Unternehmensgründung, -entwicklung und -kauf Vorlesung im Sommersemester 2013 Kjell Jacobsen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Unternehmensfinanzierung • Kontakt: Institut für Recht der Wirtschaft Max-Brauer-Allee 60, 22765 Hamburg Email: [email protected] Web: www.wiso.uni-hamburg.de/institute/irdw • Prüfungsrelevant: Vorlesungsfolien! • Vertiefende Literatur: Aufsätze von Herrn Prof. Baums (abrufbar über die Homepage) • Passwort: „ufi“ Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 2 Professor Dr. M. Adams Gesellschaftsformen • Personengesellschaften BGB-Gesellschaft OHG (Offene Handelsgesellschaft) KG (Kommanditgesellschaft) Stille Gesellschaft EWIV (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung) Partnerschaftsgesellschaft • Körperschaften e.V. (rechtsfähiger BGB-Verein) Nicht-rechtsfähiger Verein Aktiengesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Genossenschaft (e.G.) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 3 Professor Dr. M. Adams BRD: Bedeutung der Rechtsformen (2008) Anzahl Unternehmungen Absolut Einzelunternehmen Relativ Umsatz in Mill. € Absolut Relativ 2.233.767 70,3% 535.956 10,1% OHG 265.868 8,4% 231.683 4,4% KG 137.153 4,3% 1.250.983 23,5% AG 7.862 0,2% 1.037.478 19,5% 465.694 14,7% 1.947.514 36,6% 65.056 2,0% 309.317 5,8% 3.175.400 100% 5.312.931 100% GmbH Sonstige Summe Quelle: Statistisches Jahrbuch 2010, Umsatzsteuerstatistik S. 618. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 4 Professor Dr. M. Adams AG: Organisationsstruktur Hauptversammlung: Aktionäre Wahl 50 % (kein Weisungsrecht wie bei der GmbH) Aufsichtsrat: Aktionärs-Vertreter Vorsitzender: Stichentscheid Ab 2.000 Arbeitnehmern (AN): AN Leitende Angestellte 50 % AN-Vertreter Gewerkschafts-Vertreter kontrolliert, wählt, entlässt + Genehmigungsvorbehalte Vorstand: Geschäftsführung / Vertretung Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 5 Professor Dr. M. Adams AG: Gründung (1) • Durch Neugründung oder Umwandlung (§§ 190 ff. UmwG) • Ablauf einer Neugründung im Überblick Gesellschaftsvertrag: „Feststellung der Satzung” Übernahme der Aktien durch Gründer (§ 29 AktG: Verpflichtung zur Zahlung) Bestellung des Aufsichtsrates und des Abschlussprüfers, § 30 AktG Aufsichtsrat bestellt Vorstand, § 30 IV AktG Gründungsbericht, § 32 AktG Prüfung des Gründungsberichts durch AR und Vorstand, §§ 33, 34 AktG Anmeldung zum Handelsregister von Gründern, AR, Vorstand (vgl. § 36 I AktG) nach Zahlung von 25% des Nennbetrages oder vereinbartem Mehrbetrag (vgl. § 36 a AktG) Bei Sacheinlagen weitere Vorschriften 6 Universität Hamburg Registergericht prüft und trägt ein, § 38 AktG Professor Dr. M. Adams Institut für Recht der Wirtschaft AG: Gründung (2) • Satzung Form - § 23 I AktG: Notarielle Beurkundung Notwendiger Inhalt (§ 23 II, III, IV AktG) - Gründer - Höhe des Grundkapitals - Nennbetrag, Ausgabebetrag jedes Gründers - Eingezahlter Betrag - Inhaber- oder Namensaktien - Firma, Sitz - Gegenstand des Unternehmens - Zahl der Mitglieder des Vorstandes - Form der Bekanntmachungen Zwingendes Recht, § 23 V AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 7 Professor Dr. M. Adams AG: Gründung (4) • Erbringung der Einlage Bargründung - 25 % des Nennbetrages (§§ 36 II, 36 a I AktG) „zur freien Verfügung des Vorstandes” (§ 54 III AktG) - Zahlungspflicht besteht fort, wenn aus Mitteln der Gesellschaft - Strafbarkeit des Vorstands bei falscher Angabe hinsichtlich „freier Verfügbarkeit“ (§ 399 I Nr. 1 AktG) Sacheinlagen = „Nicht Geld” (Grundstück, Patent, Maschine) - Probleme o Wirklicher wirtschaftlicher Wert, § 27 AktG o Prüfung durch Gründer, AR, Vorstand (§§ 33 I, II, 34 AktG) o Anmeldung erst nach vollständiger Leistung, § 36 a II AktG o Prüfung durch das Gericht, § 38 AktG - § 52 AktG: Absicherung gegen Umgehung („Nachsachgründung”) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 8 Professor Dr. M. Adams AG: Gründung (5) Verdeckte Sacheinlagen, § 27 III AktG - Bareinlage wird erbracht, jedoch wird bei wirtschaftlicher Betrachtung ein (sacheinlagefähiger) Gegenstand eingebracht - Beispiel: Aktionär zahlt Bareinlage von 10.000 € und veräußert seinen PKW (Wert: 8.000 €) an die AG für 10.000 € - Rechtsfolgen bisher: Rechtsgeschäfte sind unwirksam; Bareinlagepflicht besteht in voller Höhe fort - Rechtsfolgen seit ARUG: o Keine Erfüllungswirkung der Barzahlung, o Rechtsgeschäfte sind wirksam, o Anrechnung des Sachwerts auf fortbestehende Bareinlagepflicht kraft Gesetz, sog. „Anrechnungslösung“ o Aber: Einleger trifft Beweislast für Werthaltigkeit - D.h.: Verbleibt wegen des Minderwerts der Sache ein negativer Saldo seitens der AG, haftet Inferent i.H.d. Differenzbetrags Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 9 Professor Dr. M. Adams AG: Gründung (5) „Hin- und Herzahlen“, § 27 IV AktG - Bareinlage wird erbracht, jedoch erfolgt eine wirtschaftliche Rückzahlung der Einlage an den Inferenten - Beispiel: Aktionär zahlt Bareinlage und lässt sich anschließend ein Darlehen von der AG gewähren - Rechtsfolgen seit ARUG: o Bei vollwertigem Rückgewähranspruch, der jederzeit fällig oder durch Kündigung fällig gestellt werden kann, gilt Bareinlage als erbracht o Offenlegung beim Registergericht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 10 Professor Dr. M. Adams AG: Vorstand (1) • Geschäftsführung „Leitung unter eigener Verantwortung”, § 76 I AktG „Weisungsfrei” Begrenzung - Unternehmenszweck - Geschäftsordnung, §§ 82 II, § 77 II AktG - Ressortverteilung - Genehmigungsvorbehalte des AR, § 111 IV 2 AktG Problem: Mitbestimmung Kein Mehrfachstimmrecht gegen Mehrheit, § 77 I 2 AktG • Vertretung § 78 I AktG Gesamtvertretungsmacht, § 78 II AktG Unbeschränkbar, § 82 I AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 11 Professor Dr. M. Adams AG: Vorstand (2) • Bestellung und Anstellung Durch den AR, § 84 I 1 AktG Auf höchstens 5 Jahre Wiederholung möglich, § 84 I 2 AktG Widerruf der Bestellung bei wichtigem Grund, § 84 III 1 AktG - Beispiel: Vertrauensentzug durch HV, § 84 III 2 AktG - Aber: AR bleibt in seiner Entscheidung frei Anstellungsvertrag wird vom AR in Vertretung der AG abgeschlossen, § 112 AktG - Dauer wie Bestellung, § 84 I 5 AktG Widerruf der Bestellung i.d.R. auch Kündigung des Anstellungsvertrages - Jedoch: (fristlose) Kündigung kann unwirksam sein Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 12 Professor Dr. M. Adams AG: Vorstand (3) • Haftung gegenüber der Gesellschaft § 93 II AktG § 88 AktG: Wettbewerbsverbot Keine Haftungsmilderung möglich im Anstellungsvertrag Verzicht auf Ersatzansprüche nur eingeschränkt möglich, vgl. § 93 IV 3 und 4 AktG Keine Haftung bei gesetzmäßigem HV-Beschluss, § 93 IV 1 AktG Inhalt der Pflichten gemäß § 93 I AktG - „Business-Judgement-Rule“ o Seit UMAG in § 93 I 2 AktG: „…Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn … Vorstand… vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ - Vertrauensbereich: Geheimhaltung - Straftaten: §§ 399, 400, 401, 404 AktG Entlastung, § 120 I, II 1 AktG - Kein Verzicht auf Ersatzansprüche, § 120 II 2 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 13 Professor Dr. M. Adams AG: Vorstand (4) [Reformen angesagt für Haftung gegenüber Dritten für vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformationen über AG] • Haftungsdurchsetzung Durch den AR, § 112 AktG Durch die HV, § 147 AktG (a.F.) - Einfache Mehrheit oder - 10% des Grundkapitals in HV, § 147 I AktG (a.F.) Praktisch bisher unwirksam Seit 01.11.2005: Reform durch UMAG = „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ - 1% oder 100.000 € des Grundkapitals, § 148 AktG (n.F.) - Missbrauchskontrolle durch sog. Klagezulassungsverfahren - Aufnahme Business-Judgement-Rule in § 93 I 2 AktG (n.F.) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 14 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (1) • Zusammensetzung - Grundsätze Wahl durch Eigentümer (Aktionäre) mit einfacher Mehrheit, § 101 I AktG - Gilt für alle AR-Mitglieder, sofern nicht § 119 I Nr. 1 AktG einschlägig - „Durchwählen“, § 133 I AktG - Auf 4 Jahre, § 102 I AktG Abberufung durch HV vorzeitig mit 3/4 Mehrheit, § 103 I AktG Entsendungsrecht, § 101 II AktG - In Satzung - Maximal: 1/3 der AR-Mitglieder, § 101 II 4 AktG - Jederzeitige Abberufung, § 103 II AktG Abberufung jedes AR-Mitglieds durch Gericht „aus wichtigem Grund”, § 103 III (z.B. HEW: Minister gegen Atomenergie) Überprüfung der Zusammensetzung, §§ 97 ff. AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 15 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (2) • Mitbestimmung Betriebliche Mitbestimmung: BetrVG 1972, § 80 I BetrVG Unternehmerische bzw. wirtschaftliche Mitbestimmung im AR - Montanmitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG) - Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) - Mitbestimmungsgesetz von 1976 (MitbestG) • Zusammensetzung - MontanMitbestG Unternehmen der Montanindustrie (Kohle, Stahl) - Wenn als AG (oder GmbH) organisiert und mehr als 1.000 AN, § 1 II MontanMitbestG AR paritätisch besetzt - Jeweils 50 % von AN und Aktionären und 1 Person von beiden, „neutraler Mann”, §§ 4, 8 MontanMitbestG Jederzeitige Abberufung, § 11 MontanMitbestG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 16 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (3) • Zusammensetzung - DrittelbG Gilt für AG (sowie KGaA, GmbH) mit mehr als 500 AN Auch bei weniger als 500 AN anwendbar, wenn AG vor 10.8.94 gegründet und kein Familienunternehmen ist AR: 1/3 AN-Vertreter, § 4 I DrittelbG • Zusammensetzung - MitbestG Gilt bei AG (sowie KGaA, GmbH) ab 2.000 AN (Großbetriebe) AR paritätisch besetzt: Jeweils 50 % von Arbeitnehmern und Aktionären gewählt AN-Vertreter - Mehrheitlich aus dem Unternehmen - Gewerkschaftsvertreter, § 7 II MitbestG („jobs and money for the boys“) - Jederzeitige Abberufung, § 23 MitbestG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 17 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (4) Bestimmung AR-Vorsitzender und Stellvertreter - 1. Wahlgang: o AR wählt mit 2/3 Mehrheit, § 27 I MitbestG - Wenn ohne Ergebnis 2. Wahlgang: o Aktionärs-Aufsichtsräte wählen Vorsitzenden o AN-Aufsichtsräte wählen Stellvertreter o Mit jeweils einfacher Mehrheit Unternehmensentscheidungen im AR - Bei streitiger Abstimmung und Stimmengleichheit auch bei 2. Abstimmung: Stichentscheid des AR-Vorsitzenden - Ansonsten: verfassungswidrige Enteignung, Art. 14 GG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 18 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (5) • Aufgaben Überwachung der Geschäftsführung, § 111 I AktG - Vergangenheit und Zukunft - Unter jedem Gesichtspunkt - Zustimmungserfordernisse, § 111 IV 2 AktG o Bei Verweigerung: Vorstand kann Abstimmung der HV verlangen, § 111 IV 3 AktG o Wegen MitbestG: praktisch nicht genutzt o AR kann auch ad hoc Zustimmung verlangen - Persönliche Anforderungen o Inkompatibilität zwischen AR und Vorstand, § 105 I AktG o und Vertretern abhängiger Unternehmen, § 100 II Nr. 2 AktG o Keine „Interlocking Directorates”, § 100 II Nr. 3 AktG o Jedoch: wechselseitige Kapital-Beteiligungen möglich Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 19 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (6) Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder, § 84 AktG Vertretung der AG gegenüber dem Vorstand, § 112 AktG Einberufung der HV, § 111 III AktG Prüfung des Jahresabschlusses, Lageberichts, Vorschlages Gewinnverwendung Feststellung des Jahresabschlusses, § 172 AktG • Informationsrechte Berichtswesen, § 90 I, II, III AktG