KULTURELLE EINGEBUNDENHEIT: HERAUSFORDERUNGEN IM TRANSKULTURELLEN SETTING Psychhosoziales Zentrum für Flüchtlinge, Düsseldorf Dipl.-Psych. Eva van Keuk DIVERSITY TRAINING Überblick 1. Kulturelle Milieus (Geertz, Moro) 2. Transkulturelles Setting in der Psychotherapie (Moro) 3. Die Kulturalisierungsfalle (Auernheimer) 4. Kulturelle Eingebundenheit am Beispiel Westkamerun und dem Prenzlauerberg /Nordostdeutschland (Keller) 1. KULTUR = NATION ? KULTUR = MILIEU ? Clifford Geertz Kultur ist ein „selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe“ Es kann wärmen….. Einengen….. Sicherheit und Schutz geben… Ist veränderbar/ prozeßhaft Kultur ist ein öffentlicher Code, der Verhalten in einen Sinnzusammenhang setzt (Bsp.: Blinzeln) Clifford Geertz, 1926 – 2006, US amerikanischer Ethnologe, Professor in Princeton Lit.: „Dichte Beschreibung“, Geertz, Frankfurt a.M. 1983 Marie Rose Moro Jeder Mensch wird durch die soziale Gruppe, in die er hineingeboren wird, geprägt: sozial, Kinästhetisch, Verbal/ paraverbal Funktion der Kultur: Abgrenzung, Identität stiften, Angst reduzieren. Französische Psychoanalytikerin, Ethnopsychoanalyse, Professorin Paris (Avicenne /Paris Nord), Revue „L `autre“, Moro et al (2006) Manuel de psychiatrie transculturelle, Edition la pensée sauvage 2. TANSKULTURELLES SETTING IN DER PSYCHOTHERAPIE UND BERATUNG Marie Rose Moro Universalität Menschliche Gleichwertigkeit Menschliche Gleichheit Diversität Individuelle Unterschiede Unterschiede zwischen Gruppen Marie Rose Moro Akzeptanz, warme Neugier, Offenheit. Universalität Menschliche Gleichwertigkeit Menschliche Gleichheit Diversität Individuelle Unterschiede Unterschiede zwischen Gruppen Marie Rose Moro Forderung nach der Reflektion der eigenen kulturellen Eingebundenheit, kulturelle Emanzipation, Dezentrierung. Gefahren bei mangelnder Dezentrierung: Leugnung von Unterschieden Abwertung des Anderen Diversität Alter Geschlecht Sexuelle Orientierung Soziokultureller Hintergrund (Bildung, Status, Sprachen, Wohnort) Hautfarbe Religion Behinderung 3. DIE KULTURALISIERUNGSFALLE Beziehungsebene Studie Gün 2007: - Kulturalisierung von beiden Seiten bei Kommunikationsschwierigkeiten, Kultur als Abwehrmechanismus Theorie Fisek & Schepker 1997: - Alpha-Bias: Überbetonung der Unterschiede/Kulturalisierung Beta-Bias: Verleugnung der Unterschiede Fettnäpfchen in der Kommunikation von Minderheiten und MehrheitsvertreterInnen: Angehörige der Dominanzkultur Herablassung Idealisierung Abwerten Attribution des Kommunikationsproblems auf mangelnde Assimilation Ausgrenzung Georg Auernheimer, em. Professor der interkulturellen Pädagogik, Univ. Köln, www.georgauernheimer.de Fettnäpfchen in der Kommunikation von Minderheiten und MehrheitsvertreterInnen: Minderheitenangehörige Überreaktionen Attribution von Kommunikationsstörungen auf Vorbehalte des/der VertreterIn der Dominanzkultur hohe Erwartungen an VertreterIn der Dominanzkultur Rückzug Georg Auernheimer, em. Professor der interkulturellen Pädagogik, Univ. Köln, www.georgauernheimer.de Die 4 Ebenen der gegenseitigen Erwartungen in der Kommunikation (Auernheimer) 1. Machtasymmetrie 2. Kollektiverfahrung 3. Fremdbilder 4. Differente Kulturmuster Analyse von Kommunikationsstörungen von 1./ Machtasymmetrie bis 4./ Kulturmuster 4. KULTURELLE EINGEBUNDENHEIT AM BEISPIEL ERZIEHUNG Marie Rose Moro Akzeptanz, warme Neugier, Offenheit. Universalität Menschliche Gleichwertigkeit Menschliche Gleichheit Diversität Individuelle Unterschiede Unterschiede zwischen Gruppen Marie Rose Moro Forderung nach der Reflektion der eigenen kulturellen Eingebundenheit, kulturelle Emanzipation, Dezentrierung. Gefahren bei mangelnder Dezentrierung: Leugnung von Unterschieden Abwertung des Anderen Kellers Kulturvergleich: Erziehungsstile der NsO/Kamerun und der Prenzlauerberger /D Universell: spontane früher Eltern- Kind- Interaktionen (Dada, Dudu, lächeln, Abstand zum Baby, höhere Stimme) Kulturabhängig (im Sinne von Milieus!): Erziehungsstile, Blickkontakt, Körperkontakt, Umgang mit Emotionen NsO/ Nordwestkamerun Prenzlberger/ Nordostdeutschland Dorf Großstadt Frauen sind 18 J. bei 1. Geburt Frauen sind 33 J. bei 1. Geburt Frauen haben max. 7 J. formale Erziehung Frauen haben 14-17 Jahre formale Erziehung Kinderanzahl 3-8, pro Haushalt 7 Prs. Kinderanzahl 1-3, pro Haushalt 3,2 Prs. Prof. Heidi Keller, Universität Osnabrück, Dr. Joscha Kärtner, Publik. u.a.: „Die Rolle pos. Emotionen in der frühen Sozialisation“, Psychotherapeut 2009,2, 101-110 Kellers Kulturvergleich: Erziehungsstile der NsO/Kamerun Körperkontakt steht im Vordergrund: Babys haben 24 Stunden Körperkontakt, Körperliche Symbiose mit dem Kind während der Säuglingszeit durch Stíllen und rhythmische Bewegungen und Gesänge, „Das Kind gehört der Mutter, solange es im Mutterleib ist“: Während Stillzeit ist Mutter Hauptbezugsperson, später größere Geschwister und andere Familienmitglieder, Erziehung ist öffentlich, „Mutter ist Experte und weiß, was gut für das Kind ist“, Erziehungsziel: Mitglied der Gemeinschaft sein, Kind erhält moralische Aufforderungen, Reife= sich persönlich zurück nehmen und sich anpassen, seine Emotionen kontrollieren. Kellers Kulturvergleich: Erziehungsstile der Prenzlberger/ Berlin Blickkontakt mit der Mutter steht im Vordergrund, „Exklusive Dyade der Mutter- Kind-Beziehung, Eltern sehen die Erziehung als ihre Privatangelegenheit – unterstützt durch quasi-wissenschaftliche Ratgeber (Anne Raulin/Paris: „Die Verbannung der Mutter aus dem Umfeld der Geburt“), Erziehungsziel: Autonomie, Selbstbestimmung, Frühe Betonung des kindlichen Willen und Können, Eltern möchten Kind in individuellen Begabungen fördern, Reife: seine Umwelt entsprechend seiner Bedürfnisse gestalten, Kognitive Stimulation durch bunte Objekte steht im Vordergrund. Kellers Kulturvergleich der Erziehungsstile NsO/ Dorf in Kamerun Prenzlauerberg/Stadtteil in Deutschland (Hauptstadt) 15% Blickkontakt mit Mutter 25% Blickkontakt mit Mutter/Vater 10% + Blickkontakt mit anderen 0-1% Blickontakt mit anderen 50%+ Körperkontakt mit Mutter 40 % Körperkontakt mit Mutter/Vater 30%+ Körperkontakt mit anderen 4% Körperkontakt mit anderen Prof. Heidi Keller, Universität Osnabrück, Dr. Joscha Kärtner, Publik. u.a.: „Die Rolle pos. Emotionen in der frühen Sozialisation“, Psychotherapeut 2009,2, 101-110 5. KULTURELLE EINGEBUNDENHEIT – Ideen für die Praxis Ideen für die Praxis Achtsamkeit: Was beobachte ich? Was ist mir fremd – was ist mir vertraut? Vorsicht mit schnellen Bewertungen: „Habe ich die Diversität verstanden?“, Vorsicht mit Kulturalisierungen.. Milieu und Kontext einbeziehen: Welchen Bildungsstand hat diese Familie? Welchen Status hat sie in der Heimat/in ihrer Community in Deutschland/ aus Sicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft? Aufenthalt und Fluchtgeschichte? 1. Beobachten, 2. Analyse, 3. Eigene Reflektion, 4. Standpunkt beziehen, 5. Handeln Validierung der elterlichen Bemühungen – mehr als Betonung der Defizite eines „Problemkindes“ Übungen zum Perspektivenwechsel Transkulturelle Fortbildung und Supervision Veranstaltungen Ab Januar 2010: neue Diversity Fortbildung in Kooperation mit Ärzteund Psychotherapeutenkammeer, Grundmodul in zwei Blöcken Januar – Juni, Aufbaumodul „U18 – Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ ab Juli 2010, www.psz-duesseldorf.de 9.-11. Dezember 2010 Kongress des Dachverbandes für transkulturelle Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im deutschsprachigen Raum in der Ärztekammer Düsseldorf, Titel: „Mit Leib und Seele ankommen – psychische und somatische Störungen in unserer Zuwanderungsgesellschaft“, www.dtppp.com VIELEN DANK! Psychhosoziales Zentrum für Flüchtlinge, Düsseldorf Dipl.-Psych. Eva van Keuk DIVERSITY TRAINING