Therapie

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Herzerkrankungen bei HIV-Infektion
E. A. Laufer
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Historie
- Als ungewöhnliche Häufung seltener und tödlich verlaufender Erkrankungen bei
zuvor gesunden homosexuellen Männern wird 1981 als Ursache eine erworbene
Immunschwäche erkannt.
- 1983 wird von französischen Forschern das HI-Virus isoliert, 1985 können HIV-
Antikörpern mittels ELISA-Test nachgewiesen werden.
- Erste bescheidene Erfolge mit Monotherapien in der Anfangszeit 1987 – 1990 nach
Einführung der Behandlung mit Zidovudin (AZT/Retrovir®).
- Auch die 1991 – 1994 eingeführten Nukleosidanaloga führten zunächst nicht
weiter.
- Viele Patienten in Deutschland, die sich Anfang und Mitte der 80er infiziert hatten,
begannen Anfang der 90er zu sterben; durch Fortschritte auf dem Gebiet der
opportunistischen Infektionen konnte vielen Patienten das Leben zumindest
kurzfristig retten.
Historie
- Nach Einführung der Kombinationstherapie zunächst mit zwei Nukleosidanaloga
Mitte der 90er sowie nach Einführung der Proteasehemmer und der nichtnukleosidaler Reverse-Transkriptase-Inhibitoren 1996 (sog. HAART = „highly active
antiretroviral therapy“) brachen in Westeuropa/Nordamerika die AIDS-Zahlen auf
weniger als ein Zehntel dramatisch ein und blieben in diesen Regionen bis heute
relativ konstant.
- Trotz deutlicher Viruslast-Reduktion ist eine Eradikation weiterhin nicht möglich, so
daß die HIV-Infektion eine lebenslang zu behandelnde, chronische Erkrankung
geworden ist.
Epidemiologie
-
Eine zunächst Mitte der 80er Jahre befürchtete, dramatische AIDS-Epidemie hat
in Deutschland nicht stattgefunden, die Zahl der jährlichen Neuinfektionen blieb
bei etwa 2000 konstant (Aufklärungskampagnen nach 1985).
-
Nach Einführung von HAART ist die Zahl der AIDS-Todesfälle von etwa 2000
(Anfang der 90er Jahre) auf etwa 600 – 700 pro Jahr gesunken.
-
Die globale AIDS-Epidemie ist jedoch dramatischer geworden als vor 20 Jahren
vermutet:
1) Kein Land blieb verschont.
2) Weiterhin besonders deutlich erhöhte Rate an Neuinfektionen und AIDSTodesfällen in Afrika (mangelnde Sexualaufklärung, Inakzeptanz von
Kondomen, fehlende Medikamente).
Menschen mit HIV/AIDS, Neuinfektionen 2004 und Todesfälle*
Menschen mit HIV/AIDS
Neuinfektionen 2004
AIDS-Todesfälle 2004
Afrika südlich der Sahara
25.400.000
3.100.000
2.300.000
Mittlerer Osten/Nordafrika
540.000
92.000
28.000
Süd- und Südostasien
7.100.000
890.000
490.000
Ostasien
1.100.000
290.000
51.000
Ozeanien
35.000
5.000
700
1.700.000
240.000
95.000
440.000
53.000
36.000
1.400.000
210.000
60.000
610.000
21.000
6.500
1.000.000
44.000
16.000
Lateinamerika
Karibik
Ost-Europa und Zentralasien
West- und Zentraleuropa
Nord-Amerika
* Quelle: UNAIDS, http://hiv.net
Einleitung
- Bei HIV-infizierten Patienten können im Verlauf kardiovaskuläre Erkrankungen
auftreten:
a) Diese treten meist als Folge oder in Assoziation mit den typischen opportunistischen
Infektionen und Tumoren (sog. AIDS-definierende Erkrankungen) auf.
b) Treten als Folge der antiretroviralen Therapie in Erscheinung.
