Folie - Universität Wien

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„Planungsstile und Planungskulturen“
Überlegungen zur Konzeption eines planungstheoretischen
Forschungsprojekts
Rainer DANIELZYK
Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des
Landes NRW, Dortmund
und
Peter WEICHHART
Institut für Geographie und Regionalforschung
der Universität Wien
Forschungsseminar IGR, Universität Wien, 17. 01. 2005
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Projektkontext und subjektive
Erkenntnisinteressen
Komplementäre fachliche Interessen als charakteristische
(gemeinsame) Merkmale der Projektbetreiber:
„Erdnahe“ Verankerung in den „Niederungen“ der Empirie
und der Raumordnungspraxis (SIR, ILS, Gutachten,
Politikberatung)
versus
theoretisch-konzeptionelle Ambitionen, Vorliebe für
Heterodoxien, multiparadigmatische Ansätze und
einen „konstruktiven Eklektizismus“
Bausteine zu einer „Theorie des Planungssystems“?
P219PSKult02
Projektkontext und subjektive
Erkenntnisinteressen
Leitfragen:
• Warum „funktioniert“ Raumplanung selbst
in Staaten, die ein derart elaboriertes und
nahezu perfekt institutionalisiertes Raumordnungssystem besitzen, wie Deutschland
oder Österreich, so schlecht?
• Was sind die Strukturprinzipien und Funktionsmechanismen des Raumordnungssystems? Wie lässt sich die Tiefenstruktur
dieses Systems beschreiben?
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Projektstatus und Ziele des
heutigen Referates
Phase des „Brainstormings“; es gibt noch keine konkreten Festlegungen und definitiven Entscheidungen
über die Eingrenzung der Fragestellungen, die Projektstruktur (Umfang und Aufwand) oder den Projektträger (DFG, FWF?)
Wie beurteilt das Auditorium die verschiedenen Fragestellungen, Detailprobleme und methodischen Ansätze, die im Rahmen der Vorüberlegungen reflektiert
wurden? Welche Empfehlungen für die Projektrealisierung werden mit welchen Begründungen gegeben?
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Methodische und theoretische
Orientierung
Das Raumordnungssystem wird in der Regel als organisatorische und institutionelle Struktur dargestellt. Als Beschreibungsdimensionen werden vor allem folgende Bereiche herangezogen:
• nominelles und funktionales Raumordnungsrecht
• administrative Strukturen und Hierarchien, Kompetenzen und Instanzen
• Verfahren und Prozesse
• Instrumente (Programme, Pläne, REK, FLWPL, Bebauungsplan, …)
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Methodische und theoretische
Orientierung
Bei einer derartigen Konzeption werden zwei Problemfelder
akut, die sich in einer reduktionistischen und inadäquaten
Darstellung der realen Gegebenheiten äußern:
„What about people in spatial planning?“
und
„What about people in spatial planning?“
Nach T. HÄGERSTRAND, 1970, verändert.
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Methodische und theoretische
Orientierung
Das erste Problemfeld, das bei einer reinen Institutionenanalyse unbehandelt bleibt, ist das Verhältnis von Planungssystem und den „Beplanten“. Wichtige Fragestellungen:
partizipative Planung, Verhandlungssysteme, endogene
Entwicklung, Akzeptanz, Planungsdidaktik etc.
Das zweite Problemfeld bezieht sich auf das Faktum, dass
die Träger des Planungssystems menschliche Subjekte
sind, die als intentionale Wesen die Fähigkeit besitzen,
institutionelle Regeln und Normen zu interpretieren, umzudeuten und im Sinne eigener Motivationen auszulegen.
Dieses Problemfeld wurde in der Forschung bislang kaum
behandelt und soll im Projekt vorrangig thematisiert werden.
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Exkurs: drei Dimensionen des „Ich“
Personalität: gesellschaftliche Bestimmtheit des Einzelnen durch übernommene Rollen, Werte, Normen, Erwartungen, Gewohnheiten etc.;
„persona“= (lat.) „Maske“.
PERSON
EGO
SUBJEKT
Subjektivität: Sprach-, Handlungs- und Selbstbestimmungsfähigkeit, „Quelle“ von Kontingenz
(Unbestimmtheit).
