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KörperSpuren
Helmut Milz, Cortona 2006
Eve Arnold, Retired Worker, China 1979
Paul Klee, Hat Kopf, Hand, Fuss und Herz
Robert Gernhardt:
Siebenmal mein Körper
.
Mein Körper ist ein schutzlos Ding,
ein Glück das er mich hat.
Ich hülle ihn in Tuch und Garn
und mach ihn täglich satt.
•
Mein Körper ist voll Unvernunft,
ist gierig, faul und geil.
Tagtäglich geht er mehr kaputt,
ich mach ihn wieder heil.
Mein Körper hat es gut mit mir,
ich geb ihm Brot und Wein.
Er kriegt von beidem nie genug,
und nachher muß er spein.
•
Mein Körper kennt nicht Maß noch
Dank,
er tut mir manchmal weh.
Ich bring ihn trotzdem übern Berg
und fahr ihn übern See.
•
Mein Körper ist so unsozial.
Ich rede, er bleibt stumm.
Ich leb ein Leben lang für ihn.
Er bringt mich langsam um.
Mein Körper hält sich nicht an mich,
er tut, was ich nicht darf.
ich wärme mich an Bild, Wort, Klang,
ihn machen Körper scharf.
Mein Körper macht nur,
was er will,
macht Schmutz, Schweiß, Haar und
Horn.
Ich wasche und beschneide ihn
von hinten und von vorn.
Im Wohl-befinden ist unser Körper „nicht da“ („disappearance“). Erist im leiblichen Geschehen aufgehoben.
Erst im Miss-befinden „taucht er auf“ („dys-appearance“). ,
als eine eigentümliche Mischung aus „fremdem“ Objekt und
eigenem Selbst
J. W. v.Goethe :
Epirrhema
Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet, ohne Säumnis,
Heilig öffentlich Geheimnis.
Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ersten Spieles:
Kein Lebendiges ist ein Eins,
Immer ist's ein Vieles.
Unterschiedliche Perspektiven von KörperSpuren
• 1) Wir leben und erleben uns aus der 1. Person Perspektive, als
leibhaftige Subjekte, hier und jetzt, und mit einer jeweils besonderen
Lebensgeschichte.
(„Ich bin Leib“ / „embodiment“)
• 2) Was zwischen uns und unseren Körpern geschieht, verbindet uns
und öffnet die 2. Person Perspektive.
(„Wir tauschen uns zwischen-leiblich aus“ / „inter-being“)
• 3) Wir können uns und Andere von Außen, aus der 3. Person
Perspektive, als Objekte betrachten und behandeln. („Wir haben
Körper“ / „the body“)
Unterschiedliche Zeichen, Symbole, Codes dieser
Perspektiven
1) Erste Person Perspektive (Leib sein / embodiment):
Subjektive Wahrnehmung am eigenen Leibe – Bedeutungen von
Empfindungen- biografisch/kontextuelles Gedächtnis
2) Zweite Person- Perspektiven (Zwischen -leiblichkeit / inter-being):
Gegenseitige Wahrnehmung – nonverbale Körpersprache –
soziokulturelle Regeln
3) Dritte Person- Perspektive (Körper haben / the body):
aüssere Beobachtungen von messbaren Strukturen und Prozessen
eines Objekts – spezifische, zugeschriebene Bedeutungen –
medizinische, psychologische, etc. Terminologien
Leib - Lebensmitte und Lebensmittel
• Leib („liv“, altgerm.: „Leben“,„Life“, „live“, „living body)
• Körper („corpus“, lat.: „Leichnam“)
• Leibgedächtnis und Resonanzkörper
Die erste, nonverbale “Mutter-Kindsprache”
( Aitken and Trevarthen, 1993)
Mimik, Imitationslernen,
zwischenleibliche Gefühlsregulierung
http://ilabs.washington.edu/meltzoff/pdf/90_Meltzoff_U_ChicagoPress.pdf
(s.a. dazu auch Konzepte wie „inter-corporeite“ (M.Merleau-Ponty),
„inter- being“ (F.Varela), „imitative mind“ and „like-me“ (A.Meltzoff),
“schemes -of –being- with“ und „affect-attunement“ (D.Stern))
Beziehungs“wissen“ (implizit)
• „ Nature was wise not to introduce babies to symbolic
language until after 18 months, so they would have
enough time to learn how the human world really works,
without the distraction and complications of words – but
with the help of the music of language“. (Daniel Stern)
• „implizite Wissen“ ist nicht sprachlich und nicht
symbolisch repräsentiert
Mirror neuron system – Spiegelneuronen
• Diese Netzwerke von Nervenzellen feuern sowohl, wenn wir eine
gezielte Handlung mit Objekten aktiv ausführen, als auch, wenn wir
die gleiche zielgerichtete Bewegung passiv bei einer anderen
Person sehen.
