Folien - Rafael Capurro

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Vorlesung
INFORMATIONSETHIK
Rafael Capurro
Hochschule der Medien
Lernziele




Grundkenntnisse ethischer Theorien und
Begriffe
Selbständige Problematisierung ethischer
Konflikte im Informationsbereich (->
Studienarbeit)
Übung im interkulturellen Dialog
Sensibilisierung für informationsethische
Fragen
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
2
Übersicht
-> Warm up
1. Einführung in die Ethik
2. Informationsethik
Digitale Bibliothek: www.capurro.de/db.htm
R. Capurro: Ethik im Netz (Stuttgart 2003)
R. Capurro: Leben im Informationszeitalter
(Berlin 1995)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
3
Warm up





ICIE: http://icie.zkm.de
IRIE: http://www.i-r-i-e.net
Nethics: http://www.nethics.net
Telepolis: http://www.heise.de/tp
WSIS: http://www.itu.int/wsis
:: Die Philosophie-Seiten von Dieter Köhler:
http://www.philo.de/Philosophie-Seiten/personen/index.shtml
:: Der Branchenführer: Philosophers Today von
Joachim Koch: http://www.philosophers-today.com/index.html
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
4
1. Einführung in die Ethik





Menschliches Handeln ist
“begründungsbedürftig”: Natur und Freiheit
Kants Fragen: “Was können wir wissen?
Was sollen wir tun? Was dürfen wir
hoffen? Was ist der Mensch?”
“Wollensethik” und “Sollensethik” (H.
Krämer)
Das “anstößige” der Moral und der “AnStoß” der Ethik
Allgemeine Ethik und angewandte Ethik
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
5
1. 1 Historische Aspekte




Herkunft und Bedeutung der Worte Ethik und
Moral (oder ethos)
Plato und die Idee des Guten: Ethik als Ideologie
Sokrates und die Sophisten: Selbstdenken
Aristoteles als Begründer der Ethik: “Ethik”,
“Ökonomie” und “Politik” (Praktische
Philosophie): das “gute Leben” (eu zen)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
6
1. 1 Historische Aspekte





Hellenismus: Die Kultur der “Selbstsorge”
und ihrer Aktualität (Michel Foucault)
Christliche Ethik: Thomas von Aquin:
summum bonum, lex aeterna und
Gottesebenbildlichkeit (theologische Ethik)
Neuzeitliche Ethik: Descartes,
Kant: http://idealismus.de/kant.phtml
Bentham, Mill: Utilitarismus
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
7
1. 1 Historische Aspekte

Ethik im 19. und 20. Jahrhundert



Hegel: Moralität und Sittlichkeit oder die
Vernünftigkeit des Realen
Marx: Protest gegen Geistmystifikationen; die
Macht des historischen Subjekts
Kierkegaard: das Ästhetische, das Ethische und
das Religiöse als Dimensionen der menschlichen
Existenz
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
8
1. 1 Historische Aspekte








Nietzsche: Kritik der Moral
Max Scheler: die materiale Wertethik
Analytische Ethik: Moore und Hare
Existentialistische Ethik: Camus, Sartre, Beauvoir, Levinas
Liberale/libertäre Ethik: von Hayek, Rawls, Nozick
Kommunitaristische Ethik: Etzioni, Taylor, Walzer
Diskursethik: Apel und Habermas
Postmoderne: Foucault
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
9
1.1 Historische Aspekte
www.capurro.de/raffael.htm
-> http://home.t-online.de/home/henkaipan/athen.htm
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
10
1.2 Systematische Aspekte





Die Rolle der Moral in der Alltagserfahrung
Gruppenmoral und Universalmoral
Berufs- und Standesethos
Normenpluralismus, “goldene Regel” und
Verallgemeinerungsprinzip
Freiheit, Autonomie und Menschenwürde
(Moralität)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
11
1.2 Systematische Aspekte

Moral, Ethik und Recht:



Moral = gelebte Sitten und Traditionen
Ethik = kritischer Diskurs über Moral und Recht
Recht = staatlich sanktionierte Normen
Strafandrohungen: Geldstrafe , Freiheitsentzug
(Todesstrafe) (BGB, StGB)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
12
1.2 Systematische Aspekte



Vorrang der Moral über Ethik und Recht
(Fundamentalismus)
Vorrang des Rechts über Ethik und Moral
(Legalismus)
Vorrang der Ethik über Moral und Recht
(Ethischer Rigorismus)

