Werde der du bist

Werbung
Werde, der/die du bist.
Person und Sinn-Setzung
Gabriele Weigand
Überblick
I. Sinn und Tradition
II. Zerfall verlässlicher Sinnbezüge
III. Mensch und Sinn-Setzung
IV. Person und Sinn-Setzung
V. Wege einer sinn-vollen Erziehung
Überblick
I. Sinn und Tradition
II. Zerfall verlässlicher Sinnbezüge
III. Mensch und Sinn-Setzung
IV. Person und Sinn-Setzung
V. Wege einer sinn-vollen Erziehung
Werde, der/die du bist.
Tradition und Sinn-Setzung
Benjamin Franklin (1706-1790)
Werde, der/die du bist.
Tradition und Sinn-Setzung
Friederich der Große (1712-1786)
Tradition und
Sinn-Setzung
Weltkarte aus einer Handschrift des
11. Jahrhunderts.Bayerische
Staatsbibliothek München
Tradition und Sinn-Setzung
Platon/Aristoteles
Idee oder Empirie?
Raffael:
Die Schule von Athen,
1510/11
Tradition und Sinn-Setzung
Omnes – Omnia – Omnino
Alle – Alles – Von Grund auf
Überblick
I. Sinn und Tradition
II. Zerfall verlässlicher Sinnbezüge
III. Mensch und Sinn-Setzung
IV. Person und Sinn-Setzung
V. Wege einer sinn-vollen Erziehung
Zerfall verlässlicher
Sinn-Bezüge
Caspar D.
Friedrich
Der
Mönch am
Meer
(1808-10)
Zerfall verlässlicher
Sinn-Bezüge
Wir sind in der ungefähr
zehntausendjährigen Geschichte das
erste Zeitalter, in dem sich der Mensch
völlig und restlos problematisch
geworden ist: in dem er nicht mehr
weiß, was er ist; zugleich aber auch
weiß, dass er es nicht weiß.
(Max Scheler, 1874-1928, Die Stellung des Menschen im
Kosmos, 1928)
Zerfall verlässlicher
Sinn-Bezüge
Caspar D.
Friedrich
Der
Mönch am
Meer
(1808-10)
Überblick
I. Sinn und Tradition
II. Zerfall verlässlicher Sinnbezüge
III. Mensch und Sinn-Setzung
IV. Person und Sinn-Setzung
V. Wege einer sinn-vollen Erziehung
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
• ‚Gott ist tot‘
• (Der) Mensch (ist)
verantwortlich für alles
Lebendige (9/651) … es gibt
keine höhere Instanz über
uns: wir müssen uns die
Attribute zuschreiben, die wir
Gott zuschrieben… (13/143)
Friedrich Nietzsche
(1844-1900)
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
• ‚Werde der du bist‘:
• Strebe danach, dich selbst
zu bilden, zu formen:
• Wolle ein Selbst, so wirst du
ein Selbst. (KSB 6, S. 247)
Friedrich Nietzsche
(1844-1900)
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
‘Werde, der du bist‘: das ist
ein Zuruf, welcher immer nur
bei wenig Menschen erlaubt,
aber bei den allerwenigsten
dieser Wenigen überflüssig
ist. (1876, 340)
Friedrich Nietzsche
(1844-1900)
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
Eine der entscheidenden Konsequenzen ist die,
dass das moderne Subjekt Autonomie verlangt.
Es ist nicht länger Teil einer umfassenden
Ordnung, sondern muss seine eigenen Ziele
erkennen. Vielleicht hat es Gottes Absicht in
sich zu erkennen, aber wiederum ist es das
Subjekt, das berufen ist, dies zu tun.
Charles Taylor:
Negative Freiheit?
Zur Kritik des
neuzeitlichen
Individualismus.
Dt. Frankfurt/M.
21995, S. 258)
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
Wo ES war, soll ICH sein.
