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Zusammenhänge von Wirtschaftswachstum
und Armutsbekämpfung: theoretische
Annahmen und empirische Erfahrungen in
Entwicklungsländern
Manfred Wiebelt
Institut für Weltwirtschaft, Kiel
[email protected]
InWEnt-Seminar
Unterstützung von institutionellen Rahmenbedingungen für
Wirtschaftswachstum und Armutsbekämpfung in der Mongolei
Berlin, 20. September 2006
Motivation: Von Strukturanpassung zu
breitenwirksamem Wachstum




Armutsbekämpfung zentrales Ziel der Entwicklungspolitik (MDGs, Neuausrichtung der Weltbank, HIPC II,
PRSPs).
Einflussreiche Publikationen, die zeigen, dass Wachstum
zwar im Durchschnitt die Armut verringert (Dollar und
Kraay 2002), dieser Zusammenhang jedoch zwischen
Ländern und über die Zeit sehr stark variiert (Ravallion
2001).
Neu: Ausrichtung aller Politikfelder auf Armutsreduzierung (Aufhebung der Trennung Makropolitik und
konzentrierte Armutsreduzierungsmaßnahmen)
PPG jetzt zentrales Instrument der Armutsreduzierung
Gliederung
I.
Von Strukturanpassung zu breitenwirksamem
Wachstum
II. Wachstum, Verteilung und Armut: Theorie und
empirische Evidenz
III. Breitenwirksames Wachstum (PPG)
1.
2.
3.
Empirische Evidenz (mit Fallbeispiel Bolivien)
Determinanten von PPG (Ausgangsbedingungen und
Quellen des Wachstums)
Politikoptionen für PPG (innerhalb und außerhalb der
Landwirtschaft)
IV. Fazit
Wachstum, Verteilung und Armut
Theorie und empirische Evidenz


Definitionsgemäß: Armutsreduzierung hängt ab von
Änderungen des Durchschnittseinkommens und
Änderungen der Einkommensverteilung
Balance zwischen wachstums- und
verteilungsorientierten Interventionen einer PRS;
wirtschaftspolitisch relevante Fragen:




Sollte sich eine PRS eher auf Wachstumsförderung oder eher
auf Umverteilung konzentrieren?
Fördert Wachstum Ungleichheit?
Fördert oder behindert Gleichheit das Wachstum?
Wie beeinflußt die ursprüngliche Verteilung die Auswirkungen
des Wachstums auf die Armutsreduzierung?
Wachstum und Armut: Empirische Evidenz

Wachstum reduziert Armut (Dollar, Kraay 2002; Ravallion 2002;
Bourguignon 2003). Quellen von PPG (Kraay (2004):





Hohe Wachstumsraten
Hohe Wachstumselastizität der Armut
Armutsorientierte Struktur des Wachstums
Ungleichheit behindert Armutsreduzierung durch Wachstum
(Ravallion 2004): Je nach Ausmaß der Ungleichheit in der
Ausgangssituation reduziert 1% Wachstum die Armut um
zwischen 4,3% (geringe Ungleichheit) und 0,6% (hohe
Ungleichheit)
Umverteilung unterstützt Armutsreduzierung (Bourguignon 2003):



Umverteilung reduziert sofort die Armut,
…trägt zur Erhöhung der Wachstumselastizität der Armut bei
und beschleunigt damit die Armutsreduzierung bei geg. Wachstumsrate
Wachstum und Ungleichheit: Theorie

Zusammenhang von Wachstum → Ungleichheit (nicht eindeutig)



Kuznets: erst Verschlechterung, dann Verbesserung
Technischer Fortschritt: erhöht Nachfrage nach ausgebildeten
Arbeitskräften und erhöht Ungleichheit; aber Wachstum erhöht
Angebot an ausgebildeten Arbeitskräften und vermindert
Ausbildungsprämie
Zusammenhang von Ungleichheit → Wachstum (nicht eindeutig)


