Karin Kleppin Motivation – nur ein Mythos?

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Karin Kleppin
Motivation im DaF-Unterricht in
Japan
Lektorenfachseminar
2005 in Naruto
Eine Präsentation mit Links zu
ausgewählten Texten
Motivation – ein Begriff für Alle und Alles?
Zwei Beispiele für unterschiedliche Erkenntnisinteressen
 Motivationspsychologie: Warum verhalten sich
Menschen so, wie sie es tun.
 Fremdsprachendidaktik: Wie können durch
unterrichtliche Steuerung Menschen dazu angeregt
werden, über lange Zeit hinweg und auf ein fernes
Ziel hin zu arbeiten, positive Einstellungen hierzu
aufrecht zu erhalten und sich durch eventuelle
Misserfolge nicht entmutigen zu lassen (also das zu
tun, was sie eigentlich nicht unbedingt von sich aus
tun würden? ).
Motivation als wissenschaftliches
Konstrukt
 Momentane Gerichtetheit auf ein Handlungsziel. Motivation
erlischt in der Regel, wenn das Handlungsziel erreicht ist.
 Interaktionsprodukt, in dem eine Wechselwirkung auftritt
zwischen Determinanten, die teils auf der Seite der Person,
teils auf der Seite der Situation zu lokalisieren sind.
 Bindeglied zwischen Motivation und Handlung sind
Intentionen und Volitionen. Nach der Handlung kommt es zu
bewertendem Rückblick, z.B. zu Kausalattributionen des
erreichten Handlungsergebnisses (nach Heckhausen 1989).
Individuum steht im Mittelpunkt
Eine mögliche Definition
Motivation als ein individueller Zustand
 kognitiver und affektiver Anregung, (z.B.
instrumentelle, integrative Orientierungen, positive
Einstellungen zu Sprechern der Zielsprache, zur
Sprache, zum Unterricht),
 der zu einer bewussten Handlungsentscheidung führt,
für die eine intellektuelle bzw. körperliche
Anstrengung über eine gewisse Zeit aufrecht erhalten
wird,
 um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Einige, in der Fremdsprachendidaktik
diskutierte Modelle
Das sozial-edukative Modell
1.
Integrative hypothesis: Ein integratives Motiv wird positiv
mit Leistung in L2 verbunden
2.
Cultural belief hypothesis: Kulturelle Einschätzungen und
Glauben beeinflussen die Entwicklung eines integrativen
Motivs und die Verbindung von Integrationswille und
Leistung.
3.
Active learner hypothesis: Integrativ orientierte Lerner sind
erfolgreich, weil sie aktive Lerner sind.
4.
Causality hypothesis: Integrative Motivation ist die Ursache,
Leistung das Ergebnis
5.
Two process hypothesis: Fremdspracheneignung und
integrative Orientierung sind voneinander unabhängige
Faktoren
Selbstbestimmungskonzepte
Es existieren drei angeborene Bedürfnisse:
 das Bedürfnis nach Kompetenz,
 nach Beziehung zu anderen und
 nach Selbstbestimmung.
Extrinsisch motiviert ist eine Handlung, die durch
äußere Belohnungen und Anreize motiviert ist.
Intrinsisch motiviert ist eine Handlung dann, wenn sie
von sich aus, natürlich und spontan erfolgt, hierbei ist
die Aufgabe selbst die Quelle der Belohnung.
Konstrukterweiterungen (z.B. Dörnyei)
Motivation wird auf unterschiedlichen Ebenen
angesiedelt, z.B.






Language Level
Learner Level
Learning Situation Level
Course specific Motivational Components
Teacher-Specific Motivational Component
Group-Specific Motivational Component
Motivation:
Lernerinterne Faktoren Lernerexterne Faktoren
 Motive
 Motivationsstil
 Selbstkonzepte
 Attributionen
 Emotionen
 Einstellungen
 Lernerziele,
Lernererwartungen
 Anstrengung,
Beharrlichkeit
 Unterrichtsexterne
Faktoren
 Unterrichts- bzw.
Lernsituation
 Lehr- und
Lernmaterialien
 Lerngruppe
 Lehrer,
Lehrerverhalten
Motive: Ein wichtiger Faktor für das
Fremdsprachenlernen
Motive: relativ konstante Wertedispositionen im Individuum, die
Handlungen in Gang bringen, sie aufrechterhalten, oder sie beenden.