> Abwägungsprozesse
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
13
1.2 Systematische Aspekte



Code-orientierte vs. Ethik-orientierte Moralen
(M. Foucault): Vorrang eines bestimmten
Codes gegenüber der bleibenden Aufgabe
der Lebensgestaltung
Ethik als “Ästhetik der Existenz” (M.
Foucault): Technologien der Produktion, der
Zeichen, der Macht und des Selbst
Vgl. http://www.capurro.de/self.htm
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
14
1.2 Systematische Aspekte



Handlungen = von Personen wissentlich und
willentlich hervorgerufene Ereignisse
(Subjekt, Vollzug, Absicht, Ziel)
Herstellende (poiesis) und selbstzweckhafte
Handlungen (praxis) (Ziel außerhalb des
H.vollzugs bzw. nicht)
Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Max
Weber): Handlung und Verantwortung
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
15
1.2 Systematische Aspekte
Die Güter und das Gute:



Güter sind äußere Strebensziele
das Gute verweist auf die Art des Lebensvollzugs
(der Person) (Tugendethik)
> rationale Güterabwägung und vernünftige
Entscheidung bei Zielkonflikten (Gemeinwohl,
Gerechtigkeit): sittliche Urteilskraft
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
16
1.2 Systematische Aspekte

Die “Goldene Regel” (Konfuzius, Sieben Weisen,
Indien, NT...) negativ und positiv formuliert:

Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch
keinem andern zu
Behandle andere so, wie du auch von ihnen behandelt
sein willst.
> Abstand vom Selbstinteresse und Vergeltung
> Aufforderung zum wechselseitigen Respekt

Website: http://www.berlin-message.com/goldene-regel.html



Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
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1. 2 Systematische Aspekte
Kants Moralgesetz: “Handle so, daß die Maxime
deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer
allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.”




Prinzip der Willensautonomie
kategorischer Imperativ
Kausalität durch Freiheit
theoretische Deduktion des m.G. nicht möglich: “Faktum
der reinen Vernunft”
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
18
1.2 Systematische Aspekte
Interkulturelle Aspekte






Ethnozentrismus und Eurozentrismus
Islamische Ethik: Glaubensbekenntnis, Gebet, Abgaben,
Fasten, Pilgerfahrt
Jüdische Ethik: Gotteswille, Gesetz (Dekalog),
Gerechtigkeit
Hinduistische Ethik (Veden)
Chinesische Ethik (Konfuzius, Daoismus)
Buddhistische Ethik (Siddharta, Meditation)
:: polylog: Interkulturelle Philosophie http://prof.polylog.org/index-de.htm
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
19
1. 2 Systematische Aspekte
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Universal Declaration of Human Rights (UDHR)
 Achtung vor der Menschenwürde (Art. 1)






Vertraulichkeit (Art. 1, 2, 3, 6)
(Chancen-)Gleichheit (Art. 2, 7)
Recht auf Privatheit (Art. 3, 12)
Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 19)
Recht auf Beteiligung am kulturellen Leben (Art. 27)
Schutz der materiellen und geistigen Arbeit (Art. 27)
http://www.udhr.org/UDHR/ART01.HTM
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
20
1.2 Systematische Aspekte
Ziele der Ethik:



Reflexive Aufklärung von Praxis
Einübung in die kritische Beurteilung von Praxis
und Geltungseinsprüchen
Reflexive Aufklärung des Handelnden bezüglich
seines Handelns
(Quelle: http://www.we-wi-we.de/ethik_wirtschaft_eigenes.htm )
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
21
1.2 Systematische Aspekte
Grenzen der Ethik:





Die Ethik ist nicht die Praxis, aber ihr Ziel ist die Praxis
Die Ethik macht uns nicht moralisch(er)
Die Ethik ist keine Supermoral
Die Ethik ist keine Fallsammlung (Kasuistik): Rolle des
Fallbeispiels: die Vermittlung von Norm und Situation
veranschaulichen
Die Ethik gibt uns keine konkreten Handlungsanweisungen,
sondern fordert uns auf, zu problematisieren und selbst zu
entscheiden
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
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1.2 Systematische Aspekte
Grundformen ethischer Argumentation oder


was sind “gute Gründe”?
Moralische Begründungen: Bezugnahme auf ein Faktum,
auf Gefühle, auf mögliche Folgen, auf einen Moralkodex, auf
moralische Kompetenz, auf das Gewissen
Ethische Begründungen: logische Methode (deontische
Logik), diskursive Methode (Konsensustheorie), dialektische
Methode (Platon), Analogische Methode (Klugheit,
Lebensformen: Aristoteles), transzendentale Methode
(Maximen: Kant), analytische Methode (begrifliche
Zerlegung), hermeneutische Methode (Auslegung)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
23
1.2 Systematische Aspekte
Grundtypen ethischer Theorie:



Deskriptive Ethik: beschreibt menschliche Praxis
als ein empirisches, geschichtliches Geschehen.
Normative Ethik: systematische Begründung
moralischer Geltungsansprüche und Normen in
bezug auf ein höchstes Gebot (Moralprinzip)
(Theologische E., utilitaristische E., teleologische
E., deontologische E.).
Emanzipatorische Ethik (marxistische E.,
feministische Ethik, Philosophie der Befreiung...):
gegen Bevormundung und Diskriminierung.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
24
1.2 Systematische Aspekte

Metaethik: ob und wie sich moralische Urteile
(sprachanalytisch) rechtfertigen lassen:




Non-Kognitivismus (Hume): der Bereich des Sittlichen ist
keiner wissenschaftlichen Erkenntnis fähig
Kognitivismus: Prinzipielle Erkennbarkeit des Sittlichen. Moral
als empirische Wiss. Problem: naturalistischer Fehlschluß
oder Sein-Sollen-Fehlschluß (Moore)
Logizismus (deontische Logik): Analyse der moralischen
Argumentationsmethodik
Realismus/Antirealismus: Gibt es moralische Tatsachen
unabhängig von unseren moralischen Urteilen?
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
25
1.2 Systematische Aspekte
Drei Arten sozialkritischer Moralphilosophie
nach Michael Walzer:



“Pfad der Entdeckung”: Rückgriff auf göttliche
Offenbarung
“Pfad der Erfindung”: Rückgriff auf die
menschliche Vernunft (Habermas, Rawls)
“Pfad der Interpetation”: Rückgriff auf die reale
moralische Praxis (Walzer)
Vgl. M. Walzer: Kritik und Gemeinsinn, Berlin 1990
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
26
1.2 Systematische Aspekte
Ethische Theorien in der aktuellen Diskussion:
Kommunitarismus: betont das Gewicht (kleinere) Gemeinschaften
(engl. communities) mit ihren kulturellen Besonderheiten (vs.
anonyme und pluralistische Gesellschaften. Autoren:
Kommunitarismus: Amitai Etzioni, Alasdair MacIntyre, Michael
Walzer, Charles Taylor. Herkunft: Aristoteles, Locke, J.S. Mill,
Rousseau, Hegel.
Liberale/libertäre Positionen: Vorrang der Freiheit und Autonomie
der Person gegenüber dem Staat. Autoren: Friedrich A. von
Hayek, John Rawls, Robert Nozick. Herkunft: Locke, Kant, J.S.
Mill.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
27
1.2 Systematische Aspekte
Utilitarismus (lat. utilis=nützlich): Das Kriterium der
Sittlichkeit ist die Optimierung des Glückes (oder...)
aller Betroffenen aufgrund einzelner Handlungen
(Handlungs-U.) , von Handlungsregeln (Regel-U.)
oder von Präferenzen (Präferenz-U.) (->
Konsequentialismus) (vs. deontologische E.)
Autoren: J.J.C. Smart, J.O. Urmson.
Herkunft: J. Bentham, Th. Hobbes, J.S.Mill
J. Bentham http://www.woodford.redbridge.sch.uk/rs/utilitarian.html
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
28
1.2 Systematische Aspekte
Deontologische Ethik (gr. to deon=das
Erforderliche): Eine Handlung gilt als sittlich richtig,
wenn sie Maximen folgt, die an sich gut sind (vs.
empirisch-pragmatische oder utilitaristische
Überlegungen) (kategorischer Imperativ) (vs.
utilitarische E.)
Autoren: O. Höffe, R. Wimmer, D. Mieth.
Herkunft: christliche Ethik, Kant
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
29
1.2 Systematische Aspekte
Diskursethik: strittige soziale und politische Fragen
sollten nach dem Prinzip einer gewaltfreien,
rationalen und allgemein zustimmungsfähigen
Lösung aufgrund eines auf Konsens hin geführten
Diskurses gelöst werden.
Autoren: Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas
Herkunft: Kant, Ch. S. Peirce
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
30
1.2 Systematische Aspekte
Angewandte Ethik (Bereichsethiken):