In Anlehnung an A. SCHERR, 2002, S. 53
INDIVIDUUM
Individualität: Besonderheit
und Einzigartigkeit; Attribute,
durch die Einzelne sich von
anderen unterscheiden.
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Methodische und theoretische
Orientierung
Planungskultur wird als Thema der Planungsforschung
immer wichtiger. Dabei geht es immer wieder um das Verhältnis von Organisation/Strukturen und Handlungsformen
von Akteuren, so z. B. im Konzept von Selle (1998).
Dabei fehlt allerdings eine gesellschaftstheoretische
Fundierung.
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Planungskultur
Vermittlung zwischen den Ebenen Werte/Arbeitsformen/Aufgaben
Aufgaben
und
Ergebnisse
Aktions- und
Organisationsformen
(Instrumente
Techniken)
Werte
Orientierungen
Quelle: K. SELLE (1998, S. 51)
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Methodische und theoretische
Orientierung
Gesucht ist demnach eine theoretische Orientierung, die sowohl institutionelle Strukturen als auch subjektive Handlungssysteme und die Wechselwirkungen zwischen ihnen
erfassen und darstellen kann.
Nota bene: Die Frage nach den Beziehungen zwischen
Institutionen bzw. sozialen Strukturen auf der einen und
handelnden Akteuren auf der anderen Seite zählt zu den
wichtigsten Grundproblemen der Sozialwissenschaften.
Erste Ansätze zur grundsätzlichen Lösung des Problems: die
Strukturationstheorie (A. GIDDENS, „Dualität der Struktur“).
(„Grand Theory“, wichtig für ein „Framing“ des Projekts, aber „sperrig“
gegenüber Operationalisierungen.)
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Methodische und theoretische
Orientierung
Beispiel Güntner (2004): In Anlehnung an Giddens Planungsprozess als
Wechselspiel zwischen Kommunikations-, Macht- und Legitimationsstrukturen auf und zwischen struktureller und Interaktionsebene.
Struktur
Signifikation
Herrschaft
Legitimation
Modalität
Interpretatives
Schema
Fazilität
(Machtmittel)
Norm
Interaktion
Kommunikation
Macht
Sanktion
Quelle: A. GIDDENS, 1997, S. 81
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Methodische und theoretische
Orientierung
Eine Gruppe neuerer politikwissenschaftlicher Ansätze
scheint uns als Quelle einer gut operationalisierbaren Hintergrundtheorie sehr gut geeignet zu sein:
der Neo-Institutionalismus
Eine besonders prägnante Bezeichnung für eine spezifische
Variante des Neo-Institutionalismus wurde von
Renate MAYNTZ und Fritz W. SCHARPF (1995) eingeführt:
akteurszentrierter Institutionalismus
(vgl. auch F. W. SCHARPF, 2000, Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. – Opladen, (= UTB 2136)).
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Konzepte und Theoreme des
akteurszentrierten Institutionalismus
Ansatz zur Erfassung politischer Prozesse, die von den
Interaktionen individueller und korporativer Akteure mit
spezifischen Fähigkeiten und spezifischen Orientierungen
bestimmt werden und die in einem gegebenen institutionellen Kontext und unter gegebenen Bedingungen der
Politik-Umwelt stattfinden (F. W. SCHARPF, 2000, S. 85)
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Gegenstandsbereich der interaktionsorientierten Policy-Forschung
Institutioneller Kontext
Probleme
Akteure
Handlungsorientierungen
Fähigkeiten
Konstellationen
Interaktionsformen
politische
Entscheidungungen
Politik-Umwelt
Quelle: F. W. SCHARPF, 2000, S. 85
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Konzepte und Theoreme des
akteurszentrierten Institutionalismus
Institutionen (= formale und nicht-formale (soziale) Regeln)
ermöglichen, begrenzen, strukturieren Handlungsverläufe.
Institutionelle Kontexte (nicht institutionalisiert, Netzwerk,
Verband, Organisation) beeinflussen Akteure, Akteurkonstellationen und Interaktionsformen. Sie „schaffen“ komplexe
Akteure und beeinflussen Wahrnehmungen und Bewertungen.
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Konzepte und Theoreme des
akteurszentrierten Institutionalismus
Institutionen werden durch menschliches Handeln geschaffen und verändert, ihre Entwicklung ist pfadabhängig,
sie haben ein großes Beharrungsvermögen.