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


Welche Motive bzw. Motivbündel gibt es für den Bereich des
Fremdsprachenlernens?
Wie lassen sie sich diagnostizieren?
Wie sieht die Abhängigkeit vom sozialen, kulturellen Umfeld, von
Emotionen oder auch vom Selbstkonzept aus?
Wie verändern sich Motive und wie sind sie beeinflussbar?
Inwieweit sind Motive abhängig vom Alter oder Geschlecht der Lerner?
Wie bedingen sich gegenseitig allgemein menschliche,
fremdsprachenlernspezifische und fremdsprachenunterrichtsspezifische
Motive?
Gibt es Motive, die sich möglicherweise positiver auf den Lernprozess
auswirken als andere?
Ein Ablaufmodell und einige Beispiele
Vorhandlungsphase
Intention
und
Wille
Handlungsphase
Attributionen
Nachhandlungsphase
Ich möchte Deutsch lernen, weil…
Ich nehme mir für die nächsten zwei Wochen
vor …
Ich kann X erreichen, wenn ich Y tue.
Es macht mir Spaß, mich mit einem Deutschen
schon über … unterhalten zu können.
Noch zehn Minuten Wortschatzlernen und
dann …
Eigentlich hätte ich bei etwas mehr Anstrengung
eine bessere Leistung gebracht, unbegabt bin
ich jedenfalls nicht.
Einige Anregungen:
Ergebnisse aus der Forschung
Der Motivation dienen z.B.
 kurzfristige und realisierbare Ziele ( z.B. Transparenz von
Zielen und möglichen Wegen, Auswirkungen auf Aufgaben,
Förderung von Selbstverantwortlichkeit)
 Individuell bedeutsame Ziele und Inhalte (z.B. Möglichkeiten
authentischer selbstgesteuerter Kommunikation)
 Ein höchstmöglicher Grad an Selbststeuerung ( Entdecken
und Entwickeln eigener Lernstrategien)
 Positive Selbstkonzepte und selbstwertdienliche Attributionen
(z.B. emotional positives und informatives Feedback, Fehler
als Anlass zum Lernen)
Prämissen für die Praxis
 Motivation ist individuell zu begreifen.
 Motivation ist als Konstrukt ernst zu nehmen, das
viele Facetten hat.
 Motivation ist bewusst.
 Motivation verändert sich und kann erlöschen.
 „Autonome Lerner sind per definitionem motivierte
Lerner“ (Ushioda 1996:2).
Motivationsprofile in Japan:
Einige Beispiele
Die Unterrichtspraxis aus dem
Blickwinkel Motivation: Einige
Prinzipien für den Unterricht
Vier Beispiele
1.
2.
3.
4.
Über Motivation reden
Die Angst vor Fehlern nehmen und den Fehler als
Anlass zum Weiterlernen begreifen
Selbstwirksamkeit und Selbststeuerung des
Lernens fördern
Kurzfristige und realisierbare Ziele in Etappen
erkennbar machen
1. Über Motivation reden!
 Finden Sie gemeinsam mit Ihren Lernern Motive,
Einstellungen, Attributionen etc. heraus und sprechen
Sie über einzelne Faktoren der Motivation (an Hand von
Fragebögen, Interviews, Gruppengesprächen)!
 Besprechen Sie auch Veränderungen positiver wie
negativer Ausrichtung!
 Suchen Sie gemeinsam nach neuen oder hypothtischen
Motiven!
 Sprechen Sie den Lerner als Individuum an!
