PP 2. Vorlesung

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Vorlesung Behindertenrecht
HS 12
Dr. iur. Caroline Hess-Klein
Vorlesung 2
Schutz vor Diskriminierung in der
Bundesverfassung und in der
EMRK
“Any person who is diseased, maimed,
mutilated, or in any way deformed, so as to
be an unsightly or disgusting object, or an
improper person to be allowed in or on the
streets, highways, thoroughfares, or public
places in this city, shall not therein or
thereon expose himself to public view,
under the penalty of a fine of $1 for each
offense.” (Chicago City Code 1881)
Schutz vor Diskriminierung in der
Bundesverfassung und in der EMRK
I.
II.
III.
IV.
Schutzrichtungen von Art. 8 Abs. 2 BV
Tragweite des Schutzes von Art. 8 Abs. 2
BV für Menschen mit
Behinderung
Bedeutung von Art. 8 Abs. 4 BV,
insbesondere die Frage der
Kompetenzaufteilung zwischen Bund und
Kantone
Verbot der Diskriminierung gemäss Art. 14
EMRK
Art. 8 Rechtsgleichheit
1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich
nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des
Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen
Stellung, der Lebensform, der religiösen,
weltanschaulichen oder politischen Überzeugung
oder wegen einer körperlichen, geistigen oder
psychischen Behinderung.
3 (…)
4 Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung
von Benachteiligungen der Behinderten vor.
Schutzrichtungen von Art. 8 Abs.
2 BV
• Unmittelbarer Schutz vor Herabwürdigung
und Ausgrenzung für Mitglieder gewisser
gesellschaftlichen Gruppen
• Längerfristige Perspektive: Verhinderung
der Übernahme überkommener Kategorien
und stereotyper Rollenzuteilungen in
rechtliche Regelungen.
BGE 126 II 377 E6a S. 392
„Eine Diskriminierung gemäss Art. 8 Abs. 2
BV liegt dann vor, wenn eine Person
rechtsungleich behandelt wird allein
aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Gruppe (…), welche historisch
und in der gegenwärtigen sozialen
Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder
sonst als minderwertig behandelt wurde
(…)“
BGE 126 II 377 E6a S. 393
„Die Diskriminierung stellt eine
qualifizierte Art von Ungleichbehandlung
von Personen in vergleichbaren Situationen
dar, indem sie eine Benachteiligung eines
Menschen bewirkt, die als Herabwürdigung
oder Ausgrenzung einzustufen ist, weil sie
an ein Unterscheidungsmerkmal anknüpft,
das einen wesentlichen und nicht oder nur
schwer aufgebbaren Bestandteil der
Identität der betreffenden Person ausmacht
(...); insofern beschlägt die Diskriminierung
auch Aspekte der Menschenwürde (Art. 7
BV).“
BGE 126 II 377 E6a, S. 393
„Das Diskriminierungsverbot des
schweizerischen Verfassungsrechts macht
aber die Anknüpfung an ein verpöntes
Merkmal - wie Herkunft, Rasse,
Geschlecht, Sprache und weitere in Art. 8
Abs. 2 BV (in nicht abschliessender Weise)
aufgezählte Kriterien - nicht absolut
unzulässig. Vielmehr begründet dieser
Umstand zunächst den blossen ‚Verdacht
einer unzulässigen Differenzierung‘“.
Art. 3 Abs. 3 Bonner Grundgesetz
Niemand darf wegen seines Geschlechtes,
seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner
Sprache, seiner Heimat und Herkunft,
seines Glaubens, seiner religiösen oder
politischen Anschauungen benachteiligt
oder bevorzugt werden. Niemand darf
wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden.
Verbot der indirekten
(mittelbaren) Diskriminierung
BGE 126 II 377 E6c, S. 394:
„Eine indirekte Diskriminierung ist dann
gegeben, wenn eine Regelung, die keine
offensichtliche Benachteiligung von spezifisch
gegen Diskriminierung geschützter Gruppen
enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen
Angehörige einer solchen Gruppe besonders
stark benachteiligt, ohne dass dies sachlich
begründet wäre.“
Tragweite von 8 Abs. 2 BV für Menschen
mit Behinderung. Beispiel 1: BGE 135 I 49
X ist angolanischer Herkunft und lebt seit 1995 mit ihrer Mutter
in der Schweiz. Seit Mai 2002 hat sie Wohnsitz in der Gemeinde
A. im Kanton Zürich. Sie ist wegen Geistesschwäche unter
Vormundschaft gestellt und lebt in einem Heim, in dem sie
Ausbildung sowie berufliche Förderung erfährt und über einen
geschützten Arbeitsplatz verfügt. Sie befindet sich seit 1995 im
Status der vorläufigen Aufnahme gemäss Art. 83 AuG und wird
vollumfänglich von der eidgenössischen Asylfürsorge
unterstützt.
Ihr Gesuch um Erteilung des Gemeindebürgerrechts wurde vom
Gemeinderat abgelehnt mit der Begründung, sie könne sich
wirtschaftlich nicht selbst erhalten. Letztinstanzlich legte die
Beschwerdeführerin beim Bundesgericht Beschwerde ein und
rügte insbesondere die Verletzung des Diskriminierungsverbotes
(Art. 8 Abs. 2 BV).
Beispiel 2: Preis eines Krippenplatzes
für Kind mit Down Syndrom
Bedeutung von
Art. 8 Abs. 4 BV
Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von
Benachteiligungen der Behinderten vor.
Schutz von Menschen mit
Behinderung durch weitere
Bestimmungen der BV
Zum Beispiel:
- Recht auf Ehe und Familie (Art. 14)
- Anspruch auf genügenden
Grundschulunterricht (Art. 19)
Verbot der Diskriminierung
gemäss Art. 14 EMRK
Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten
Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung
insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse,
der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der
politischen oder sonstigen Anschauung, der
nationalen oder sozialen Herkunft, der
Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen
Status zu gewährleisten.
Verbot der Diskriminierung
gemäss Art. 14 EMRK
• EGMR Botta v. Italy (1998)
• EGMR Glor v. Switzerland (2009)
Besonderer Schutz von Menschen
mit Behinderung durch weitere
Bestimmungen der EMRK
• EGMR Price v. United Kingdom (2001)
• EGMR Dordevic v. Croatia (2012)
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