Sie beeinflussen Entscheidungen und Ergebnisse nicht rein
deterministisch. Ihre Kenntnis ist für die Erforschung komplexer Politikfelder aber zentral.
Der Ansatz will nicht nur vergangene politische Prozesse
erklären, sondern auch zur Veränderung von Institutionen
im Interesse einer gemeinwohlorientierten Politik beitragen.
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Konzepte und Theoreme des
akteurszentrierten Institutionalismus
Akteure sind durch bestimmte Fähigkeiten und Handlungsorientierungen, Wahrnehmungen, Präferenzen gekennzeichnet.
Sie stehen in einer bestimmten Konstellation (und Handlungssituation) zueinander.
Außerdem beeinflusst die Interaktionsform (einseitiges
Handeln, Verhandlung, Mehrheitsentscheidung, hierarchische Entscheidung) das politische Ergebnis.
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Anwendung des akteurszentrierten
Institutionalismus in der Planungsforschung
Beispiel KNIELING/FÜRST/DANIELZYK (2003): Kooperative
Handlungsformen in der Regionalplanung
Untersuchung der Praxis der Regionalplanung in acht
deutschen Planungsregionen, insbesondere kooperativer
Ansätze:
- Verfahren zur Erstellung der Regionalpläne
- Bezug zu Fachplanungen (Naturschutz) oder Kommunalplanungen
- Zusatzaktivitäten (z. B. Regionalentwicklung, Wirtschaftsförderung)
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Anwendung des akteurszentrierten
Institutionalismus in der Planungsforschung
Einige Ergebnisse:
• Überall kooperative Ansätze feststellbar, aber Restriktionen
• Institutioneller Rahmen: Dominanz der Ordnungsfunktion,
Lokalismus, Formalisierung, geringe Ressourcen der
Planungsstellen, Konflikte mit Landesplanung usw.
• Akteurskonstellation: Große Anzahl, heterogene Interessenstruktur, mit der Regionalplanung konkurrierende
Akteure usw.
• Einstellungen und Verhaltensmuster der Akteure: Kein
Regionsbewusstsein, feindliche Akteursorientierung,
Tagesroutinen, ordnungsorientiertes Selbstverständnis usw.
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Schichtenmodell der Planungsgeschichte
Quelle: K. SELLE, 1998, S. 54
P219PSKult21
Wichtige Themenfelder und Einzelprobleme
• Wer sind eigentlich die Akteure des Raumordnungssystems, wer nimmt Einfluss auf Standort- und Allokationsentscheidungen?
• Wie sieht die primäre Intentionalität der Akteure aus?
(„Zwei Wirklichkeiten“)
• Politische Ökonomie der Standortproduktion und „politischer Opportunismus“: Wie lässt sich der politische
Nutzen der Raumordnung darstellen?
• Wie funktionieren Leitbilder?
• Welchen Einfluss haben Planerbiographien auf Inhalte
und Abläufe von Planungsprozessen?
• Wie lassen sich Planungssysteme typisieren? (Planungsstile, Planungskulturen, Planungsparadigmen, Planungsdoktrinen, …)
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Akteure des Raumordnungssystems und
ihre „primären Intentionalitäten“
Das Raumordnungssystem wird in der Literatur meist als
institutionelle Struktur beschrieben, die als professionelles
und zweckrational organisiertes Handlungssystem dazu
dient, im Konsens der gesellschaftlichen Kräfte optimale
Standortstrukturen für bestimmte Territorien zu produzieren.
Als relevante Akteure gelten dabei die Vertreter der Planungsbehörden, die ressortzuständigen Politiker sowie die
beteiligten Ziviltechniker-Planer (Österreich).
In Wahrheit sind am System der Standortproduktion wesentlich mehr Akteure beteiligt, deren primäre Intentionalitäten in der Regel an verschiedenen anderen Motiven und
Zwecksetzungen orientiert sind.
