ADDITIONAL SLIDE KIT HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Autor: Dr. med. Andreas Baumann, Langenthal Zur Verfügung gestellt durch:* Boehringer Ingelheim Schweiz GmbH Letzte Aktualisierung: Mai 2014 * Dieses Additional Slide Kit wurde von einem unabhängigen Team von Neurologen erstellt und dient ausschliesslich Informationszwecken. Autoren und Aktualisierung Autoren: Dr. med. Andreas Baumann Letzte Aktualisierung: Mai 2014 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 2 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 3 1. Einleitung Einleitung • Hirnschlag ist die dritthäufigste Todesursache. • Hirnschlag ist die häufigste Ursache einer Behinderung im Erwachsenenalter. • Ca. 16’000 Hirnschläge / 3’500 Transitorische Ischämische Attacken (TIA) pro Jahr in der Schweiz • Vorhofflimmern ist die häufigste Ursache für ischämische Schlaganfälle, der häufigsten Form des Schlaganfalls • Erhebliche Akut- und Folgekosten [Slezak et al., 2014; Hannon et al., 2010; Nohl et al., 2011; Duning et al., 2008] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 4 1. Einleitung Outcome 3 und 12 Monate nach Hirnschlag im Kanton Bern 3 Monate 12 Monate Leichte oder keine Behinderung (mRS 0-2) 48.2% 44.6% Schwere Behinderung (mRS 3-5) 31.2% 28.0% Verstorben 20.6% 27.4% [Fischer et al., 2012] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 5 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 6 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Konzept der Stroke Centers und Stroke Units in Europa Stroke Units • Bieten Diagnostik und Therapie für die Mehrheit der Stroke-Patienten an (Ausnahmen: komplexe Schlaganfälle, seltene Schlaganfälle, interventionelle Therapien) Stroke Centers • Bieten das gesamte Spektrum der modernen Hirnschlagmedizin rund um die Uhr an (interventionelle Neuroradiologie, Gefässchirurgie, Neurochirurgie, Kardiologie…) • Stroke Centers in der Schweiz: • Hôpitaux Universitaires de Genève • UniversitätsSpital Zürich • Centre Hospitalier Universitaire Vaudois • Kantonsspital St. Gallen • Inselspital Bern • Kantonsspital Aarau • Universitätsspital Basel • Ospedale, Regionale di Lugano [Ringelstein et al., 2013; Lyrer et al., 2012] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 7 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Zertifizierte Stroke Centers und Stroke Units in der Schweiz Germany Schaffhausen Stroke Centers Basel Frauenfeld Liestal Stroke Units Delèmont Aarau Zurich Triemli Zurich USZ Herisau Austria St.Gallen Appenzell Solothurn Biel Luzern Neuenburg Bern Stans Sarnen Freiburg Zug Grabs Schwyz Altdorf Glarus Chur Lausanne Sion Genf Lugano Italy France HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ [www.sfcns.ch] 8 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Was ist eine Stroke Unit/Center? • Abteilung, die nur oder vorwiegend Hirnschlagpatienten versorgt • Team: Spezialisierte Ärzte, Pflegende und Therapeuten • Guidelines und Behandlungspfade • Regelmässige interdisziplinäre Rapporte • Regelmässige Fortbildung • Monitoring der Vitalfunktionen HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 9 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Was sind Kernpunkte einer Stroke Unit? • Spezialisiertes Personal • Multidisziplinarität • Frühe Mobilisation • Institutionelle Guidelines • Regelmässige klinische Beurteilung • Neuroimaging • Frührehabilitation: Physiotherapie, bei Bedarf Logopädie, Ergotherapie, Neuropsychologie… • Prävention von medizinischen Komplikationen (Hypoxie, Hyperglykämie, Fieber, Hypotonie, Arrhythmie...) • Vorbereitung der Rehabilitation HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 10 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Benefit von Stroke Units in randomisierten Studien • 3% absolute Reduktion von Todesfällen • 5% mehr nicht behinderte überlebende Patienten • 2% weniger Einweisungen ins Pflegeheim • Alle Patienten profitieren (unabhängig von Alter, Geschlecht, Schweregrad und Typ des Hirnschlags) • Geringere Kosten in der Postakut-Phase