Negative Auswirkungen: Politökonomische Gründe (Alesina,
Rodrick 1994); soziopolitische Instabilität (Alesina, Perotti 1996);
Kreditrestriktionen (Galor, Zeira 1993; Aghion et al. 1999)
Positive Auswirkungen: Unterschiedliche marginale Sparquoten von
Reichen und Armen (Kaldor); Unteilbarkeiten bei Investitionsprojekten und unvollkommene Kapitalmärkte; Konflikt zwischen
Effizienz und Gleichheit (Lohnangleichung; Mirrless 1971)
Wachstum und Ungleichheit: Theorie

Zusammenhang von Wachstum → Ungleichheit (nicht eindeutig)



Kuznets: erst Verschlechterung, dann Verbesserung
Technischer Fortschritt: erhöht Nachfrage nach ausgebildeten
Arbeitskräften und erhöht Ungleichheit; aber Wachstum erhöht
Angebot an ausgebildeten Arbeitskräften und vermindert
Ausbildungsprämie
Zusammenhang von Ungleichheit → Wachstum (nicht eindeutig)


Negative Auswirkungen: Politökonomische Gründe (Alesina,
Rodrick 1994); soziopolitische Instabilität (Alesina, Perotti 1996);
Kreditrestriktionen (Galor, Zeira 1993; Aghion et al. 1999)
Positive Auswirkungen: Unterschiedliche marginale Sparquoten von
Reichen und Armen (Kaldor); Unteilbarkeiten bei Investitionsprojekten und unvollkommene Kapitalmärkte; Konflikt zwischen
Effizienz und Gleichheit (Lohnangleichung; Mirrless 1971)
Wachstum und Ungleichheit: Empirische Evidenz
Keine eindeutigen Aussagen über den kausalen Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum:

Auswirkungen von Wachstum auf Einkommensverteilung


Auswirkungen von Einkommensungleichheit auf Wachstum




Positiv: Forbes (2000), Li und Zhou (1998)
Negativ: Alesina und Rodrick (1994), Perotti (1996)
Keine: Barro (2000), Lopez (2004)
Auswirkungen von Vermögensungleichheit auf Wachstum


Keine: Dollar und Kraay (2002), Easterly (1999), Chen und Ravallion
(1997), Deininger und Squire (1996)
Negativ: Deininger und Squire (1998), Birdsall und Londono (1997)
Auswirkungen von Umverteilung auf Wachstum

Positiv: Easterly und Rebelo (1993), Perotti (1996)
Was ist breitenwirksames Wachstum?



Es gibt eine schwache Definition (Wachstum ist breitenwirksam,
wenn es die Armut reduziert) und eine starke Definition (die
Armen müssen überproportional vom Wachstum profitieren).
Ein anschauliches (und etabliertes) Instrument zur Messung der
Breitenwirksamkeit von Wachstum ist die auf Ravallion und
Chen (2003) zurückgehende Wachstumsinzidenzkurve, die die
Wachstumsrate des Einkommens für alle (nach dem Einkommen
geordneten) Perzentile der Bevölkerung im Vergleich zur
durchschnittlichen Wachstumsrate darstellt.
Aus den Informationen der Wachstumsinzidenzkurve lässt sich
die durchschnittliche Wachstumsrate der Armen berechnen.
Überschreitet diese die durchschnittliche Wachstumsrate für die
gesamte Bevölkerung, spricht man von breitenwirksamem
Wachstum im Sinne der starken Definition.
Das OPPG-Projekt
(Operationalizing Pro-Poor Growth)


