Methoden der Chemie III WS 2009/10

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Methoden der Chemie III – Teil 1
Modul M.Che.1101 WS 2010/11 – 1
Moderne Methoden der Anorganischen Chemie
Mi 10:15-12:00, Hörsaal II
George Sheldrick
[email protected]
Teil. 1. Kristallstrukturbestimmung
Die Vorlesungen werden je ca. 50 Minuten dauern, gefolgt von eine
Übung im gleichen Hörsaal (ca. 40 Minuten). Jede Übung wird mit 0
bis 2 Punkten belohnt. Diese Punkte werden 24% der Praktikumsnote
ausmachen. Maximal 24 Punkte werden angerechnet (theoretisch
wären für die 13 Übungen 26 möglich).
Das Praktikum dauert eine Woche (5 Tage, 13 bis 18 Uhr). Es wird in
Zweiergruppen gearbeitet und es können maximal 10 Studierende pro
Woche das Praktikum absolvieren. Zwei Termine sind im März und
vier im Sommersemester vorgesehen. Die Anmeldung erfolgt über
Stud-IP. Jede Gruppe fängt montags an und jede/r Studierende wird
an dem Freitag seine/ihre Ergebnisse kurz vorstellen und ein paar
Fragen dazu beantworten. Die Übungspunkte, die Präsentation und
das Praktikumsprotokoll bilden die Grundlage der Benotung.
Teil 2 (Meyer/Demeshko, Spektroskopische Methoden) findet
Donnerstags 10:15-12:00 statt, gefolgt von einem eigenen Praktikum.
Die Klausur (für beide Teile zusammen) findet an Mittwoch, dem 2.
März und die Wiederholungsklausur an Mittwoch, dem 6. April 2011
statt.
Warum Kristallstrukturbestimmung?
Mit Kernresonanz kann man die ‚Strichformel‘ eines organischen
Moleküls bestimmen, aber – ohne Hilfe eines Kraftfeldes – keine
Bindungslängen und -winkel bestimmen.
Röntgenstrukturbestimmung ist nicht immer die genaueste Methode,
Bindungslängen zu bestimmen. Für sehr kleine Moleküle kann die
Rotationsspektroskopie
oder
sogar
Elektronenbeugung
im
Gaszustand genauer sein.
Aber die Bestimmung von dreidimensionalen Kristallstrukturen mit
Hilfe der Röntgenbeugung ist auch für sehr große Strukturen
(Proteine, DNA, Viren...) geeignet, und sehr breit einsetzbar, z. B. für
Mineralien, metallorganische Verbindungen oder Naturstoffe.
Kristallstrukturen sind sehr objektiv und nach 50 Jahren immer noch
gültig. Vor allem anorganische und metallorganische Zeitschriften
verlangen Kristallstrukturen als einen Beweis dafür, dass man eine
Verbindung tatsächlich synthetisiert hat.
Aber: Für die Kristallstrukturbestimmung sind Kristalle unbedingt
erforderlich!
Nobelpreise für Kristallographen
1914 M. von Laue
1915 W.H. Bragg und W.L. Bragg
1954 L. Pauling
1962 J.C. Kendrew, M. Perutz, F. Crick, J.D. Watson und M.H.F. Wilkins
1964 Dorothy C. Hodgkin
1976 W.N. Lipscomb
1982 A. Klug
1985 H.A. Hauptman und J. Karle
1988 J. Deisenhofer, R. Huber und H. Michel
1997 J.E. Walker
2003 P. Agre und R. MacKinnon
2006 R. Kornberg
2009 V. Ramakrishnan, T.A. Steiz und Ada Yonath
RNA-Polymerase II
Der Preis für Chemie 2006 ging an Roger Kornberg (Stanford, USA)
für seine Kristallstrukturen von RNA-Polymerase II in Aktion:
RNA wird synthetisiert
DNA (Bauplan)
Enzym
(ProteinKatalysator)
Das Ribosom
Der Preis für Chemie 2009 ging an Venkatraman Ramakrishnan (MRC
Cambridge, UK), Thomas A. Steitz (Yale, USA) und Ada Yonath
(Weizmann Institut, Israel) für die Aufklärung der Struktur des
Ribosoms durch Röntgenbeugung an Kristallen.