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Akteure des Raumordnungsprozesses (Österreich)
DIENSTLEISTER
PRIVATWIRTSCHAFT
POLITIK
Landespolitik
Parteipolitik
Kommunalpolitik
Anwälte
ZiviltechnikerRaumplaner
Gutachter
Institute
MEDIEN
Journalisten
Herausgeber
INTERESSENVERTRETUNGEN
Sozialpartner
Kammern
DIENSTLEISTER
VERWALTUNG
GRUNDBESITZER, VERFÜGUNGSBERECHTIGTE
Amtsleiter, Gemeindebedienstete
Bauern, Private
Bezirkshauptmann,
Beamte BH
Fachbeamte
Planungsämter
Betriebe, Konzerne
Kapitalgesellschaften
Bauträger
Projektanten
Geschäftsführer
Regionalverbände
Standesvertretungen
„BETROFFENE“
Bürgerinitiativen
NGOs
Anrainer
Kirche etc.
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Primäre Intentionalität
DIENSTLEISTER
PRIVATWIRTSCHAFT
Aufträge,
Wertschöpfung
DIENSTLEISTER
VERWALTUNG
Verwaltungsvollzug,
Karriere
Kompetenzabgrenzung
POLITIK
Wahlerfolg, Macht, Budget
MEDIEN
Auflage,
Erfolg
GRUNDBESITZER, VERFÜGUNGSBERECHTIGTE
INTERESSENVERTRETUNGEN
Lobbying,
Gruppeninteressen
„BETROFFENE“
Wertschöpfung,
Verwertung
Lebensqualität,
Interessen
P219PSKult25
Politische Ökonomie der
Standortproduktion
Die Frage der politischen Ökonomie der Standortproduktion
wird in der planungstheoretischen Literatur geradezu als
Tabuthema gehandhabt, gelegentlich ist verschämt von „politischem Opportunismus“ (J. GENOSKO, 2002) die Rede.
In Wahrheit ist der Prozess der Raumordnung in sehr erheblichem Maße durch den politischen Nutzen der Standortproduktion geprägt.
Es erscheint absurd, „…dass die überlieferte ökonomische
Standort- und Landschaftsstrukturtheorie die Regierenden
als verantwortliche Aktoren im Siedlungsprozess überhaupt
nicht wahrgenommen hat.“
D. BÖKEMANN, 1982, S. 11
P219PSKult26
Ökonomische Theorie der Demokratie
„In Demokratien nutzen die Regierenden … den ihnen durch
Wahlen anvertrauten Staatsapparat (Bürokratie) auf analoge
Weise wie private Wirtschaftssubjekte ihr Eigentum: nach
der ökonomischen Rationalität des Eigennutzes zur Erhaltung und Vermehrung ihrer Verfügungsrechte über
bestimmte Mittel.“
D. BÖKEMANN, 1982, S. 19
Standorte lassen sich als vom Staat bzw. Gebietskörperschaften produzierte Güter betrachten. Neben den Grundstückseigenern ist auch die öffentliche Hand „Verfügungsberechtigte“ von Standorten, denn sie ist am Nutzenertrag
(etwa in Form von erwirtschafteten Steuern) beteiligt.
In Anlehnung an J. SCHUMPETER, 1942, A. DOWNS, 1968 oder J. M. BUCHANAN, 1968
P219PSKult27
Ökonomische Theorie der Demokratie
Flächenwidmungspläne, Regionalpläne, Sachprogramme,
Stadt- oder Landesentwicklungsprogramme „produzieren“
Standorte und damit Nutzungspotenziale.
Die Regierenden bedienen sich dabei institutionell abgegrenzter Bereiche der Verwaltung als „Produktionsapparate“.
Ihre „Ertragserwartungen“ sind primär daran orientiert, sich
politische Entscheidungsspielräume zu erhalten und möglichst zu vergrößern. Ihre „Produktionsziele“ sind deshalb
nicht standortfunktional (im Sinne einer Optimierung der
„Ordnung des Raumes“), sondern durch politische Nutzenkategorien oder „politische Güter“ definiert, die der Sicherung und/oder Vergrößerung politischer Handlungsspielräume dienen.
P219PSKult28
Ökonomische Theorie der Demokratie
„Politische Güter“:
• Disposition über Budgetmittel (Steuereinnahmen)
• Wählerloyalität (Wählerstimmen)
• Erhöhung des Standortnutzens (bzw. Minimierung der
Standortbenachteiligung) für jene privaten Standorteigner (oder Anrainer), die dem eigenen politischen Klientel
angehören.