 Stellen Sie dar, dass jegliche Ausrichtung von Motivation
vor allem positive Auswirkungen auf den Lernerfolg hat!
2. Die Angst vor Fehlern nehmen und den
Fehler als Anlass zum Weiterlernen
begreifen
Zu Theorie und Praxis der Fehlerbehandlung nach
diesem Prinzip
Ursachen von Fehlern beachten
 Einfluss durch die Muttersprache oder durch andere
Sprachen: Interferenz
 Einfluss durch Teile der Fremdsprache selbst:
Übergeneralisierung, Regularisierung
Simplifizierung
 Einfluss durch Strategien der Kommunikation
 Einfluss durch Elemente des
Fremdsprachenunterrichts, z.B. Übungstransfer
 Einfluss durch persönliche Störfaktoren
 Einfluss durch sozio-kulturelle Faktoren
Den Stellenwert von Fehlern im
Lernprozess ernst nehmen
 Fehler gehören zum Lernprozess.
 Sie sind durch Maßnahmen wie Lernprogrammierung
oder Fehlerkorrektur nicht zu verhindern.
 Viele Fehler zeigen , dass Lerner (intuitiv)
Hypothesen über Sprache bilden.
 Lerner können Fehler auch bewusst in Kauf nehmen,
um Hypothesen zu testen und damit weiterzulernen.
Fehler als Lernanlass nutzen
 Klare Fronten zwischen Sprachproduktion für
Prüfungszwecke und Sprachproduktion für
Lernzwecke ziehen
 Durch das Korrekturverhalten zeigen, dass man
Fehler positiv sieht und als Anlass zum Weiterlernen
sehr ernst nimmt
 Durch einen bewussten Umgang mit Fehlern
Schülern dabei helfen konsequent weiterzulernen
 Schüler anregen, darüber nachzudenken, wo das
Deutsche Lernschwierigkeiten bereithält und damit
Fehler auftreten könnten
 Durch Fehleraufgaben den Umgang mit Fehlern
normalisieren
Funktionen von schriftlichen und mündlichen
Fehleraufgaben
 Fehler als wichtig und positiv für den Lernprozess
sehen lernen
 Individuelle Fehlerursachen erkennen
 Sprachbewusstheit schulen
 Sprachlernbewusstheit entwickeln
 Fehler entdecken lernen (Funktion auch für
Prüfungen und Tests)
 Lernschwierigkeiten erkennen lernen
3. Selbstwirksamkeit und
Selbststeuerung des Lernens fördern
Integration von Lernstrategien in den Unterricht
Begriffliches
Verfahren, mit denen der Lerner den Aufbau, die
Speicherung, den Abruf und den Einsatz von
Informationen steuert und kontrolliert
zielgerichtet
(potentiell) bewusst
Der Lerner ist in der Regel davon überzeugt, dass
die von ihm eingesetzten Strategien ihm beim
Fremdsprachenlernen behilflich sind.
Trainingsmöglichkeiten
Separat
Integriert
 Informatives Training
 Selbstkontrolliertes
Training
 Blindes Training
 Informatives Training
 Selbstkontrolliertes
Training
Trainingsverlauf
Bewusstmachen
von Gewohnheiten
Evaluieren
Darstellung
von Alternativen
Ausprobieren
und Üben
Bewusstmachung von Gewohnheiten
Z.B.
 Erfahrungsaustausch (mit Peers)
 Fragebögen und Interviews
 Identifikation und Diskussion vorgegebener
Stellungnahmen (z.B. fiktiver Lerner)
 Rollenspiele
Darstellung von Alternativen