- besonders nach Einführung der HAART 1996 entweder durch die damit
verbundene Nebenwirkungen oder durch die verlängerte Lebenszeit.
- Kardiovaskuläre Manifestationen:
1) Perikarderguß/Perikarditis
2) Myokarditis/Kardiomyopathie
3) Herzklappenerkrankungen
4) Herzrhythmusstörungen
5) Neoplasien am Herzen
6) KHK
1) Perikarderguß/Perikarditis
- Häufigste
kardiale Manifestation bei Patienten mit AIDS (etwa 20% der AIDSPatienten entwickeln einen Perikarderguß, großer Perikarderguß in etwa 4% der Fälle).
- Die
meisten Perikardergüsse sind klein und asymptomatisch, selten klinisch relevante
Perikarditis (dann in 33 – 40% großer Perikarderguß oder Perikardtamponade).
- Ursachen: Bei symptomatischen Patienten in 2/3 der Fälle opportunistische Erreger
oder HIV-assoziierte Neoplasien.
: Im Falle einer Perikardtamponade am häufigsten mykobakterielle
Infektionen (42%), dann Neoplasien (15%) sowie Infektionen mit Staphylokokkus
aureus (11%) und isoliert Infektionen mit Cryptokokkus, Nocardia und Aspergillus
species. In 26% der Fälle keine Ursache zu finden.
- Diagnostik: Echokardiographie, ggf. TEE und CT/MRT bei Verdacht auf Peri-/EpikardNeoplasien.
1) Perikarderguß/Perikarditis
- Therapie:
Perikardpunktion - a) elektiv zur Probengewinnung/Ursachenklärung sowie
Entlastung bei asymptomatischen Patienten mit zunehmend großem Perikarderguß.
- b) sofort bei symptomatischen Patienten (Tamponade).
: Ggf. Perikardiotomie mit Perikardfensterung bei rezidivierenden
Perikardergüssen.
: Bei
tuberkulöser Perikarditis sowie bei Patienten mit großen
Perikardergüssen und nicht gefundener Ursache antituberkulostatische Therapie
empfohlen, gefolgt von einer Prednisolon-Therapie für einen Monat (Reduktion der
Mortalität von 34% auf 17%).
: Radiochemotherapie bei Patienten mit perkardialen Lymphomen und
assoziierter Perikarditis.
- Prognose: Die Entwicklung eines Perikardergusses ist, ob symptomatisch oder nicht,
ein schlechtes prognostisches Zeichen (6-Monatssterblichkeit von 64% bei AIDSPatienten mit Perikarderguss gegenüber 7% bei Patienten ohne Perikarderguß).
2) Myokarditis/Kardiomyopathie
- In 33% der zuvor verstorbenen HIV-Infizierten (meist asymptomatisch) Myokarditis
nachgewiesen (Autopsiestudien - in fast allen Fällen fokale Ansammlungen von
Mononuklearzellen mit/ohne myokardialen Nekrosen.
- Lediglich in 10 – 15% der Fälle opportunistischer Keim (am häufigsten Toxoplasmose, aber
auch Zytomegalieviren) als Ursache der Myokarditis pathologisch identifiziert.
- In 85% Myokarditis-Ursache unklar (HI-Virus selbst als Verursacher ?, Autoimmunprozess
induziert durch HIV oder durch Koinfektion mit anderen kardiotopen Viren ?).
- Etwa 1 - 5% der HIV-Infizierten entwickeln eine dilatative Kardiomyopathie, aufgrund der
fehlenden Symptomatik bleiben viele Betroffene unerkannt.
- Kardiomyopathien am häufigsten auf eine chronisch verlaufende Myokarditis zurückzuführen.
Andere mögliche Ursachen: Toxizität durch Alkohol, Drogen oder antiretrovirale Therapie
(Zidovudin).
- Diagnose: Basiert auf die Klinik – EKG, Echokardiographie/BNP (+Verlauf), Röntgen-Thorax.
- Therapie: Orientiert sich an den Leitlinien für nicht HIV-infizierten Patienten.
