Lehrerforum, DKFZ 15. November 2004 Impfstoffe gegen Tumorviren, Viren als Krebsrisikofaktoren Lutz Gissmann Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg [email protected] Impfen gegen Tumorviren Impfen Verhinderung von Infektionen oder der durch sie bedingten Erkrankungen durch Aktivierung des Immunsystems (Immunität) Impfprogramme sind Erfolgsgeschichten INFEKTIONEN, IMMUNITÄT Thukydides: Der Peloponnesische Krieg (430 v. Chr.) “Gerade von denen, die sich von der Krankheit erholt hatten wurde die Kranken und Sterbenden am besten versorgt. Sie kannten es nämlich aus eigener Erfahrung und hatten keine Furcht. Es war nämlich niemals die gleiche Person zweimal betroffen, zumindest nicht so, dass sie daran gestorben wäre“. BEGINN DER VAKZINIERUNG Edward Jenner 1776 Entwicklung eines Impfstoffs gegen Pocken (“small pox“): Inokulation von Pocken aus Kühen (vacca) schützt vor small pox 1800: 1/10 der Toten und 9/10 der toten Kinder sterben an Pocken 1801: erste erfolgreichen Impfstudie 1979: globalen Ausrottung von small Pox HÄUFIGKEIT VON KINDERLÄHMUNG “NEUE“ INFEKTIONSKRANKHEITEN Immunantwort Angeborene Immunantwort (IFN, NK Zellen): schnell, unspezifisch Zytokine T Helfer Zellen Erworbene Immunantwort: verzögert, spezifisch, memory Antikörper zytotoxische T Zellen extrazellulär intrazellulär Impfung Was ist Krebs? Genetische Erkrankung einzelner Zellen (vererbt oder erworben) Krebsarten haben unterschiediche Ursachen Krebs entsteht meist erst viele Jahre nach Zellschädigung Erworbene Krebsarten sind im Prinzip vermeidbar Kann man Krebserkrankungen vorbeugen ? Kenntnis der Ursachen (Risikofaktoren) Direkte Beweisführung (Experiment) ist bei (Krebs)Erkrankungen des Menschen nicht möglich. Krebserkrankungen des Menschen: Ursachenforschung Beobachtung (Epidemiologie) Experimente (Zellkultur, Tiermodelle) Ursachenforschung durch epidemiologische Studien Epidemiologie: Häufigkeit und Ausbreitung von Erkrankungen in einer Population regional (Rhein-Neckar Kreis) genetisch (Asiaten) Verhalten (Raucher) Berufsgruppen (Flugbegleiter) Ursachenforschung durch epidemiologische Studien Darmkrebs in bestimmten Familien Hautkrebs in Australien Bindegewebskrebs bei Asbestarbeitern Magenkrebs in Japan Lungenkrebs bei Rauchern Gebärmutterhalskrebs bei Prostituierten Ursachenforschung durch epidemiologische Studien Darmkrebs in bestimmten Familien Hautkrebs in Australien ? Bindegewebskrebs bei Asbestarbeitern Magenkrebs in Japan ? Lungenkrebs bei Rauchern Gebärmutterhalskrebs bei Prostituierten Ursachenforschung durch Experimente Einfluss vermeintlich krebsauslösender Einflüsse auf Zellen in Kultur oder in Versuchstieren Chemikalien Strahlen Infektionen veränderte Gene Veränderung von Zellen (Transformation) durch krebsauslösende Substanzen Vorbeugung von Krebs Verhinderung krebsauslösender Einflüsse Schutzmaßnahmen (Emissionskontrolle) Aufklärung (anti-Raucherkampagnen) Impfungen (Eliminierung eines Erregers) Pathogene Mikroorganismen Größe [m] Prionen (BSE) 10-9 Viren 10-7 Bakterien 10-6 Pilze (Pneumocystis) 10-6 Protozoen (Plasmodium) 10-5 Parasitische Würmer 10-4 15-20% aller weltweit auftretenden Krebsfälle Was sind Viren? Parasiten (1/10.000 mm), die für ihre Vermehrung auf lebende Zellen angewiesen sind. Bestehen nur aus Nukleinsäure (Erbinformation) und einer Eiweißhülle Herpesvirus Wie können Viren Krebs verursachen? Viren vermehren sich in den befallenen Zellen, die dabei absterben Wie vermehren sich Viren? Wie können Viren Krebs verursachen? Viren vermehren sich in den befallenen Zellen, die dabei absterben. Manche Viren können für lange Zeit in den Zellen verbleiben (persistieren), die dabei überleben: Voraussetzung für Entartung der infizierten Zelle Papillomavirus (volles Programm): alle Gene E2 E5 E4 L2 4000 3000 5000 2000 E1 HPV 18 6000 1000 L1 E7 7000 7857/1 URR E6 Papillomavirus (Minimalprogramm): frühe Gene E2 E5 E4 L2 4000 3000 5000 2000 E1 HPV 