Ökonomische Abwägungen über politische Güter können
auch dazu führen, dass auf die Produktion standörtlicher
Nutzungspotenziale verzichtet wird, wenn die Regierenden
befürchten, dass Wähler (z. B. betroffene Anrainer) ihnen
deshalb ihre Gunst entziehen könnten.
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Politische Ökonomie der
Standortproduktion
Analyse konkreter empirischer Beispiele:
• Position der Regierung Schausberger (ÖVP) gegenüber den Ausbauplänen des Salzburger Airport-Centers
(Bestandsschutz des innerstädtischen Einzelhandels)
• Position der Regierung Burgstaller (SPÖ/ÖVP)
zur gleichen Frage (Einkaufszentren sind gute Arbeitgeber, beschäftigen Behinderte, stellen Lehrlinge ein,
Arbeitgeber sind gewerkschaftlich organisiert)
Im Kontext der politischen Ökonomie ist auch die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass die Standortproduktion als Medium für die Erzielung eines „Ego-“ oder Imagegewinns für
einzelne Akteure eingesetzt werden kann.
P219PSKult30
Politische Ökonomie der
Standortproduktion
Überlegungen zur politischen Ökonomie der Raumordnung
bieten sehr plausible Ansätze zur Erklärung des faktischen
Versagens der Regionalplanung.
Im Bereich der Regionalplanung kann es einen politischökonomischen Nutzen nur dann geben, wenn die betreffende Planungsregion auch als „Quasi-Gebietskörperschaft
institutionalisiert ist und sowohl „Regierende“ als auch erwähnenswerte eigenständige Budgets existieren.
Best-Practice-Beispiele einer funktionierenden Regionalplanung (die Regionen Stuttgart und Hannover) sind beeindruckende empirische Belege für diese These.
P219PSKult31
„Planungsdoktrin“
Der Begriff „Planungsdoktrin“ wurde von A. FALUDI (1989
und 1999, A. FALUDI und A. J. van der VALK, 1994) eingeführt und am Beispiel des niederländischen Planungssystems erläutert.
Wir glauben, dass sich dieses Konzept zu einem hervorragenden analytischen Modell zur detaillierten Darstellung
der Tiefenstruktur und zur Typisierung von Raumordnungssystemen weiterentwickeln lässt.
Planungsdoktrin: ein konzeptuelles Schema, das von einem
Planungssubjekt verwendet wird „… to integrate and express
its ideas about the planning and development of a spatially
defined area“ (E. R. ALEXANDER und A. FALUDI, 1996, S.
13).
P219PSKult32
Planungsdoktrin
Wir verstehen unter „Planungsdoktrin“ die Gesamtheit aller
mit dem Planungsprozess verknüpften Denkkonzepte, Ziele
Raummodelle, Bilder, Metaphern, Verfahren, Methoden,
Regeln und Normen, die für ein bestimmtes Raumordnungssystem charakteristisch und konsensbildend sind.
Dazu zählen auch alle Vorstellungen und Postulate über
Kompetenzen und deren Hierarchie, die Definition des Planungssubjekts und die Abgrenzung des Planungsobjekts.
Planungsdoktrinen sind in keinem Dokument oder Gesetz
expressis verbis ausformuliert, lassen sich aber aus den
Planungsdokumenten sowie der sozialen und administrativen Praxis erschließen.
P219PSKult33
Die aktuelle Planungsdoktrin der
österreichischen Bundesländer I
• Raumordnung hat weit überwiegend ordnungspolitische
Aufgaben und Zielsetzungen.
• Raumordnung ist Sache der Länder und Gemeinden. Nur
sie kommen als Planungssubjekte in Frage.
• Raumplanung ist ausschließlich eine Angelegenheit der
dafür eingesetzten amtlichen Institutionen (Planungsabt.).
• Planungsregionen sind durch Verwaltungsgrenzen definiert; Gemeinde-, Länder- und Staatsgrenzen sind als
unüberschreitbare Kompetenzbarrieren zu akzeptieren.
P219PSKult34
Die aktuelle Planungsdoktrin der
österreichischen Bundesländer II
• Raumplanung darf sich nur auf raumwirksame Maßnahmen beziehen; Wirtschafts- und Sozialpolitik sind
eigenständige Bereiche, die von der Raumordnungspolitik strikt zu trennen sind.