Politische Ethik
Rechtsethik
Wirtschaftsethik
Bioethik (Ökologische Ethik, Genethik, Medizinethik)
Technikethik
Wissen(schafts)ethik,
Informationsethik (Medienethik, Netzethik)
Vgl.: J. Nida-Rümelin Hrsg.: Angewande Ethik, Stuttgart 1996
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
31
1.2 Systematische Aspekte
Infoethics
Code
Morality
Ethics
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
32
2. Informationsethik: Bill Viola: The City
of Man/ ZKM: http://on1.zkm.de/zkm/mnk/archiv/Stations
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
33
2. Informationsethik: Bill Viola: The City
of Man

Foto: Kira Perov
© Bill Viola 2000 Mit The City of Man (1989) hat
Viola ein Bild geschaffen, das spätmittelalterlichen
Flügelaltären ähnlich sieht. Zwei schmale Flügel
rahmen ein größeres Mittelfeld. Wie in den
mittelalterlichen Vorbildern steht im Zentrum eine
Versammlung, seitlich sind nach den Vorbildern von
Himmel und Hölle eine Stadtlandschaft und ein
brennendes Haus zu sehen. Die drei Flügel zeigen
die amerikanische Demokratie, die vom irdischen
Glück in der Vorstadtsiedlung und der Bedrohung
dieser Zivilisation durch das Böse begleitet wird
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
34
2. Informationsethik
Literatur, Quellen, Websites...
ICIE: http://icie.zkm.de
Nethics: http://www.nethics.net
Int. Review of Inf. Ethics IJIE: http://www.i-r-i-e.net
Digitale Bibliothek: www.capurro.de/db.htm
R. Capurro: Ethik im Netz (Stuttgart 2003)
R. Capurro: Leben im Informationszeitalter (Berlin
1995)
R. Kuhlen: Informationsethik (Konstanz 2004)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
35
2 Informationsethik: Einführung
Informationsethik im weiteren Sinne umfaßt
ethische Fragen:


in der Informatik (Computerethik)
in den Massenmedien (Medienethik,
journalistische Ethik)
Informationsethik im engeren Sinne umfaßt
ethische Fragen:

im Internet (Netzethik, Cyberethik)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
36
2 Informationsethik: Einführung
Informationsethik als deskriptive Theorie:
beschreibt die verschiedenen Strukturen und
Machtverhältnisse, die das Informationsverhalten in
verschiedenen Kulturen und Epochen bestimmen
Vgl. R. Capurro: Mediale (R-)Evolutionen
 Informationsethik als normative und
emanzipatorische Theorie: befaßt sich mit der
Kritik der Entwicklung moralischen Verhaltens im
Informationsbereich. Sie umfaßt individuelle,
kollektive und menschheitliche Aspekte.

Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
37
2 Informationsethik: Einführung
Informationsethik soll:



Die Entwicklung moralischen Verhaltens im
Informationsbereich beobachten und bewerten.
Die Strukturen und Machtverhältnisse, die das
Informationsverhalten bestimmen, analysieren
und bewerten.
Die neuen Informationsmythen aufdecken und
kritisieren.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
38
2 Informationsethik: Einführung


Verdeckte Widesprüche der herrschenden
theoretischen und praktischen Sprachregulierung
offenlegen.
Die Entwicklung informationsethischer
Fragestellungen beobachten.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
39
2. Informationsethik: Einführung


Die Grundfrage der Informationsethik lautet:
Wie gestalten wir individuell und als
(Welt-)Gesellschaft unsere Freiheit im
Kontext der digitalen Weltvernetzung?
Diese Frage betrifft einen formalen (den
„code“) und einen inhaltlichen Aspekt
(„knowledge sharing“). Sie zielt auf eine
Kultur des freien Einschlusses zur digitalen
Kommunikation.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
40
2 Informationsethik: Einführung
Hauptthemen der Informationsethik:
- Produktion von Information: Eigentumsrecht
(copyright) (vs. freies Gut)
- Selektion von Information: Recht auf freie
Meinungsäußerung (vs. Zensur)
- Verbreitung von Information: Recht auf Privatheit
und auf freie Meinungsäußerung (vs.
Bevormundung) / Recht auf Kommunikation (r2r,
r2w)
- Interkulturelle Informationsethik
http://icie.zkm.de/congress2004
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
41
2. Informationsethik: Einführung