Bericht der Wirtschaftsprüfer, § 170 I AktG Einsichtsrecht in Bücher, § 111 II AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 20 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (7) • Verschwiegenheitspflicht §§ 93 I 2, 116 AktG Problem: AN-Vertreter Problem: Insiderhandel - Strafbar bei börsennotierten AG´s für Primärinsider - Sekundärinsider: Bußgeldtatbestand Problem: Ad-hoc Publizität • Abberufung aus wichtigem Grund, § 103 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 21 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (8) • Verfahren im AR § 107 AktG: Wahl eines Vorsitzenden und Stellvertreters - Praktisch: Bindeglied zwischen Vorstand und AR Einberufung durch Vorsitzenden sowie auf Wunsch jeden Mitglieds oder des Vorstands, § 110 I AktG Leitung durch AR-Vorsitzenden „Agenda Setting“ Ausschüsse - Personal, Tarife - BGH: auch AN-Vertreter in Ausschuss für Vorstand Rechtswidrige Beschlüsse nichtig (oder anfechtbar lt. Literatur) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 22 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (9) • Vergütung, § 113 AktG In Satzung festgelegt oder durch HV bewilligt, § 113 I 2 AktG Niedrig wegen Mitbestimmung Beraterverträge nur für Sonderleistungen - Zustimmung des AR erforderlich, § 114 I AktG - Problem: Abhängigkeit vom Vorstand Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 23 Professor Dr. M. Adams AG: Aufsichtsrat (10) • Haftung §§ 116, 93 AktG Unfähigkeit kein Entschuldigungsgrund Entscheidungen haben sich am Unternehmensinteresse (?) auszurichten - Nicht Interesse einzelner Aktionäre oder AN - USA: „to make profit” Strafbare Handlungen: §§ 399, 400, 404 AktG Entlastung, § 120 AktG - Nur allgemeine Billigung - Kein Verzicht auf Ersatzansprüche, § 120 II 2 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 24 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (1) • Rechte der Aktionäre in der HV § 118 I AktG Praxis: Rationale Apathie, 50% HV-Präsenz • Rechte der HV § 119 I AktG Wahl des AR, soweit nicht entsandt oder AN-Vertreter (Nr. 1) Entlastung Vorstand und AR (Nr. 3) - Bei Vorstand kann Verweigerung Grund für Widerruf der Bestellung durch AR sein, vgl. § 84 III AktG Schadensersatz gegen Vorstand und AR, vgl. § 147 AktG Bestellung der Abschlussprüfer (Nr. 4) Gewinnverwendung (Nr. 2) Keine Weisungsbefugnis (anders in der GmbH) ggü. Vorstand Keine Geschäftsführungskompetenz (§ 76 I AktG: „eigene”) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 25 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (2) Entscheidungen in Sondersituationen - Satzungsänderungen, § 119 I Nr. 5, 179 ff. AktG - Kapitalbeschaffung und -herabsetzung, §§ 119 I Nr. 6, 182 ff. - Auflösung der AG, §§ 119 I Nr. 8, 262 I AktG - Zustimmung zu Unternehmensverträgen, §§ 293 ff. AktG - Eingliederung, §§ 319 ff. AktG - Grundlagenentscheidungen: „Holzmüllerfall” Holzhandel AG AG Florierender Seehafen (80% des Ges.vermögens) wird auf Tochter übertragen: 179 a AktG (-) Tochter o Alleinherrschaft des Vorstandes / Mehrheitsaktionärs o Zustimmung der HV der Mutter (mit 75%) erforderlich o Arg.: Nahezu Satzungsänderung / Kernkompetenz der HV Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 26 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (3) • Verfahren Einberufung, § 121 I AktG - Grundsätzlich durch den Vorstand, § 121 II 1 AktG o Pflicht bei 50% Verlust des GK, § 92 I AktG - Durch Aktionäre ab Minderheit von 5%, § 122 I AktG o Auch Änderung der Tagesordnung möglich, § 122 II AktG Bekanntmachung von Einberufung (§ 121 III 1 AktG) und Tagesordnung (§ 124 I 1 AktG) - Kleine AG: § 121 IV 1 AktG - Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen: § 125 I AktG o Weitergabe an Aktionäre: § 128 I, V AktG Teilnahme an HV - Jeder Aktionär (evt. Anmeldung erforderlich, § 123 II 1 AktG) - Vorstand und AR, § 118 II AktG („sollen“) Leitung der HV: Vorsitzender des AR Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 27 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (4) • Stimmabgabe Stimmabgabe ist WE Stimmberechtigt grundsätzlich jeder Aktionär, § 134 AktG Kein Stimmrecht - „Vorzugsaktien”, §§ 139 ff. AktG o Bei „Rückstand des Vorzugs“ jedoch Aufleben, § 140 II AktG - Eigene Aktien, § 71 b AktG Stimmenzahl - Nennbetrag der Aktie - Mehrstimmrechte unzulässig, § 12 II AktG (Siemens, 20er Jahre: „Verwaltungsaktien”) - Höchststimmrechte o Satzungsvorschrift, die trotz höheren Aktienbesitzes, Stimmrechte begrenzt o Beispiel: VW-Gesetz o Entmachtung von Großaktionären o Probleme: Depotbanken, Vorstandsmacht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 28 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (5) Stimmverbote: § 136 I, II AktG Vertretung zulässig, § 134 III AktG - Depotstimmrecht der Banken, § 135 I, II AktG o Anonym, § 135 IV 2 AktG o Wenn keine Weisung Abstimmung der Bank, § 135 V AktG o Problem: geringe Präsenz auf HV - Vertretung durch Aktionärsvereinigungen, § 135 IX Nr. 1 AktG Abstimmungsvereinbarungen zulässig - Verboten ist jedoch Stimmenkauf, § 405 III Nr. 6 und 7 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 29 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (6) • Mehrheits- und Formerfordernisse Grundsätzlich: Mehrheitsentscheidung, § 133 I AktG Ausnahmen: ¾ Mehrheit bei - Satzungsänderung - Kapitalerhöhung, §§ 182 I, 193 I, 202 II, 207 II AktG - Kapitalherabsetzung, § 222 I AktG - Auflösung, § 262 I Nr. 2 AktG - Beschlüsse über Unternehmensverträge, § 293 I AktG - Eingliederung, § 319 II AktG Folge: Sperrminorität - Grundlagenbeschlüsse können ab 25% blockiert werden Beurkundung bei börsennotierten Gesellschaften, § 130 I AktG Satzungsänderungen müssen ins Handelsregister, § 181 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 30 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (7) • Beschlussmängel Unterscheidung zwischen - nichtigen (§ 241 f. AktG) HV-Beschlüssen - anfechtbaren (§§ 243 ff. AktG) Nichtigkeit - Kann von jedermann geltend gemacht werden - Nur bei im Gesetz benannten Gründen: §§ 241, 250, 253 AktG Anfechtungsklage - Kein fester Katalog - Verfahrensfehler, z.B. o Verweis aus dem Saal o Verweigerung der Auskunft o Nicht ordnungsgemäße Auskunft Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 31 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (8) - Inhaltliche Mängel o Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot und Treuepflicht o Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen, § 186 III AktG - Begründung einer Abhängigkeit, § 17 AktG - Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit - Angabe der Gründe nicht nur in allgemeiner Form - Seit 01.11.2005 - UMAG-Reform: Keine Anfechtung, wenn Spruchverfahren vorgesehen, vgl. § 243 IV 2 AktG - Bei bewertungsbezogenen Informationsmängeln - Beispiel: Abfindungshöhe - Anfechtungsberechtigung, § 245 AktG o HV-Teilnehmer und Widerspruch zu Protokoll o Nach UMAG-Reform nur, wenn Aktien vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben - Frist: 1 Monat nach Beschlussfassung, § 246 I 2 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 32 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (9) Missbrauch der Anfechtungsklage - Grundsatz: Keine Eintragung keine Fusion - Prozessdauer - Abfindungszahlungen - Sondervorteil: strafbar und unzulässig - Reform durch UMAG: Freigabeverfahren, § 246a AktG o Bei Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen o Auf Antrag der AG gerichtliche Feststellung, dass Erhebung der Anfechtungsklage Eintragung nicht entgegensteht o Voraussetzung: Anfechtungsklage unzulässig oder offensichtlich unbegründet o Wenn Anfechtung später doch erfolgreich nur Schadensersatz in Geld, keine Rückgängigmachung der Eintragungsfolgen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 33 Professor Dr. M. Adams AG: Hauptversammlung (10) • Informationsrechte der Aktionäre § 131 AktG: jeder Aktionär hat ein Auskunftsrecht in der HV - Auch bzgl. verbundener Unternehmen, §§ 15, 131 I 2 AktG Auskunft muss zur sachgemäßen Beurteilung erforderlich sein Auskunftsverweigerungsrecht, § 131 III AktG - Seit UMAG-Reform, wenn Auskunft auf Website der AG zugänglich (FAQ-Katatlog) Seit UMAG-Reform: Rede- /Fragezeitbeschränkung durch Versammlungsleiter möglich, sofern in Satzung oder GO, vgl. § 131 II 2 AktG Bei Verweigerung oder unrichtiger Auskunft - Auskunftserzwingungsverfahren, § 132 AktG oder - Anfechtung des Beschlusses (seit UMAG-Reform: nicht bei bewertungsbezogenen Informationsmängeln, sofern Spruchverfahren vorgesehen, z.B. bei formwechselnden Umwandlungen) Kein Einsichtsrecht der Aktionäre Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 34 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (1) • Jahresabschluss, Anhang und Lagebericht Jahresabschluss, §§ 242, 264 I HGB Anhang, § 284 HGB Lagebericht, § 264 I 1 HGB Noch nicht nach HGB: Kapitalflussrechnung Nicht: „True and fair view” Problem - Maßgeblichkeit für Steuerbilanz - „Umgekehrte Maßgeblichkeit“ Prüfungspflicht durch Abschlussprüfer, §§ 316 I 1, 317 HGB - Ausnahme: kleine AG - Schriftlicher Bestätigungsvermerk, § 322 I HGB Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 35 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (2) Anschließend: Vorlage an AR, § 170 I AktG - Gewinnvorschlag, § 170 II AktG - Prüfung durch AR, § 171 I AktG - Bericht des AR an HV, § 171 II AktG Nach Billigung durch AR ist Jahresabschluss festgestellt - Ausnahme: §§ 172, 173 AktG: Feststellung durch HV HV beschließt über den festgestellten Bilanzgewinn, § 174 I AktG - Keine Erhöhung / Senkung des Gewinns - Vorstand nutzt Bewertungsspielräume o „Stille Reserven” o Gewinnrücklage, § 58 II 2 AktG - HV kann Ausschüttung nochmals verringern, § 58 III AktG - „Aushungern” jedoch begrenzt durch § 254 AktG Einreichung zum Handelsregister, § 325 I HGB Einsicht durch Dritte, § 9 HGB Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 36 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (3) • Grundsatz der Kapitalaufbringung Anfangsvermögen: Grundkapital, § 23 III Nr. 3 AktG - Mindestens 50.000 €, § 7 AktG - Bar- oder Sacheinlagen Gründungsprüfung • Grundsatz der Kapitalerhaltung Vor Auflösung der AG nur Bilanzgewinn ausschüttbar, § 57 III AktG Erst Verlustvortrag zu tilgen Passivbuchung des EK verhindert Auszahlung „Verdeckte Gewinnausschüttungen” - Billige Kredite - Überhöhte Gehälter - Zahlungen über Dritte - Rechtsfolge: Rückzahlung der Wertdifferenz an AG, § 62 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 37 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (4) Verbot der Einlagenrückgewähr, § 57 I AktG Erwerb eigener Aktien nur im Rahmen des § 71 I AktG • Kapitalerhöhung gegen Einlagen §§ 182 ff. AktG Ausgaben von Aktien gegen Einlagen = Eigenkapitalerhöhung - Satzungsänderung, § 179 AktG / Eintrag im Handelsregister - Keine Zeichnungspflicht, § 185 AktG Bedingte Kapitalerhöhung, §§ 192 ff. AktG - Nur soweit, wie von Umtausch- oder Bezugsrechten Gebrauch gemacht wird Genehmigtes Kapital, § 202 ff. AktG - Kapitalplazierung nach Vorstandsermessen - z.B. für Unternehmenskäufe Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 38 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (5) Bezugsrecht der Aktionäre, § 186 AktG - Schutz vor Verlust der Anteilshöhe (Verwässerung) und Wertverlusten - Ausschluss nur mit Grund, § 186 III AktG - Zusätzlich nach BGH: verhältnismäßig und angemessen - Problem: Macht des Vorstandes o Auswahl der Aktionäre / „Weißer Ritter“ • Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln §§ 207 ff. AktG § 212 S. 1 AktG: „Gratisaktien” zwingend