folien 30.04.08

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POLEN
Systemtyp: Parlamentarisch-präsidentielles System
Verfassung: Verfassungsgebungsprozess im Vergleich zu anderen
Reformstaaten langwierig
1989: Kompromiss, starker Präsident mit umfassenden
Kompetenzen, Wahl durch Sejm und Senat; provisorische
Verfassung mit unklarer Kompetenzverteilung: Konflikte zwischen
Institutionen
1992: Reform „Kleine Verfassung“ als Gesetz im
Verfassungsrang inklusive Verfahrensgesetz, das weiteres Vorgehen
im Verfassungsgebungsprozess regelt; legt semi-präsidentielles
Systems fest, enthält Teile der alten kommunistischen Verfassung
(z.B.: Recht auf kostenlose Gesundheitsversorgung), Präzisierung
der Befugnisse von Präsident (seit 1990 Direktwahl, behält vorerst
starke Position), Parlament und Regierung
1997: Kompromiss-Verfassung, Präambel Bezugnahme auf „Gott
als Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit, des Guten und der
Schönheit“, aber auch Verweis auf universelle Werte, „die aus
anderen Quellen hervorgehen“, Annahme durch Sejm und Senat und
Referendum
•Verbot von Parteien und Organisationen, die sich auf
Nationalsozialismus, Faschismus oder Kommunismus berufen
•Kompetenzen geklärt, Zuständigkeiten des Präsidenten beschnitten
und konkretisiert (Parlament und Regierung dominantere Rolle
hinsichtlich Staatsleitung): von semipräsidentiell zu präsidentiellparlamentarisch zu parlamentarisch-präsidentiell)
•Streichung des einfachen Misstrauensvotums
•Suspensives Veto bleibt
•Enthält u.a. Katholische Sozialordnung
•Erlaubt ausdrücklich Aufgabe nationaler Souveränität
•Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit als Staatsziel
•Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes (15 Richter gewählt
durch Sejm auf 9 Jahre) erhöht: bindende Entscheidungen
Plebiszit: Gesetz über Referendum 1995 (auch auf regionaler Ebene
mgl.), initiiert von Sejm oder Staatspräsident mit Zustimmung des
Senats, Regierung oder 500.000 Wahlberechtigten, muss 90 Tage
nach Beschluss stattfinden und ist nur dann bindend, wenn mehr als
50% der Wahlberechtigten teilnehmen
Parlament: Zweikammernsystem, beide Kammern gemeinsam
gewählt, bilden zusammen die Nationalversammlung; erste völlig
freie Wahlen erst 1991 („Gründungswahlen“)
Sejm, 460 Sitze/ 4 Jahre: Verpflichtende Auflösung, wenn
vorgeschlagener Regierung Vertrauen versagt oder wenn 4 Monate
Haushalt nicht beschlossen wird, kann sich mit 2/3 Mehrheit der MPs
auch selbst auflösen; umfassende Kontrollinstrumente
Senat, 100 Sitze/ 4 Jahre: Prüft Gesetzesentwürfe und kann
Änderungen vorschlagen oder Initiative ablehnen, Sejm kann dies
aber mit absoluter Mehrheit zurückweisen
In der Praxis enge Kooperation Sejm/Senat
Wahlsystem: hohe Wahlabstinenz, seit 2001:
Sejm: Verhältniswahlrecht, Listenwahl mit Präferenzstimmen in 41
Wahlkreisen, seit 1993 5% Klausel
Senat: Mehrheitswahlrecht, 100 RepräsentantInnen der 16
Wojwodschaften in 40 Wahlkreisen (je 2 bis 4 Sitze), oft werden
unabhängige Persönlichkeiten gewählt, bei vakanten Mandaten
Nachwahlen
Gesetzgebung: Gesetzesentwürfe werden nur im Sejm eingebracht,
viele Entwürfe werden abgelehnt, da schlecht vorbereitet;
Initiative Regierung, MPs (am häufigsten), aber auch Präsident,
Ausschüsse des Sejm, Senat als Ganzes, 100.000 Wahlberechtigte
(nicht bei Verfassungsänderungen oder Staatshaushalt)
Entscheidung mit einfacher Mehrheit; Präsidentenveto mit 3/5 des