18 6000 1000 L1 E7 7000 7857/1 URR E6 Welche Krebsarten werden durch Viren verursacht? Epstein Barr Virus (EBV) Lymphome Rachenkrebs Hepatitis B Virus (HBV) Leberkrebs Hepatitis C Virus (HCV) Papillomaviren (HPV) Gebärmutterhalskrebs T Zell Leukämie Virus (HTLV-I) Leukämie bei Erwachsenen Impfen gegen Krebs: erste Erfolge Leberkrebs und Infektionen mit dem Hepatitis B Virus: Systematische Impfung von Neugeborenen in Taiwan (seit 1984) Senkung der Häufigkeit von Leberkrebs bei Kindern Stärkere Reduktion von Leberkrebs bei Erwachsenen erwartet (10-20 Jahre) Papillomavirus: impfrelevante Proteine E2 E5 E4 L2 4000 3000 5000 2000 100nm E1 HPV 18 6000 1000 L1 E7 7000 7857/1 URR E6 HPV bedingte gutartige Tumoren (Warzen, Papillome) und Krebserkrankungen • Hautwarzen HPV 1- 4, 26, 27 etc. • Genitalwarzen HPV 6, 11, 42 • Larynxpapillome HPV 6, 11 • Krebs HPV (“high-risk Typen”) 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 66, 68 HPV und Zervixkarzinom Zervixkarzinome entstehen als späte (> 10 Jahre) und seltene (~1%) Konsequenz von persistierenden Infektionen durch high-risk HPVs (HPV 16, 18, 31, 45….) über prämaligne Läsionen (CIN). Kofaktoren? Transformation der Zellen ist bedingt durch und ist abhängig von der konstanten Expression der Proteine E6 und E7. ungeregelte Zellproliferation Verhinderung der Apoptose genetische Instabilität Krebs Zervixkarzinom verursacht durch sexuell übertragene Papillomviren (HPV) entsteht viele Jahre nach Infektion über definierte Vorstufen etwa 500,000 Neuerkrankungen weltweit, die meisten davon in Ländern der Dritten Welt in westlichen Ländern: Senkung der Krebsrate durch Früherkennung (Untersuchung der Zellen im Abstrich) Belastung, hohe Kosten Zervixkarzinom: Neuerkrankungen pro Jahr Weibliche Bevölkerung in Deutschland 42 Mio HPV-bedingte Krebsvorstufen Krebs 1,3 Mio 8 800 Zervixkarzinom: Kosten für Früherkennung und Therapie Kosten (EUR pro Jahr) Früherkennung (Abstrich) 300 Mio Behandlung von Veränderungen 300 Mio Behandlung von Krebs 150 Mio 750 Mio Immunüberwachung von HPV Infektionen Immunsystem kontrolliert PV Infektionen • natürlicher Verlauf der Infektion • experimentelle Systeme Immunüberwachung von HPV Infektionen Tiermodelle • • • • Kaninchen (CRPV) Rind (BPV 1, 2, 4) Hund (COPV) Nager (HPV 16 E6/E7) natürlicher Wirt exptl. Wirt Immunprophylaxe bei Kaninchen durch L1-spezifische Antikörper (CRPV) 2x1011 5x1010 5x1010 2x1011 L1/L2 VLPs 2x1011 2x1011 VLPs L1 Breitburd et al. J Virol 69:3959, 1995 Regression von HPV 16 positiven Tumorzellen durch E7-spezifische CTLs 500 400 200 capsomeres tumor size (mm2) 300 immunization 100 0 14 21 25 days after inoculation of tumor cells 29 HPV Impfstoffe Prophylaxe: Antikörper gegen L1 Therapy: CTLs gegen E7 HPV Vakzine HPV Tumor Zelle E7 Epithel-Zelle kill APC L1/E7 E7-spezifische CTL prophylaktische Impfung neutralisierende Antikörper therapeutische Impfung E7-spezifische CTLs HPV Impfstoffe prophylaktisch L1 VLPs therapeutisch frühe Proteine (E6, E7): (Fusions) Protein rekombinante Vektoren Peptide, Minigene PV L1 VLPs N C Wildtyp L1 rekombinante Baculoviren, Hefe 5x 72x Monomer Kapsomer Kapsid HPV Impfstoffe prophylaktisch L1 VLPs therapeutisch frühe Proteine (E6, E7): (Fusions) Protein rekombinante Vektoren Peptide, Minigene HPV Impfstoffe prophylaktisch L1 VLPs therapeutisch frühe Proteine (E6, E7): (Fusions) Protein rekombinante Vektoren Peptide, Minigene CVLPs HPV 16 L1E7 CVLPs: duale Vakzine? N C-terminal verkürztes L1 C E71-55 (60) rekombinante Baculoviren 5x 72x Monomer Kapsomer Kapsid HPV-spezifische CxCa Impfstoffe Prophylaxe Therapie prä- post-Exposition Infektion CIN Krebs Alter + +? 