Augenspiegeln Wozu brauche ich das? Kann das nicht der Augenarzt machen? Mit diesem Argument lässt sich jedes Element einer klinischen Untersuchung einsparen: Sonographie statt Palpieren, Echokardiographie statt Herzauskultation, Röntgenthorax statt Auskultation und Perkussion der Lunge usw. Nirgendwo sonst kann man Arteriolen in vivo sehen. Man sieht mit einem Blick, ob ein Hypertonus Schaden angerichtet hat oder ob eine diabetische Retinopathie besteht. Im Notdienst erkennt man Stauungspapillen. Und man wird das eine oder andere Glaukom entdecken und damit einer rechtzeitigen Behandlung zuführen. Es kann sein, dass sich Augenärzte mokieren. „Direkt Spiegeln, wer macht denn so was noch?“ Diese Kollegen liegen schief: Kein Verfahren liefert ein so ruhiges und so stark vergrößertes Bild. Wahre Profis unter den Augenärzten nutzen den direkten Spiegel. In der Tat, früher wurde nur direkt gespiegelt. Mit dem Aufschwung der Retinologie in den 70er Jahren musste man den peripheren Fundus sehen und das indirekte Spiegeln wurde Mode. Es ist schwieriger zu erlernen, deshalb hielten sich die für die besseren Augenärzte, die es konnten (zu Recht!). Manche übertrieben aber und gaben das direkte Spiegeln zu Gunsten vom indirekten Spiegeln und Kontaktglas ganz auf. Zu Unrecht. Hier geht es nur um das direkte Spiegeln. Hermann von Helmholtz Augenspiegeln Das direkte Augenspiegeln mit dem von Charles Babbage 1847 Charles Babbage ausgedachten, von Hermann von Helmholtz 1851 in die Medizin eingeführten und von Albrecht von Graefe zur praktischen Anwendung gebrachten Ophthalmoskop hat zwei Vorteile: • Es ist einfach zu erlernen • Es liefert ein vergrößertes, ruhiges Bild Es hat aber auch Nachteile: • Man sieht nicht stereoskopisch • Die Peripherie ist nicht einzusehen Albrecht von Graefe • Die Ansteckungsgefahr bei einer Grippewelle ist beträchtlich Auf die dritte Dimension muss man rückschließen und periphere Netzhautlöcher wird man kaum finden. Vor und nach dem direkten Ophthalmoskopieren empfiehlt es sich, die Hände zu desinfizieren. Ein normalsichtiger Untersucher könnte den Fundus seines normalsichtigen Gegenübers ohne Hilfsmittel durch die Pupille sehen, wäre es im Auge nicht so dunkel. Der Zweck des Augenspiegels ist es, Licht ins Auge zu bringen. Weil die Pupille selbst erweitert sehr klein ist, müssen Lichtstrahl und Blicklinie des des Untersuchers so gut es geht zusammenfallen. Darin liegt das Problem. Trifft der Lichtstrahl auf ein Hindernis, üblicherweise der Pupillenrand oder eine Wimper, wird er geradewegs ins Auge des Untersuchers reflektiert und blendet störend. An störenden Reflexen vorbeizuschauen, ist deshalb die eigentliche Kunst des direkten Spiegelns, insbesondere, wenn die Pupille eng ist. Der Augenspiegel ist kein Spiegel, er ist eigentlich nur ein Loch zum Durchschauen, in dem sich eine Lichtquelle befindet. Diese Lichtquelle wird praktischerweise mit einem Spiegel umgelenkt. Spiegel Lichtquelle Auf dieser Skizze ist das Auge des Untersuchers eingezeichnet. Diese Anordnung hat sich sehr bewährt: Würde man von der anderen Seite schauen, sähe man nur ein helles Licht. Zuerst sollte man deshalb prüfen, wo beim Augenspiegel vorne und hinten ist. Nun mache man sich mit den verschiedenen Bedienelementen vertraut, die entweder vorne oder an der Seite zu finden sind. 3 1 Man kann verschiedene Blenden einstellen, das geschieht mit dem Rad 1. Je kleiner die Blende, desto weniger wird man von Reflexen geplagt, desto kleiner aber auch das Feld, das man überblickt. Besonderes günstig ist der Halbkreis, da er den Beobachtungs- und BeleuchtungsStrahlengang ein wenig trennt. Es gibt auch Farbfilter (die auch separat untergebracht sein können, wie hier, 2), 2 1 3 Fixationsmarken, oder einen Spalt, der aber so gut wie nie verwendet wird. Die wichtigste Einstellmöglichkeit ist das große Rändelrad an der Seite, 3. Dahinter verbirgt sich ein veritabler Brillenkasten mit Minus- und Plusgläsern, deren Stärke man in einem Fensterchen auf der Rückseite ablesen