Mit der Vergabe von 14 Länderstudien und einigen
Querschnittsuntersuchungen hat die Weltbank in
Zusammenarbeit mit bilateralen Gebern (AFD, BMZ,
DfID, GTZ, KfW) einen umfangreichen Versuch
unternommen, die Operationalisierung von PPG
voranzubringen.
Dieses Forschungsvorhaben fand unter maßgeblicher
Beteiligung deutscher Entwicklungsökonomen statt:
-
Fallstudie Bolivien (UNI Göttingen und IfW)
Fallstudie Burkina Faso (UNI Göttingen)
Fallstudie Vietnam (UNI Frankfurt/M.)
Wachstum und Armutsentwicklung in
den untersuchten Ländern (1)
Bangladesch
Bolivien
Brasilien
Burkina
Faso
El Salvador
Ghana
Indien
Indonesien
Rumänien
Sambia
Senegal
Tunesien
Uganda
Vietnam
Median
Durchschnittliche
Wachstumsrate
(BIP pro Kopf)
3,09
1,17
1,47
2,25
Durchschnittliche
Änderung der Armutsrate
–2,78
–1,03
–2,27
–1,80
2,54
1,63
4,18
–0,81
0,20
–2,26
2,47
3,03
3,34
5,70
–5,39
–3,85
–3,84
0,67
6,05
1,29
–2,46
–3,76
–3,90
–7,76
2,36
–2,62
Jährl. Änderung der Armutsrate (%)
Wachstum und Armutsentwicklung in
den untersuchten Ländern (2)
8
6
Rumänien
4
Sambia
-4
2
Indonesien
0
Jährl. BIP pro Kopf Wachstum (%)
Bolivien
Burkina Faso 4
Senegal
Bangladesch
Ghana Tunesien
Indien
Uganda
El Salvador
-2 0 Brasilien
-4
-6
-8
8
Vietnam
Wachstumsinzidenzkurve für Bolivien (gesamt),
1989–2002
jährliche Wachstumsrate (%)
8
6
4
2
0
-2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Perzentile
Wachstumsinzidenzkurve
durchschnittl. Wachstumsrate
Wachstumsinzidenzkurve für Provinzhauptstädte,
1989–2002
jährliche Wachstumsrate (%)
8
6
4
2
0
-2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Perzentile
Wachstumsinzidenzkurve
durchschnittl. Wachstumsrate
Wachstumsinzidenzkurve für sonstige städtische
Gebiete, 1989–2002
jährliche Wachstumsrate (%)
8
6
4
2
0
-2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Perzentile
Wachstumsinzidenzkurve
durchschnittl. Wachstumsrate
Wachstumsinzidenzkurve für ländliche Gebiete,
1989–2002
jährliche Wachstumsrate (%)
8
6
4
2
0
-2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Perzentile
Wachstumsinzidenzkurve
durchschnittl. Wachstum
Durchschnittliches jährliches Wachstum des ProKopf-Einkommens
Bangladesch
Bolivien
Brasilien
Burkina Faso
El Salvador
Ghana
Indien
Indonesien
Rumänien
Sambia
Senegal
Tunesien
Uganda
Vietnam
Einkommen der
Armen
0,7
1,9
3,2
1,0
4,1
2,1
1,2
–0,2
–2,6
1,1
1,8
1,2
2,7
4,3
Durchschnittseinkommen
1,8
1,4
2,9
0,9
4,7
3,2
1,6
–0,6
–3,0
–1,0
2,6
2,1
3,8
5,5
Determinanten von PPG (1):
Ausgangsbedingungen





Verteilung von Einkommen und Vermögen (insbes. Land):
bestimmt, ob ärmere Bevölkerungsgruppen produktive
Investitionen tätigen und damit dauerhaft am Wachstum
teilhaben können
Bevölkerungsdichte und Urbanisierungsgrad: beeinflußt
Marktzugang und Transaktionskosten
Bedeutung der Landwirtschaft: bestimmt, inwieweit
Armutsreduzierung über Wachstum außerhalb der
Landwirtschaft erreicht werden kann; beeinflusst auch die
wirtschaftspolitische Prioritätensetzung
Qualität und Kapazität der Institutionen: bestimmt, inwieweit
staatliche Dienstleistungen den Armen zugute kommen
Klimatische Faktoren, da sie investitions- und
wachstumshemmend sind (z.B. Dürren in Burkina Faso und
Sambia; El Niño in Bolivien)
Wachstum des realen BIP, Referenz vs. El Niño
(in Prozent)
7
6
5
4
3
2
1
0
1
2
3
4
Base
Quelle: Eigene Berechnungen.
5
6
7
El Niño
8
9
10
Armuts- und Verteilungsindikatoren, Referenz vs. El Niño
Referenz
Basisjahr
Letztes Jahr
Veränderung in Prozentpunkten
(letztes Jahr)
El Niño
National
P0
P1
Gini
63.6
37.5
62.7
55.5
31.9
63.2
1.0
1.2
0.2
Urban
P0
P1
Gini
49.7
21.9
54.4
39.6
16.3
54.9
0.8
0.9
0.1
Rural
P0
P1
Gini
86.9
63.7
64.5
82.3
58.2
64.8
1.3
1.6
0.4
P0 bezeichnet die Armutsrate, P1 die Armutslücke und Gini den GiniKoeffizienten.
Determinanten von PPG (2):
Quellen des Wachstums
Es ist wichtig nach dem Entwicklungsstand zu unterscheiden