Der Benefit von Stroke Units ist weltweit nachgewiesen! [Cochrane Database Syst Rev., 2007] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 11 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Wie verbessern Stroke Units den Outcome? • Organisation der Behandlungskette • Unverzüglicher Zugang zur geeigneten Diagnostik und Therapie (Time is brain) • Spezialisierte Ärzte, Pflegende und Therapeuten (Brain is brain) • Verhinderung von Komplikationen (Monitoring…) • Gezielte Sekundärprävention • Frührehabilitation [Langhorne et al., 2002] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 12 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Hirnschlagversorgung in der Schweiz: Politischer Hintergrund • Mandat des Beschlussorgans der IVHSM (Interkantonale Vereinigung der Hochspezialisierten Medizin) an die SFCNS/Schweizerische Hirnschlagkommission (1/2012) • «Zertifizierung von Hirnschlagzentren… in der Schweiz im Sinne von Comprehensive Stroke Centers (Stroke Centers) oder Primary Stroke Centers (Stroke Units)» • «Im Rahmen der… hochspezialisierten Behandlung von Hirnschlägen in der Schweiz (Entscheid des HSM-Beschlussorgans vom 21. Juni 2011)» HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 13 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Schweizer Kriterien für Stroke Centers: Kennzahlen/ Indikatoren Nr. Bewertungskriterium G1 Das Stroke Center überwacht die Qualität der Arbeit anhand des Data Sets der SFCNS für Stroke Centers. G2 Das Stroke Center übermittelt für jeden Patienten die Angaben des Minimal Data Sets an das nationale Hirnschlagregister. G3 Mindestzahl für monitorisierte Betten auf der Stroke Unit: 6 G4 Mindestzahl der Betten des Stroke Centers in der gleichen Gebäudeeinheit: 12 G4 Mindestfallzahl für Hirnschlagpatienten, die vom Stroke Center pro Jahr untersucht und/oder behandelt werden: 400 G5 Mindestfallzahl durchgeführter intravenöser Thrombolysen und endovaskulärer Behandlungen bei akutem Hirnschlag pro Jahr: 50 G6 Mindestfallzahl akuter endovaskulärer Behandlungen pro Jahr: 20 [www.sfcns.ch] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 14 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units Schweizer Kriterien für Stroke Units: Kennzahlen/ Indikatoren Nr. Bewertungskriterium G1 Die Stroke Unit überwacht die Qualität der Arbeit anhand des Data Sets der SFCNS für Stroke Centers/Units. G2 Die Stroke Unit übermittelt für jeden Patienten die Angaben des Minimal Data Sets an das nationale Hirnschlagregister. G3 Mindestzahl für monitorisierte Betten auf der Stroke Unit: 3 G4 Mindestzahl der Betten des Stroke Centers in der gleichen Gebäudeeinheit: 6 G5 Mindestfallzahl für Hirnschlagpatienten, die vom Stroke Unit pro Jahr untersucht und/oder behandelt werden: 200 G6 Mindestfallzahl durchgeführter intravenöser Thrombolysen und endovaskulärer Behandlungen bei akutem Hirnschlag pro Jahr: 20 [www.sfcns.ch] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 15 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 16 3. Behandlungsabläufe Versorgungskette in der Akutphase Symptome erkennen Notruf Transfer Notfall Therapie und Überwachung Bildgebung Sympotm e erkennen Lyse? Time is brain! HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 17 3. Behandlungsabläufe Behandlungsabläufe: Prähospitalphase • Konzept über die Zusammenarbeit mit Rettungsdiensten und Notfallärzten • Keine Zeit verlieren: Time is brain! Nummer 144! • Sicherstellen der Vitalfunktionen • Kein Aspirin oder Heparin vor Bildgebung (Klinisch können eine Blutung und eine Ischämie nicht unterschieden werden) • Blutdrucksenkung nur bei sehr hohen Werten (BP syst > 220/ BP diast > 120) oder Organmanifestationen • Sauerstoffgabe, wenn die Sättigung unter 92 mm Hg liegt • Wenn möglich Flachlagerung, Oberkörper maximal 30 Grad HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 18 3. Behandlungsabläufe Behandlungsabläufe Spitalphase: Anamnese/Status/Labor • Anamnese • Zeitpunkt? Symptome? Regredienz/Progredienz? Vorgeschichte? Komorbiditäten? Kontraindikationen