-
-
Hauptthemen der Informationsethik (nach: www.nethics.net )
Menschenrechte / IuKrechte
Wem gehört das Wissen?
Einschränkungen von Informationsfreiheit
Mißbrauch von Informationsfreiheit
Digital Divide
Privacy und Sicherheit
Kulturelle Vielfalt
Mediale Öffentlichkeit
Telemedialisierung
Wissensökologie
Professionelle IE
Eper Ethik
Vertrauen
Theorien der IE
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
42
2. Informationsethik: Einführung
Lawrence Lessig: „Code and Other Laws of Cyberspace“
MARKET
Architecture
LAW
Norms
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
43
2. Informationsethik: Einführung

L. Lessig: Code und andere Gesetze des Cyberspace.
Berlin 2001. S. 161 ff.
Normen: arbeiten mit der Stigmatisierung durch
die Gemeinschaft (Stigmatisierung/Nicht-S.)
 Märkte: arbeiten mit Preisen (teuer/billig)
 Architekturen: arbeiten mit physischen
Erschwernissen. Pendant dazu im Cyberspace:
der Code (Zugang/kein Zugang)
 Recht: arbeitet mit der Androhung von Strafen
Die Regulierung des „Punkts“ (=Gesellschaft) ist die
Summe dieser vier Einschränkungen

Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
44
2 Informationsethik: Einführung
Leitende moralische und rechtliche Grundsätze:
-> Grundsatz der “informationellen Selbstbestimmung”
(Schutz personenbezogener Daten)
-> Recht auf informationelles Eigentum
-> Grundsatz der “informationellen Grundversorgung” (Recht
des freien Zugangs zum Netz, als “negatives” und/oder
“positives” Recht, d.h. als gesell. Aufgabe zur Verhinderung
des digital divide)
Vgl. www.nethics.net
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
45
2 Informationsethik: Einführung

Recht auf freie Meinungsäußerung:

Art. 5 GG: “Jeder hat das Recht, seine Meinung in
Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen
Quellen ungehindert zu unterrichten. Die
Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film
werden gewährleistet. Eine Zenstur findet nicht
statt.”
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
46
2 Informationsethik: Einführung

Recht auf Privatheit:

Art. 13 Abs. 1 GG: “(1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2)
Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im
Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen
Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form
durchgeführt werden. (3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im
übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer
Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes
auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der
Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum
Schutze gefährderter Jugendlicher vorgenommen werden.”
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
47
2 Informationsethik: Einführung

Allg. Erklärung der Menschenrechte, Art. 12: “No
one shall be subjected to arbitrary interference
with his privacy, family, home or correspondence,
nor to attacks upon his honour and reputation.
Everyone has the right to the protection of the law
against such interference or attacks.”
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
48
2 Informationsethik: Einführung

Recht auf informationelle Privatheit



Freie Entscheidung, wer in den privaten informationellen
Raum eintreten darf
Informierter Konsens (informed consent)
Einschränkung der Verbreitung und/oder des
Zugangs zu bestimmten Inhalten im Netz?


Filterung oder Überwachung?
Wer kontrolliert die Kontrolleure? -> starke/schwache
Rolle des Staates?
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
49
2 Informationsethik: Einführung
Wie lassen sich das Wohl der Individuen und das der
Gesellschaft im Medium der digitalen
Weltvernetzung fördern?
 auf nationaler Ebene: durch Gesetze sowie durch
demokratisch legitimierte Institutionen
 zwischen den Nationen (und ihren Bürgern):
durch Deklarationen und Verträge, die sich aber
nur schwach durchsetzen lassen.
-> Spannung zwischen Gemeinwohl- und
Individualwohl orientierten Ethiken
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
50
2 Informationsethik: Einführung

Orientierungsrahmen:







Herstellung informationeller Gerechtigkeit
Wahrung informationeller Autonomie
Wahrung informationellen Eigentums
Wahrung des freien Zugangs zum Netz
Wahrung kultureller Vielfalt und informationeller
Selbstbestimmung
Wahrung des Rechts auf Kommunikation
...
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
51
2 Informationsethik: Einführung
“Informationsethik / Informationskultur
Die Frage nach der Ethik im Zusammenhang mit
Information und Informationsarbeit stellt sich nicht
erst seit der Globalisierung der Computernetze
durch das Internet. Informationsethik und
Informationskultur sollen ein „Informationsklima“
schaffen, in dem ein freier Zugang zu und
Austausch von Information jederzeit möglich ist.”
Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss. Uni Saabrücken
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
52
2 Informationsethik: Einführung
“In der (Informations-)Wirtschaft treten ethische
Fragen z.B. im Zusammenhang mit Informationsund Wissensmanagement auf ( z.B. Mobbing
durch Informationsvorenthaltung). Ein Problem
des Wissensmanagements könnte der gläserne
Mensch sein: was ich weiß, gehört (auch) meiner
Firma; meine Firma weiß, was ich (nicht) weiß.
Ganz allgemein formuliert könnte der ethische
Grundsatz für die Informationswirtschaft lauten:
Das Interesse der Nutzer ist auch das Interesse
der Informationswirtschaft.” Zitat: Virtuelles Handbuch
Inf.wiss. Uni Saabrücken
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
53
2 Informationsethik: Einführung
“Informationswirtschaft und Informationskultur” von
Heinz-Dirk Luckhardt in Anschluß an Dieter
Schumacher, ONLINE gmbh
- “Das Hauptziel der Informationswirtschaft ist die
Verbreitung qualitativ hochstehender
Informationsprodukte.
- Den Kern der Informationswirtschaft bilden die
klassischen Informationsproduzenten, die
Informationsanbieter und die Informationsvermittler.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
54
2 Informationsethik: Einführung
- Das Interesse der Nutzer ist auch das Interesse der
Informationswirtschaft.
- Die Nutzer sollen informationell autonom sein: dazu
gehört die bedarfsgerechte, ungehinderte
Versorgung mit reichhaltigen, langlebigen, nicht
manipulierbaren Informationsgütern.
- Einmal produziertes Wissen soll auch (im Idealfall
immer) abrufbar bleiben.”
Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss. Uni Saabrücken
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
55
2 Informationsethik: Einführung
Daraus ergeben sich für Luckhardt/Schumacher
folgende Thesen:
1. Die Informationskultur wird unter der Überschrift
“Globalisierung” zunehmend rein wirtschaftlichen
und branchenfremden Interessen unterworfen.
2. Die Großkonzerne nutzen die Informationsbranche
zur eigenen Machtvergrößerung, ohne ein wirkliches
Interesse an Produkt “Information” zu haben.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
56
2 Informationsethik: Einführung
3. Branchenfremde instrumentalisieren die
Informationsbranche: sie behaupten, dem
Informationswesen dienen zu wollen, stimulieren
aber nur ihr Wachstum, um IT-Tools,
Netzwerkverbinbungen und PR-Gags zu verkaufen.
4. Einziges Ziel vieler Websites ist es, Traffic auf ihren
Seiten zu erzeugen. In dem Sinne sind gute
Informationsdienste kein Ziel an sich, sondern
bestenfalls Mittel zum Zweck.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
57
2. Informationsethik: Einführung
5. Information Retrieval mit Suchmaschinen bedeutet
einen Rückfall in die frühen 80er Jahre
6. Gravierende Nachteile von Webinformationen sind:
Manipulierbarkeit und ungewisse Lebensdauer von
Webseiten.
7. Zu jeglicher Informationskultur gehört, dass einmal
produzierte Informationen auch abrufbar bleiben.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
58
2. Informationsethik: Einführung
8. Die Regierungsprogramme zur Förderung der
Informationskultur (Fachinformationsprogramme,
seit 1974) sind oft den aktuellen Entwicklungen
hinterhergehinkt.”
Zitat: Virtuelles Handbuch Inf.wiss. Uni Saabrücken
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
59
2.1 Historische Aspekte



