Regression in einem für konkretkörperliche Interaktion offenen Setting In Abgrenzung zur Psychoanalyse In Abgrenzung zu Körperpsychotherapien (am Beispiel der Bioenergetischen Analyse) Abgrenzung? Es gibt mittlerweile, in der jeweiligen persönlichen Vorgangsweise, viele Überschneidungen, weil das Interesse an Methodenintegration derzeit groß ist. Aus methodischer Sicht (siehe Vortrag) sind Abgrenzungen auch wichtig. Ich versuche im Workshop, die Unterschiedlichkeiten herauszuarbeiten. Definitionen • Was ist Regression? • Was ist ein für konkret-körperliche Interaktion offenes Setting? • Was ist Psychoanalyse? • Was sind „andere Körperpsychotherapien“ (Bioenergetische Analyse) Was ist Regression? • Regression ist ein vieldeutiger Begriff, der sowohl gesunde wie krankhafte Vorgänge bezeichnet, der die gesamte Seele oder Teile davon erfassen kann. • Eine einheitliche Definition ist schwierig. • Regression ist ein Begriff, der in den Kern jedes tiefenpsychologisch orientierten therapeutischen Vorgehens abzielt. Regression und Selbstregulation • Therapeutische Regression – Vergleich Homöopathie: Similia similibus curentur • Regression soll zum pathogenen Kern der Persönlichkeit führen (das homöopathische Mittel soll das Krankheitsbild wieder aufblühen lassen) • Durch eine „korrigierende“ Erfahrung sollen selbstregulative Prozesse in Gang gebracht werden, die eine „Heilung“ im pathogenen Bereich veranlassen (Balint: „narbige Verheilung“) Beispiele • R = genetisch determinierte Reaktionsform auf seelische Belastungen Ein Vorgang, der phänomenologisch unterschiedlich aussehen kann – Beispiele: • Erleben von Labilität und Schutzbedürftigkeit • Bedürfnis nach Ruhe und Introversion • Bedürfnis nach spielerischer oder kreativer Aktivität • Affektualisierung (Trotz, Weindurchbrüche...) Beispiele • R = Alterungsvorgang, auf der Ebene der Kognition (Vergesslichkeit), des Verhaltens (bestimmte Charakterzüge werden prägnanter oder starrer), der Emotionen (Emotionsverflachung oder Affektlabilität), bis hin zu hirnorganischen Veränderungen • R = auf der Ebene des Denkens die Aktivierung archaischer bildhafter Prozesse (im Traumvorgang) Beispiele • R = Rückgriff auf „frühere“ Verhaltensformen (z. B. kindlicher Trotz) • R = Entdifferenzierung / Destrukturierung des Verhaltens, d. h. weg von komplexen erwachsenen Verhaltensweisen hin zu einfachen kindlichen (Beispiel: Weinen) >>>> implizite Wertung!!! Beispiele • R = Wechsel von differenzierten zu globalen Erfahrungsmodi (kategorisierendes vs. ganzheitliches Erleben) = wertfrei!! • R = phylogenetischer Rückgriff auf archaische Verhaltensformen (z. B. Totstellreflex) Beispiele • R = Verlust von Autonomie und Rückkehr in „infantile Abhängigkeit“ • R = situationsinadäquates Anfluten von Impulsen und Abwehrmechanismen (führt zu einem Verlust des klaren und unterscheidenden Fühlens) • R = das Durchbrechen des „Schweinehundes“ (ein Schattenaspekt in uns - abgewehrte Tendenzen und Impulse, Introjekte) Beispiele • Schwere pathologische Regressionen: psychosomatische R, schizophrene R • Sphinx-Regression: massive Beeinträchtigung der Denkfähigkeit im analytischen Setting – ein Zustand von Betäubung, Lähmung, Verwirrung und hintergründiger Verzweiflung • Biologische R = Krankwerden unter stressverursachenden Faktoren (typisch in der Erschöpfungsphase – Urlaubskrankheit) Beispiele • R = Prozess der Krankheitsentstehung + Prozess der Heilung (Übertragungsneurose, Homöopathie) • Benigne R = wenn der regressive Verlauf in der Therapie produktiv ist • Maligne R = Entwicklung einer Spirale von Bedürftigkeit, Anklammern und Wut – ausweglose therapeut. Situation Beispiele • Grenzfälle: „parapathologische R“ (man weiß nicht, ob ein Verhalten im Dienste des Fortschritts oder der Entwicklungsblockade steht, oder es hat von beidem etwas) • Induzierte R / Spontan-R • Massenregression – kulturelle R (Entdifferenzierung von Kulturen im Sinne der gegenwärtigen Globalisierung; Verrohung im sozialen Umgang unter Kindern als Schattenphänomen neuer Familienkulturen, in denen die Eltern immer weniger zu Hause sind) Beispiele • Taktische R = der Patient lässt sich bewusst auf kindliche Verhaltensweisen ein und akzeptiert den Therapeuten in seiner beelternden Rolle • Strategische R = R zu Abwehrzwecken (als Abwehr gegen anstehende progressive Schritte) • Experimentelle R (ausgelöst durch psychoaktive Substanzen) Beispiele • Handelnde R = Bereitschaft zur Interaktion im Hier und Jetzt Warum soll die Bereitschaft im „Hier und Jetzt“ handelnd zu interagieren ein „Rückgriff“ sein? Hier spielen implizite Menschenbilder, Bewertungen, Normen eine Rolle. Aus der Sicht der „klassischen Psychoanalyse“, die im Handeln einen Gegensatz zum Auftauchen unbewusster Tendenzen (Fantasien) sieht, ist diese Einstellung verstehbar. Fantasie, Sprache und geistige Prozesse werden als „reifer“ betrachtet im Gegensatz zu Handeln und Affektualisierung. Der Körper wurde daher in der klassischen PA stillgelegt. Heute sieht man das anders – „Enactment“ Bezeichnungen • Formale, topische, zeitliche, benigne, maligne, phylogenetische, libidinöse, pathologische, parapathologische, induzierte, taktische, strategische, psychosomatisch, schizophrene, energetische, embryonale, bioenergetische, handelnde, therapeutische, funktionale, erzwungene, abgewehrte, temporale, prägenitale, fluktuierende, kontrollierte, strukturierte, strukturelle R • Sphinx-R, Ich-R, Trieb-R, Überich-R, Massen-R, Übertragungs-R, R im Dienste des Ich, R im Dienste des Es, Alters-R, Intrauterin-R, Childhood-State-R Drei Hauptformen von R • Übertragungs-Regression • Affektiv-motorische Regression • Handelnde Regression 1. Übertragungs-R • Es werden Beziehungserfahrungen aktualisiert, in denen sowohl Aspekte von Beziehungspersonen enthalten sind als auch Interaktionserfahrungen mit diesen Personen – d. h. Regression = therapeutische Aktivierung von Repräsentanzen, die unser Wahrnehmen und Handeln beeinflussen, und die Pat. und Therapeut gemeinsam untersuchen – im Wechsel von „Einlassen“ und „Reflektieren“ Beispiel: Eigenerfahrung • Psychoanalyse – R wird induziert durch hochfrequentes Setting + Liegeposition • Es entsteht ein exklusiver Raum • Es entsteht starke Befangenheit • Es entsteht eine „Übertragungsneurose“ • Der Therapeut wird Projektionsfläche aller Hoffnung und Befürchtungen – wie damals als Kind • Die Asymmetrie wird begünstigt, weil man über den Analytiker nur sehr wenig weiß +/• Ermöglichende Funktion: Eigenerfahrung (neue psychische Räume entstehen) • Sackgasse: negative Spirale von aggressiven Gefühlen – weil auch Feedback vom Therapeuten fehlt; weil auch der Therapeut bestimmte innere Vorgänge nicht mitbekommt Übertragungs-R Psychoanalyse • Die Untersuchung dieser Repräsentanzen gelingt umso besser, je dichter diese Beziehung ist (hochfrequentes Setting) • Die Repräsentanzen zeigen sich