Aufstrebende Niedrigeinkommensländer Asiens:



Niedrig- und Mitteleinkommensländer Lateinamerikas:



Starker Anstieg der landwirtschaftlichen Produktivität
In Vietnam: Landreform sowie Handels- und Preisliberalisierung
Gute Entwicklung des Sekundär- und Tertiärsektors → verstärkte
Land-Stadt-Migration → höhere Arbeitsproduktivität in der
Landwirtschaft
Aber Problem: Ungleiche Landverteilung
Niedrigeinkommensländer Afrikas:

Sehr langsame Erhöhung und teilweise sogar stagnierende
Entwicklung der Produktivität in der Landwirtschaft hat dazu geführt,
dass Wachstum nur wenig breitenwirksam war
Politikoptionen für die Landwirtschaft





Anreize schaffen, die alle Bauern begünstigen (in
Uganda z.B. beschränkten sich Agrarmarktreformen
weitgehend auf export crops)
Eigentumsrechte an Boden stärken (Positivbeispiel:
Vietnam; Negativbeispiele: Uganda, Burkina Faso)
Kleinbauern den Zugang zu modernen Technologien
ermöglichen (Positivbeispiel: Indonesien)
Kleinbauern bei der Bewältigung von Risiken
unterstützen (z.B. saisonale Sicherheitsnetze für arme
Bauern bei Überflutungen in Bangladesch;
Lagermöglichkeiten zur Glättung saisonaler
Schwankungen in Burkina Faso)
Transaktionskosten senken und Marktzugang verbessern
Politikoptionen außerhalb der
Landwirtschaft




Investitionsklima verbessern (makroökonomische
Stabilität, etc.)
Zugang zu Infrastruktur verbessern
(Verbindungsstraßen zwischen Dörfern, Kleinstädten
und urbanen Zentren; Elektrizität)
Zugang zu Sekundarbildung verbessern, insb. für
Mädchen (in Bolivien und Uganda waren extreme
Ungleichheiten in der Sekundarbildung mit einem
Anstieg der städtischen Ungleichheit verbunden)
Arbeitsmarktsegmentierungen abbauen (z.B. in
Bolivien und Rumänien)
Wachstum des realen BIP, Referenz vs.
Arbeitsmarktreformen (in Prozent)
7
6
5
4
3
2
1
0
1
2
3
Base
4
5
6
7
8
9
Labor Market
10
Armuts- und Verteilungsindikatoren,
Referenz vs. Arbeitsmarktreformen
Veränderung in
Prozentpunkten
(letztes Jahr)
Referenz
Basisjahr
P0
P1
Gini
63.6
37.5
62.7
Letztes
Jahr
National
55.5
31.9
63.2
Arbeitsmarkt
–0.8
–0.5
0.2
Urban
P0
P1
Gini
49.7
21.9
54.4
–1.4
–0.9
0.1
39.6
16.3
54.9
Rural
P0
P1
Gini
86.9
63.7
64.5
82.3
58.2
64.8
0.0
–0.2
0.0
Fazit
Entgegen der im so genannten ‚Washington
Consensus‘ vorherrschenden Meinung, sollte
der Staat eine aktive Rolle nicht nur bei der
Schaffung von Rahmenbedingungen spielen,
sondern auch bei der Unterstützung des
Wachstums in Sektoren, in denen die
Armutswirkung am größten ist, sowie bei der
Bereitstellung von Investitionen in Gesundheit,
Bildung und Infrastruktur
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