(G. Rizzolatti et al. 1998, V. Gallese 2001)
Embodied simulation and intentional attunement
• Embodied simulation is a specific mechanism by means of which
our brain/body system generates a specific phenomenal state of
“intentional attunement”.
• By means of embodied simulation, we do not just “see” an action, an
emotion, or a sensation.
• internal representations of the body states associated with the
other`s actions, emotions, and sensations are evoked in the
observer, “as if”he/she would be doing a similar action or
experiencing a similar emotion or sensation.
•
( Vittorio Gallese: Intentional attunement: A neurophysiological perspective on social
cognition and its disruption in autism, 2006)
Joseph Ducreux
Self-portrait,
1783
Honore Daumier
Six mois de mariage
1847
Gähnforschung
The Ultrasound Review of Obstetrics and Gynecology, September 2005; 5(3): 210–217
Kinder erfahren „Richtungen“ und „Orientierungen“
am eigenen Leib
http://www.mit-kindern-wachsen.de/docs/artikel/hengstenberg.pdf
Lebenserfahrungen verdichten sich im Leibgedächtnis
(„Körperbild“)
• nicht mit objektiven Körpermaßen identisch
• kann soziale eigene Körperbild Situationen erheblich
beeinflussen
• ändert sich, je nachdem wem wir begegnen, in welcher
Stimmung wir sind oder in welcher Situation wir aktuell
uns befinden
(Paul Schilder / Seymour Fisher)
Körpermodelle
mit geschlossenen Augen geformt,
repräsentieren Spuren des eigenen Körpererlebens
Körperbild – Körperschema - Körperwissen
• Einstellungen gegenüber dem eigenen Körper
• Unbewusste Repräsentationen von Strukturen, Formen
und Lagen des eigenen Körpers
• Explizite Darstellungen dessen, wie ein Körper generell
aussieht und sich anfühlt
„Körpersprache“ ist „Zeichensprache“ (Semiotik)
körperlichen Zeichen
- repräsentieren etwas
- lassen Rückschlüsse zu
- von der Oberfläche zum verborgenen Inneren
- über mögliche Ursachen, Hintergrund, Zweck, etc.
- werden vom „Leser“ gedeutet und bewertet
Körpersprache
begleitet, verdeutlicht, verstärkt oder verwirrt sprachliche
Äußerungen
sie verweist auf die Stellung des Sprechers im jeweiligen
Lebensraum
ihre Bedeutungen sind von Situation, Kultur, Tradition,
Gewohnheit, etc. abhängig
Kommunikation geschieht überwiegend ohne Worte
Visual
Vocal
Verbal
(A. Mehrabian, UCLA, 1971, Silent messages )
„ die Wirkung einer Botschaft hängt
zu 55 % von der Körpersprache (Auftritt, Bewegungen,
Gestik, Mimik),
zu 38 % von der Stimme (Tonfall, Betonung, Artikulation)
und nur zu 7 % vom Inhalt der gesprochenen Worte ab“.
Cave: Man sollte diese Zahlen nicht zu wörtlich nehmen. Sie geben eher das Gesamtbild eines Vortrags
/ Unterrichts wieder.