besonders in spontanen „Enactments“ (von beiden Teilen unbeabsichtigt) • Die Enactments sind wichtige Momente in der therapeutischen Begegnung – „Now-moments“ • Unterschied „offenes Setting“: die Ausschaltung des aktiv angeleiteten Handelns ist als Bedingung nicht erforderlich, da sich Repräsentanzen auch im konkreten Handeln spiegeln (wie in jedem Verhalten!) Beispiel Spontan-Enactment Vorgänge außerhalb der „normalen Spielregeln“ Augenkontakt Berührung Wut / Kampf 2. Affektiv-motorische R (Körpertherapie) • Zentrierung des therapeutischen Geschehens auf körperliche und emotionale Prozesse – nach dem Motto: das „Loslassen von Gefühlen und körperlichen Impulsen“ ist der entscheidende therapeutische Schritt und aktiviert verdrängte oder abgespaltene psychische Anteile • Konzentration auf die „neue Erfahrung“ Affektmotorische R Bioenergetische R • Stressübungen Aktivieren von Affekten und Impulsen durch Übungen; Verdeutlichung der Blockierungen und Widerstände auf der Körperebene, mit dem Ziel die Affekte besser zu spüren, vollständiger zu entladen oder (neuere BA) bewusster halten zu lernen Beispiele • An der Wand stehen – Therapeut sitzt drunter • Zufügen von Schmerz • Liegestütz, Therapeut drunter • Hände ausstrecken (Longing) • Korken in Mund – Wasser • An Finger saugen Was passiert? Man bringt den Patienten in eine Position, die hilflos macht und die er aushalten soll. Man fordert ihn dann auch, eine kindliche Position einzunehmen, seine Affekte auszudrücken Er soll sich diesen Affekten überlassen Darin liegt das „Versprechen“: wenn du dich den Affekten überlässt, passiert ein wichtiger gesundmachender Schritt (Katharsis ist heilsam) Therapeutische Ich-Spaltung • Der Pat. muss unterscheiden können: MitMachen (Arbeitsbündnis, erwachsene Ebene), sich überlassen („infantile“ Ebene) • Der Pat. muss unterscheiden können zwischen Therapeut als reale Person und Therapeut in einer Rolle • Pat. mit guter Ich-Struktur können diese Unterscheidung machen Risiko Pat. mit strukturellen Ich-Störungen können nicht gut unterscheiden. Unter dem Druck affektiver Zuspitzung verschwimmt ihr Gefühl für die Realität. Solche Übungen unterminieren ich Abwehr (z. B. durch Spaltung), die dieses Pat. aus Schutzgründen aber brauchen (sonst brechen Affekte unkontrolliert durch – auch im Alltag!)) Rollenverständnis des Therapeuten Das Rollenangebot des ist das eines Arztes, der weiß, was passieren soll. Es gibt ein definiertes Ziel, Affekte sollen raus. Das ist nicht psychoanalytisch. Gegenstand der Psychoanalyse ist immer, was der eine mit dem anderen macht. Das Rollenangebot in der Analyse ist das eines Mitspielers. Kollusion • Die Kollusion besteht darin, dass man sich gemeinsam auf das Ziel konzentriert, und nicht die „Mittel“ analysiert. „Der Zweck heiligt die Mittel“ – Hauptsache es „passiert etwas“. • Unterschied „handelnde R“ – hier wird grundsätzlich auf das geachtet, was der eine mit dem anderen tut – es gibt kein anderes Ziel als das! • Es geht daher nicht so sehr um „gute Erfahrung“, sondern um die Analyse der Beziehung in der Situation konkreter Handlung Affektmotorische R • Gefühls-Katharsis spielt eine Rolle In neueren Körperpsychotherapien wird die Rolle der Katharsis differenzierter gesehen – auch das Halten-Können von Gefühlen wird als wichtige Fähigkeit betrachtet. Dennoch spielt das kathartische Moment als therapeutischer Wirkfaktor eine wichtige Rolle – eingebunden in eine „energetische Theorie“ psychischer Prozesse „Neue Erfahrung“ • Die neue (positiv korrigierende) emotionale Erfahrung ist der Schwerpunkt, bei der der Therapeut in der Rolle eines guten beelternden Objekts als Begleiter der Regression des Patienten fungiert. • Risiko: einseitige Idealisierung des Therapeuten und ev. Zementieren der Illusion der Therapie als „heile Welt“ (extrem: Spaltung zwischen „gute Welt“ in der Therapie und „böse Welt“ außerhalb der Therapie) • Risiko: Kollusion mit unbewussten narzisstischen Bedürfnissen des Therapeuten 3. Handelnde R • Katharsis als therapeutischer Faktor spielt keine Rolle (sie kann ein Nebenprodukt sein, wird aber nicht anvisiert) • Das Vorgehen steht in vielen Aspekten der Psychoanalyse näher (inkl. theoretisches Verständnis) • Jedoch wird durch ein „offenes Setting“ das Handeln ermöglicht bzw. manchmal auch begünstigt • Eine positive korrigierende Erfahrung kann geschehen, ist aber ebenfalls nicht Ziel Handelnde R • Die Erweiterung des ÜbertragungsGegenübertragungs-Raumes auf Formen der konkreten Interaktion im Sinne umgrenzter Szenen; nicht aber als Übungen (im Sinne eines Übungsziels), sondern mit offener Struktur, d. h. Ausgang ungewiss - mit dem Ziel, Aspekte des Widerstandes und der Übertragung in der konkreten Handlung zu verdeutlichen. Enactments • Eine Rolle spielen auch hier (wie in der PA) spontane Entactments • Eine Rolle spielen ebenso klar angeleitete Handlungssequenzen (gemeinsame Szenen), jedoch nicht mit dem Ziel der „neuen Erfahrung“, sondern mit dem Ziel des Bewusstmachens unbewusster Repräsentanzen Ebenenwechsel • Der Wechsel von der verbalen auf die körperliche Ebene kann auch helfen, Affektbereiche zu verdeutlichen, die verbal schwer ausgedrückt werden können • Aber auch der umgekehrte Fall ist möglich • D. h. Ebenenwechsel im Sinne einer „Sprachübersetzung“ und damit Erweiterung der Verstehensmöglichkeiten Rolle des Therapeuten • In dieser Form der Regression ist der Therapeut nicht Begleiter des Patienten, sondern ein „konturiertes Gegenüber“ – d. h. wir arbeiten IN der Übertragung • Diese Arbeit ist daher belastender, weil auch konflikthafte Bereiche in der Übertragung zum Thema werden Affektverdichtung • Konflikthafte Arbeit in der Übertragung ist schwierig und belastend („negative Übertragung“) – fordert auch den Therapeuten heraus • Körperbezogene affektintensivierende Arbeit ist auch belastend (mobilisiert zunächst Widerstände und Ängste) • Beide zusammen – körperbezogene Arbeit IN der Übertragung ist sehr ich-belastend Indikation • Daher ist hier eine klare Indikation gegeben: Körperbezogene Arbeit IN der Übertragung (= Prototyp handelnder Regression in der AKP) ist nur indiziert bei Patienten mit guter Ich-Struktur, nicht bei Pat. mit strukturellen Ich-Störungen („Frühstörungen“)! Rollenverständnis • Therapeut als Begleiter der Regression / Therapeut als konturiertes Gegenüber im Rahmen einer handelnden Regression • Als Begleiter spielt die für den Patienten positive Erfahrung eine Rolle • Als konturiertes Gegenüber spielt mehr und öfter der konflikthafte Übertragungsaspekt eine Rolle (was wichtig ist für das Verstehen, aber nicht unbedingt angenehm) Widerstand • Widerstand wird systematisch untersucht – Widerstandsdeutung VOR Inhaltsdeutung und Widerstandsarbeit auch VOR dem Ermöglichen guter Erfahrungen in der Körperarbeit • Widerstandsarbeit auf der Beziehungsebene unter Zuhilfenahme der Körperebene