Klassifikation – Normen und Regeln Richtlinien zur Erstellung von Klassifikationen (nach Hemalata Iyer 1995 und DIN 32 705) Spree WS 2009/2010 Letzte Aktualisierung: 2007-10-02 Definition Einstieg Ein Klassifikationssystem ist eine strukturierte Darstellung von Klassen und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen. Quelle: DIN 32 705: Klassifikationssysteme : Erstellung und Weiterentwicklung von Klassifikationssystemen, Stand: Januar 1987. Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Einstieg – eine fiktive Klassifikation Einstieg Was halten Sie von dieser Ordnung, die angeblich einer „gewissen chinesischen Enzyklopädie“ entstammen soll? Quelle: Jorge Luis Borges: Die analytische Sprache John Wilkins‘. In: Ders.: Das Eine und die Vielen. Essays zur Literatur, München 1966, S. 212. Zit. nach: Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1974, S. 17 Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Einstieg – Klassifikation in der Informationspraxis Einstieg Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Einstieg – Ausschnitt aus einer Klassifikation Einstieg 24 Theater, Film, Musik 24.00 Theater, Film, Musik: Allgemeines Erl.: Hier nur Übergreifendes zu Theater, Film und Musik Verw.: Kulturpolitik -> 02.15 (Wissenschaftspolitik, Kulturpolitik) 24.01 Darstellende Künstler Hier: Schauspieler; Regisseure; Tänzer; Choreographen 24.02 Theater: Allgemeines 24.03 Theorie und Ästhetik des Theaters Hier: Theaterkritik 24.04 Ausbildung, Beruf, Organisationen 24.05 Systematische Theaterwissenschaft 24.06 Theatergeschichte 24.07 Theatereinrichtung, Bühnentechnik Hier: Kostümbildnerei; Maskenbildnerei Verw.: Theaterbau -> 56.84 (Schulbau, Bibliotheksbau, Museumsbau, Theaterbau) 24.08 Theatersoziologie, Theaterpsychologie Hier: Theaterpublikum 24.10 Schauspielkunst Verw.: Einzelne Künstler -> 24.01 (Darstellende Künstler) 24.12 Regie, Dramaturgie Verw.: Einzelne Künstler -> 24.01 (Darstellende Künstler) Ausschnitt Basisklassifikation (gekürzt) Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Funktionen von Klassifikationen: Warum wird geordnet? Ordnungszweck Zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn Um Lücken zu finden Z. B. Organigramm eines Ministeriums (http://www.bui.hawhamburg.de/pers/ulrike.spree/praesentation/orgaplan.pdf) Zum Wiederauffinden Periodensystem (http://www.periodensystem.info/periodensystem.htm) Zur Organisation und Orientierung Z. B. Systematik der Tiere und Pflanzen (http://www.palaeos.com/Systematics/Linnean/Linnean.htm) Bücher im Regal (http://www.fh-hannover.de/imperia/md/images/fotocd/expoplaza/bibliothek/bibliothek_05.jpg) Aus didaktischen Gründen Gliederung eines Textes (http://www.magicpoint.net/fingerzeig/literaturgattungen/gliederung_literatur/gliederun g_literatur.html) Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Was wird geordnet? Gegenstand Benennung Sachebene Begriff Sprachebene Gegenstand-Begriff materiell immateriell Rose, Teerose, Blume, Pflanze Gerechtigkeit Justiz Gedankliche Zusammenfassung aufgrund gemeinsamer Merkmale •sind Sträucher •Familie Rosengewächse •haben Stacheln •haben fünfzählige Blüten •Gerichte, denen Strafsachen und bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zugewiesen sind Merksatz: In der Regel werden in Klassifikationen Begriffe geordnet. Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Arten von Begriffen Begriff Allgemeinbegriffe: Farbe, Rose, Buch, Tier, Mensch Individulabegriffe: Gelbe Holstein, CDU, OECD, Peugeot 2005 Komplexe Begriffe: Rosenzucht, Tierhaltung, Buchausgabe Begriffsinhalt / Intension: Gesamtheit der Merkmale zur gedanklichen Zusammenfassung der Gegenstände und Abgrenzung von anderen Beispiel: Planet ist ein Himmelskörper, der nicht selbst leuchtet und sich in einer Umlaufbahn bewegt Begriffsumfang / Extension: Gesamtheit aller Gegenstände, die sämtliche Merkmale eines Begriffs aufweisen Beispiel Planet: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun Merksatz: Je größer der Begriffsinhalt, desto kleiner der Begriffsumfang Lexikon d. Linguistik: http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%20der%20Linguistik/e/EXTENSIONAL%20vs%20INTENSIONAL.htm Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Zwei Arten von Beziehungen zwischen Klassen Fachtermini Generische Beziehung partitive Beziehung Weiterer Begriff engerer Begriff Teil Ganzes Kopfbedeckung Hut Mütze … Spree WS 2009/2010 Hut Krempe Gamsbart … Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Bildung von Klassen durch unterschiedliche Merkmale Strukturierung a) Unterscheidungsmerkmale der Klassen (Klasseme) sind: erkennbar Chamäleon nach Farbe einordnen? „die von weitem wie Fliegen aussehen“? Personen nach Lebensalter? für den Nutzer verifizierbar und nachvollziehbar Wassermelone: Obst oder Gemüse? dauerhaft „in diese Gruppe gehörige“? „die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind.“? relevant für den Zweck der Klassifikation Spree WS 2009/2010 Einteilung von Büchern nach Größe relevant für Archiv Nicht relevant für Freihandaufstellung Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Universalkategorien b) Arten von KategorienStrukturierung (nach DIN 32 705) Objekte (Dinge, Lebewesen) Fleischfresser Guter Läufer Jagen Produzieren Afrikanische Savanne Eigenschaften (Quantitäten, Qualitäten, Relationen usw.) Aktivitäten (Operationen, Zustände, Vorgänge) Dimensionen (Zeit, Position, Raum) 21. Jahrhundert Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Kategorien (Denkaufgabe) Wu ist ein wilder Tiger, der dem Papst gehört „gezähmte Tiere“ „wilde Tiere“ Strukturierung c) Arten von Kategorien - Denkaufgabe In welche Klasse? „Tiere, die dem Kaiser gehören? „Tiere, die dem Papst gehören? Beispiel A) Tiere, die dem Kaiser gehören Regel 1)wilde Tiere •Klassen in einem Klassifikationssystem sollen sich gegenseitig ausschließen (disjunkte Klassen) •Dies wird sichergestellt, indem nur nach einem Unterscheidungsmerkmal gleichzeitig sortiert wird 2)gezähmte Tiere B)Tiere, die dem Papst gehören 1)wilde Tiere 2)gezähmte Tiere Wu gehört in die Klasse B1 Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Anordnung der Klassen d) Anordnung der Klassen Strukturierung Fabeltier Drache Einhorn Hydra Phönix Ordnungsprinzip: z. B. nach Größe, Zeit, Ort, Grad der Komplexität Faunus Sirene (gleichgeordnete Klassen) Begriffsleiter / (hierarchical) chain Fabelwesen Fabelperson Begriffsreihe / array Fabeltier (untergeordnete Klassen) Drache Lindwurm Ordnungsprinzip: Vom Allgemeinen zum Speziellen Spree SoSe 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Anordnung der Klassen e) Übung: Vollständigkeit, Tiefe, Strukturierung Breite, Lückenlosigkeit Lebensmittel Fleisch Obst Milchprodukte Konserven Weichkäse Frischkäse Hartkäse Tiefkühlkost Milchschnitte Was ist an dieser Klassifikation problematisch? •Wo kommen Tomaten hin? •Wo kommt Butter hin? •Wo kommen Dosenbirnen hin? Machen Sie Vorschläge, wie man die Klassifikation verbessern kann. Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Anordnung der Klassen (Fortsetzung) e) Vollständigkeit: Tiefe, Breite, Strukturierung Lückenlosigkeit Achten Sie auf Vollständigkeit Ihrer Klassifikation Die Summe der untergeordneten Klasse entspricht dem Begriffsumfang der übergeordneten Klassen Trick: Man legt für übergreifende Themen eine Klasse „Allgemeines“ an und für nicht vorhersehbare Fälle eine Klasse „Sonstiges“ Achten Sie auf Lückenlosigkeit Ihrer Klassifikation In der vertikalen Anordnung der Klassen (Begriffsleiter), fehlen keine Klassen Sträucher Es fehlt die Klasse „Ziersträucher“ Obststräucher Stachelbeere Spree WS 2009/2010 Johannisbeere Flieder Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Benennung der Klassen Benennung Wählen Sie für die jeweilige Zielgruppe geläufigste Benennung Wählen Sie eine Benennung, die dem Bedürfnis der Nutzergruppe entspricht Zitrusfrüchte statt Agrumen Patient: Zuckerkrankheit Arzt: Diabetes mellitus Wählen Sie eine neutrale Bezeichnung Erste Welt, Dritte Welt, Entwicklungsland Arbeitslosigkeit, Erwerbslosigkeit Krüppel, Schwerbehinderter, disabled person, differently gifted person Wählen Sie die einfachste Form der Bezeichnung Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Fachtermini 1 Fachtermini Klasse: Zusammenfassung derjenigen Begriffe, die mindestens ein identisches Merkmal haben Klassem: Dasjenige gemeinsame Merkmal von Begriffen, das zur Bildung einer Klasse benutzt wird und diese von anderen unterscheidet Klassifikationssystem: Strukturierte Darstellung von Klassen und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen. „Klassifikationssysteme sind Hilfsmittel zur Ordnung von Gegenständen oder Wissen über Gegenstände.“ (Quelle: DIN 32 705) Notation: eine nach bestimmten Regeln gebildete Zeichenfolge, die eine Klasse, einen Begriff oder eine Begriffskombination repräsentieren Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Fachtermini Definition „Klassieren: bedeutet ein Kategoriensystem (Merkmalssystem) zu entwickeln, nach dem Gegenstände klassifiziert werden können. Klassifizieren: bedeutet, gleiche Gegenstände in Gruppen zusammenzufassen. Alle Mitglieder einer durch Klassifizieren entstandenen Gruppe - oder Klasse - haben mindestens ein gemeinsames Merkmal, das die Mitglieder anderer Klassen nicht besitzen." (Quelle: Brian Buchanan: Bibliothekarische Klassifikationstheorie. München u.a.: Saur, 1989. S. 9) Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004 Quellen und weiterführende Ressourcen Bertram, Jutta: Einführung in die inhaltliche Erschließung : Grundlagen, Methoden, Quellen / Ressourcen Instrumente. Würzburg: Ergon Verlag 2005. Buchanan, Brian : Bibliothekarische Klassifikationstheorie. München u.a.: Saur, 1989. Kap. 2-4. DIN 32 705: Klassifikationssysteme : Erstellung und Weiterentwicklung von Klassifikationssystemen, Stand: Januar 1987. Hunter, Eric J. : Classification Made Simple. Kap. 3: Faceted Classification, Kap. 5: Hierarchical Classification und Kap. 9: Advantages and Disadvantages of Faceted and Enumerative Classification Iyer, Hemalata: Classificatory Structures : Concepts, Relations and Representations. Frankfurt a. Main : Indeks Verlag, 1995 (Kapitel 2) Ladewig, Christa: Grundlagen der inhaltlichen Erschließung. Berlin: Institut für Information und Dokumentation, 1997 Hans-Jürgen Manecke: Klassifikation. In: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Hrsg. Marianne Buder et al.- 4. völlig neu gefasste Ausg.- München u.a.: Saur, 1997. Stock, Wolfgang; Stock, Mechthild: Klassifikation. In: Diesselb.: Wissensrepräsentation : Informationen auswerten und bereitstellen. München : Oldenbourg Verlag, 2008, S. 192-222 Spree WS 2009/2010 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5.10.2004