(Freud, Vorl., Neue Folge S. 514)
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
Man könnte das Verhältnis des Ichs zum Es
mit dem des Reiters zu seinem Pferd
vergleichen. Das Pferd gibt die Lokomotion
her, der Reiter hat das Vorrecht, das Ziel zu
bestimmen, die Bewegung des starken Tieres
zu leiten. Aber zwischen Ich und Es ereignet
sich allzu häufig der nicht ideale Fall, daß der
Reiter das Roß dahin führen muß, wohin es
selbst gehen will. (Freud, Vorl., Neue Folge S. 514)
Werde, der/die du bist.
Mensch und Sinn-Setzung
Sinn kann nicht gegeben, sondern muss
gefunden werden.
… bei der Sinn-Wahrnehmung handelt es
sich um die Entdeckung einer Möglichkeit
vor dem Hintergrund der Wirklichkeit…
Sinn muss gefunden, kann aber nicht
erzeugt werden.
V. Frankl, Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn,
162003, S. 155
Victor Frankl
(1905-1995)
Überblick
I. Sinn und Tradition
II. Zerfall verlässlicher Sinnbezüge
III. Mensch und Sinn-Setzung
IV. Person und Sinn-Setzung
V. Wege einer sinn-vollen Erziehung
Person: Merkmale
Jeder Mensch ist eine einmalige Person mit
besonderen Potentialen und Begabungen.
Drei Merkmale:
• Prinzip (1)
• Prozess (2)
• Relationalität (3)
Person: Prinzip
Selbstzweck – Würde
Freiheit – Vernunft – Sprache (M. Heitger)
Geschichtlichkeit und Leiblichkeit (D. Benner)
Person: Prinzip und P r o z e s s
 Personsein und Person w e r d e n
 Möglichkeit und W i r k l i c h k e i t
 Bildsamkeit und B e s t i m m u n g
 Freiheit und V e r v o l l kommnungsfähigkeit
 Freiheit und Ver-antwort-ung
Person: Prinzip, Prozess und
Relationalität
Die Person ist, anders als die Individualität,
dialogisch verfasst.
Relationalität der menschlichen Beziehungen
Vgl. K. Barth, M. Buber, R. Guardini, P.-L. Landsberg,
E. Lévinas, G. Marcel, E. Mounier ...
Person: Prinzip, Prozess und
Relationalität
zu sich selbst
zum Anderen und
zu den anderen
Mensch
als
Person
zu Gott
zur Gesellschaft
zur Welt
Der Mensch als Person
Akteur des eigenen Lebens
Autor der eigenen Lebensgeschichte
Was hat sich ereignet? Oder: Wer hat entschieden?
Paul Ricoeur: Das Selbst als ein Anderer. München 1996
(Soi-même comme un autre. Paris 1990)
Werde, der/die du bist.
Person und Sinn-Setzung
„Person bedeutet, dass ich
von keinem anderen
gebraucht werden kann,
sondern Selbstzweck bin.“
(R. Guardini, Welt und Person, 1939, S. 122)
Romano Guardini
(1885-1965)
Werde, der/die du bist.
Person und Sinn-Setzung
„Die Individualität ist Zerstreuung,
die Person ist Integration… Diese
fortschreitende Vereinheitlichung
aller meiner Handlungen und durch
sie meiner Persönlichkeiten oder
meiner Zustände ist die eigentliche
Tat der Person.“
(E. Mounier, Das personalistische Manifest, S. 79, 81)
Werde, der/die du bist.
Person und Sinn-Setzung
Ich behaupte mich als Person in dem Maße,
in dem ich die Verantwortung übernehme
für das, was ich tue, und für das, was ich sage…
Aber vor wem bin ich … verantwortlich? Die Antwort
lautet, dass ich es zugleich vor mir selbst und vor
dem Anderen bin, und dass eben diese Verbindung
für die persönliche Verpflichtung bezeichnend ist,
dass sie das eigentliche Merkmal der Person
darstellt. (G. Marcel, Homo Viator, S. 17)
Begabung als Gabe
These 1:
Jeder Mensch ist eine einmalige
Person mit Begabungen.
These 2:
(Hoch-)Begabung ist eine Gabe.
These 3:
(Hoch-)Begabung ist eine Aufgabe.
These 4:
Der Umgang mit (Hoch-)Begabung
beinhaltet umfassende Verantwortung,
hat eine ethische Dimension.