für Lyse? Vaskuläre Risikofaktoren • Neurostatus fokussiert (NIHSS) • Allgemeinstatus fokussiert • Routinelabor (Blutbild, Elektrolyte, Infektparameter, Gerinnungsparameter, Herzenzyme...) HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 19 3. Behandlungsabläufe Behandlungsabläufe Spitalphase: Bildgebung Immer zerebrale Bildgebung, wenn möglich mit Gefässdarstellung (CTA/MRA) Figures: Courtesy to Prof. G. Schroth, Neuroradiology Berne HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 20 3. Behandlungsabläufe Behandlungsabläufe Spitalphase: Akuttherapie Bei entsprechender Indikation i. v. Thrombolyse, endovasukläre Behandlung oder Bridging Figures: Courtesy to Prof. G. Schroth, Neuroradiology Berne [Heldner et al., 2012] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 21 3. Behandlungsabläufe Behandlungsabläufe Spitalphase • Interdiszipinäre institutionelle Behandlungsrichtlinien • Verlegung auf Intensivstation oder Stroke Unit (abhängig von Vitalfunktionen und Beatmungspflichtigkeit) • Überwachung der Vitalparameter und des neurologischen Status • Frühzeitige Abklärung der Ursache des Schlaganfalls • Gezielte Sekundärprävention • Frühzeitige Planung einer Neurorehabilitation sofern indiziert HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 22 3. Behandlungsabläufe Spitalphase aus Sicht des Neurologen Notfall/ Triage Stroke Unit Abteilung • Lyseentscheid • Stroke-Protokoll • Triage • Unterstützung bei internistischen Problemen • Überwachung und Therapie • Kontakt Hausarzt • Festlegung Nachbetreuung • Nachkontrollen • Organisation Akutabklärung • Beurteilung Austrittstatus Behandlungskonzept Betreuungskonzept Austritt • Neurovaskuläre Sprechstunde Nachbetreuungskonzept Massnahmen, Prozesse und Verantwortlichkeiten festlegen und institutionalisieren. HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 23 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 24 4. Sekundärprävention Die Bedeutung der Sekundärprävention von Schlaganfällen • Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Ursache für ischämische Schlaganfälle (Hirninfarkt), der häufigsten Form des Schlaganfalls (rund 85% aller Schlaganfälle). • Vier unabhängige Risikofaktoren beeinflussen das Schlaganfallrisiko bei VHF massgeblich: • Bereits stattgefundener Schlaganfall • Bluthochdruck • Diabetes • Alter Hohe Bedeutung der Sekundärprävention nach bereits erlittenem Schlaganfall oder TIA. Mit der oralen Antikoagulation existiert eine hocheffektive primär- und sekundärprophylaktische Therapie. [Liesch, 2012; Duning et al., 2008] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 25 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Therapieziele einer oralen Antikoagulation 1. Vorbeugung: ischämischer Schlaganfall (93% aller VHF-bedingten Schlaganfälle sind ischämischer Natur) 2. Minimierung: Risiko hämorrhagischer Schlaganfall (und das Risiko einer intrakraniellen Blutung) [Andersen et al., 2009, King et al., 2002, Ezekowitz et al., 2009] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 26 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Plättchenhemmer • Alle Patienten, die keine orale Antikoagulation (OAK) benötigen, sollen TcAggregationshemmer erhalten. • Tc-Aggregationshemmer: • Hochrisikopatienten: Clopidogrel oder ASS+Dipyramidol. • Niedriges Risiko: ASS oder Clopidogrel • Kombinationstherapie nur in Ausnahmesituationen empfohlen • Hirnschlag unter ASS: Reevaluation! [www.eso-stroke.org] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 27 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Orale Antikoagulantien (OAK) • Eine OAK wird nach einem Hirnschlag nur in Ausnahmesituationen empfohlen: • Dissektionen (Überlegenheit gegenüber Aspirin nicht bewiesen) • Sinus- und Hirnvenenthrombosen • Vorhofflimmern • Eine OAK wird nach Hirninfarkt bei Vorhofflimmern (VHF) empfohlen. • Fortgeschrittenes Alter alleine ist keine Kontraindikation für eine OAK. [www.eso-stroke.org] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 28 