Erklären des Einsatzbereiches und des Nutzens
Demonstration (z.B. lautes Denken des Lehrers)
Reflexion über Transfermöglichkeiten
Strategieerprobung
z.B. durch Übungen und Aufgaben, die
 unterschiedliche Lösungswege zulassen
 permanentes Entdecken, Transferieren und
Vergleichen anregen
 zur Selbstreflexion über das eigene Lernen anregen
 zum Austausch mit Anderen anregen
 selbstevaluativ sind
Evaluation der Strategieerprobung





Selbstbeobachtung und Selbstreflexion (z.B.
Portfolio)
Checklisten
Erfahrungsaustausch
Fragebögen und Interviews
Verfassen eigener Statements zu Lernstrategien
4. Kurzfristige und realisierbare Ziele in
Etappen erkennbar machen
Formen der Selbstevaluation einsetzen
Funktionen von Selbstevaluation
 Die eigenen Kompetenzen einschätzen lernen
 Erkennen, ob Ziele erreicht wurden
 Bewusstheit über das eigene Lernen aufbauen
 Das eigene Lernen steuern lernen
Motivation anregen und
Motivationsbarrieren abbauen helfen
Facetten der Selbstevaluation







Selbsteinschätzung auf einer vorgegebenen
Selbsteinschätzungsskala
Selbsteinschätzung des sprachlichen Fortschritts bei von
außen festgelegten Etappen
Selbsteinschätzung des sprachlichen Fortschritts bei selbst
festgelegten Etappen
Selbsteinschätzung in Bezug auf die Realisierung einer
Aufgabe
Selbsteinschätzung in Bezug auf den Einsatz von Strategien
(Kommunikations- und Lernstrategien)
Selbsteinschätzung in Bezug auf die Entwicklung von
Strategien (Kommunikations- und Lernstrategien)
Selbstbeurteilung bei der Vergabe von Noten etc.
Weiterentwicklung von Strategien zur
Selbstüberprüfung
 Kurzfristige Zielbeschreibungen vornehmen (z.B. was man in der
nächsten Woche können möchte)
 Zielbeschreibungen mit Möglichkeiten verbinden, wie zu erkennen
ist, ob die Ziele auch erreicht wurden
 Von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit auf die eigene sprachliche
Realisierung oder auch diejenige eines Mitschülers richten (
Fehlerübungen, Fehler erkennen, Kann-Beschreibungen)
 Von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit bei jeglichen Formen von
Input auf einzelne sprachliche Realisierungsmöglichkeiten legen
(bestimmte Formen, Realisierungen von Sprechakten etc.)
 Den Lehrer zum Feedback herausfordern (durch sprachliche
Versuche mit fragendem Unterton, Bitten um Hilfen etc.)
 Mit Lösungsschlüsseln oder Lernsoftware arbeiten, die
differeneziertes Feedback anbietet
Der Blick auf die Weiterentwicklung
des eigenen Lehrverhaltens
Zum Lehrverhalten
 Transparenz vermittlungsmethodischer Entscheidungen,
Lehrverhalten
 Besprechen von Lernmotiven und Einstellungen
 Expliziter Einbezug von Vorwissen
 Einbezug persönlicher Attribute, wie z.B. Ängstlichkeit
(Sprechangst, Angst vor Fehlern, Testangst, Angst vor
negativer Einschätzung),
 Klärung des Zusammenhangs von Attributionen
(Ursachenzuschreibungen) und Lernerfolg bzw. –misserfolg
 Eingehen auf schon von Lernern eingesetzte Lernstrategien
 Aufzeigen unterschiedlicher Wege beim Lernen
 Stärken der Handlungssicherheit
 Einplanen von Selbstevaluation
 Aufbau von Selbstwirksamkeit
Einige Fragen als Selbstüberprüfung
 Sind mir die momentanen Motive meiner Lerner
bekannt?
 Mache ich mein methodisches Vorgehen transparent,
so dass Lerner z.B. Kontrollüberzeugung in Bezug
auf ihr eigenes Lernen entwickeln können?
 Wann habe ich das letzte Mal kooperatives Lernen
gefördert?
 Gebe ich informatives Feedback oder lobe ich einfach
nur völlig unspezifisch?
 Können Lerner meine Aufgaben lösen, wenn sie
Anstrengung investieren?
Quintessenz: Zur Nützlichkeit des
Begriffes Motivation
 Lehrer und Lerner sollten um die Vielschichtigkeit
dieses für das Fremdsprachenlernen und für jegliches
andere menschliche Handeln wichtige Konstrukt
wissen.
 Didaktiker und Lehrer sollten Abschied vom Mythos
Motivation nehmen, von der Hoffnung, man könne
eine ganze Gruppe mit bestimmten Techniken
langfristig motivieren.
 Lehrer können Lerner allerdings dabei unterstützen,
einzelne der genannten Faktoren dann in den Blick zu
nehmen und zu kontrollieren, wenn der Verdacht
besteht, dass sie zu Motivationsbarrieren werden.
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