Sehverschlechterung als Leitsymptom der Lues C. Guhl¹, G. Kann², W. J. Heinz¹, R. Winzer¹, P. Langmann3, T. Klink2, H. Klinker¹ ¹ Medizinische Klinik und Poliklinik II, Infektiologie, Universität Würzburg ² Universitätsaugenklinik, Würzburg 33 Internistische Praxis, Am Tiefen Weg, 97753 Karlstadt Hintergrund Die Syphilis gewinnt durch eine ansteigende Inzidenz wieder an Bedeutung. Insbesondere homosexuelle Männer sind betroffen, häufig besteht eine HIVKoinfektion. Treponema pallidum wird mit hoher Kontagiosität sexuell übertragen und verläuft typischerweise in drei Stadien (I: Primäraffekt/-komplex, II: hämatogene Dissemination, III: Persistenz mit Gefäßschäden, neurologischer Symptomatik oder Gummata). Wegen der Beteiligung unterschiedlicher Organsysteme und unspezifischer Symptome ist die Diagnosefindung oft erschwert. Im Rahmen der hämatogenen Aussaat im Stadium II finden sich insbesondere generalisierte Exantheme, Enantheme, eine Lymphadenitis sowie Allgemeinsymptome (Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust etc.). Daneben werden auch Condyloma lata, Aloplezie oder unspezifische neurologische Veränderungen beobachtet. Isolierte okuläre Manifestationen wurden bislang nur in Einzelfällen beschrieben. B. S., 41 J, ♂ Visusminderung seit 6 Wochen zunehmend, bei Aufnahme Amaurosis rechts. Seit 4 Monaten schuppiges Ekzem an Händen und Füßen. Chorioretinitis beidseits. Erstdiagnose Hepatitis B und HIV-Infektion. Negative CMV-DNA. Positive Lues-Serologie. Wegen ophtalmologisch schwer zuzuordnender RetinaVeränderungen und der Schwere der Erkrankung Therapie mit Penicillin, Steroiden und Foscarnet. Im weiteren Verlauf deutliche Visusbesserung unter Penicillingabe. Abb. 3: RA ? rechtes Auge: Pfeile: Ghost vessels, Pfeilspitzen: nasal und inferior randunscharfe leicht prominente Papille Fallberichte Wir berichten über vier männliche Patienten, die sich wegen einer schmerzlosen Visusminderung beim Augenarzt vorstellten. Der ophthalmologische Status zeigte in allen Fällen schwerste Entzündungen des vorderen und hinteren Augensegmentes (Panuveitis). Bei drei der Patienten waren zu keiner Zeit andere wegweisende Symptome, insbesondere an der Haut, aufgetreten. Zwei Patienten mit HIV-Koinfektion wurden bei Verdacht auf eine CMV-Reaktivierung zunächst empirisch mit Foscarnet behandelt. Erst 3 bis 7 Wochen nach Beschwerdebeginn wurde mittels positiver Serologie eine Lues im Stadium II als Ursache der Panuveitis nachgewiesen. Bei allen vier Patienten kam es unter der Therapie mit Penicillin G rasch zu einer Visusbesserung. K. G., 47 J, ♂ Visusminderung rechts seit ca. 5 Wochen. Auf Nachfrage bei Stress Exanthem am Stamm und im Gesicht sowie 1,5 Jahre zuvor selbst limitierend genitale Veränderungen ungeklärter Genese. Chorioretinitis des rechten Auges, bei positiver Lues-Serologie Therapie mit Penicillin G, hierunter Befundormalisierung. HIV-Erstdiagnose. Abb. 1: RA LA T. T., 38J, ♂ Verschwommensehen seit ca. 1,5 Monaten, zunehmende Visusminderung. Primäre augenärztliche Diagnose Iridozyklitis, ambulante Therapie erfolglos. Bekannte HIV-Infektion, antiretroviral behandelt, strukturierte Therapiepause seit 2 Monaten, HI-Viruslast unter Nachweisgrenze (!), CD4-Zellen 651/µl. Initial empirisch Foscarnet-Therapie, bei positiver Lues-Serologie und negativer CMVDNA Umstellung auf Penicillin G mit Visusbesserung. Abb. 4: RA RA * * * * A1: Erstbefund: rechtes Auge zentral: reduzierter Einblick bei dezenter diffuser Glaskörpertrübung; Pfeile: Netzhautinfiltrat; Pfeilspitzen: zirkulär randunscharfe, leicht prominente Papille RA A: rechtes Auge: reduzierter Einblick bei diffusen Glaskörpertrübungen; Pfeilspitzen: zirkulär randunscharfe Papille, Pfeil: Ghost vessels (nicht durchblutete okkludierte Gefäße) RA B: linkes Auge: Normalbefund B1: 8 Tage später: rechtes Auge zentral: reduzierter Einblick bei dezenten diffusen Glaskörpertrübungen; Pfeile: Netzhautinfiltrate, Pfeilspitzen: zirkulär randunscharfe, leicht prominente Papille H. W., 38 J, ♂ Visusminderung rechtes Auge. Keine Allgemeinsymptome. Am rechten Auge Papillitis und Uveitis mit Glaskörperinfiltrationen. Initial lokale antiinflammatorische Therapie, subkonjunktival und systemisch Steroide und empirisch i. v.-Gabe von Aciclovir. Nach positiver Lues-Serologie Umstellung auf Penicillin G und deutliche Befundbesserung. HIV-Erstdiagnose. Abb. 2: RA A2: Erstbefund: rechtes Auge Netzhautperipherie: Stern: ausgeprägte Glaskörperinfiltrate, Pfeilspitze: Fleckblutungen, Pfeile: Gefäßeinschneidungen LA B2: 8 Tage später: rechtes Netzhautperipherie: Pfeile: lokalisierte Glaskörperinfiltrate RA C: 4 Wochen später: rechtes Auge Netzhautperipherie: Glaskörperinfiltrat weiter rückläufig Schlussfolgerung A: rechtes Auge: dezente, diffuse Glaskörpertrübungen, reduzierter Einblick; Pfeilspitzen: zirkulär randunscharfe, leicht prominente Papille B: linkes Auge: Normalbefund C: Angiographie: Gefäßleckage Bei entzündlicher Störung der Blut-Retina-Schranke Eine Lues kann sich mit einer Visusminderung als einzigem Symptom manifestieren. Die okuläre Manifestation kann alle Augenabschnitte betreffen und ist daher zunächst nicht wegweisend. Ein atypischer Verlauf der Lues wird vor allem bei Erkrankungen des Immunsystems wie einer HIV-Koinfektion beobachtet. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Inzidenz sollte daher bei unklaren Augenaffektionen, insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Risiko, die Syphilis in die Differenzialdiagnose einbezogen und stets eine Luesserologie durchgeführt werden.