• Raumplanung darf nur solche Verfahren und Instrumente
einsetzen, die in den einschlägigen Gesetzen definiert
sind.
• Raumordnung ist Verwaltungshandeln; die Rationalität
des Planungsprozesses ist primär durch juristische Argumentation gekennzeichnet.
•…
P219PSKult35
Eine Planungsdoktrin, die mit den aktuellen
Erfordernissen kompatibel wäre I
• Raumordnung hat weit überwiegend entwicklungspolitische Aufgaben und Zielsetzungen.
• Raumordnung ist Sache aller gesellschaftlichen Kräfte
einer Region. Als Planungssubjekte sind primär Funktionalregionen bedeutsam.
• Raumplanung ist nicht nur eine Angelegenheit der dafür
eingesetzten amtlichen Institutionen (Planungsabt.), sondern soll alle regionalen Akteure aktiv einbeziehen.
• Planungsregionen sind durch die sozioökonomische
Praxis definiert; Gemeinde-, Länder- und Staatsgrenzen
dürfen dabei keine entscheidende Rolle spielen.
P219PSKult36
Eine Planungsdoktrin, die mit den aktuellen
Erfordernissen kompatibel wäre II
• Raumplanung darf sich nicht nur auf raumwirksame Maßnahmen beschränken; Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialpolitik sind mit der Raumordnungspolitik eng zu vernetzen.
• Raumplanung muss alle Verfahren und Instrumente einsetzen, die für zeitgemäße Management- und Marketingprozesse erforderlich und geboten sind; Steuerungsmaßnahmen sind besonders über privatrechtliche Verträge
abzusichern.
• Raumordnung ist als Governance-Prozess zu organisieren; die Rationalität des Planungsprozesses ist primär
durch Sachargumente gekennzeichnet.
•…
P219PSKult37
P222ZOREÖGR/30
Institutionen
Unter einer Institution versteht man „...eine
Sinneinheit von habitualisierten Formen des
Handelns und der sozialen Interaktion, deren Sinn und Rechtfertigung der jeweiligen
Kultur entstammen und deren dauerhafte
Beachtung die umgebende Gesellschaft
sichern.“
H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 144.
Habitualisiertes Handeln: zur Gewohnheit gewordene
Handlungsroutinen.
SWG/04/02/09
Strukturen von Institutionen
• Leitidee („Verfassung“); wird von den Mitgliedern
des jeweiligen Gesellschaftssystems anerkannt;
Beispiel: Gedanke des Ehesakraments;
• Personalbestand: jenes Ensemble von Positionen
und Rollen, das für die Realisierung der Leitidee
erforderlich ist (Braut, Bräutigam, Priester, ...).
• Regeln und Normen: steuern den Umgang der beteiligten Personen miteinander und sollen die Realisierung der Leitidee sicherstellen (Ritual, „Ja“, etc.).
• Materieller Apparat: Gegenstände, Werkzeuge,
Settings, die für die Realisierung der Leitidee eingesetzt werden (Kirche, Ringe, ...).
SWG/04/02/10
Gesellschaftsaspekt und
Personenaspekt von Institutionen
• Gesellschaftsaspekt:
Institutionen sind in der geistigen und materiellen
Welt einer Gruppe verankert und Bestandteil der
Kultur dieser Gruppe.
• Personenaspekt:
Institutionen sind in den Bewusstseinsprozessen
von Personen verankert und sind Bestandteile
ihrer Lebenswirklichkeit.
SWG/04/02/11
Strukturmodell der Institutionen
Geistige Welt
Biographie
Bewusstsein
Geistige Kultur
Leitidee
Person
Personal Institution Normen
Gesellschaft
Materieller Apparat
Körper
Materielle Kultur
Materielle Welt
Quelle: H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 147, verändert.
SWG/04/02/12
Funktionen von Institutionen
Institutionen verknüpfen Personen, Gegenstände und Handlungen derart, dass durch
das gemeinsame und koordinierte Handeln
bestimmte gesellschaftlich bedeutsame Aufgaben, die immer wieder vorkommen, in
gleichartiger und damit vorhersehbarer
Weise vollzogen werden können.
(Vergl. H. L. GUKENBIEHL, 2002 b, S. 147.
Institutionen vermitteln dem Individuum das
Gefühl von Stabilität, Sicherheit und Ordnung.
SWG/04/02/13
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