Freiheit der Rede (parrhesia) als Grundlage der
griechischen Demokratie (Sokrates, Sophisten,
Kyniker): Orale Kulturen (freedom of speech)
Freiheit des gedruckten Wortes: Buchkultur,
Reformation, Aufklärung, Zensurfreiheit,
Pressefreiheit (freedom of the press)
Freiheit des Zugangs zum Internet (freedom of
access)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
60
2.1 Hackerethik
Hackerethik: 00. 1998 (webmaster)
Pekka Himanen: Die Hackerethik und der Geist des
Informationszeitalters (Prolog von Linus Torvalds und
Epilog von Manuel Castells). Riemann Verlag 2001
Vgl. R. Capurro: Passions of the Internet
http://www.capurro.de/passions.html
“Was sind die ethischen Grundsätze des Hackens Motivation und Grenzen
- Der Zugang zu Computern und allem, was einem
zeigen kann, wie diese Welt funktioniert, sollte
unbegrenzt und vollständig sein.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
61
2.1 Hackerethik
- Alle Informationen müssen frei sein
- Mißtraue Autoritäten - fördere
Dezentralisierung
- Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut
und nicht nach üblichen Kriterien wie
Aussehen, Alter, Rasse, Geschlecht oder
gesellschaftlicher Stellung
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
62
2.1 Hackerethik
- Man kann mit einem Computer Kunst und
Schönheit schaffen.
- Computer können dein Leben zum Besseren
verändern.
- Mülle nicht in den Daten anderer Leute
- Öffentliche Daten nützen, private Daten
schützen.”
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
63
2.2 Systematische Aspekte
www.nethics.net
gipfelthemen.de
 Digitale Spaltung: nur eine Frage der Technik?
 Medien & Kompetenz: was heißt Medienkompetenz?
 Inhalte & Vorbilder: Was ist ein guter Inhalt?
 Wissen & Besitz: Wem gehört das Wissen?
 Multi & Kulti: Vielfalt der Kulturen im Netz?
 Beteiligung & Spielregeln: Was ist eGovernment?
 Piraten & Terroristen: Wie gefährlich ist
Cyberkriminalität?
 Daten & Schutz: Wie lassen sich individuelle Rechte
ohne digitale Überwachung schützen?
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
64
2.2 Systematische Aspekte


“Charta der Bürgerrechte für eine nachhaltige
Wissensgesellschaft” (Heinrich-Böll-Stiftung):
www.worldsummit2003.de
“Die Ausgangsthese ist, dass die
Digitalisierung einen erheblichen
Neuordnungsbedarf im Hinblick auf den
Umgang mit Wissen hervorruft” (Olga
Drossou, Heinrich-Böll-Stiftung)
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
65
2.2 Systematische Aspekte
Die ethischen Werte der “Charta”:
1. Wissen ist Erbe und Besitz der Menschheit und
damit frei.
2. Der Zugriff auf Wissen muss frei sein.
3. Die Verringerung der digitalen Spaltung muss als
Politikziel hoher Priorität anerkannt werden.
4. Alle Menschen haben das Recht auf Zugang zu den
Dokumenten öffenlticher und öffentlich kontrollierter
Stellen.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
66
2.2 Systematische Aspekte
5. Die ArbeitnehmerInnenrechte müssen auch in der
elektronisch vernetzten Arbeitswelt gewährleistet
und weiterentwickelt werden.
6. Kulturelle Vielfalt ist Bedingung für individuelle und
nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung.
7. Mediale Vielfalt und das Angebot von Information
aus unabhängigen Quellen sind unerlässlich für den
Erhalt einer aufgeklärten Öffentlichkeit.
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
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2.2 Systematische Aspekte
8. Offene technische Standards und offene Formen
der technischen Produktion garantieren die freie
Entwicklung der Infrastrukturen und somit eine
selbstbestimmte und freie Kommunikation
9. Das Recht auf Achtung der Privatheit ist ein
Menschenrecht und ist unabdingbar für die freie und
selbstbestimmte Entfaltung von Menschen in der
Wissensgesellschaft.
Vgl. R. Kuhlen: Kommunikationsrechte – “impart” oder
“r2c”? In: Information W & P (2003) 54, 389-400
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
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2.2 Von der Netiquette zur Kommunikette
Netiquette-Website
http://www.fau.edu/netiquette/netiquette.html
 Deutsche Fassung:
http://www.ping.at/guides/netmayer/


Gundolf S. Freyermuth: Kommunikette 2.0.
E-Mail, Handy & Co. richtig einsetzen.
Hannover 2002
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
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3. Informationsethische Themen
(Auswahl)
Wem gehört das Wissen?
www.nethics.net
 Digital Divide
www.nethics.net
Scheule u.a.: Vernetzt gespalten (Fink, 2004)
 Kulturelle Vielfalt
http://icie.zkm.de/congress2004
 Wissensökologie
www.nethics.net

Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
70
Ausblick: Globalisierung: WSIS
www.itu.int/wsis/

Documents
 Draft Declaration of Principles
Rafael Capurro: Vorlesung Informationsethik
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