Kleine Untereinheit: PDB 1fka, 24982
Atome, Auflösung 3.3 Å, P41212,
a = b = 496, c = 173 Å. Orange: RNA
(ca. 90%), blau: Protein.
Große Untereinheit: PDB 1ffk, 64268
Atome, Auflösung 2.4 Å, C2221,
a = 212, b = 300, c = 574 Å.
RCSB PDB: http://www.rcsb.org/
Kristallstrukturbestimmung: Literatur
Das mit Abstand geeignetste Buch für diesen Kurs ist: W. Massa,
Kristallstrukturbestimmung, 6. Auflage Sept. 2009, Teubner Verlag,
ISBN 978-3834806499, ca. 36 Euro.
Exemplare dieser Monographie befinden sich in der AC Bibliothek;
der Bibliothekar Herr Wöske kann Ihnen helfen, sie zu finden.
Biomolecular Crystallography von Bernhard Rupp, 1. Auflage 2010,
Garland Science, ISBN 978-0815340812 (ca. 90 Euro) ist eine
umfassende, aktuelle und gut lesbare Beschreibung der
Kristallstrukturbestimmung von biologischen Molekülen.
Für die ersten zwei Vorlesungen (Punktgruppen) gibt es ein
besonders schönes Online-Tutorial:
http://symmetry.otterbein.edu/
Sprechstunde: Dienstags 8:30-9:30 im Zimmer 333 der AC
Symmetrie und Punktgruppen
Die Symmetrie eines Moleküls wird mit einer Punktgruppe beschrieben.
Nur zwei-, drei-, vier- und sechszählige Achsen sind mit einem
Kristallgitter kompatibel, mit der Folge, dass nur 32 dieser
Punktgruppen (die so genannten kristallographischen Punktgruppen)
die Grundlage der 230 Raumgruppen bilden, die die Symmetrie von
dreidimensionalen periodischen Strukturen beschreiben.
Es ist nicht möglich, ein periodisches
Muster miy fünfzähligen Achsen zu
erzeugen.
Symmetrieelemente
O
H
180º
H
C2
N
H
H
120º
C3
H
Das H2O Molekül besitzt eine C2-Drehachse
entlang der Winkelhalbierenden, und zwei
Spiegelebenen, die sich in der Drehachse
treffen. Die Punktgruppe lautet C2v oder mm2.
Jede Kombination zweier dieser Elemente
würde das Dritte erzeugen.
Das NH3 Molekül besitzt eine C3-Drehachse
und drei Spiegelebenen, die sich in der
Drehachse treffen. Die Punktgruppe lautet C3v
oder 3m.
Kombinationen von Symmetrieelementen
Die Kombination zweier Symmetrieelemente erzeugt immer ein Drittes,
zum Beispiel führt eine zweizählige Achse in der Ebene einer
Spiegelebene (C2v) zu einer weiteren Spiegelebene (wie im alternativen
Namen 2mm sichtbar ist).
a
+ –
d
– +c
II
I
b
Zwei zweizählige Achsen senkrecht zueinander
erzeugen eine Dritte, senkrecht zu beiden. Die
Achse I wandelt Punkt a (‘+’ bedeutet, dass er
oberhalb der Ebene liegt) in Punkt b. Die Achse
II wandelt b in c. Die Transformation a → c
entspricht einer neuen zweizähligen Achse
senkrecht zu a und b.
Eine
zweizählige
Achse
(oder
eine
höhere
geradzahlige
Symmetrieachse) senkrecht zu einer Spiegelebene führt automatisch
zu einem Inversionszentrum. Zwei Spiegelebene erzeugen stets eine
Drehachse entlang der Schnittkante.