kann (ein Sehtest für den Untersucher). Minus ist meistens rot. Diese braucht man, falls Untersucher oder Untersuchter nicht normalsichtig sind, was eher die Regel als die Ausnahme ist. Diese Scheibe wird Recossscheibe genannt. Was stellt man nun ein? Die Summe der Refraktion der Beteiligten. Hat der Untersucher – 2 dpt und der Untersuchte – 3 dpt, braucht man – 5 dpt. Mathematisch: – 2 + (–3) = – 5 Hat der Untersucher +1 und der Untersuchte – 4, ergibt sich –3. Astigmatismen fallen unter den Tisch. Refraktion Tipp: Da man, immer wenn man in ein Gerät schaut, dazu tendiert zu akkommodieren (solange man es noch kann), sollte man sich –2 dpt mehr gönnen, die man dann wegakkommodiert. Der erste Versuch: Recoss-Scheibe auf 0 (für Brillenträger: Brille ab und Brillenwert mit der Recoss-Scheibe einstellen; Kontaktlinsenträger gelten als normalsichtig, solange sie die Linsen tragen): Jetzt müssten Sie durch den Augenspiegel im Zimmer umherschauen können. Wenn Sie nichts sehen, gibt es zwei Möglichkeiten: (1) Sie schauen nicht richtig durch die Öffnung (2), das Schutzglas der Öffnung ist verschmutzt. Das können Sie mit einem weichen Tuch beheben (Achtung, optische Flächen nicht zerkratzen!). Bei (1) hilft Probieren. Wenn Sie etwas sehen, aber alles unscharf ist, gibt es wieder 2 Möglichkeiten: (1) Sie haben einen falschen Wert eingestellt, (2) Sie brauchen eine Brille oder Ihre Brille stimmt nicht. Beides klären Sie durch Nachprüfen. Nur wenn Sie mit dem Augenspiegel in größerer Entfernung scharf sehen, hat es Sinn, weiterzumachen! Der Untersuchte muss weit gestellte Pupillen haben, sonst sieht man bei den ersten Versuchen wenig bis gar nichts. Zur Pupillenerweiterung nimmt man entweder Tropicamid 0,5% (= Mydriaticum) oder Phenylephrin 5% (z.B. Neo-Synephrin). Letzteres hat den Vorteil, dass die Akkommodation erhalten bleibt, aber den Nachteil, dass die Lichtreaktion der Pupille nicht völlig blockiert wird. Deshalb nimmt man meistens Tropicamid. Beide wirken 4-6 h. Hauptrisiko ist der Glaukomanfall. Damit ist aber bei jungen Patienten kaum zu rechnen. Bei über 50jährigen kann das Risiko auf 1/10 000 bis 1/1000 geschätzt werden. Man muss die Symptome kennen und wissen, dass man Diamox iv gibt und den Patienten einweist. Keine Panik! Es ist besser, ein Glaukomanfall wird durch medikamentöse Mydriasis provoziert, als dass er spontan auftritt. Denn dann weiß man, worum es sich handelt. Tritt er spontan auf, landet der Patient nicht selten bei der Kernspintomographie oder in der Abdominalchirurgie wegen der begleitenden Übelkeit. Jetzt wird es Ernst. So wie nebenan halten Sie das Ophthalmoskop, den Zeigefinger am Rändelrad. Der Mittelfinger wartet darauf, sich am Jochbein des Ophthalmoskopierten abstützen zu dürfen. Man spiegelt beidhändig und beidäugig: Rechtes Auge mit rechts, linkes Auge mit links. Alles andere führt zu Nasenproblemen. Wer partout nur ein Auge gebrauchen kann (auch Training hat nicht geholfen), muss sich ziemlich verrenken, wenn er auf der „falschen“ Seite spiegelt. Unser Opfer schaut gefasst geradeaus, die Augen offen (anders geht es wirklich nicht). Wir schauen aus 1 m. Dann sollte die weit getropfte Pupille heftig rot aufleuchten. Tut sie es nicht, gibt es 3 Möglichkeiten: (1) Sie schauen falsch durch den Augenspiegel; (2) Sie haben vergessen, das Licht einzuschalten; (3) der oder die zu Spiegelnde hat ein Problem mit den brechenden Medien, etwa einen Grauen Star. (Aha, stellt man fest: Das sieht man also auch mit dem Ophthalmoskop! Tatsächlich: kann aus 1 m Medientrübungen sehen!) Leuchtet der Fundus blaugrün statt rot auf, spiegeln sie vermutlich Ihre Katze. So sollte es aussehen: 15° Unser erstes Besuchsziel im Fundus ist die Papille. Bekanntlich tritt der Sehnerv nasal der Fovea in den Bulbus ein, etwa 15°. Also nähere man sich, während der Untersuchte strikt geradeaus blickt, von temporal. Das Auge muss dabei rot bleiben. Irgendwann sollte man nun mehr als Rot sehen, etwa ein Blutgefäß . Wenn man so etwas sieht ist man auf