an Aktionäre • Ordentliche Kapitalherabsetzung §§ 222 ff. AktG Überschüssiges Kapital: Herabsetzung der Grundkapitalziffer, §§ 23 III Nr. 3, 222 I AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 39 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (6) • Vereinfachte Kapitalherabsetzung §§ 229 ff. AktG Keine Auszahlung an Aktionäre Sanierung der AG, § 229 I AktG Begrenzung der Dividenden, §§ 230, 233 AktG Häufig verbunden mit Kapitalerhöhung Dadurch früher Ausschüttungen möglich • Finanzierungsverfahren Inhaberschuldverschreibungen, § 793 BGB Orderschuldverschreibungen, § 363 I 2 HGB Gewinnschuldverschreibungen, § 221 I AktG, Anteil am Gewinn Wandelschuldverschreibungen, § 221 I AktG - Wandelanleihe o Zinsanspruch / Kann in Aktien umgewandelt werden Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 40 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (7) - Optionsanleihe o Für bestimmte Zeit feste Preise für den Aktienerwerb o Wenn Bezugsrecht ohne Schuldverschreibung gehandelt: „Optionsschein” - Papiere keine Mitgliedschaftsrechte - Wegen Umwandlung ¾ Mehrheit in HV nötig, § 221 I 2 AktG - Bezugsrecht der Aktionäre, § 221 IV AktG Genussrechte, § 221 III AktG - Keine Mitgliedschaftsrechte, aktienanalog: o Gewinnabhängige Verzinsung o Bei Liquidation nachrangig o Jedoch keine Stimmrechte und Anfechtungsrechte - Verbriefung als Inhaberpapiere, sog. „Genussscheine” - Ziel: Umgehung der Regeln über Vorzugsaktien, § 139 II AktG - Problem: Keine Kontrolle ohne Eigenkapital und Stimmrecht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 41 Professor Dr. M. Adams AG: Finanzverfassung (8) • Eigenkapitalersatz Gesellschafterdarlehen Vgl. §§ 32 a, b GmbHG § 135 InsO Nur bei Aktionären mit unternehmerischem Einfluss: ab 25% • Haftung der Aktionäre Keine persönliche Haftung, § 1 AktG Ausnahmen - Materielle Unterkapitalisierung - Vermögensvermischung Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 42 Professor Dr. M. Adams AG: Erwerb der Aktionärsstellung • Möglichkeiten Mitgründung Erwerb bei Kapitalerhöhung Erwerb von einem Dritten • Vollzug Mitgliedschaft nicht in Aktienurkunde verbrieft: §§ 413, 398 BGB Namensaktie, § 68 I AktG: Indossament, Einigung und Übergabe Vinkulierte Namensaktie, § 68 II AktG: zusätzlich Zustimmung der AG Inhaberaktie, § 929 BGB: Einigung und Übergabe Praxis - Verfügung über Miteigentumsanteil an einem Sammelbestand bei Wertpapiersammelbank - Nach §§ 929, 931 BGB Umbuchung der Miteigentumsanteile Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 43 Professor Dr. M. Adams AG: Verlust der Aktionärsstellung • Kaduzierung § 64 AktG • Einziehung Zulässig nur wenn in Satzung geregelt, § 237 I AktG • Übertragung der Aktien Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 44 Professor Dr. M. Adams AG: Satzungsfehler / Auflösung • Satzungsfehler Vor Eintragung: Gründungsprüfung Nach Eintragung: Klage auf Nichtigerklärung, §§ 275 ff. AktG - Nur bestimmte Nichtigkeitsgründe Fehlerhafte satzungsändernde Beschlüsse - Nach Eintragung: Bestandskraft im Rahmen des § 242 AktG • Auflösung und Beendigung Auflösungsgründe gemäß § 262 AktG - Z.B. Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechtsfolgen - Insolvenzverfahren - Andernfalls: Abwicklung gemäß §§ 263 ff. AktG - Nach Abwicklung: Beendigung und Löschung, § 273 AktG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 45 Professor Dr. M. Adams Eigenkapital • Allgemeiner Begriff: EK ist der Wert des Vermögens eines Unternehmens nach Abzug aller Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt d.h. EK ist eine Geldziffer, die den Überschuss der Aktiva über die Verbindlichkeiten angibt EK-Ziffer kann null betragen oder negativ sein grobe Definition: EK ist hypothetischer Liquidationsüberschuss nach Zahlung aller Schulden • Aufbringung des EK erfolgt durch: Einlagen der Gter bzw. eines Einzelunternehmers, Stehenlassen von Gewinnen oder Dritte • Fokus: Haftungsrechtliche Bedeutung des EK! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 46 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals I. Überblick • Funktionen des EK-Beitrags: „Investitionsfunktion“ „Ingangsetzungsfunktion“ „Finanzierungsfunktion“ • Kritik: Die Funktionen kommen auch FK-Finanzierung zu! • Festzuhalten bleibt: zwar: typische Merkmale, aber: keine Spezifika der EK-Finanzierung • Für haftungsrechtliche Bedeutung des EK sind diese Funktionen jedenfalls ohne Bedeutung! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 47 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals I. Überblick Aus haftungsrechtlicher Perspektive hat EK vier Funktionen: 1. Schuldentilgung 2. Risikopuffer 3. Selbstbehalt für die Residualberechtigten 4. Risikolimit für Geschäftsleiter Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 48 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals II. Schuldentilgung • Allgemeines: EK-Beiträge erhöhen zusammen mit Rücklagen und dem nicht entnommenem Jahresüberschuss das für die Schuldentilgung bereitstehende Aktivvermögen des Unternehmens Aber: Bei Personengesellschaft wird durch EK-Beiträge der Haftungsfond nicht vergrößert, weil Gläubiger auf Privatvermögen der Gter Zugriff nehmen können Dennoch: Erhebliche Bedeutung des EK auch hier! Bei Personengesellschaft: Überführung der Einlagen ins Gesellschaftsvermögen und Aufbau von Rücklagen bedeuten, dass das Gesellschaftsvermögen dem unmittelbarem Zugriff der Privatgläubiger der Gter entzogen wird Gesellschaftsgläubiger haben damit „strukturellen Vorrang“ vor Privatgläubigern der Gter Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 49 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals II. Schuldentilgung • Verlustverrechnung: Je höher das vorhandene EK, desto stärker sind Gläubiger davor geschützt, dass sich Verluste zu ihren Lasten auswirken, d.h. die Erfüllung ihrer Forderungen in Frage stellen Hinsichtlich bereits eingetretener Verluste dient EK als „Verlustpuffer“ Soweit das EK noch nicht „verbraucht“ ist, wirkt es hinsichtlich noch nicht eingetretener Verluste als „Risikopuffer“ Verlustverrechnung bedeutet, dass der Rückzahlungsanspruch eines Kapitalgebers in Höhe des auf ihn entfallenden Verlustanteils erlischt Bei Auflösung der Gesellschaft bzw. Ausscheiden des Gters bestehen Ansprüche auf den Liquidationsanteil oder Abfindung Aktionär hat aber keinen Anspruch auf Rückzahlung der Einlage (vgl. § 57 I AktG), auch nicht wenn seine Mitgliedschaft endet, etwa bei Auflösung der Gesellschaft oder Einziehung der Aktie Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 50 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals II. Schuldentilgung • Sicherung der Verlustverrechnung: Gter hat keinen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage Einlage ist der Einsatz, mit dem sich der Gter an den Gewinnaussichten und Verlustrisiken der Gesellschaft beteiligt Es ist daher zweifelhaft, ob für den Gter bei Beendigung der Gesellschaft oder seiner Beteiligung überhaupt etwas übrig bleibt Stützel: Kreditgeber hat „Festbetraganspruch“ Aktionär hat „Restbetragsanspruch“ Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 51 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals II. Risikopuffer • Vorsorgefunktion des EK: Der Gesetzgeber ordnet für Kapitalgesellschaften eine je nach Rechtsform unterschiedlich ausgestaltete Vermögensbindung an Ziel: Vermögensbindung soll Verschiebung von Gesellschaftsvermögen ins Privatvermögen der Gesellschafter beschränken Das gilt auch, wenn das gebundene Vermögen nicht zur Deckung der bestehenden Verbindlichkeiten benötigt wird und nicht durch bereits angefallene Verluste vermindert ist Gesellschaft wird in dem dadurch gegebenen Umfang befähigt, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Vermögen künftige Verluste aufzufangen (EK als Risikopuffer; Vorsorgefunktion des EK) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 52 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals II. Risikopuffer • Die Vermögensbindung: Im Aktienrecht umfassend ausgestaltet Dem Aktionär dürfen nicht die zum Grundkapital gehörenden Einlagen zurückgezahlt werden (vgl. § 57 I AktG) Vermögensbindung betrifft weitere EK-Bestandteile: Aufgeld (§§ 272 II Nr. 1 HGB, 150 AktG) gesetzliche Rücklage (§ 150 AktG) „andere Gewinnrücklagen“ (vgl. § 266 III HGB) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 53 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals III. Selbstbehalt • Fehlanreize bei beschränkter Haftung: Haftungsbeschränkung in Kapitalgesellschaft führt dazu, dass sich das Verlustrisiko der Gter auf das von ihnen eingebrachte Kapital beschränkt! Folge: nicht abgedeckte Verluste sind wirtschaftlich von den Gläubigern zu tragen Lösung: Gesetzlicher Mindestkapitaleinsatz Argumente für den Selbstbehalt: 1. Fairnessgedanke: Es ist ungerecht, wenn Gter, aufgrund der Gesellschaftsform, Projekte wählen können an deren Gewinnchancen sie partizipieren können, deren Verluste aber von Dritten getragen werden müssen 2. Nachteilige Fehlallokationen: Je dünner die EK-Decke des Unternehmens, desto stärker wird Anreiz zu wertvernichtenden Investitionen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 54 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals III. Selbstbehalt • Opt in-Lösung des Kapitalgesellschaftsrecht: Der Gesetzgerber fordert von Gtern einer Kapitalgesellschaft einen gewissen Mindesteinsatz (vgl. § 7 AktG, § 5 I GmbHG) Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung Aber: Festlegung einer angemessenen Höhe dieses Selbstbehalts wird weitgehend Marktteilnehmern überlassen!! So können etwa die Gter den Mindesteinsatz erhöhen und dadurch den FK-Gebern zusichern, dass Verluste aus Risikogeschäften zunächst von dem EK abgezogen werden sog. „Kollektivvertrag“ zwischen EK- und FK-Gebern Entscheidend: EK-Geber können ihren Einsatz nur zurückfordern, wenn FK-Geber bzw. Gläubiger befriedigt worden sind Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 55 Professor Dr. M. Adams Aufgaben des Eigenkapitals IV. Risikolimit • EK soll Verhalten der Leitungsorgane des Unternehmens steuern (Vorstand; Geschäftsführer) Soweit Risikomanagement zwingend vorgeschrieben (z.B. § 25a KWG; str. bei § 91 II AktG) sollen Bestandsgefahren (Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit) abgewehrt werden Neben diese organisatorischen Pflichten treten Verhaltenspflichten bei bestandsgefährdenden Entwicklungen und hinsichtlich der Übernahme existenzbedrohender Risiken (vgl. §§ 76, 93 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 56 Professor Dr. M. Adams Angemessenes EK I. Verträge und Marktmechanismus • • Vertragliche Vereinbarungen zwischen FK-Gebern und Schuldnerunternehmen in Bezug auf das EK des Schuldnerunternehmens („covenants“) gibt es in Kreditverträgen und Anleihebedingungen Ergänzungen des Gläubigersicherungssystems Es gibt detailliertes und zwingendes System der Aufbringung und Erhaltung eines Schuldentilgungsfonds Dennoch nicht lückenlos! So finden sich in Kreditverträgen Klauseln über: Dividendenbegrenzungen Beschränkungen des Rückerwerbs eigener Aktien Verbot bestimmte Gegenstände des Anlagevermögens zu veräußern oder dies nur mit Zustimmung des Anleihetreuhänders tun zu dürfen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 57 Professor Dr. M. Adams Angemessenes EK I. Verträge und Marktmechanismus • Verhandelte EK-Kennziffern Fixierung eines angemessenen EK, etwa durch Festlegung von Verhältniskennzahlen („financial ratios“) oder Fixierung fester Beträge des Nennkapitals oder EK Derartige „financial covenants“ können