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Indirekter Vergleich der neuen OAKs (ESC) Dabigatran (RE-LY) Rivaroxaban (ROCKET-AF) Apixaban (ARISTOTLE) Outcomes (% per year) Warfarin N=6022 Dabigatran 150 N=6076 (RR, 95% CI, P value) Dabigatran 110 N=6015 (RR, 95% CI, P value) Warfarin Rivaroxaban Warfarin Apixaban N=7133 N=7131 (HR, 95% CI, P value) N=9081 N=9120 (HR, 95% CI, P value) Stroke/ systemic embolism 1.69 1.11 (0.66, 0.53-0.82) 1.53 (0.91, 0.74-1.11; P for noninferiority >0.001) 2.4 2.1 (0.88, 0.75-1.03; P for noninferiority >0.001, P for superiority >0.001) (ITT) 1.6 1.27 (0.79, 0.66-0.95; P for noninferiority >0.001) Ischaemic Stroke 1.2 0.92 (0.76, 0.60-0.98) 1.34 (1.11, 0.89-1.40; P=0.35) 1.42 1.34 (0.94, 0.75-1.17; P=0.581) 1.05 0.97 (0.92, 0.74-1.13; P=0.42) Haemorrhagic stroke 0.38 0.10 (0.26, 0.14-0.49) 0.12 (0.31, 0.17-0.56) 0.44 0.26 (0.59, 0.37-0.93) 0.47 0.24 (0.51, 0.35-0.75) Major bleeding 3.36 3.11 (0.93, 0.81-1.07; P=0.31) 2.71 (0.80, 0.69-0.93) 3.4 3.6 (P=0.58) 3.09 2.13 (0.69, 0.60-0.80) Intracranial bleeding 0.74 0.30 (0.40, 0.27-0.60) 0.23 (0.31, 0.20-0.47) 0.7 0.5 (0.67, 0.47-0.93) 0.80 0.33 (0.42, 0.30-0.58) [Camm et al., 2012] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 29 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Antikoagulantien bei Vorhhofflimmern • Vitamin-K-Antagonisten sind hoch wirksam in der Hirnschlagprävention bei VHF. • Neue orale Antikoagulantien sind mindestens gleich wirksam, sicherer (weniger intrakranielle Blutungen) und einfacher zu dosieren als Vitamin-K-Antagonisten. • Die Sicherheit und Wirksamkeit von neuen oralen Antikoagulantien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban) wurden in Vergleichsstudien mit Vitamin-K-Antagonisten sehr gut belegt. • Vergleichsstudien zwischen den verschiedenen neuen Antikoagulantien fehlen. Nachfolgend indirekte Vergleiche der neuen oralen Antikoagulantien hinsichtlich der Therapieziele einer oralen Antikoagulation (Risikoreduktion ischämischer Schlaganfall und Vermeidung intrakranieller Blutungen) [Connolly et al., 2009, Granger et al., 2011, Patel et al., 2011] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 30 4. Sekundärprävention Neue Antikoagulantien: Indirekte Vergleiche Ischämischer Schlaganfall (92% aller Schlaganfälle) - 25% RRR Dabigatran 150mg BID (ITT) HR 0.76; 95% KI 0.59–0.97; p=0.03 Dabigatran 110mg BID (ITT) HR 1.11; 95% KI 0.88–1.39; p=0.35 Rivaroxaban 20mg OD (ITT) HR 0.99; 95% KI 0.82–1.20; p=0.916 Apixaban 5mg BID (ITT) HR 0.92; 95% KI 0.74–1.13; p=0.42 0.2 0.5 1 Studienmedikation besser 2 5 Warfarin besser HR = hazard ratio; ITT = intention to treat; BID = zweimal täglich; OD = einmal täglich; RRR = relative Risikoreduktion [Tendera et al., 2012] 3 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 31 4. Sekundärprävention Neue Antikoagulantien: Indirekte Vergleiche Sicherheitsendpunkt: Intrakranielle Blutungen Dabigatran 150mg BID (ITT) HR 0.41; 95% KI 0.28–0.60; p=0.001 Dabigatran 110mg BID (ITT) HR 0.30; 95% KI 0.19–0.45; p=0.001 Rivaroxaban 20mg OD, safety as treated HR 0.67; 95% KI 0.47–0.93; p=0.02 Apixaban 5mg BID (ITT) HR 0.42; 95% KI 0.30–0.58; p=0.001 0.2 0.5 Studienmedikation besser 1 2 Warfarin besser 5 HR = hazard ratio; ITT = intention to treat; BID = zweimal täglich; OD = einmal täglich Indirekter Vergleich der NOACS nach Tendera M et al. Cardiology J. 2012; 19 (1):4-10 [Tendera et al., 2012] 3 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 32 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Antihypertensiva • Metaanalyse von 7 randomisierten Studien • Signifikante Reduktion des Rezidivrisikos nach Hirnschlag und TIA (RR 0.76; 95% CI 0.63-0.92) • Gute Blutdruckeinstellung nach Hirnschlag und TIA ist essentiell (regelmässige Kontrollen beim Hausarzt) [Rashid et al., 2003] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 33 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Antidiabetika • Unabhängiger Risikofaktor • Verbesserte Blutzucker-Kontrolle ist nicht sicher mit einem reduzierten