Begabung als Gabe und Aufgabe
Möglichkeit (Potentialität) >> Wirklichkeit
(Be-)Achten, Anregen, Begleiten, Unterstützen
personaler Bildungsprozesse
„Begabung als eine dem Menschen unterstellte
Gestaltungsfähigkeit zur Selbstbestimmung seines
personalen Bildungsgangs“ (Hermann Giesecke)
Person, Begabung, Schulentwicklung
von der Orientierung
am Lehrplan, an der Klasse, am „Durchschnitt“,
an gesellschaftlichen Anforderungen und
Vorgaben zur
Person
des einzelnen Kindes und Jugendlichen
als Bezugspunkt
pädagogischen Denkens und Handelns
in Erziehung, Unterricht und Schule
Überblick
I. Sinn und Tradition
II. Zerfall verlässlicher Sinnbezüge
III. Mensch und Sinn-Setzung
IV. Person und Sinn-Setzung
V. Wege einer sinn-vollen Erziehung
Stefan Zweig
Dann aber kam die Stunde, wo die Schule… uns nur
mehr langweilte… Wir fühlten instinktiv, dass wir
nichts Neues mehr von ihr zu lernen hatten…und
außen war eine Stadt voll tausendfältiger
Anregungen, eine Stadt mit Theatern, Museen,
Buchhandlungen , Universität, Musik, wo jeder Tag
andere Überraschungen brachte.
So warf sich unser zurückgestauter Wissensdurst,
die geistige, die künstlerische, die genießerische
Neugierde … leidenschaftlich all dem entgegen, was
außerhalb der Schule geschah. (46ff., 53 f.)
Stefan Zweig
Wie ein Fieber war es über uns gekommen, alles zu
wissen, alles zu lernen …; wir drängten uns
nachmittags zwischen die Studenten der Universität,
wir besuchten Kunstausstellungen, wir schlichen uns
in die Proben der Philharmoniker, wir stöberten bei
den Antiquariaten, und vor allem, wir lasen, was uns
zu Händen kam… Aber unsere beste Bildungsstätte
für alles Neue blieb das Kaffeehaus…. (56)
So erhielt mit einemmal unsere unruhig suchende
und spürende Leidenschaft einen Sinn… (62)
(St. Zweig, Die Schule im vorigen Jahrhundert. In: Die Welt von
gestern. Erstausgabe 1942; 1981 )
Schüler/in – Subjekt des Lernund Bildungsprozesses
Formales
Lernen
Nicht-formales
Lernen
Informelles
Lernen
in Bildungseinrichtungen
außerhalb von
Bildungseinrichtungen
Lernen in Alltag,
Freizeit, Familie,
…
Schüler/in – Subjekt des Lernund Bildungsprozesses
Instruktionsorientierung
Kind-,Gruppenorientierung
„Herbartianismus“
Lehrerzentrierung
„Reformpädagogik“
Selbsttätigkeit
Projektorientierung
„Pragmatismus“ (J. Dewey)
Lernen durch Erfahrung
Demokratisierung
Co-Kognitive Begabungen
Mut
Bestimmung
Optimismus
Vision
Hingabe
Energie
Hackl/Schmid, eVOCATIOn, nach Renzulli
Franz Kafka
Ich war ein ängstliches Kind; trotzdem
war ich gewiß auch störrisch, wie
Kinder sind; aber ich kann nicht
glauben, daß ich besonders schwer
lenkbar war, ich kann nicht glauben,
daß ein freundliches Wort, ein stilles Bei-der-Hand-Nehmen,
ein guter Blick mir nicht alles hätten abfordern können, was
man wollte. … Du kannst ein Kind nur so behandeln, wie Du
eben selbst geschaffen bist, mit Kraft, Lärm und Jähzorn,
und in diesem Falle schien Dir das auch noch überdies
deshalb sehr gut geeignet, weil Du einen kräftigen mutigen
Jungen in mir aufziehen wolltest.
(Kafka, Brief an den Vater (1919), Frankfurt, S. 138 f.)