Spürsinn, Gespür, Intuition
• Oft unscheinbare Veränderungen als bedeutsame Hinweise auf
Abwesendes, das sich nicht unmittelbar zeigt
• gestalthaftes Wahrnehmen, das verschiedene Einzelheiten des
Wahrnehmungsfeldes und verschiedener Sinnesmodalitäten zu
einem einheitlichen Bild zusammenschließt
• Muster, Stil, Charakterisches, Eigentümlichkeiten, Nuancen,
Ähnlichkeiten, Typisches, Erinnerungen, gefühltes Wissen,
Resonanz, subtile Ausdruckssignale, Ausstrahlung, Eindruck,
Gefühl, innere Simulation, implizites Beziehungswissen
(T. Fuchs, 2005)
Ähnlichkeit und Analogien war
• „Ähnlichkeiten und Analogien affizieren und strahlen aus,
teilen sich mit, rücken Dinge in Korrespondenz,
verketten sie miteinander und bringen sie damit in die
Fluchtlinie einer beide gleichermaßen betreffenden
Dynamik eines „gemeinsamen Schicksals“.
(G. Böhme)
Zwischenmenschliches „Verstehen“ bedeutet
schnelles Hinzufügen
Die Dinge rühren unsere Saiten an, wir aber machen die
Melodie daraus. ..... wir formulieren immer den ganzen
Menschen aus ..... gut hören – fortwährendes erraten
.....verstehen – schnelles phantasieren“
(F. Nietzsche )
Körperhaltungen und Gefühle rufen Echos hervor und sind
bisweilen „ansteckend“
Einfühlungsvermögen und Mitgefühl (empathy) haben
eine leibliche Grundlage
• Ist ein unbewusstes Gespür für Ähnlichkeiten zwischen eigenen
Gefühlen und denen, welche von anderen Menschen ausgedrückt
werden
• Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir deshalb auch
entsprechend handeln oder uns dazu aufgefordert fühlen in
sympathischer oder unterstützender Weise zu handeln
(Jean Decety, A Social-Neuroscience Perspective on Empathy, 2006)
Spiegeln in Psychotherapie
Im psychotherapeutischen Sprachcode wird unter
Spiegeln das Phänomen verstanden, dass sich alte
Beziehungskonstellationen mit ihren Konflikten und
Gefühlen in Therapiesituationen re-inszenieren.
In diesem Sinne ist der Begriff auch im Konzept von
Übertragung und Gegenübertragung zu sehen.
H. Maturanas Modell des zwischenmenschlichen
Austauschs
Schema der nonverbalen Kommunikation
(nach T.Fuchs,2005)
Ausdruck
Eindruck
Zwischen-
A
Eigenleibliche
Resonanz
leibliche
Resonanz
B
Eigenleibliche
Resonanz
Nonverbale Kommunikation basiert wesentlich auf
„impliziten Gedächtnis“
F. Varela:
Steps to a science of inter-being
• The mind is not in the head. It cannot be separated from the entire
organism. (Embodiment)
• The mind neither exists, nor does it not exist. (Emergence)
• This mind is that mind. (inter-subjectivity)
Cognition is generatively enactive Co-determination of Me-Other
„If you put together embodiment and emergence, than the mind is
fundamentally a matter of imagination and fantasy.“
„ perception is as imaginary, as imagination is perception-based“
Körperabbildungen und Inszenierungen
Der menschliche Körper als „beschriebenes“ Objekt
• „Die Frage, was der Körper ist, was das Lebendige „wirklich“ ist,
scheint keine lösbare Frage zu sein; entscheidend ist daher,
welches Bild – in einem Text, als visuelle Abbildung oder als
Inszenierung – wir uns von unserem Körper machen, von dem wir
sagen, es sei unserer.“
• “daß es immer wieder signifikante Inszenierungen von Körpern in
der Öffentlichkeit gegeben hat, die unter anderem oder sogar
hauptsächlich die Funktion hatten zu sagen: Das seid ihr – oder
noch besser: So könnt ihr sein“
(P. Sarasin, Der öffentlich sichtbare Körper, 1998)
Der Mensch im Kontinuum
Makrokosmos - Mikrokomos
Hildegard von Bingen, Liber Divinorum Operum
(13. Jh.). Der Mensch im Mittelalter ist als Mikrokosmos
Spiegel des Makrokosmos und zugleich Ebenbild
Gottes.