z.B. festsetzen Maximalverhältnis von Verschuldung zum EK („gearing“ oder „debt/equity ratio“) oder Mindest-EK in Prozent der Bilanzsumme oder in Prozent bestimmter Aktiva („equity cover“) Sanktionen bei Bruch der „covenants“: Nachforderung von Sicherheiten, Aufbringung weiteren EK, Erhöhung der Zinskonditionen oder Kündigung aus wichtigem Grund Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 58 Professor Dr. M. Adams Angemessenes EK I. Verträge und Marktmechanismus • Akzeptierte/offengelegte EK-Kennziffern Hintergrund: Viele Schuldnerunternehmen werden sich vertragliche Bindungen nicht auferlegen lassen Aber: Marktmechanismus wirkt auch hier! Ist das in der Bilanz ausgewiesene EK aus Sicht der FK-Geber nicht angemessen, dann wird eine Finanzierung – insbesondere bei Fehlen kompensierender Sicherheiten – verweigert bzw. nur zu hohen Risikoprämien angeboten werden Folge: Geplantes Projekt könnte unterbleiben oder die EK-Quote wird doch erhöht! Gesetzlicher Schutzmechanismus und Ausweis eines angemessenen Nenn- und EK in Satzung/Bilanz signalisiert FK-Gebern: aktuelle Fähigkeit zur Schuldentilgung „rechtlich gesicherte Erwartung“, dass EK-Mittel auch zur Verfügung stehen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 59 Professor Dr. M. Adams Angemessenes EK I. Verträge und Marktmechanismus • Defizite des Marktmechanismus Festlegung eines angemessenen EK durch vertragliche Vereinbarungen: Vereinbarungen sind für Schuldnerunternehmen nur für die Laufzeit der jeweiligen Finanzierung verbindlich Endet Schuldverhältnis dann entfällt auch der Schutz, den diese Vereinbarung reflexiv zugunsten aller übrigen Gläubiger bewirkte! Modell der akzeptierten/offengelegten EK-Verhältnisse: Notwendig ist rechtskonformes Rechenwerk und Verhalten des Schuldnerunternehmens und informierte FK-Geber „Insider“ sind Sachwalter der Gläubiger-Gesamtheit; letztere profitieren als Trittbrettfahrer Informationsvorsprung kann dazu führen, dass bei Verschlechterung der Finanzkennzahlen rechtzeitig Kapital abgezogen wird; Folge: Übrige FK-Geber sind erst recht von Verlusten bedroht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 60 Professor Dr. M. Adams Angemessenes EK II. Bankaufsichtsrechtliche Lösung • Risikostatus und Risikotragfähigkeit § 10 I S. 1 KWG: „Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute müssen im Interesse der Erfüllung der Verpflichtungen ggü. ihren Gläubigern angemessene Eigenmittel haben.“ „Angemessen“ sind die Mittel dann, wenn die mit einem gewissen Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit eintretenden Verluste durch die Eigenmittel abgedeckt sind Gemäß § 2 SolvabilitätsVO bestimmen sich EK-Anforderungen nach den vom Institut übernommenen Risiken Ergänzend gelten MaRisk (BA) der BaFin: Ermittlung eines „Gesamtrisikoprofils“ „Risikotragfähigkeit“ muss gegeben sein, d.h. wesentliche Risiken müssen durch Risikodeckungspotential laufend abgedeckt sein Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 61 Professor Dr. M. Adams Angemessenes EK II. Bankaufsichtsrechtliche Lösung • Risikostatus und Risikotragfähigkeit § 10 I S. 1 KWG: „Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute müssen im Interesse der Erfüllung der Verpflichtungen ggü. ihren Gläubigern angemessene Eigenmittel haben.“ „Angemessen“ sind die Mittel dann, wenn die mit einem gewissen Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit eintretenden Verluste durch die Eigenmittel abgedeckt sind Gemäß § 2 SolvabilitätsVO bestimmen sich EK-Anforderungen nach den vom Institut übernommenen Risiken Ergänzend gelten MaRisk (BA) der BaFin: Ermittlung eines „Gesamtrisikoprofils“ „Risikotragfähigkeit“ muss gegeben sein, d.h. wesentliche Risiken müssen durch Risikodeckungspotential laufend abgedeckt sein Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 62 Professor Dr. M. Adams „Korporatives“ Aufgeld • „Agio“ bedeutet Aufgeld oder Aufschlag Mehrbetrag, den ein Investor bei Aktienemissionen über den so genannten „geringsten Ausgabebetrag“ hinaus an die Gesellschaft zahlen muss (vgl. §§ 36a I, 188 II S. 1 AktG) Der „geringste Ausgabebetrag“ ist bei Nennbetragsaktien (§ 8 I, II, IV AktG): der Nennbetrag bei Stückaktien (§ 8 II, IV AktG): der auf die einzelne Stückaktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals Beachte: „Unterpariemission“ ist unzulässig (§ 9 I AktG)! Dagegen: „Überpariemission“ (=Agio) ist zulässig (§ 9 II AktG)! • Agio gibt es nicht nur bei Emissionen gegen Bareinlagen, sondern auch bei Sacheinlagen (vgl. § 36a II S. 3 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 63 Professor Dr. M. Adams „Korporatives“ Aufgeld • • Aufgeld = Teil der aufzubringenden Einlage (§ 54 I AktG) Gründe für ein Aufgeld: • Bei Gründung: Agio soll Gründungskosten decken, ist Reserve für sonstige Verluste im Gründungsstadium oder dient dem Ausgleich nicht einlagefähiger Leistungen Dritter (z.B. Know How) Bei Kapitalerhöhung: Differenz zw. Nennwert und höheren Marktoder Kurswert der umlaufenden Aktien soll ausgeglichen werden Ausgeschlossen: „Agiotage“: Agio wird für Dividendenzahlungen genutzt ohne entsprechende betriebliche Gewinne (vgl. § 150 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 64 Professor Dr. M. Adams „Korporatives“ Aufgeld • Einlage inklusive Aufgeld = • geschuldeter Gesellschafterbeitrag bildet Eigenkapital der Gesellschaft („Verlustpuffer“) „Kapitalmarktrechtlicher“ Schutzzweck Aufgeld ist in Kapitaleinlage einzustellen (vgl. §§ 272 II Nr. 1 HGB, 150 II, III AktG), welche ausschließlich der Verlustrechnung dient Damit: Ausweis/Ausschüttung als Bilanzgewinn und eine dadurch verursachte Täuschung des Publikums über die Ertragskraft des Unternehmens ist ausgeschlossen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 65 Professor Dr. M. Adams Aufgeld und Kapitalaufbringung • Bargründung Bareinlagen sind vor der Anmeldung zu mind. einem Viertel des geringsten Ausgabebetrags einzuzahlen Aufgeld muss voll geleistet werden (§§ 36a I, 36 II AktG) Motive: Zu geringe Einzahlungen bieten keine Gewähr für spätere Einzahlung des Grundkapitals „Agiotage“ würde begünstigt Unkundige würden Aktien leichtfertig zeichnen, weil sie auf schnelle Weiterübertragung spekulieren Nachweis in Anmeldung (§ 37 I S. 2 AktG) Prüfung durch Registergericht (§ 38 I AktG) Neben Aktionär, der Aufgeld (teilweise) nicht eingezahlt hat, haften Gründer und Vorstände bzw. Aufsichtsräte (§§ 46, 48 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 66 Professor Dr. M. Adams Aufgeld und Kapitalaufbringung • Sachgründung Bei Sacheinlagen muss der Wert der Sacheinlage auch den festgesetzten Mehrbetrag abdecken (§ 36 II S. 3 AktG) Gründungsprüfung durch Organmitglieder und Gründer (§ 34 I Nr. 2 AktG) Umstritten: Prüfungskompetenz des Registergerichts h.M.: Gericht muss nicht nur prüfen, ob Bericht und Anmeldung Angaben enthalten, sondern auch, ob Angaben zutreffen! Kritik: § 38 II S. 2 AktG sieht Ablehnung der Eintragung gerade nicht vor, wenn Wert der Sacheinlage Agio nicht mit abdeckt Ist Sacheinlage überbewertet (bzw. deckt Sacheinlage nicht das festgesetzte Aufgeld), besteht eine „Differenzhaftung“ des Gründers Arg: Sacheinlageversprechen enthält Kapitaldeckungszusage! BGH: Differenzhaftung ist unabhängig davon, ob die Parteien Kapitaldeckungszusage gewollt haben Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 67 Professor Dr. M. Adams Aufgeld und Kapitalaufbringung • Barkapitalerhöhung Primäres Ziel: Schutz der Altaktionäre vor Vermögensverschiebung Bei Barkapitalerhöhung kann HV Ausgabebetrag festsetzen! Schweigt der HV-Beschluss zum Ausgabebetrag, hat der Vorstand hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden Wichtig: Soll das Bezugsrecht von Aktionären ausgeschlossen werden, muss im Erhöhungsbeschluss der (Mindest-) Ausgabebetrag festgesetzt werden Arg: § 255 II AktG. Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses kann darauf gestützt werden, dass Ausgabebetrag oder Mindestbetrag im Verhältnis zum Wert der dafür auszugebenden Aktien unangemessen niedrig Anfechtungsmöglichkeit ginge ins Leere, wenn jede Angabe zu (Mindest-) Ausgabebetrag fehlt H.M.: § 255 II AktG gilt analog Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 68 Professor Dr. M. Adams Aufgeld und Kapitalaufbringung • Sachkapitalerhöhung Im HV-Beschluss muss der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien festgesetzt werden (§ 183 I S. 1 AktG) H.M.: Höherer Ausgabebetrag muss nicht angegeben werden (anders als im Fall der Barkapitalerhöhung!) Festsetzung eines Ausgabebetrags iHd Verkehrswerts der Sacheinlage soll Scheingewinne verhindern (z.B. Sacheinlage wird unterhalb des Verkehrswerts eingebracht und später veräußert) Ist ein höherer als der geringste Ausgabebetrag angegeben, bezieht sich auch die Differenzhaftung des Sacheinlegers hierauf Prüfung erstreckt sich auch darauf, ob der Wert der Sacheinlage den Mehrbetrag deckt (analog zur Gründungsprüfung, vgl. §§ 34 I AktG, 183 III S. 2 AktG) Wie bei Gründungsprüfung keine inhaltliche Wertdeckungsprüfung durch Registergericht (vgl. § 184 III S. 1 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 69 Professor Dr. M. Adams Verwendung der Kapitalrücklage • Aufgeld und unterbewertete Sacheinlagen Unzulässig: Agio darf nicht als Gewinn ausgewiesen/ausgeschüttet werden Agio darf nicht auf Grundkapital angerechnet werden Aufgeld ist in Kapitaleinlage einzustellen (vgl. §§ 272 II Nr. 1 HGB, 150 II, III AktG), welche ausschließlich der Verlustrechnung dient Damit: Verhinderung einer „Agiotage“ Als Kapitalrücklage iSd § 272 II Nr. 1 HGB auszuweisen ist auch Aufgeld in Form einer Sacheinlage! • Kapitalrücklage als Risiko- und Verlustpuffer Aufgeld = „gebundene Kapitalrücklage“ (vgl. § 150 II – IV AktG) und damit der Ausschüttung an Aktionäre entzogen („Reservefonds“) Ausschüttung = verbotene Einlagenrückgewähr (§§ 57 I, III, 62 AktG) „Reservefonds“ dient als weiterer „Risiko- bzw Verlustpuffer“ neben dem Grundkapital 70 Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft Professor Dr. M. Adams „Schuldrechtliches“ Aufgeld • Gründe für „schuldrechtliches“ Aufgeld: Wagniskapitalfinanzierungen: Hier soll das in Aussicht gestellte EK nicht sofort zur Verfügung gestellt werden, sondern sukzessiv („staged financing“), jeweils nach Erreichen bestimmter Zwischenziele („mile stones“) Sukzessiv einzuzahlendes „korporatives“ Aufgeld würde gegen §§ 36a I, 188 II S. 1 AktG verstoßen! „Korporatives“ Agio hat weitere Beschränkungen: Mehrbetrag muss entweder in Form einer Bar- oder Sacheinlage geleistet werden (vgl. § 27 II AktG) Damit scheiden z.B. Dienstleistungen als korporatives Aufgeld aus • „Schuldrechtliches“ Agio = Leistungen, die societatis causa, als Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks, erbracht werden sollen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 71 Professor Dr. M. Adams „Schuldrechtliches“ Aufgeld • • • • • „Schuldrechtliches“ Aufgeld bringt zum Ausdruck, dass ihre Begründung nicht auf Gesellschaftsvertrag, sondern Individualvereinbarung beruht Damit: Leistungspflicht ist nicht Bestandteil der Mitgliedschaft und geht auch nicht ipso jure auf den Rechtsnachfolger über! Übertragung findet nach allgemeinen Regeln statt (vgl. §§ 414, 415 BGB) §§ 54 I, 55 AktG stehen schuldrechtlichem Agio nicht entgegen; gleiches gilt für § 36a AktG (allg. Meinung) Die dortigen Beschränkungen betreffen nur die „mitgliedschaftlichen“ Pflichten des Aktionärs! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 72 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung • • „Innenfinanzierung“ meint, dass finanzielle Mittel, die einem Unternehmen aus seiner Geschäftstätigkeit in einer Periode zugeflossen sind, nicht an die Kapitalgeber ausgezahlt, sondern einbehalten werden. Man unterscheidet: 1. 2. 3. 4. Innenfinanzierung durch Bildung von Gewinnrücklagen Innenfinanzierung durch stille Reserven Innenfinanzierung durch anderweitige Verwendung des Bilanzgewinns Innenfinanzierung durch Vermögensumschichtung 3. und 4. haben kaum praktische Bedeutung und werden hier nicht näher vertieft Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 73 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung • • • • Innenfinanzierung bewegt sich im Spannungsfeld zw. Gläubigerschutz und Residualberechtigung der Aktionäre Rücklagenbildung dient dem Gläubigerschutz Übrige Formen der Innenfinanzierung = Eingriff in die Residualberechtigung der Aktionäre „Residualberechtigung“ meint die vermögensmäßige Zuweisung, die durch die EK-Beteiligung an einer AG vermittelt wird, und aus der sich einzelne Ansprüche (z.B. auf den Bilanzgewinn, § 58 IV AktG; auf den Liquidationsüberschuss, § 271 I AktG) ergeben können Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 74 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • • • Vorstand und AR können einen Teil des Jahresabschlusses, höchstens jedoch die Hälfte, in „andere Gewinnrücklagen“ einstellen (§ 58 Abs. 2 S. 1 AktG) Satzung kann zur Einstellung eines größeren/kleineren Teils ermächtigen (§ 58 Abs. 2 AktG) Beachte: • Zwei Fragen stellen sich: 1. 2. • Entscheidung für Ausschüttung und gegen Rücklagenbildung bedeutet nur Absage an Innenfinanzierung der Investition (nicht Absage der Investition insgesamt) Verfügt Management über Projekte, die eine Finanzierung verdienen? Innen- oder Außenfinanzierung? Handlungsziel: Unternehmenswertsteigerung! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 75 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • • • • Frage: Soll das Projekt aus thesaurierten Gewinnen finanziert werden oder sollen Gewinne ausgeschüttet und eine Außenfinanzierung vorgenommen werden? In einer Modellwelt ohne Transaktionskosten bzw. unterschiedlichen Steuern wäre Entscheidung unerheblich! Außerhalb der Modellwelt sprechen erhebliche Kosten einer EK-Aufnahme durch Emission junger Aktien für Finanzierung durch thesaurierte Gewinne! Grund: Gesamtsteuerbelastung fällt bei Thesaurierung niedriger aus als bei Ausschüttung und anschließender Kapitalaufnahme (Halbeinkünfteverfahren) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 76 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • Einwand: „Residualprinzip“ • Verwaltung soll auf Rücklagenbildung verzichten und HV Ausschüttung des Bilanzgewinns vorschlagen, wenn die Gesellschaft diese Mittel nicht profitabler anlegen kann Kritik: Verwaltung weiß nicht, ob Aktionäre überhaupt über profitablere Anlagemöglichkeiten verfügen profitablere Anlagemöglichkeiten könnten nur einzelne nicht aber alle Aktionäre haben risikoaverse Investoren meiden selbst ertragreichere Investments Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 77 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • Frage: Wie soll die Verwaltung entscheiden? Ausschüttungspräferenzen können in der Entscheidung der HV zum Ausdruck gebracht werden (§ 58 III AktG) Alternative: Aktienrückkauf günstiger in steuerlicher Hinsicht als Dividendenausschüttung Aber: unflexibel und kostenträchtig wegen starrer Beschränkung des Rückerwerbs eigener Aktien (vgl. § 71 I Nr. 8, II 1 AktG) kann Ausschüttung also nicht ersetzen! • Einwand (2): Frage: Ist Verwaltung bei einer Thesaurierungsentscheidung sachlich unbefangen oder sind Eigeninteressen im Spiel, die eine Berufung auf die BJR (§ 93 I 2 AktG) ausschließen? Manager bevorzugen tendenziell Rücklagen, wenn es an Kontrolle und gegenläufiger Anreize (Vergütung) fehlt Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 78 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen Bei Ausschüttung müssten Manager sich die Finanzmittel im Wege der Außenfinanzierung besorgen und dem Kapitalmarkt oder Kreditinstitut den Finanzierungsbedarf (z.B. Investition) erläutern und rechtfertigen. Bei Thesaurierung entscheidet der Kapitalgeber dagegen nicht über den Finanzmitteleinsatz mit Thesaurierung und Reinvestition im eigenen Unternehmen unterstützen tendenziell weniger profitable Expansionsstrategien Grund: Management profitiert von Strategien auch bei niedriger Rendite, da Diversifizierung das Arbeitsplatzrisiko senkt und Expansion zu „Empire-building“-Effekten führt Berufung auf § 93 I 2 AktG ist dennoch nicht zu verneinen! Gerichte müssten sonst Entscheidungen inhaltlich überprüfen Wertung aus § 58 II AktG zeigt, dass ein gewisser Ermessenspielraum besteht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 79 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • Ökonomische Literatur trennt zwischen • Handlungsziel: Unternehmenswertsteigerung und Handlungsalternativen: Rücklagenbildung oder Ausschüttung und Außenfinanzierung Handlungsziel zugleich Rechtspflicht? sofern Gesellschaft = Unternehmen mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung, dann ist Unternehmenswertmaximierung Leitmaxime des Handelns von Vorstand und Aufsichtsrat Aber: Zulässig ist Rücklagenbildung auch aus anderen Gründen, etwa zur „Stärkung der Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft“ (vgl. § 254 I AktG) d.h: Verwaltung hat Beurteilungsspielraum bzgl. der Frage welchem Zweck die Rücklagenentscheidung dienen soll (§ 93 I 2 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 80 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • Grundsatz: Handlungsfreiraum auch bei Auswahl der Handlungsalternativen • Grund: Unternehmerische Entscheidung iSd § 93 I 2 AktG! Ausnahme: wenn Bestandsgefährdung Pflicht zur Thesaurierung, wenn anders der Bestand der Gesellschaft konkret gefährdet würde, v.a. weil Ausschüttung einen sonst nicht behebbaren Liquiditätsengpass auslösen würde Residualberechtigung der Aktionäre rechtfertigt keine weitere Einschränkung des Handlungsermessens Sie erweitert nur die Handlungsalternativen der Verwaltung im Interesse der Aktionäre, da sie eine Ausschüttung zu rechtfertigen vermag, auch wenn Ausschüttung bei isolierter Betrachtung für die Gesellschaft „als solche“ nachteilig erscheint. Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 81 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen • Aktienrechtliche Sicherungen: § 58 II 1 AktG: Vorstand entscheidet nicht allein, sondern gemeinsam mit dem Aufsichtsrat (allerdings ist Aufsichtsrat kein Aktionärsausschuss) § 58 II, III AktG: Kompetenzspaltung zwischen Verwaltung und HV. Diese soll Thesaurierungsinteresse der Verwaltung entgegenwirken und Anlegerinteresse an Mindestausschüttungen Rechnung tragen Möglichkeit der Nichtigkeitsklage, wenn Verwaltung bei der Feststellung des Jahresabschlusses die Bestimmungen des § 58 II AktG oder die Satzung verletzt (§ 256 I Nr. 4 AktG) Haftung nach §§ 93, 116 AktG, wenn der Gesellschaft (nicht nur den Aktionären) ein Schaden entsteht selten: Haftung ggü. Aktionären nach § 823 I BGB („sonstiges Recht“) bzw. § 826 BGB, § 31 BGB; keine Haftung nach § 823 II BGB, weil § 93 I AktG kein Schutzgesetz! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 82 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch stille Reserven • Stille Reserven entstehen, wenn • Vermögensgegenstände in der Bilanz nicht angesetzt oder unterbewertet worden sind; wenn nicht bestehende Verbindlichkeiten angesetzt, oder wenn Verbindlichkeiten überbewertet worden sind; oder durch die Bildung von Rückstellungen (vgl. § 249 I HGB) Gründe für die Bildung stiller Reserven: Gesetzliche „Zwangsreserven“: Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften können den Ansatz eines Vermögensgegenstands zu einem niedrigerem als dem Verkehrswert vorschreiben (vgl. §§ 253, 254 iVm 279, 280 HGB) z.B. Gebot der Bilanzierung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§§ 253 I, 255, 280 I 1 HGB) zwingende Bildung einer Rückstellung (vgl. § 249 HGB) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 83 Professor Dr. M. Adams Innenfinanzierung durch stille Reserven • Schätzungs- und Ermessensreserven: • Ansatz- und Bewertungsvorschriften enthalten vielfach unbestimmte Rechtsbegriffe, bei deren Anwendung sich Spielräume ergeben können Auslegung „einfacher“ unbestimmter Rechtsbegriffe, ist durch den Abschlussprüfer bzw. durch BAFiN, Gerichte in vollem Umfang nachprüfbar Willkürreserven: Gegenbegriff zu den zulässigen stillen Reserven („Zwangsreserven“, „Schätzungsreserven“ und „Ermessensreserven“) „Willkürreserve“ verkürzet Jahresüberschuss und verhindert bzw. vermindert denkbare Gewinnausschüttung (Eingriff in die Residualberechtigung der Aktionäre) Rechtsbehelf: Nichtigkeitsklage bei unzulässiger Unterbewertung des Jahresabschlusses (§ 256 V 1 Nr. 2 AktG) durch jeden Aktionär Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 84 Professor Dr. M. Adams Zinsverbot im Aktienrecht • • „Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden“ (§ 57 II AktG) Lutter: • „Der Aktionär ist ein risikotragender Mitunternehmer. Seine Einlage ist nie Darlehen iS eines zu verzinsenden Fremdkapitals der AG. Zinsen auf seine Einlage sind daher ein Widerspruch in sich selbst.“ Historisch: Zinsverbot erstmals im holländischen HGB (1838) formuliert Preußisches Aktiengesetz (1843) sah Verbot der Vereinbarung und Zahlung von Zinsen an Aktionäre vor ebenso wie das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) Zinsverbot ist über das HGB (1900) und das AktG (1937) in das geltende AktG gelangt! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 85 Professor Dr. M. Adams Zinsverbot im Aktienrecht • Argumente für Aktienzinsen: Gefahr des „Aushungerns“ der Aktionäre: bezeichnet einen Sachverhalt, bei dem ein Überschuss entweder durch bilanzielle Gestaltung versteckt oder ein Bilanzgewinn zwar ausgewiesen, aber nicht ausgeschüttet wird. Kritik: Vereinbarung eines Aktienzinses ist ungeeignet, da sie auch dann greift, wenn kein Überschuss erzielt worden ist. Gefahr der unprofitablen Verwendung von „free cash flow“: betrifft einen Sachverhalt, bei dem ein Unternehmen über liquide Mittel verfügt, nicht aber über im Marktvergleich profitablere Investitionsmöglichkeiten Kritik: Vereinbarung von Aktienzinsen ungeeignet, da sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der konkrete „free cash flow“, der an die Aktionäre zurückgezahlt werden sollte, nicht feststeht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 86 Professor Dr. M. Adams Zinsverbot im Aktienrecht „Bauzinsen“ für Gründungsfinanzierung Verbot von Aktienzinsen vereitele oder erschwere das Gewinnen von Anlegern in der Phase der Unternehmensgründung Deshalb: Ausnahmen vom Verbot notwendig preuß. AktG (1843): „Die Stipulation von Zinsen zu bestimmter Höhe ist nur für denjenigen Zeitraum zulässig, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebs erfordert.“ Geringe praktische Relevanz, da enger Wortlaut („Vorbereitung“) Heute: Erleichterung von Unternehmensgründungen durch Wagniskapitalindustrie Verzinsung als Einzahlungsanreiz Aktienzinsen seien Anreiz, die gez. Einlagen einzuzahlen Heute: Prioritätsdividende des § 60 II AktG! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 87 Professor Dr. M. Adams Zinsverbot im Aktienrecht - - Kritik: Anreizwirkung gering! Die Aussicht, bei Einzahlung eine Prioritätsdividende von z.B. 4% auf die Einlage zu erhalten wirkt nur dann als Anreiz, wenn a) die Opportunitätskosten nicht höher liegen und b) hinreichende Aussicht besteht, dass überhaupt ein verteilbarer Bilanzgewinn in der erforderlichen Höhe anfällt Dieselben Erwägungen sprechen auch gegen eine Zinszusage! Wichtiger sind Vorkehrungen gegen säumige Zahler (negative Anreize), z.B. o Fälligkeitszinsen o Schadensersatz o Vertragsstrafen o Kaduzierung (vgl. §§ 63, 64 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 88 Professor Dr. M. Adams Zinsverbot im Aktienrecht Schutz der Minderheitsaktionäre bei Thesaurierung Zinszusage ungeeignet, da feste Mindestverzinsung auch dann eingreift, wenn kein Gewinn erzielt worden ist Heute: Anfechtungsrecht wegen übermäßiger Rücklagenbildung (§ 254 AktG) Liquiditätsbedürfnisse der Anleger Attraktivität der Aktie könne gesteigert werden, wenn Anleger mit mit festen Zinszahlungen rechnen können Kritik: Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn als „Zwischendividenden“ (§ 59 AktG) sind möglich Aktionär kann seine Aktie am Sekundärmarkt veräußern und damit seinen Liquidationsbedarf befriedigen Es gibt die Möglichkeit, ein Dividendenpapier mit festen Zinsanspruch zu kombinieren (Gewinnschuldverschreibungen, § 221 I AktG; Genussrechte, § 221 III AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 89 Professor Dr. M. Adams Zinsverbot im Aktienrecht • Aktienzinsen und Gläubigerschutz Zinsverbot bewirkt dreierlei: 1. Zinsanspruch kann in der Insolvenz der Gesellschaft nicht gleichberechtigt neben den Gläubigerforderungen angemeldet und gleiche Befriedigung verlangt werden (vgl. §§ 271 I AktG; 39 I Nr. 5 InsO) 2. Vorstand muss nicht prüfen, ob Vermögens- und Liquiditätslage die Zahlung an die Aktionäre noch gestattet. 3. Zinsverbot schützt das gebundene Vermögen der Gesellschaft im Interesse der FK-Geber vor Auszahlung an die Aktionäre i.E.: Zinsverbot = konsequente Durchführung des Kapitalerhaltungsgebot Das Grundkapital soll nicht durch laufende feste Zinszahlungen an die Aktionäre verkleinert werden dürfen! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 90 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • • • Innovation des U.S.-amerikanischen Kapitalmarkts Begriff bezeichnet Aktien, deren Gewinnbezugsrecht sich lediglich nach dem Ergebnis einer bestimmten Unternehmenssparte, nicht des Gesamtunternehmens richtet! Einsatzmöglichkeiten: insbesondere in divisionalisierten Unternehmen Gewinnbezugsrecht einer Aktiengattung kann sich an dem Gewinn orientieren, der in der einen Sparte erzielt wird, während der Gewinnanteil der zweiten Gattung sich nach den Ergebnissen einer anderen Sparte richtet Sparten können produktorientiert oder nach regionalen Gesichtspunkten eingerichtet sein Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 91 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Gründe für die Ausgabe: 1. Bei der Einbringung eines Unternehmens in eine Gesellschaft wird dem Einleger ermöglicht, weiterhin an den Ergebnissen „seines“ Unternehmens beteiligt zu bleiben. z.B. Übernahme von EDS durch GM im Jahre 1984: Die bisherigen Aktionäre von EDS, erhielten zwar GM-Aktien, deren Dividenden-Bezugsrecht orientierte sich aber am Gewinn der künftigen EDS Sparte von GM 2. Im Wege der Umgestaltung der bislang bestehenden „Einheitsaktien“ erhalten die bisherigen Aktionäre zwei versch. Gattungen von Tracking Stocks, die an die Ergebnisse unterschiedlich profitabler Sparten (z.B. Öl und Stahl) anknüpfen Vorteil: entspricht den Bedürfnissen der Investoren nach „maßgeschneiderten“ Anlagemöglichkeiten 3. Einsatz von Tracking Stocks als Abwehrmaßnahme in Übernahmekämpfen (vgl. Beispiel NL Industries vs. Simmons) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 92 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Beachte: Bei Tracking Stocks ist nur das Gewinnbezugsrecht nicht auf den Bilanzgewinn insgesamt, sondern einer bestimmten Unternehmenssparte bezogen Sofern ein Überschuss in der Untenehmenssparte nicht erzielt worden ist, kommt ein Rückgriff auf den Gesamtgewinn des Unternehmens nicht in Betracht! Formen: strikte Anbindung des Gewinnbezugsrechts an die Ergebnisse einer einzelnen Sparte („close tracking“) Mischformen („loose tracking“) Die Stimmrechte der Inhaber der Tracking Stocks beziehen sich auf die Gesellschaft als Ganze Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 93 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ Der Anteil von Tracking Stocks am Liquidationsgewinn kann verschieden bemessen und festgelegt werden z.B. entsprechend dem Wertverhältnis der Aktien verschiedener Gattungen zueinander im Zeitpunkt ihrer Schaffung Tracking Stocks werden idR mit Umwandlungsvorbehalten und Umwandlungsrechten versehen z.B. kann Gesellschaft berechtigt sein, auf Beschluss des Verwaltungsrats (board) hin Aktien einer Gattung gegen Aktien einer anderen Gattung und Zahlung eines Aufgelds einzutauschen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 94 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Vorteile: Spartenergebnisse als Gegenleistung: Aktionären wird im Fall einer Sacheinlage ihres bisherigen Unternehmens ermöglicht, an den Ergebnissen dieser Sparte auch künftig teilzunehmen Zerlegung konglomerater Unternehmen: Tracking Stocks werden geschaffen und an die bisherigen Stammaktionäre ausgegeben Fallgruppe ist Vorstufe der Zerlegung eines Unternehmens in mehrere rechtlich getrennte Einheiten: Sie erlaubt eine genauere Einschätzung der Ertragsaussichten und damit eine präzisere Bewertung der Unternehmensteile Folge: effizientere Kapitalversorgung sowie bessere Möglichkeit für Investoren, ihr Portfolio auf ihre Anlagebedürfnisse hin zusammenzustellen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 95 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Rechtsformaufwand für Gründung und Betrieb mehrerer rechtlich selbständiger Gesellschaften entfällt Segmentierung gibt Unternehmen größere Flexibilität bzgl. der weiteren Strukturierung unterschiedliche Besteuerung, je nachdem, ob bloße Spartentrennung oder Abspaltung in rechtlich selbständige Töchter Nachteile: Ausgabe von Tracking Stocks kann zu Interessenkonflikten zwischen Aktiengattungen und zu „Gruppenegoismus“ führen Nötig: Präzise Umschreibung der mit den einzelnen Aktien verknüpften Rechte Loyalitätskonflikte für Board und Management hoher Aufwand, da mind. drei verschiedene Jahresabschlüsse zu erstellen sind (Gesamtgesellschaft + zwei oder mehrere Sparten) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 96 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Überlegungen zum dt. Recht: • Tracking Stocks gibt es nicht im dt. Recht Wäre dies rechtlich möglich? Anknüpfung an Spartenergebnisse: Gewinnbezugsrecht muss an Gewinn der Unternehmenssparte angeknüpft werden! § 11 S. 1 AktG: Aktien können verschieden Rechte gewähren, namentlich bei der Verteilung des Gewinns D.h.: Aktien müssen bzgl. des Dividendenrechts nicht einheitlich ausgestaltet sein § 139 AktG: Vorzugsaktien sind zulässig Auch Tracking Stocks gewähren Vorzug bei Verteilung des Bilanzgewinns, soweit in „ihrer“ Sparte erzielt Aber: Stimmrecht soll erhalten bleiben (§ 139 I AktG) Es wird kein Vorzugsbetrag festgesetzt (§ 140 II AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 97 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Ungleichbehandlung von Aktionären möglich (§§ 11, 60 III AktG) Beachte: Unter die Aktionäre darf nur der Bilanzgewinn verteilt werden (§ 57 III AktG). Der Begriff bezieht sich (§ 268 HGB) auf die Gesellschaft, nicht auf die Unternehmenssparte, d.h. es ist denkbar, dass trotz Spartengewinns wegen Verlusten in anderen Bereichen kein Gewinn verteilt werden darf! Verbindliche Festlegung von Segmenten: Tracking Stocks erfordern Divisionalisierung auch in rechtlich verbindlicher Sicht Kann Satzung die Bildung und Beibehaltung bestimmter Sparten vorschreiben? Grds.: Gliederung nach Sparten wird in GO des Vorstands festgelegt Aber: Gemäß § 77 II 2 AktG kann die Satzung Einzelfragen der GO bindend regeln! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 98 Professor Dr. M. Adams „Tracking Stocks“ • Segmentberichterstattung: • Aufgabe: Über den Jahresabschluss hinaus sollen zusätzliche Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Teilbereiche des Unternehmens gegeben werden. Deutsches. Bilanzrecht fordert nur eine Aufgliederung der Umsatzerlöse (vgl. § 285 Nr. 4 HGB) Fazit: Die Emission von Tracking Stocks ist nach AktG zulässig Aber: Probleme bei Segmentspublizität Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 99 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung • Charakteristika: FK-Finanzierung meint Finanzierung durch Geldkredit und Anleihen FK-Finanzierung ist zu unterscheiden von: Leistungen, die nicht im Gewähren von Kapital bestehen (Dienstleistungen, Warenlieferungen, Lizenzen usw.) und EK-Finanzierung (Außenfinanzierung) Grenzlinie zwischen EK- und FK-Finanzierung ist wichtig, da unterschiedliche rechtliche Regeln gelten! Es gibt Mischformen: „Hybride Finanzierungsinstrumente“ Klassische Instrumente: EK-Finanzierung = Stammaktie FK-Finanzierung = Bankkredit Aber: vielfältige Zwischenformen denkbar! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 100 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung • Abgrenzungsmerkmale: 1. Vergütung für die Kapitalüberlassung Kreditgeber hat Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Zinses zum vereinbarten Termin Aktionär hat keinen Anspruch auf eine feste Kapitalverzinsung zu einem bestimmten Termin, sondern nur einen Anspruch auf das „Residuum“ (d.h. auf das nach der Berichtigung des Vermögens verbleibende Vermögen der Gesellschaft entsprechend seiner Beteiligungsquote, und auch erst nach Auflösung der Gesellschaft, vgl. § 271 I AktG) Vor Auflösung besteht nur Anspruch auf Zahlung einer Dividende sofern es einen verteilungsfähigen Überschuss gibt Kreditgeber = Festbetragsanspruch Aktionär = Restbetragsanspruch Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 101 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung 2. Rückzahlung des Kapitalbetrags Rückzahlungsanspruch des Kreditgeber besteht unabhängig davon, ob Überschuss erzielt worden ist Aktionäre können Rückzahlung nur erwirken, wenn und soweit zuvor die FK-Geber wegen ihrer Forderungen befriedigt worden sind bzw. ihnen Sicherheit geleistet worden ist (vgl. § 225 AktG; § 272 AktG; § 199 S. 2 InsO) Keine Kündigungsmöglichkeit für Aktionär, aber für Kreditgeber (vgl. §§ 488 III, 490, 314 BGB) 3. Informations- und Einwirkungsrechte Bei Kreditgeber beziehen sich Kontrollrechte auf Sicherung der Zins- und Kapitalrückzahlung, welche sich aus den Vertrags- und Anleihebedingungen ergeben (Durchsetzung: Leistungsklage) Aktionäre sind auf das unbestimmte Residuum verwiesen; Mitwirkungsrechte und Klagerechte dienen primär der Steigerung des Unternehmenswerts Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 102 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung • Grenzen der Annäherungen: EK-Finanzierung weitgehend zwingend geregelt (§ 23 V AktG) Zinsverbot bei Aktien (§ 57 II AktG) Vermögensauszahlung jenseits Dividendenausschüttung nur nach Befriedigung bzw. Sicherstellung der FK-Geber möglich (§ 225 AktG; § 271, 272 AktG; § 199 S. 2 InsO) Aktie gewährt Mitwirkungsrechte (z.B. Stimmrecht, § 12 I 1 AktG); Beschränkung nur ausnahmsweise (z.B. Vorzugsaktien, §§ 139 ff. AktG; Höchststimmrechte, § 134 I 2 AktG) Bei FK-Finanzierung weitgehende Gestaltungsfreiheit Kredite und Schuldverschreibungen können gewinnabhängig und sogar mit Dividende ausgestattet werden z.B. Zusage eines Jahreszinses von 7,5% auf den Nennbetrag, der aber nur beansprucht werden kann, sofern und soweit Auszahlung nicht zu einem Bilanzverlust führt Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 103 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung - - • Anspruch auf Rückzahlung des Kapitals kann ggü. anderen FKGebern mit einem Nachrang versehen werden (vgl. für die Insolvenz § 39 II InsO) FK-Gebern können keine Kontrollrechte in der HV eingeräumt werden, da gegenläufige Anreize und Interessenlagen mit Aktionären bestehen können (z.B. Gefahr wechselseitiger Blockaden) Grundformen der FK-Finanzierung Grobe Einteilung: Bankkredite und FK-Finanzierung durch sonstige Investoren (insbesondere Schuldverschreibungen) Funktion = Finanzierung von Großunternehmen AG ist die klassische Rechtsform des Großunternehmens AG ist „Kapitalsammelbecken“ Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 104 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Kapitalbeträge werden durch das Publikum aufgebracht Ansprache erfolgt auf zwei Wegen: Einschaltung von Finanzintermediären (typischerweise durch Kreditinstitute, denen Investoren ihre Gelder als Einlagen anvertraut haben, und die diese Gelder in Unternehmenskredite transformieren) oder gezielte Ansprache des Kapitalmarkts (z.B. Emission einer Anleihe) wird auch als „Mobilisierung des FK“ bezeichnet! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 105 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung • „Mobilisierung des FK“: Rechtshistorie Einschaltung eines Finanzintermediärs bietet Vorteile: Der Informations-, Transaktions- und Überwachungsaufwand zwischen den Investoren und dem kapitalnachfragenden Unternehmen wird erheblich reduziert (Synergievorteile!) Investoren erzielen durch Verteilung ihrer Einlagen auf Kredite an verschiedene Schuldner mittelbar einen Diversifizierungsvorteil: Ihr Ausfallrisiko bezieht sich auf einen diversifiziert anlegenden und der Kreditaufsicht unterliegenden Schuldner Finanzintermediäre können Fristentransformation leisten: Sie können liquide Mittel ihrer Einleger in illiquide Anlagen auf der Aktivseite ihrer Bilanz (v.a. langfristige Kredite) transformieren Transformation von Depositen bei Banken in Kredite ist alt! Bis 1840 wurde der Kapitalbedarf hauptsächlich durch EK gedeckt, da System der Finanzintermediation durch Banken fehlte Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 106 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung System der Finanzintermediation wurde in Deutschland erst ab 1850 auf- und ausgebaut: Große Kreditbeträge durch Konsortialkredite und Schuldscheindarlehen Einrichtung der Kreditwesenaufsicht zur Vermeidung von Systemrisiken Heute: Abgabe von Kreditrisiken an andere Marktteilnehmer durch Kreditderivate Im Ausland: Früher Handel von Aktien und Obligationen 17. Jahr.: Handel von Obligationen an Amsterdamer Börse Deutschland: Handel mit Schuldverschreibungen erst während Napoleonischen Kriegen Dt. AG‘s (v.a. Eisenbahngesellschaften) treten als Emittenten so genannter „Prioritätsobligationen“ seit 1840 auf Mobilisierung des nachgefragten FK erforderte die Entwicklung eines Rechtsinstituts, die den Interessen von Kapitalanleger und – nachfrager Rechnung tragen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 107 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Umformung des Schuldversprechens zu veräußerbaren Schuldverschreibungen: 17. Jahr.: Inhaber einer Schuldurkunde konnte ohne Nachweis einer Einzugslegitimation des Gläubigers aus der Inhaberklausel klagen (der Besitz begründet Vermutung für Ermächtigung) 19. Jahr.: Beim Inhaberpapier ist das Gläubigerrecht mit dem Eigentum am Papier verbunden, d.h. die Forderung wird mit dem Eigentum am Papier übertragen Der Besitzer kann die Forderung aus dem Papier geltend machen und der Schuldner kann an ihn mit befreiender Wirkung zahlen (vgl. jetzt § 793 I BGB) Bonitätsprüfung des Anleiheschuldners: Preußen (1833): Genehmigungserfordernis für Emission von Inhaberschuldverschreibungen Genehmigungspraxis: Nötig waren hinreichende Sicherheiten und das Vorhandensein eines Tilgungs- oder Amortisationsfonds Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 108 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung - - BGB übernahm die Genehmigungspflicht (§ 795 BGB aF) Aufhebung erfolgte erst 1990 (1953 entfiel die Genehmigungspflicht für Auslandsanleihen) Amtliche Begründung: „Das Zinszahlungs- und Tilgungsrisiko kann dem Anleihegläubiger nicht durch eine auf den Emissionszeitpunkt beschränkte Prüfungs- und Genehmigungspflicht abgenommen werden“ Seitdem: o Verschärfung der Prospektpflicht und –haftung sowie o Bewertung von öffentlich angebotenen Schuldverschreibungen (Emissionsrating) oder ihrer Emittenten (Emittentenrating) durch Ratingagenturen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 109 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Wahrnehmung der Gläubigerrechte + Überwachung Rückzahlung von Zins und Kapital soll sichergestellt werden Nötig sind Informationen über o Zahlungsfähigkeit des Schuldners sowie o Ergreifen von Maßnahmen bei pflichtwidrigem Verhalten (z.B. Schadensersatz bei Verzug; Kündigung) Bei Einschaltung von Finanzintermediären übernimmt das „monitoring“ das Kreditinstitut Hier: andere Überwachungsmechanismen nötig! Genehmigungen nach preuß. Recht beschränkten sich auf Sicherheiten, Schutzklauseln (heute: „covenants“) gegen Vermögensauszahlungen an Aktionäre, Verkauf von Anlagegütern oder die Erhöhung des Verschuldungsgrads etc. Heute: „Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“ Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 110 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Handelbarkeit von Schuldverschreibungen: Planungs- und Investitionshorizonte von kapitalnachfragenden Unternehmen und Investoren können auseinanderfallen Bei unmittelbarer FK-Finanzierung durch eine Anleihe entfällt Fristentransformation Erforderlich ist hier die Schaffung eines Sekundärmarkts, der die jederzeitige Veräußerbarkeit der Schuldverschreibung ermöglicht Deutschland: o ca. 1900: Börsenmäßiger Handel mit Staatsanleihen und Pfandbriefen (schon früher in England + Niederlande) o ca. 1850: Börsenhandel in- und ausländischer Industrieobligationen o 1896: Börsenmäßiger Effektenhandel durch BörsG Praxis: Außerbörslicher Handel bei Schuldverschreibungen spielt größere Rolle! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 111 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung • Sicherung der Anleihegläubiger durch Schutzklauseln Konflikte zwischen EK- und FK-Gebern: Vorkehrungen gegen solche Konflikte finden sich in „Covenants“ bzw. Schutzklauseln in Kredit- und Anleiheverträgen Folgende Maßnahen können die Position der FK-Geber beeinträchtigen: 1. Vermögenszuwendungen an Aktionäre ohne marktübliche Gegenleistung 2. Aufnahme zusätzlicher FK-Mittel 3. Wertvernichtende Investitionen 4. Kontrollwechsel, Schuldnerwechsel und strukturelle Änderungen des Emittenten 5. Verschleiern nachteiliger Entwicklungen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 112 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung 1. Vermögenszuwendungen an Aktionäre Formen: Ausschüttung von Dividenden Kaufpreiszahlung iR eines Aktienrückkaufs Zahlung infolge einer Kapitalherabsetzung Übernahme von Verbindlichkeiten, Garantien oder Bürgschaften Verdeckte Vermögenszuwendungen Gefahren: Vermögenstransfer kann Insolvenz auslösen (Extremfall) Steigerung des Forderungsausfallrisikos Bei hohem Verschuldungsgrad besteht für EK-Geber und Manager Anreiz zu wertvernichtender Über- und Unterinvestition Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 113 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Gläubigerschutzvorschriften/Restriktionen bei: Verdeckten Vermögenszuwendungen (§§ 57, 62 AktG) Vermögensverschiebungen zwischen verbundenen Unternehmen (§§ 311 ff AktG) Ausschüttung von Dividenden (§ 58 AktG) Rückerwerb von Aktien (§ 71 ff AktG) Zahlung infolge einer Kapitalherabsetzung (§§ 222 f AktG) Aber: kein lückenloser Schutz, so dass weitergehender Schutz über „Covenants“ möglich! z.B.: Dividendenbegrenzungen Beschränkungen des Rückerwerbs eigener Aktien Veräußerungsverbot bei bestimmten Gegenständen des Anlagevermögens Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 114 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Probleme bei Covenants: Verstöße nur schwer zu beobachten; Sanktion schwierig Erheblicher Eingriff in unternehmerische Bewegungsfreiheit Klauseln gewährleisten nicht ohne weiteres den Gläubigerschutz, da z.B. EK nicht nur durch Ausschüttungen, sondern auch durch Verluste aufgezehrt werden kann Rechtliche Zulässigkeit: Rechtsgeschäftliches Veräußerungsverbot von bestimmten Gegenständen des Anlagevermögen hat keine dingliche Wirkung (vgl. § 137 S. 1 BGB) Knebelung des Anleiheschuldners würde Sittenwidrigkeit begründen (vgl. § 138 I BGB) vorformulierte Anleihebedingungen unterliegen Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 305 b ff. BGB Zuständigkeit der HV könnte unzulässigerweise beschnitten werden (vgl. §§ 58 I, II und IV AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 115 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung 2. Aufnahme zusätzlichen FK Vorteile für EK-Geber: Zufuhr von zusätzlichem FK kann zur Steigerung der EKRentabilität führen, daher besteht Anreiz! Nachteile für Gläubiger: Erhöhung des Verschuldungsgrads erhöht Ausfallrisiko gibt Anreize zu wertvernichtenden Investitionen kann haftendes Vermögen verkürzen, wenn Neugläubigern dingliche Sicherheiten bestellt werden (Befriedigungsvorrang in der Insolvenz) Auswege: Festlegung von Finanzkennzahlen („financial ratios“), deren Überschreiten Zinsanpassung oder Kündigungsrecht auslöst „Negativklausel“, die das Herbeiführen eines „strukturellen Nachrangs“ durch dingliche Besicherung künftiger Gläubiger ausschließt Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 116 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung 3. Wertvernichtende Investitionen Je dünner die EK-Decke, desto stärker wird der Anreiz zu wertvernichtenden Investitionen Bei greifbarer Bestandsgefährdung haben EK-Geber und Manager Anreize „alles auf eine Karte zu setzen“! Sie wählen Projekte mit hohen potentiellen Erträgen, aber auch niedrigem Erwartungswert Mitunter werden Projekte sogar mit negativen Erwartungswert gewählt Realisieren sich Erträge, profitieren Anteilseigner; realisiert sich das Ausfallrisiko, tragen FK-Geber den Verlust Gläubigerschutz bei riskanten Geschäften: Innenhaftung (§ 93 II AktG); Aber: Einwand des § 93 I 2 AktG Festlegung von Mindest-EK-Quote in Covenants, deren Fehlen risikoadjustierte Zinsanpassung oder Kündigung auslöst Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 117 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung 4. Kontrollwechsel, Schuldnerwechsel, strukt. Änderungen Kontrollwechsel beim Emittenten: Vorteile aus verbesserter Managementkontrolle bzw. Einbindung in starken Unternehmensverbund Nachteile durch Ausplünderung der Gesellschaft nach Übernahme bzw. Veränderung des Risikoprofils Schutzklauseln sehen zum Teil Fälligwerden des gesamten Anleihekapitals vor oder Kündigungsrecht Mitteilungspflicht über Kontrollwechsel entsprechend § 21 WpHG Schuldnerwechsel durch Umwandlung: Verschmelzung: o Vorteil für Gläubiger, wenn sich bisherige Haftungsmasse dadurch vergrößert o Nachteil, wenn danach niedrigere EK-Quote oder anderes Kapitalschutzsystem (GmbH statt AG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 