dem richtigen Weg. Aber: je weiter weg, desto kleiner der Ausschnitt. Nah ran! bis der Mittelfinger sich am Jochbein abstützen kann. Wie findet man die Papille? Man folgt den Gefäßen. Sieht man wie hier, dass sie in eine Richtung konvergieren, dann nehme man diese Richtung. So nah kommt man sich beim direkten Augenspiegeln, wenn man es richtig macht! Beim indirekten Spiegeln ist die Distanz größer. Daumen und Zeigefinger halten die Lupe, der kleine Finger stützt sich an der Stirn ab. Die Lupe muss in alle Raumebenen gekippt werden, bis der Fokus genau in der Pupille des Patienten liegt. Anfänger kommen mit etwa 15 dpt am besten zurecht. x So sähe der Fundus insgesamt aus. Aber die größten Blenden unserer Augenspiegel bieten einen Bildausschnitt von nur etwa 10°, von denen wir meist noch einiges verschenken, weil wir zu weit weg sind. Viel mehr als den Kreis gibt es selten zu sehen. Man muss demnach umherschauen. Wenn wir die Papille gefunden haben, beurteilen wir sie (das kommt später). Als nächstes suchen wir die Makula (x). Das geht einfach: „Schauen Sie mitten ins Licht!“ Wir beurteilen die Makula (ist ein kleiner Foveolarreflex vorhanden? - das spricht für Normalbefund). Dann wandern wir zwischen Papille und Makula hin und her, denn dort finden sich häufig die ersten Mikroaneurysmen des Diabetikers und die harten Exsudate des Hypertonikers. Als nächstes beurteilt man die Gefäße. Die Venen sind breiter und dunkler als die Arterien. Arterien haben einen deutlichen „Mittelstreifen“. Arterie Vene Beim Hypertoniker werden die Arterien länger. Das bedeutet, sie schlängeln sich in allen Raumebenen vermehrt. In der retinalen Ebene äußert sich dies in einem unregelmäßigen Mittelstreifen. Typisch sind auch OmegaTeilungen der Arterien, auch Zeichen des erhöhten Platzbedarf. Und schließlich noch die Gunnschen Kreuzungszeichen. Ein hartes Exsudat zeigt eine definitiv unzureichende Blutdruckeinstellung an Vene Omega-T. Hartes Exsudat. Arterie Papillenbeurteilung Normaler Befund: oben, unten und nasal kann eine Papille durchaus leicht randunscharf sein. Der helle die Papille umgebende Rand x ist ein sogenannter Konus. Netzhaut und Aderhaut sind ein wenig zu klein geraten, so dass sie das Auge nicht ganz auskleiden und etwas Aderhaut durchschimmert. x x Normaler Befund: x ist ein so genannter Pigmentkonus. Auch hier hapert es ein wenig mit dem passgenauen Zuschnitt von der Schichten des Augenhintergrundes: Netzhaut, Pigmentepithel und Aderhaut. Überschüssiges Pigmentepithel wird sichtbar. Papillenbeurteilung Diese Papille sieht auf den ersten Blick normal aus, aber die Exkavation beunruhigt und wäre Anlass den Augendruck zu prüfen. x x Bei der weißen flammenartigen Struktur handelt es sich um markhaltige Nervenfasern. Normalerweise verlieren die Sehnervenfasern beim Eintritt in das Auge ihre Markscheiden, manchmal reichen die Markscheiden bis ins Auge. Es handelt sich um eine harmlose Anomalie. Papillenbeurteilung Randschärfe oben und unten oft unscharf je kleiner, desto unschärfer Prominenz Papillenbeurteilung Gefäße klar sichtbar durch Ödem obskuriert? Papillenbeurteilung Gefäße klar sichtbar durch Ödem obskuriert? Papillenbeurteilung Gefäße Kapillarektasien Blutungen Exsudate Venenpuls Papillenbeurteilung Farbe normal hyperämisch zu blass Atrophiemuster Papillenbeurteilung Farbe normal hyperämisch zu blass Exkavation Papillenbeurteilung Farbe normal hyperämisch zu blass Exkavation Papillenbeurteilung Farbe normal hyperämisch zu blass Exkavation isn’t-Regel: inferior-superior-nasal-temporal Randsaum unten am breitesten, temporal am schmälsten Papillenbeurteilung Farbe normal hyperämisch zu blass Exkavation Glaukom! Abknickende Gefäße Makula Diese Papille sieht auf den ersten Blick normal aus, aber die Exkavation beunruhigt und wäre Anlass den Augendruck zu prüfen. Makulaveränderung, hier nach Makulaödem Das reicht nun zur ersten Orientierung. Mit den beiden Präsentationen „Papillenbeurteilung allgemein“ und „Glaukompapille?“ können Sie weiter üben.