15 20 + + 50 +? + – + Jahre Antikörper T Zellen Klinische Entwicklung • • • • • • • • • • Commonwealth Serum Laboratories (CSL) MediGene MedImmune (GlaxoSmithKline)* Merck & Co* NIH* Stressgen Universität Leiden Xenova (Cantab Pharmaceuticals) Zycos 3M Innovation *prophylaktische Vakzine Prophylaktische Impfung Parameter klinischer Studien • neutralisierende AK • Verhinderung der HPV Infektion (DNA) • Verhinderung von CIN • Senkung der Krebsrate Klinische Entwicklung prophylaktische Studien (Phase I, II): Ergebnisse • • • • • • Impfstoff gut verträglich sehr immunogen: (neutralierende) AK geringe Dosis: 10-50 g pro Injektion kein Adjuvant Schutz gegen Infektion und frühe Dysplasie noch keine Daten zur Effizienz von CIN II/III und Krebs Klinische Entwicklung prophylaktische Studien: Ergebnisse Koutsky et al. NEJM 347:1645 (2002) Ak Titer HPV 16 Infektion CIN Vakzine (n=619) 1510 mMU/ml 0 0 Placebo (n=631) 6 mMU/ml 41 5 CIN I 4 CIN II Therapeutische Impfung Parameter klinischer Studien • T Zell Antwort (T helfer, CTL, DTH) • Regression der Infektion (DNA) • Regression von CIN (Krebs?) • Verhinderung von Rezidiven Klinische Entwicklung therapeutische Studien (n=24) (Phase I, II) • keine ernsten Nebeneffekte • immunogen bei einigen Patienten: AK, CTL, Zytokine • klinischer Respons variabel (abhängig vom Stadium) • Krebsvorstufen: viel versprechende Ergebnisse • schlechte Korrelation zw. IR und KR HPV Impfstoffe 2. Generation: Bedarf und Machbarkeit • multiplex (kreuzschützende) Vakzine Industrie • Impfstoffe gegen low-risk HPV Typen oder nicht-genitale durch HPV-assoziierte Tumoren Industrie • DNA Impfstoffe akademisch • Impfstoffe für Länder der 3. Welt öffentlich kostengünstige Produktion stabil nicht-invasive Immunisierung cumulative prevalence (%) HPV-Typen in CxCa 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 16 +18 +45 +31 +33 +52 +58 +35 +56 +59 +39 +68 HPV-types after Bosch et al., 1995 HPV Impfstoffe 2. Generation: Bedarf und Machbarkeit • multiplex (kreuzschützende) Vakzine Industrie • Impfstoffe gegen low-risk HPV Typen oder nicht-genitale, HPVassoziierte Tumoren Industrie • DNA Impfstoffe akademisch • Impfstoffe für Länder der 3. Welt öffentlich kostengünstige Produktion stabil nicht-invasive Immunisierung HPV 16 L1 Kapsomere: stabil und kostengünstig D1-10 175Cys Ser D409-431 (Dh4) N C modifiziertes L1 E. coli 5x Monomer Kapsomer Chen et al., 2001 HPV 16 L1 Kapsomere induzieren TElispot Zell Antwort (s.c., i.n.) after 2nd in vitro restimulation #290402 0,45 % IFN-y secreting cells 0,4 0,35 0,3 0,25 0,2 0,15 0,1 0,05 0 PBS i.n. 3 x 10 ug/ CTB i.n. 3 x 10 ug i.n. 3 x 5 ug/ CTB i.n. 3 x 5 ug i.n. 3 x 5 ug s.c. HPV-spezifische CxCa Impfstoffe Prophylaxe Therapie prä- post-Exposition Infektion CIN Krebs Alter + +? 15 20 + + 50 +? + – + Jahre Antikörper T Zellen Chimäre Kapsomere (L1 Fusionen): längere Insertionen N C C-terminal verkürztes L1 E7Vollänge recombinante Baculoviren E. coli 5x Monomer chimäre Kapsomere HPV Impstoffe Zusammenfassung • Prophylaxe: vielversprechende Ergebnisse, Markteinführung innerhalb von 2 Jahren, wird viele Leben retten bzw. substantielle Kosten beim Screening einsparen • Therapie: verbesserungsfähig • post-Expositionsprophylaxe: “therapeutische Komponente“ bei der Prophylaxe HPV-spezifische CxCa Impfstoffe Herausforderungen • HPV Vielfalt, Bedarf in Entwicklungsländern kostengünstige, robuste, multivalente Vakzine nicht-invasive Applikation • Effekt der Prophylaxe erst nach vielen Jahren Bedarf an therapeutischen Impfstoffen • Dauer des Impfschutzes? Impfschema • öffentliche Akzeptanz der Impfung (auch Jungen?) • Einfluss auf Screening, Verhalten nach Impfung? • biologisches Gleichgewicht zwischen HPV Typen Durch Impfungen dem Krebs vorbeugen Impfvorsorge: nur bei infektionsbedingten Krebsformen Erfolg (Senkung der Krebsrate) erst nach vielen Jahren sichtbar 15-20% aller Krebsfälle weltweit könnten verhindert werden (innerhalb von 20-30 Jahren) unmittelbarer Nutzen: Vermeidung unnötiger Untersuchungen und Senkung der Kosten Durch Impfungen dem Krebs vorbeugen? One ounce of prevention is worth a pound of cure Benjamin Franklin Präsentation steht zur Verfügung [email protected]