energetische Konzepte des Körpers in östlichen
Kulturen
•
Energetisches Körperkonzept (Chi/Qi)
der traditionellen chinesischen Medizin
(Meridiane)
•
Energetische Zentren (Chakren) in der
indischen Ayurveda-Medizin
Der Mensch und sein Körper als
das vollkommene Maß aller Dinge
Proportionsschema der menschlichen Gestalt nach Vitruv
Skizze
Leonardo da Vinci 1485/90
Die Anatomie des Dr. Tulp
Rembrandt van Rijn, 1632
Historische Umbrüche in der abendländische
Sichtweise des menschlichen Körpers in der Neuzeit:
•
-Entstehung der neuzeitlichen Anatomie im 16.Jahrhundert und
Isolierung des Körpers im Rahmen der Rationalisierung des
Weltbildes
•
Körper gilt jetzt als abgeschlossen und getrennt von symbolischen
Repräsentationen und vom offenen Austausch mit der Welt
•
wissenschaftliche Kultur geht vom Textbasierten zum Visuellen
über („pictural turn“)
•
Systematische Pathologie und „Normalkörper“ im 19.Jahrhundert
•
Neue optische Geräte machen Körperoberfläche
und
(Brittadurchsichtig
Schinze)
damit das Körperinnere öffentlich
Barbara M. Stafford :
„Imaging the Unseen“
• the desire of medical science to get close to things
• to break into the obscure secrets of the somatic
• Reveling, structuring, and interpretating signs and syptoms that
inherently could not be written
• transformation of the physical into the conceptual or of the probable
into the formulaic
• We communicate with images of people, with „artificial persons“,
existing as bites, bytes, and bites of optical and aural messages.
Der durchschaubare Mensch
Die Schwimmerin Hannah Stockbauer, auf einer
bunt eingefärbten MRT-Aufnahme
(Bild: Siemens AG)
Sicht und Empfinden
von Schwangerschaft, Foetus und Geburt ändern sich
(Bilder: Lenard Nilson; Alexander Tsiaras)
Dreidimensionale Darstellung eines 23 Wochen alten Fötus.
.
Das Denken soll sichtbar werden
http://www.uic.edu/depts/paff/newsbureau/images/single_thought
University of Illinois at Chicago, World's Most Powerful MRI for
Decoding the Human Brain, September, 2004
single thought (4X4, 400 dpi):
Snapshot" of a brain as it thinks a single thought.
The scan captures the moment when the brain "understands" what it is seeing.
Haben oder brauchen Menschen eine „Mitte“ ?
Fazit
• in der menschlichen Kommunikation kann man nicht von einem
isolierten „Körper“ ausgehen, sondern nur Wechselwirkungen
• Körperspuren beziehen sich auf verschiedene Ebenen von Zeichen,
Symbolen und Codes (leiblich, zwischenleiblich, körperlich)
• Dies spiegelt sich insbesondere in Hierarchie-, Macht- und
Expertenkontexten wieder
• Das „äußere“ und das „innere“ Bild des menschlichen Körpers wird
historisch durch neue Technologien ständig modifiziert
Das leibliche Ganze
• Am Leitfaden des Leibes erkennen wir den Menschen als eine
Vielheit belebter Wesen, welche teils miteinander kämpfend, teils
einander ein- und untergeordnete, in der Bejahung ihres
Einzelwesens unwillkürlich auch das Ganze bejahen.
( F. Nietzsche )
• Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur
Lösung.
(L. Wittgenstein)
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