Hirnschlagrisiko assoziiert • Ziel-BP <130/80mmHg • Statinbehandlung angezeigt • Erhöhte BZ-Werte beim akuten Hirnschlag assoziiert mit Tod und schlechtem Schicksal www.eso-stroke.org HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 34 4. Sekundärprävention Sekundärprävention: Karotisstenose • Karotisendarterektomie ist für symptomatische Stenosen ≥50% (NASCET) indiziert. • Nutzen der Operation ist abhängig von Stenosegrad. • Patienten >75 Jahre ohne wesentliche Komorbiditäten profitieren mehr als jüngere. • Karotis-Stenting: bei Patienten <70 Jahre vergleichbar mit CEA, bei älteren Patienten bisher weniger gute Resultate [www.eso-stroke.org ] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 35 4. Sekundärprävention Sekundärprävention aus Sicht des Neurologen Rahmenbedingungen • Neurologe als Konsiliarius • Schlaganfalltherapie auf IPS Zusammenspiel Neurologe - Kardiologe • Neurologe klärt Ätiologie Schlaganfall ab • Kardiologe stellt Diagnose des VHF • Neurologe empfiehlt Therapie und Substanz falls VHF nachgewiesen. • Einstellung erfolgt i.d.R. durch die Internisten • Neurologe kontrolliert (punktuell) in house • Neurologe kontrolliert Post-OP punktuell (Neurovaskuläre Sprechstunde) HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 36 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 37 5. Primärprävention Übersicht und Massnahmen zur Primärprävention Wirksamkeit von Massnahmen zur Primärprävention des Schlaganfalls Art der Therapiemassnahme Relative Risikoreduktion/Jahr Prävalenz Absolute Risikoreduktion pro Jahr 20 – 40% 30 – 40% 0.5% 1% 59% 2.7% 5 – 10% 20% 1.0% Operation asymptomatischer Karotisstenosen 5% 30 – 40% 0.5 – 1.0% Nikotinabstinenz 20% 50% ? Gewichtsnormalisierung 20% ? ? ? 25 – 48% ? Antihypertensive Therapie Antikoagulation bei Vorhoffflimmern Statintherapie bei Hypercholesterinämie Regelmässiger Ausdauersport [Klötzsch, 2010] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 38 5. Primärprävention Lebensstil: Nikotin, Alkoholkonsum und Übergewicht Nikotin • Unabhängiger Risikofaktor • Relatives Hirnschlagrisiko Raucher vs. Nichtraucher: 1.5-3 • > 20 Zigaretten/Tag versus < 20 Zigaretten/Tag: 2x Hirnschlagrisiko • 2-5 Jahre nach Rauchstopp: Halbierung des Hirnschlagrisikos Alkohol • Intracerebrale Blutungen: Risiko im Vergleich zu Abstinenten 2 – 4 x höher. • Grosse Mengen erhöhen auch das Risiko eines ischämischen Insults (RR < 2). • Ischämischer Infarkt: geringe Alkoholmengen (< 2 Drinks = 24 Gramm) protektiv (RR 0.5 0.8). Übergewicht • Männer mit BMI >30: korrigiertes relatives Hirninfarkt-Risiko 2 (95% CI, 1.5-2.7) • Abdominale Adipositas (waist-to-hip ratio): Unabhängiger Stroke-Risikofaktor [Shinton et al., 1989; Colditz et al., 1988; Reynolds et al., 2003; Kurth et al., 2002] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 39 5. Primärprävention Lebensstil: Früchte und Gemüse Metaanalyse: Signifikante dosisabhängige Hirnschlag-Risikoreduktion durch regelmässigen Früchte- und Gemüsekonsum RR für Hirninfarkt 95% CI 3 – 5 Portionen pro Tag > 5 Portionen pro Tag 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 [He et al., 2006] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 40 5. Primärprävention Lebensstil: Körperliche Aktivität Regelmässiges Gehen: Die aktivste Kategorie hat gegenüber der inaktivsten ein deutlich reduziertes Hirninfarktrisiko. RR für Hirninfarkt 95% CI 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 [Noda et al., 2005] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 41 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 42 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale Probleme der Versorgung • Randregionen • Netzwerke und Patientenpfade sind vielerorts nicht klar definiert. • Zeitverlust in der Prähospitalphase • Verzögerung im Spital • Verzögerung bei der Verlegung in spezialisierte Neurorehabilitationskliniken • Eingeschränktes Angebot an ambulanter Neurorehabilitation • Herzrhythmusstörungen werden vom Patienten häufig nicht spontan berichtet. • Patienten mit