerliches Verhalten, in Sorge sein, Ängstlichkeit, Rückzug): mit jedem Item Verdopplung des DAT- Risikos! • Nach 3 Jahren: 83,3% DAT bei MCI und Angst • Vergleich: kein MCI, Angst: 6,1% • Vergleich: MCI, keine Angst: 40,9% • Beachte: Angst und MCI: Hochrisikosituation! Ist die Depression und das MCI im Alter nur eine Frage der Somatik? • • • • Genetik Altersprozess Neurodegeneration Cerebrovaskuläre Erkrankung • Medizinische Komorbidität Smith GS, Neuropsychopharamcology 2007 • „Increased tau protein differentiates mild cognitive impairment from geriatric depression and predicts conversion to dementia“ • Presenilin Risiko für DAT und Depression Schonknecht P, Neurosci Lett 2007 Barnes DE. Arch Gen Psychiatry 2006 Ist die Depression im Alter nur eine Frage der Gefässe? Hypothese der vaskulären Depression • “Subcortical ischemic vascular depression“ in the MRI: 54% der Depressiven im Alter zeigen subcorticale ischämische Läsionen!” Krishnan KR, Biol Psychiatry 2004 erste Veröffentlichung: 1905! • Führt die Depression im Alter zum kardiovask. Risiko oder führt die kardiovask. Erkrankung zu spez. Läsionen? Schlechtes Outcome! H.C. Kales, Am J Geriatr Psychiatr 2005 Meine Meinung: bei jedem MCI: suche nach vaskulären RF und nach Depression MCI und Neurodegeneration • Amnestischer Typ: 48,7% Demenz nach 30 Monaten • Nicht amnestischer Typ: 26,8% Demenz nach 30 Mt • Gesunde: 12,6% • Typ des MCI ist aber nur partiell aussagekräftig bezüglich späterem Demenztyp! • 21,5% MCI nach 30 Monaten gesund! P. Fischer et al. Neurology 2007; 68: 288-291 Conversion from subtypes of mild cognitive impairment to Alzheimer dementia Demenz Beg. Demenz MCI SCI NCI 37% 62% DAT DAT Pathologie Pathologie 82% DAT Pathologie ROS Studie, Bennett DA et al. Neurology, 2002 mod. Miami: MCI-Kongress 2008 Pat, 75-j. MCI (MMS 28P) Leichte Gleichgewichtsstörung Patienten mit MCI: MemoryKlinik Das MCI aus medizinischer Sicht: • Es gibt Ursachen und Kofaktoren, die gesucht werden müssen • Ist es eine Diagnose? • Wie sag ich es dem Patienten? • Wie sind die Therapiemöglichkeiten? Therapeutische Möglichkeiten • Diagnosemitteilung • “Konfliktlösung” privat und im Beruf • Allgemeines (Lifestyle: Bewegung, Dual-Task, Neugierde u.a.) • Medikamente: Gingko, SSRI • Ursachen, Kofaktoren: vaskuläre RF u.a. • Ausblick: Marker, kurative Therapie? MCI Kongress in Miami März 08: Imputs von DE Evans • For most common chronic diseases of older persons the border between normalitiy and disease is not abrupt but continous and gradual. • If a disease appears to have a single cause, it is for one of two reasons: either we know of only one cause, or we have difined the disease in terms of a single cause... • Mc Cohen et al 1975!! • Medicine in its present state can count up to two, but not beyond... • GW Pickering, 1968!! Das MCI ist komplex. Eine enge Zusammenarbeit mit den Hausärzten ist gefragt!!