3) Herzklappenerkrankungen
-
Infektiöse Endokarditis bei HIV-infizierten Patienten fast ausschliesslich bei i.-v.Drogenabhängigen, nach neuen Studien Endokarditisrisiko gleich wie bei NichtHIV-Infizierten.
-
Vor allem Trikuspidalklappe betroffen.
-
Der häufigste bakterielle Erreger ist Staphylococcus aureus (75%), gefolgt von
Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae.
-
Mykotische Formen durch Aspergillus fumigatus, Candida species und
Cryptococcus neoformans.
-
Diagnostik: Bei klinischem Verdacht TEE/Blutkulturen.
-
Therapie/Prognose: Therapie und Prognose (mit HAART) ähnlich wie in der
Allgemeinbevölkerung. Schlechtere Prognose bei HIV-Patienten mit < 200 CD4Zellen/µl oder gemischte infektiöse Endokarditis.
4) Herzrhythmusstörungen
- Ohne
Therapie entstehen diese aufgrund von begleitenden Myokarditiden,
Kardiomyopathien oder Neoplasien: atriale und ventrikuläre Arrhythmien sowie AVBlockierungen möglich.
- Pentamidin
oder Proteaseinhibitoren sowie Begleittherapien mit Makroliden und
Chinolonen können eine verlängerte QT-Zeit verursachen mit Torsade-de-pointesTachykardien.
- Therapie:
Umstellung der antiretroviralen Therapie.
: Bei Torsade-de-pointes-Tachykardie akut 2 g Magnesiumsulfat i. v.
: Herzinsuffizienztherapie, antiarrhythmische Therapie bei klinisch relevanten
Kardiomyopathien.
5) Neoplasien
- Selten
vorwiegend in fortgeschrittenen AIDS-Stadien.
- Kaposi-Sarkome: - können Myokard und Perikard befallen.
- verursachen häufig Perikardergüsse sowie in manchen Fällen
Perikardtamponaden.
- Non-Hodgkin-Lymphome: - können primär beim AIDS-Patienten am Herzen auftreten
- häufig diffus-infiltrierendes Wachstum in den
Herzmuskel, aber auch intrakavitär.
- Diagnose: Echokardiographie, TEE, ggf. CT/MRT.
- Therapie: Chemotherapie und Radiatio mit bis dato sehr unterschiedlichen
Ergebnissen, eher schlechte Prognose.
6) KHK
- Nach
Einführung von HAART beschleunigte Arteriosklerose-Entwicklung
beobachtet.
- Unter HAART erhöhte Neigung zur Hyperlipidämie, arteriellen Hypertension
sowie Gerinnungsstörungen (Hyperkoagulabilität).
- Aufgrund von mehreren retrospektiven und prospektiven Studien mit großem
Patientenkollektiv Herzinfarktrisiko nicht wie zuvor vermutet unter HAART
dramatisch angestiegen.
- Bestätigung nach Abbruch der SMART-Studie Anfang 2006 (Strategies for
Management of Antiretroviral Therapy/5472 Patienten): HAART entweder
kontinuierlich oder CD4-Zellzahl-gesteuert pausiert (Pausenarm).
- Kardiovaskuläre Ereignisse im Pausen-Arm nicht wie gehofft seltener.
- AIDS-Risiko (opportunistische Erkrankungen/Malignome) im Pausenarm
kurz vor Studienabbruch doppelt so hoch wie bei kontinuierlicher Therapie.
6) KHK
- D:A:D-Studie
(elf große Kohorten aus drei Kontinenten mit mehr als 23000 HIVPatienten): Alter der Patienten, männliches Geschlecht, Nikotinkonsum und
vorbekannte KHK größere Risikofaktoren als HAART.
- Hyperlipidämie unter HAART wird wahrscheinlich zu ähnlichen kardiovaskulären
Konsequenzen führen (noch fehlende Langzeitstudien: vielleicht eines Tages
ähnlich den „Package Years“ für Raucher die „Lipid years“ für HIV-Patienten).
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