Schönflies und Hermann-Mauguin
Das Schönflies-System wird meist von Spektroskopikern und das
Hermann-Mauguin-System von Kristallographen benutzt. Beide
Systeme sind etwas gewöhnungsbedürftig. Ein Inversionszentrum
heißt ‚i‘ (S) oder ‚1‘ (H-M). Bei einer vertikalen Hauptachse heißen
vertikale Spiegelebenen ‚v‘ bzw. ‚m‘; horizontale Spiegelebene sind ‚h‘
bzw. ‚/m‘. Eine N-zählige Drehachse heißt CN (S) oder N (H-M).
Beispiele:
C1=1; C2=2; C3=3; C4=4; Ci=1; Cs=m; C2v=2mm; C2h=2/m
[Cs heißt auch C1v und 2mm kann mm2 genannt werden].
Schönflies und Hermann-Mauguin (fort.)
Das Schönflies und das Hermann-Mauguin System sind sich weniger
ähnlich, wenn zusätzliche zweizählige Drehachsen senkrecht zur
Hauptachse stehen. Die Hauptachse heißt dann D statt C (S) bzw. eine
oder zwei Ziffern ‘2’ folgen nach der Hauptachse (H-M).
Z.B. D2=222, D3=32, D4=422.
Das H-M System ist hier etwas verwirrend.
Auf ‚2‘ wird verzichtet, wenn die zusätzliche
zweizählige Achse einfach durch Drehung
um die Hauptachse entsteht (z.B. ‚32‘), aber
nicht wenn sie anderweitig zustande kommt
(z.B. ‚222‘ und ‚422’). Die Kombination 42
erzeugt weitere zweizählige Achsen sowohl
senkrecht zu 4 und 2 als auch um 45º zu 2
und senkrecht zu 4.
C2
C2
C2
C4
C2
Weitere D-Punktgruppen (1)
Eine DN-Punktgruppe besitzt sowohl eine CN-Achse als auch
zweizählige Achsen senkrecht dazu. Wenn vertikale Spiegelebenen
vorhanden sind (zwischen den zweizähligen Achsen), aber keine
horizontale Spiegelebene, dann heißt die Punktgruppe DNd. Wenn
sowohl vertikale als auch horizontale Spiegelebenen vorhanden sind,
heißt sie DNh. Beispiele:
F
O
O
Fe
O
F
O
O
F
]3–
[Fe(ox)3
D3=32
H 2C
H2C
P
F
O
CH2
H2C
F
PF5
D3h=6m2
CH2
CH2
C6H12 (Cyclohexan)
D3d=3m
Weitere D-Punktgruppen (2)
In der Punktgruppe D2d ist eine der drei zweizähligen Achsen anders
als die zwei, die senkrecht zu ihr stehen – sie ist nämlich auch eine S4
(4) Achse. In D2h=mmm dagegen sind alle drei zweizähligen Achsen
gleichberechtigt. B2Cl4 kann beide dieser Punkgruppen einnehmen, je
nachdem, ob es sich im Gaszustand oder im Kristall befindet:
Cl
Cl
Cl
B
Cl
B
B2Cl4 (Gas)
B
B
Cl
Cl
B2Cl4 (Kristall)
D2h=mmm
Cl Cl
D2d=42m
Die 32 kristallographischen Punktgruppen
Schönflies HermannMauguin
C1
Ci
C2
Cs=C1v
C2h
C2v
D2
D2h
C4
S4
D4
C4v
C4h
D2d
D4h
1
1
2
m
2/m
mm2
222
mmm
4
4
422
4mm
4/m
42m
4/mmm
C3
C3i=S6
D3
C3v
D3d
C6
C3h
D6
D3h
C6h
C6v
D6h
T
Th
Td
O
Oh
3
3
32
3m
3m
6
6
622
6m2
6/m
6mm
6/mmm
23
m3
43m
432
m3m
Übungsfragen
Welche Symmetrieelemente und Punktgruppen (nach beiden
Systemen) besitzen:
1) H2O2 (gauche)
2) SF4
3) B2H6
4) C2H6 (gestaffelt und ekliptisch)
5) H2C=C=CH2
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