Beziehung, Begleitung,
Kommunikation und Kooperation
Rituale
Coaching
Zeit-
Mentoring
LehrerTeams
Kollegium
Räume
Kontaktlehrer
Kooperation mit
Theater,
Sozialpädagogik,
u.a.m.
Schule-Eltern
außerschulische
Partner
Schulisches
Zusammenleben
Schulleben
Bedeutung der Schulleitung
Goethe und Schiller
im Dialog
Die wahre, die tätige, produktive
Freundschaft besteht darin, dass wir
gleichen Schritt im Leben halten, dass
er meine Zwecke billigt, ich die
seinigen, und dass wir so unverrückt
zusammen fortgehen (Goethe, nach
Safranski, S. 14f.)
… ein auf wechselseitige Perfektibilität
gebautes Verhältnis (Schiller, ebd.)
Formen biographischen Schreibens
Tagebuch
Korrespondenz Lebensgeschichte
Biographie
Brian Stock, Augustine the Reader, Self-Knowledge, and the Ethics of
Interpretation. (Harvard Univ. Press) Cambridge/Mass., London/Engl. 1998
Person, Bildung und Erziehung
Bildung:
Erziehung:
Prozess der Selbstbildung
„Aufforderung zur
Selbsttätigkeit“
(D. Benner)
Dialektischer Prozess der
Auseinandersetzung
von Mensch und Welt
Einheit des Wissens
Charakterbildung
Erziehung und Unterricht
als dialogisches Geschehen
Erziehung erfordert
Beziehung
Personale Erziehung und die
Frage der Werte
• Dialog und Kommunikation
• Fürwahrhalten – Fürwerthalten –
Fürguthalten
• „Anähnlichung“ (Gebauer, Wulf 1998;
Sting 2009)
Person, Begabung und Institution
• „Auf die Einzelschule kommt es an!“
(Klieme u. a. 2007, S. 366).
• „Die Einzelschule als pädagogische
Handlungseinheit“ (Fend 1986, 2008)
• Pädagogisches Ethos / Grundkonsens
Schulen
international
•Gelebte Tugenden
und Werte
•Rituale
•Wertschätzung der
‚Leistung‘ der
Institution und
ihrer Akteure
Werde, der/die du bist.
Person, Sinn-Setzung und
Schule
Martin Wagenschein :
„Werde, der du bist... Hierin sehe ich Paulus’
größte Leistung und erkenne darin das
kostbarste Geschenk, das ich ihm danke“.
(Wagenschein, Erinnerungen für morgen, 1983)
Werde, der/die du bist.
Person und Sinn-Setzung
Karl Popper:
„Freiheit als Aufgabe“
(Popper, Alle Menschen sind Philosophen, 22005, S. 236)
Werde, der/die du bist.
Person und Sinn-Setzung
Der Sinn des Lebens ist nicht etwas
Verborgenes …, das wir im Leben finden
oder entdecken können, sondern etwas, das
wir selbst unserem Leben geben können. Wir
können durch unser Tun und lassen, durch
unsere Arbeit und unser Wirken, durch
unsere Einstellung zum Leben, zu anderen
Menschen und zur Welt, unser Leben sinnvoll
machen.(Popper 22005, S. 244)
Werde, der/die du bist.
Person, Sinn-Setzung und
Schule
Wenn ich an die Zukunft dachte,
träumte ich davon, eines Tages eine
Schule zu gründen, in der junge Menschen
lernen könnten, ohne sich zu langweilen; in
der sie angeregt würden, Probleme
aufzuwerfen und zu diskutieren; eine Schule,
in der sie nicht gezwungen wären,
unverlangte Antworten auf ungestellte Fragen
zu hören; in der man nicht studierte, um
Prüfungen zu bestehen, sondern um etwas
zu lernen.
(Popper 2004, S. 51)
Ausblick?
• „Wir sind heute unsere eigenen
Sinnstifter.“
• Ob das Leben sich lohnt, hängt „mehr
an den nächsten Dingen als an den
letzten“.
Heiko Ernst, in: Psychologie heute, H. 4, 2010, S. 20, 27
Danke für Ihr Interesse!
Email: [email protected]
Herunterladen