bekanntem Vorhofflimmern sind über Gefahren eines Hirnschlags häufig ungenügend informiert. HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 43 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale Probleme der Versorgung (Noch) Zurückhaltung bei der Verordnung von neuen oralen Antikoagulantien (Noch) Fehlende Institutionalisierung der Schlaganfallversorgung Befragung von 39 Schlaganfall-Spezialisten an CH- Befragung von 39 Schlaganfall-Spezialisten an CH- Kantons-, Regional- und Privatspitälern Kantons-, Regional- und Privatspitälern Wie ist die prozentuale Verteilung der Gibt es in Ihrer Institution Leitlinien, welche den Einstellungen in der Sekundärprävention? medikamentösen Einsatz bei der Sekundärprävention regeln? 51% 49% 49% 8% 43% Marcoumar® / Sintrom® Es gibt verbindliche Leitlinien Neue Antikoagulantien (Pradaxa®, Xarelto®, Eliquis®) Es gibt keine Leitlinien, der Entscheid wird individuell durch die Ärzte gefällt. Andere [Die Befragung richtete sich an für die Schlaganfallversorgung verantwortlichen Ärzte an Kantons-, Regional- und Privatspitälern der Schweiz und wurde durch Fluentis im Jahr 2014 durchgeführt.] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 44 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale Probleme bei der Sekundärprävention/oralen Antikoagulation • Häufig kommt es bei älteren Patienten zu einer Überbewertung des Blutungsrisikos und zu einem Unterschätzen des Schlaganfallrisikos, weshalb viele Patienten in der Praxis keine orale Antikoagulation erhalten. Jedoch: Das Risiko für einen Hirninfarkt durch VHF ist um ein Vielfaches höher als das Blutungsrisiko unter Antikoagulation. • Erschwert wird die Behandlung , dass paroxysmales Vorhofflimmern lange Zeit unentdeckt bleibt. Darum: Förderung effektiver Analyseverfahren, die das ohnehin abgeleitete EKG-Signal auf der Stroke Unit nutzen und somit die Detektionsraten des VHF bei Schlaganfallpatienten erhöhen könnten. [Duning et al., 2008] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 45 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale Informationslücken: Hirnschlagsymptome • Symptome werden häufig nicht erkannt • Symptome werden häufig nicht ernst genommen • Hirnschläge verlaufen häufig schmerzlos • Hemmschwelle, direkt die Notruf-Nr. 144 zu wählen • Bisher waren keine von Bund oder Kantonen finanzierte Kampagnen möglich. • Landesweite Informationskampagnen der Schweizerischen Herzstiftung • Hirnschlagkampagne • HELP-Kampagne HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 46 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale Kenntnisse der Bevölkerung über die TIA am Beispiel Bern In Bern • 422 Einwohner von Bern • 91% kennen den Begriff „Streifung“ • Nur 8.3% kennen den Begriff „TIA oder transitorische ischämische Attacke“ • Unwissen (97.2%) über drohende Gefahren • Ungenügende Kenntnisse über Symptome (36%) [Nedeltchev et al., 2007] HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 47 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale Verstärkte Information der Bevölkerung nötig Bestehende Informationslücken auf Seiten der Bevölkerung hinsichtlich • TIA • Hirnschlagsymptome • Vorhofflimmern müssen durch Informationskampagnen reduziert werden! HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ 48 Inhalt 1. Einleitung 2. Konzept Stroke Centers und Stroke Units 07 3. Behandlungsabläufe 17 4. Sekundärprävention 25 5. Primärprävention 38 6. Heutige Situation und Verbesserungspotentiale 43 7. Referenzen 50 HIRNSCHLAGVERSORGUNG IN DER SCHWEIZ Seite 04 49 7. Referenzen Referenzen/1 Andersen K et al. Hemorrhagic and Ischemic Strokes Compared: Stroke Severity, Mortality, and Risk factors. Stroke 2009; 40:2068−2072. Haller Wick F et al. Korrekturpraxis bei der oralen Antikoagulation: eine Beobachtungsstudie. Swiss Medical Forum 2007;7(38):778–82. Camm A et al. 2012 focused update of the ESC Guidelines for the management of atrial fibrillationEuropean Heart Journal 2012; 33: 271947. 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