118 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung o - Bei Teilschuldverschreibungen besteht gegen aufnehmende Gesellschaft Anspruch auf Sicherheiten (§ 22 UmwG) Spaltung: o Anspruch auf Sicherheitsleistung richtet sich gegen neuen Rechtsträger, dem Verbindlichkeiten im Spaltungsplan zugewiesen worden sind (§ 133 I 2 UmwG) o weitere Gläubigergefährdung ist hier, dass das Aktivvermögen und die Verbindlichkeiten des bisherigen Rechtsträgers im Spaltungsvertrag nicht notwendig gleichermaßen dem neuen Rechtsträger zugewiesen werden, sondern disproportional aufgeteilt werden können o Daher: Gesamtschuldnerische Haftung (§ 133 I 1 UmwG), aber zeitliche Beschränkung (vgl. § 133 III UmwG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 119 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung Strukturelle Änderungen: Emittent kann Rechtsform ändern (§§ 226 ff UmwG) Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge mit Tochtergesellschaften, so dass Verlustragung (§§ 302, 303 AktG) Veräußerung wesentlicher Vermögensteile oder sogar des ganzen Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG) Covenants können Schutz bieten, dürfen allerdings nicht in die Kompetenz der HV eingreifen, z.B. Verschmelzungen werden von Zustimmung der Anleihegläubigerversammlung abhängig gemacht Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 120 Professor Dr. M. Adams Fremdkapitalfinanzierung 5. Verschleiern nachteiliger Entwicklungen EK-Geber und Manager haben Anreiz gläubigergefährdende Entwicklungen zu verschleiern, wenn mit ihrem Aufdecken nachteilige Konsequenzen für EK-Investment oder Manager-Position zu befürchten Festlegen von Finanzkennzahlen ist nur dann geeignetes „Frühwarnsystem“, wenn Gläubiger die Verlässlichkeit der Kennzahlen überprüfen können Schutzklauseln ergänzen Kapitalmarktregulierung! Bei „bewerteten“ Anleihen übernimmt Ratingagentur Überwachung des Schuldners anstelle der Anleihegläubiger Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 121 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • „Finanzinstrumente“ sind: • • Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate und Bezugsrechte Im Fokus stehen Stammaktien und Vorzugsaktien! „Konversion“ meint: Umtausch und Umwandlung von Finanzinstrumenten (=Verfügungsgeschäfte). Merke: Durch ein Verfügungsgeschäft wird unmittelbar ein Recht übertragen, belastet oder in seinem Inhalt verändert! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 122 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • „Umwandlung“ als Inhaltsänderung: • Einzelne Ausstattungsmerkmale (z.B. Rechte oder Pflichten) des im Übrigen fortbestehenden Finanzinstruments werden abgeändert Umwandlung liegt vor, wenn z.B. der mit einer Vorzugsaktie verbundene Vorzug aufgehoben wird (vgl. § 141 I AktG) kein Rechtsträgerwechsel: der bisherige Investor bleibt auch nach Umwandlung Rechtsinhaber! Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien (vgl. § 24 AktG) „Umtausch“: zwei Rechtsgestaltungen denkbar: Übertragung des bisherigen Rechts des Investors auf Emittenten gegen Erwerb eines anderen Rechts z.B. Emittent einer Schuldverschreibung bietet seinen Anleihegläubigern an, die Papiere gegen Aktien an seiner Tochtergesellschaft einzutauschen Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 123 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten - - • Aufhebung des bisherigen Rechts des Investors gegen Erwerb eines anderen Rechts z.B. AG erfüllt das Recht des Gläubigers einer Wandelschuldverschreibung auf Erwerb von Aktien durch Ausnutzen von bedingtem Kapital Grds: Konversion bedarf der Mitwirkung von Emittent und Anleger! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 124 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Mitwirkung der betroffenen Investoren Umwandlung von Stammaktien in Vorzugsaktien mit Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs oder im Wege eines öffentlichen Tauschangebots (Grenze: § 71 AktG) Frage: Bedarf es der Mitwirkung jedes einzelnen Aktionärs? Problematisch ist, wenn einzelne Investoren sich einer Konversion widersetzen, obwohl diese Umgestaltung nicht nur im Interesse des Emittenten, sondern auch im Interesse aller Investoren läge • Anfängliche Konvertierbarkeit Umtausch/Umwandlung können von vornherein vorgesehen werden (z.B. in Satzung oder Emissionsbedingungen) Dann: „Ausstattung“ des jeweiligen Finanzinstruments ist von allen künftigen Erwerbern hinzunehmen (sog. Konvertierbarkeit als Ausstattungsmerkmal). Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 125 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Konversion von Aktien: Stammaktien können ohne Zustimmung des betreffenden Aktionärs in stimmrechtslose Vorzugsaktien umgewandelt werden, wenn Umwandlung in Satzung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktie angeordnet oder gestattet war Mehrheitsbeschluss der betroffenen Aktionäre entspr. § 141 I, III AktG oder § 179 III AktG scheidet aus, da diese Vorschriften nur den nachträglichen Eingriff in eine Rechtsposition meinen Berufung auf Gleichbehandlungsgebot (§ 53a AktG) misslingt, da Satzungspublizität und Wertpapierprospekt über „Umwandlungsbelastung“ informieren Umwandlung von Aktien in FK-Instrumente scheidet aus dazu später mehr! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 126 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Beim Umtausch von Aktien in andere Finanzinstrumente (z.B. Tausch gegen Aktien einer anderen Gattung; Umtausch in FK-Instrumente) gilt folgendes: Satzung kann Einziehung anordnen oder zulassen, ohne dass es noch der Zustimmung des Aktionärs bedürfte (§ 237 AktG), und als Einziehungsentgelt statt Barzahlung Ausgabe einer Schuldverschreibung vorsehen Verpflichtung des Aktionärs sein Recht u.U. auf einen Dritten selbst zu übertragen; als Gegenleistung: Erwerb eines anderen Finanzinstruments (Grenze: § 71 AktG) Konversion von FK-Instrumenten: Hier gilt im Prinzip das soeben Gesagte! Zudem sind Bestimmungen des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) und BGB (§ 305 ff BGB) zu beachten! Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 127 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Nachträgliche Konversion: • Andere Erwägungen gelten, wenn Konversion erst im nachhinein ins Auge gefasst und durchgeführt wird Grds: Zustimmung jedes einzelnen Anlegers ist notwendig! Problem: „Akkordstörer“ können Entscheidung blockieren Aktien: Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien bedarf Zustimmung von mind. ¾ der Vorzugsaktionäre (vgl. § 141 I, III AktG) Blockade durch einzelne kann nicht entstehen! Umwandlung von Stamm- in Vorzugsaktien ist gesetzlich nicht geregelt! H.M.: Zustimmung jedes einzelnen Stammaktionärs Arg.: Entzug des Stimmrechts stellt sehr tiefgehenden Eingriff dar Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 128 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten Problem der möglichen Akkordstörung bleibt! Korrektiv: Zustimmungspflicht aufgrund Treuepflicht M.M.: Ausreichend ist ¾-Mehrheit De lege lata: Fehlende gesetzliche Regelung zeigt, dass Entzug gegen den Willen des Betroffenen nur durch Entzug der gesamten Mitgliedschaft denkbar ist, also durch: Kaduzierung (§ 64 AktG) Kapitalherabsetzung (§ 222 IV 2 AktG) Zwangseinziehung (§ 237 AktG) oder Ausschluss (§ 327a AktG) De lege ferenda: ¾-Mehrheit verbunden mit materieller Inhaltskontrolle (vgl. § 179 III AktG) durch Anfechtung des Umwandlungsbeschlusses Dann „Verhältnismäßigkeitsprüfung“: Wird Stimmrechtsverlust hinreichend durch Gewinnvorzug kompensiert? Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 129 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Gleichbehandlung von Finanzinstrumenten Nach § 53a AktG sind Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln Ähnliche Regelungen in §§ 12 I SchVG, 39 I Nr. 1, 54 I BörsG Voraussetzungen: Gleichbehandlungsgebot greift nur, wenn TB-Merkmal der „gleichen Voraussetzungen“ gegeben ist! Hier: Maßgeblich ist die Ausstattung des Finanzinstruments Sieht z.B. die Satzung vor, dass Vorzugsaktien aus einer bestimmten Emission in Stammaktien umgewandelt werden können, dann können Inhaber später geschaffener Vorzugsaktien ohne diese Umwandlungsoption, nicht unter Berufung auf § 53a AktG die Umwandlung fordern! Greift das Gleichbehandlungsgebot, kann hiervon nur mit Zustimmung des betroffenen Anlegers abgewichen werden Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 130 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Beeinträchtigung der Rechte Dritter Gläubigerschutz: § 57 II AktG: Aktionären dürfen gewinnunabhängige Zinsen weder versprochen noch ausbezahlt werden Das schließt nicht nur entsprechende Ausstattung der Aktie aus, sondern auch eine schlichte Umwandlung einer Vorzugsaktie in einen Genussschein Sollen Aktien durch FK-Instrumente ersetzt werden, bleibt nur der Umtausch, d.h. der Rückerwerb der Aktien in den Grenzen der §§ 71 ff. AktG „Upstream conversions“, d.h. Umwandlungen von Aktien in FKInstrumente sind unzulässig umgekehrt gilt dies ebenso (Arg: „Artenschutz“): Für die Leistung auf Aktien sieht das Gesetz im Interesse des Gläubigerschutzes zwingende Aufbringungsvorschriften vor (§§ 27 ff, 183 ff AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 131 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten Schutz anderer Anleger: Interessen der Investoren können beeinträchtigt sein, deren Finanzinstrumente nicht von Konversion erfasst Möglich: Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot Zudem droht Verwässerung der Stimmrechtsmacht, wenn Umwandlung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien in Stammaktien Inhaber stimmberechtigter Aktien wirken bei Konversion weitgehend mit, ungeachtet dessen, ob hierdurch ihre Rechtsposition beeinträchtigt wird So bedarf die Umwandlung von Stammaktien in Vorzugsaktien eines satzungsändernden HV-Beschlusses (vgl. §§ 119 I Nr. 5 AktG) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 132 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten - Stimmrechtslose Vorzugsaktien wirken nicht bei jeder Satzungsänderung mit, sondern nur dann, wenn Konversion zur „Ausgabe von Vorzugsaktien“ iSd § 141 II 1 AktG führt oder dem gleichsteht (z.B. Umwandlung von Stamm- in Vorzugsaktien) Dann ¾-Mehrheit erforderlich (§ 141 III AktG) Schutz der Anleihegläubiger: Konversion kann hier das Ausfallrisiko erhöhen z.B. nachrangige Verbindlichkeit wird in eine Schuldverschreibung mit gleichem Befriedigungsrang umgewandelt oder Genussrechtsinhabern werden Sicherheiten eingeräumt, die das Haftungssubstrat zum Nachteil der übrigen Altgläubiger verkürzen Schutz erfolgt hier idR über Anleihebedingungen: o „financial ratios“ o Negativklausel („negative pledge clause“) Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 133 Professor Dr. M. Adams „Konversion“ von Finanzinstrumenten • Kapitalmarktrechtliche Anforderungen Information über geplante Konversion kann Insiderinformation (§ 13 I WpHG) sein Mitteilungspflicht (§ 15 WpHG) auslösen WpÜG ist nicht anwendbar auf: öffentliches Angebot des Emittenten zum Rückerwerb eigener Aktien (§§ 71 ff AktG) bzw. öffentliches Angebot des Emittenten, der seine Anleger auffordert, die von ihm ausgegebenen Finanzinstrumente gegen andere einzutauschen Grund: WpÜG setzt Verschiedenheit von Bieter, Zielgesellschaft und Angebotsadressaten voraus! Konversion von Finanzinstrumenten kann aber Prospektpflicht auslösen nach § 3 I, III WpPG Universität Hamburg Institut für Recht der Wirtschaft 134 Professor Dr. M. Adams