Sejms überstimmt, Senatsveto mit absoluter Mehrheit des Sejm;
Ratifizierung internationaler Verträge und Abtretung
nationalstaatlicher Kompetenzen mit 2/3 Mehrheit (Referendum
zusätzlich möglich), Verfassungsänderungen mit 2/3 Mehrheit Sejm
und absoluter Mehrheit anwesender SenatorInnen (Anwesenheit von
mindestens ½ in beiden Kammern)
Regierung: Premierminister vom Präsidenten (nach Mehrheiten im
Sejm) ernannt, Kabinettsliste kann MinisterInnen und stellvertretende
MinisterpräsidentInnen umfassen, außerdem können auch
Ausschussvorsitzende in den Ministerrat berufen werden >
ungewöhnliche Verschränkung von Exekutive und Legislative);
innerhalb von 14 Tagen absolute Mehrheit (bei Anwesenheit von
mindestens ½ der MPs) notwendig; konstruktives Misstrauensvotum,
einzelne MinisterInnen können aber auch ohne Gegenvorschlag vom
Sejm abberufen werden
Lange Tendenz zu instabilen Regierungen
Präsident: Oberster Hüter der Republik und der Verfassung, seit
1990 direkte Wahl, 5 Jahre, 1x Wiederwahl möglich, dzt. Lech
Kaczynski (seit 2005)
•im Unterschied zu Frankreich keine Schiedsrichterfunktion zwischen
Staatsorganen
•Gemeinsam mit Regierung vollziehende Gewalt
•Amtsenthebung durch Sejm mit 2/3 eingeleitet, wegen Verstoß
gegen Verfassung, gegen Gesetze oder einer Straftat, es entscheidet
aber der Staatsgerichtshof
•Kann jedes Gesetz zurückweisen (Sejm kann mit 3/5
Beharrungsbeschluss fassen), aber kein Veto gegen Staatshaushalt
•1997 Kompetenzen verloren (v.a. Außen- und Sicherheitspolitik)
Parteien-System: Alle Oppositionsgruppen im Rahmen einer Partei
zu ersten halbfreien Wahlen 1989 angetreten: Parlamentarischer
Bürgerklub/OKP, erreichte alle frei wählbaren Sitze im Sejm (35%)
und 99 von 100 Senatssitzen
•Nach 1989 starke Fragmentierung, Konsolidierung/Profilierung/
Stabilisierung seit 1997
•Gemäßigt-pluralisiert, Polarisierung zwischen beiden großen Lagern
Cleavages:
•Sozioökonomisch (Marktwirtschaft-Staatsinterventionismus)
•Autoritär - liberal
•Soziokulturell (Nationalkatholizismus – Kosmopolitismus und
Europaorientierung)
•Umgang mit Vergangenheit
Parteien im Sejm seit 2007 (mit 55% höchste Wahlbeteiligung seit
1989):
•PO Bürgerplattform (liberal) 209 – Premier Donald Tusk
•PIS Recht und Gerechtigkeit (national-konservativ) 166
•LID Linke und Demokraten (links-liberal) 53
•PSL Polnische Volkspartei (Bauernpartei, agrarisch-konservativ) 31
•Deutsche Minderheit 1
Vormalige Regierungsparteien LPR Liga polnischer Familien und
Samoobrona (Selbstverteidigung) scheiterten mit jeweils unter 2%
der Stimmen an der Sperrklausel
EU-Beitrittsgesuch 1994
Eröffnung Beitrittsverhandlungen 1998 (Probleme v.a. Agrarbereich,
Übergangsfristen für Freizügigkeit von ArbeitnehmerInnen)
EU-Abstimmung: Juni 2003, Mehrheit für Beitritt zu EU (77,5%)
(Beteiligung 58,9%)
EP-Wahlen: Wahlbeteiligung 20,76%
EU-Ratspräsidentschaft zweite Hälfte 2011
Problematische Position Polens in der Diskussion um den EUVerfassungsvertrag (Stimmengewichtung im Rat, Boykotthaltung)
NATO-Beitritt 1999 (gemeinsam mit Tschechien und Ungarn)
Sonstige Themen:
•„Wertediskussion“ – national-konservative bis reaktionäre
Gesellschaftspolitik unter der Regierung Jaroslaw Kaczynski, Radio Maryia,
Homophobie
•Gedächtnispolitik (Lustration – kommunistische Vergangenheit; NS:
Opferrolle und Mittäterschaft? Jedwabne als Zentraldebatte; Katyn;
Vertreibungen Ende des Zweiten Weltkriegs)
•US-Raketenschild
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